Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3423
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Mai 2025, I-2 U 48/24
Vorinstanz: 4a O 70/22
- A.
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.03.2024 verkündete
Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst: - I.
Die Beklagte wird verurteilt, - 1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren Geschäftsführern zu vollziehen ist, zu unterlassen, - flüssige pharmazeutische Zusammensetzungen, bestehend aus:
- (a) 50 mg/mL Adalimumab,
- (b) einem Citratpufferungssystem,
- (c) einem Zuckerstabilisator,
- (d) einem Mittel zum Einstellen der Tonizität,
- (e) einem Tensid und
- (f) Wasser (für Injektionszwecke),
- wobei Adalimumab, Citratpufferungssystem, Zuckerstabilisator, Mittel zum Einstellen der Tonizität und Tensid in dem Molverhältnis von 1:14-40 : 288-865 : 28-576 : 01,-3,2 vorliegen,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen der zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
- 2.
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22.07.2020 begangen hat, und zwar unter Angabe - a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 22.08.2020 begangen hat, und zwar unter Angabe - a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer;
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger;
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4.
die zu I. 1. bezeichneten, nach dem 22.07.2020 in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Oberlandesgericht Düsseldorf vom 15.05.2025) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit einer verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen; - 5.
die in ihrem mittelbaren oder unmittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, zu I. 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben. - II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die zu I. 1. bezeichneten, seit dem 22.08.2020 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. - B.
Die Beklagte trägt die Kosten erster und zweiter Instanz. - C.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. - Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000.000,00 EUR abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- D.
Die Revision wird nicht zugelassen. - E.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000.000,00 EUR festgesetzt. - Gründe:
- I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 3 145 XXX XX (im Folgenden Klagepatent, Anlage KE1; deutsche Übersetzung: Anlage KE1a). Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch. - Das Klagepatent wurde am 15.05.2015 unter Inanspruchnahme einer europäischen Priorität vom 23.05.2014 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung datiert vom 29.03.2017, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 22.07.2020 veröffentlicht.
- Das Klagepatent betrifft eine „flüssige pharmazeutische Zusammensetzung“. Der einzig eingetragene Klagepatentanspruch 1 lautet in der englischen Verfahrenssprache wie folgt:
- „A liquid pharmaceutical composition consisting of:
- – 50 mg/ mL adalimumab;
– a citrate buffering system;
– a sugar stabiliser;
– a tonicifier;
– a surfactant; and
– water (for injection);
– wherein said adalimumab, citrate buffer system, sugar stabiliser, tonicifier, and surfactant are present in a molar ratio of 1:14-40:288-865:28-576:0.1-3.2 respectively.“ - Die in der Klagepatentschrift angegebene deutsche Übersetzung des Klagepatentanspruchs 1 lautet wie folgt:
- „Flüssige pharmazeutische Zusammensetzung, bestehend aus:
- – 50 mg/ml Adalimumab,
– einem Citratpufferungssystem,
– einem Zuckerstabilisator,
– einem Mittel zum Einstellen der Tonizität,
– einem Tensid und
– Wasser (für Injektionszwecke),
– wobei Adalimumab, Citratpufferungssystem, Zuckerstabilisator, Mittel zum Einstellen der Tonizität und Tensid in einem Molverhältnis von 1:14-40:288-865:28-576:0,1-3,2 vorliegen.“ - Mit Entscheidung vom 26.10.2022 hat die Einspruchsabteilung des EPA einen von der A und der B gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch zurückgewiesen. Mit Entscheidung vom 20.06.2024 (Az.: T 0466/23 – 3.3.07) hat die Technische Beschwerdekammer die gegen die Entscheidung des EPA gerichteten Beschwerden zurückgewiesen (Anlage KM-BB2; deutsche Übersetzung: Anlage KM-BB2a).
- Der deutsche Teil des Klagepatents (DE 60 2015 056 XXX.X) steht in Kraft.
- Die Klägerin gehört zur C-Gruppe, die weltweit im Bereich Gesundheit tätig und hier auf Medikamente und Technologien für Infusion, Transfusion und klinische Ernährung spezialisiert ist.
- Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der in den USA ansässigen A. Sie vertreibt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland seit dem 17.10.2018 das pharmazeutische Produkt mit der Produktbezeichnung „D“ (im Folgenden angegriffene Ausführungsform).
- Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein sog. Biosimilar zu dem unter der Handelsbezeichnung „E“ von der amerikanischen Unternehmensgruppe „F“ vertriebenen Medikament, das den Antikörper Adalimumab enthält. Adalimumab ist ein monoklonaler Antikörper, der zur Klasse der Arzneimittel gehört, die als biologische Reaktionsmodifikatoren oder TNF-Hemmer (Tumor Necrosis Faktor) bekannt sind. Adalimumab ist ein Immunsuppressivum und wird zur Behandlung verschiedener Autoimmunkrankheiten (wie idiopathische juvenile Arthritis, Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis, Colitis ulcerosa, Uveitis etc.) verwendet.
- Die Formulierung der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aus der nachfolgend wiedergegebenen Tabelle, die die Klägerin in einem in Frankreich geführten Verfahren erhalten hat, wobei über die Funktion einzelner Inhaltsstoffe zwischen den Parteien Streit besteht:
- .
- Die Klägerin leitete vor einem dänischen Gericht ein auf die Verletzung des hiesigen Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform gestütztes einstweiliges Verfügungsverfahren ein, das zur erstinstanzlichen Zurückweisung des Antrags führte. Die Klägerin legte keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung ein. Zwischen den Parteien des hiesigen Rechtsstreits war ferner ein weiterer Rechtsstreit vor dem Landgericht Düsseldorf (Az.: 4a O 101/18) anhängig, in dem die Klägerin die Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 3 148 XXX (im Folgenden EP‘XXX; Patentschrift liegt als Anlage ropB33 vor; deutsche Übersetzung: Anlage ropB33a) geltend machte. Das EP‘XXX wurde durch das EPA erstinstanzlich widerrufen. Nach Bestätigung des Widerrufs durch die Technische Beschwerdekammer (Az.: T 0654/21) nahm die Klägerin die auf das EP‘XXX gestützte Verletzungsklage vor dem Landgericht Düsseldorf zurück. Die Klägerin machte ferner in Großbritannien, in den Niederlanden, Italien, Frankreich und Dänemark auf das EP‘XXX gestützte Verfahren gegen Unternehmen der G-Unternehmensgruppe bzw. das Unternehmen H, Ltd. anhängig.
- Die Klägerin sieht in dem Anbieten und Inverkehrbringen der angegriffenen Ausführungsform eine unmittelbare wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht:
- Das klagepatentgemäße Citratpufferungssystem werde bei der angegriffenen Ausführungsform durch die Inhaltsstoffe „Natriumcitrat-Dihydrat“ und „Zitronensäure-Monohydrat“ gebildet. Unschädlich sei, dass auch Histidin eine puffernde Wirkung habe. Denn die geschützte Lehre schließe nicht aus, dass einzelne oder mehrere der in der Zusammensetzung enthaltenen weiteren Bestandteile ebenfalls einen puffernden Effekt erzielten. Dem Fachmann gehe es um die Wirkung, die die Inhaltsstoffe in der konkreten Zusammensetzung unter Berücksichtigung der konkreten Bedingungen zeigten, es gehe ihm hingegen nicht um die isolierte Verwendung einzelner monofunktionaler Inhaltsstoffe, die ausschließlich eine der vorgegebenen Funktionen umsetzten.
- Die angegriffene Ausführungsform enthalte einen Zuckerstabilisator in Form des Inhaltsstoffs Sorbitol. Einer Verwirklichung der geschützten Lehre stehe nicht entgegen, dass Sorbitol in der angegriffenen Ausführungsform zusätzlich auch eine tonifizierende Wirkung habe. Maßgeblich sei, dass Sorbitol im Kontext der angegriffenen Ausführungsform auch einen stabilisierenden Effekt erreiche. Umgekehrt sei auch unerheblich, wenn andere Bestandteile der Zusammensetzung, etwa Histidin, ebenfalls zu einer stabilisierenden Wirkung beitrügen. Auch insoweit werde der Fachmann akzeptieren, dass typischerweise multifunktionelle Bestandteile zur Anwendung gelangten.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform diene der Inhaltsstoff „L-Histidin“ mit seinem Säure/Base-Konjugat „L-Histidin-Hydrochlorid-Monohydrat“ als klagepatentgemäßes Mittel zum Einstellen der Tonizität. Der Klagepatentanspruch enthalte eine generische Aufzählung der Bestandteile der geschützten Zusammensetzung. Dies berücksichtigend könne auch Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität verwendet werden, weil es – insoweit unstreitig – Einfluss auf die Osmolalität nehme. Das Klagepatent schließe die Verwendung von Histidin nicht schlechterdings aus, sondern beschreibe dies nur optional für bestimmte Ausführungsformen.
- Bei entsprechender Einordnung der Inhaltsstoffe der angegriffenen Ausführungsform als klagepatentgemäße Bestandteile liege im Verhältnis dieser zueinander das von dem Klagepatent vorgegebene Stoffmengenverhältnis vor, wie nachfolgend wiedergegebene Tabelle zeige:
- .
- Auf ein Vorbenutzungsrecht könne sich die Beklagte nicht berufen. Ein solches stehe ihr unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
- Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt und geltend gemacht:
- Der angegriffenen Ausführungsform fehle es an einem Citratpufferungssystem im Sinne der geschützten Lehre, weil bei dieser neben den Inhaltsstoffen Natriumcitrat-Dihydrat und Zitronensäure-Monohydrat auch Histidin eine puffernde Wirkung habe.
- Die angegriffene Ausführungsform weise auch keinen Zuckerstabilisator auf, weil die Aminosäure Histidin als Stabilisator zu qualifizieren sei. Soweit die angegriffene Ausführungsform Sorbitol enthalte, handele es sich dabei um das Mittel zum Einstellen der Tonizität. Sorbitol diene hingegen nicht als klagepatentgemäßer Stabilisator, weil das ersatzlose Entfernen dieses Stoffes zu keiner Veränderung derjenigen Faktoren führe, die die Klagepatentschrift als für die strukturelle Integrität maßgeblich erachte.
- Bei der angegriffenen Ausführungsform könne auch Histidin nicht als Mittel zum Einstellen der Tonizität erachtet werden. Das gelte bereits deshalb, weil Histidin als Bestandteil der geschützten Zusammensetzung schlechterdings ausgeschlossen sei. Unbeschadet dessen finde Histidin in der Klagepatentschrift – anders als mit Blick auf die Funktion eines Puffers oder eines Stabilisators – als Mittel zum Einstellen der Tonizität keine Erwähnung. Der Fachmann begreife Histidin auch nicht als ein Mittel zum Einstellen der Tonizität. Ein Mittel zum Einstellen der Tonizität sei klagepatentgemäß nur ein solcher Bestandteil, der der Zusammensetzung gerade zum Zwecke der Beeinflussung der Osmolalität beigegeben worden seien. Bestandteile, die hingegen zu einem anderen Zweck zugefügt worden seien, schieden als Mittel zum Einstellen der Tonizität selbst dann aus, wenn ihnen eine tonifizierende Wirkung zukomme. Insbesondere dürfe dem Mittel zum Einstellen der Tonizität klagepatentgemäß keine puffernde Wirkung zukommen.
- Ausgehend von der so vorgenommenen Einordnung der Inhaltsstoffe der angegriffenen Ausführungsform fehle es auch an dem von der geschützten Lehre vorgesehenen Stoffmengenverhältnis.
- Unbeschadet der fehlenden Verletzung des Klagepatents könne sie, die Beklagte, sich aber auch auf ein Vorbenutzungsrecht berufen, welches sie von ihrerseits vorbenutzungsberechtigten Gesellschaften ableiten könne. Ein solches Vorbenutzungsrecht ergebe sich aus Folgendem:
- Auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 06.12.2011 (im Folgenden Joint-Venture-Vereinbarung oder kurz JVV; vorgelegt als Anlage ropB37) zwischen der I, Ltd. und der G J, Inc. (im Folgenden G J) sei es zum Zwecke der Entwicklung, der Herstellung, der Kommerzialisierung, des Vertriebs und des Verkaufs pharmazeutischer Biosimilars im Februar 2012 zur Gründung des Gemeinschaftsunternehmens H., Ltd. (im Folgenden: K) gekommen. K sei unter anderem mit der Entwicklung von und der Forschung zu einem Biosimilar von E (auch bezeichnet als „L“) befasst gewesen. Zur Umsetzung der JVV sei zwischen der K und der G M, Inc. (im Folgenden G M) am 29.02.2012 ein „Manufacturing Agreement“ (im Folgenden Herstellungsvereinbarung oder kurz MA; teilgeschwärzt vorgelegt als Anlage ropB8) geschlossen worden, das vorgesehen habe, dass G M die Herstellung von Biosimilar-Produkten für die klinische Anwendung und den kommerziellen Verkauf herstelle. Mitte Juni 2013 habe K Kenntnis von einer Zusammensetzung gehabt, wie sie der angegriffenen Ausführungsform entspreche. Am 13.12.2013 sei es zum Abschluss eines „Development and Comercialization Agreement“ (im Folgenden DCA; teilgeschwärzt vorgelegt als Anlage ropB11) zwischen der K und der G N Ltd. (im Folgenden G N) gekommen. Dieses habe eine Aufgabenteilung dahingehend vorgesehen, dass die K mit der Entwicklung der Zusammensetzungen und der Produkte befasst und die G N verpflichtet gewesen sei, die Zusammensetzungen und Produkte im Vertragsgebiet, unter anderem Deutschland, zu vermarkten. Am 07.05.2024 sei eine mit der angegriffenen Ausführungsform identische Zusammensetzung, hergestellt in den USA durch die G M, über Großbritannien nach Deutschland eingeführt worden. Die Zusammensetzung sei im Rahmen der am 09.05.2024 in Deutschland beginnenden, von der K veranlassten klinischen Phase I-Studie erstmalig einem Probanden verabreicht worden, bis zum Prioritätsdatum hätten 19 Probanden die Zusammensetzung erhalten.
- Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die K habe durch das Einführen und Verabreichen der mit der angegriffenen Ausführungsform identischen Zusammensetzung ein Vorbenutzungsrecht erworben, weil sie ihren Erfindungsbesitz durch Benutzung, jedenfalls aber durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Benutzung, betätigt habe. An diesen Benutzungshandlungen der K partizipierten die G O, die G M, die G N sowie die G P, Inc. (im Folgenden G P), bei der es sich um die Muttergesellschaft der namentlich genannten G-Gesellschaften handele. Denn die genannten Gesellschaften hätten allesamt bewusst und gewollt in der Absicht zusammengewirkt, die angegriffene Ausführungsform zu vermarkten. Da sie, die Beklagte, aufgrund des DCA zwischen der vorbenutzungsberechtigten K und der vorbenutzungsberechtigten G N zum deutschen Vertriebsunternehmen bestimmt worden sei, könne auch sie sich auf ein Vorbenutzungsrecht berufen.
- Mit Urteil vom 21.03.2024 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
- Das Klagepatent lege die Komponenten der geschützten Zusammensetzung abschließend fest. Dies bedeute, dass Komponenten, die im Anspruch keine Erwähnung fänden, keine Bestandteile der Zusammensetzungen sein könnten. Der Anspruchswortlaut unterscheide begrifflich zwischen einem „System“, das aus mehreren Stoffen, die miteinander wechselwirken, bestehen könne, und einem „Stabilisator“ sowie „einem Mittel zum Einstellen der Tonizität“, bei denen es sich jeweils um Einzelstoffe handele. Die Komponenten der geschützten Zusammensetzung würden über ihre jeweilige Stoffgruppe und ihre Funktion festgelegt, wobei die Klagepatentbeschreibung die jeweilige Funktion genauer definiere. Der Fachmann entnehme der Klagepatentbeschreibung bei einer Zusammenschau mit den Angaben der Molverhältnisse im Anspruchswortlaut, dass die Funktionen der anspruchsgemäßen Komponenten zu beachten seien und sich diese in manchen Komponenten überschneiden könnten. Dies gelte allerdings nur insoweit, wie es in der Klagepatentschrift ausdrücklich – wie für die osmolytischen Eigenschaften des Zuckerstabilisators – Erwähnung finde. Mit Blick auf das Mittel zum Einstellen der Tonizität lehre der Inhalt der Klagepatentbeschreibung den Fachmann, dass die tonifizierende Wirkung im Vordergrund stehe und insbesondere eine Pufferwirkung vermieden werden solle. Die Klagepatentschrift führe dem Fachmann weiter vor Augen, dass in der geschützten Zusammensetzung – ungeachtet einer tonifizierenden Wirkung von Bestandteilen, die einer anderen Funktion dienten – lediglich ein einzelnes Mittel zum Einstellen der Tonizität vorgesehen sei. Aminosäuren, insbesondere Histidin, fänden in der Klagepatentschrift als Mittel zum Einstellen der Tonizität keine Erwähnung. Als bevorzugt werde darin Natriumchlorid beschrieben. Ferner widme sich ein Teil der Klagepatentbeschreibung einer Ausführungsform, die entweder frei von Aminosäuren sei oder diese allenfalls in einer nur geringen Konzentration aufweise. In einer Zusammenschau werde der Fachmann daher Abstand davon nehmen, Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität zu wählen. Ihm sei bewusst, dass Histidin eine puffernde Wirkung entfalte. Angesichts dessen, dass anspruchsgemäß lediglich ein Mittel zum Einstellen der Tonizität vorgesehen sei, werde der Fachmann nicht ausgerechnet auf denjenigen Inhaltsstoff zurückgreifen, den das Klagepatent – wenn überhaupt – in einer nur sehr geringen Menge vorsehe und zudem aufgrund seiner Puffereigenschaften als für das Einstellen der Tonizität als nicht vielversprechend einstufe. Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses von der geschützten Lehre verfüge die angegriffene Ausführungsform über kein Mittel zum Einstellen der Tonizität. Selbst wenn man annehme, dass Histidin in der geschützten Zusammensetzung in einer geringen Konzentration enthalten sein könne, liege die Histidin-Konzentration in der angegriffenen Ausführungsform beinahe 600fach höher.
- Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.
- Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, die sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen wie folgt begründet:
- Das Landgericht lege das Klagepatent unzutreffend aus.
- Als Mittel zum Einstellen der Tonizität könne klagepatentgemäß auch Histidin verwendet werden. Denn das Mittel zum Einstellen der Tonizität werde durch seine Funktion charakterisiert, die das Klagepatent dahingehend definiere, dass das Mittel zur Osmolalität beitrage. Dies berücksichtigend seien alle Stoffe erfasst, die eben diese Funktion erfüllen könnten, was auf Histidin grundsätzlich zutreffe. Sofern das Landgericht gleichwohl Histidin aus dem Schutzbereich des Klagepatents ausnehme, messe es – rechtlich unzulässig – optionalen Aufzählungen oder Benennungen in der Beschreibung eine den weiteren Anspruchswortlaut beschränkende Wirkung bei. Ferner könne das Mittel zum Einstellen der Tonizität über den Beitrag zur Osmolalität hinaus eine andere Wirkung, etwa eine puffernde, entfalten. Sofern das Landgericht ein Überlappen der Funktionen lediglich im Hinblick auf die osmolytischen Eigenschaften des Zuckerstabilisators als vom Schutzbereich erfasst ansehe, lasse es unberücksichtigt, dass der Fachmann die geschützte Zusammensetzung als Gesamtsystem begreife, innerhalb dessen den einzelnen Komponenten in der Zusammensetzung auch mehrere Funktionen zukommen könnten. Für den Fachmann sei entscheidend, dass die für eine konkrete Zusammensetzung ausgewählten Stoffe in eben dieser Zusammensetzung diejenigen Funktionen und Anforderungen erfüllten, die der Wortsinn des Anspruchs an die einzelnen Komponenten stelle. Solange zusätzlich die erfinderischen Molverhältnisse eingehalten werden würden, würden die Vorteile der Erfindung erreicht. Ferner finde die Auffassung des Landgerichts, wonach es sich bei dem Mittel zum Einstellen der Tonizität (und auch dem Stabilisator) in Abgrenzung zu dem Citratpufferungssystem um Einzelstoffe handele, in der Beschreibung des Klagepatents keine Stütze. Vielmehr verstehe der Durchschnittsfachmann, dass jede Komponente – unabhängig davon, ob er das beanspruchte Citratpufferungssystem, der Zuckerstabilisator, das Mittel zum Einstellen der Tonizitiät, das Tensid oder gar Adalimumab betrachte – bei Lösung in Wasser unterschiedliche Formen (in Abhängigkeit zu unterschiedlichen Ionisierungs-/Protonierungszuständen und alternativen molekularen Konfigurationen) desselben Stoffs aufweisen könne. Sofern das Landgericht daraus, dass der Anspruchswortlaut die Bestandteile der geschützten Zusammensetzung abschließend nenne, folgere, dass im Anspruch nicht genannte Komponenten keine Bestandteile der Zusammensetzungen sein könnten, sei dies in der Allgemeinheit nicht richtig. Denn damit seien lediglich solche Stoffe als zusätzliche Komponenten ausgeschlossen, die den im Anspruch für die einzelnen Komponenten genannten Kategorien/Stoffklassen nicht unterfielen, was – wie ausgeführt – auf Histidin nicht zutreffe. Als unrichtig erweise sich die Auslegung des Landgerichts auch insoweit, wie die geschützte Zusammensetzung keine Aminosäuren enthalten könne, weil diese im Anspruch nicht genannt seien. Eine generische Komponente wie das Mittel zum Einstellen der Tonizität erfasse sämtliche konkrete Ausführungsformen und Zwischenverallgemeinerungen davon, soweit sie nicht ausdrücklich durch den Anspruchswortlaut ausgenommen seien.
- Auch mit Blick auf die in dem Patentanspruch neben dem Mittel zum Einstellen der Tonizität vorgesehenen Komponenten habe der Fachmann die geschützte Zusammensetzung als Gesamtsystem vor Augen und komme es ihm nicht auf eine Zusammensetzung von monofunktionalen Komponenten, die einander in keiner Weise beeinflussten, an. Bei der in der Klagepatentbeschreibung offenbarten besten anspruchsgemäßen Zusammensetzung liege der Beitrag des Zuckerstabilisators (Trehalose) zur Osmolalität deutlicher höher als der Beitrag des Mittels zum Einstellen der Tonizität (Natriumchlorid).
- In Folge der sich insoweit als unzutreffend erweisenden Auslegung gelange das Landgericht zu der unzutreffenden Beurteilung, dass der Bestandteil „Histidin“ in der angegriffenen Ausführungsform kein Mittel zum Einstellen der Tonizität sei. Histidin trage – insoweit zwischen den Parteien unstreitig – auch in der konkreten Zusammensetzung, die die angegriffene Ausführungsform aufweise, zur Osmolalität bei. Unerheblich sei, dass Histidin zusätzlich auch eine stabilisierende und eine puffernde Wirkung entfalte. Mit Blick auf die Pufferwirkung gelte dies umso mehr, als Histidin angesichts des pH-Werts der angegriffenen Ausführungsform von 5,2 einen verhältnismäßig geringen puffernden Effekt bewirke. Histidin scheide auch nicht deshalb als Mittel zum Einstellen der Tonizität aus, weil es eine Aminosäure sei. Denn die Verwendung von Aminosäuren als Mittel zum Einstellen der Tonizität werde nicht generell aus dem Schutzbereich des Klagepatents ausgeschlossen. Unschädlich sei ferner, dass Histidin in der angegriffenen Ausführungsform einerseits als deprotoniertes und andererseits als protoniertes Histidin (Histidin-Hydrochlorid) enthalten sei. Bei zutreffendem Verständnis von der Lehre des Klagepatents handele es sich dabei um eine einzelne Histidin-Komponente.
- Die angegriffene Ausführungsform weise ferner einen Zuckerstabilisator in Form von Sorbitol auf. Sorbitol habe auch in der konkreten Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform eine stabilisierende Eigenschaft. Dass es daneben auch eine puffernde Wirkung habe und Einfluss auf die Osmolalität nehme, schließe dessen Einordnung als klagepatentgemäßen Zuckerstabilisator nicht aus.
- Die Klägerin beantragt,
- das angefochtene Urteil abzuändern und zu erkennen, wie geschehen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Berufung zurückzuweisen.
- Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und tritt den Ausführungen der Klägerin unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt entgegen:
- Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass Aminosäuren nicht von dem Schutzbereich des Klagepatents erfasst seien. Dieses Verständnis stehe im Einklang mit der Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer in dem das Klagepatent betreffenden Einspruchsbeschwerdeverfahren. Der Auffassung der Technischen Beschwerdekammer, dass die in der PCT/IN2013/000XXX (im Folgenden D2, Anlage ropB24) offenbarte Formulierung mit der Aminosäure Arginin nicht anspruchsgemäß und infolgedessen nicht neuheitsschädlich sei (Anlage KM-BB2, Ziff. 3.2.5), liege eine Auslegung des Patentanspruchs zugrunde, wonach die Aminosäure Arginin kein Bestandteil der geschützten Zusammensetzung sein könne. Entsprechendes müsse für die Aminosäure Histidin gelten. Vergleichbar stelle es sich hinsichtlich der Wertung der Technischen Beschwerdekammer dar, dass sich die geschützte Lehre von dem Inhalt des Beipackzettels des Originalpräparats E® (im Folgenden D4; Anlage ropB27) dadurch abgrenze, dass die von dem Klagepatent beanspruchte Lehre kein Phosphatpufferungsmittel enthalte (Anlage KM-BB2, Ziff. 4.6.1). Angesichts der vergleichbaren Anspruchs- und Offenbarungssituation im Hinblick auf Phosphat und Aminosäuren sei auch diese Wertung übertragbar. Alle Beteiligten des Einspruchsbeschwerdeverfahrens seien sich zudem darin einig gewesen, dass ein Phosphatpufferungsmittel keinen im Patentanspruch genannten Bestandteil, insbesondere auch kein Mittel zum Einstellen der Tonizität, bilden könne. Ferner habe auch die Klägerin in dem das Klagepatent betreffenden Erteilungsverfahren unter „Mittel zum Einstellen der Tonizität“ ausschließlich das in der Klagepatentschrift bzw. den ursprünglichen Anmeldungen erwähnte Natriumchlorid verstanden (vgl. Anlage ropB34, S. 7, 1. Abs.). Schließlich ziehe der Fachmann auf der Grundlage seines allgemeinen Fachwissens Histidin nicht als Mittel zum Einstellen der Tonizität in Erwägung, wie die Erklärung von Prof. Sven R vom 19.03.2021 in dem das Klagepatent betreffenden dänischen Verfahren (im Folgenden Stellungnahme des Prof. R; Anlage KE7 Rn. 47; deutsche Übersetzung: Anlage KE7a) zeige. Die genannte Erklärung belege ferner, dass der Einsatz von Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität zu schädlichen Wechselwirkungen führe, die nach dem Klagepatent im Zuge der Verminderung der Komplexität vermieden werden sollten.
- Die Lehre des Klagepatents reduziere die Komplexität der Formulierung dadurch, dass multifunktionale Stoffe, wie z.B. Histidin, die sowohl als Puffer als auch als Stabilisator offenbart seien, ausgeschlossen seien. Überschneidungen in den Funktionen erwähne das Klagepatent ausdrücklich, wie zum Beispiel bei den osmolytischen Eigenschaften des Zuckerstabilisators. Für das Mittel zum Einstellen der Tonizität werde hingegen lediglich eine einzige Funktion offenbart, nämlich die Zusammensetzung isotonisch zu machen. Deshalb sehe die Klagepatentbeschreibung auch den Einsatz eines „tonicifier as such“ vor. In diesem Zusammenhang gehe auch das Landgericht zutreffend davon aus, dass klagepatentgemäß Wechselwirkungen zwischen mehreren Stoffen lediglich im Kontext des Citratpufferungssystems zulässig seien. Dies gelange in dem Anspruchswortlaut derart zum Ausdruck, dass ein „System“ eines Citratpuffers vorgesehen sei, während im Zusammenhang mit den übrigen Bestandteilen nicht von einem solchen die Rede sei. Daraus folge, dass eventuell unterschiedliche Zustände anderer Inhaltsstoffe aus Sicht des Klagepatents irrelevant seien. Mit der so durch den Anspruchswortlaut vorgegebenen Auswahl von Komponenten und Molverhältnissen solle der Fachmann von etwaigen Erwägungen hinsichtlich der „Anforderungen und Wechselwirkungen der einzelnen Komponenten“ entbunden werden.
- Hiervon ausgehend weise die angegriffene Ausführungsform kein Mittel zum Einstellen der Tonizität auf. Insbesondere sei ein solches nicht in dem Inhaltsstoff „Histidin“ zu sehen. Sofern die Klägerin das in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität qualifiziere, setze sie sich in Widerspruch zu ihrem Vortrag in dem das EP‘XXX betreffenden Verletzungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf sowie in dem dieses Schutzrecht betreffenden, in Dänemark anhängig gemachten einstweiligen Verfügungsverfahren. Denn in diesen Verfahren habe die Klägerin – unter Berücksichtigung des dort geltend gemachten Patentanspruchs – das in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Histidin als Puffersystem erachtet. Selbst wenn man Histidin als Bestandteil der geschützten Lehre zulasse, weise die angegriffene Ausführungsform dieses mit einer Konzentration von 59,2 mM in einer fast 600fach höheren Konzentration als nach der Klagepatentbeschreibung zulässig auf, was jedenfalls außerhalb des Schutzbereichs liege.
- Sehe man – wie die Klägerin – Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität an, seien auch die anderen Bestandteile einer klagepatentgemäßen Zusammensetzung als ein solches zu qualifizieren, so dass sie auch in das vom Anspruch vorgegebene Molverhältnis einzubeziehen seien. Dies führe bei der angegriffenen Ausführungsform zu einem außerhalb der geschützten Lehre liegenden Stoffmengenverhältnis der Mittel zum Einstellen der Tonizität von 597,9.
- Unbeschadet einer etwaigen Verletzung des Klagepatents stehe ihr, der Beklagten, aber auch – wie bereits erstinstanzlich geltend gemacht – ein Vorbenutzungsrecht zu.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
- II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Da auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, die Beklagte sich insbesondere nicht auf ein Vorbenutzungsrecht berufen kann, stehen der Klägerin gegen die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassen, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach zu, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 1, Abs. 3, 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 249, 250 BGB. - A.
- Das Klagepatent betrifft mit seinem Patentanspruch 1 eine flüssige pharmazeutische Zusammensetzung von Adalimumab (Abs. [0001] des Klagepatents; Absätze ohne Bezeichnung sind nachfolgend solche des Klagepatents).
- Die Klagepatentschrift beschreibt einleitend die Behandlung von mit Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α) zusammenhängenden Autoimmunerkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis, Psoriasis) mittels FDA-zugelassenen Arzneistoffen wie Adalimumab (E®, Q) als vorbekannt (Abs. [0002]). Adalimumab sei ein menschlicher monoklonaler Antikörper, der die Aktivität von menschlichem TNF-α hemme (Abs. [0002]). Dadurch werde die Aktivierung von TNF-Rezeptoren verhindert und mit Autoimmunerkrankungen einhergehende Entzündungsreaktionen herabreguliert (Abs. [0002]). Als medizinisch zugelassene Indikationen für Adalimumab nennt das Klagepatent rheumatoide Arthritis, Arthropathia psoriatica, Morbus Bechterew, Morbus Crohn, ulzerative Kolitis, mäßige bis schwere chronische Psoriasis und juvenile idiopathische Arthritis (Abs. [0002]).
- Ferner geht die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung näher auf die handelsübliche Formulierung (E®) von Adalimumab ein. Da Adalimumab typischerweise mittels einer subkutanen Injektion verabreicht werde, erfolge eine Bereitstellung in flüssiger Form, etwa in Fläschchen, vorbefüllten Spritzen oder vorbefüllten „Stiftgeräten“ (E®-Stift) (Abs. [0003]). Im Allgemeinen umfassten die Stiftgeräte eine vorbefüllte 1 mL-Glasspritze, die mit 0,8 mL einer sterien Formulierung von 40 mg Adalimumab befüllt sei, mit einer angebrachten Nadel und einer Nadelabdeckung (Abs. [0003]). Die handelsübliche Formulierung (E®) von Adalimumab enthalte die folgenden Bestandteile:
- .
- Die Klagepatentschrift erwähnt außerdem die WO 97/29XXX (BASF), in der Adalimumab und dessen Herstellungsverfahren als D2E7 beschrieben ist (Abs. [0004]).
- Die handelsübliche Formulierung von Adalimumab sei, so die Klagepatentschrift, zumindest in gewissem Ausmaß stabil (Abs. [0005]). Gleichwohl bestehe die Gefahr, dass der relevante Antikörper über längere Zeiträume oder bei belastenden Bedingungen instabil sei, so dass eine längere Lagerung der Formulierungen ausgeschlossen sei (Abs. [0005]). Ein Abbau der Formulierung sei auf verschiedene Faktoren zurückzuführen (Abs. [0005]). Als solche nennt die Klagepatentschrift insbesondere physikalische und chemische Effekte (Abs. [0005]), die entweder zu einem unbrauchbaren Arzneistoffprodukt (das für eine Verwendung in medizinischen Behandlungen unsicher sein könne) oder zu einem Arzneiproduktstoff führen könnten, dessen Brauchbarkeit nicht vorhersagbar sei, insbesondere im Hinblick auf die variablen Belastungen (Bewegung, Wärme, Licht), denen verschiedene Arzneistoffproduktchargen während der Herstellung, des Transports und der Lagerung ausgesetzt sein könnten (Abs. [0006]).
- Im Hinblick auf die physikalische und chemische Stabilisierung von Adalimumab kritisiert die Klagepatentschrift die handelsüblichen Formulierungen als unterhalb den Erwartungen liegend, wobei dies insbesondere im Hinblick auf die große Anzahl von Komponenten gelte (Abs. [0007]). In Anbetracht der sich aus der großen Komponentenanzahl ergebenden Verarbeitungs- und Kostenbelastung, von Toxizitätsrisiken und Risiken von schädlichen Wechselwirkungen zwischen Komponenten sei deren Verwendung zu hinterfragen (Abs. [0007]). Dies berücksichtigend qualifiziert die Klagepatentschrift auch eine solche alternative Formulierung als erstrebenswert, die zwar das Gesamtleistungsvermögen der handelsüblichen Formulierungen nicht übertrifft, die aber weniger Komponenten enthält (Abs. [0007]). Es sei gut bekannt, dass molekulare Veränderungen während jeder Stufe des Herstellungsverfahrens, einschließlich während der Herstellung der fertigen Formulierung und während der Lagerung, auftreten könnten (Abs. [0008]). In diesem Zusammenhang beschreibt es das Klagepatent als problematisch, dass molekulare Veränderungen die Qualitätseigenschaften eines biopharmazeutischen Produkts modifizierten, was zu einer unerwünschten Veränderung der Identität, der Wirkungsstärke oder der Reinheit des Produkts führe (Abs. [0008]).
- Ausgehend von dem so dargestellten Stand der Technik beschreibt es das Klagepatent als Aufgabe, eine pharmazeutische Zusammensetzung bereitzustellen, die die Stabilität eines biopharmazeutischen Proteins während aller Stufen von dessen Herstellung, Lagerung, Versand bzw. Transport und Verwendung unterstütze (Abs. [0009]). Dies sei für die Sicherheit, die klinische Wirksamkeit und den kommerziellen Erfolg eines innovativen biopharmazeutischen Proteins oder eines biologisch ähnlichen monoklonalen Antikörpers (mAb) essentiell (Abs. [0009]). Vorzugsweise löse eine neue Formulierung mindestens eines der vorstehend genannten Probleme und/oder mindestens ein Problem, das im Stand der Technik inhärent sei, lösen (Abs. [0010]). Vorzugsweise könne das Problem oder könnten die Probleme des Stands der Technik gelöst werden, während die Komplexität der Formulierung vermindert werde (Abs. [0010]).
- Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt der (einzige) Klagepatentanspruch eine pharmazeutische Zusammensetzung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Eine flüssige pharmazeutische Zusammensetzung.
- 2. Die Zusammensetzung besteht aus
- a) 50 mg/ml Adalimumab,
- b) einem Citratpufferungssystem,
- c) einem Zuckerstabilisator,
- d) einem Mittel zum Einstellen der Tonizität,
- e) einem Tensid und
- f) Wasser (für Injektionszwecke).
- 3. Adalimumab, Citratpufferungssystem, Zuckerstabilisator, Mittel zum Einstellen der Tonizität und Tensid liegen in einem Molverhältnis von 1:14-40:288-865:28-576:01.-3,2 vor.
- Zum Verständnis des Patentanspruchs sind im Hinblick auf den Streit der Parteien folgende Bemerkungen veranlasst:
- 1.
Anspruchsgemäß besteht die beanspruchte pharmazeutische Zusammensetzung aus den im Patentanspruch genannten sechs Bestandteilen. Dies ist aus fachlicher Sicht dahin zu verstehen, dass die erfindungsgemäße Zusammensetzung ausschließlich aus diesen Bestandteilen bestehen darf. Die Wendung „bestehend aus“ („consisting of“) deutet in Patentansprüchen, die chemische oder pharmazeutische Zusammensetzungen zum Gegenstand haben, in der Regel auf eine abschließende Aufzählung der in Bezug genommenen Bestandteile hin (vgl. BGH, GRUR 2011, 1109 Rn. 37 – Reifenabdichtmittel; GRUR 2015, 1091 Rn. 9 – Verdickerpolymer I; GRUR 2015, 1095 Rn. 37 – Bitdatenreduktion; EPA, Richtlinien für die Prüfung, Teil F Kap. IV Abschn. 4.20 [Stand: April 2025]). - Das gilt auch hier.
- Während in der Patentbeschreibung in diversen Stellen (vgl. z.B. Abs. [0011], [0048], [0054]) davon die Rede ist, dass die Zusammensetzung einen bestimmten Bestandteil oder bestimmte Bestandteile „umfasst“, heißt es im erteilten Patentanspruch ausdrücklich, dass die Zusammensetzung aus den im Anspruch genannten Bestandteilen „besteht“. Eben diese Wendung wird auch in Absatz [0140] der Patentbeschreibung verwendet, welcher sich auf die in Patentanspruch unter Schutz gestellte Zusammensetzung bezieht. Dafür, dass die erfindungsgemäße Zusammensetzung ausschließlich aus den im Anspruch genannten Bestandteilen bestehen darf, spricht außerdem, dass das Klagepatent die Komplexität der bekannten Formulierungen vermindern will, wobei es ihm namentlich um eine Reduzierung der Anzahl der Komponenten geht (vgl. Abs. [0007], [0010]). Die Verwendung weiterer Bestandteile würde die Anzahl der Bestandteile und damit die Komplexität der Zusammensetzung wieder erhöhen.
- 2.
Die neben dem Wirkstoff Adalimumab in der beanspruchten Zusammensetzung enthaltenen Hilfsstoffe werden im Patentanspruch nach ihrer Funktion (Citratpufferungssystem, Zuckerstabilisator, Mittel zum Einstellen der Tonizität, Tensid) und (teilweise) auch nach ihrer Stoffklasse (Citrat, Zucker) beschrieben. Was das erstgenannte Kriterium (Funktion) anbelangt, versteht der angesprochene Fachmann dies dahin, dass ein Stoff nicht schon dann einen anspruchsgemäßen Bestandteil darstellt, wenn er grundsätzlich geeignet ist, die dem im Patentanspruch genannten Bestandteil zugewiesene Funktion zu erfüllen. Der Stoff muss vielmehr die betreffende Funktion in der konkreten Zusammensetzung auch tatsächlich erfüllen. Denn ohne dass die wortlautgemäß bezeichneten Bestandteile die ihnen zugewiesene Funktion auch tatsächlich erfüllen, entsteht, entgegen dem von dem Klagepatent angestrebten Vorteil (Abs. [0010]), keine (vergleichbar) stabile Formulierung (vgl. auch Abs. [0049]). - 3.
Ein erfindungsgemäßer Bestandteil wird durch bzw. von einem (einzigen) Stoff gebildet. Ein Bestandteil kann sich damit nicht seinerseits aus mehreren (unterschiedlichen) Stoffen zusammensetzen, die erst zusammen die dem betreffenden Bestandteil klagpatentgemäß zugewiesene Funktion umsetzen. - Soweit der Patentanspruch von „einem“ Citratpufferungssystem, „einem“ Zuckerstabilisator, „einem“ Mittel zum Einstellen der Tonizität und „einem“ Tensid spricht, ist das Wort „einem“ jeweils nicht als unbestimmter Artikel, sondern als Zahlwort zu verstehen.
- Zwar heißt es in dem gem. Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischsprachigen Patentanspruch in Bezug auf die vorgenannten Bestandteile nicht „one“ oder „single …“, sondern „a“.
- Auch lässt die anspruchsgemäße Bezeichnung der einzelnen Bestandteile keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass ein patentgemäßer Bestandteil nur von einem (einzigen) Stoff gebildet wird. So ergibt sich weder aus dem Begriff „Zuckerstabilisator“ noch aus der Wendung „Mittel zum Einstellen der Tonizität“ („tonicifier“) noch aus dem Begriff „Tensid“, dass der jeweilige Bestandteil zwingend ein einziger Stoff ist. Zudem heißt es in der Patentbeschreibung beispielsweise in Bezug auf den Zuckerstabilisator, dass die flüssige pharmazeutische Zusammensetzung einen oder mehrere Zuckerstabilisatoren umfassen kann (Abs. [0066]) und dass der Zuckerbestandteil zweckmäßig ein Zuckerpolyol und/oder ein Disaccharid ist (Abs. [0066], [0034]). Ferner heißt es in Bezug auf das Mittel zum Einstellen der Tonizität, dass dieses zweckmäßig „aus der Gruppe, umfassend wasserlösliche Metallsalze (z.B. Natriumchlorid, Kaliumchlorid, Magnesiumchlorid, Calciumchlorid), wasserlösliche tonifizierende Zucker/Zuckeralkohole (z.B. Glukose, Saccharose, Mannit) und/oder andere wasserlösliche Polyole, ausgewählt“ wird (Abs. [0102]). Auch ist angegeben, dass die flüssige pharmazeutische Zusammensetzung „ein oder mehr Mittel zum Einstellen der Tonizität“ umfassen kann (Abs. [0103]).
- Aus dem Anspruchswortlaut ergeben sich auch insoweit keine zwingenden Rückschlüsse auf eine bestimmte Anzahl der die Bestandteile ausbildenden Stoffe, als im Patentanspruch für die einzelnen Bestandteile unterschiedliche Begrifflichkeiten Verwendung finden (Puffer„system“ / „Stabilisator“/ „Mittel“ zum Einstellen der Tonizität / „Tensid“). Insbesondere ergibt sich hieraus kein zwingender Hinweis darauf, dass ein (Citrat)-Puffersystem aus mehr als einem Stoff besteht, wohingegen es sich bei einem (Zucker-)Stabilisator, einem Mittel zum Einstellen der Tonizität und einem Tensid um Einzelstoffe handelt. Wie bereits ausgeführt, findet die Singular-Form „Zuckerstabilisator“ in der Patentbeschreibung auch dann Verwendung, wenn der Zuckerstabilisator ein Zuckerpolyol und ein Disaccarid ist (Abs. [0067]). Ebenso spricht das Klagepatent in seiner Beschreibung in der Singular-Form von einem Mittel zum Einstellen der Tonizität („tonicifier“) auch dann, wenn dieses von mehreren aus einer Gruppe ausgewählter Stoffe gebildet wird (Abs. [0102]). Obgleich der Patentanspruch in Bezug auf das Citratpufferungssystem von einem „System“ spricht, kann es sich bei dem Pufferungssystem nach der in Absatz [0022] der Klagepatentschrift enthaltenen Legaldefinition auch lediglich um einen Stoff handeln, nämlich um ein Puffermittel (= Säure- oder Basenkomponente) oder ein Säure/Base-Konjugat davon. Denn danach umfasst ein Puffersystem „ein oder mehr Puffermittel und/oder (ein) Säure/Base-Konjugat(e) davon“ (dazu nachfolgend unter Ziff. 4.).
- Aus alledem folgert der Fachmann aber nicht, dass ein anspruchsgemäßer Bestandteil auch aus zwei unterschiedlichen Stoffen bestehen kann. Denn die vom Klagepatent angestrebte Verminderung der Komplexität der Zusammensetzung geht mit einer Beschränkung der in der Zusammensetzung enthaltenen Stoffe einher, die durch die Vorgabe „bestehen aus“ im Patentanspruch gerade herbeigeführt werden soll. Die Anzahl der Stoffe erhöht sich aber auch dann, wenn diese zwar unter dem „Dach“ einer bestimmten Funktion zusammengefasst werden, diese aber voneinander zu unterscheidende Stoffe darstellen.
- Dem steht nicht entgegen, dass sich in der Patentbeschreibung – wie bereits erwähnt – Textstellen finden, nach der ein Bestandteile der Zusammensetzung mehrere Stoffe umfassen kann (vgl. etwa für das Puffersystem: Abs. [0022]; für den Stabilisator: Abs. [0032], Abs. [0066] und [0067]; für das Mittel zum Einstellen der Tonizität: Abs. [0103]). Denn der Fachmann erkennt, dass die Klagepatentbeschreibung von Beispielen bzw. Ausführungsformen durchzogen ist, die nicht unter den erteilten Patentanspruch 1 fallen (so etwa im Hinblick auf solche Puffersysteme, deren Stoffe keine Citrat-Struktur aufweisen, Abs. [0021], oder im Hinblick auf Stabilisatoren, die keine Zucker-Stabilisatoren sind, Abs. [0032]). Er nähert sich der Auslegung des Patentanspruchs bzw. der Bestimmung des Schutzbereichs deshalb nicht mit der Erwartung, dass der Anspruchswortlaut alle in der Klagepatentbeschreibung offenbarten Ausführungsformen erfasst. Er identifiziert die ihm in der Patentschrift offenbarten Ausführungsformen vielmehr als außerhalb des Schutzbereichs liegend, wenn ihm der Anspruchswortlaut und die gebotene funktionsorientierte Betrachtung dafür – wie hier aus den dargelegten Gründen – einen Anlass geben.
- 4.
Mit der Beschränkung auf einen (einzigen) Stoff als Bestandteil der Zusammensetzung ist indes keine Beschränkung auf eine bestimmte Form (z.B. unterschiedliche Ionisierungs-/Protonierungszustände oder alternative molekulare Konfigurationen) verbunden, in der der Stoff in der Zusammensetzung vorliegt. - Das Klagepatent strebt zwar – wie ausgeführt – die Reduzierung der Komplexität der Formulierung im Hinblick darauf an, dass eine Vielzahl von Komponenten die Gefahr von Toxizitätsrisiken und schädlichen Wechselwirkungen zwischen den Komponenten erhöht (Abs. [0007]). Vor diesem Hintergrund ist die Beschränkung auf einen einzelnen Stoff je Bestandteil geboten. Es ist indes nicht ersichtlich, dass unterschiedliche Formen eines Stoffes zu einer Erhöhung solcher Risiken führen. Der Klagepatentbeschreibung lässt sich in dieser Hinsicht nichts entnehmen. Sie enthält vielmehr – wenn auch in anderem technischen Zusammenhang – Hinweise auf unterschiedliche Formen eines Stoffes und beschreibt, dass es jedenfalls mit Blick auf die in Bezug genommenen technischen Zusammenhänge insoweit keiner Differenzierung bedarf (Abs. [0027], [0035]).
- Dass der Patentanspruch einerseits von einem „Citratpufferungssystem“ (nachfolgend auch: „Puffersystem“) und andererseits von einem „Zuckerstabilisator“, einem „Mittel zum Einstellen der Tonizität“ („tonicifier“) und einem „Tensid“ spricht, rechtfertigt hinsichtlich der letztgenannten drei Bestandteile der beanspruchten Zusammensetzung keine andere Beurteilung. Zwar fällt – wie sich aus der in der Klagepatentbeschreibung enthaltenen Definition des Begriffs „Puffersystem“ (Abs. [0022]) und den weiteren Erläuterungen (Abs. [0022] ff., [0054] ff.), insbesondere denjenigen des Begriffs „Citratpuffersystem“ (Abs. [0057]), [0035]) ergibt – unter den Begriff „Puffersystem“ die Mischung aus einer Säure- oder Basenkomponente einerseits und deren Säure/Base-Konjugat andererseits. Solches findet in den in der Patentbeschreibung enthaltenen Definitionen der Begriffe „Zuckerstabilisator“, „Mittel zum Einstellen der Tonizität“ oder „Tensid“ hingegen keine ausdrückliche Erwähnung. Daraus wird der Fachmann aber nicht folgern, dass eine Mischung unterschiedlicher Formen eines (einzigen) Stoffes bei einem klagepatentgemäßen Stabilisator, einem klagepatentgemäßen Tonifizierungsmittel und/oder einem klagepatentgemäßen Tensid nicht vorliegen darf. Dafür, dass das Klagepatent mit den unterschiedlichen Begrifflichkeiten im Patentanspruch eine derartige Abgrenzung zwischen dem Citratpuffersystem einerseits und den übrigen Bestandteilen der beanspruchten Zusammensetzung andererseits anstrebt, lässt sich der Klagepatentbeschreibung nämlich nichts entnehmen.
- Wie die Klägerin überzeugend dargetan hat, ist dem Fachmann außerdem aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bewusst, dass prinzipiell jede Komponente bei Lösung in Wasser unterschiedliche Formen desselben Stoffes aufweisen kann. So manifestiert sich z.B. selbst Adalimumab in wässriger Lösung in mehreren unterschiedlichen Formen, da die verschiedenen Aminosäuren ständig zwischen unterschiedlichen Ionisierungs-/Protonierungszuständen wechseln. Zitronensäure und Natriumcitrat sind Formen von „Citrat“, die bei Lösung in Wasser mehrere unterschiedliche Formen (d.h. Protonierungszustände) des Citrats aufweisen. Das Gleichgewicht zwischen beiden hängt hierbei vom pH-Wert ab. Die möglichen Zuckerstabilisatoren Maltose und Laktose weisen unterschiedliche Formen in wässriger Lösung auf. Gebräuchliche Metallsalze, die als Mittel zum Einstellen der Tonizität verwendet werden können, wie z.B. Natriumacetat, Natriumglutamat, Natriumaspartat, weisen mehrere Protonierungszustände auf, wenn sie in Wasser gelöst sind. Ferner gibt es ionische Tenside, die bei Lösung in Wasser in mehreren unterschiedlichen Protonierungszuständen/-formen vorkommen. Den entsprechenden Erläuterungen der Klägerin ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
- 5.
Die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte technische Lehre schließt nicht aus, dass ein Stoff, der einen klagepatentgemäßen Bestandteil bildet, zusätzlich auch eine weitere Wirkung entfaltet bzw. einen weiteren Effekt bewirkt, wie sie/er der einem anderen Bestandteil der Zusammensetzung zugewiesenen Funktion entspricht. Erforderlich ist „lediglich“, dass der Stoff für sich (alleine) betrachtet, die dem betreffenden Bestandteil zugedachte Funktion erfüllt. Dass dieser Stoff daneben (zusätzlich) auch eine Wirkung entfaltet, die der klagepatentgemäßen Funktion eines anderen Bestandteils der Zusammensetzung zugeordnet werden kann, ist unschädlich. Das bedeutet, dass ein Stoff, der die einem bestimmten Bestandteil der Zusammensetzung zugewiesene Funktion umsetzt, auch eine Wirkung entfalten kann, wie sie der einem anderen Bestandteil der Zusammensetzung zugewiesenen Funktion entspricht. - a)
Dem Anspruchswortlaut lässt sich nicht entnehmen, dass es sich bei den im Patentanspruch genannten Bestandteilen zwingend um monofunktionale Komponenten handelt, d.h. um Bestandteile, die nur eine Funktion erfüllen können und auch erfüllen dürfen. - Ein Stoff, der ohnehin als ein Bestandteil in der Zusammensetzung enthalten ist, erhöht die Gesamtanzahl aller in der Zusammensetzung enthaltener Stoffe nicht, wenn er nicht nur diejenige Funktion erfüllt, die dem Bestandteil, den er bildet, zugewiesen ist, sondern er darüber hinaus auch einen Effekt im Hinblick auf eine einem anderen Bestandteil der Zusammensetzung nach der Lehre des Klagepatents zugewiesene Funktion bewirkt. Auch ist nicht erkennbar, dass die im Hinblick auf einen Bestandteil angestrebte Wirkung dadurch beeinträchtigt wird, dass der Stoff (zusätzlich) auch einen anderen Effekt hat.
- Gestützt wird dieses Verständnis durch die Klagepatentbeschreibung, aus der sich ergibt, dass ein Stoff im Hinblick auf mehrere Funktionen, die anspruchsgemäß unterschiedlichen Bestandteilen zugewiesen sind, eine Wirkung entfalten kann. So wird z.B. in der Patentbeschreibung darauf hingewiesen, dass Bestandteile, die eine andere Funktion als das Mittel zum Einstellen der Tonizität ausüben, Tonizitätseffekte bewirken können (Abs. [0103]: „…trotz jedweder Tonizitätseffekte, die der Zusammensetzung durch Komponenten verliehen werden, die eine andere hier festgelegte Funktion ausüben sollen“). Außerdem benennt die Klagepatentbeschreibung Saccharose und Mannit einerseits als Mittel zum Einstellen der Tonizitiät, nämlich als wasserlösliche tonifizierende Zuckeralkohole (Abs. [0102]), und führt andererseits eben diese Zuckeralkohole als Beispiele für einen Zuckerstabilisator an (Abs. [0068]). Des Weiteren wird die Aminosäure Histidin in der Klagepatentbeschreibung einerseits als Puffer (Abs. [0021]) und andererseits als Stabilisator (Abs. [0032]) angeführt. Schließlich ist in Bezug auf das Mittel zum Einstellen der Tonizitität im Beschreibungsteil angegeben, dass dieses „zweckmäßig“, d.h. nur bevorzugt keine puffernde Wirkung hat (Abs. [0102]), woraus folgt, dass ein Mittel zum Einstellen der Tonizität durchaus auch eine puffernde Wirkung haben kann.
- Dafür, dass eine „Überschneidung der Funktionen“ nach der Lehre des Klagepatents nur dort zulässig ist, wo die Klagepatentbeschreibung dies ausdrücklich im Hinblick auf einen bestimmten Bestandteil (und nicht nur in allgemeiner Form) erwähnt – das Landgericht hat hier auf die Beschreibung der osmolytischen Eigenschaften des Zuckerstabilisators (Abs. [0032]) Bezug genommen – sind der Klagepatentbeschreibung keine Hinweise zu entnehmen.
- Anderes ergibt auch eine systematische Betrachtung mit Merkmal 3 nicht. Die Berechnung der darin vorgegebenen Molverhältnisse beruht auf der Zuordnung der Positionen in den Merkmalen 2 a) bis 2 e). Die Molverhältnisse in Merkmal 3 sind also aufgrund der durch die Positionen vorgenommenen Einordnung zu betrachten, weshalb insoweit irrelevant ist, ob der jeweilige Bestandteil gemäß den Merkmalen 2 a) bis 2 f) ggf. weitere Funktionen, wie sie anderen Bestandteilen zugewiesen sind, erfüllt. Allein auf die Positionen in den Merkmalen 2 a) bis 2 e) kann sich auch die Berechnung der Molverhältnisse in Merkmal 3 beziehen, was schon die Entsprechung der Begrifflichkeiten (Adalimumab, Citratpufferungssystem, Zuckerstabilisator, Mittel zum Einstellen der Tonizität und Tensid) verdeutlicht. So findet es auch in der Klagepatentschrift einen Ausdruck, die zwischen einem Mittel zum Einstellen der Tonizität einerseits und Komponenten mit einem Tonizitätseffekt andererseits differenziert (Abs. [0103]). Es werden mithin gerade nicht sämtliche Stoffe mit einer tonifizierenden Wirkung als Mittel zum Einstellen der Tonizität qualifiziert, weshalb auch nicht die Stoffmengen all‘ dieser Stoffe in die Berechnung des nach Merkmal 3 maßgeblichen Stoffmengenverhältnisses einfließen. Heranzuziehen ist vielmehr lediglich die Stoffmenge desjenigen Stoffes, der als „Mittel zum Einstellen der Tonizität“ fungiert.
- b)
Ausgehend von dem dargelegten Verständnis könnte grundsätzlich die Frage aufgeworfen sein, wie der Fachmann unter mehreren Stoffen, die allesamt eine Wirkung im Hinblick auf die einem bestimmten Bestandteil zugewiesene Funktion entfalten, denjenigen Stoff ausmacht, der als eben dieser Bestandteil der Zusammensetzung zu qualifizieren ist, obwohl weitere Stoffe mit einer der Funktion des Bestandteils entsprechenden Wirkung vorhanden sind. Ein solches Abgrenzungsbedürfnis stellt sich indes im Zusammenhang mit der geschützten Lehre nicht. Zum Erreichen des angestrebten Erfolgs, eine mindestens vergleichbar stabile Zusammensetzung (bei geringerer Komponentenanzahl) zu schaffen, ist erforderlich aber auch ausreichend, dass ein Stoff mit einer bestimmten technischen Wirkung in dem für den Bestandteil mit dieser Wirkung vorgegebenen Stoffmengenbereich in der Zusammensetzung enthalten ist. Lässt sich mithin ein Stoff mit einer puffernden / stabilisierenden / tonifizierenden Wirkung in einer Stoffmenge identifizieren, die für das Puffersystem / den Stabilisator / das Mittel zum Einstellen der Tonizität vorgegeben ist, handelt es sich dabei um den Bestandteil der Zusammensetzung, der anhand der puffernden / stabilisierenden / tonifizierenden Funktion beschrieben ist. Dass daneben ein weiterer Stoff vorliegt, der ebenfalls einen diesem Bestandteil zuordbaren technischen Effekt erfüllt, ist unerheblich, sofern eben dieser Stoff zusätzlich eine Wirkung entfaltet, die einen anderen Bestandteil der Zusammensetzung kennzeichnet, und der Stoff in der konkreten Zusammensetzung innerhalb des Stoffmengenbereichs enthalten ist, der für eben diesen anderen Bestandteil im Patentanspruch festgelegt ist. - Dieses Verständnis wird durch die Klagepatentbeschreibung gestützt, aus der hervorgeht, dass das Erzielen der Vorteile der Erfindung davon abhängt, dass die einzelnen Bestandteile in einem ausgewogenen (relativen, in vernünftiger Weise auf einander abgestimmten) Verhältnis zueinander in der Zusammensetzung enthalten sind (Abs. [0045] a. E., [0121], [0282]).
- Gegen ein Abgrenzungsbedürfnis spricht auch, dass die Klagepatentschrift kein Abgrenzungskriterium offenbart und ein taugliches Abgrenzungskriterium auch im Übrigen nicht erkennbar ist.
- Sofern bei der Beklagten anklingt, als Abgrenzungskriterium tauge, was der Fachmann zum Erzielen der jeweiligen Funktion (also mit der Absicht, diese zu erfüllen) einsetze, handelt es sich dabei um kein taugliches Kriterium. Denn bei dieser Betrachtungsweise wird auf eine subjektive Komponente abgestellt. Taugliches Abgrenzungskriterium aber kann nur ein objektives Kriterium sein.
- Als ein solches Kriterium kommt grundsätzlich die Anknüpfung an denjenigen Stoff in Betracht, der im Hinblick auf eine im Patentanspruch bezeichnete Funktion objektiv die stärkere Wirkung erzielt. Von diesem Ansatz scheint auch Prof. R auszugehen, wenn er in seiner vorliegenden Stellungnahme aus dem dänischen Verfahren die Auffassung vertritt, dass die Hauptfunktion von Histidin in der angegriffenen Ausführungsform die eines Stabilisators sei, wobei es aber eindeutig auch als Puffer (neben dem Citrat) wirke (Anlage KE7/ KE7a, Rn. 35, 47) Unbeschadet dessen, ob ein solcher Stoff stets ausgemacht werden kann oder Zusammensetzungen denkbar sind, bei denen mehrere Stoffe im Hinblick auf die Funktion eines Bestandteils eine vergleichbare Wirkung haben, erweist sich die Wirkungsstärke aber jedenfalls mit Blick auf das Mittel zum Einstellen der Tonizität als zur Abgrenzung ungeeignet. Denn bei dem Ausführungsbeispiel gemäß Absatz [0282] der Klagepatentschrift trägt der Zuckerstabilisator Trehalosedihydrat unstreitig in wesentlich größerem Umfang zur Osmolalität bei als das eigentliche Mittel zum Einstellen der Tonizität, welches bei diesem Ausführungsbeispiel von dem Natriumchlorid gebildet wird. Sofern die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf verweist, dass das Mittel zum Einstellen der Tonizität dadurch gekennzeichnet sei, dass es in der geschützten Zusammensetzung im Hinblick auf die Funktionen, die anderen Bestandteilen zugewiesenen sind, eine möglichst geringe Wirkung entfalte (so auch Prof. Dr. R in seiner Stellungnahme in dem dänischen Verfahren, Anlage KE7 / KE7a, Rn. 38), lässt sich auch ein solches Kriterium im Kontext der geschützten Lehre nicht ausmachen. Dagegen spricht, dass die Klagepatentschrift eine Ausführungsform, bei der das Mittel zum Einstellen der Tonizität eine nur geringe oder keine puffernde Wirkung hat, lediglich als bevorzugt beschreibt (Abs. [0102]) und beispielhaft für ein Tonizitätsmittel solche Stoffe nennt, die auch als Stabilisator in Betracht kommen (dazu bereits zuvor unter lit. a)). Entsprechendes gilt für das Argument, Mittel zum Einstellen der Tonizität seien lediglich solche Stoffe, die eine Erhöhung der Osmolalität der Zusammensetzung in der Form bewirkten, dass die Zusammensetzung mit Körperfluid isotonisch werde (vgl. auch insoweit Prof. Dr. R in seiner Stellungnahme in dem dänischen Verfahren, Anlage KE7 / KE7a, Rn. 38, 44). Das Mittel zum Einstellen der Tonizität wirkt klagepatentgemäß auf die Osmolaliät ein, hinsichtlich des Umfangs, in dem das Tonizitätsmittel eine Veränderung der Osmolalität bewirkt, ist der geschützten Lehre keine beschränkende Vorgabe zu entnehmen (vgl. dazu auch nachfolgend unter Ziff. 6, c), aa)).
- 6.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt für die einzelnen Bestandteile: - a)
Bei einem „Citratpufferungssystem“ handelt es sich um einen (verstanden als Zahlwort) Citrat-Stoff, der einen Beitrag dazu leistet, dass der pH-Wert der Zusammensetzung bei einem vorgegebenen oder in der Nähe eines vorgegebenen Wertes verbleibt. Eine Beschränkung auf solche Stoffe, die ausschließlich eine Pufferfunktion erfüllen und im Übrigen keine Wirkung entfalten, wie die anderen Bestandteile der unter Schutz gestellten Zusammensetzung, ergibt sich aus Patentanspruch 1 nicht. Ferner ist unschädlich, ob in der Zusammensetzung auch andere klagepatentgemäße Bestandteile eine puffernde Wirkung entfalten. Entscheidend ist, dass das als Pufferungssystem fungierende Citrat allein einen (technisch relevanten) Beitrag zum Aufrechterhalten des pH-Werts leistet. Nicht patentgemäß sind solche Stoffe mit einer Citratstruktur, die erst zusammen mit einem anderen klagepatentgemäßen Bestandteil überhaupt auf den pH-Wert (im Sinne einer Aufrechterhaltung) Einfluss nehmen. - aa)
Das Verständnis von einem klagepatentgemäßen Citratpufferungssystem ist durch die in der Patentschrift enthaltene Begriffsbestimmung festgelegt, hinter der etwaige Definitionen aus Fachbüchern oder ein sich aus dem allgemeinen Wissen des Fachmannes ergebendes Verständnis zurücktreten (vgl. allg. BGH, GRUR 2016, 361 Rn. 14 – Fugenband; GRUR 2021, 942 Rn. 22 – Anhängerkupplung II; Senat, Urt. v. 14.11.2024 – 2 U 17/24, GRUR-RS 2024, 33121 Rn. 93 – Spenderteil). - Der Begriff „Puffersystem“ ist in Absatz [0022] definiert. Dieser Absatz befindet sich in einem mit „Definitionen“ überschriebenen Teil der allgemeinen Patentbeschreibung, der mit dem Hinweis eingeleitet wird, dass die in der Beschreibung und den Ansprüchen enthaltenen Begriffe bzw. Ausdrücke die in dem Definitionsteil wiedergegebene Bedeutung haben, falls nichts anderes angegeben ist (Abs. [0017]). Nach der in Absatz [0022] enthaltenen Definition des Begriffs „Puffersystem“ umfasst ein solches ein oder mehr Puffermittel und/oder (ein) Säure/Base Konjugat(e) davon. Der Begriff „Puffermittel“ wird seinerseits in dem nachfolgenden Absatz [0023] erläutert. Ein Puffermittel ist danach eine Säure- oder Basen-Komponente (üblicherweise eine schwache Säure oder eine schwache Base) eines Puffers oder einer Pufferlösung, die beim Aufrechterhalten des pH-Wertes einer gegebenen Lösung bei einem vorgegebenen Wert oder in der Nähe eines vorgegebenen Wertes unterstützt. Ausgehend von diesen Begriffsbestimmungen liegt ein Puffersystem nicht nur dann vor, wenn das Puffermittel in einer Kombination mit einem Säure/Base-Konjugat vorliegt, sondern bereits dann, wenn entweder das Puffermittel oder ein Säure/Base-Konjugat vorhanden ist. In Übereinstimmung hiermit beschreibt auch die Klagepatentbeschreibung die Kombination eines Puffermittels mit einem Säure/Base-Konjugat als Puffersystem lediglich als bevorzugt (Abs. [0054]).
- Dass für ein „Citratpuffersystem“, wie es vom erteilten Patentanspruch 1 vorausgesetzt wird, etwas anderes gilt, lässt sich der Patentbeschreibung nicht entnehmen. Ein Citrat-Puffermittel“ ist nach den Erläuterungen in der Klagepatentbeschreibung zweckmäßig ein Citratsalz, beispielsweise Natriumcitrat (Abs. [0023], [0024]; vgl. ferner Abs. [0055], [0057]), das zweckmäßig mit dessen Säure/Base-Konjugat, Zitronensäure (Abs. [0023], [0024]; vgl. ferner Abs. [0055], [0057]), gemischt ist (Abs. [0023]). Ein solches (Citrat-)„Puffersystem“ kann z.B. durch einfaches Mischen einer gegebenen Menge von Natriumzitrat mit einer gegebenen Menge von Zitronensäure gebildet werden (Abs. [0023]). Dass ein Citratpuffersystem abweichend von der allgemeinen Definition des Begriffs „Puffermittel“ nur dann vorliegt, wenn das Citratpuffermittel in einer Kombination mit einem Säure/Base-Konjugat des Citratpuffermittels vorliegt, lässt sich dem nicht entnehmen. Zwar finden sich in der Patentbeschreibung auch Textstellen, die nahelegen könnten, dass ein „System“ gerade die Kombination eines Puffermittels und eines (entsprechenden) Säure/Base-Konjugats ist (vgl. z.B. Abs. [0054], Z. 28: dort wird ein Puffermittel einem Puffersystem als Alternative gegenübergestellt; Abs. [0054]: „Das Puffermittel und dessen Säure/Base Konjugat können zusammen als ein „Puffersystem“ betrachtet werden; Abs. [0056], Z. 18f. und Abs. [0061], Z. 24, wo es heißt, ein Citratpuffersystem „umfasse“ ein „Citratpuffermittel“). Dass durch diese Textstellen die unter dem Beschreibungsteil „Definitionen“ wiedergegebene Begriffsbestimmung modifiziert werden soll, lässt sich der Klagepatentschrift allerdings nicht entnehmen, weshalb der Fachmann dies nicht annehmen wird.
- bb)
Der in der allgemeinen Patentbeschreibung erläuterte Begriff des „Puffersystems“ erfährt im Lichte des Anspruchswortlauts („Citrat“) indes insoweit eine Modifikation (vgl. den den Definitionsteil einleitenden Abschnitt [0017]: „falls nicht anders angegeben“), als nach dem erteilten Patentanspruch 1 nicht jedwede Säure- oder Basekomponente bzw. jedwedes Säure/Base-Konjugat ein klagepatentgemäßes Puffersystem darstellt, sondern lediglich solche Säure- oder Basekomponenten bzw. solche Säure/Base-Konjugate, die eine Citrat-Struktur aufweisen. Damit fallen insbesondere Aminosäuren, wie z.B. Histidin, nicht unter den Begriff bzw. das Teil-Merkmal „Citratpufferungssystem“, obgleich diese als Puffer in der Klagepatentbeschreibung ausdrücklich Erwähnung finden (Abs. [0021]). - cc)
Eine weitere Modifikation liegt darin, dass lediglich ein (einziger) Stoff mit einer Citrat-Struktur ein klagepatentgemäßes „Citratpufferungssystem“ ausbilden kann. Die Beschränkung auf einen Stoff behält ihre Gültigkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass ein Citratpufferungssystem definitionsgemäß (und sogar bevorzugt) aus einem Citrat-Puffermittel und einem Säure Base/Konjugat bestehen kann (Abs. [0023], [0024]; [0055], [0057]). Denn dies schließt nicht aus, dass das Citratpufferungssystem aus einem Stoff im Sinne der Lehre des Klagepatents besteht. Mit Blick auf eine Kombination aus einem Citrat-Puffermittel und einem Säure/Base-Konjugat bedeutet dies, dass das dem Citrat-Puffermittel entsprechende Säure/Base-Konjugat – und nicht das Säure Base/Konjugat eines anderen Puffermittels – Verwendung findet. So wird – wie bereits ausgeführt – in der Klagepatentbeschreibung beispielhaft als Citratpufferungssystem die Kombination des Citratpuffermittels „Citratsalz“ und dessen Säure/Base-Konjugat, Zitronensäure, offenbart. Weitere Abweichungen von der allgemeinen Definition eines Puffersystems ergeben sich nicht. - dd)
Das klagepatentgemäße Citratpufferungssystem ist nicht auf einen Stoff beschränkt, der ausschließlich einen puffernden Effekt erzielt und im Übrigen keine einem anderen Bestandteil zugeteilte Wirkung entfaltet. Auch ist nicht ausgeschlossen, dass andere Bestandteile der geschützten Zusammensetzung ihrerseits einen Puffereffekt haben. Aus dem Schutzbereich des Klagepatentanspruchs sind indes solche Stoffe ausgenommen, die erst zusammen mit einem anderen Stoff (der als ein anderer klagepatentgemäßer Bestandteil zu qualifizieren ist) überhaupt in technisch relevantem Umfang auf den pH-Wert Einfluss nehmen. - Die vorherigen allgemeinen Ausführungen zur Multifunktionalität eines Stoffes (unter Ziff. 5.) gelten auch bei Berücksichtigung der konkreten Funktion, die dem Pufferungssystem zugewiesen ist, weshalb im Wesentlichen darauf Bezug genommen wird. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Funktion des Pufferungssystems, bei der Aufrechterhaltung eines vorgegebenen pH-Wertes (oder in der Nähe eines vorgegebenen pH-Wertes) zu unterstützen, dadurch beeinträchtigt wird, dass der als Citratpufferungssystem zu qualifizierende Stoff zusätzlich einen Effekt erzielt, der die Funktion eines anderen Bestandteils kennzeichnet. Umgekehrt wird auch der puffernde Effekt des Pufferungssystems nicht dadurch nachteilig berührt, dass ein anderer Stoff seinerseits eine Pufferwirkung hat. Das gilt umso mehr als das klagepatentgemäße Citratpufferungssystem zwar einen Beitrag zur Aufrechterhaltung des pH-Werts leistet, die Aufrechterhaltung aber allein nicht zwingend bewirkt. Dies lässt gerade Raum für eine weitergehende Einwirkung auf den pH-Wert durch einen Stoff, der – weil er die einem anderen klagepatentgemäßen Bestandteil zugewiesene Funktion übernimmt – ohnehin in der Zusammensetzung enthalten ist.
- b)
Ein „Zuckerstabilisator“ ist ein (einziger) Stoff aus der Zuckerklasse, der das Aufrechterhalten der strukturellen Integrität des biopharmazeutischen Arzneistoffs erleichtert, d.h. der einen Beitrag dazu leistet, die Molekülstruktur des Adalimumab-Wirkstoffs zu erhalten. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Zuckerstabilisator auch eine Wirkung im Hinblick auf die Funktion eines anderen Bestandteils der unter Schutz gestellten Zusammensetzung entfaltet oder ein anderer im Patentanspruch genannter Bestandteil der Zusammensetzung seinerseits einen stabilisierenden Effekt bewirkt. Entscheidend ist, dass der als Zuckerstabilisator fungierende Stoff einen (technisch relevanten) Beitrag zum Aufrechterhalten der Molekülstruktur des Adalimumab-Wirkstoffs leistet. Nicht patentgemäß sind solche Stoffe, die erst zusammen mit einem anderen klagepatentgemäßen Bestandteil überhaupt zur Aufrechterhaltung der strukturellen Integrität des Adalimumab-Wirkstoffs beitragen. - aa)
In Entsprechung zu dem Verständnis von einem klagepatentgemäßen Citratpufferungssystem legt die Patentschrift auch den Begriff des „Stabilisators“ fest und definiert diesen als eine Komponente, die das Aufrechterhalten der strukturellen Integrität des biopharmazeutischen Arzneistoffs erleichtert (Abs. [0032]; ferner auch in Abs. [0065]). - Die Begriffsbestimmung aus dem allgemeinen Teil der Patentschrift erfährt eine Modifikation einerseits dadurch, dass „lediglich“ ein einziger Stoff den Stabilisator bildet und andererseits ausschließlich Stoffe mit einer Zucker-Struktur erfasst sind, weshalb insbesondere Aminosäuren wie Histidin, mit denen sich grundsätzlich ein stabilisierender Effekt erzielen lässt (vgl. Abs. [0032]), im Kontext der geschützten Lehre als Stabilisatoren ausgeschlossen sind.
- bb)
Mit der strukturellen Integrität des biopharmazeutischen Arzneistoffs (vgl. Abs. [0032]) ist die Molekülstruktur des Adalimumab-Wirkstoffs in Bezug genommen, deren Veränderung, z.B. durch Aggregation, Proteinfragmentierung oder Proteinentfaltung (Abs. [0005]), zur Instabilität des Arzneistoffs führt (Abs. [0005], [0008]f., [0064], [0078], [0109], [0120]). Dies berücksichtigend leistet ein Stoff einen Beitrag zum Erhalt der strukturellen Integrität, wenn er einen (beliebigen) Prozess, der eine Veränderung der Molekülstruktur bewirkt, jedenfalls verlangsamt. - Die Klagepatentschrift nennt Indikatoren, anhand derer sich die Aufrechterhaltung der strukturellen Integrität ablesen lässt, ohne dass die geschützte Lehre darauf beschränkt ist. In den Absätzen [0123] ff. der Klagepatentbeschreibung sind Parameter für thermische Belastungstests (vgl. Abs. [0123] ff.), mechanische Belastungstests (vgl. Abs. [0127] ff.) bzw. Lichtbelastungstests (vgl. Abs. [0131] ff.) offenbart. Dabei wird zwischen physikalischen Effekten, z.B. Aggregation (vgl. Abs. [0123], [0127] und [0131]), und chemischen Effekten, z.B. einer unzureichenden Aufrechterhaltung des pH-Wertes (vgl. Abs. [0126], [0130] und [0134]), unterschieden. Für den Zuckerstabilisator, der die strukturelle Integrität von Adalimumab aufrechterhalten soll, sind insbesondere die Parameter für Belastungstests relevant, die auf physikalische Effekte, wie z.B. Aggregation, abstellen. Der in Absatz [0123] offenbarte Belastungstest, der die Aggregation misst, sieht vor, dass die Zusammensetzung während eines Zeitraums von 28 Tagen bei einer Temperatur von 40o C gehalten wird. In dieser Zeit soll sich die Menge (oder die Konzentration) von Aggregaten, die von Adalimumab stammen und mittels SE-HPLC-Vorschriften bestimmt werden, um nicht mehr als einen Faktor von 4, d.h. das Vierfache der Menge relativ zu einer beliebigen Startzeit, erhöhen, zweckmäßig um nicht mehr als einen Faktor von 3, zweckmäßig um nicht mehr als einen Faktor von 2,5, zweckmäßig um nicht mehr als einen Faktor von 2,2.
- cc)
Die geschützte Lehre ist nicht auf solche Stoffe beschränkt, die ausschließlich eine stabilisierende Wirkung entfalten. Der als Zuckerstabilisator zu qualifizierende Stoff kann vielmehr zusätzlich auch einen weiteren technischen Effekt haben, der der Funktion eines anderen Bestandteils der geschützten Zusammensetzung zuzuordnen ist. Ferner ist nicht ausgeschlossen, dass andere Bestandteile ihrerseits eine stabilisierende Wirkung entfalten. Maßgeblich ist, dass der Stoff, der als Zuckerstabilisator fungiert, für sich ausreichend ist, um in technisch relevantem Umfang zur Aufrechterhaltung der Molekülstruktur des Adalimumab-Wirkstoffs beizutragen. - Insoweit kann im Wesentlichen auf die vorherigen allgemeinen Ausführungen (unter Ziff. 5.) Bezug genommen werden. Diese gelten auch in Ansehung der konkreten Funktion des Stabilisators, die Aufrechterhaltung der strukturellen Integrität zu unterstützen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Funktion dadurch nachteilig berührt wird, dass der Stabilisator einen technischen Effekt erzielt, der den Funktionen anderer klagepatentgemäßer Bestandteile unterfällt oder andere Bestandteile ihrerseits zum Erhalt der Molekülstruktur beitragen. In Anbetracht dessen, dass der klagepatentgemäße Stabilisator lediglich zur Aufrechterhaltung der Molekülstruktur beiträgt, erscheint die weitergehende Verbesserung der Molekülstruktur durch andere, ohnehin in der Zusammensetzung enthaltene Stoffe aus Sicht des Klagepatents sogar wünschenswert.
- c)
Ein „Mittel zum Einstellen der Tonizität“ ist ein Reagenz, dessen Einbeziehen in die Zusammensetzung zur Gesamtosmolalität und -osmolarität der Zusammensetzung beiträgt (oder diese erhöht). Es handelt es sich hierbei um einen (einzigen), von den übrigen klagepatentgemäßen Bestandteilen der Zusammensetzung unterscheidbaren Stoff. Die geschützte technische Lehre ist nicht darauf beschränkt, dass der das Mittel zum Einstellen der Tonizität bildende Stoff lediglich in einer Form vorliegt. Es kann sich vielmehr auch um eine Mischung unterschiedlicher Formen ein- und desselben Stoffes handeln. Nicht ausgeschlossen ist ferner, dass das Mittel zum Einstellen der Tonizität auch eine Wirkung im Hinblick auf die Funktion eines anderen Bestandteils der unter Schutz gestellten Zusammensetzung entfaltet oder ein anderer im Patentanspruch genannter Bestandteil der Zusammensetzung seinerseits einen tonifizierenden Effekt bewirkt. Auch eine Beschränkung auf bestimmte Stoffgruppen oder eine Ausnahme von bestimmten Stoffgruppen, insbesondere von Aminosäuren, wie z.B. Histidin, ergibt sich aus dem Begriff „Mittel zum Einstellen der Tonizität“ nicht. - aa)
Die Klagepatentschrift definiert ein Mittel zum Einstellen der Tonizität als ein Reagenz, dessen Einbeziehen in die Zusammensetzung zur Gesamtosmolalität und -osmolarität der Zusammensetzung beiträgt (oder diese erhöht) (Abs. [0034]; vgl. ferner Abs. [1010]). Die Osmolalität gibt die Teilchenanzahl osmotisch aktiver Substanzen (z.B. Salz, Traubenzucker, Proteine) pro Kilogramm Lösungsmittel an, während Osmolarität die Teilchenanzahl osmotisch aktiver Substanzen pro Liter Lösung meint. - Die Legaldefinition erfährt lediglich dadurch eine Modifikation, dass das Mittel zum Einstellen der Tonizität auf einen einzigen Stoff beschränkt ist. Im Übrigen ergibt sich indes keine Abweichung von der allgemeinen Definition. Insbesondere wird das Mittel zum Einstellen der Tonizität weder auf bestimmte Stoffgruppen oder auf solche Stoffe beschränkt, die ausschließlich eine tonifizierende Wirkung haben, noch darauf, dass der Stoff derart auf die Osmolalität Einfluss nimmt, dass eine mit Körperfluid isotonische Zusammensetzung entsteht.
- Der allgemeine Beschreibungsteil, der sich unter der Überschrift „Flüssige pharmazeutische Zusammensetzung“ dem Mittel zum Einstellen der Tonizität widmet, wiederholt einleitend die Begriffsbestimmung aus dem Definitionsteil (Abs. [0101]) und bestätigt diese. Im weiteren Verlauf des das Tonifizierungsmittel beschreibenden Teils wird ferner ausgeführt, dass jedwedes geeignete Mittel zum Einstellen der Tonizität Verwendung finden kann (Abs. [0102]). Auch diese Beschreibungsstelle entspricht im Hinblick auf den Bedeutungsgehalt, dem sich aus der Definition eines Mittels zum Einstellen der Tonizität ergebenden breiten Begriffsverständnis. Soweit dieser Beschreibung eine Aufzählung geeigneter Mittel zum Einstellen der Tonizität folgt (Abs. [0102]), handelt es sich um bevorzugte Ausführungsbeispiele, die sich an Stoffgruppen orientieren, denen das bevorzugte Mittel zum Einstellen der Tonizität zuordenbar ist. Als besonders bevorzugtes („in einer speziellen Ausführungsform“) Metallsalz nennt die Klagepatentschrift Natriumchlorid (Abs. [0105] und ähnlich in Abs. [0106] – Abs. [0108]). Ausführungsbeispiele beschränken den weitergehenden Anspruchswortlaut regelmäßig nicht (BGH, GRUR 2008, 779 Rn. 34 – Mehrgangnarbe; Senat, Urt. v. 04.07.2024 – I-2 U 30/20, GRUR-RS 2024, 19029 Rn. 103 – Solarzelle). So ist es auch hier. Zwar bezeichnet die Klagepatentschrift auch solche Ausführungsformen als „zweckmäßig“, die sich nicht nur als eine Möglichkeit zur Ausgestaltung der erfindungsgemäßen Lehre darstellen, sondern auf die die geschützte Lehre beschränkt ist. So hebt die Klagepatentbeschreibung etwa ein Puffermittel in Form eines Zitratpuffermittels als bevorzugt („zweckmäßig“) hervor (Abs. [0055]) und stellt diese die Ergänzung eines grenzflächenaktiven Mittels zu einer pharmazeutischen Zusammensetzung, wie mit Merkmal 2.e) zwingend vorgegeben, als „zweckmäßig“ heraus (Abs. [0048]). Dieser Umstand rechtfertigt es indes nicht, einem als „zweckmäßig“ offenbarten Ausführungsbeispiel stets eine den Anspruchswortlaut beschränkende Wirkung beizumessen. Vielmehr stellen sich die als bevorzugt offenbarten Ausführungsformen nur dann als schutzbereichsbeschränkend dar, wenn sie in den Anspruchswortlaut Eingang gefunden haben. Eine entsprechende Übernahme der als bevorzugt offenbarten Mittel zum Einstellen der Tonizität ist indes für das Mittel zum Einstellen der Tonizität nicht erfolgt.
- Aus den zuvor ausgeführten Gründen stellen sich auch die Beschreibungsstellen, denen zufolge ein Mittel zum Einstellen der Tonizität „zweckmäßig“ keine Pufferwirkung entfaltet (Abs. [0102]) oder in einem solchen Ausmaß auf den pH-Wert einwirkt, dass die Zusammensetzung mit Körperfluid isotonisch ist, bzw. sich gar innerhalb eines festgelegten Bereichs bewegt (Abs. [0101]), als nicht schutzbereichsbeschränkend dar.
- bb)
Als patentgemäßes Mittel zum Einstellen der Tonizität kommt auch Histidin in Betracht. - (1)
Histidin kann – unstreitig – auf die (Gesamt-)Osmolalität der Adalimumab-Zusammensetzung Einfluss nehmen, mithin die einem Mittel zum Einstellen der Tonizität zugewiesene Funktion erfüllen. - Aus dem erteilten Patentanspruch ergibt sich nicht, dass Histidin kein Mittel zum Einstellen der Tonizität im Sinne des Klagepatents ist. Im Gegensatz zu der Beschreibungsstelle in Absatz [0146] enthält der maßgebliche Patentanspruch kein Merkmal, wonach die Zusammensetzung (im Wesentlichen oder vollständig) frei von Aminosäuren ist oder eine oder mehr Aminosäure(n) in einer (Gesamt-)-Konzentration von höchstens 0,1 mM umfasst. In der betreffenden Beschreibungsstelle wird eine Zusammensetzung „bestehend aus“ den im Patentanspruch genannten Bestandteilen beschrieben. Der zusätzlichen Angabe in dieser Beschreibungsstelle, dass die Zusammensetzung (im Wesentlichen oder vollständig) frei von Aminosäuren ist, bedürfte es nicht, wenn die Verwendung von Aminosäuren wie z.B. Histidin, bereits durch die Benennung der klagepatentgemäßen Bestandteile der Zusammensetzung als Mittel zum Einstellen der Tonizität ausgeschlossen wäre.
- Ein Ausschluss von Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität folgt auch nicht daraus, dass Histidin – anders als im Zusammenhang mit einem Puffer (Abs. [0021]) und einem Stabilisator (Abs. [0032]) – in der Klagepatentbeschreibung nicht als ein geeignetes Mittel zum Einstellen der Tonizität offenbart ist. Zum einen ist der Schutzbereich eines Patents nicht auf die in der Patentschrift enthaltenen Ausführungsbeispiele beschränkt. Zum anderen kann das Schweigen der Klagepatentbeschreibung zu Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität nicht mit einem Aussagegehalt gleichgesetzt werden, wonach Histidin als Tonizitätsmodifizierungsmittel bzw. Tonizitätsmittel im Sinne des Klagepatents nicht geeignet ist. Aus dem Umstand, dass ein Stoff (möglicherweise) kein typisches oder bekanntes Mittel zum Einstellen der Tonizität ist (vgl. Erklärung Prof. R, Anlage KE7/KE7a Rn. 47, zu Histidin), kann weder darauf geschlossen werden, dass dieser die dem in Rede stehenden Bestandteil zugedachte Funktion nicht erfüllen kann, noch kann hieraus gefolgert werden, dass das Klagepatent diesen Stoff als Mittel zum Einstellen der Tonizität ausschließt.
- Soweit die Klägerin beantragt hat, ein Sachverständigengutachten zum Verständnis des Merkmals 2 d) (Mittel zum Einstellen der Tonizität) einzuholen, ist dem nicht zu entsprechen gewesen. Wie ein Patent auszulegen ist, ist eine Rechtsfrage (BVerfG, GRUR-RR 2009, 441, 442; BGH, GRUR 2004, 1023, 1025 – Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung; GRUR 2006, 131 Rn. 19 – Seitenspiegel; GRUR 2006, 313 Rn. 18 – Stapeltrockner; GRUR 2010, 858 Rn. 15 – Crimpwerkzeug III; GRUR 2015, 868 Rn. 25 – Polymerschaum; GRUR 2015, 972 Rn. 20 – Kreuzgestänge; GRUR 2021, 574 Rn. 32 – Kranarm; Senat, Urt. v. 04.04.2024 – 2 U 72/23, GRUR-RS 2024, 7750 Rn. 70 – Spanabhebendes Werkzeug). Die Bestimmung des Sinngehalts eines Patentanspruchs ist demgemäß Rechtserkenntnis und vom Verletzungsgericht eigenverantwortlich vorzunehmen (BGH, GRUR 2015, 972 Rn. 20 – Kreuzgestänge, mwN; Senat, Urt. v. 29.02.2024 – I-2 U 6/20, GRUR-RS 2024, 7537 Rn. 76 – Rohrbearbeitungsvorrichtung). Die Aufgabe der Auslegung des Patentanspruchs darf deshalb nicht einem gerichtlichen Sachverständigen überlassen werden (BGH, GRUR 2007, 410 Rn. 18 – Kettenradanordnung; GRUR 2008, 779 Rn. 30 – Mehrgangnabe; GRUR 2021, 574 Rn. 32 – Kranarm; Senat, Urt. v. 29.02.2024 – I-2 U 6/20, GRUR-RS 2024, 7537 Rn. 76 – Rohrbearbeitungsvorrichtung). Grundlage der Auslegung eines Patents bildet zwar das fachmännische Verständnis von den im Patentanspruch verwendeten Begriffen und vom Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs. In tatsächlicher Hinsicht ist dies jedoch nur insoweit von Bedeutung, als es um die Frage geht, welche objektiven technischen Gegebenheiten, welches Vorverständnis der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Sachkundigen, welche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen und welche methodische Herangehensweise dieser Fachleute das Verständnis des Patentanspruchs und der in ihm verwendeten Begriffe bestimmen oder jedenfalls beeinflussen können (BGH, GRUR 2006, 131 Rn. 19 – Seitenspiegel; GRUR 2007, 410 Rn. 18 – Kettenradanordnung I; GRUR 2007, 859 Rn. 14 – Informationsübermittlungsverfahren I; GRUR 2007, 1059 Rn. 38 – Zerfallszeitmessgerät; GRUR 2008, 779 Rn. 31 – Mehrgangnabe; GRUR 2008, 887 Rn. 14 – Momentanpol II; GRUR 2010, 314 Rn. 18 – Kettenradanordnung II). In dieser Hinsicht zeigt die Beklagte vorliegend indes keine konkreten tatsächlichen Umstände auf, die durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgeklärt werden müssten. Das Verständnis des Patentanspruchs selbst durch den Durchschnittsfachmann ist unmittelbarer tatsächlicher Feststellung regelmäßig entzogen (BGH, GRUR 2006, 131 Rn. 19 – Seitenspiegel; GRUR 2008, 887 Rn. 14 – Momentanpol II). Unbeschadet dessen kommt es aber auch auf das allgemeine Fachverständnis im Prioritätszeitpunkt vorliegend deshalb nicht an, weil die Klagepatentschrift eine Legaldefinition für ein Mittel zum Einstellen der Tonizität enthält. Diese Legaldefinition genießt in Anbetracht der lexikalischen Bedeutung der Patentschrift Vorrang gegenüber einem etwaigen sich aus dem allgemeinen Fachwissen ergebenden Verständnis (vgl. dazu bereits unter lit. a), aa)). Das danach maßgebliche weite Begriffsverständnis wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass es in Absatz [0103] heißt, dass die geschützte Zusammensetzung vorzugsweise ein Tonizitätsmittel „as such“ enthalte. Damit bringt die Patentschrift lediglich zum Ausdruck, dass der geschützten Zusammensetzung neben den weiteren Bestandteilen zusätzlich auch ein Stoff beigegeben ist, der als Tonizitätsmittel fungiert. Dagegen, dass – wie Prof. R in seiner Stellungnahme erklärt (Anlage KE7/KE7a Rn. 47) – der Fachmann Histidin nicht als Mittel zum Einstellen der Tonizität in Betracht ziehen würde, spricht im Übrigen, dass die Entgegenhaltung D3 (WO 2014/039XXX XX) Histidin als Alternative für das Tonizitätsmittel Natriumchlorid offenbart. Diese Druckschrift ist zwar nicht auslegungsrelevant, da sie in der Klagepatentschrift nicht erwähnt wird und nicht dargetan ist, dass dieser Stand der Technik zum allgemeinen Fachwissen auf dem betreffenden Gebiet gezählt hat. Sie zeigt jedoch, dass Histidin am Prioritätstag als Mittel zum Einstellen der Tonizität auf dem hier in Rede stehenden Gebiet durchaus in Betracht gezogen worden ist.
- Soweit es in der Klagepatentbeschreibung heißt, dass die flüssige pharmazeutische Zusammensetzung „zweckmäßig“ entweder (im Wesentlichen oder vollständig) frei von Aminosäuren ist oder eine oder mehr Aminosäure(n) in einer (Gesamt-) Konzentration von höchstens 0,1 mM, mehr bevorzugt höchstens 0,01 mM, insbesondere höchstens 0,001 mM umfasst (Abs. [0088]), handelt es sich nur um bevorzugte Ausführungsformen, weshalb auch aus dieser Textstelle nicht auf einen Ausschluss von Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität geschlossen werden kann. Zudem berücksichtigt der Fachmann bei der Würdigung dieser Textstelle, dass der erteilte Patentanspruch – anders als die weitere Beschreibungsstelle in Absatz [0146] – gerade keine entsprechende Vorgabe enthält.
- Ein abweichendes Verständnis ergibt sich für den Fachmann auch nicht daraus, dass in Bezug auf das Puffersystem und den Stabilisator durch die zusätzliche Aufnahme einer Stoffklasse („Citrat“ / „Zucker“) in den Patentanspruch ein Ausschluss von Histidin als patentgemäßes Puffermittel und als patentgemäßer Stabilisator erfolgt ist. Zum einen ist solches in Bezug auf das Mittel zum Einstellen der Tonizität gerade nicht geschehen. Bei diesem Mittel muss es sich nach dem Anspruchswortlaut nicht um einen Stoff einer bestimmten Klasse handeln. Zum anderen entnimmt der Fachmann der Klagepatentbeschreibung, dass mit der Verwendung eines Citratpufferungssystems einerseits und eines Zuckerstabilisators andererseits besondere Vorteile mit Blick auf den von dem Klagepatent angestrebten Erfolg einhergehen. So wird sowohl für ein Citratpufferungssystem (Abs. [0064]) als auch für einen Zuckerstabilisator (Abs. [0078]) ausgeführt, dass ihre Anwesenheit eine besonders gute Leistung im Hinblick auf die Stabilität der Zusammensetzung zeigt. Der Grund für die Beschränkung auf die genannten Stoffklassen liegt aus Sicht des Fachmanns daher zuvorderst darin, besondere technische Vorteile zu erzielen, die mit eben diesen Stoffklassen einhergehen. Die Beschränkung liegt mithin nicht (jedenfalls nicht allein) darin begründet, etwaige Nachteile, die sich aus der Verwendung von Histidin als Pufferungssystem und/oder Stabilisator ergeben, auszuschließen. Verbleibt es mithin aufgrund des soeben Ausgeführten dabei, dass die Abwesenheit von Aminosäuren lediglich eine bevorzugte Ausführungsform kennzeichnet, ist grundsätzlich auch unerheblich, ob eine Aminosäure mit einem Vielfachen der Konzentration in der Zusammensetzung enthalten ist, die in dem in Bezug genommenen Ausführungsbeispiel als Maximalkonzentration für eine Aminosäure angegeben ist. Schutzbereichsrelevant ist die Konzentration der als Mittel zum Einstellen der Tonizität fungierenden Aminosäure dann lediglich insoweit, wie sie außerhalb des durch Merkmal 3 für ein Tonizitätsmittel vorgegebenen Stoffmengenverhältnisses liegt.
- Auch technisch-funktional spricht nichts gegen eine Anwesenheit von Aminosäuren, wie z.B. Histidin, in der beanspruchten Zusammensetzung. Zwar geht aus der Klagepatentbeschreibung hervor, dass Zusammensetzungen ohne oder mit einem nur geringen Anteil von Aminosäuren ein besonders gutes Leistungsvermögen im Hinblick auf die Stabilität der Verbindung zeigen (Abs. [0094]). Dass sich aber der vom Klagepatent angestrebte Erfolg bei Anwesenheit von Aminosäuren nicht einstellt, wird in der Klagepatentbeschreibung nicht erwähnt und dies wird der Fachmann aus der in Rede stehenden Textstelle auch nicht schließen.
- Sofern die Beklagte in diesem Zusammenhang unter Bezugnahme auf die Stellungnahme von Prof. R aus dem dänischen Verfahren (Anlage KE7/Anlage KE7a Rn. 47), dem der dänische Teil des Klagepatents und ein daraus abgezweigtes dänisches Gebrauchsmuster zugrunde lag, geltend macht, der Einsatz von Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität führe zu schädlichen Wechselwirkungen im Sinne des Absatzes [0007], die das Klagepatent im Zuge der Verminderung der Komplexität der Zusammensetzung vermeiden wolle, ergibt sich auch daraus nichts anderes. Zunächst geht aus dem in Bezug genommenen Teil der Erklärung lediglich hervor, dass der Fachmann Histidin nicht als Mittel zum Einstellen der Tonizität verwenden würde, da es im Gegensatz zu Natriumchlorid, Mannitol oder Glycerin (zum Beispiel) andere Auswirkungen auf die Formulierung habe, z.B. auf deren Stabilität. Insoweit erkennt aber auch das Klagepatent in Absatz [0094] der Beschreibung an, dass bei Anwesenheit von Histidin im Hinblick auf die Stabilität der Zusammensetzung keine bestmöglichen Ergebnisse erzielt werden können, die das Klagepatent – wie aufgezeigt – auch nicht zwingend anstrebt. Dass die Verwendung von Histidin darüber hinaus andere nachteilige Effekt hat, findet in der Klagepatentbeschreibung an keiner Stelle Erwähnung. Auch der von der Beklagten in Bezug genommenen Erklärung von Prof. R lässt sich nicht entnehmen, welche konkreten Wechselwirkungen der Einsatz von Histidin mit sich bringen soll. Unbeschadet dessen will das Klagepatent die Gefahr etwaiger Wechselwirkungen in erster Linie dadurch reduzieren, dass die Zusammensetzung aus einer geringeren Anzahl an Bestandteilen besteht, zwischen denen es überhaupt zu Wechselwirkungen kommen kann. Dass darüber hinaus die Gefahr schädlicher Wechselwirkungen nach der technischen Lehre des Patentanspruchs 1 weiter auch dadurch reduziert werden soll, dass etwaige Wechselwirkungen zwischen den verbleibenden Bestandteilen minimiert werden, lässt sich weder dem Patentanspruch noch der Klagepatentbeschreibung entnehmen.
- Histidin scheidet schließlich auch nicht deshalb als Mittel zum Einstellen der Tonizität im Sinne des Klagepatents aus, weil es nicht nur zur Gesamtosmolalität beiträgt, sondern auch eine puffernde und/oder stabilisierende Wirkung entfalten kann. Das Mittel zum Einstellen der Tonizität ist nicht auf solche Stoffe beschränkt, die lediglich einen technischen Effekt auf die Tonizität ausüben, im Übrigen aber keinen Effekt bewirken, der der Funktion eines anderen Bestandteils der unter Schutz gestellten Zusammensetzung zuzuordnen ist. Maßgeblich ist „lediglich“, dass das Mittel zum Einstellen der Tonizität für sich auf die (Gesamt)Osmolalität Einfluss nimmt (dazu zuvor unter lit. aa)).
- (2)
Dass die Technische Beschwerdekammer des EPA in ihrer das Klagepatent betreffenden Einspruchsbeschwerdeentscheidung vom 20.06.2024 davon ausgegangen ist, dass Aminosäuren, wie z.B. Histidin, als Mittel zum Einstellen der Tonizität ausscheiden, lässt sich der vorliegenden Entscheidung nicht entnehmen. - Die Technische Beschwerdekammer hat die D2 für nicht neuheitsschädlich erachtet. Sie hat diesbezüglich u.a. ausgeführt, dass es in dieser keine klare und eindeutige Offenbarung einer Formulierung gibt, die Adalimumab und einen Citratpuffer in Abwesenheit von Arginin umfasst (Anlage KM-BB2/ KM-BB2a, Ziff. 3.2.5). Die D2 offenbare nicht direkt und zweifelsfrei Adalimumabzusammensetzungen mit einem Citratpuffer ohne Arginin und mit Molverhältnissen für die verschiedenen Hilfsstoffe gemäß dem Anspruch 1 (Anlage KM-BB2/KM-BB2a, Ziff. 3.2.8). Außerdem hat die Beschwerdekammer im Rahmen der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit ausgeführt, dass in der D2 alle spezifischen Beispiele von Formulierungen, die einen Citratpuffer enthalten, einen weiteren Stabilisator (Arginin und/oder Cyclodextrin) aufweisen (Anlage KM-BB2/KM-BB2a, Ziff. 4.4.3).
- Dem lässt sich nicht, jedenfalls aber nicht eindeutig entnehmen, dass nach Auffassung der Beschwerdekammer Arginin oder eine andere Aminosäure nicht in der beanspruchten Zusammensetzung enthalten sein darf bzw. eine solche keinen der im Patentanspruch genannten Bestandteilen, insbesondere auch nicht das Mittel zum Einstellen der Tonizität, bilden kann. Die Beschwerdeentscheidung enthält keine Ausführungen zur Auslegung des Patentanspruchs. Insbesondere hat sich die Beschwerdekammer nicht mit der Frage befasst, was unter einem Mittel zum Einstellen der Tonizität im Sinne des Klagepatents zu verstehen ist, und ob ein solches Mittel auch eine Aminosäure sein kann. Wie die Beschwerdekammer den Patentanspruch 1 insoweit interpretiert hat, lässt sich ihrer Entscheidung nicht eindeutig entnehmen. Soweit die Beschwerdekammer angenommen hat, dass die D2 der Neuheit des Gegenstandes des Klagepatents wegen der Anwesenheit von Arginin nicht entgegensteht, könnte der Grund hierfür auch darin zu sehen sein, dass in den betrachteten Beispielen der D2 (Tabelle mit den Beispielen 1 – 30 und Tabelle mit den Beispielen 31 – 83), als Mittel zum Einstellen der Tonizität Natriumchlorid enthalten ist, so dass für Arginin keine Position mehr im Sinne der klagepatentgemäßen Zusammensetzung mehr frei ist und es sich bei Arginin um einen zusätzlichen Bestandteil handelt, der nach der Lehre des Klagepatents nicht in der Zusammensetzung enthalten sein darf.
- Die Einspruchsabteilung hat jedenfalls in ihrer vorangegangenen Einspruchsentscheidung eine neuheitsschädliche Vorwegnahme verneint, weil in den insoweit relevanten Beispielen der D2 (Beispiele 43 – 48) Arginin zusätzlich zu den klagepatentgemäß vorgesehenen Bestandteilen enthalten ist, wobei die Einspruchsabteilung in diesen Beispielen Natriumchlorid als Mittel zum Einstellen der Tonizität angesehen hat (Anlage ropB15/Anlage ropB15a, S. 27).
- Ähnliches gilt für die Ausführungen der Technischen Beschwerdekammer zur D4. In Bezug auf die D4, den Beipackzettel des Originalpräparats „E“, hat die Technische Beschwerdekammer in ihrer Beschwerdeentscheidung ausgeführt, dass ausgehend von dieser Entgegenhaltung als nächstliegendem Stand der Technik das Unterscheidungskriterium unbestritten in der Art des verwendeten Puffersystems (Mischung aus Citrat- und Phospatpuffer in D4 und nur Citratpuffer in den vorliegenden Zusammensetzungen) und in der Menge an Mannitol lag (Anlage KM-BB2/KM-BB2a, Ziff. 4.6.1). Das könnte darauf hindeuten, dass eine Mischung aus Citrat- und Phosphatpuffer nach Auffassung der Technischen Beschwerdekammer nicht unter den Patentanspruch fällt. Entsprechendes könnte dann auch für eine Mischung aus Citrat- und Histidinpuffer gelten. Das hat die Technische Beschwerdekammer jedoch nicht gesagt. Mit der Frage, ob Phosphat ggf. ein Mittel zum Einstellen der Tonizität im Sinne des Klagepatents sein könnte, hat sie sich nicht befasst. Auch hat sie den Patentanspruch und dessen Merkmal 2 d) nicht ausgelegt. Auf die Frage, ob Phosphat ein Mittel zum Einstellen der Tonizität im Sinne des Merkmals 2 d) ist, musste die Beschwerdekammer im Zusammenhang mit der D4 auch nicht eingehen. Denn „E“ enthält mit Natriumchlorid ebenfalls einen Bestandteil zum Einstellen der Tonizität, weshalb diese Position dort gleichfalls bereits belegt ist. Bei dem Phosphat handelt es sich daher um einen zusätzlichen Bestandteil, der nach der Lehre des Klagepatents nicht in der Zusammensetzung enthalten sein darf. Der Senat vermag der vorliegenden Stellungnahme der Technischen Beschwerdekammer deshalb auch insoweit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das Verständnis der Technischen Beschwerdekammer von einem Mittel zum Einstellen der Tonizität von demjenigen des Senats abweicht.
- Sofern die Beklagte schließlich noch darauf verweist, dass die Einspruchsabteilung im Zusammenhang mit der WO 2014/039XXX XX (im Folgenden D3; Anlage ropB25) solche Zusammensetzungen der Tabelle M der D3 (Anlage ropB25, S. 109) nicht als nächstliegenden Stand der Technik in Betracht gezogen habe, die die Aminosäuren Arginin und/oder Glycin enthielten, sondern ausschließlich auf eine Zusammensetzung Bezug genommen habe, die Natriumchlorid als Mittel zum Einstellen der Tonizität aufweise (Anlage ropB15/ropB15a, S. 47), verhalten sich die Einspruchsgründe nicht ausdrücklich dazu, dass und wenn ja weshalb Arginin und/oder Glycin als Mittel zum Einstellen der Tonizität auszuschließen sein sollen.
- (3)
Auch die Äußerungen der Klägerin in dem das Klagepatent betreffenden Erteilungsverfahren geben keinen Anlass für eine andere Beurteilung. Äußerungen des Anmelders im Erteilungsverfahren können zwar als Indiz dafür heranzuziehen sein, wie der Fachmann den Gegenstand des Patents versteht (BGH, NJW 1997, 3377 (3380) – Weichvorrichtung II; GRUR 2016, 921 Rn. 39 – Pemetrexed; BGH, Urt. v. 17.12.2020 – X ZR 15/19, GRUR-RS 2020, 42976 Rn. 26 – L-Aminosäureproduktion; Senat, Urt. v. 04.07.2024 – I-2 U 30/20 Rn. 126 – Solarzelle). Entsprechendes gilt für Äußerungen des Patentinhabers im Rechtsbestandsverfahren (Senat, Urt. v. 09.12.2021 – I-2 U 9/21, GRUR-RS 2021, 39586 Rn. 62 – Halterahmen III). Vorliegend kann der von der Beklagten angeführten Stellungnahme der Klägerin jedoch keine maßgebliche indizielle Bedeutung für das Verständnis des Mittels zum Einstellen der Tonizität beigemessen werden. - Sofern die Klägerin zur Änderung der ursprünglichen Anmeldung hin zu einer Formulierung, wonach die geschützte Zusammensetzung aus den genannten Bestandteilen „besteht“ ausgeführt hat, damit habe sie eine Reduzierung des Umfangs des Anspruchs derart erwirkt, dass andere als die in dem Anspruch genannten Hilfsstoffe ausgeschlossen seien, stimmt dies mit dem Verständnis des Senats überein. Damit ist eine Festlegung darauf, dass Histidin in der geschützten Formulierung ausgeschlossen ist, indes in keiner Weise verbunden. Das hiesige Verständnis lässt, wie auch die Äußerung der Klägerin, vielmehr gerade eine Argumentation zu, wonach Histidin dann enthalten sein kann, wenn es einem im Anspruchswortlaut funktionell beschriebenen Bestandteil zugeordnet werden kann. Genau diese Argumentation verfolgt die Klägerin im Übrigen auch im Rahmen des vorliegenden Verfahrens.
- Soweit die Klägerin sich im Erteilungsverfahren ferner dahingehend geäußert hat, dass das Ergänzen eines Mittels zum Einstellen der Tonizität sicherstelle, dass der Anspruch die Beispiele der Patentschrift umfasse (Anlage ropB21), ergibt sich auch daraus keine Erklärung, die das Mittel zum Einstellen der Tonizität auf Natriumchlorid beschränkt (und in der Folge Histidin aus dem Schutzbereich ausnimmt). Dass die Klägerin sicherstellen wollte, dass die beschriebenen Ausführungsbeispiele von dem Anspruchswortlaut umfasst sind, ist nicht gleichbedeutend mit einer Beschränkung auf diese (oder ein bestimmtes dieser) Ausführungsbeispiele.
- Aus den dargelegten Gründen scheidet auch ein treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB; vgl. BGH, GRUR 1997, 3377 (3380) – Weichvorrichtung II; Senat, Urt. v. 24.052024 – I-2 U 67/23, GRUR-RS 2024, 16189 Rn. 94 – Kinderreisesitz) der Klägerin schon im Ansatz aus.
- B.
- Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch, weshalb die Beklagte durch die darauf bezogenen Benutzungshandlungen den deutschen Teil des Klagepatents verletzt, Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 9 Nr. 1 PatG.
- 1.
Die Verwirklichung der Merkmale 1., 2.a), 2.e) und 2.f) sowie des Merkmals 3, soweit das Stoffmengenverhältnis des Tensids zu Adalimumab betroffen ist, steht zwischen den Parteien außer Streit, weshalb weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind. - 2.
Die angegriffene Ausführungsform enthält ein klagepatentgemäßes Citratpufferungssystem in Form von Natriumcitrat-Dihydrat (= Baseform) und Zitronensäure-Monohydrat (= Säureform) (Merkmal 2 b)/Merkmal 3). - Die vorgenannten „Citrat-Komponenten“ sind für sich betrachtet hinreichend, um die Aufrechterhaltung des pH-Wertes der Zusammensetzung zu unterstützen. Dass in der angegriffenen Zusammensetzung enthaltene Histidin entfaltet nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin aufgrund des pH-Wertes der angegriffenen Ausführungsform von 5,2 – der Pufferbereich von Histidin liegt bei pH-Werten von 5,5 bis 7,4 – eine puffernde Wirkung nur in geringem Umfang, was dafürspricht, dass die wesentliche Pufferung von dem Citrat bewirkt wird. Jedenfalls tritt die von dem Citrat entfaltete puffernde Wirkung nicht hinter den von dem Histidin bewirkten Puffereffekt zurück.
- Dass auch das in der angegriffenen Zusammensetzung enthaltene Histidin eine puffernde Wirkung entfaltet, steht unter Zugrundelegung der oben dargetanen Auslegung der Verwirklichung des Merkmals 2 b) nicht entgegen, da es sich bei Histidin um ein Mittel zum Einstellen der Tonizität im Sinne des Klagepatents handelt. Erforderlich, aber auch hinreichend ist, dass die Zusammensetzung einen Stoff mit einer Citrat-Struktur enthält, der die dem Citratpufferungssystem zugewiesene Funktion erfüllt, und der in dem vom Patentanspruch vorgegebenen Stoffmengenverhältnis (Molverhältnis) vorliegt (Merkmal 3), was in Bezug auf Natriumcitrat-Dihydrat und Zitronensäure-Monohydrat der Fall ist. Die Beklagte ist dem erstinstanzlichen Vortrag der Klägerin zur Menge der Citrat-Komponenten von 1,6 mg/0,8 ml für Natriumcitrat-Dihydrat und 0,544 mg/0,8 ml für Zitronensäure-Monohydrat sowie zur Konzentration eben dieser, nämlich 6,800 µmol/ml (294,10 g/mol) für Natriumcitrat-Dihydrat und 3,236 µmol/ml (210,14 g/mol) für Zitronensäure-Monohydrat, nicht entgegengetreten. Sie hat lediglich geltend gemacht, dass ein anderer Stoff das Pufferungssystem bildet und eben dieser nicht in dem erforderlichen Stoffmengenverhältnis vorliegt. Ausgehend von der unstreitigen Menge und Konzentration der Citrat-Komponenten, liegen diese in einem Verhältnis zu Adalimumab von 1:29, mithin innerhalb des von Merkmal 3 mit zwischen 1:14 – 40 vorgegebenen Bereichs, vor. Insoweit hat die Beklagte die Berechnung des Stoffmengenverhältnissens auch nicht beanstandet.
- Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass der die angegriffene Ausführungsform betreffende Assessment Report der European Medicines Agency (EMA) vom 22.06.2017 (auszugsweise vorgelegt als Anlage ropB34, S. 14, Abschnitt 2.2.1, zweiter Absatz) Histidin als Puffer einordnet. Diese Einordnung erfolgt ersichtlich nicht vor dem Hintergrund der Begriffsprägung, die das Klagepatent für ein Pufferungssystem vorsieht und kann schon allein deshalb die Wertung, dass die Citrat-Komponenten als Puffersystem im Sinne der Lehre des Klagepatents zu qualifizieren sind, nicht in Frage stellen.
- Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin Histidin in dem das EP‘XXX betreffenden Verletzungsverfahren vor dem Landgericht und vor dem dänischen Gericht unter Verweis auf eine Erklärung von Frau Prof. S(Anlage ropB35) als Teil des Puffersystems der angegriffenen Ausführungsform (die angegriffenen Ausführungsformen sind in dem genannten und dem hiesigen Verletzungsverfahren identisch) qualifiziert hat. Sofern man dieser, das EP‘XXX betreffenden Stellungnahme überhaupt eine indizielle Bedeutung beimisst, ist eine solche vorliegend schon deshalb als gering einzustufen, weil dieses Vorbringen ein anderes Schutzrecht betrifft. Im Lichte dieses Schutzrechts kann sich der Stoff als Puffersystem erweisen. Das gilt insbesondere deshalb, weil zwischen den Parteien unstreitig ist, dass Histidin in der angegriffenen Ausführungsform eine puffernde Wirkung hat. Damit setzt sich die Klägerin auch nicht in prozessual unzulässiger Weise in einen Widerspruch zu ihrem hiesigen Prozessvorbringen.
- 3.
Die angegriffene Ausführungsform enthält einen Zuckerstabilisator im Sinne der Lehre des Klagepatents (Merkmal 2 c)/Merkmal 3) in Form von Sorbitol. - Sorbitol, welches in der Klagepatentschrift ausdrücklich als geeigneter Zuckerstabilisator benannt ist (Abs. [0032], [0068]), entfaltet in der angegriffenen Ausführungsform eine stabilisierende Wirkung. Ausweislich der von der Klägerin in Bezug genommenen Untersuchungsergebnisse aus dem dänischen Verfahren, die Prof. R (Anlage KE7/KE7a) in seiner vorliegenden Stellungnahme würdigt, hat Sorbitol eine stabilisierende Wirkung in der angegriffenen Ausführungsform.
- Die Untersuchungsergebnisse betreffen die angegriffene Ausführungsform sowie unterschiedliche Zusammensetzungen, bei denen jeweils ein Inhaltsstoff der angegriffenen Ausführungsform (Sorbitol, L-Histidin, Natriumzitrat und Zitronensäure) ausgespart worden ist. Diese Zusammensetzungen sind im Hinblick auf die Veränderung ihrer Osmolalität (Anlage KE7 / KE7a, Anhang, 1. – 3. Tabelle, jeweils 5./6. Spalte), ihres pH-Werts (Anlage KE7 / KE7a, Anhang, 1. – 3. Tabelle, jeweils 7./ 8. Spalte) und ihres Anteils des hochmolekularen Gewichts (Anlage KE7 / KE7a, Anhang, 1.Tabelle, 10. – 18 Spalte und 2. und 3. Tabelle, jeweils Sp. 9 – 14, jeweils abgekürzt mit „%HMW“) über einen Zeitraum von vier Wochen betrachtet worden. Die genannten Parameter sind bei einer thermischen Belastung (Anlage KE7 / KE7a, Anhang, 1.Tabelle), bei einer gefriergetrockneten Belastung (Anlage KE7 / KE7a, Anhang, 2.Tabelle) und bei einer mechanischen Belastung (Anlage KE7 / KE7a, Anhang, 3.Tabelle) ermittelt worden. Die Klägerin verweist insbesondere auf den Inhalt der Tabelle 1 insoweit, wie daraus hervorgeht, dass der anfängliche %HMW-Wert, der den Anteil aggregierter Adalimumab-Moleküle in der Zusammensetzung wiedergibt, bei der Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform zu Beginn bei durchschnittlich 0,53 (Tabelle 1, 2. – 4. Z., 10. Sp.) liegt und nach vier Wochen auf einen Wert von durchschnittlich 0,88 angestiegen ist (Tabelle 1, 2. – 4. Z, 16. Sp), woraus sich ein Anstieg um durchschnittlich 0,35 ergibt (Tabelle 1, 2. – 4. Z., 18. Sp.). Demgegenüber steigt nach der in Bezug genommenen Tabelle der Wert in der Zusammensetzung ohne Sorbitol von anfänglich durchschnittlich 0,53 (Tabelle 1, 11. – 13. Z., 10. Sp.) auf durchschnittlich 1,00 nach vier Wochen (Tabelle 1, 11. – 13. Z., 16. Sp.), was einen Anstieg von durchschnittlich 0,47 ergibt (Tabelle 1, 11. – 13. Z., 18. Sp.).
- Daraus folgt eine stabilisierende Wirkung von Sorbitol in der angegriffenen Ausführungsform. Denn bei Abwesenheit von Sorbitol nimmt die Menge an Adalimumab-Aggregaten in der Zusammensetzung in größerem Umfang zu als bei Anwesenheit von Sorbitol. Es wird mithin zumindest ein Prozess verlangsamt, der zur Veränderung der Molekülstruktur führt, was für einen stabilisierenden Effekt im Sinne der Lehre des Klagepatents ausreichend ist.
- Diese Wirkung stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Sie sieht den Bestandteil Sorbitol nur nicht als den „vorrangigen Stabilisator“ an. Nach den Untersuchungen, die Gegenstand der Erklärung von Prof. R (Anlage KE7 / KE7a) sind, erhöht die Abwesenheit von Histidin nämlich den Anstieg des %HMW um den Faktor 2,49, so dass zumindest der strengste Stabilitätstest (im Sinne von Abs. [0123]) für die Formulierungen ohne Histidin nicht erfüllt ist (vgl. auch Erklärung von Prof. R, Anlage KE7/KE7a Rn. 33). Dieser Umstand steht der Merkmalsverwirklichung indes nicht entgegen. Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass ein Stoff mit einer Zucker-Struktur vorliegt, der einen stabilisierenden Effekt hat und der in der Zusammensetzung mit dem von dem Klagepatent vorgegebenen Stoffmengenverhältnis enthalten ist (Merkmal 3), was hier der Fall ist. Denn die in der angegriffenen Ausführungsform enthaltenen Sorbitol-Menge, nämlich 20,0 mg/0,8 ml Sorbitol, und Konzentration, nämlich 137,234 µmol/ml (182,17 g/mol), sind unstreitig. Die Beklagte hat auch gegen die auf dieser Grundlage vorgenommene Berechnung für das nach dem Klagepatent maßgebliche Stoffmengenverhältnis (1:288 – 865), die zu einem Wert von 1:396 führt, nichts vorgebracht. Auch ist – wie ausgeführt – die Wirkung des Stabilisators nicht zwingend an den ziffernmäßigen Vorgaben des Absatzes [0123] zu messen. Ein (technisch relevanter) Beitrag zur Aufrechterhaltung der Molekülstruktur kann vielmehr auch bereits dann vorliegen, wenn die Ausbildung von Aggregaten überhaupt verhindert wird, wofür die in Bezug genommenen Versuchsergebnisse – wie ausgeführt – sprechen. Dass neben Sorbitol auch das als Mittel zum Einstellen der Tonizität (dazu nachfolgend) zu qualifizierende Histidin eine stabilisierende Wirkung hat, lässt die geschützte Lehre unter Zugrundelegung der oben dargetanen Auslegung des Klagepatentanspruchs ebenfalls zu.
- 4.
Die angegriffene Ausführungsform enthält unter Zugrundelegung der oben dargelegten Auslegung auch ein Mittel zum Einstellen der Tonizität im Sinne des Klagepatents, in Form von L-Histidin und L-Histidin-Hydrochlorid-Monohydrat (Merkmal 2 d)/Merkmal 3). - Es ist unstreitig, dass L-Histidin und L-Histidin-Hydrochlorid-Monohydrat eine tonifizierende Wirkung entfalten und sich damit auf die (Gesamt-)Osmolalität der angegriffenen Zusammensetzung auswirken. Dementsprechend geht auch aus der vorliegenden Stellungnahme von Prof. Svom 04.03.2019 aus dem das EP‘XXX betreffenden dänischen Verfahren hervor, dass Histidin von Natur aus zur Tonizität der Lösung beiträgt und immer als Tonizitätsmittel wirkt (Anlage ropB35, S. 2, letzter Abs.). Ferner ist der Stellungnahme von Prof. R aus dem das Klagepatent betreffenden dänischen Verfahren zu entnehmen, dass die Osmolalität um 109 mOsm/kg abnimmt, wenn das Histidin vollständig aus der angegriffenen Zusammensetzung entfernt wird (Anlage KE 7/KE7a Rn. 54). Der Privatgutachter bzw. sachverständige Zeuge von K und G aus dem dänischen Verfahren kommt daher zu dem – aus seiner Sicht nicht überraschenden – Ergebnis, dass sich Histidin auf die Tonizität auswirkt (Anlage KE 7/KE7a Rn. 55). Der Beitrag von 109 mOsm/kg zur Osmolalität ist sogar höher als die Osmolalität, die in der Zusammensetzung gemäß dem Ausführungsbeispiel nach Absatz [0282] des Klagepatents durch das Natriumchlorid als Mittel zum Einstellen der Tonizität beigesteuert wird (Abs. [0282]: 100 mOsm/kg für NaCI).
- Histidin stellt damit ein Mittel zum Einstellen der Tonizität dar. Der Einsatz von Histidin als Mittel zum Einstellen der Tonizität wird vom Klagepatentanspruch nicht ausgeschlossen.
- Unerheblich ist, dass L-Histidin und das entsprechende Säure/Base-Konjugat L-Histidin-Hydrochlorid-Monohydrat den maßgeblichen tonifizierenden Effekt zusammen bewirken. Denn insoweit liegt gleichwohl lediglich ein (einziger) Stoff, nämlich L-Histidin vor, wenn auch in unterschiedlichen Formen. Dass Histidin in unterschiedlichen Formen vorliegt (unprotoniertes und protoniertes Histidin), steht der Verwirklichung des Merkmals 2 d) aus den bereits angeführten Gründen nicht entgegen.
- Unschädlich ist ferner, dass L-Histidin unstreitig auch eine puffernde sowie eine stabilisierende Wirkung entfaltet. Ebenso steht es einer Merkmalsverwirklichung nicht entgegen, dass auch andere Bestandteile der angegriffenen Ausführungsform ein Tonizitätseffekte bewirken. Entscheidend ist, dass neben den weiteren patentgemäßen Bestandteilen ein Stoff mit einer tonifizierenden Wirkung in einem von dem Klagepatent vorgegeben Stoffmengenverhältnis in der angegriffenen Zusammensetzung enthalten ist, was in Bezug auf L-Histidin zutrifft. Auf der Grundlage der zwischen den Parteien unstreitigen Menge der Histidin-Komponenten, nämlich 0,96 mg/0,8 ml für L-Histidin und 8,64 mg/0,8 ml für L-Histidin-Hydrochlorid-Monohydrat, sowie der unstreitigen Konzentration der Histidin-Komponenten, nämlich 7,735 µmol/ml (155,15 g/mol) für L-Histidin und 51,519 µmol/ml (209,63 g/mol) für L-Histidin-Hydrochlorid-Monohydrat, ergibt sich ein von der Beklagten nicht beanstandetes Molverhältnis zu Adalimumab von 1:171. Dieses liegt innerhalb des von dem Klagepatent für das Mittel zum Einstellen der Tonitzität vorgegebenen Verhältnisses (1:28-576).
- C.
- Die Beklagte kann an der angegriffenen Ausführungsform kein Vorbenutzungsrecht (§ 12 PatG) für sich in Anspruch nehmen.
- § 12 Abs. 1 PatG bestimmt, dass die Wirkung des Patents gegen denjenigen nicht eintritt, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat. In tatbestandlicher Hinsicht setzt das private Vorbenutzungsrecht in Bezug auf den Prioritätszeitpunkt zweierlei voraus: Erstens einen Erfindungsbesitz des Vorbenutzers und – zweitens – die Betätigung des Erfindungsbesitzes entweder durch die Vornahme mindestens einer gewerblichen Benutzungshandlung oder durch die Initiierung von Veranstaltungen, die alsbald nach dem Prioritätstag eine gewerbliche Benutzung der Erfindung sicher erwarten lassen (BGH, GRUR 1964, 496 (497) – Formsand II; GRUR, 2002, 231 (233) – Biegevorrichtung; GRUR 2012, 895 Rn. 18 – Desmopressin; Senat, Urt. v. 09.052019 – I-2 U 66/18, BeckRS 2019, 10841 Rn. 44 – Sprengreinigungsverfahren). Die Beweislast für die Entstehungstatsachen und den Umfang des Vorbenutzungsrechts hat derjenige, der sich darauf beruft (OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814 Rn. 90 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen; Senat, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 123 – Rollwagen), hier mithin die Beklagte. An den Nachweis einer Vorbenutzung sind strenge Anforderungen zu stellen (Senat, Urt. v. 11.01.2007 – I-2 U 65/05, BeckRS 2008, 5814 Rn. 42 – Klimagerät). Andererseits dürfen die Anforderungen an den Beweis nicht so hoch gespannt werden, dass der Nachweis eines privaten Vorbenutzungsrechtes praktisch unmöglich gemacht wird (Senat, Urt. v. 11.01.2007 – I-2 U 65/05, BeckRS 2008, 5814 Rn. 42 – Klimagerät).
- Auf der Grundlage des (von der Klägerin mit Nichtwissen bestrittene) Vorbringens der Beklagten, ergibt sich nicht, dass die Beklagte als Vertriebsunternehmen zu ihren Gunsten ein von näher bezeichneten, vorbenutzungsberechtigten Gesellschaften abgeleitetes Vorbenutzungsrecht für sich in Anspruch nehmen kann. Nach dem Beklagtenvortrag liegt ein für die Entstehung eines Vorbenutzungsrechts hinreichender Erfindungsbesitz lediglich in Person der K vor. Insoweit ist indes weder dargetan, dass dieser Erfindungsbesitz durch K in einem vorprioritären Zeitpunkt betätigt worden ist, noch, dass die Beklagte als Vertriebsunternehmen der K agiert.
- 1.
Auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens kann ein zur Begründung eines Vorbenutzungsrechts hinreichender Erfindungsbesitz ausschließlich bei der K verortet werden. Soweit die Beklagte den Erfindungsbesitz anderer Gesellschaften darüber hinaus überhaupt noch schlüssig dartut, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass dieser zur Entstehung eines Vorbenutzungsrechts bei diesen Gesellschaften hinreichend ist. - a)
Erfindungsbesitz liegt vor, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist (BGH, GRUR 1964, 673 – Kasten für Fußabtrittsroste; GRUR 2010, 47 – Füllstoff; GRUR 2012, 895 – Desmopressin). Insoweit muss es zu einer Erkenntnis gekommen sein, die es jederzeit möglich macht, die technische Lehre planmäßig und wiederholbar auszuführen (BGH, GRUR 2012, 895 – Desmopressin). Der Vorbenutzer muss daher subjektiv den Gedanken der objektiv vorliegenden Erfindung erkannt haben. Es ist nicht erforderlich, dass der Vorbenutzer selbst den Erfindungsgedanken entwickelt hat. Vielmehr kann ihm das Wissen um die Erfindung auch zugetragen sein, weshalb die Ausführung einer von einem beliebigen Dritten entwickelten Erfindung genügt (Senat, GRUR-RR 2012, 319 (321) – Einstieghilfe für Kanalöffnungen; OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814 Rn. 92 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen). Der Erwerb eines Vorbenutzungsrechts setzt – über den Wortlaut des § 12 PatG hinaus – voraus, dass der Handelnde selbstständigen Erfindungsbesitz erlangt und diesen redlich erworben und ausgeübt hat (BGH, GRUR 2010, 47 Rn. 17 – Füllstoff; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 128 – Rollwagen). Redlich erworben ist der Erfindungsbesitz, wenn der Benutzer sich für befugt halten durfte, die erfindungsgemäße Lehre auf Dauer für eigene Zwecke anzuwenden (BGH, GRUR 2010, 47 Rn. 17 – Füllstoff; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 128 – Rollwagen). Redlichkeit wird zwar nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Erfindungsbesitz vom Inhaber des Patents oder dessen Rechtsvorgängern abgeleitet ist (BGH, GRUR 1964, 673 (675) – Kasten für Fußabtrittsroste; GRUR 2010, 47 Rn. 17 – Füllstoff; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 128 – Rollwagen). Unredlich handelt der Benutzer aber, wenn er die geschützte Lehre widerrechtlich entnommen hat (BGH, GRUR 1964, 673 (675) – Kasten für Fußabtrittsroste; GRUR 2010, 47 Rn. 17 – Füllstoff; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 128 – Rollwagen). Außerdem ist ein Vorbenutzungsrecht in aller Regel ausgeschlossen, wenn der Benutzer und der Erfinder in vertraglicher Beziehung stehen und der Erfindungsbesitz im Zusammenhang mit der Erfüllung dieses Vertrags erlangt wurde (BGH, GRUR 2010, 47 Rn. 18 – Füllstoff; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 Rn. 128 – Rollwagen; Senat, GRUR-RR 2012, 319 (321) – Einstieghilfe für Kanalöffnungen). In diesem Fall kann und muss jede Vertragspartei aus den vertraglichen Vereinbarungen entnehmen, ob und welche Rechte ihr in Bezug auf Erfindungen der anderen Seite zustehen. Werden die Rechte an solchen Erfindungen im Vertrag abgetreten oder zumindest ein schuldrechtlicher Anspruch auf Abtretung begründet, hat der begünstigte Teil hinreichende Möglichkeiten, die geschützte Lehre für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Macht er von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch oder stehen ihm derartige Rechte weder nach dem Vertrag noch nach dem Gesetz zu, kann er redlicherweise nicht erwarten, dennoch zur weiteren Nutzung der Erfindung befugt zu sein. - b)
Hiervon ausgehend ist – bei Zugrundelegung des Beklagtenvorbringens – ein redlicher Erfindungsbesitz auf Seiten der T dargetan. Ein redlicher Erfindungsbesitz der übrigen Gesellschaften, namentlich der G M, der G P, der G N und der G J, ist dem Vortrag der Beklagten hingegen nicht zu entnehmen. - Auf der Grundlage des Beklagtenvortrags war die K seit dem 14.06.2013, und damit vorprioritär (maßgeblicher Zeitpunkt: 23.05.2014), in Kenntnis einer mit der angegriffenen Ausführungsform identischen Formulierung. Die Beklagte nimmt insoweit auf eine E-Mail eines Mitarbeiters (Herrn U) der K vom 14.06.2013 (Anlage ropB9) Bezug, aus der eine konkrete Formulierung (bezeichnet als „L“) wie folgt hervortritt:
- .
- Die Formulierung lässt die Bestandteile der angegriffenen Ausführungsform sowie eine der angegriffenen Ausführungsform entsprechende Konzentration dieser Bestandteile erkennen.
- Das Beklagtenvorbringen legt zudem nahe, dass die K selbsttätig in Kenntnis dieser Zusammensetzung gelangte, weil ihr nach Art. 6.6 der JVV (Anlage ropB37) unter anderem die Forschung und Entwicklung von Produkten zukam und sie die Hauptverantwortung für die Entwicklung der Formulierung mit der internen Bezeichnung „L“ trug.
- Ferner ist nach dem Beklagtenvorbringen ein Erfindungsbesitz der G M im Prioritätszeitpunkt schlüssig dargetan. Der Beklagten zu folge handelt es sich bei der G M um die Gesellschaft, die die Formulierung „L“ in den USA und in Dänemark zum Zwecke der Durchführung der klinischen Prüfung der Phase I für K hergestellt und in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingeführt hat. Die Herstellung der Zusammensetzung setzt die Kenntnis ihrer konkreten Formulierung voraus, weshalb ein Erfindungsbesitz auf Seiten der G M dargelegt ist. Da die Beklagte ergänzend vorträgt, dass die Zusammensetzung einem Patienten im Rahmen der Phase I-Studie in Deutschland erstmalig am 09.05.2014 verabreicht worden sei, folgt aus dem Beklagtenvorbringen ferner, dass die G M vorprioritär Erfindungsbesitz erlangt hat. Indes trägt der Vortrag der Beklagten nicht die Annahme, dass sich die G M für befugt halten durfte, das ihr mitgeteilte Wissen auf Dauer für eigene Zwecke, unabhängig von dem der Überlassung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis zu nutzen. Der Inhalt der zwischen K und G M geschlossenen Herstellungsvereinbarung (Anlage ropB8) spricht dagegen. Diese nämlich gewährt, soweit ersichtlich, G M eine Lizenz in dem Umfang, wie es zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen während der Laufzeit des Vertrags erforderlich ist (vgl. Klausel Ziff. 2.1 MA: „solely für the purpose of fulfilling Supplier’s obligation under this Agreement during the Term“). Anderes legt auch das übrige Vorbringen der Beklagten nicht nahe. Die Beklagte trägt zwar vor, der Herstellungsprozess der Formulierung „L“ sei von K und G M gemeinsam entwickelt worden. Daraus folgt indes nicht zwingend eine selbstständige Nutzungsmöglichkeit von G M. Vielmehr lässt der Vortrag die Möglichkeit offen, dass die Verantwortung für die Entwicklung der Formulierung (weiterhin) bei K lag und diese Gesellschaft deshalb auch „Herrin“ über die konkrete Zusammensetzung blieb, wofür – wie ausgeführt – auch der Inhalt der Herstellungsvereinbarung spricht.
- Soweit ein Erfindungsbesitz der übrigen Gesellschaften (G P, G N, G J) in Rede steht, ist nach dem Beklagtenvorbringen schon zweifelhaft, dass die Gesellschaften überhaupt zu einem Zeitpunkt vor dem 23.05.2014 in Kenntnis der Formulierung, wie in der E-Mail von Herrn U vom 14.06.2013 (Anlage ropB9) enthalten, gelangten. Der Senat kann wegen der Schwärzung der Adresszeile der vorgelegten E-Mail nicht erkennen, an wen diese versendet worden ist. Zu dem konkreten Adressatenkreis verhält sich auch die Beklagte nicht. Ferner ergibt sich ein Erfindungsbesitz der in Rede stehenden Gesellschaften im Prioritätszeitpunkt auch nicht aus dem Verweis auf die „Investigator’s Brochure“ vom 07.01.2014 (Anlage ropB4). Darin ist zwar die die konkrete Zusammensetzung, wie in der E-Mail vom 14.06.2023 genannt, enthalten (Anlage ropB4, S. 11), indes ist nichts dafür ersichtlich, dass die genannten Gesellschaften vor dem 23.05.2014 in Kenntnis der Broschüre gelangten. Die Broschüre weist auf ihrem Deckblatt (ropB4, S. 1) die K aus, was deren Urheberschaft nahelegt. Die Beklagte trägt vor, die Broschüre sei zur Aushändigung an die Prüfärzte für die klinische Prüfung der Zusammensetzung L vorgesehen gewesen. Die in Rede stehenden Gesellschaften gehören mithin schon nach dem Vorbringen der Beklagten selbst nicht zu dem Adressatenkreis der Broschüre. Dafür, dass die näher bezeichneten Gesellschaften gleichwohl vor dem 23.05.2014 Kenntnis der Broschüre erlangt haben, bestehen keine Anhaltspunkte. Im Übrigen befindet sich auf dem Deckblatt ein Hinweis auf die Vertraulichkeit der in der Broschüre enthaltenen Informationen.
- Aus der Behauptung der Beklagten, dass die K mit den genannten Gesellschaften (mit Ausnahme der G P) über vertragliche Vereinbarungen verbunden war, lässt sich eine Kenntnis von der konkreten Zusammensetzung auf Seiten der Gesellschaften ebenso wenig ableiten wie daraus, dass es, wie die Beklagte vorträgt, regelmäßig zu einem Informationsaustausch zwischen den Gesellschaften gekommen sei. Zu dem konkreten Inhalt der ausgetauschten Informationen schweigt die Beklagte. Es drängt sich – anders als bei der G M als Herstellerin der Formulierung – auch nicht auf, dass die übrigen Gesellschaften vor dem Hintergrund der jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen mit K zwingend in Kenntnis der einzelnen Bestandteile der Zusammensetzung sein mussten. Bei der G J handelt es sich (neben der V) um einen der Vertragspartner der Joint-Venture-Vereinbarung aus dem Jahre 2011, die die Gründung der K (in der JVV noch pauschal bezeichnet als „Company“, vgl. Anlage ropB37, S. 1, 2. „whereas“-Passus) vorsah. Die Gründung des „Joint Venture“ war ganz allgemein durch die Entwicklung von Biosimilars motiviert (vgl. Anlage ropB37, S. 1, 1. „whereas“-Passus: „for the purpose of development, manufacture, commercialization, distribution and sale of Biosimilar Pharmaceutical Products“), eine konkrete Ausrichtung auf die Entwicklung eines Biosimilars zu Adalimiumab/E geht aus der JVV nicht hervor. Dass der G J nach Gründung des Joint-Venture noch eine Rolle zukam, die eine Kenntnis von der konkreten Zusammensetzung erforderte, lässt der Beklagtenvortrag nicht erkennen. Vergleichbar stellt es sich mit Blick auf die G N dar, mit der die K – nach dem Beklagtenvorbringen – über das DCA (Anlage ropB11) aus Dezember 2013 vertraglich verbunden war. Das DCA verpflichtet die G N im Verhältnis zur K, „Biosimilars“, insbesondere spezielle Zusammensetzungen, unter anderem „Adalimumab/E Biosimilar“ (vgl. Art. 1.46.1 DCA), im Vertragsgebiet (auch Deutschland) zu vertreiben (Art. 3 DCA). Einen zwingenden Rückschluss darauf, dass die G N deshalb vor dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt (23.05.2014) in Kenntnis der konkreten, von K entwickelten Zusammensetzung war, lässt das Beklagtenvorbringen nicht zu. Es ist schon nicht erkennbar, dass G N vor dem 23.05.2014 überhaupt Bemühungen in Richtung einer Vertriebstätigkeit entfaltete. In Anbetracht dessen, dass zu diesem Zeitpunkt die Phase I-Studie gerade erst angelaufen war und die Antragstellung für die Erteilung der Marktzulassung als Voraussetzung für den Beginn der Vertriebstätigkeit erst rund zwei Jahre später am 21.06.2016 erfolgte, erscheint dies auch unwahrscheinlich. Inwiefern die G P als Muttergesellschaft der in Rede stehenden G-Gesellschaften überhaupt konkret in die Entwicklung des Biosimilars zu E involviert war, lässt der Beklagtenvortrag offen. Allein aus der Rolle als Muttergesellschaft kann für einen etwaigen Erfindungsbesitz nichts hergeleitet werden. Aus dem Vorbringen der Beklagten, die Muttergesellschaft kontrolliere die Tochtergesellschaften derart, dass alle wirtschaftlich signifikanten Aktivitäten, wie z.B. die Entwicklung der angegriffenen Ausführungsform, unmittelbar oder mittelbar von der Muttergesellschaft veranlasst worden und ihr zurechenbar seien, tritt jedenfalls keine Kenntnis von der mit der angegriffenen Ausführungsform identischen Zusammensetzung vor dem 23.05.20214 hervor.
- Selbst bei Annahme einer etwaigen Kenntnis von der konkreten Formulierung auf Seiten der G W, der G N und der G P vor dem 23.05.2014, ist nicht dargetan, dass diese das erlangte Wissen zu eigenen Zwecken, unabhängig von der K nutzen durften. Insoweit gelten die Ausführungen zum Erfindungsbesitz der G M entsprechend und fehlt es im Ergebnis jedenfalls an einem redlichen Erfindungsbesitz.
- 2.
Die Beklagte hat nicht schlüssig dargetan, dass die K, die – wie ausgeführt – unter Zugrundelegung des Beklagtenvortrags vor dem 23.05.20214 redlich Erfindungsbesitz erlangt hat, ihren Erfindungsbesitz vor dem Prioritätszeitpunkt betätigt hat. Insbesondere ist eine Betätigung des Erfindungsbesitzes weder darin zu sehen, dass – was die Beklagte vorbringt – die K vor dem 09.05.2014 die Einfuhr der von der G M hergestellten Zusammensetzung veranlasst hat, noch darin, dass – was die Beklagte ferner vorträgt – die Zusammensetzung erstmals am 09.05.2014 einem Probanden im Rahmen der Phase I-Studie verabreicht wurde. - a)
Die Betätigung des Erfindungsbesitzes im Inland kann durch Benutzungshandlungen im Sinne der §§ 9, 10 PatG erfolgen. Der Begriff der Inbenutzungnahme nach § 12 PatG umfasst wie § 139 PatG die in den §§ 9, 10 PatG umschriebenen Benutzungsarten, zu denen der Schutzrechtsinhaber ausschließlich befugt ist und die er jedem anderen untersagen kann, wobei jede einzelne der Benutzungsarten genügt und alle einander gleichwertig sind (vgl. Senat, Urt. v. 26.10.2006 – I-2 U 109/03, BeckRS 2008, 5802 Rn. 30; Urt. v. 11.01.2007 – I-2 U 65/05, BeckRS 2008, 5814 Rn. 44; GRUR 2018, 814 Rn. 94 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen; Benkard/Scharen, PatG, 12. Aufl., § 12 Rn. 11 m.w.N.). Auch wenn die Benutzungshandlungen nach § 12 PatG ihrer Art nach den in §§ 9, 10 PatG beschriebenen Handlungen entsprechen, die Anforderungen an eine Benutzungshandlung i.S.v. § 12 PatG also nicht weiter gehen als diejenigen, die an eine Benutzung nach den in §§ 9, 10 PatG zu stellen sind (BGH, GRUR 2019, 1171 Rn. 49 – Schutzverkleidung), begründen sie ein privates Vorbenutzungsrecht aber nur dann, wenn sie bereits die Ernsthaftigkeit einer gewerblichen Nutzungsabsicht in die Tat umsetzen (Senat, Urt. v. 26.10.2006 – 2 U 109/03, BeckRS 2008, 5802 Rn. 30; Urt. v. 11.01.2007 – I-2 U 65/05, BeckRS 2008, 5814 Rn. 44). - Ist es noch nicht zu Benutzungshandlungen gekommen, reicht es subsidiär aus, wenn der Handelnde zumindest Veranstaltungen zur Benutzung getroffen hat. Veranstaltungen begründen ein Vorbenutzungsrecht, wenn sie den Entschluss, die Erfindung gemäß §§ 9 und 10 PatG zu benutzen, durch Vorbereitung in die Tat umsetzen; sie müssen also sowohl dazu bestimmt sein, die Erfindung im Wesentlichen auszuführen als auch den ernstlichen Willen des Vorbenutzers nach außen erkennbar machen, die Erfindung alsbald gewerblich zu nutzen (BGHZ 39, 389, 397 – Taxilan; Senat, Urt. v. 26.10.2006 – I-2 U 109/03, BeckRS 2008, 5802 Rn. 31; OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814 Rn. 95 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen; Benkard/Scharen, a.a.O., § 12 Rn. 13 m.w.N.). Der sich auf § 12 PatG Berufende muss – erstens – den festen und endgültigen Entschluss gefasst haben, die Erfindung gewerblich zu nutzen, und er muss – zweitens – Vorkehrungen getroffen haben, welche die alsbaldige Umsetzung dieses Entschlusses in die Tat jedenfalls vorbereiten (OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814 Rn. 94 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen; Benkard/Scharen, a.a.O., § 12 Rn. 13). Daran fehlt es grundsätzlich zum Beispiel, wenn anhand von Mustern vor der Herstellung erst die Rechtslage geklärt werden soll oder solange der Zeitpunkt der Produktionsaufnahme noch völlig offen ist (Senat, Urt. v. 26.10.2006 – I-2 U 109/03, BeckRS 2008, 5802 Rn. 31 m.w.N.). Hierzu gehört regelmäßig auch der Fall, dass mit der Produktion erst nach dem Vorliegen amtlicher Prüfbescheinigungen begonnen werden soll, entsprechende Anträge aber noch nicht gestellt sind und daher nicht absehbar ist, wann die Voraussetzungen für den Herstellungsbeginn vorliegen werden (Senat, Urt. v. 26.10.2006 – I-2 U 109/03, BeckRS 2008, 5802 Rn. 31). Vorbereitungen einer erst für später geplanten Ausführung der Erfindung sind keine Veranstaltungen im Sinne des § 12 PatG; erst recht gilt das für Versuche, die erst die Grundlage für eine spätere Entscheidung liefern sollen, ob die Erfindung benutzt wird (Senat, Urt. v. 26.10.2006 – I-2 U 109/03, BeckRS 2008, 5802 Rn. 31 m.w.N.; Benkard/Scharen, a.a.O., § 12 Rn. 13).
- b)
Nach dieser Maßgabe kann ausgehend von dem Beklagtenvorbringen eine Betätigung des Erfindungsbesitzes nicht angenommen werden. - Das Veranlassen der Einfuhr einer mit der angegriffenen Ausführungsform identischen Formulierung stellt ebenso wenig eine ein Vorbenutzungsrecht begründende Benutzungshandlung dar wie das Verabreichen der Formulierung im Rahmen der Phase I-Studie. Im Zusammenhang mit den genannten Handlungen fehlt es an der Ernsthaftigkeit, eine gewerbliche Nutzungsabsicht in die Tat umzusetzen. Dem steht bereits entgegen, dass der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform zulassungspflichtig ist und eine Genehmigung zum Vertrieb weder erteilt war, noch bei Vornahme der hier als Benutzung des Erfindungsbesitzes erwogenen Handlungen unmittelbar bevorstand. Dass der den Vertrieb Beabsichtigende bereit wäre, mit dem Produkt ohne die erforderliche Zulassung in den Markt einzutreten, kann ihm nicht unterstellt werden. Hiervon ausgehend sind Produktions- und Vertriebsbeginn aber noch völlig offen, weil zwischen der Entscheidung zur gewerblichen Nutzung und dem Markteintritt die Zulassungsentscheidung eines Dritten steht.
- In der Einfuhr und/oder dem Verabreichen einer der angegriffenen Ausführungsform entsprechenden Zusammensetzung liegt auch keine Veranstaltung zur alsbaldigen Benutzung.
- In der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist das Nachsuchen um eine arzneimittelrechtliche Zulassung bereits als eine Veranstaltung zur alsbaldigen Benutzung gewürdigt worden (LG Düsseldorf, Urt. v. 04.09.2008 – 4b O 402/06, BeckRS 2009, 8739 Ziff. III., 1.). Bei Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls mag – was hier keiner abschließenden Entscheidung bedarf – eine ernsthafte Entscheidung für den Vertrieb eines von einer arzneimittelrechtlichen Zulassung abhängigen Produkts auch zu einem noch früheren Zeitpunkt angenommen werden können und sich insbesondere in dem Beginn der für die Antragstellung erforderlichen Studien (und ggf. Vorbereitungshandlungen für diese) manifestieren. Indes wird derjenige, der im Bewusstsein darüber ist, dass er zum Vertrieb eines Produkts ohne eine Zulassung nicht berechtigt ist und für die Beantragung der Zulassung erforderliche Informationen erst noch im Rahmen klinischer Studien zu beschaffen sind – jedenfalls ohne das Hinzutreten besonderer Umstände – zur gewerblichen Nutzung der Erfindung noch nicht fest und endgültig entschlossen sein (können). Einer Entschlossenheit in dem dargestellten Sinne steht entgegen, dass jedenfalls regelmäßig keine Gewissheit darüber bestehen kann, dass die noch durchzuführenden klinischen Studien die für die Antragstellung erforderlichen Daten, hier insbesondere den Nachweis der Biosimilarität, hervorbringen. Vielmehr können im Rahmen der klinischen Studien grundsätzlich Ergebnisse zu Tage treten, die eine (erfolgreiche) Antragstellung hindern, so dass eine beabsichtigte Markteinführung unterbleiben muss.
- Dass dies in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall ausnahmsweise anders zu bewerten ist, etwa weil sich die Möglichkeit, dass die klinischen Studien nicht das „gewünschte“ Ergebnis bringen würden, bereits vorprioritär als allenfalls theoretisch darstellte, ist nicht ersichtlich. Zwar trägt die Beklagte unter Verweis auf eine für das dänische Verfahren angefertigte Erklärung von Herrn U als Direktor von K und Projektleiter für die Entwicklung eines Biosimilars von E vom 15.02.2019 (Anlage ropB10; deutsche Übersetzung: Anlage ropB10a) vor, dass man aufgrund der großen Ähnlichkeit mit dem Originalmolekül sowie der Laborergebnisse sehr zuversichtlich gewesen sei, dass „L“ in den klinischen Studien gute Ergebnisse liefere, weshalb man sich auch für eine Beschleunigung des Zulassungsverfahrens entschieden habe und die Studien der Phase I und der Phase III parallel habe durchführen wollen. Dass und weshalb K zu diesem Zeitpunkt aber bereits von der Überzeugung geleitet war, dass einer Antragstellung keine bzw. allenfalls noch theoretisch denkbare Hindernisse entgegenstanden, vermag der Senat daraus nicht herzuleiten. In der Erklärung des Herrn U heißt es zwar, zwischen K und „G“ sei „im Mai 2014“ die Entscheidung für ein Zieldatum für den Markteintritt im April 2018 getroffen worden (Anlage ropB10/rob10a, Ziff. 15). Unbeschadet dessen, dass insoweit Vortrag zu den genauen Umständen der Entscheidungsfindung und Entschlussfassung fehlt, lässt dieses Vorbringen nicht erkennen, dass K über den Markteintritt bereits vor dem 23.05.2014, dem hier maßgeblichen Prioritätsdatum, entschieden hat.
- Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte unter Bezugnahme auf die Erklärung von Herrn U vorträgt, K und „G“ hätten von Beginn an angestrebt, „L“ unmittelbar nach Ablauf des ergänzenden Schutzzertifikats für E in Europa einzuführen (Anlage ropB10/ropB10a, Ziff. 12 und Ziff. 14). Bei der Entwicklung von Biosimilars handelt es sich um den Geschäftszweck von K, die Tätigkeit der Gesellschaft ist mithin selbstverständlich von dem ersthaften Bemühen getragen, diese Produkte auch zur Marktreife zu bringen. Das gilt insbesondere für solche Biosimilars, die – wie sich der Erklärung von Herrn U entnehmen lässt – „das umsatzstärkste Medikament der Welt“ betreffen (Anlage ropB10/ropB10a, Ziff. 14.). Ein solches Bemühen aber bringt ebenso wenig einen für die Entstehung eines Vorbenutzungsrechts hinreichenden festen und endgültigen Entschluss der gewerblichen Nutzung zum Ausdruck wie die unternehmerische Zuversicht, dass die angestrengten Bemühungen im Ergebnis zum Erfolg führen werden. Anderes als diese allgemeinen Bemühungen und die an diese geknüpfte Zuversicht vermag der Senat dem Beklagtenvorbringen hier nicht zu entnehmen.
- 3.
Schließlich hat die Beklagte auch nicht hinreichend dargelegt, dass sie sich auf ein etwaiges, der K zustehendes Vorbenutzungsrecht berufen kann. - Es ist anerkannt, dass ein dem Hersteller oder Lieferanten zustehendes Vorbenutzungsrecht auch den nachfolgenden Handelsstufen zugutekommt, indem die vom Vorbenutzungsberechtigten bezogenen (wegen § 12 PatG rechtmäßig in den Verkehr gelangten) Gegenstände anschließend gewerblich frei weiter angeboten, vertrieben und gebraucht werden dürfen (BGH, GRUR 2012, 895 Rn. 35 – Desmopressin; Senat, Urt. v. 12.11.2009 – I-2 U 88/08, BeckRS 2010, 16331, Ziff. II., 3. – Desmopressin-Tablette). Die von § 12 PatG gewollte Bewahrung eines durch Vorbenutzung begründeten Besitzstandes findet noch nicht allein dadurch statt, dass dem Vorbenutzungsberechtigtem als solchem gestattet bleibt, seine bis zum Prioritätszeitpunkt angelegten oder bereits ausgeübten Benutzungshandlungen im Rahmen seines Geschäftsbetriebes fortzusetzen (Senat, Urt. v. 12.11.2009 – I-2 U 88/08, BeckRS 2010, 16331, Ziff. II., 3. – Desmopressin-Tablette). Ein derart verstandenes Vorbenutzungsrecht wäre weitgehend sinnlos, weil es dem Schutzrechtsinhaber die Möglichkeit geben würde, gewerblichen Abnehmern des Vorbenutzungsberechtigten den Gebrauch und Weitervertrieb der vorbenutzten Gegenstände unter Berufung auf seine (ihnen gegenüber bestehenbleibenden) Ausschließlichkeitsrechte zu untersagen (Senat, Urt. v. 12.11.2009 – I-2 U 88/08, BeckRS 2010, 16331, Ziff. II., 3. – Desmopressin-Tablette). Jeder vernünftige Abnehmer würde unter solchen Umständen davon absehen, Gegenstände, auf die sich das Vorbenutzungsrecht bezieht, zu erwerben, weil sie für ihn und seinen Geschäftsbetrieb unverwertbar wären (Senat, Urt. v. 12.11.2009 – I-2 U 88/08, BeckRS 2010, 16331, Ziff. II., 3. – Desmopressin-Tablette).
- Das Vorbringen der Beklagten, wonach ihr ein Vorbenutzungsrecht zustehe, weil sie „aufgrund des DCA zwischen der vorbenutzungsberechtigten K und der vorbenutzungsberechtigten G N zum deutschen Vertriebsunternehmen bestimmt“ worden sei, trägt die Annahme, dass es sich bei ihr um ein Vertriebsunternehmen eines Vorbenutzungsberechtigten in dem dargestellten Sinne handelt, nicht.
- Das Vorbringen lässt insbesondere nicht erkennen, dass die Beklagte in dem Sinne als Vertriebsunternehmen eines Vornutzungsberechtigten agiert, dass sie die von diesem hergestellte angegriffene Ausführungsform in den Verkehr bringt. Entsprechendes tritt auch aus der von der Beklagten in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen Produktinformation für die angegriffene Ausführungsform nicht hervor, in der die Beklagte „lediglich“ als „örtlicher Vertreter des pharmazeutischen Unternehmers“ erwähnt ist, als der wiederum die Zulassungsinhaberin B genannt ist (vgl. Anlage ropB14, S. 85). Auch sonstige Umstände, die die Beklagte aus einem anderen Grund als Teil der Vertriebsstruktur eines Vorbenutzungsberechtigten erscheinen lassen, gehen aus ihrem Vortrag nicht hervor. Dieser lässt nicht erkennen, wer die angegriffene Ausführungsform herstellt, und dass es sich dabei um eine Person handelt, die ein Vorbenutzungsrecht erworben hat. In der bereits in Bezug genommenen Produktinformation ist als Hersteller die G (Denmark) X genannt, ohne dass der Beklagtenvortrag sich zu dieser Gesellschaft überhaupt verhält. Ferner ist nicht ersichtlich, in welcher Form und durch wen die Beklagte mit dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform betraut worden ist. Der bloße Verweis auf das DCA zwischen der G N und der K gibt insoweit erhebliche Umstände jedenfalls nicht her. Gleichermaßen vage bleibt der Vortrag der Beklagten, dass „sich die G N“ ihrer, der Beklagten, für die Vermarktung in Deutschland „bediene“.
- D.
- Aufgrund der festgestellten Rechtsverletzung stehen der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte zu.
- 1.
Ein Anspruch auf Unterlassen folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 1 PatG. - 2.
Die Beklagte ist gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 139 Abs. 2 PatG zum Schadensersatz dem Grunde nach verpflichtet. - Als Fachunternehmen hätte es der Beklagten oblegen, zu prüfen, ob die von ihr angebotenen und gelieferten Produkte Schutzrechte Dritter verletzen. Bei einer entsprechenden Überprüfung wäre dies für sie auch ohne weiteres zu erkennen gewesen. Indem sie eine solche Prüfung unterließ, hat die Beklagte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet, § 276 Abs. 2 BGB.
- Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
- 3.
Der Klägerin stehen gegen die Beklagte auch Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. - 4.
Der Rückrufanspruch folgt aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 3 Satz 1 PatG, der Vernichtungsanspruch ergibt sich aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 140a Abs. 1 Satz 1 PatG. - Weder die Verpflichtung zum Rückruf noch die zur Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform stellt sich als unverhältnismäßig im Sinne des § 140a Abs. 4 Satz 1 PatG dar. Entsprechendes macht die Beklagte auch nicht geltend.
- E.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Entsprechend dem Ergebnis des Berufungsverfahrens hat danach die Beklagte als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
- Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
