I-2 U 72/24 – Austauschbarer Pulverbehälter

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3434

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 3. Juli 2025, I-2 U 72/24

Vorinstanz: 4a O 35/21

  1. I.
    Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Juli 2024 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az. 4a O 35/21) abgeändert.
    Die Klage wird abgewiesen.
  2. II.
    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
  3. III.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  4. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten
    wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  5. IV.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
  6. V.
    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,00 EUR
    festgesetzt.
  7. Gründe:
  8. I.
    Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem Gegenstand des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents x xxx xxx  (Klagepatent). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagten auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung und Rückruf der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
  9. Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 19.03.2007 eingereicht. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am 04.07.2012. Eingetragene Inhaberin des Klagepatents ist die D. S.A., bei der es sich um die Holdinggesellschaft der Klägerin handelt.
  10. Das Klagepatent betrifft mit seinem Patentanspruch 1 einen Pulverbehälter für ein Pulverstrahlgerät. Mit seinem Patentanspruch 13 betrifft es ferner eine Kombination aus einem Pulverstrahlgerät und einem Pulverbehälter. Wegen des Wortlauts der erteilten Patentansprüche 1 und 13 des Klagepatents wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  11. Auf eine von der Beklagten zu 1. erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht durch Urteil vom 17.01.2024 (Az.: 6 Ni 38/21 (EP); Anlage B11) den deutschen Teil des Klagepatents eingeschränkt aufrechterhalten. Der vom Bundespatentgericht aufrechterhaltene Patentanspruch 1 lautet wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind durch Unterstreichungen hervorgehoben):
  12. „Austauschbarer Pulverbehälter (2) für ein Pulverstrahlgerät (1) zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlicher Drücken mit einer Pulveraufnahme (14) und einer Wirbelkammer (24), in der unter Druck stehendes und über mindestens einen Gaseintritt (17) eintretendes Gas Pulver verwirbelt und als Pulver-Gas-Gemisch über eine Auslassöffnung (16) mindestens eines Gemischaustritts (15) des Pulverbehälters (2) abführt, wobei der Pulverbehälter (2) einen Kupplungsbereich (48) zum dichtenden Verbinden des sich im Kupplungsbereich (48) angeordneten Gaseintritts (17) und des sich im Kupplungsbereich (48) angeordneten Gemischaustritts (15) mit entsprechenden Anschlüssen (56, 57) eines Pulverstrahlgeräts (1) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Kupplungsbereich (48) des Pulverbehälters (2) Kodiermittel (22, 35) aufweist, welche mit elektrischen Kontakten (37) eines Aufnahmebereichs (49) des Pulverstrahlgeräts (1) derart zusammenwirken können, dass das Pulverstrahlgerät (1) Informationen über die Art des Pulverbehälters (2) erhält.“
  13. Wegen des Wortlauts des mit entsprechenden Änderungen aufrechterhaltenen Patentanspruchs 13 wird auf das Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts Bezug genommen.
  14. Gegen das Urteil des Bundespatentgerichts hat die Beklagte zu 1. Berufung beim Bundesgerichtshof eingelegt.
  15. Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1, 2 und 6 stammen aus der Klagepatentschrift. Sie erläutern die Erfindung anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele. Figur 1 zeigt die schematische, dreidimensionale Ansicht auf ein Pulverstrahlgerät mit zwei aufgesetzten, erfindungsgemäßen Pulverbehältern. Figur 2 zeigt den Querschnitt durch eine erste bevorzugte Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Pulverbehälters und Figur 6 den Teilquerschnitt durch den unteren Teil des erfindungsgemäßen Pulverbehälters nach einer ersten Ausführungsform nach Figur 2 mit Kupplungsbereich sowie den Querschnitt durch den oberen Bereich des Pulverstrahlbehälters mit Aufnahmebereich.
  16. Die Beklagte zu 1., deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2. ist, bietet an und vertreibt unter dem Bestellcode Exxxxxxx ein Dentalgerät mit der Bezeichnung „F. “ (im Urteil des Landgerichts als angegriffene Ausführungsform bezeichnet), welches in Zahnarztpraxen für die professionelle Zahnreinigung eingesetzt wird. Bei diesem Gerät handelt es sich um ein Kombigerät, das sowohl eine Ultraschallvorrichtung zur Entfernung von Zahnstein als auch ein Pulverstrahlgerät bereitstellt.
  17. Die Klägerin hat als Anlage K2 eine auf der Internetseite der Beklagten zu 1. abrufbare Produktbroschüre und als Anlage K16 außerdem ein Handbuch zu dem Dentalgerät „F.“ vorgelegt. Beide Parteien haben ferner mehrere Abbildungen des Dentalgeräts „F.“ und seines Pulverbehälters zu den Akten gereicht. Außerdem hat die Klägerin in erster Instanz ein Exemplar des Dentalgeräts „F.“ vorgelegt. Die Beklagten haben ihrerseits zwei unterschiedliche Pulverbehälter des Dentalgeräts überreicht. Die nachfolgend wiedergegebene Abbildung aus der Produktbroschüre der Beklagten zu 1. zeigt das Dentalgerät „F.“.
  18. „Abbildung entfernt.“
  19. Für den als Pulverstrahlgerät ausgebildeten Teil des Geräts (rechter Bereich in der vorstehend wiedergegebenen Abbildung) ist vorgesehen, dass ein das Pulver umfassender Pulverbehälter lösbar an dem Pulverstrahlgerät angebracht werden kann.
  20. Es lassen sich zwei unterschiedliche Pulverbehälter-Typen in den entsprechenden Aufnahmebereich des Dentalgeräts „F. “ einsetzen, nämlich zum einen ein sog. J.-Pulverbehälter für den supragingivalen Einsatz und zum anderen ein sog. K.-Pulverbehälter für den subgingivalen Einsatz. Der „J.“-Pulverbehälter ist im Lieferumfang des Dentalgeräts „F.“ enthalten, der „K.“-Pulverbehälter kann optional dazu erworben werden. Die beiden Pulverbehälter-Typen enthalten verschiedene Pulver: Der „J.“-Pulverbehälter enthält ein Pulver („G.“) für die supragingivale Behandlung und der „K.“-Pulverbehälter enthält ein Pulver („H.“) für die subgingivale Behandlung.
  21. Beide Pulverbehälter-Typen werden jeweils mit einem auf den jeweiligen Pulverbehälter abgestimmten eigenen Schlauch sowie einem eigenen Handstück ausgeliefert. Schlauch und Handstück der Pulverbehälter-Typen sind hierbei nicht kompatibel, d.h. das „K.“-Handstück und der „K.“-Schlauch passen nicht auf den „J.“-Pulverbehälter und umgekehrt.
  22. Am Pulverbehälter befindet sich im unteren Bereich ein Anschlusselement für den Schlauch mit dem Handgerät. Die Pulverbehälter lassen sich mit einem einfachen Handgriff wechseln. Dabei wird automatisch ein Umschalten zwischen einer subgingivalen und einer supragingivalen Behandlung veranlasst, d.h. es wird automatisch erkannt, welcher Pulverbehälter-Typ an das Dentalgerät „F.“ angeschlossen ist. Zu diesem Zweck ist am Boden der angegriffenen Pulverbehälter jeweils ein Magnet verbaut, wobei der Magnet bei den beiden Pulverbehälter-Typen an unterschiedlichen Positionen vorgesehen ist. Im Inneren des „F.“-Pulverstrahlgeräts sind Hall-Sensoren verbaut. Diese reagieren auf das von dem jeweiligen Magneten erzeugte Magnetfeld. Die im Hall-Sensor angelegte Spannung wird durch den Magneten im Pulverbehälter beeinflusst, woraus sich im Hall-Sensor ein Spannungsunterschied messen und verarbeiten lässt.
  23. Die nachfolgend wiedergegebene, von der Klägerin mit Bezugszeichen versehene Abbildung zeigt einen von unten geöffneten Pulverbehälter. Dieser weist unterhalb seiner Mischkammer einen sockelartigen Bereich auf, in dem Schläuche zur Führung des Pulver-Gas-Gemischs sowie Schläuche zur Führung von Wasser und Luft vorgesehen sind. Diese Schläuche verlassen gemeinsam den Behälter über ein Anschlusselement (E). Ferner bildet der zentrale Abschnitt an der Unterseite einen Gaseinlass bzw. Gaseintritt (T) aus, über den Gas in die Mischkammer eingeleitet wird:
  24. Die nachstehend ferner wiedergegebenen Abbildungen zeigen einen Pulverbehälter des Dentalgeräts „F.“ (obere Abbildungen) sowie das Dentalgerät mit eingesetztem Pulverbehälter (untere Abbildungen):
  25. „Abbildungen entfernt.“
  26. Die Klägerin sieht – nachdem sie ursprünglich auch in dem Angebot und Vertrieb der Kombination aus Dentalgerät und Pulverbehälter eine Verletzung des Patentanspruchs 13 erblickt hat – im Angebot und Vertrieb der Pulverbehälter des Dentalgeräts „F. eine Verletzung des Patentanspruchs 1 des Klagepatents, und zwar unabhängig davon, ob der Pulverbehälter mit dem Dentalgerät oder isoliert angeboten und/oder vertrieben wird.
  27. Mit ihrer vor dem Landgericht erhobenen Klage hat sie ursprünglich sowohl eine wortsinngemäße Verletzung des eingetragenen Patentanspruchs 1 als auch eine wortsinngemäße Verletzung des Patentanspruchs 13 geltend gemacht. Im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 20.06.2023 hat sie sich hilfsweise auf eine äquivalente Verletzung des eingetragenen Anspruchs 1 berufen (Bl. 331 eA-LG). Ferner hat sie in diesem Termin erklärt, dass der Anspruch 13 nicht mehr geltend gemacht wird (Bl. 331 eA-LG). Zuletzt hat die Klägerin in erster Instanz noch eine Verletzung des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 17.01.2024 geltend gemacht.
  28. Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht, die „angegriffene Ausführungsform“ mache von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Diese verwirkliche sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts.
  29. Die Beklagten, die Klageabweisung und hilfsweise Aussetzung des Rechtsstreits bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Nichtigkeitsklage beantragt haben, haben eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Sie haben geltend gemacht, dass die „angegriffene Ausführungsform“ gleich mehrere Merkmale des Patentanspruchs 1 des Klagepatents in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts nicht verwirkliche. Darüber hinaus sei das Klagepatent nicht rechtsbeständig, weshalb das Verfahren jedenfalls bis zur rechtskräftigen Erledigung des Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen sei.
  30. Durch Urteil vom 25.07.2024 hat das Landgericht, das die Verhandlung zunächst bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts im Nichtigkeitsverfahren ausgesetzt hatte, der Klage nach den zuletzt noch gestellten Klageanträgen entsprochen und wie folgt erkannt:
  31. „I.
    Die Beklagten werden verurteilt,
  32. 1.
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, — ersatzweise Ordnungshaft — oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Fall der Beklagten zu 1) an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  33. austauschbare Pulverbehälter für ein Pulverstrahlgerät zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlicher Drücken mit einer Pulveraufnahme und einer Wirbelkammer, in der unter Druck stehendes und über mindestens einen Gaseintritt eintretendes Gas Pulver verwirbelt und als Pulver-Gas-Gemisch über eine Auslassöffnung mindestens eines Gasaustritts des Pulverbehälters abführt, wobei der Pulverbehälter einen Kupplungsbereich zum dichtenden Verbinden des sich im Kupplungsbereich angeordneten Gaseintritts und des sich im Kupplungsbereich angeordneten Gemischaustritts mit entsprechenden Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts aufweist,
  34. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
  35. sofern der Kupplungsbereich des Pulverbehälters Kodiermittel aufweist,
  36. welche mit elektrischen Kontakten eines Aufnahmebereichs des Pulverstrahlgeräts derart zusammenwirken können, dass das Pulverstrahlgerät Informationen über die Art des Pulverbehälters erhält;
  37. 2.
    der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 04.07.2012 die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen begangen haben,
  38. und zwar unter Angabe
  39. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der hierfür bezahlten Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  40. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  41. 3.
    der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 04.08.2012 begangen haben,
    und zwar unter Angabe:
  42. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    b) der Menge der erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
  43. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in elektronischer Form, hilfsweise schriftlich in Kopie, vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  44. 4.
    nur die Beklagte zu 1): die in dem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten zu 1) befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben;
  45. 5.
    nur die Beklagte zu 1): die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 04.07.2021 in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern schriftlich unter Hinweis auf die mit dem hiesigen Urteil von der Kammer festgestellte Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP x xxx xxx X1 mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  46. II.
    Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter der Ziffer I.1. bezeichneten, in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 04.08.2012 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.“
  47. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
  48. Die „angegriffene Ausführungsform“ mache von der Lehre des aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 Gebrauch, weshalb der Klägerin die zuerkannten Ansprüche zustünden.
  49. Bei den Pulverbehältern der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um austauschbare Pulverbehälter für ein Pulverstrahlgerät zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken. Das durch das Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts neu hinzugefügte Teil-Merkmal „zur abrasiven Reinigung (…)“ beziehe sich unmittelbar auf ein von Anspruch 1 nicht beanspruchtes Pulverstrahlgerät und nur mittelbar auf den beanspruchten Pulverbehälter. Anspruch 1 stelle lediglich einen Pulverbehälter, nicht auch ein Pulverstrahlgerät unter Schutz. Der Pulverbehälter werde durch den Anspruchswortlaut jedoch dahingehend konkretisiert, dass er für das im Anspruch beschriebene Pulverstrahlgerät geeignet sein müsse. Mehr als eine grundsätzliche Eignung des austauschbaren Pulverbehälters in seiner technischen Verwendbarkeit für ein Pulverstrahlgerät mit den näher bezeichneten Eigenschaften sei im Patentanspruch 1 nicht beansprucht. Der Fachmann lese das in Rede stehende Anspruchsmerkmal nicht dahingehend, dass ein einzelner Pulverbehälter zur Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten und unterschiedlichen Drücken geeignet oder gar bestimmt sein müsse. Für eine entsprechende enge Auslegung fänden sich keine Anhaltspunkte in der Patentschrift. Hiervon ausgehend verwirklichten die Pulverbehälter der angegriffenen Ausführungsform das in Rede stehende Merkmal. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über zwei verschiedene austauschbare Pulverbehälter, welche jeweils unstreitig für einen unterschiedlichen Behandlungsmodus, nämlich die subgingivale oder die supragingivale Behandlung, bestimmt seien. Es führe weder aus der Verletzung hinaus, dass die Pulverbehälter jeweils nur entweder für die subgingivale oder die supragingivale Behandlung geeignet seien, noch, dass das zugehörige Pulverstrahlgerät jeweils stets nur unter einer voreingestellten Druck-Einstellungen für den jeweiligen Containertyp betrieben werde.
  50. Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche auch das die Wirbelkammer betreffende Anspruchsmerkmal, was die Beklagten im letzten Verhandlungstermin auch nicht mehr in Abrede gestellt hätten.
  51. Das den Kupplungsbereich betreffende Anspruchsmerkmal werde von der angegriffenen Ausführungsform ebenfalls verwirklicht. Dass sich der Kupplungsbereich an der Unterseite des Pulverbehälters oder vollständig auf der Seite befinden müsse, welche mit der stationären Einheit bzw. dem Steuerungselement des Pulverstrahlgeräts in Berührung komme, fordere das Klagepatent nicht. Die genaue Position des Kupplungsbereichs werde über die Position der Anschlüsse bzw. Austritte bestimmt. Der Anspruchswortlaut verlange durch die Verwendung des Begriffs „Kupplungsbereich“, dass eine lösbare Vorrichtung zum Verbinden zweier Teile bestehe. Wo sich die Kupplungen befinden sollen, gebe der Anspruchswortlaut nicht vor. Eine darüber hinausgehende zwingende örtliche oder räumliche Definition des Kupplungsbereichs finde sich in der Klagepatentschrift nicht. Einen Hinweis auf eine räumliche Verortung liefere die Bezugsziffer 48 in den Figuren. Diese deute gerade nicht nur auf eine Seite des Pulverbehälters, sondern mit einer Klammer ohne genauere Spezifizierung auf einen nicht besonders eingegrenzten Bereich mit einer Vielzahl von Elementen hin. Es führe daher nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus, wenn sich Gaseintritt und Gemischaustritt an unterschiedlichen Seiten befänden. Auch führe es nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus, wenn sich die Gemischaustrittsdüse am Handstück befinde. Das Pulverstrahlgerät im Sinne des Klagepatents beschränke sich nicht auf ein Steuerungselement oder eine stationäre Einheit, sondern beinhalte als Teil des Ganzen auch ein Handgerät. Was unter einem Pulverstrahlgerät im Sinne des Klagepatents zu verstehen sei, ergebe sich aus Absatz [0013] der Klagepatentschrift. Danach weise das Pulverstrahlgerät mit Vorteil ein Handstück auf. Auch aus Anspruch 13 ergebe sich, dass das Pulverstrahlgerät klagepatentgemäß aus mehr Elementen als nur einer stationären Einheit bzw. einem Steuerungselement bestehe. Der Fachmann entnehme zudem der Figur 1, dass das Handstück zum Pulverstrahlgerät gehöre. Weiterhin dränge es sich für ihn auf, dass ein Handstück bestimmungsgemäßer Teil eines Pulverstrahlgeräts zur Besprühung von Zähnen bei der professionellen Zahnreinigung sei. Es stelle sich bereits die Frage, wie ein Pulverstrahlgerät ohne Handstück zur gezielten Anwendung am Patienten aussehen und wie das Pulverstrahlgerät seine Funktion ohne ein solches Handstück leisten könnte. Aus Absatz [0015] ziehe der Fachmann nicht den Schluss, dass das Handstück nicht zum Pulverstrahlgerät gehöre. Aus dieser Beschreibungsstelle sei nicht zu lesen, dass es sich um eine anspruchsgemäß vorgegebene bestimmte Reihenfolge der vom Gemisch durchlaufenen Abschnitte des Pulverstrahlgeräts handele. Es sei ebenso eine Ausführungsform vorstellbar, bei der die Zuführung des Gas-Pulver-Gemischs zum Pulverstrahlgerät mit der (direkten) Zuführung über die Ableitung zu einem Handstück zusammenfalle. Dem Klagepatent lasse sich nicht entnehmen, dass dieses einen Gemischaustritt am Handstück als nachteilig ansehe und sich insoweit vom Stand der Technik abzugrenzen suche.
  52. Auf der Grundlage dieses Verständnisses verwirkliche die angegriffene Ausführungsform das den Kupplungsbereich betreffende Merkmal wortsinngemäß. Der Gaseintritt sei mittig im Pulverbehälter angeordnet und der Gemischaustritt sei seitlich am Pulverbehälter angeordnet. Diese Anordnung sei klagepatentgemäß und bilde den Kupplungsbereich beim Pulverbehälter. Der Gasanschluss bei dem Pulverstrahlgerät der angegriffenen Ausführungsform befinde sich ebenfalls mittig und korrespondiere damit mit dem des Pulverbehälters. Das Pulver-Gas-Gemisch werde wiederum über eine externe Leitung aus dem Pulverbehälter transportiert und in das Handstück geführt. Das Handstück sei bestimmungsgemäßer Teil des Pulverstrahlgeräts, so dass auch eine dichtende Verbindung zwischen Gemischaustritt des Pulverbehälters und des Pulverstrahlgeräts bestehe.
  53. Dass die Kodiermittel betreffende Merkmal des Patentanspruchs 1 werde durch die angegriffene Ausführungsform ebenfalls wortsinngemäß verwirklicht. Patentgemäß müssten sich die Kodiermittel im Kupplungsbereich befinden und Informationen über die Art des Pulverbehälters übertragen können. Dies müsse durch ein nicht näher definiertes Zusammenwirken jedweder Art mit elektrischen Kontakten eines Aufnahmebereichs eines von Anspruch 1 nicht umfassten Pulverstrahlgeräts geschehen. Für die Verwirklichung des Merkmals sei es nicht erforderlich, dass das Pulverstrahlgerät tatsächlich elektrische Kontakte aufweise. Erforderlich sei insoweit alleine, dass das Kodiermittel zu einem Zusammenwirken mit einem elektrischen Kontakt geeignet sei, sofern ein von Anspruch 1 nicht beanspruchtes Pulverstrahlgerät über entsprechende elektrische Kontakte verfüge. Das Merkmal setze voraus, dass ein Mittel zum Kodieren im Pulverbehälter in der Lage sei, Informationen für das Pulverstrahlgerät zu übersetzen oder weiterzugeben. Es verhalte sich lediglich insoweit zum Inhalt der zu übertragenden Information, als diese die Art des verwendeten Pulverbehälters betreffen müsse. Wie genau die Übertragung zu erfolgen habe, lasse der Anspruchswortlaut offen. Weiter müsse das Kodiermittel in dem Bereich des Pulverbehälters angebracht sein, an dem sich auch die Gas- und Gemischkupplung, also der Kupplungsbereich, befinde. Wie das Kodiermittel dort räumlich-körperlich ausgestaltet sein müsse, gebe das Klagepatent nicht zwingend vor. Ein physisches Einwirken von dem Kodiermittel auf den elektrischen Kontakt werde vom Klagepatent ebenfalls nicht zwingend gefordert. Klagepatentgemäße Kodiermittel umfassten auch Magnete, solange diese die Funktion der Informationsübertragung über die Art des Pulverbehälters unter Zusammenwirken mit einem elektrischen Kontakt eines Pulverstrahlgeräts erfüllten. Der Fachmann erkenne Magnetstreifen und damit eine magnetische Wirkung zur Übertragung einer Information an das Pulverstrahlgerät gemäß Absatz [0017] der Patentbeschreibung als klagepatentgemäß. Einen anspruchsgemäßen elektrischen Kontakt verstehe der Fachmann im Sinne von elektrischen Anschlüssen, die bei Kontakt einen Stromfluss bewirken oder auslösen können, d.h. jede Verbindung von leitenden Bauteilen, so dass ein Stromfluss hergestellt werde.
  54. Nach Maßgabe dieses Verständnisses entspreche die angegriffenen Ausführungsform auch insoweit den Vorgaben des Patentanspruchs 1. Sie verfüge am Boden des Pulverbehälters über einen Magneten. Am Boden des Pulverbehälters befänden sich auch der Gaseintritt sowie am seitlichen unteren Ende des Behälters der Gemischauslass, so dass der Magnet in einem Teil des Kupplungsbereichs des Pulverbehälters liege. Der Magnet sei geeignet, mit einem elektrischen Kontakt an einem beliebigen Pulverstrahlgerät derart zusammenzuwirken, dass über die Art des Pulverbehälters Informationen an das Pulverstrahlgerät transportiert würden. So liefere der Pulverbehälter anhand der Position des Magneten am Behälter Informationen – an ein beliebiges Pulverstrahlgerät – darüber, ob es sich um einen Pulverbehälter mit Pulver für die subgingivale oder supragingivale Behandlung mit den entsprechend vom Pulverstrahlgerät dafür vorgesehenen Parametern handele. Befinde sich im Pulverstrahlgerät etwa ein Reedkontakt, komme es beim Kontakt mit dem Magneten zu einem Schalterschluss, so dass elektrischer Strom fließen könne. Damit könne ein Pulverstrahlgerät die Information erhalten, dass es sich um einen Pulverbehälter mit Magnet an einer bestimmten Stelle handele, der die Information gebe, welcher Behandlungsmodus mit welchem Pulver-Gas-Gemisch sowie Druck mit diesem Behälter möglich sei, und diesen damit von anderen Behältern mit Magnet an anderer Stelle oder ohne Magnet unterscheide. Erörterungen zu einer etwaigen äquivalenten Patentverletzung unter Verwendung eines Hall-Sensors als etwaiges Austauschmittel für einen elektrischen Kontakt, welche die Parteien schriftsätzlich diskutiert hätten, bedürfe es vor diesem Hintergrund nicht, zumal es an einem entsprechenden Klageantrag fehle.
  55. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
  56. Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens machen sie u.a. geltend:
  57. Das Landgericht habe seiner Entscheidung ein zu breites Verständnis des „Kupplungsbereichs“ zugrunde gelegt. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne es für die räumliche Bestimmung des Kupplungsbereichs nicht allein auf die Position der Gas- bzw. Gemischanschlüsse ankommen. Eine derartige Auslegung nehme der der Definition eines bestimmten „Bereichs“ innewohnenden körperlich-räumlichen Zuordnung jegliche beschränkende Wirkung. Vielmehr müsse der Begriff vor dem Hintergrund seiner technischen Funktion ausgelegt werden. Der Fachmann verstehe unter dem „Kupplungsbereich“ den Bereich, in dem beim Auswechseln des Pulverbehälters eine dichtende Verbindung bzw. Kopplung zwischen den Anschlüssen des Pulverstrahlgeräts und denen des Pulverbehälters stattfinde. Diese Kopplung stelle dabei nicht nur eine irgendwie geartete Verbindung dar, sondern erfordere, dass die Verbindung sämtlicher Anschlüsse durch einen einzigen Kupplungsvorgang, d.h. durch ein einmaliges Ab- und Aufstecken erfolge. Nur so sei ein benutzerfreundliches – weil schnelles, einfaches und in einem einzigen Schritt vollziehbares – Auswechseln des Pulverbehälters sichergestellt. Dieses Verständnis werde an mehreren Stellen des Klagepatents bestätigt. So erläutere z.B. Absatz [0015] das genaue Zusammenspiel von Pulverbehälter und dessen Kupplungsbereich mit dem Aufnahmebereich des Pulverstrahlgeräts. Ausweislich dieser Beschreibungsstelle werde das im Pulverbehälter verwirbelte Pulver-Gas-Gemisch vom Pulverbehälter über die Gemischkupplung wieder dem Pulverstrahlgerät zugeführt. Die erneute Zuführung des Pulver-Gas-Gemischs sei nur über eine entsprechende Kupplung im Aufnahmebereich des Pulverstrahlgeräts möglich. Die beschriebene Funktionalität beziehe sich ausweislich der Patentbeschreibung auf einen erfindungsgemäßen Pulverbehälter bzw. ein erfindungsgemäßes Pulverstrahlgerät und nicht bloß auf eine besondere Ausführungsform eines solchen. Für diese Auslegung spreche auch der Anspruch 13, wonach der Aufnahmebereich dem auswechselbaren Verbinden des Pulverbehälters mit dem Pulverstrahlgerät diene. Diesen Zweck könne der Aufnahmebereich nur erfüllen, wenn der Kupplungsbereich über die entsprechenden Anschlüsse verfüge, an der dem Aufnahmebereich zugewandten Seite angeordnet sei und schlüssig in den Aufnahmebereich passe. Darüber hinaus habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass der Kupplungsbereich sich nicht nur durch die Position der Anschlüsse, sondern auch das Vorhandensein und die Position der Kodiermittel auszeichne. Der Kupplungsvorgang erfordere, dass Gemischaustritt und Ableitung sowie Gaseintritt und Gasanschluss miteinander verbunden würden und die Kodiermittel in die Lage versetzt würden, mit den elektrischen Kontakten des Pulverstrahlgeräts zusammenwirken zu können. Alle drei Elemente des Pulverbehälters seien zu diesem Zweck im Kupplungsbereich verortet. Die unzutreffend breite Auslegung des Landgerichts zur räumlichen Ausdehnung des Kupplungsbereichs fuße maßgeblich auf der falschen Annahme, dass das Klagepatent das Handstück als Teil des Pulverstrahlgeräts im Sinne des Anspruchs 1 qualifiziere. Das Handstück könne im Kontext von Anspruch 1 indes nicht als Bestandteil des Pulverstrahlgeräts erachtet werden. Aus dem Vergleich des Absatzes [0013] mit den Ansprüchen 1 und 13 komme der Fachmann zu dem Ergebnis, dass der Begriff „Pulverstrahlgerät“ im Klagepatent mit zweierlei Bedeutungen verwendet werde, nämlich in einem engeren und in einem weiteren Sinne. Das Pulverstrahlgerät im engeren Sinne von Anspruch 1 bezeichne lediglich die Einheit, die es dem Anwender ermögliche, den Strahlprozess zu steuern, und die bestimmungsgemäß mit dem beanspruchten Pulverbehälter gekoppelt werde. Das Pulverstrahlgerät im weiteren Sinne, wie in Absatz [0013] verwendet, bezeichne hingegen die gesamte Funktionseinheit, wie der Zahnarzt sie zur Behandlung des Patienten einsetze, einschließlich des Pulverbehälters und des Handstücks. Die Auffassung des Landgerichts finde auch keine Stütze in Anspruch 13. Der Vergleich mit Anspruch 13 zeige vielmehr, dass eine direkt vom Pulverbehälter abgehende Ableitung für das Pulver-Gas-Gemisch – wie in der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht – nicht von der Lehre des Klagepatents umfasst sei.
  58. Zu Unrecht sei das Landgericht ferner davon ausgegangen, dass es sich bei Magneten um „Kodiermittel“ im Sinne des Klagepatents handele. Die in Absatz [0017] erwähnten Magnetstreifen stünden unmissverständlich im Zusammenhang mit dem vorstehenden Satz zu einem nicht-erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel. Das Klagepatent differenziere explizit zwischen „Informationsübertragungsmittel“ einerseits und „Kodiermittel“ andererseits. Darüber hinaus könne es im Lichte der Entscheidung des Bundespatentgerichts nicht ausreichen, wenn das Kodiermittel rein theoretisch zu einem Zusammenwirken mit einem elektrischen Kontakt geeignet sei. Vielmehr müsse das jeweilige Kodiermittel zum Zusammenwirken mit elektrischen Kontakten bestimmt sein.
  59. Schließlich habe das Landgericht bei der Auslegung von Anspruch 1 die offensichtlichen Widersprüche des Bundespatentgerichts in dessen Entscheidung über die Patentfähigkeit des Klagepatents außer Acht gelassen. Bei richtiger Auslegung des geänderten Merkmals des Patentanspruchs 1 habe der Fachmann sehr wohl Anlass anzunehmen, dass der beanspruchte Pulverbehälter für die Verwendung unterschiedlicher Drücke und Pulver nicht nur geeignet, sondern auch bestimmt sein müsse. Das Bundespatentgericht habe im Zusammenhang mit der NK6 ausgeführt, dass dieser Druckschrift nicht zu entnehmen sei, dass das Gerät und der Behälter zur Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken geeignet und bestimmt seien. Hieraus folge zwingend, dass die vom Bundespatentgericht geforderte Eignung und Bestimmung des Pulverbehälters zur Verwendung unterschiedlicher Pulversorten, Pulver-Gas-Gemischen und Drücken für den jeweiligen (einzelnen) beanspruchten Pulverbehälter vorliegen müsse und es gerade nicht darauf ankommen könne, ob der potentielle Verletzer nur einen oder mehrere verschiedene Pulverbehälter anbiete. Ein Pulverbehälter könne den vorstehenden Anforderungen nur dann gerecht werden, wenn er darüber hinaus veränderbare, d.h. einstellbare, Kodiermittel aufweise. Denn je nach Art des beinhalteten Pulvers müssten der Pulverbehälter und damit die Kodiermittel unterschiedliche Informationen an das Pulverstrahlgerät übermitteln.
  60. Hiervon ausgehend machten die angegriffenen Pulverbehälter von der Lehre des Anspruchs 1 keinen Gebrauch.
  61. Bei den angegriffenen Ausführungsformen handele es sich nicht um Pulverbehälter, die jeweils zur Verwendung unterschiedlicher Pulver und Drücke geeignet und bestimmt seien. Der Containertyp „J.“ sei weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, für andere Behandlungsarten als die subgingivale Zahnbehandlung verwendet zu werden. Gleiches gelte für die Verwendung des „K.“ Containers für supragingivale Zahnbehandlungsmethoden. Die angegriffenen Pulverbehälter wiesen zudem ortsfeste Kodiermittel auf und seien auch deshalb nicht jeweils sowohl für die supragingivale als auch die subgingivale Behandlung bestimmt.
  62. Weiter wiesen die angegriffenen Pulverbehälter keinen Kupplungsbereich mit Gemischaustritt zum dichtenden Verbinden mit entsprechenden Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts auf. Bei ihnen sei der Gemischauslass nämlich nicht im Kupplungsbereich angeordnet. Beim Auswechseln des Pulverbehälters werde lediglich der Gaseintritt des neuen Behälters mit dem Gasauslass des Pulverstrahlgeräts gekoppelt. Das Handstück des neuen Pulverbehälters werde jedoch beim Auswechseln des Pulverbehälters nicht neu angeschlossen bzw. mit dem Pulverstrahlgerät gekoppelt. Darüber hinaus werde der Gemischaustritt nicht mit entsprechenden Anschlüssen des Pulverstrahlgeräts verbunden. Entgegen der Vorgabe von Anspruch 1 werde das im Pulverbehälter erzeugte Pulver-Gas-Gemisch nicht zurück in das Pulverstrahlgerät geführt, sondern sei der Gemischauslass direkt mit der für den jeweiligen Behältertyp individuell angepassten Ableitung bzw. dem Handstück verbunden, die gerade kein Teil des Pulverstrahlgeräts seien.
  63. Schließlich verfügten die angegriffene Ausführungsformen auch über keine patentgemäßen Kodiermittel, die mit elektrischen Kontakten zusammenwirken sollten. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei der Magnet nicht dazu bestimmt, mit einem elektrischen Kontakt des Pulverstrahlgeräts zusammenzuwirken. Vielmehr verfüge das Pulverstrahlgerät – unstreitig – über einen Hall-Sensor. Ausweislich der Entscheidung des Bundespatentgerichts handele es sich bei einem solchen gerade nicht um einen elektrischen Kontakt.
  64. Die Beklagten beantragen,
  65. das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
  66. Die Klägerin beantragt,
  67. die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass im Tenor zu Ziff. I. 3. des landgerichtlichen Urteils nach lit. e) einleitend nach dem Wort „wobei“ die Formulierung „zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in elektronischer Form, hilfsweise schriftlich in Kopie, vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und“ entfällt.
  68. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Berufungsvorbringen der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Einzelnen entgegen, wobei sie u.a. geltend macht:
  69. Der Kupplungsbereich werde anspruchsgemäß als derjenige Bereich verstanden, in dem Gaseinlass, Gemischauslass und Kodiermittel verortet seien. Grundsätzlich teile sie – die Klägerin – die Auffassung, dass mit der Bezeichnung „Bereich“ ein räumlich abgegrenzter Abschnitt am Außenumfang des Pulverbehälters gemeint sei. Allerdings sei dieser Bereich nicht auf eine einzelne Seite des Pulverbehälters beschränkt. Vielmehr ziele das klagepatentgemäße Verständnis darauf ab, einen Teilabschnitt vorzusehen, der für die Kupplung vorgesehen sei. Der Auffassung der Beklagten, wonach der Kupplungsbereich dazu diene, ein auswechselbares Verbinden des Pulverbehälters bzw. der Pulverbehälter mit dem Pulverstrahlgerät zu gewährleisten, könne gefolgt werden. Allerdings gingen die Beklagten in ihrer Auslegung zu weit. Ein gleichzeitiges Lösen bei der Herausnahme des Pulverbehälters von Gaseinlass und Gemischauslass sei anspruchsgemäß nicht vorgesehen. Auch die Beschreibung enthalte diesbezüglich keine Hinweise. Insbesondere gebe es keinen Hinweis darauf, dass der erfindungsgemäße Pulverbehälter deswegen einfacher und benutzerfreundlich sei, weil durch ein einmaliges Ab- und Aufstecken der Kopplungsvorgang beendet sei. Der Schutzbereich des Anspruchs 1 schließe daher auch eine Ausführungsvariante ein, bei der Gaseintritt und Gemischauslass separat vom Pulverstrahlgerät bzw. dessen Bestandteilen entkoppelt werden könnten. Die Bezugnahme der Beklagten auf Absatz [0015] gehe fehl, da es sich hierbei nur um eine bevorzugte Ausführungsvariante handele. Die Zurückführung in eine Basisstation vor der Weiterleitung in das Handstück sei eine mögliche, in den Figuren beschriebene Ausführungsvariante. Der Anspruchswortlaut enthalte indes keine Beschränkung hierauf. Der Verweis auf den Gegenstand des Anspruchs 13 sei ebenfalls nicht zielführend. Denn dieser Anspruch betreffe einen anderen Gegenstand. Das Handstück sei Teil des Pulverstrahlgeräts. Pulverstrahlgeräte seien dem Fachmann bekannt. Diese existierten in verschiedensten Formen. Neben denen, die im Klagepatent beschrieben seien, gebe es auch solche Pulverstrahlgeräte, die den Pulverbehälter direkt am Handgerät aufwiesen. Auch solche Ausführungsvarianten würden grundsätzlich als Pulverstrahlgerät miterfasst bzw. seien davon nicht ausgeschlossen. Ungeachtet dessen sei es zwingend notwendig, dass das Pulverstrahlgerät seiner eigentlichen Bestimmung und Funktion nachkomme, nämlich einen Pulverstrahl bereitzustellen, der auf den zu behandelnden Zahn gerichtet werden könne. Dies erfolge selbstverständlich mit einem entsprechenden Handstück oder Handgerät, das Teil des Pulverstrahlgeräts sein müsse. Technisch-funktional müsse das erzeugte Pulver-Gas-Gemisch lediglich in sinnvoller Weise für die Zahnprophylaxe bereitgestellt werden können. Ob ein solches Bereitstellen über eine Basisstation und zugehöriges Handgerät erfolge, wie im Klagepatent beispielhaft beschrieben, oder das Pulver-Gas-Gemisch direkt vom Pulverbehälter zum Handgerät geführt werde, sei in technischer Hinsicht unerheblich.
  70. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne das Kodiermittel durch Magnete realisiert werden. Sofern eine Maßnahme als Kodiermittel etabliert sei, die ein Zusammenwirken mit irgendeinem elektrischen Kontakt ermögliche, sei das anspruchsgemäße Merkmal für das Kodiermittel realisiert. Dies sei zweifelsfrei bei einem Magneten der Fall, der im eingesetzten Zustand beispielsweise einen Reedkontakt schließe. Ungeachtet dessen bilde ein Hall-Sensor einen elektrischen Kontakt bzw. mache diesen zwingend erforderlich.
  71. Es treffe nicht zu, dass das neue hinzugekommene Merkmal, wonach das Pulverstrahlgerät für unterschiedliche Pulverarten und -drücke ausgelegt sei, derart zu verstehen sei, dass der Pulverbehälter sein Kodiermittel anpassen können müsse. Die Beklagten legten das Urteil des Bundespatentgerichts nicht sachgerecht aus. Dem Bundespatentgericht sei es darum gegangen, dass die NK6 allenfalls einen für eine Zahnbehandlung oder Zahnreinigung geeigneten Pulverbehälter offenbare. Die Existenz mehrerer für verschiedene Behandlungen vorgesehener Pulverbehältertypen gebe es in der Lehre der NK6 nicht. Das Zahnreinigungssystem der NK6 sei nur ausgelegt für einen Behandlungstyp und somit für einen Pulverbehältertyp.
  72. Hiervon ausgehend liege eine Verletzung des Klagepatents vor. Die angegriffenen Pulverbehälter seien geeignet und bestimmt, in einem Pulverstrahlgerät Verwendung zu finden, das für verschiedene Pulversorten, -typen und -drücke ausgelegt sei. Der Gemischauslass liege im Kupplungsbereich. Die angegriffenen Pulverbehälter fielen unter den Schutzbereich des Klagepatents, da das Handgerät des Pulverstrahlgeräts über den seitlichen Anschluss vom Pulverbehälter lösbar sei. Das Handstück sei genau wie die Basisstation Teil des Pulverstrahlgeräts. Alle für die Kupplung erforderlichen Bauteile oder Komponenten, nämlich der Gaseintritt, der Gemischaustritt und das Kodiermittel lägen in einem gemeinsamen Bodenteil, dem Sockel. Durch ein seitliches Anbringen des Gemischauslasses werde der Schutzbereich des Klagepatents nicht verlassen. Die angegriffenen Pulverbehälter umfassten zudem an ihrer Unterseite – unstreitig – jeweils einen Magneten, der abhängig von dessen Position, die Unterscheidung zwischen „J.“- und „K.“-Behälter vornehme. Dieser löse einen Hall-Sensor aus, der ebenfalls unter den Begriff „elektrischer Kontakt“ falle. Jedenfalls sei es auch vorstellbar, dass ein Pulverstrahlgerät einen Reedkontakt aufweisen könnte. Dieser könnte entsprechend ausgelöst werden, sobald der Magnet in die Nähe des Reedkontakts komme. Hilfsweise liege insoweit eine äquivalente Verletzung vor.
  73. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
  74. II.
    Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Die angegriffenen Pulverbehälter „J.“ und „K.“ machen von der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatents in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 17.01.2024 (Az.: 6 Ni 38/21 (EP)) keinen Gebrauch, weshalb der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung, Rückruf und Schadensersatz gegen die Beklagten nicht zustehen. Auf die Berufung ist das landgerichtliche Urteil daher abzuändern und die (verbliebene) Klage abzuweisen.
  75. A.
    Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der auf Patentanspruch 1 des Klagepatents gestützten Klage entsprochen. Soweit die Klägerin zunächst auch eine Verletzung des Patentanspruchs 13 geltend gemacht hat, hat sie ihre Klage bereits in erster Instanz zurückgenommen. Die verbliebene Klage richtet sich gegen die Pulverbehälter des Dentalgeräts „F.“ bzw. die für dieses Dentalgerät bestimmten Pulverbehälter, nämlich gegen die Pulverbehälter mit den Bezeichnungen „J.“ und „K.“ (nachfolgend auch: angegriffene Ausführungsformen). Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb dieser Pulverbehälter eine Verletzung des Patentanspruchs 1 des Klagepatents, und zwar unabhängig davon, ob der Pulverbehälter mit dem Dentalgerät oder isoliert angeboten und/oder vertrieben wird.
  76. B.
    Das Klagepatent betrifft mit seinem Patentanspruch 1 einen Pulverbehälter zur Vermischung eines Pulvers mit einem unter Druck stehenden Gas (Abs. [0001]; die nachfolgenden Bezugnahmen betreffen jeweils die Klagepatentschrift).
  77. Der Pulverbehälter ist für ein Pulverstrahlgerät vorgesehen, wobei es sich bei diesem nach der Änderung, die der Patentanspruch 1 im Nichtigkeitsverfahren durch das Urteil des Bundespatentgerichts vom 17.01.2024 erfahren hat, um ein Pulverstrahlgerät zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen handelt. Bei der Zahnreinigung unterscheidet man grundsätzlich zwischen einer Zahnreinigung innerhalb der Zahnfleischtasche (subgingivale Behandlung) und einer Zahnreinigung oberhalb des Zahnfleisches (supragingivale Behandlung). Die Behandlung innerhalb der Zahnfleischtasche dient vor allem der Reinigung der Zahnwurzeln bzw. -hälse. Eine solche Behandlung birgt unterschiedliche Gefahren für den Patienten, wie beispielsweise die Verletzung des Zahnfleisches oder die Bildung eines Emphysems am Boden der Zahnfleischtasche. Daher verwendet man für die unterschiedlichen Abschnitte, die zu reinigen sind, verschiedene Pulversorten, die sich insbesondere in der Körnungsgröße unterscheiden.
  78. Die Klagepatentschrift führt in ihrer Einleitung aus, dass Pulverstrahlgeräte oder auch dentale Abrasivstrahlgeräte, bei denen ein in einem Behälter bevorratetes Dentalpulver gemeinsam mit einem gasförmigen Trägermedium an eine Düsenanordnung eines über eine Ableitung angeschlossenen Handstücks, in der Regel unter Beimischung von unter Druck stehendem Wasser, angeliefert wird, z.B. aus der EP x xxx xxx X2 bekannt sind. Dabei werde ein bevorzugt auswechselbarer Pulverbehälter an einem Pulverstrahlgerät derart befestigt, dass eine in dem Pulverbehälter bevorratete Pulvermenge kontinuierlich in eine Mischkammer übertragen, das Pulver mit dem durch die Mischkammer hindurchgeleiteten Luftstrom vermischt und als Pulver-Luft-Gemisch einem Handstück und einer dort angeordneten Austrittsdüse zur Zahnbehandlung zugeführt werde (Abs. [0002]).
  79. Die Klagepatentschrift führt einleitend weiter aus, dass die EP x xxx xxx X1 ein gattungsgemäßes Pulverstrahlgerät mit einem Pulverbehälter offenbart, in den ein unter Druck stehendes Gas eingeführt wird, so dass das dort befindliche Pulver aufgewirbelt und über eine Auslassöffnung als Pulver-Luft-Gemisch abgeführt werden können. Der Pulverbehälter befinde sich dabei in dem Pulverstrahlgerät und könne von oben jeweils neu mit Pulver gefüllt werden (Abs. [0002]).
  80. Als weiteren Stand der Technik erwähnt die Klagepatentschrift die EP x xxx xxx X2. Diese offenbare ein Pulverstrahlgerät mit einem Pulverbehälter sowie einem zusätzlichen auswechselbaren Fluidbehälter, mit dem beispielsweise entmineralisiertes Wasser als Spülflüssigkeit den Zähnen zugeführt werden könne. Das Pulverstrahlgerät habe dabei prinzipiell die gleiche Ausbildung wie das Gerät gemäß der EP x xxx xxx X1, d.h. der Pulverbehälter sei fest in dem Pulverstrahlgerät eingebaut (Abs. [0003]).
  81. Die Klagepatentschrift geht in ihrer Einleitung ferner auf die EP x xxx xxx X1 ein, aus der eine Verschlusseinrichtung für einen Fluidbehälter bekannt ist. Die Verschlusseinrichtung sei für eine Verschraubung des Fluidbehälters mit einem Aufsatzteil ausgebildet, welches außen an dem Pulverstrahlgerät vorgesehen sei. Dadurch könne der Fluidbehälter auswechselbar am Pulverstrahlgerät außen angeordnet werden (Abs. [0004]).
  82. Aus der US x xxx xx9 – so die Klagepatentschrift weiter – sei bekannt, dass das in einem Pulverbehälter bevorratete Pulver mit Hilfe einer motorisch angetriebenen Förderschnecke dem gasförmigen Trägermedium dosiert beigemischt werde. Die Förderschnecke sei dabei unterhalb einer Auslassöffnung des Pulverbehälters angeordnet. Das Pulver werde mit dem Gas am Ende der Förderschnecke vermischt (Abs. [0005]).
  83. Des Weiteren sei aus der EP x xxx xxx X2 ein Pulverbehälter bekannt, in dessen Mitte eine lang gestreckte Röhre eingebaut sei, die am unteren Ende zwei Einlassöffnungen aufweise, durch die einerseits unter Druck stehendes Gas und andererseits Pulver eintreten könne, das in der Pulverkammer bevorratet sei und die lang gestreckte Röhre umgebe, wobei durch das einströmende Gas das Pulver innerhalb der lang gestreckten Röhre nach oben mitgerissen und mit dem Gas vermischt und am oberen Ende des Pulverbehälters über eine Auslassöffnung abgeführt werde (Abs. [0006]).
  84. Schließlich sei aus der WO xx/xxxxx2 ein Pulverbehälter bekannt, der einerseits aus einem Kanister und andererseits aus einem Abschlussdeckel sowie weiteren Einzelteilen bestehe. Kanister und Deckel umgäben eine Pulveraufnahme, die infolge der Verwendung eines Venturirohrs und eines Gaseinlassrohrs auch als Wirbelkammer dienen könne. Dabei sei der Deckel mit einem Gaseintritt und einem Gemischaustritt versehen. Blindlöcher dienten zum Anschrauben des Pulverbehälters an das Gehäuse des Pulverstrahlgeräts. Jedoch seien eine Luftzuleitung und die Pulver-Gas-Gemischableitungen separat anzuschließen (Abs. [0007]).
  85. Die Klagepatentschrift gibt an, dass die vorbekannten Pulverbehälter und Düsenanordnungen verschiedene Nachteile aufweisen. Ein in dem Pulverstrahlgerät fest eingebauter Pulverbehälter habe den Nachteil, dass dieser nur zusammen mit dem Gerät selbst gereinigt werden könne und eine aseptische Reinigung des Inneren des Pulverbehälters kaum möglich sei. Darüber hinaus müsse der Pulverbehälter stets wieder befüllt werden, d.h. die mit dem Behälter verbundenen Verschlüsse, Dichtungen etc. verschmutzten mit der Zeit, so dass das gesamte Pulverstrahlgerät unbrauchbar werde. Darüber hinaus wiesen die bekannten Pulverstrahlgeräte den Nachteil auf, dass diese jeweils nur für eine bestimmte Pulverart und -größe geeignet seien, d.h., dass bei Verwendung kleinerer oder größerer Korngrößen für das Pulver oder anderer Pulverzusammensetzungen die entsprechenden Zuführ- und Düsenanordnungen ungeeignet würden, so dass entweder zu viel oder zu wenig Pulver zusammen mit dem Gasstrom zugeführt werde. So bestehe bei Verwendung feinkörnigen Pulvers mit einer Korngröße von weniger als 100 Pm bei der EP x xxx xxx X2 die Gefahr, dass die Luftzufuhrleitung mit Pulver verstopfe (Abs. [0008]). Auch könnten für ein bestimmtes Pulverstrahlgerät nur ganz bestimmte Pulverbehälter verwendet werden, die exakt auf die Förder- oder Düsenanordnung des Pulverstrahlgeräts abgestimmt seien. Auch die entsprechende Fördermenge des Pulver-Gas-Gemisches könne nur durch eine Druckänderung des zugeführten Gases oder eine Änderung der Zuführung des Pulvers beeinflusst werden, wobei die Pulverzuführung in aller Regel von der Geschwindigkeit des Gases, d.h. dem Gasdruck und der entsprechenden Düsenanordnung abhängig sei (Abs. [0009]).
  86. Die Klagepatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die bekannten Pulverbehälter und damit verbundene Einsätze und Düsenanordnungen derart zu verbessern, dass verschiedene Pulversorten und -größen sowie -gemische hintereinander oder sogar gleichzeitig mit ein und demselben Pulverstrahlgerät verwendet werden können (Abs. [0010]). Darüber hinaus liegt der Erfindung nach den Angaben der Klagepatentschrift die Aufgabe zugrunde, unterschiedliche Pulverarten unabhängig voneinander mit ein und demselben Pulverstrahlgerät anwenden und justieren zu können, d.h. dass verschiedene Pulversorten verwendet und entsprechend eingestellt werden können (Abs. [0010]). Als weitere Aufgabe der Erfindung gibt die Klagepatentschrift an, ein Pulverstrahlgerät bereitzustellen, das besonders benutzerfreundlich ist und ein schnelles Auswechseln der unterschiedlichen Pulversorten und -größen ermöglicht, ohne dass das Gerät oder die entsprechenden Pulverbehälter aufwändig gereinigt und gesäubert werden müssen (Abs. [0011]). Weiterhin bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung, Pulverbehälter anzugeben, die für unterschiedliche Pulversorten und -arten einstellbar sind, in dem der Pulverbehälter einfach und benutzerfreundlich auf das entsprechende Pulver ein- bzw. umstellbar ist, sowie dafür geeignete Einsätze und Düsen (Abs. [0011]). Schließlich ist es nach den Angaben der Klagepatentschrift eine Aufgabe der Erfindung, mehrere Pulversorten gleichzeitig anwenden zu können, ohne dass der behandelnde Arzt das Handstück oder den Pulverbehälter wechseln oder am Bedienfeld unterschiedliche Einstellungen vornehmen muss (Abs. [0011]).
  87. Zur Lösung schlägt das Klagepatent in seinem Patentanspruch 1 in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts vom 17.01.2024 (Az.: 6 Ni 38/21 (EP)) einen Pulverbehälter mit folgenden Merkmalen vor (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 durch Unterstreichung hervorgehoben):
  88. 1. Austauschbarer Pulverbehälter (2) für ein Pulverstrahlgerät (1) zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken.
  89. 2. Der Pulverbehälter (2) besitzt
  90. 2.1 eine Pulveraufnahme (14) und
  91. 2.2 eine Wirbelkammer (24), in der unter Druck stehendes und über mindestens einen Gaseintritt (17) eintretendes Gas Pulver verwirbelt und als Pulver-Gas-Gemisch über eine Auslassöffnung (16) mindestens eines Gemischaustritts (15) des Pulverbehälters (2) abführt.
  92. 3. Der Pulverbehälter (2) weist einen Kupplungsbereich (48) zum dichtenden Verbinden des sich im Kupplungsbereich (48) angeordneten Gaseintritts (17) und des sich im Kupplungsbereich (48) angeordneten Gemischaustritts (15) mit entsprechenden Anschlüssen (56, 57) eines Pulverstrahlgeräts (1) auf.
  93. 4. Der Kupplungsbereich (48) des Pulverbehälters (2) weist Kodiermittel (22, 35) auf, welche mit elektrischen Kontakten (37) eines Aufnahmebereichs (49) des Pulverstrahlgeräts (1) derart zusammenwirken können, dass das Pulverstrahlgerät (1) Informationen über die Art des Pulverbehälters (2) erhält.
  94. Zum Verständnis des Patentanspruchs 1 sind im Hinblick auf den Streit der Parteien folgende Bemerkungen veranlasst:
  95. 1.
    Für die Auslegung des Patentanspruchs 1 ist zunächst allgemein von zentraler Bedeutung, dass dieser nicht die Einheit bzw. Kombination aus Pulverstrahlgerät und Pulverbehälter betrifft, sondern den Pulverbehälter als solchen (isoliert) unter Schutz stellt. Das Pulverstrahlgerät selbst liegt – wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen ist – außerhalb des Erfindungsgegenstandes des Anspruchs 1. Schutz für die Kombination aus einem Pulverstrahlgerät und einem Pulverbehälter beansprucht erst der – nebengeordnete – Anspruch 13 des Klagepatents, auf den die Klägerin ihr Klagebegehren nicht mehr stützt.
  96. Soweit das Pulverstrahlgerät (Merkmal 1) bzw. Einrichtungen des Pulverstrahlgeräts (Merkmale 3 und 4) in Patentanspruch 1 Erwähnung finden, hat diese Anspruchsformulierung gemäß gefestigter Rechtsprechung des Senats (vgl. Urt. v. 16.05.2013 – I-2 U 57/11, BeckRS 2013, 12499 – Tintenpatrone; Urt. v. 11.02.2016 – I-2 U 19/15, NJOZ 2016, 1014 – Anschlussstück; Urt. v. 18.10.2012 – I-2 U 41/08, BeckRS 2013, 11910 – Tintenpatrone; Urt. v. 14.03.2019 – I-2 U 114/09, BeckRS 2019, 6081 – Steckverbindung für Kraftfahrzeuganhänger; Urt. v. 19.12.2019 – I-2 U 62/16, GRUR-RS 2019, 38883 – Befestigungszwischenstück; Urt. v. 13.01.2022 – I-2 U 45/19 – GRUR-RS 2022, 2110 Rn. 44 – Rührgefäß; Urt. v. 24.02.2022 – I-2 U 28/21, GRUR-RS 2022, 5974 Rn. 36 – Schutzbereichsbestimmung bei Scheinkombination; Urt. v. 16.03.2023 – I-2 U 85/22, GRUR-RS 2023, 30240 Rn. 48 – Ausgestaltung des Bezugsobjekts bei Scheinkombination) zur Folge, dass diejenigen Merkmale des Patentanspruchs, die sich mit dem Pulverstrahlgerät befassen, rechtlich nur insofern von Bedeutung sein können, als ihre nach dem Klagepatent vorausgesetzte Beschaffenheit oder die aus einem Zusammenwirken des Pulverstrahlgeräts mit dem geschützten Pulverbehälter resultierenden technischen Wirkungen Rückschlüsse auf die notwendige Ausgestaltung des Pulverbehälters zulassen, die ggf. über die in Bezug auf ihn ausdrücklich formulierten Anspruchsmerkmale hinausgehen. Keinesfalls stellt es jedoch eine Bedingung für den Benutzungstatbestand dar, dass ein die technischen Erfindungsvorteile hervorbringendes Pulverstrahlgerät tatsächlich existiert oder dass die im Markt vorhandenen Pulverstrahlgeräte, wenn sie zusammen mit den angegriffenen Pulverbehältern verwendet werden, eine Gesamtvorrichtung ergeben, die den Zielvorgaben des Klagepatents genügt. Das gilt insbesondere auch für das von der Beklagten zu 1. angebotene Pulverstrahlgerät, für das die angegriffenen Pulverbehälter bestimmt sind. Zu fordern ist lediglich, dass ein Pulverstrahlgerät technisch und wirtschaftlich sinnvoll konstruierbar ist, das mit den angegriffenen Pulverbehältern, so wie sie sind, jeweils die Erfindungsvorteile verwirklichen kann.
  97. 2.
    Bei dem beanspruchten Pulverbehälter handelt es sich nach Merkmal 1 um einen auswechselbaren Pulverbehälter für ein Pulverstrahlgerät zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken.
  98. a)
    Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nach dem Anspruchswortlaut ein einzelner auswechselbarer Pulverbehälter für ein solches Pulverstrahlgerät. Mehrere austauschbare Pulverbehälter werden in Patentanspruch 1 nicht erwähnt (vgl. auch BPatG, NU S. 16 und S. 32).
  99. b)
    Bei dem unter Schutz gestellten Pulverbehälter handelt es sich um einen „austauschbaren“ Pulverbehälter. Dadurch grenzt sich das Klagepatent von in ein Pulverstrahlgerät fest eingebauten Pulverbehältern ab, welche Ausgestaltung es in seiner einleitenden Beschreibung als nachteilig kritisiert (Abs. [0008]). Patentgemäß ist der Pulverbehälter nicht fest in ein Pulverstrahlgerät eingebaut, sondern auswechselbar mit einem solchen verbindbar (vgl. Abs. [0013]). Er kann mithin von dem Pulverstrahlgerät getrennt werden und durch einen anderen Pulverbehälter ausgetauscht werden.
  100. c)
    Der austauschbare Pulverbehälter ist nach dem Wortlaut des im Nichtigkeitsverfahren neugefassten Patentanspruchs 1 für ein Pulverstrahlgerät zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken vorgesehen. Bei der einleitenden Angabe „für ein Pulverstrahlgerät …“ handelt es sich um eine Zweckangabe, nach welcher der Pulverbehälter für ein (näher beschriebenes) Pulverstrahlgerät vorgesehen ist. Zweckangaben in einem Sachanspruch definieren den durch das Patent geschützten Gegenstand regelmäßig dahin, neben der Erfüllung der weiteren räumlich-körperlichen Merkmale auch so ausgebildet zu sein, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendet werden kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, GRUR 2018, 1128 Rn. 12 – Gurtstraffer; GRUR 2020, 961 Rn. 31 – FRAND-Einwand; GRUR 2021, 462 Rn. 49 – Fensterflügel; GRUR 2022, 982 Rn. 51 – SRS-Zuordnung; GRUR 2023, 246 Rn. 29 – Verbindungsleitung; GRUR 2024, 674 Rn. 27 – Trägerelement). Dies bedeutet im Streitfall, dass der Pulverbehälter so ausgebildet sein muss, dass er in einem Pulverstrahlgerät zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken Verwendung finden kann. Der Pulverbehälter muss – mit anderen Worten – für ein eben solches Pulverstrahlgerät geeignet sein (vgl. zur Eignung auch: BPatG, NU S. 15 u. S. 33).
  101. d)
    Ob das Merkmal 1 darüber hinaus dahin zu interpretieren ist, dass auch der beanspruchte Pulverbehälter zur Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken geeignet sein muss, wogegen der Anspruchswortlaut spricht, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Insoweit kann dahinstehen, ob die Ausführungen des Bundespatentgerichts in seinem das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsurteil, insbesondere die Ausführungen auf den Seiten 34 und 35 des Nichtigkeitsurteils, dahin zu verstehen sind, dass nach Auffassung des Bundespatentgerichts der unter Schutz gestellte Pulverbehälter selbst nach dem im Nichtigkeitsverfahren neugefassten Merkmal 1 zur Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken geeignet sein muss. Ebenso bedarf es keiner weiteren Erörterung und Entscheidung, welche rechtlichen Folgen sich aus einem etwaigen dahingehenden Verständnis des Bundespatentgerichts für die Patentauslegung ergeben würden.
  102. 3.
    Der patentgemäße Pulverbehälter besitzt eine Pulveraufnahme (Merkmal 2.1), d.h. es kann dort eine gewisse Menge an Pulver bevorratet werden (vgl. Abs. [0039]; BPatG NU, S. 16). Er hat ferner eine Wirbelkammer, in der unter Druck stehendes und über mindestens einen Gaseintritt eintretendes Gas Pulver verwirbelt und als Pulver-Gas-Gemisch über eine Auslassöffnung mindestens eines Gemischaustritts des Pulverbehälters abgeführt wird (Merkmal 2.2). In zumindest einem Teil des Pulverbehälters muss damit eine Verwirbelung des Gases mit dem Pulver stattfinden können. Das Reservoir und die Wirbelkammer können hierbei auch durch den gleichen räumlichen Bereich des Behälters gebildet sein (BPatG NU, S. 16).
  103. 4.
    Gemäß Merkmal 3 weist der Pulverbehälter einen Kupplungsbereich zum dichtenden Verbinden des sich im Kupplungsbereich angeordneten Gaseintritts und des sich im Kupplungsbereich angeordneten Gemischaustritts mit entsprechenden Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts auf.
  104. a)
    Der Kupplungsbereich ist im Anspruch räumlich nicht näher definiert (vgl. auch BPatG NU, S. 16). Er ist nach dem Anspruchswortlaut zunächst einmal nur dahingehend spezifiziert, dass der Gaseintritt und der Gemischaustritt in diesem Bereich stattfinden (vgl. auch BPatG NU, S. 16).
  105. Hieraus folgt jedoch nicht, dass sich der Kupplungsbereich überall dort erstreckt, wo der Gaseintritt und der Gemischaustritt stattfinden. Zur Definition des Kupplungsbereichs kann nicht allein auf die Position des Gaseintritts und des Gemischaustritts abgestellt werden. Würde der Kupplungsbereich nämlich allein durch deren Position bestimmt, lägen der Gaseintritt und der Gemischaustritt des Pulverbehälters denknotwendig immer im Kupplungsbereich. Der Begriff bzw. das Teil-Merkmal „Kupplungsbereich“ wäre damit praktisch bedeutungslos. Der Fachmann wird das Merkmal 3 daher nicht in diesem Sinne interpretieren. Dem Begriff „Kupplungsbereich“ entnimmt der Fachmann vielmehr, dass der Gaseintritt und der Gasaustritt in einem – nicht näher spezifizierten – „Bereich“ des Pulverbehälters stattfinden. Mit „Bereich“ ist – wovon auch die Klägerin ausgeht – ein räumlicher abgrenzbarer Abschnitt des Pulverbehälters gemeint. Als „Kupplungsbereich“ wird dieser Bereich vom Klagepatent bezeichnet, weil mit diesen Bereich der Anschluss des Pulverbehälters an ein Pulverstrahlgerät im Sinne des Merkmals 1 erfolgt. Zu diesem Zweck sind der in diesem Bereich angeordnete Gaseintritt und der in diesem Bereich ferner angeordnete Gemischaustritt des Pulverbehälters mit entsprechenden Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts gasdicht verbindbar. Der Kupplungsbereich dient damit der auswechselbaren (gasdichten) Verbindung des Pulverbehälters mit dem Pulverstrahlgerät. Neben dem Gaseintritt und dem Gemischaustritt weist er außerdem – wie sich aus Merkmal 4 ergibt – Kodiermittel auf (dazu sogleich), so dass sämtliche in den Merkmalen 3 und 4 angesprochenen Elemente des Pulverbehälters in dem Kupplungsbereich vorgesehen sind.
  106. Dem Begriff „Kupplung“ mag der Fachmann – wovon das Landgericht in Übereinstimmung mit dem Bundespatentgericht (NU, S. 16) ausgegangen ist – ferner entnehmen, dass eine lösbare Verbindung vorgegeben ist, was freilich bereits daraus folgt, dass der beanspruchte Pulverbehälter nach Merkmal 1 „austauschbar“ ist.
  107. Aus Merkmal 3 folgt daher, dass der Gaseintritt und der Gemischaustritt nicht in völlig unterschiedlichen Bereichen des Pulverbehälters angeordnet sein dürfen. Soweit das Bundespatentgericht und das Landgericht von einem weiteren Anspruchsverständnis ausgegangen sein sollten, vermag der Senat dem aus den vorstehenden Gründen nicht beizutreten. Patentanspruch 1 gibt nicht nur vor, dass der Gaseintritt und der Gemischaustritt des Pulverbehälters mit entsprechenden Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts gasdicht verbindbar sind. Er verlangt vielmehr ausdrücklich „einen Kupplungsbereich“, in welchem sowohl der Gaseintritt als auch der Gemischaustritt angeordnet sind.
  108. b)
    Das mag zwar – soweit eine patentgemäße Kupplung technisch auch anderweitig realisierbar ist – nicht notwendig bedeuten, dass sich der Gaseintritt und der Gemischaustritt (sowie die Kodiermittel) zwingend an einer einzigen Seite des Pulverbehälters befinden müssen. Wird der Pulverbehälter z.B., wie bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 der Klagepatentschrift, auf ein Pulverstrahlgerät aufgesetzt, mögen der Gaseintritt und der Gemischaustritt daher nicht zwingend beide an der Unterseite des Pulverbehälters vorgesehen sein müssen, sofern sich eine Verbindung mit den Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts im Sinne des Merkmals 4 auch anderweitig realisieren lässt. In Merkmal 3 ist nämlich ein „Kupplungsbereich“ angesprochen. Wie sich insbesondere aus den Figuren 2,  3 und 6 der Klagepatentschrift ergibt, ist mit dem „Kupplungsbereich“ nicht nur die Kupplungsseite des Pulverbehälters gemeint. Der patentgemäße Kupplungsbereich ist in diesen Figuren mit einer geschwungenen Klammer („}“) und der Bezugsziffer 48 gekennzeichnet. Wie die Klammer verdeutlicht, handelt es sich bei dem Kupplungsbereich (48) der figürlich dargestellten Ausführungsbeispiele um einen unteren Bereich des Pulverbehälters. In diesem Bereich (48) des Pulverbehälters sind augenscheinlich mehrere Elemente vorgesehen. In der Patentbeschreibung heißt es hierzu, dass der „untere Bereich“ des Gehäuses (11) den Kupplungsbereich (48) bildet, der bevorzugt aus einem „Bodenteil“ (60) besteht (Abs. [0033]).
  109. c)
    Es entspricht allerdings entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht den Vorgaben des Merkmals 3, wenn der Gaseintritt und der Gemischaustritt zwar in einem Bereich, wie z.B. einem Bodenteil des Pulverbehälters stattfinden und der an einer Seite dieses Bereichs, wie z.B. an der Unterseite des Bodenteils angeordnete Gaseintritt mit einem entsprechenden Anschluss eines Pulverstrahlgeräts gasdicht verbindbar ist, der an einer anderen Seite des Bodenteils angeordnete Gemischaustritt hingegen nur direkt mit einem gesonderten Handstück bzw. mit einer in ein Handstück mündenden Ableitung gasdicht verbindbar ist, nicht hingegen mit dem Pulverstrahlgerät selbst.
  110. aa)
    Gemäß Merkmal 3 dient der Kupplungsbereich zum dichtenden Verbinden des sich im Kupplungsbereich angeordneten Gaseintritts und des sich im Kupplungsbereich angeordneten Gemischaustritts „mit entsprechenden Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts“. Das Pulverstrahlgerät wird im Patentanspruch 1 zwar nicht näher definiert. Aus der Patentbeschreibung entnimmt der Fachmann jedoch, dass das Klagepatent nicht nur zwischen dem Pulverstrahlgerät und dem Pulverbehälter unterscheidet, sondern auch zwischen dem Pulverstrahlgerät und einem externen Handstück.
  111. So heißt es in Absatz [0015] der Klagepatentschrift (Hervorhebung hinzugefügt):
  112. „Zu diesem Zweck hat der Kupplungsbereich des Pulverbehälters mindestens einen Gaseintritt und mindestens einen Gemischaustritt, die dichtend mit dem Gasanschluss bzw. dem Gemischanschluss des Pulverstahlgeräts verbindbar sind. Der Kupplungsbereich eines jeden Pulverbehälters weist somit mindestens eine Gaskupplung und eine Gemischkupplung auf, so dass das unter Druck stehende und von dem Pulverstrahlgerät zur Verfügung gestellte Gas in den Pulverbehälter eindringen, sich dort mit dem Pulver vermischen und als Pulver-Gas-Gemisch über die Gemischkupplung wieder dem Pulverstrahlgerät zugeführt werden kann. Von dort kann das Pulver-Gas-Gemisch über die Ableitung bzw. einem geeigneten Schlauch einem Handstück zugeführt werden, wo es an der dort befestigten oder eingearbeiteten Austrittsdüse, bevorzugt zusammen mit einem das Pulver-Gas-Gemisch ringförmig umschließenden Wasserstrahls, austritt.“
  113. Danach hat der Kupplungsbereich des erfindungsgemäßen Pulverbehälters einen Gaseintritt und einen Gemischaustritt, die dichtend mit dem Gasanschluss bzw. dem Gemischanschluss des Pulverstahlgeräts verbindbar sind, wobei es sich bei dem Gemischanschluss des Pulverstahlgeräts nicht um den Anschluss eines zugehörigen Handgeräts handeln kann, weil das Pulver-Gas-Gemisch über die Gemischkupplung dem Pulverstrahlgerät und erst von dort über eine Ableitung bzw. einen Schlauch dem Handstück zugeführt werden kann.
  114. Absatz [0015] ist Teil der allgemeinen Patentbeschreibung. Entgegen der Auffassung der Klägerin wird in dieser Beschreibungsstelle nicht bloß ein Ausführungsbeispiel bzw. eine bevorzugte Ausführungsform beschrieben. Vielmehr wird in dieser Textstelle das den erfindungsgemäßen Kupplungsbereich betreffende Merkmal 3 allgemein erläutert. Dem steht nicht entgegen, dass es in Absatz [0015] heißt, dass das Pulver-Gas-Gemisch über die Gemischkupplung wieder dem Pulverstrahlgerät „zugeführt werden kann“. Entgegen der Auffassung der Klägerin bringt diese Formulierung nicht zum Ausdruck, dass bloß eine Möglichkeit der Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre beschrieben wird. Vielmehr wird in Absatz [0015] der patentgemäße Kupplungsbereich und seine Funktion erläutert. Der Kupplungsbereich des Pulverbehälters wird dort dahin beschrieben, dass er einen Gaseintritt und einen Gemischaustritt aufweist, die jeweils dichtend mit einem Gasanschluss bzw. einem Gemischanschluss des Pulverstahlgeräts verbunden werden können („verbindbar sind“). Da der im Kupplungsbereich angeordnete Gemischaustritt des Pulverbehälters dichtend mit dem Gemischanschluss des Pulverstahlgeräts verbunden werden kann, kann das Pulver-Gas-Gemisch aus dem Pulverbehälter über die Gemischkupplung dem Pulverstrahlgerät zugeführt werden. Von diesem (dem Pulverstrahlgerät) kann das Pulver-Gas-Gemisch über eine Ableitung bzw. einen Schlauch einem Handstück mit einer Austrittsdüse zugeführt werden. Diese Erläuterungen in der allgemeinen Patentbeschreibung beziehen sich nicht lediglich auf eine bevorzugte Ausführungsform. Der Kupplungsbereich eines Pulverbehälters nach einer „bevorzugten Ausführungsform“ wird vielmehr erst im nachfolgenden Absatz [0016] beschrieben (Abs. [0016] , Sp. 4 Z. 15 bis 25: „Der Kupplungsbereich des Pulverbehälters weist nach einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung …“).
  115. Aus dem Zusammenhang mit dem Absatz [0014] ergibt sich kein anderes Verständnis. Zutreffend ist zwar, dass sich der vorangehende Absatz [0014] auf ein bevorzugtes Pulverstrahlgerät mit zwei Aufnahmebereichen bezieht. In dem nachfolgenden Absatz [0015] wird jedoch der vorher noch nicht näher beschriebene Kupplungsbereich des erfindungsgemäßen Pulverbehälters und seine Funktion allgemein erläutert. Die einleitende Angabe „Zu diesem Zweck“ in Absatz [0015] bringt nur zum Ausdruck, wie der Kupplungsbereich des Pulverbehälters gemäß der Erfindung auf ein Pulverstrahlgerät mit einem Gasanschluss zum Zuführen des Gases zum Pulverbehälter zum Abführen des im Pulverbehälter entwickelten Pulvergas-Gemisches abgestimmt ist bzw. mit dessen Anschlüssen zusammenwirkt. Zum Zwecke der Zuführung des Gases durch den Gasanschluss des Pulverstahlgeräts sowie zum Zwecke der Abführung des im Pulverbehälter entwickelten Pulver-Gas-Gemisches hat der Kupplungsbereich des Pulverbehälters einen Gaseintritt und einen Gemischaustritt, die dichtend mit dem Gasanschluss bzw. dem Gemischanschluss des Pulverstahlgeräts verbindbar sind. Nach der Patentbeschreibung (Abs. [0015]) weist der Kupplungsbereich eines jeden Pulverbehälters damit eine Gaskupplung und eine Gemischkupplung auf, so dass das unter Druck stehende und von dem Pulverstrahlgerät zur Verfügung gestellte Gas in den Pulverbehälter eindringen, sich dort mit dem Pulver vermischen und als Pulver-Gas-Gemisch über die Gemischkupplung wieder dem Pulverstrahlgerät zugeführt werden kann, von wo aus das Pulver-Gas-Gemisch dann über eine Ableitung bzw. einen geeigneten Schlauch einem Handstück zugeführt werden kann.
  116. Die Erläuterungen in Absatz [0015] beziehen sich daher – entgegen der von der Klägerin im Verhandlungstermin geäußerten Auffassung – nicht nur auf ein Pulverstrahlgerät mit zwei Aufnahmebereichen, sondern dienen der allgemeinen Erläuterung des Kupplungsbereichs des erfindungsgemäßen Pulverbehälters, wofür im Übrigen auch spricht, dass im nachfolgenden Absatz [0016] beschrieben wird, dass der Kupplungsbereich des Pulverbehälters gemäß der Erfindung „darüber hinaus“ Kodiermittel aufweist, welche sodann ebenfalls näher beschrieben werden (Abs. [0016], Sp. 4 Z. 25 ff.).
  117. In Übereinstimmung mit den Erläuterungen in der allgemeinen Patentbeschreibung zeigt die nachfolgend nochmals eingeblendete Figur 1 des Klagepatents ein Ausführungsbeispiel, bei dem das Pulver-Gas-Gemisch aus dem Pulverbehälter (2a, 2b) über eine Gemischkupplung dem Pulverstrahlgerät (1) zugeführt wird, von welchem es über eine Ableitung (5) einem Handstück (5) mit einer Austrittsdüse (6) zugeführt wird.
  118. In der zugehörigen Patentbeschreibung heißt es hierzu, dass „am Pulverstrahlgerät“ (1) eine Ableitung (5) befestigt ist, die in ein Handstück (3) mündet, an dem eine Austrittsdüse (6) befestigt ist, an der das Pulver-Gas-Gemisch und das Wasser austritt (Abs. [0035]). Augenscheinlich ist die Ableitung (5) an dem mit dem Bezugszeichen 1 gekennzeichneten Pulverstrahlgerät selbst befestigt, bei dem es sich um eine stationäre Einheit bzw. Basisstation handelt, die nach der Patentbeschreibung u.a. ein Bedienfeld (7) zum Einstellen der Stärke des Pulver-Gas-Gemisches und der Stärke des Wasserstrahls hat (Abs. [0035]).

  119. Der Gemischanschluss eines solchen Pulverstrahlgeräts (1) ist beispielhaft in den Figuren 8 und 9 gezeigt, von denen nachfolgend die Figur 9 eingeblendet wird.
  120. In dieser Figur ist – ebenso wie in der Figur 8 – der Gemischanschluss mit der Bezugsziffer 57 gekennzeichnet. Es handelt sich bei diesem um einen Anschluss eines Pulverstrahlgeräts (1) in Gestalt einer Basisstation. An den Gemischanschluss (57) dieser Station bzw. Einheit kann der im Kupplungsbereich des Pulverbehälters angeordnete Gemischaustritt angeschlossen werden (vgl. Abs. [0058]).
  121. Zwar dürfte ein Pulverstrahlgerät ohne ein entsprechendes Handstück keine sachgemäße Applikation des Pulver-Strahl-Gemisches am Patienten erlauben. Das führt jedoch nicht dazu, dass das im Patentanspruch nicht erwähnte Handstück als Teil des in Patentanspruch 1 angesprochenen Pulverstrahlgeräts (1) zu qualifizieren ist und eine Verbindbarkeit des Gemischaustritts des Behälters allein mit einem Handstück im Rahmen des Merkmals 3 ausreicht. Denn die Applikation des Pulver-Strahl-Gemisches am zu behandelnden Patienten erfordert auch einen Pulverbehälter. Dieser wird jedoch sowohl im Patentanspruch 1 als auch im nebengeordneten Patentanspruch 15 von dem Pulverstrahlgerät (1) unterschieden.
  122. Aus dem vom Landgericht in Bezug genommenen Absatz [0013] der Patentbeschreibung lässt sich nichts anderes herleiten. In diesem Absatz heißt es:
  123. „Das Pulverstrahlgerät weist mindestens einen erfindungsgemäßen Pulverbehälter mit Zuführungen auf, die das unter Druck stehende Gas dem Pulvervorrat zur Vermischung zuführen, sowie eine Ableitung, die mit einer Austrittsdüse verbunden ist, an der ein Pulver-Gas-Gemisch und ggf. Wasser unter Druck austritt. Die Austrittsdüse ist dabei mit Vorteil an einem Handstück befestigt, mit dem der behandelnde Arzt das Pulver-Gas-Wasser-Gemisch gezielt an die Einsatzstelle richten kann. Das Pulverstrahlgerät der vorliegenden Erfindung weist mindestens einen Aufnahmebereich mit mindestens einem Gemischanschluss und mindestens einem Gasanschluss auf, so dass der Pulverbehälter mit dem Pulverstrahlgerät auswechselbar verbindbar ist, wobei der Pulverbehälter einen bevorzugt genormten Kupplungsbereich aufweist.“
  124. Danach weist das Pulverstrahlgerät zwar mit Vorteil ein Handstück mit einer daran befestigten Austrittsdüse auf, so dass ein Handstück ebenso wie die in Absatz [0013] erwähnte Ableitung als externer bzw. gesonderter Bestandteil des Pulverstrahlgeräts angesehen werden kann. Das gleiche gilt nach dieser Beschreibungsstelle aber auch für den Pulverbehälter, der nach den Patentansprüchen jedoch gegenüber dem Pulverstrahlgerät ein gesondertes Element ist. Unter Berücksichtigung der weiteren Patentbeschreibung, insbesondere der Absätze [0015] und [0035], wird der Fachmann annehmen, dass mit dem in Patentanspruch 1 angesprochenen Pulverstrahlgerät das eigentliche Pulverstrahlgerät gemeint ist, d.h. die Basisstation bzw. das Steuergerät, das/die die Informationen über die Art des Behälters erhält und verarbeitet und das/die es dem Benutzer ermöglicht, die Zahnreinigung mittels des Pulver-Gas-Gemisches zu steuern, welches Gerät ggf. mit zusätzlichen Komponenten/Bestandteilen wie einem Handgerät ausgestattet ist. Diese zusätzlichen Bestandteile werden im Klagepatent, wenn es um sie geht, jeweils gesondert angesprochen. Sie werden hingegen im Klagepatent nicht als das Pulverstrahlgerät bezeichnet. Der Fachmann folgert hieraus, dass mit dem Pulverstrahlgerät in Patentanspruch 1 die Basisstation gemeint ist, welche die entsprechenden Anschlüsse aufweist, mit denen der im Kupplungsbereich des Behälters angeordnete Gaseintritt und der dort ferner angeordnete Gemischaustritt verbindbar sein sollen. Hingegen geht es nicht um eine direkte Kupplung des Gemischaustritts des Pulverbehälters mit einem Anschluss eines Handgeräts bzw. einer in ein Handgerät mündenden Ableitung, bei welchen Elementen es sich nach der Patentbeschreibung um gesonderte Komponenten des Pulverstrahlgeräts (1) handelt.
  125. bb)
    Zu berücksichtigen ist außerdem, dass sich der vom Landgericht in Bezug genommene Absatz [0013] auf den Gegenstand des Patentanspruchs 13 bezieht, weshalb dieser Anspruch bei der Würdigung dieser Beschreibungsstelle zu berücksichtigen ist. Ohnehin ist der nebengeordnete Patentanspruch 13 auch bei der Auslegung des Patentanspruchs 1 mit in den Blick zu nehmen.
  126. Bei der Auslegung eines Patentanspruchs können auch die weiteren Patentansprüche eines Klagepatents zu berücksichtigen sein. Das gilt z.B. dann, wenn ein Patent sowohl einen Vorrichtungsanspruch als auch einen (nebengeordneten) Verfahrensanspruch unter Schutz stellt. In einem solchen Fall ist der jeweils andere Anspruch in die Auslegung des Klagepatentanspruchs einzubeziehen, wenn beiden Erfindungen dieselbe objektive Aufgabenstellung zugrunde liegt und sie demselben – im Anspruch genannten – Zweck dienen, wobei dies auch dann gilt, wenn keiner der beiden Ansprüche einen Rückbezug auf den jeweils anderen Anspruch formuliert. Unter solchen Umständen können ein Vorrichtungsanspruch und ein Verfahrensanspruch ungeachtet einer unterschiedliche Wortwahl in den Patentansprüchen entsprechend auszulegen sein (OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.06.2022 – I-15 U 50/21, GRUR-RS 2022, 14773 Rn. 83 ff. – Abdeckungsentfernungsvorrichtung). In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Senat entschieden, dass dann, wenn ein Klagepatent sowohl einen Vorrichtungsanspruch als auch einen nebengeordneten Verfahrensanspruch unter Schutz stellt und beiden Ansprüchen dieselbe objektive Aufgabenstellung zugrunde liegt, zur Auslegung des Vorrichtungsanspruches auch Beschreibungsstellen herangezogen werden können, die sich mit dem patentgemäßen Verfahren zur Herstellung der patentgemäßen Vorrichtung beschäftigen, wenn diese Beschreibungsstellen einen Anhalt dafür liefern, welche räumlich-körperliche Gestalt die durch das Verfahren herzustellende Vorrichtung im Ergebnis aufweisen soll (Senat, Urt. v. 10.09.2024 – I-2 U 33/24, GRUR-RS 2024, 33144 Rn. 62 ff. – Halbleitervorrichtung). Diese Rechtsprechung beruht maßgeblich auf dem Gedanken, dass Patentansprüche grundsätzlich im Gesamtkontext des Klagepatents auszulegen sind. Insbesondere sind die darin verwendeten Begrifflichkeiten unter Heranziehung der Beschreibung im Gesamtzusammenhang der unter Schutz gestellten technischen Lehre zu interpretieren.
  127. Hiervon ausgehend kann im Streitfall bei der Auslegung des Anspruchs 1 auch der nebengeordnete Patentanspruch 13 des Klagepatents berücksichtigt werden, der auf die Kombination aus einem Pulverstrahlgerät zur abrasiven Reinigung von Zähnen und Zahnfleischtaschen unter Verwendung von unterschiedlichen Pulversorten, Pulver-Gas-Gemisch-Zusammensetzungen und unterschiedlichen Drücken und einem austauschbaren Pulverbehälter nach einem der vorhergehenden Ansprüche gerichtet ist. Beiden Patentansprüchen liegt letztlich dieselbe Aufgabe zugrunde. Außerdem bezieht sich Patentanspruch 13 auf die Kombination eines Pulverstrahlgeräts mit einem Pulverbehälter „nach einem der vorhergehenden Ansprüche“ und setzt damit einen Pulverbehälter nach Anspruch 1 voraus, weshalb sich aus diesem nebengeordneten Patentanspruch Rückschlüsse in Bezug auf das Zusammenwirken des in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten Pulverbehälters mit dem in Anspruch 1 angesprochenen Pulverstrahlgerät ergeben können.
  128. Nach dem Patentanspruch 13 weist das Pulverstrahlgerät einen Aufnahmebereich mit einem Gemischanschluss und einem Gasanschluss zum auswechselbaren Verbinden des Pulverbehälters mit dem Pulverstrahlgerät auf. Das im Pulverbehälter erzeugte Pulver-Gas-Gemisch wird über den im Aufnahmebereich des Pulverstrahlgeräts vorgesehenen Gemischanschluss dem Pulverstrahlgerät zugeführt. Aus dem Pulverstrahlgerät abgeführt wird das Pulver-Gas-Gemisch hingegen nicht über den Gemischanschluss, sondern – wie sich aus dem weiteren Inhalt des Patentanspruchs 13 ergibt – über eine Ableitung, die mit einer Austrittsdüse verbunden ist. Ein Pulverbehälter nach Anspruch 1, an dem das Pulver-Gas-Gemisch direkt über eine „Ableitung“ abgeführt wird, ist nicht – wie von Anspruch 13 gefordert – mit dem Pulverstrahlgerät über einen Gemischanschluss im Aufnahmebereich verbunden. „Gemischanschluss (57)“ und „Ableitung (5)“ sind nicht nur nach dem Wortlaut des Anspruchs 13, sondern auch nach der Patentbeschreibung und den Figuren des Klagepatents unterschiedliche Bestandteile des Pulverstahlgeräts. Eine Ausführungsform mit direkter Ableitung am Pulverbehälter entspricht daher nicht den Vorgaben des Anspruch 13. Dieser setzt allerdings einen Pulverbehälter nach Anspruch 1 voraus. Dass der Pulverbehälter nach Anspruch 13 zusätzlichen Vorgaben entsprechen muss, die sich nicht bereits aus Patentanspruch 1 ergeben, lässt sich weder dem Wortlaut des Patentanspruchs 13 noch der zugehörigen Patentbeschreibung entnehmen.
  129. cc)
    Dass die Klagepatentschrift einleitend mit der WO xx/xxxx2 auch einen Stand der Technik erwähnt (Abs. [0007]), bei dem das Pulver-Gas-Gemisch aus dem Pulverbehälter direkt über eine in ein Handstück mündende Ableitung abgeführt wird, steht dem vorstehend dargetanen Anspruchsverständnis nicht entgegen.
  130. Das in der WO xx/xxxx2 offenbarte Pulverstrahlgerät umfasst u.a. einen Pulverbehälter (71) und ein Handstück (75). Der Pulverbehälter (71), der einen Deckel (81) und eine Bodenplatte (83) aufweist, ist am Gehäuse des Pulverstrahlgeräts angebracht. Das Gemisch wird über einen Gemischaustritt (85) des Pulverbehälters (71) und einen Schlauch (79) an ein Handstück (75) abgeführt. Zur besseren Verdeutlichung dieses Standes der Technik werden nachfolgend die Figuren 1, 2 und 6 der WO xx/xxxx2 wiedergegeben.
  131. Die Klagepatentschrift führt zur WO xx/xxxx2 aus, dass bei dieser der Deckel des Pulverbehälters mit einem Gaseintritt und einem Gemischaustritt versehen sei und dass Blindlöcher zum Anschrauben des Pulverbehälters an das Gehäuse des Pulverstrahlgeräts dienten. Sie gibt sodann an, dass eine Luftzuleitung und die Pulver-Gas-Gemischableitungen jedoch separat anzuschließen seien (Abs. [0007]). Letztere Bemerkung („Jedoch sind eine Luftzuleitung und die Pulver-Gas-Gemischableitungen separat anzuschließen“) lässt sich als Kritik daran verstehen, dass bei diesem Stand der Technik sowohl die Luftzuleitung als auch die Pulver-Gas-Gemischableitung separat an den Pulverbehälter angeschlossen werden. Selbst wenn diese Beschreibungsstelle aber nicht als ausdrückliche Kritik an einem separaten Anschluss der Pulver-Gas-Gemischableitung an den Pulverbehälter und der hieraus resultierenden direkten Abführung des Pulver-Gas-Gemisches aus dem Pulverbehälter über eine an diesen angeschlossene Ableitung zum Handgerät zu verstehen sein sollte, kann ihr jedenfalls nicht entnommen werden, dass das Klagepatent hierin eine Ausgestaltung erblickt, bei der – wie vom Klagepatent gefordert – der Gemischaustritt des Pulverbehälters mit einem entsprechenden Gemischanschluss des Pulverstrahlgeräts (gasdicht) verbunden ist.

  132. dd)
    Der Senat verkennt nicht, dass es das Bundespatentgericht  im parallelen Nichtigkeitsverfahren –  ohne weitere Erörterung – im Rahmen des Merkmals 3 für unschädlich erachtet hat, wenn das Pulver-Gas-Gemisch aus dem Pulverbehälter direkt über eine in ein Handstück mündende Ableitung abgeführt wird.
  133. Denn es hat angenommen, dass die NK6, deren Figur 2 nachfolgend eingeblendet wird, das Merkmal 3 offenbart (vgl. BPatG NU, S. 24 ff).
  134. Wie das Landgericht unangegriffen festgestellt hat, findet bei dem Gegenstand der NK6 der Gaseintritt an dem Kopplungsstück 3 und der Gemischaustritt an dem Kopplungsstück 6 statt. Über eine Auslassöffnung des Gemischaustritts wird das Pulver-Gas-Gemisch über einen Schlauch zu einem Handstück geführt. Das Bundespatentgericht scheint damit nicht nur davon ausgegangen zu sein, dass sich der Kupplungsbereich nicht notwendig an einer Seite des Pulverbehälters befinden muss, sondern es hat auch angenommen, dass eine direkte Abführung des Gemischs aus dem Pulverbehälter über einen Schlauch an ein Handstück den Vorgaben des Merkmals 3 entspricht.
  135. Ein dahingehendes Verständnis ergibt sich auch aus den Ausführungen des Bundespatentgerichts zur NK11 (US 6,238,275 B1), die zur selben Patentfamilie wie die in der Klagepatentschrift erwähnte WO xx/xxxx2 gehört. Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass das Merkmal 3 in dieser Druckschrift offenbart ist (NU, S. 37), obgleich auch bei deren Gegenstand das Pulver-Gas-Gemisch aus dem Pulverbehälter direkt über einen Schlauch an ein Handgerät abgeführt wird.
  136. Das Bundespatentgericht hat sich in diesem Zusammenhang allerdings nicht näher damit befasst, was mit den in Merkmal 3 angesprochenen „entsprechenden Anschlüssen eines Pulverstrahlgeräts“ gemeint ist und ob auch eine Verbindbarkeit des Gemischaustritts mit einem Handstück bzw. einer in ein Handstück mündenden Ableitung ausreicht. Insbesondere ist es nicht auf den Absatz [0015] der Klagepatentschrift eingegangen. Das Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts, das der Senat bei seiner Entscheidung als sachverständige Äußerung berücksichtigt (vgl. BGH, GRUR 1996, 757, 759 – Zahnkranzfräse; GRUR 1998, 895 – Regenbecken; BGH, GRUR 2010, 950 Rn. 14 – Walzenformgebungsmaschine), gibt dem Senat daher keinen Anlass zu einer anderweitigen Auslegung des Merkmals 3.
  137. 5.
    Der Kupplungsbereich des Pulverbehälters weist erfindungsgemäß ferner Kodiermittel auf, welche mit elektrischen Kontakten eines Aufnahmebereichs des Pulverstrahlgeräts derart zusammenwirken können, dass das Pulverstrahlgerät Informationen über die Art des Pulverbehälters erhält (Merkmal 4). Die Kodiermittel sind im Patentanspruch 1 nicht weiter spezifiziert (vgl. auch BPatG, NU S. 18), weshalb als Kodiermittel alle geeigneten Mittel in Betracht kommen, die mit elektrischen Kontakten eines Aufnahmebereichs des Pulverstrahlgeräts derart zusammenwirken können, dass das Pulverstrahlgerät Informationen über die Art des Pulverbehälters erhält. Erforderlich ist allein die Eignung der im Kupplungsbereich vorgesehenen Mittel zu einem entsprechenden – wie auch immer gestalteten – Zusammenwirken mit elektrischen Kontakten eines Aufnahmebereichs des Pulverstrahlgeräts. Das Zusammenwirken dient dazu, dass das Pulverstrahlgerät Informationen über den Pulverbehälter erhält (BPatG NU, S. 19). Aufgabe der Kodiermittel ist es also, im Zusammenwirken mit den elektrischen Kontakten des Pulverstrahlgeräts letzterem Informationen über die Art des Pulverbehälters zu vermitteln. Der Pulverbehälter kann hierzu – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – selbst elektrische Kontakte aufweisen, er muss dies jedoch nicht (vgl. auch BPatG NU, S. 18/19).
  138. C.
  139. Hiervon ausgehend entsprechen die angegriffenen Pulverbehälter nicht der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 des Klagepatents. Denn sie verwirklichen jedenfalls nicht das Merkmal 3 der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung.
  140. Zwar weisen die angegriffenen Ausführungsformen einen Kupplungsbereich auf, der von einem Bodenteil bzw. Sockel definiert wird. An der Unterseite dieses Sockels ist mittig ein Gaseintritt angeordnet. Der Gemischaustritt ist an einer Außenseite an dem Sockel vorgesehen. Bei dem Kupplungsbereich in Form des Sockels handelt es sich augenscheinlich um einen abgrenzbaren Abschnitt des Pulverbehälters. In diesem Abschnitt sind sowohl der Gaseintritt als auch der Gemischaustritt angeordnet. Dass sich der Gaseintritt und der Gemischaustritt nicht an einer (einzigen) Seite des Pulverbehälters, nämlich nicht an dessen Unterseite befinden, mag aus den bereits angeführten Gründen prinzipiell unschädlich sein.
  141. Die angegriffenen Pulverbehälter, die mit einem auf den jeweiligen Pulverbehälter abgestimmten eigenen Schlauch und einem eigenen Handstück verbunden werden können, entsprechen jedoch unter Zugrundelegung der oben dargetanen Auslegung des Patentanspruchs 1 entgegen der Beurteilung des Landgerichts insoweit nicht den Vorgaben des Merkmals 3, als sie nicht mit einem Gemischanschluss eines Pulverstrahlgeräts in Gestalt eines Basisgeräts (gasdicht) verbindbar sind.
  142. Bei den angegriffenen Ausführungsformen wird das Pulver-Gas-Gemisch nämlich direkt aus dem Gemischaustritt des Pulverbehälters über einen Schlauch zu einem Handstück abgeführt, was – wie bereits ausgeführt (siehe oben) – nicht der technischen Lehre des Klagepatents entspricht. Das Dentalgerät „F.“, für das die angegriffenen Pulverbehälter bestimmt sind, verfügt selbst über keinen Gemischanschluss, mit dem die angegriffenen Ausführungsformen patentgemäß gekuppelt werden können. Dass die angegriffenen Ausführungsformen mit einem anderweitigen, technisch und wirtschaftlich sinnvoll konstruierbaren Pulverstrahlgerät derart gekuppelt werden können, dass nicht nur ihr an der Unterseite angeordneter Gaseintritt mit dem Gasanschluss des Pulverstrahlgeräts, sondern auch ihr an einer anderen Seite des Sockels angeordneter Gemischaustritt mit einem Gemischanschluss des Pulverstrahlgeräts selbst dichtend verbunden werden kann, zeigt die Klägerin nicht auf.
  143. Damit machen die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weshalb der Klägerin die mit der Klage (noch) geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Schadensersatzfeststellung nicht zustehen.
  144. D.
  145. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
  146. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
  147. Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

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