Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3433
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 7. August 2025, I-2 U 57/24
Vorinstanz: 4a O 3/22
- I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 07.05.2024 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
- II. Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) werden der Klägerin auferlegt.
- III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
- V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.
- Gründe:
- I.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 10 2011 119 XXX B3 (nachfolgend: Klagepatent, Anlage B&B 5), das die Bezeichnung „XXX“ trägt. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch.
- Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 24.11.2011 eingereicht und der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 29.11.2012 im Patentblatt bekannt gemacht. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Der Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:
- „XXX, mit einem Montageabschnitt (1), der an seinem ersten Ende einen Spannabschnitt (2) und an seinem dem ersten Ende gegenüber angeordneten zweiten Ende einen Stützabschnitt (3) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Spannabschnitt (2) einen Kniehebel (4) aufweist, mit einer Befestigungsseite (4.1), über welche der Kniehebel (4) lösbar mit dem ersten Ende des Montageabschnitts (1) verschraubt ist, und mit einer Spannseite (4.2), die mit der Befestigungsseite (4.1) einen Winkel einschließt.“
- Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen gemäß Absatz [0015] der Klagepatentbeschreibung den Montageabschnitt (1) und den Spannabschnitt (2) einer ersten Ausführungsform der Erfindung (Fig. 1) sowie gemäß Absatz [0016] der Klagepatentbeschreibung die Frontalansicht des Spannabschnitts der Ausführungsform gemäß Figur 1 (Fig. 2).
- Die nachstehend ferner eingeblendete Figur 4 zeigt gemäß Absatz [0018] der Klagepatentbeschreibung den Montageabschnitt und den Spannabschnitt der bevorzugten Ausführungsform der Erfindung.
- In beiden gezeigten Ausführungsformen verfügt der mittels der Schraube (9) mit dem ersten Ende des Montageabschnitts (1) verbundene Kniehebel (4) über Krallen (8) an seiner Spannseite (4.2), die mit dem Anziehen der Schraube (9) an der Befestigungsseite (4.1) des Kniehebels in die Gehäusewand (10) eines Schaltschrankes getrieben werden.
-
Die Beklagte stellt her und bietet in der Bundesrepublik Deutschland eine Montageschiene für den Innenausbau eines Schaltschrankgehäuses unter der Modellbezeichnung „A XXX“ mit den Artikelnummern A 1, A 2, A 3, A 4 (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen) an. Die verschiedenen Modelle weisen die gleichen Eigenschaften sowie die gleichen Maße im Hinblick auf ihre Breite (40 mm) und Höhe (25 mm) auf und unterschieden sich lediglich in der Tiefe des Innenprofils (vgl. Anlage B&B 12). Über die deutschsprachige Website www.xxx.com der Beklagten können Kunden über ein Kontaktformular (vgl. Anlage B&B 8) Angebotsanfragen an die Beklagte schicken.
Die nachfolgenden eingeblendeten Abbildungen, die dem Anlagenkonvolut B&B 14 entnommen sind, zeigen Aufnahmen eines von der Klägerin erworbenes Musters der angegriffenen Ausführungsform A 5. - Bei den angegriffenen Ausführungsformen werden bei der Montage in einem Schaltschrank durch das Festziehen der mittig auf dem Lochprofil angeordneten Torx-Schraube (nachfolgend auch: „mittige Torx-Schraube“) die zwei Zähne des mit den zwei kleineren seitlichen Torx-Schrauben befestigten U-förmigen Bauteils, das in der folgenden Abbildung (vgl. Klageerwiderung, S. 14, Bl. 75 eA LG) im demontierten Zustand gezeigt wird, in Kontakt mit der Seitenfläche des Schaltschrankes gebracht.
- In der nachfolgend wiedergegebenen Abbildung (Anlagen B&B 11 und B&B 12) ist die angegriffene Ausführungsform A 1 im verbauten Zustand in einem Schaltschrank zu sehen.
- Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2018 (Anlage B&B1) mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der Verletzung des Klagepatents ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf.
- Die Klägerin hat vor dem Landgericht geltend gemacht: Die angegriffenen Ausführungsformen verletzten das Klagepatent, da dessen U-förmiges Bauteil mit seinen parallelen Flanschen ein klagepatentgemäßer Kniehebel sei. Ein solcher Kniehebel müsse nicht aus zwei unterschiedlichen Bauteilen bestehen und insbesondere keine zwei Arme aufweisen. Das Klagepatent erfordere lediglich eine Verbindung der Montageschiene mit der Schrankinnenwand über die Spannseite, wofür ein Verspannen bzw. ein Verklemmen, wie es bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall sei, ausreiche. Mechanisch handele es sich hierbei um die Bereitstellung einer Haltekraft zwischen Kniehebel und Montageabschnitt, wobei die Spannkraft durch elastische Verformung des Stützabschnitts und des Spannabschnitts aufgenommen werde. Die Krallen des U-förmigen Bauteils stellten die Spannseite bzw. einen Bestandteil der Spannseite dar, die mit der Befestigungsseite einen Winkel einschlössen. Es sei unschädlich, dass nach dem Vortrag der Beklagten die Stirnseiten der beiden Schenkel nach dem Verspannen nicht mit der Innenseite des Schaltschrankes in Kontakt träten. Der zum Montageabschnitt verschwenkbare Kniehebel sei auch lösbar, da durch die mittige Torx-Schraube die Spannkraft gelöst werden könne, um die Montageschiene aus dem Schaltschrank zu entfernen.
- Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, ist dem entgegengetreten und hat vor dem Landgericht vorgetragen, dass es schon an einem klagepatentgemäßen Kniehebel fehle. Dieser könne zwar einstückig ausgestaltet sein, müsse aber schwenkbar gelagert sein, so dass durch das Anziehen der Schraube eine kniehebelgemäße Spannkraft ausgeübt werden könne. Der Kniehebel verfüge zur Erfüllung seiner Funktion selbst bei einfachster Ausführung stets über zwei (starr miteinander verbundene) Arme, die an der Stelle, an der sie miteinander verbunden seien (am „Knie“), verschwenkbar gelagert seien. Klagepatentgemäß werde mittels der Abkantung die Kraft, die auf die Befestigungsseite durch Anziehen der Schraube aufgebracht werde, auf die Spannseite übertragen; die Spannseite übe sodann eine Spannkraft aus. Dies sei bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall, ein Verschwenken des Bauteils über ein Knie finde bei diesen nicht statt. Die angegriffenen Ausführungsformen wiesen auch keine lösbare Verbindung auf, da die beidseitige Verschraubung des U-förmigen Bauteils nicht dafür gedacht seien, gelöst zu werden.
- Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 07.05.2024 (nachfolgend auch: „LGU“) stattgegeben und wie folgt erkannt:
- „I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Montageschienen für den Innenausbau eines Schaltschrankgehäuses,
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn die Montageschienen einen Montageabschnitt haben, der an seinem ersten Ende einen Spannabschnitt und an seinem dem ersten Ende gegenüber angeordneten zweiten Ende einen Stützabschnitt aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Spannabschnitt einen Kniehebel aufweist, mit einer Befestigungsseite, über welche der Kniehebel lösbar mit dem ersten Ende des Montageabschnitts verschraubt ist, und mit einer Spannseite, die mit der Befestigungsseite einen Winkel einschließt;
- 2. der Klägerin schriftlich Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. Dezember 2012 begangen hat, und zwar unter Angabe
- (i) der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
- (ii) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- (iii) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
- wobei zum Nachweis der Angaben die zugehörigen Belege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie mit der Maßgabe vorzulegen sind, dass Daten, auf die sich die geschuldete Auskunft nicht bezieht und hinsichtlich derer ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Beklagten besteht, abgedeckt oder geschwärzt sein können;
- 3. der Klägerin durch ein vollständiges und geordnetes Verzeichnis schriftlich darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. Dezember 2012 begangen hat, und zwar unter Angabe
- (i) der Herstellungsmengen und -zeiten
- (ii) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
- (iii) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- (iv) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- (v) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen Erzeugnisse gem. Ziffer I. 1. zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
- 5. die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand auf eigene Kosten aus den Vertriebswegen zurückzurufen, wobei diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, ernsthaft aufgefordert werden, gegen Rückzahlung des bereits gezahlten Kaufpreises und Erstattung der Kosten für die Rückgabe, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben;
- 6. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 12.681,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2022 zu zahlen.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 29. Dezember 2012 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.“
- Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
- Ein klagepatentgemäßer Kniehebel weise nach dem Verständnis des Klagepatents, das insoweit sein eigenes Lexikon darstelle, zwei Seiten auf, nämlich eine Befestigungs- und eine Spannseite, die einen Winkel einschlössen. Er könne als U-Profil (Figuren 1 und 2) oder (bevorzugt) einstückig (Figur 4) ausgebildet sein, erfordere aber kein gelenkiges, eine Hebelwirkung erzeugendes Knie. Funktional solle der Kniehebel durch die Betätigung der Befestigungsschraube ein Verspannen der Montageschiene zwischen den Innenwänden des Schrankgehäuses bewirken, wozu es weder einer Verschwenkung noch der Ausnutzung einer Hebelwirkung bedürfe. Zwar zeigten die Ausführungsbeispiele jeweils eine Verschwenkung. Eine Verschwenkung über eine Umkantung werde indes vom Wortlaut des geltend gemachten Klagepatentanspruchs 1 nicht gefordert. Das Klagepatent überlasse es dem Fachmann vielmehr, wie er ein Verspannen im Einzelfall bewerkstellige. Auch die Anordnung von Montageabschnitt und Kniehebel sei nicht vorgegeben. Der Kniehebel müsse insbesondere nicht außen auf der Montageschiene aufsitzen und das Klagepatent erläutere in funktionaler Hinsicht auch nicht, dass es einen Unterschied mache, ob der Kniehebel mit seiner Innen- oder mit seiner Außenseite der Montageschiene zugewandt sei. Soweit der Patentanspruch 1 verlange, dass der Kniehebel lösbar mit dem ersten Ende des Montageabschnitts verschraubt sei, müsse hiermit nicht zwangsläufig ein vollständiges Lösen des Kniehebels von dem Montageabschnitt erreicht werden. Denn die lösbare Schraubverbindung solle in funktionaler Hinsicht allein ein Lockern oder Fixieren der Montageschiene ermöglichen. Für eine Verklemmung berühre die Spannseite des Kniehebels das Schaltschrankgehäuse. Hierfür könne die Spannseite mit Krallen versehen werden, wobei es dann genüge, dass der Kontakt mit der Gehäusewand nur über diese Krallen erfolge.
- Ausgehend von diesem Verständnis der beanspruchten Lehre verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents. Das U-förmige Bauteil stelle einen erfindungsgemäßen Kniehebel dar. Dessen Stirnseite könne durch das Anziehen der mittigen Torx-Schraube in Richtung Schrankinnenwand bewegt werden, in der sich die Krallen dann vergrüben. Dass der Kniehebel der angegriffenen Ausführungsformen nicht verschwenkbar über ein Knie gelagert sei oder keine Hebelwirkung ausnutze, führe ebenso wenig aus der Verletzung hinaus wie der Umstand, dass der Kniehebel nicht über zwei Arme verfüge. Die Stirnseite der Basis des U-Profils stelle die klagepatentgemäße Spannseite dar, wobei es unschädlich sei, dass nur die Vorsprünge (Krallen) mit der Schrankinnenwand in Kontakt stünden. Die Fläche des U-Profils, die das Loch für die mittige Torx-Schraube enthalte, sei die Befestigungsseite. Die über die Befestigungsseite stattfindende Verschraubung sei lösbar, da durch Anziehen und Lockern der Schraube das Herstellen oder Aufheben der Verklemmung möglich sei. Die beiden seitlichen Torx-Schrauben führten nicht aus der Verletzung heraus, da das Klagepatent weitere Schrauben nicht ausschließe und diese zudem auch herausgedreht werden könnten, um das U-förmige Bauteil vollständig von der Montageschiene zu trennen. Die Befestigungs- und Spannseite des U-förmigen Bauteils stünden auch in einem (etwa rechtwinkligen) Winkel zueinander bzw. schlössen diesen ein, da die Fläche mit dem Langloch für die Schraube und die Basis des U-Profils quer zueinanderstünden.
- Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
- Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Mit dieser verfolgt sie ihr in erster Instanz erfolglos gebliebenes Begehren auf Klageabweisung weiter und macht zur Begründung insbesondere geltend:
- Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung nicht beachtet, dass bei einem klagepatentgemäßen Kniehebel eine Kraft über ein Knie gehebelt werden müsse, also eine Hebelwirkung erzielt werde. Anders als es der Wortlaut nahelegen könnte, verlange ein Kniehebel im Sinne des Klagepatents zwar kein Gelenk. Entscheidend sei aber, dass eine Spannkraft ausgeübt werde, die über eine Verschwenkung des Kniehebels über eine Schwenkachse erfolge. Hierdurch grenze sich das Klagepatent von einem aus dem Stand der Technik bekannten Stellglied ab, wie es die DE‘XXB zeige, bei der eine Verspannung durch das Anziehen einer unmittelbar auf die Spannfläche wirkenden Schraube erreicht werde. Auch wenn das Klagepatent eine Umkantung nur bei der bevorzugten Ausführungsform gemäß der Figur 1 zeige, so verlange der Klagepatentanspruch gleichwohl stets einen patentgemäßen Kniehebel und damit eine kniehebelgemäße Spannkraft/Hebelkraft. Das Klagepatent lasse es allein offen, ob diese kniehebelgemäße Spannkraft über eine Umkantung wie bei der Figur 1 oder über jede andere Schwenkachse bewirkt werde.
- Da die Verschraubung des Kniehebels mit der Montageschiene lösbar sein müsse, müssten der Kniehebel und Montageschiene durch Lösen der Schraube vollständig voneinander getrennt werden können. Eine solche Ausgestaltung zeigten auch die Ausführungsbeispiele gemäß den Figuren 1 und 4, wohingegen die Auffassung des Landgerichts in der Klagepatentschrift keine Stütze finde.
- Für eine klagepatentgemäße Spannseite kenne das Klagepatent zwei Ausgestaltungen, nämlich gemäß Absatz [0009] i.V.m. der Figur 4 eine flächige Ausgestaltung und gemäß Absatz [0010] i.V.m. den Figuren 1 und 2 eine Ausgestaltung eines auf den Montageabschnitt aufgesetzten U-Profils. Optional weise die Spannseite Krallen zur Verbesserung der Fixierung auf, diese könne jedoch nicht ausschließlich durch solche Krallen gebildet werden. Durch das Festziehen der Schraube wirke eine Kraft am unteren Ende der Spannseite und durch die Hebelwirkung des Kniehebels werde das Ende der Spannseite auf die Gehäusewand geschwenkt. Es werde an der Stelle gespannt, an der sich die Kraft aufgrund der Hebelwirkung effektiv entfalte, nämlich am unteren Ende und gerade nicht am oberen Ende in bloßer Verlängerung der Befestigungsseite. Durch den „Knick“ im Kniehebel werde die Kraft in Richtung der Schrankwand umgelenkt. Es genüge nicht, dass lediglich irgendeine Kraft auf die Spannseite ausgeübt werde, sondern es müsse die Hebelwirkung eines Kniehebels sein.
- Ausgehend von dieser Auslegung des Klagepatents wiesen die angegriffenen Ausführungsformen keinen klagepatentgemäßen Kniehebel auf, da das U-förmige Element der angegriffenen Ausführungsformen nicht über zwei starr in einem Winkel miteinander verbundene Arme verfüge, weshalb keine klagepatentgemäße Hebelwirkung auf die Krallen ausgeübt werden könne. Die Verschraubung sei auch nicht lösbar, da die beiden seitlichen Torx-Schrauben nicht dafür vorgesehen seien, gelöst zu werden. Eine Spannseite liege schon deshalb nicht vor, weil keine klagepatentgemäße Spannkraft auf die Stirnseite des U-förmigen Elements ausgeübt werde. Denn es erfolge kein Umschwenken einer Spannseite in Richtung der Schrankwand mittels Hebelwirkung. Im Übrigen gebe es schon deshalb keine klagepatentgemäße Spannseite, da die beiden Stirnseiten der parallelen Schenkel ebenso wenig etwas zum Spannen oder Verklemmen beitrügen wie die Stirnseite der Basis des U-förmigen Profils. Bei der Bewertung des Winkels habe das Landgericht daher rechtsfehlerhaft auf das Verhältnis der Basis zu den Schenkeln des U-Profis abgestellt, jedoch nicht auf die allein das Schrankgehäuse berührenden Krallen. Diese stünden aber gerade nicht in einem kniehebelgeeigneten Winkel zur Basis.
- Die Beklagte beantragt,
- das Urteil des Landgerichts Düsseldorf abzuändern und die Klage abzuweisen.
- Die Klägerin beantragt,
- die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
- Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags und tritt den Ausführungen der Beklagten wie folgt entgegen:
- Zu Recht sei das Landgericht davon ausgegangen, dass das Klagepatent im Hinblick auf das Merkmal des Kniehebels sein eigenes Lexikon bilde. Dieses sei nicht auf eine bestimmte Ausführungsform beschränkt und erfordere insbesondere kein gelenkiges, eine Hebelwirkung erzeugendes Knie. Aus funktionaler Sicht reiche es, wenn das Betätigen der Schraube an der Befestigungsseite zu einem Kontakt der Spannseite mit dem Schrankinnengehäuse führe und auf diese Weise die Montageschiene fixiert werde. Weder eine Verschwenkung noch die Ausnutzung einer Hebelwirkung sei funktional erforderlich. Eine Verschwenkung über eine Umkantung werde lediglich im Rahmen eines bevorzugten Ausführungsbeispiels beschrieben, sei aber keine den Schutzbereich beschränkende Notwendigkeit. Eine Vereinfachung gegenüber dem Stand der Technik erfolge schon dadurch, dass für das Verspannen nur noch eine Schraube angezogen werden müsse.
- Die vom Anspruchswortlaut des Klagepatents nicht definierte „Lösbarkeit“ der Verschraubung müsse funktional ein Lockern oder Fixieren der Montageschiene im Schaltschrank ermöglichen. Ein vollständiges Trennen des Kniehebels von dem Montagabschnitt sei nicht erforderlich, hierfür gebe es auch keine technische Notwendigkeit. Eine dauerhafte Verbindung zwischen Kniehebel und Montageabschnitt sehe der Anspruchswortlaut zwar nicht ausdrücklich vor, er schließe dies aber auch nicht aus.
- Zur Spannseite gebe der Anspruchswortlaut allein vor, dass diese dem Schrankinnengehäuse zu- und dem Montageabschnitt abgewandt sein müsse. Sie müsse keine Fläche sein, sondern könne beispielsweise auch aus einer Kante bestehen. Verfüge sie über – vom Klagepatent als bevorzugt beschriebene – Krallen, so seien diese kein eigenständiges Bauteil, sondern Bestandteil der Spannseite. Wie in Absatz [0026] der Klagepatentschrift beschrieben, genüge es in diesem Fall, dass ausschließlich die Krallen mit der Schrankinnenwand in Berührung kämen.
- Ausgehend von diesem Verständnis wiesen die angegriffenen Ausführungsformen mit ihrem U-förmigen Bauteil einen erfindungsgemäßen Kniehebel auf, der ein erfindungsgemäßes Verspannen bewirke, indem – wie die Beklagte selbst vortrage – durch das Nachziehen der Schraube die Stirnseite der Basis des U-Profils in Richtung Schrankinnenwand bewegt werde, wo sich dann die Krallen vergrüben. Eine schwenkbare Lagerung des Kniehebels verlange der Anspruchswortlaut nicht. Die Verschraubung in Gestalt der mittigen Torx-Schraube sei auch lösbar, wobei ohnehin davon auszugehen sei, dass auch die beiden kleineren Torx-Schrauben gelöst werden könnten. Mit der Stirnseite der Basis des U-Profils verfügten die angegriffenen Ausführungsformen über eine klagepatentgemäße Spannseite, zu der auch die Krallen gehörten. Die Spannseite stehe zu der Befestigungsseite mit dem vorgeborten Loch für die mittige Torx-Schraube auch in einem Winkel, der größer als 0° und kleiner als 180° sei.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
- II.
- Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Die angegriffenen Ausführungsformen machen entgegen der Beurteilung des Landgerichts von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weshalb das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen ist.
- A.
- Die Erfindung des Klagepatents betrifft eine Montageschiene für den Innenausbau eines Schaltschrankgehäuses, die einen Montageabschnitt aufweist, der an seinem ersten Ende einen Spannabschnitt und an seinem dem ersten Ende gegenüber angeordneten zweiten Ende einen Stützabschnitt aufweist (Anlage B&B 5, Abs. [0001]; die nachfolgenden Bezugnahmen betreffen jeweils die Klagepatentschrift, soweit nichts anderes angegeben ist).
- Das Klagepatent führt einleitend aus, dass eine gattungsgemäße Montageschiene aus der DE 10 2008 052 XXA A1 (nachfolgend auch: DE‘XXA) bekannt ist. Bei dieser sei der Stützabschnitt dazu ausgebildet, sich an der Rückwand des Schaltschrankgehäuses abzustützen, wobei der Spannabschnitt mittels Spannmitteln im Bereich der Vorderseite des Schaltschrankgehäuses verspannbar sei. Für das Verspannen weise der Spannabschnitt einen zur Vorderseite des Schaltschrankgehäuses gerichteten Schenkel auf, der an den Montageabschnitt angeschlossen sei, sowie eine Abwinklung, die im Winkel zum Schenkel orientiert sei, wobei die Abwinklung mindestens ein Stellglied aufweise. Das Stellglied bilde zumindest bereichsweise eine Spannfläche aus. Die Abwinklung weise eine Bohrung auf, die mit einer Gewindeaufnahme einer Schweißmutter fluchte, die auf der der Spannfläche abgewandten Seite der Abwinklung aufgeschweißt sei. Als Spannmittel sei eine Schraube vorgesehen, die in die Schweißmutter einbringbar sei und über welche auf die Rückseite der Spannfläche eine Spannkraft ausgeübt werden könne.
- Als weiteren Stand der Technik benennt das Klagepatent die DE 197 37 673 C2, die DE 196 47 802 C1 und die DE 298 06 878 U1, aus denen weitere Innenausbauschienen bekannt seien (Abs. [0002]).
- Die in der DE‘XXA beschriebenen Montageschiene kritisiert das Klagepatent als nachteilig, da sie vergleichsweise umständlich in dem Schaltschrankgehäuse zu montieren sei, weil für die Betätigung der Spannschrauben der Spannabschnitt mit einem entsprechenden Werkzeug, beispielsweise einem Inbus-Schlüssel, hintergriffen werden müsse, und die Spannschrauben zur Vermeidung eines Verkantens wechselseitig schrittweise angezogen werden müssten. Außerdem sei die Montageschiene wegen der Vielzahl der Abkantungen aufwändig in der Herstellung und der Spannabschnitt nehme viel Platz in Anspruch, wodurch die nutzbare Länge des Montageabschnitts begrenzt werde (Abs. [0003]).
- Das Klagepatent bezeichnet es hiervon ausgehend als Aufgabe der Erfindung, eine gattungsgemäße Montageschiene vorzuschlagen, die einfach in einem Schaltschrankgehäuse zu montieren ist, die eine große nutzbare Länge des Montageabschnitts aufweist und die sich einfacher technischer Mittel bedient sowie mit geringem Aufwand herstellbar ist (Abs. [0004]).
- Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 des Klagepatents eine Montageschiene mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Montageschiene für den Innenausbau eines Schaltschrankgehäuses.
- 2. Die Montageschiene weist einen Montageabschnitt (1) auf.
- 2.1 Der Montageabschnitt (1) weist an seinem ersten Ende einen Spannabschnitt (2) auf.
- 2.2 Der Montageabschnitt (1) weist an seinem dem ersten Ende gegenüber angeordneten zweiten Ende einen Stützabschnitt (3) auf.
- 3. Der Spannabschnitt (2) weist einen Kniehebel (4) auf.
- 3.1 Der Kniehebel (4) weist eine Befestigungsseite (4.1) auf, über welche der Kniehebel (4) lösbar mit dem ersten Ende des Montageabschnitts (1) verschraubt ist.
- 3.2 Der Kniehebel (4) weist weiter eine Spannseite (4.2) auf, die mit der Befestigungsseite (4.1) einen Winkel einschließt.
- Zum Verständnis des Patentanspruchs 1 sind angesichts des Streits der Parteien folgende Bemerkungen veranlasst:
-
1.
Die unter Schutz gestellte Montageschiene ist für den Innenausbau eines Schaltschrankgehäuses vorgesehen (Merkmal 1). Ein solches Schaltschrankgehäuse (1) zeigt beispielsweise die nachfolgend eingeblendete Figur 4 der – vom Klagepatent einleitend erwähnten – DE‘XXA (vgl. Abs. [0032] DE‘XXB). -
2.
Gemäß der Merkmalsgruppe 2 verfügt die klagepatentgemäße Montageschiene über einen Montageabschnitt (1). Auf diesem Montageabschnitt können weitere Bauteile (z.B. elektrische Schaltkomponenten) befestigt werden. Hierzu weist der Montageabschnitt vorzugsweise eine System-Lochung aus gleichmäßig beabstandeten Bohrungen und/oder rechteckigen Langlöchern auf (vgl. Abs. [0012]). Bevorzugt ist er als U-Profil ausgebildet, bei dem die Montageseite mindestens eine Befestigungsaufnahme, vorzugsweise jedoch eine Mehrzahl von Befestigungsaufnahmen oder eine Systemlochung, aufweist (vgl. Abs. [0007]. Der allgemeinere Patentanspruch 1 macht jedoch keine solchen Vorgaben. - Gemäß Merkmal 2.1 weist der Montageabschnitt an seinem ersten Ende einen Spannabschnitt (2) und gemäß Merkmal 2.2 am gegenüberliegenden zweiten Ende einen Stützabschnitt (3) auf. Diese Unterteilung des Montageabschnitts in einen Spann- und einen Stützabschnitt ist dem Fachmann bereits aus der DE‘XXA bekannt (vgl. Abs. [0007] DE‘XXA). Aus der Aufteilung folgert der Fachmann, dass dem Stützabschnitt die Funktion zukommt, sich an einer Gehäuseinnenwand des Schaltschrankes abzustützen, während mittels des Spannabschnitts eine Verspannung vorgenommen wird, um die Montageschiene zwischen den beiden gegenüberliegenden Gehäusewänden zu befestigen.
- Aus dieser Art der Befestigung ergibt sich für den Fachmann zugleich, dass die Montageschiene im Regelfall nicht für den Innenausbau eines Schaltschrankgehäuses vorgesehen ist, bei dem (bereits) eine Rahmenstruktur aus Systemprofilen mit diversen Lochreihen vorhanden ist, wie sie ihm aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt sind und wie sie in den einleitenden Erläuterungen der DE‘XXA beschrieben werden (vgl. Abs. [0002] DE‘XXA). Vielmehr wird eine Montagemöglichkeit für weitere Komponenten durch die Montageschiene geschaffen. Da die klagepatentgemäße Montageschiene die aus der DE‘XXA bekannte Montageschiene verbessern will, liegt es für den Fachmann auf der Hand, dass die dort geschilderten und vom Klagepatent nicht kritisierten Vorteile – auch ohne ausdrückliche Bezugnahme in der Klagepatentschrift – gleichermaßen für die Montageschiene der Klagepatentschrift gelten. Diese liegen u.a. darin, dass die Montageschiene durch Verspannung an einer beliebigen Stellte montiert wird, so dass insbesondere bei Kleingehäusen und Kompakt-Schaltschränken ohne Systemschienenrahmen ein flexibles Innenausbaukonzept bereitgestellt werden kann (vgl. Abs. [0007] DE‘XXA).
-
3.
Die weitere Ausgestaltung des Spannabschnitts (2) ergibt sich aus der Merkmalsgruppe 3. Dieser weist gemäß Merkmal 3 einen „Kniehebel“ (4) auf. Bereits der Begriff des Kniehebels beinhaltet für den Fachmann zwei Erkenntnisse im Hinblick auf die Ausgestaltung des betreffenden Bauteils. Dieses weist zum eine Abwinklung auf (vgl. hierzu nachfolgende lit. a)) und funktioniert zum anderen als Hebel (vgl. hierzu nachfolgende lit. b)). -
a)
Ähnlich zu einem menschlichen Knie, bei dem Unter- und Oberschenkel durch ein Kniegelenk verbunden sind, wird der Fachmann unter einem „Kniehebel“ ein abgewinkeltes Bauteil verstehen, wobei die dadurch entstehende Abwinklung bzw. Biegung – wie ein Kniegelenk – zwischen zwei Schenkeln bzw. Seiten eines Bauteils liegt. Aus seinem allgemeinen Fachwissen sind ihm entsprechend ausgestaltete Kniestücke oder Knierohre als abgewinkelte Verbindungsstücke bekannt. Auch der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter dem Begriff Knie nicht nur das menschliche Kniegelenk, sondern auch ein gebogenes bzw. abgewinkeltes Stück, eine Flussbiegung (sog. Flussknie) oder einen Winkel (vgl. Onlinewörterbuch Duden, „Knie“, https://www.duden.de/rechtschreibung/Knie; Online Lexikon Wikipedia, „Knie“, https://de.wikipedia.org/wiki/Knie, beide zuletzt abgerufen 28.07.2025). - In diesem Verständnis sieht sich der Fachmann durch die weiteren Merkmale der Merkmalsgruppe 3 bestätigt. Denn hiernach verfügt der klagepatentgemäße Kniehebel über zwei Seiten, nämlich gemäß Merkmal 3.1 über eine Befestigungsseite (4.1) und gemäß Merkmal 3.2 über eine Spannseite (4.2), wobei die Spannseite gemäß Merkmal 3.2 mit der Befestigungsseite einen Winkel einschließt. Da die beiden Seiten einen Winkel einschließen, wird der Fachmann diesen Winkel als Innenwinkel verstehen. Dieses Verständnis wird durch die Klagepatentbeschreibung gestützt, nach der mit dem Begriff „Winkel“ jegliche (echten) Winkel gemeint sind, die größer als 0° und kleiner als 180° sind, aber bevorzugt zwischen 90° und 140° liegen (vgl. Abs. [0006]). Die beiden Seiten dürfen demgemäß nicht nur zwei Bereiche einer Geraden sein, sondern müssen – wie ein mittels Knie gebeugtes Bein – abgewinkelt sein. Auch die Ausführungsbeispiele der Figuren 1 und 4 des Klagepatents, die der Fachmann zur Ergründung des technischen Sinngehalts des Merkmals ebenfalls heranzieht, zeigen jeweils Kniehebel, deren Seitenprofil bezogen auf die Befestigungsseite (4.1) und die Spannseite (4.2) eine knieförmige Abwinklung aufweisen. Im Übrigen entnimmt der Fachmann den figürlich dargestellten und in der zugehörigen Patentbeschreibung erläuterten Ausführungsbeispielen, dass ein erfindungsgemäßer Kniehebel nicht ausschließlich aus einer Befestigungsseite und einer Spannseite bestehen muss. So befinden sich z.B. bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 an den Seiten im Winkel zwischen Befestigungs- und Spannseite trapezförmig ausgebildete parallele Flansche (4.3) (vgl. Abs. [0022]).
- Der Winkel muss nicht veränderbar bzw. verstellbar sein. Zwar versteht der Fachmann unter einem Kniehebel – wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat – nach seinem allgemeinen Fachwissen insbesondere Ausgestaltungen, bei denen zwei Hebelelemente gelenkig miteinander verbunden sind. Ein solches Gelenk fordert der Patentanspruch 1 indes nicht. Bereits der Wortlaut des Merkmals 3.2, wonach Spann- und Befestigungsseite einen Winkel einschließen, lässt nicht erkennen, dass dieser Winkel veränderbar sein muss. Vielmehr genügt auch das Vorhandensein eines festen Winkels. Ferner weisen die Ausführungsbeispiele gemäß den Figuren 1 und 4 des Klagepatents gerade keine Verstellmöglichkeit im Sinne eines Gelenks auf. Eine solche wird auch an keiner Stelle des Klagepatents erwähnt, das sich zudem die Aufgabe gestellt hat, eine Montageschiene bereitzustellen, die mit geringem Aufwand herstellbar ist (vgl. Abs. [0004]), womit die Aufnahme eines beweglichen Gelenks kollidieren würde. Das Klagepatent verlangt von einem Kniehebel daher nicht, dass dieser über ein bewegliches Gelenk verfügt. Dieses sich aus dem Klagepatent ergebende Verständnis ist entscheidend. Denn die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein „patenteigenes Lexikon“ darstellen (st. Rspr. d. BGH, vgl. z.B. GRUR 2015, 875 Rn. 16 – Rotorelemente; GRUR 2015, 972 Rn. 22 – Kreuzgestänge; GRUR 2016, 361 Rn. 14 – Fugenband; GRUR 2021, 942 Rn. 22 – Anhängerkupplung II).
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b)
Bis auf das Vorhandensein einer Befestigungs- und einer Spannseite, die einen Winkel einschließen, enthält die Merkmalsgruppe 3 keine weiteren Vorgaben zur Form des Kniehebels. Dessen konstruktive Ausgestaltung bleibt grundsätzlich dem Fachmann überlassen. So kann er diesen beispielsweise – wie im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 – zusammen mit dem Montageabschnitt als U-Profil ausgestalten (vgl. Abs. [0022]). Besonders bevorzugt kommt aber auch eine besonders einfach zu realisierende Bauform in Betracht, bei der – wie im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 beschrieben – der Kniehebel aus einem im Wesentlichen rechteckigen Stahlblech besteht, bei dem durch eine (bloße) Abkantung die Befestigungs- und Spannseite gebildet werden (vgl. Abs. [0026]). - Die Befestigungs- und die Spannseite des Kniehebels werden in den Merkmalen 3.1 und 3.2 näher beschrieben. Dabei kommt insbesondere dem Winkel, der von der Befestigungs- und der Spannseite eingeschlossen wird, eine besondere Bedeutung zu. Denn diese Abwinklung bewirkt, dass die auf die Befestigungsseite ausgeübte Kraft in eine in Richtung der Gehäuseinnenwand wirkende Kraft umgelenkt wird und der Kniehebel – wie es bereits der Begriff „Kniehebel“ nahelegt – als abgewinkelter Hebel (Winkelhebel) fungiert. Hierzu im Einzelnen:
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aa)
Während die Spannseite (im montierten) Zustand an der Gehäuseinnenwand des Schaltschranks anliegt, ist der Kniehebel mittels der Befestigungsseite (4.1) gemäß Merkmal 3.1 mit dem ersten Ende des Montageabschnitts lösbar verschraubt. Für diese Verschraubung verfügen sowohl die Befestigungsseite des Kniehebels als auch das erste Ende des Montageabschnitts der Montageschiene über – im Anspruchswortlaut nicht ausdrücklich erwähnte – Bohrlöcher, durch die die Schraube hindurchgeführt wird. Unter Verwendung dieser Bohrlöcher – die in Figur 1 mit den Bezugsziffern 5 und 6 gekennzeichnet sind und als erste (Befestigungsseite) sowie zweite (Montageabschnitt) Bohrung bezeichnet werden – und einer an der Unterseite des Montageabschnitts angebrachten Gewindeaufnahme (7), z.B. einer dort angeschweißten Mutter, kann der Kniehebel mittels einer Schraube (9) mit der Montageschiene verschraubt, also an dieser befestigt werden (vgl. Abs. [0022], [0023]). Denkbar ist auch, dass unter Verzicht auf eine Mutter das Bohrloch am erstem Ende des Montageabschnitts mit einem Gewinde versehen wird, in das die Schraube eingreifen kann. - Soweit das Merkmal 3.1 davon spricht, dass der Kniehebel lösbar verschraubt ist, entnimmt der Fachmann dem, dass die Verschraubung durch eine Verstellung der Schraube gelockert werden kann. Es leuchtet ihm unmittelbar ein, dass bei der Installation der Montageschiene der Kniehebel zwar mittels der Verschraubung vorzugsweise vormontiert ist, dieser aber erst nach der Positionierung im Schaltschrank zum Zwecke der Verspannung der Montageschiene im Schaltschrank fest verschraubt wird, wie es in Absatz [0023] der Klagepatentbeschreibung erläutert wird. Denn ohne einen gelockerten Kniehebel kann die Montageschiene nicht (gewaltfrei) zwischen die Gehäuseinnenwände des Schaltschranks eingesetzt werden. Lösbar bedeutet in diesem Zusammenhang mithin, dass der Kniehebel vor der Installation der Montageschiene im Schaltschrank nicht dauerhaft unbeweglich mit der Montageschiene verbunden sein darf, sondern noch gelockert werden können muss. Gleichermaßen, wenn auch von der Klagepatentschrift nicht ausdrücklich erwähnt, soll nach der Installation die Montageschiene durch Lösen der Schraube wieder aus dem Schaltschrank entfernt werden können.
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bb)
Zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Spannseite (4.2) findet der Fachmann im Merkmal 3.2 des Klagepatentanspruchs 1 keine näheren Vorgaben. Aus dem Begriff Spannseite leitet er allerdings ab, dass die Spannseite diejenige Seite des Kniehebels ist, die zum Verspannen mit der Gehäuseinnenwand des Schaltschrankes verwendet wird, die also – wie der Stützabschnitt am gegenüberliegenden Ende des Montageabschnitts – in Kontakt mit der Gehäuseinnenwand steht. Durch eine ausreichend starke Verspannung wird die Fixierung der Montageschiene zwischen den Gehäuseinnenseiten bewirkt. Für eine besonders wirksame Fixierung können entweder die Spannseite des Spannabschnitts am ersten Ende des Montageabschnitts oder der Stützabschnitt am zweiten Ende des Montageabschnitts – bevorzugt beide – mindestens eine Kralle aufweisen (vgl. Abs. [0011]). Beispiele für solche Krallen (8) an der Spannseite sind in den Figuren 1 und 4 gezeigt (vgl. Abs. [0023], [0026]). Bei dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 6 und 7 befinden sich die Krallen auch am Stützabschnitt (vgl. Abs. [0028] a.E.). Diese Krallen können sich beim Verspannen in das Schaltschrankgehäuse eingraben (vgl. Abs. [0009] a.E.), um eine kraftschlüssige Verbindung mit der Gehäusewand des Schaltschranks herzustellen (vgl. Abs. [0028] a.E.). Sie können – wie bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 – beispielsweise auf der Spannseite aufgesetzt sein oder aber – wie bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 – durch ein geringfügiges Biegen der Ecken der Spannfläche nach vorne (vgl. Abs. [0026]) geschaffen werden. Der Kontakt der Spannseite mit der Gehäuseinnenwand kann auch ausschließlich über diese Krallen erfolgen (vgl. Abs. [0026]). Daraus folgt zugleich, dass die Lehre des Klagepatentes nicht verlangt, dass die Spannseite vollständig in Kontakt mit der Gehäuseinnenwand treten muss. Hierfür ist auch kein technischer Grund ersichtlich, wenn eine ausreichende Verspannung auch dadurch erreicht wird, dass nur Teile oder Bereiche der Spannseite die Gehäuseinnenwand berühren. -
cc)
Die im Merkmal 3.2 aufgestellte Anforderung, dass Befestigungs- und Spannseite einen Winkel einschließen müssen, ermöglicht, dass eine über die Verschraubung auf die Befestigungsseite ausgeübte Kraft auf die Spannseite des Kniehebels umgelenkt wird. -
(1)
Schon der Begriff „Kniehebel“ legt dem Fachmann nahe, dass durch dieses Bauteil eine Hebelwirkung erzielt wird. Die Kombination aus Knie und Hebel weist zudem darauf hin, dass der Hebel nicht – wie in seiner einfachsten Form – gerade, sondern knieförmig ausgestaltet ist, also einen Winkel aufweist. Aus der Tatsache, dass die Befestigungsseite gemäß Merkmal 3.1 mittels einer Verschraubung mit dem ersten Ende des Montageabschnitts lösbar befestigt ist, erschließt sich dem Fachmann, dass durch eine Krafteinwirkung auf die Befestigungsseite mittels der Verschraubung der Kniehebel über eine Schwenkachse verschwenkt und die Kraft auf die Spannseite des Kniehebels umgelenkt wird. Denn als Bestandteil des Spannabschnitts ist der Kniehebel mit seiner Befestigungs- und Spannseite dafür verantwortlich, durch eine Verspannung die Verbindung zwischen Montageschiene und Schaltschrank zu gewährleisten. Die Verspannung zwischen den Gehäuseinnenwänden des Schaltschranks erfolgt dabei über das Festziehen der Schraube an der Befestigungsseite. Wird diese angezogen, bewegt sich die Befestigungsseite des Kniehebels in Richtung Montageabschnitt, nähert sich diesem also an (vgl. Abs. [0022]), da der Schraubenkopf die Befestigungsseite des Kniehebels in Richtung Montageschiebe drückt. Allein durch diese Annäherung kann aber keine Verspannung mit den Schaltschrankgehäuseinnenwänden bewirkt werden. Hierzu muss vielmehr die Spannseite in Richtung der Gehäuseinnenwand bewegt werden. Um dies zu bewerkstelligen, sieht die Lehre des Klagepatents eine Verschwenkung des Kniehebels vor, damit die Spannseite mittels Hebelwirkung gegen die Gehäuseinnenwand gepresst wird. Die abgewinkelte Form des Kniehebels und dessen Lagerung auf dem Montageabschnitt der Montageschiene ermöglichen, dass dieser durch das Anziehen der Schraube (9) zugleich verschwenkt wird und sich die Spannseite dadurch in Richtung Gehäuseinnenwand bewegt. Anders als bei den Ausführungsbeispielen gemäß den Figuren 1 bis 3 der DE‘XXA wird also keine Spannfläche flächig in Richtung Gehäuseinnenwand bewegt, indem eine oder mehrere Schrauben die Spannfläche in diese Richtung drücken. Beim Gegenstand des Klagepatents findet vielmehr eine Verschwenkung der Spannseite in Richtung Gehäusewand über einen Drehpunkt statt, wodurch eine Hebelwirkung erzeugt und die Kraft in Richtung der Gehäuseinnenwand umgelenkt wird. Die auf die Befestigungsseite mittels Anziehen der Schraube ausgeübte vertikale Kraft wird also in eine in Richtung Gehäuseinnenwand wirkende horizontale Kraft umgelenkt, was durch die abgewinkelte Form des Kniehebels und dessen schwenkbare Lagerung, wodurch er als Hebel einsetzbar ist, erreicht wird. Der patentgemäße Kniehebel ist daher mehr als nur ein winkeliges Bauteil, wie z.B. das in Absatz [0027] der Klagepatentbeschreibung erwähnte Winkelstück. Der Kniehebel ist vielmehr patentgemäß räumlich-körperlich so ausgestaltet und angeordnet, dass durch seine abgewinkelte Form und der Ausnutzung einer Hebelwirkung beim Anziehen der Verschraubung die vorstehend beschriebene Kraftumlenkung in Richtung der Gehäuseinnenwand erfolgt, er also als (zweiseitiger) Winkelhebel fungiert. -
(2)
Dies verdeutlichen auch die in den Figuren gezeigten und in der zugehörigen Produktbeschreibung erläuterten Ausführungsbeispiele. - Beim Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 stellt dabei eine Umkantung den Drehpunkt dar, der in Absatz [0008] der Klagepatentbeschreibung als Schwenkachse bezeichnet wird. Diese Umkantung (1.4), die gemäß Absatz [0008] bevorzugt vorgesehen ist, ist im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 eine auf dem Montageabschnitt senkrecht nach oben angebrachte Abkantung, die ein freies Ende (1.5) aufweist, auf dem der Kniehebel schwenkbar gelagert ist (vgl. Abs. [0022]). Zur Verdeutlichung wird nachfolgend ein Ausschnitt der Figur 1 eingeblendet, bei dem die Umkantung (1.4) blau und deren freies Ende (1.5) orange hervorgehoben sind.
- Mit dem Anziehen der Schraube (9) wird der Kniehebel (4) um das freie Ende (1.5) der Umkantung (1.4) verschwenkt, wodurch das untere Ende der Spannseite (4.2), die einen stumpfen Winkel (α) (vgl. Abs. [0031] a.E.) zur Befestigungsseite aufweist, mit seinen Krallen (8) in Richtung Gehäusewand (10) geschwenkt wird (vgl. Abs. [0023]). Durch die Lagerung des Kniehebels auf der Umkantung entsteht mit dem Anziehen der Schraube (9) eine Hebelwirkung, wodurch die Krallen (8) mit großer Kraft in die Fläche der Gehäusewand (10) getrieben werden können, während sich der Stützabschnitt am andere Ende des Montageabschnitts an der gegenüberliegenden Gehäusewand abstützt (vgl. Abs. [0023]). Die Hebelwirkung wird in der Patentbeschreibung ausdrücklich erwähnt (Abs. [0023]). Dass das Klagepatent diese nicht weiter erläutert, ist damit zu erklären, dass es dies schlicht nicht für notwendig erachtet. Es setzt die Kenntnis der grundlegenden Gesetzmäßigkeit der Kraftübertragung in einem Hebelmechanismus beim angesprochenen Fachmanns aufgrund seines allgemeinen Fachwissens als bekannt voraus. Dem Fachmann ist bekannt, dass bei einem Hebel ein starrer Körper um einen Drehpunkt gedreht wird. Es leuchtet ihm auch ohne Weiteres ein, dass im gezeigten Ausführungsbeispiel durch das Einwirken einer Kraft mittels der Schraube (9) auf die Befestigungsseite (4.1) des Kniehebels über das freie Ende (1.5) als Drehpunkt eine Hebelbewegung der Spannseite (4.2) erreicht wird und eine Umlenkung der auf die Befestigungsseite durch die Schraube wirkenden vertikalen Kraft in Richtung der Gehäusewand (10) stattfindet. Es ist ihm hierbei bewusst, dass – wie in Absatz [0008] beschrieben – die Bohrung an dem ersten Ende des Montageabschnitts zur Erreichung einer ausreichenden Hebelkraft von der Umkantung beabstandet angeordnet sein muss; denn je kürzer dieser Abstand ist, umso geringer ist die Hebelwirkung.
- Eine entsprechende Hebelwirkung wird augenscheinlich auch bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 erzeugt, obgleich bei diesem Ausführungsbeispiel keine entsprechende Umkantung, welche Patentanspruch 1 nicht zwingend vorausgesetzt wird, vorgesehen ist. An der grundsätzlichen Funktionsweise der erfindungsgemäßen Montageschiene ändert sich dadurch nichts.
- Das in Figur 4 gezeigte Ausführungsbeispiel ist nach der Klagepatentbeschreibung im Hinblick auf die Ausgestaltung des Kniehebels (4) bevorzugt, weil der Kniehebel bei dieser Ausführungsform mit besonders einfachen technischen Mittelns realisiert ist. Denn er besteht im Wesentlichen aus einem abgekanteten rechteckigen Stahlblech (vgl. Abs. [0026]), wie dies aus dem nachfolgend eingeblendeten Ausschnitt der Figur 4 ersichtlich ist.
- Auch bei diesem Ausführungsbeispiel ist der (mit keinem Bezugszeichen versehene) (Innen-)Winkel gemäß Merkmal 3.2 zwischen Befestigungsseite (4.1) und Spannseite (4.2) stumpf, also größer als 90°, was zur Folge hat, dass die Spannseite (4.2) mit ihrer unteren Kante, deren Ecken zu Krallen umgebogen sind, in Richtung Gehäusewand (10) ragt, wenn die Befestigungsseite (4.1) parallel zur Montageseite (1.1) angeordnet ist (vgl. Abs. [0026]). Parallel zur Montageseite ist die Befestigungsseite aber erst dann angeordnet, wenn die Schraube (9) angezogen ist und ihr Schraubenkopf die Befestigungsseite auf die Montageseite des Montageabschnitts herunterdrückt. Denn für die Montage ist der Kniehebel auch hier (allenfalls) nur vormontiert, aber nicht fest verschraubt. Erst wenn sich die Montageschiene in ihrer endgültigen Position befindet, wird die Schraube (9) angezogen, wie es die Klagepatentschrift in Absatz [0023] für die Montage der Ausführungsform gemäß Figur 1 beschreibt, wobei insoweit kein Unterschied zwischen den Ausführungsbeispielen besteht. Anders als beim Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 lagert der Kniehebel bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 zwar nicht auf einer Umkantung, sondern liegt dieser im Bereich der Abwinklung zwischen Befestigungsseite (4.1) und Spannseite (4.2) auf der Kante der Montageseite (1.1) auf. Gleichwohl erfolgt auch hier eine Verschwenkung und die Spannseite wird mittels Hebelwirkung gegen die Gehäuseinnenwand gedrückt. Denn die Kante der Montageseite, auf der der Kniehebel in gelöster bzw. gelockerter Form lagert, stellt einen Drehpunkt dar, weshalb mit dem Anziehen der Schraube (9) eine Hebelwirkung auftritt und die Krallen an der unteren Kante der Spannseite in die Gehäusewand gedrückt werden. Ohne eine solche schwenkbare Lagerung, die ein Zurückweichen der unteren Kante der Spannseite mit den dortigen Krallen ermöglicht, könnte die Montageschiene schon nicht (gewaltfrei) positioniert werden. Daher kann aus der Tatsache, dass die schwenkbare Lagerung sowohl in der Patentbeschreibung als in Unteranspruch 3 nur im Zusammenhang mit einer Umkantung ausdrücklich erwähnt wird, nicht geschlossen werden, dass bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 eine solche Verschwenkung nicht stattfindet. Denn anders kann auch bei diesem Ausführungsbeispiel eine Verspannung durch Anziehen der Schraube (9) nicht erfolgen. Auch bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Figur 4 wird die auf die Befestigungsseite wirkende vertikale Kraft mittels Hebelwirkung auf die Spannseite (4.2) des Kniehebels (4) umgelenkt. Das Fehlen einer Umkantung hat allein zur Folge, dass der Bewegungsspielraum des Kniehebels geringer ausfällt, weshalb der Fachmann den Winkel zwischen Befestigungs- und Spannseite ausreichend groß (stumpf) wählen muss, um einen hinreichenden Kontakt zwischen Spannseite und Gehäuseinnenwand zu erreichen. Dem angesprochenen Fachmann ist dies auch ohne ausdrückliche Erläuterung klar.
- Die beiden Ausführungsbeispiele beststätigen damit, dass das Klagepatent in Bezug auf das in Merkmal 3 angesprochene Merkmal des Kniehebels bewusst bzw. nicht ohne Grund von einem „Hebel“ und nicht etwa nur von einem „Kniestück“ spricht. Sie verdeutlichen dem Fachmann, dass der Begriff „Kniehebel“ bzw. das Merkmal 3 so zu verstehen ist, dass die Verspannung mittels einer Hebelwirkung über ein abgewinkeltes Bauteil herbeigeführt werden muss. Es finden sich in der Klagepatentschrift keine Anhaltspunkte dafür, dass das Klagepatent den Begriff des Hebels nicht wie im üblichen Sinn versteht. Weder den Ausführungsbeispielen noch der sonstigen Beschreibung der Klagepatentschrift lässt sich entnehmen, dass das Klagepatent dem Begriff des Hebels eine andere Bedeutung beimisst als sie bereits der allgemeine Sprachgebrauch nahelegt. Vielmehr bestätigen die Ausführungsbeispiele den Fachmann in der Annahme, dass das Merkmal des Kniehebels eine Hebelwirkung auf die Spannseite verlangt, da bei diesen stets der Kniehebel über einen Drehpunkt gehebelt wird, um mittels Hebelkraft die Spannseite an die Gehäuseinnenwand zu pressen.
- Diese Kraftumlenkung mittels einer Hebelwirkung ist nach der Lehre des Klagepatents zwingend und begrenzt insoweit den Schutzbereich des Klagepatentanspruchs. Denn das Merkmal des Kniehebels gibt eine bestimmte räumlich-körperliche Ausgestaltung vor, mit dem der technische Erfolg (Verspannung) erreicht werden soll, und zwar unter Ausnutzung der Hebelwirkung eines abgewinkelten Bauteils. Mit dieser Hebelwirkung grenzt sich die Lehre des Klagepatents gerade von der im Stand der Technik bekannten Verspannungsmethode ab. Daher kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass eine Verspannung der Montageschiene innerhalb der vom Klagepatents gesetzten Aufgabe auch auf andere Weise als durch eine Hebelwirkung erzeugt werden könnte. Denn der Kniehebel mit seiner Hebelwirkung ist das von der technischen Lehre des Klagepatents vorgesehene Mittel, um eine einfache Montage mittels einfacher technischer Mittel einer mit geringen Aufwand herstellbaren Montageschiene zu erreichen. Die Kraftumlenkung mittels Hebelwirkung ist der Kern der Erfindung, mit der gegenüber dem Stand der Technik eine Verbesserung erreicht werden soll, und für die es im Klagepatent keine Hinweise gibt, dass sie verzichtbar sein könnte. Entgegen der Auffassung des Landgerichts überlasst es das Klagepatent daher insoweit gerade nicht dem Fachmann, wie er ein Verspannen der Montageschiene bewerkstelligt.
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c)
Im Ergebnis muss ein klagepatentgemäßer Kniehebel daher über zwei abgewinkelte Seiten (Befestigungs- und Spannseite) verfügen, wobei eine mittels Verschraubung auf die Befestigungsseite ausgeübte Kraft im Wege einer Hebelwirkung auf die (abgewinkelte) Spannseite umgelenkt wird, um auf diese Weise eine Verspannung der Montageschiene zu erreichen. - B.
- Ausgehend von der vorstehenden Auslegung machen die angegriffene Ausführungsformen von technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Denn das bewegliche U-förmige Bauteil mit den beiden Zähnen stellt keinen klagepatentgemäßen Kniehebel dar (Merkmal 3), weil bei den angegriffenen Ausführungsformen keine Kraftumlenkung in Richtung der Gehäusewand mittels einer Hebelwirkung stattfindet. Das in Rede stehende U-förmige Bauteil wird nämlich nicht über einen Drehpunkt verschwenkt, wodurch die auf die Befestigungsseite wirkende Kraft auf die abgewinkelte Spannseite umgeleitet wird. Vielmehr wird bei der angegriffenen Ausführungsform mit dem Anziehen der mittigen Torx-Schraube das U-förmige Bauteil, bei dem die zwei kleineren Torx-Schrauben als Aufhängung fungieren, nach oben gezogen und – bedingt durch die Form des Bauteils und dessen Aufhängung – dadurch das Eingraben der Zähne in die Gehäuseinnenwand bewirkt. Es findet hingegen keine Umlenkung der von der Schraube ausgeübten vertikalen Kraft mittels eines Winkelhebels in Richtung Gehäuseinnenwand statt.
- Entsprechendes hat auch die Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.07.2025 nicht behauptet. Dass durch das U-förmige Bauteil der angegriffenen Ausführungsformen, das die Klägerin als Kniehebel ansieht, eine Hebelwirkung ausgeübt wird, hat sie schriftsätzlich nie vorgetragen. Vielmehr hat sie sich stets gegen eine Auslegung verwehrt, nach der ein klagepatentgemäßer Kniehebel eine Hebelwirkung zum Verspannen ausnutzen muss (vgl. Berufserwiderung v. 22.11.2024, S. 5, Bl. 187 eA OLG; S. 9 Bl. 191 eA OLG). Das Klagepatent erfordere lediglich eine Verbindung der Montageschiene mit der Schrankinnenwand über die Spannseite, wofür ein Verspannen bzw. ein Verklemmen, wie es bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall sei, ausreiche (vgl. Replik, S. 4, Bl. 91 eA LG). Im mechanischen Sinne handele es sich, so die Klägerin, bei einem Verspannen bzw. einem Verklemmen jeweils um die Bereitstellung einer Haltekraft für die Halterung der Schiene am Gehäuse durch Anziehen der Schraubverbindung zwischen Kniehebel und Montageabschnitt, wobei die Spannkraft durch elastische Verformung des Stützabschnitts und des Spannabschnitts aufgenommen werde (vgl. Replik, S. 4, Bl. 91 eA LG; LGU S. 13, Bl. 141 eA LG). Dementsprechend ist auch das Landgericht davon ausgegangen, dass das U-förmige Bauteil bei den angegriffenen Ausführungsformen keine Hebelwirkung ausnutzt, und hat es deshalb (zutreffend) als entscheidungserheblich erachtet, ob ein klagepatentgemäßer Kniehebel die Verspannung mittels Hebelwirkung erreichen muss (vgl. LGU, S. 25, Bl. 153 eA LG; S. 31, Bl. 159 eA LG). Auch in der Berufungsinstanz hat die Klägerin schriftsätzlich betont, dass ein klagepatentgemäßer Kniehebel weder eine Verschwenkung noch die Ausnutzung einer Hebelwirkung zum Verspannen erfordere (vgl. Berufserwiderung, S. 5, Bl. 187; S. 9, Bl. 191 eA OLG).
- Erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 17.07.2025 hat die Klägerin behauptet, dass sich auch die angegriffenen Ausführungsformen einer Hebelwirkung zum Verspannen bedienten, da durch das Anziehen der mittigen Torx-Schraube ein Verkippen des U-förmige Bauteils um eine Drehachse in Gestalt der beiden seitlichen Torx-Schrauben stattfinde. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin mit diesem neuen Vortrag in der Berufungsinstanz überhaupt noch gehört werden kann (§ 531 Abs. 2 ZPO). Denn eine Patentbenutzung liegt auch unter Zugrundelegung dieses neuen Vortrags nicht vor. Zwar findet sich unter Berücksichtigung dieses Verständnisses der Klägerin bei den angegriffenen Ausführungsformen ein einseitiger Hebel, weil durch das Anziehen der mittigen Torx-Schraube das U-Profil als starrer Körper um einen Drehpunkt in Gestalt der durch die seitlichen Torx-Schrauben gebildeten Aufhängung gedreht wird. Unabhängig davon, dass die Krallen an der Stirnseite des U-Profils nach diesem Verständnis kein Bestandteil des Hebels sind, weil dieser allein durch die Strecke zwischen mittiger Torx-Schraube (Kraftangriffspunkt) und den seitlichen Torx-Schrauben (Drehachse) bestimmt wird, machen sich die angegriffenen Ausführungsformen aber jedenfalls nicht das Prinzip eines (zweiseitigen) Winkelhebels zunutze, wie es der Patentanspruch 1 mit seinem Merkmal des Kniehebels verlangt. Denn es findet bei den angegriffenen Ausführungsformen keine durch eine abgewinkelte Bauweise ermöglichte Umlenkung der durch das Anziehen der Verschraubung auf die Befestigungsseite ausgeübten vertikalen Kraft in eine Richtung Gehäusewand auf die Spannseite wirkenden horizontalen Kraft statt. Vielmehr werden bei den angegriffenen Ausführungsformen ohne eine solche Kraftumlenkung die Krallen, die sich auf einer geraden (und damit gerade nicht abwinkelten) Linie mit dem (einzigen) Hebelarm befinden, auf einer durch die Form und Aufhängung des U-Profils bestimmten Bewegungsbahn in die Gehäuseinnenwand gezogen. Von der Lehre des Klagepatents machen die angegriffenen Ausführungsformen deshalb auch unter Zugrundelegung des neuen Vortrags der Klägerin keinen Gebrauch. Es fehlt bei ihnen an einem Kniehebel im Sinne des Klagepatents.
- III.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
- Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
- Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
