Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3412
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 5. Juli 2024, I-2 U 74/23
Vorinstanz: 4b O 47/22
- I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.10.2023 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
- II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind für die Beklagten wegen ihrer Kosten vorläufig vollstreckbar.
- Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
- V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,- EUR festgesetzt.
- Gründe:
- I.
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Gebrauchsmusters 20 2006 021 XXA U 1 (Anlage K 1; nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Feststellung ihrer Verpflichtung zur Leistung von Restschadensersatz sowie auf die Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch. Eingetragener Inhaber des Klagegebrauchsmusters ist der Geschäftsführer der Klägerin. Mit Vereinbarung vom 20.02.2017 (Anlage K 3) übertrug dieser der Klägerin „sämtliche Nutzungsrechte“ an dem Klagegebrauchsmuster einschließlich eventueller Schadensersatzansprüche wegen unberechtigter Nutzung des Klagegebrauchsmusters in der Vergangenheit.
- Das aus der europäischen Patentanmeldung EP XXB abgezweigte Klagegebrauchsmuster beruht auf einer unter Inanspruchnahme dreier innerer Prioritäten vom 29.11.2005, 16.01.2006 und 05.04.2006 getätigten Anmeldung vom 23.11.2006. Es wurde am 22.04.2013 eingetragen. Die Bekanntmachung der Eintragung im Patentblatt erfolgte am 13.06.2013. Seine Schutzdauer ist am 30.11.2016 abgelaufen.
- Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein Basismaterial für die Herstellung insbesondere von Lebens- und Futtermitteln. Seine eingetragenen Schutzansprüche 1, 3, 6 und 8 lauten wie folgt:
-
„1.
Basismaterial insbesondere zur Herstellung von Lebensmitteln, welches aus (i) einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander, und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im folgenden „Pulver“), (ii) einem Sirup oder einer Mischung von mehreren Sirups und (iii) 0 bis 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente besteht.“ -
„3.
Basismaterial nach Anspruch 1 oder 2, worin (i) der Sirup ein Hexosesirup, bevorzugt Glukosesirup, Fruktosesirup oder eine Mischung dieser beiden Sirups ist, besonders bevorzugt Glukosesirup; und/oder (ii) der Sirup ein Zuckeraustauschstoff-haltiger Sirup ist, bevorzugt Isomalt-Sirup oder Maltitolsirup.“ -
„6.
Basismaterial nach einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, welches (i) wasserlöslich, geruchsfrei und/oder geschmacksneutral ist; (ii) flüssig, pastös, verformbar
oder fest ist; (iii) lange haltbar und/oder zur Lagerung bei Raumtemperatur geeignet ist; (iv) von -50° bis 300° C temperaturbeständig ist; und/oder (v) zum Verzehr geeignet ist.“ -
„8.
Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Nahrungsmittel-Vorprodukt, Futtermittel, Futterergänzungsmittel, Futtermittel-Vorprodukt, Pharmazeutikum, Tierarzneimittel
oder Kosmetikum, welches zu mindestens 50 Gew.-%, bevorzugt zu mindestens 80 Gew.-% aus dem Basismaterial gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6 besteht.“ - Die Klägerin macht vorliegend den Schutzanspruch 8 in einer auf die Schutzansprüche 1, 3 und 6 rückbezogenen Fassung geltend, die wie folgt lautet:
- „Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Nahrungsmittel-Vorprodukt, Futtermittel, Futterergänzungsmittel oder Futtermittel-Vorprodukt, Pharmazeutikum, Tierarzneimittel oder Kosmetikum, welches zu mindestens 50 Gew.-%, bevorzugt zu mindestens 80 Gew.-% aus dem Basismaterial besteht, wobei das Basismaterial besteht aus (i) einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander, und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im Folgenden „Pulver“), (ii) einem Sirup oder einer Mischung von mehreren Sirups und (iii) 0 bis 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente, wobei der Sirup ein Hexose-Sirup ist und wobei das Basismaterial pastös ist.“
- Die Beklagten bieten an und vertreiben in der Bundesrepublik Deutschland (Roll-) Fondants, insbesondere die Produkte „A.“, „B.“, „C.“ und „D.“ (angegriffene Ausführungsform). Die folgenden Abbildungen zeigen die Verpackung des Produkts „A.“ mit entsprechender Zutatenliste:
-
Als Anlage K 15 hat die Klägerin Muster der einzelnen Produkte der angegriffenen Ausführungsform vorgelegt.
Die Klägerin hat das von den Beklagten ebenfalls angebotene und vertriebene Produkt „E.“ untersuchen lassen und den Analysebericht der F.-GmbH vom 20.03.2015 als Anlage K 6 vorgelegt. Den „E.“ beziehen die Beklagten von demselben Lieferanten wie die angegriffene Ausführungsform, der G.- & Co. KG. Die Zusammensetzung dieses Produkts entspricht im Wesentlichen derjenigen der angegriffenen Ausführungsform, der „E.“ hat jedoch eine flüssigere Konsistenz und enthält mehr Wasser.
-
Aus dem Analysebericht (Anlage K 6) ergeben sich für den „E.“ folgende Inhaltsstoffe/Kennzahlen: Den Hauptanteil bildet Saccharose mit 63,7 g/100g. Der Anteil an enzymatischer Stärke beträgt 2,1 g/100g. Glukose konnte mit einem Anteil von 3,4 g/100g, Maltose mit 2,8 g/100g und Fructose mit 3,0 g/100g bestimmt werden. Lactose mit weniger als 0,2 g/100g und Fett mit weniger als
0,3 g/100g liegen unterhalb der jeweiligen Bestimmungsgrenze. - Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 15.03.2022 (Anlage K 9) mahnte die Klägerin die Beklagten erfolglos ab.
- Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten das Klagegebrauchsmuster während dessen Laufzeit durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verletzt haben. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht:
- Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche sämtliche Merkmale des geltend gemachten Schutzanspruchs wortsinngemäß. Der in der Zutatenliste der angegriffenen Ausführungsform an erster Stelle genannte, also mengenmäßig in größtem Umfang vertretene Zucker sei Bestandteil des Glukosesirups und diesem zuzurechnen. Auch der in der Klagegebrauchsmusterschrift genannte M Glukosesirup 43° weise einen hohen Anteil an Oligo-/Polysacchariden (51,5 bis 59 %) auf, wobei es sich – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – um Saccharose handele. Für die Verwirklichung des Anspruchs komme es zudem nicht darauf an, ob zunächst das Basismaterial hergestellt und sodann mit weiteren Komponenten vermischt werde, oder ob alle Komponenten direkt miteinander verbunden würden.
- Die Beklagten, die Klageabweisung beantragt haben, haben eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters in Abrede gestellt und vor dem Landgericht geltend gemacht:
- Ein Basismaterial im Sinne des Klagegebrauchsmusters werde nicht verwendet. Stattdessen würden alle Bestandteile der Fertigprodukte in herkömmlicher Weise miteinander vermischt und die so erhaltene Mischung in üblicher Weise zum Fertigprodukt verarbeitet. Bei der angegriffenen Ausführungsform werde zudem eine Substanz, welche als funktionelle Komponente im Sinne des Klagegebrauchsmusters angesehen werden könnte, in einer höheren, in einer gänzlich anderen Größenordnung liegenden Menge verwendet. Bei der Zusammensetzung der angegriffenen Ausführungsform handele es sich jedoch um ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis ihres Lieferanten, der sich gegen die Offenbarung von Art und Menge der besagten Substanz verwehre.
- Das anfängliche Bestreiten der Aktivlegitimation der Klägerin haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ausdrücklich fallen gelassen.
- Durch Urteil vom 26.10.2023 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
- Ein Sirup im Sinne des Klagegebrauchsmusters sei nach Absatz [0020] der Gebrauchsmusterbeschreibung zum einen durch seinen Inhaltsstoff bzw. seine Inhaltsstoffe (z.B. Zucker, Zuckeraustauschstoff, Zuckerwasser oder zuckerhaltige Flüssigkeiten) gekennzeichnet, und zum anderen durch seine dickflüssige Konsistenz, mit der eine hohe Konzentration von Zucker einhergehe. Diese Beschaffenheit erhalte der Sirup nach der Gebrauchsmusterbeschreibung durch „Kochen oder andere Techniken, insbesondere durch enzymatische Spaltungsprozesse“. Die diesbezügliche Beschreibung beschränke zwar den Schutzumfang des hier geltend gemachten Sachanspruchs nicht. Gleichwohl bringe der Fachmann die Herstellungsweise mit der beschriebenen Beschaffenheit eines erfindungsgemäßen Sirups derart in Zusammenhang, dass ein bloßes Vermischen der Ausgangssubstanzen wie beispielsweise Wasser und Zucker noch keinen Sirup hervorbringe. Es bedürfe insoweit eines chemischen Prozesses, der zur Dickflüssigkeit des Sirups und zu der mit dieser zusammenhängenden hohen Zuckerkonzentration führe. Diese Beschaffenheit eines „Sirups“ grenze ihn klagegebrauchsmustergemäß von in Wasser gelöstem Zucker ab. Aus der Definition des Klagegebrauchsmusters ergebe sich zudem, dass eine Zuckerlösung durch Kochen oder andere Techniken bearbeitet werde, mithin der Zucker bereits gelöst, also vor der Bearbeitung enthalten sei, und nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt beliebig hinzugefügt werde.
- Ein solches Verständnis ergebe sich auch aus der gebotenen funktionsorientierten Betrachtung. Denn durch den Bestandteil „Sirup“ grenze sich das Klagegebrauchsmuster von bekannten Basismaterialien ab, die ein Gemisch aus Wasser und Zucker enthalten hätten, was die Haltbarkeit derartiger Mischungen begrenze. Insbesondere dem Sirup werde hingegen eine die Haltbarkeit erhöhende Wirkung zugewiesen. Zudem solle gerade durch die Verwendung von Sirup eine schwerkraftbedingte Trennung der Einzelbestandteile verhindert werden, insbesondere das Auskristallisieren von Zucker. Die Lehre des Klagegebrauchsmusters weise dem Bestandteil Sirup – im Unterschied zu gewöhnlichem Haushaltszucker bzw. reinem Zuckerwasser – aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften mithin einen für die Herbeiführung der erfindungswesentlichen Aufgabe maßgebliche Bedeutung bei. Soweit die Beklagten die Auffassung verträten, dass es sich bei Anspruch 8 des Klagegebrauchsmusters um einen „geschlossenen“ Anspruch handele, sei dem entgegenzuhalten, dass Anspruch 8 in Verbindung mit den Unteransprüchen 3 und 6 ein zum Verzehr geeignetes Produkt definiere, welches nach Merkmal 2 zu mindestens 50 Gew.-% aus dem Basismaterial bestehe, mithin zu weiteren 50 Gew.-% aus anderen Zutaten bestehen könne.
- Hiervon ausgehend mache die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch. Die Klägerin habe weder vorgetragen, dass die angegriffene Ausführungsform ein Basismaterial enthalte noch verhalte sich ihr Vortrag im Übrigen zum Fertigungsverfahren der angegriffenen Ausführungsform. Dies lasse den Schluss zu, dass die Klägerin keine Kenntnis davon habe, wie die angegriffenen Fondants hergestellt würden. Die Zutatenlisten der Fondants, auf die die Klägerin verweise, enthielten keinen Hinweis auf die Verwendung eines Basismaterials im Sinne des Klagegebrauchsmusters.
- Die Merkmalsverwirklichung scheitere jedoch nicht daran, dass die Klägerin bei der Herstellung kein Basismaterial verwende, weil es nicht darauf ankomme, dass und wie die Komponenten des Basismaterials vermischt und wann sie mit weiteren Komponenten zusammengegeben würden. Gleichwohl sei erforderlich, dass die das Basismaterial ausmachenden Komponenten – im Fall der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls Glukosesirup und Maisstärke – zu irgendeinem Zeitpunkt in der von der Lehre geschützten Verbindung in einer Menge von mindestens 50 Gew.-% vorgelegen hätten. Dies habe die nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht dargetan.
-
Aus der Zutatenliste der angegriffenen Ausführungsform ergäben sich lediglich Glukosesirup und Maisstärke als Bestandteile des anspruchsgemäßen Basismaterials, jedoch keine Mengenverhältnisse. Berücksichtige man, dass die Zutaten in der Reihenfolge ihres Mengenanteils abnehmend aufgezählt werden müssten, sei der Zuckeranteil in der angegriffenen Ausführungsform immer höher als der Anteil an Glukosesirup, womit es nahezu ausgeschlossen erscheine, dass die für das Basismaterial erforderlichen Komponenten (Glukosesirup und Maisstärke) mindestens 50 Gew.-% der angegriffenen Ausführungsform ausmachten. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus dem von der Klägerin vorgelegten Untersuchungsbericht (Anlage K 6) entnehmen, der
– ohne dass erkennbar wäre, dass die Zutaten denjenigen der angegriffenen Ausführungsform entsprechen – die Zutaten des „E.“ der Firma G. ausweise. Addiere man die dort ausgewiesenen Anteile an enzymatischer Stärke
(2,1 %) und Glukose (3,4 %), gelange man zu insgesamt 5,5 %, womit – selbst wenn man den Höchstanteil einer funktionellen Komponente hinzurechne – der Gesamtanteil des „Basismaterials“ weit unter 50 Gew.-% liege. -
Soweit der Fondant der Beklagten nach der Zutatenliste Glukosesirup zu einem geringeren Anteil als Zucker enthalte und die Klägerin daraus schlussfolgere, dass der in der Zutatenliste aufgeführte Zucker als Saccharose jedenfalls zum Teil Bestandteil des Glukosesirups sein müsse – wie etwa in dem in Abs. [0023] beispielhaft genannten M Glukosesirup 43° bzw. 45° (vgl. Anlage K 19) – verhelfe ihr auch diese Spekulation nicht zur Schlüssigkeit. Wende man das dortige Verhältnis von Saccharose zu Dextrose/Glukose (3,2-fach) auf die angegriffene Ausführungsform, insbesondere den „E.“ an, ergebe sich ein Saccharose-Anteil von 10,88 Gew.-% (3,4 Gew.-% Glukose * 3,2). Addiere man nun die Anteile der Maisstärke
(2,1 Gew.-%) und der Glukose (3,4 Gew.-%) hinzu, belaufe sich der Anteil der Basismaterialkomponenten am gesamten Nahrungsmittel auf 17,48 Gew.-% und entspreche damit nicht den gebrauchsmustergemäßen mindestens 50 Gew.-%. - Selbst wenn der Glukosesirup im „E.“ einen hohen Anteil an Saccharose oder Maltose enthalten sollte, lasse sich nicht feststellen, welcher Anteil der Saccharose/Maltose Bestandteil des Zuckers und welcher Anteil Teil des Glukosesirups sei. Auch die Addition der 2,8 Gew.-% Maltose im „E.“ ändere letztlich nichts an dem dargestellten Ergebnis.
- Eine Ausweisung von Glukosesirup als Zucker würde im Übrigen der Zuckerartenverordnung zuwiderlaufen, nach deren §§ 3, 2 Abs. 1 und 2, 1 Abs. 1 i.V.m. Anlage 1 „Zucker“ für den typischen Haushaltszucker – kristallisierte Saccharose – stehe und der zufolge Lebensmittel mit ihrer speziellen Bezeichnung genannt werden müssten. Dass die Zuckerartenverordnung im Klagegebrauchsmuster nicht genannt sei, ändere nichts daran, dass reiner Haushaltszucker jedenfalls keinen (Zucker-)Sirup im Sinne des Klagegebrauchsmusters darstelle. Wenn die Klägerin schon auf die Zutatenliste der angegriffenen Ausführungsform und den dort aufgeführten Glukosesirup verweise, müsse sie sich auch entgegenhalten lassen, dass neben dem Glukosesirup auch Zucker in der Zutatenliste aufgeführt sei, der nach der Zuckerartenverordnung eben als gewöhnlicher Haushaltszucker und damit nicht als Sirup – auch nicht im Sinne des Klagegebrauchsmusters – definiert sei und daher grundsätzlich nicht den für das Basismaterial erforderlichen Mengen in Höhe von mindestens 50 Gew.-% zugerechnet werden könne.
- Die Kammer folge auch nicht dem Vortrag der Klägerin, der Zucker könne als Bestandteil des Sirups angesehen und damit dem Basismaterial zugerechnet werden, weil es für den Sirup keinen Unterschied mache, ob diesem nachträglich noch Zucker in Form von Saccharose hinzugefügt werde. Denn nach der vorgenommenen Auslegung müsse der Zucker bereits gelöst, also vor der Bearbeitung enthalten sein und könne nicht zu einem späteren Zeitpunkt beliebig hinzugefügt werden.
- Die Klägerin könne ferner nicht mit Erfolg einwenden, die angegriffene Ausführungsform weise die vom Klagegebrauchsmuster angestrebten Vorteile auf, weil auch nach mehrjähriger Lagerzeit kein Zucker auskristallisiert sei. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der erfindungsgemäße Erfolg auch auf einem anderen als dem vom Klagegebrauchsmuster beschrittenen Weg erreicht werden könne. Dieser Weg werde verlassen, wenn dem Sirup nachträglich gewöhnlicher Haushaltszucker hinzugefügt werde, vor allem wenn dies ausweislich der Zutatenliste der angegriffenen Ausführungsform in einer Menge geschehe, die die Menge des ursprünglich vorhandenen Sirups übersteige.
- Schließlich habe die Klägerin auch nicht hinreichend dargetan, inwieweit die Ausführungen zu den Zutaten des „E.“ auch für die angegriffenen Fondants Gültigkeit hätten, zumal der E. Zucker nach dem Vortrag der Klägerin u.a. mehr Wasser enthalte, so dass eine wesentliche Komponente Zuckerwasser sein dürfte. Der Anteil der Maisstärke bleibe zudem gänzlich unbekannt.
- Mit ihrer Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Klägerin ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren weiter. Unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht sie geltend:
- Entgegen der Auffassung des Landgerichts verwirkliche die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des geltend gemachten Schutzanspruchs, insbesondere sei das Basismaterial in der geforderten Menge von mindestens 50 Gew.-% vorhanden. Die in den Analysen festgestellten Saccharose-Bestandteile seien dem Glukosesirup hinzuzurechnen.
- Nach dem Verständnis des Klagegebrauchsmusters sei – wie insbesondere der Verweis auf den M Glukosesirup 43° zeige – nicht ausgeschlossen, dass ein Glukosesirup mit weiterer Saccharose versetzt werde und es sei auch keine Grenze für den Anteil von Haushaltszucker (Saccharose) definiert. Bei der gebotenen funktionalen Betrachtung sei entscheidend, ob diejenigen Wirkungen, die das Klagegebrauchsmuster dem Glukosesirup zuspreche, einträten. Insofern sei der Glukosesirup von Zuckerwasser abzugrenzen, bei dem die Bestandteile wieder auskristallisierten. Bei den angegriffenen Produkten kristallisiere unstreitig selbst nach vielen Jahren der Zucker nicht aus. Damit stehe fest, dass der festgestellte Zucker kein normaler Haushaltszucker im Rahmen von Zuckerwasser sein könne, sondern Zucker im Rahmen von Glukosesirup – und damit dessen Bestandteil – sein müsse.
- Soweit das Landgericht angenommen habe, ein Auskristallisieren könne auch auf andere Weise verhindert werden, beruhe dies nicht auf Sachvortrag der Parteien und sei nach den Regeln der ZPO unbeachtlich. Die klare Unterscheidung im Klagegebrauchsmuster, welches den Glukosesirup gerade von Zuckerwasser unterscheide, bei dem es zum Auskristallisieren komme, schließe aus, dass „auf anderem Weg“ ein Auskristallisieren des Zuckers verhindert werden könne.
- Unzutreffend sei auch die Annahme des Landgerichts, der vom Klagegebrauchsmuster beschrittene Weg werde verlassen, wenn dem Sirup nachträglich gewöhnlicher Haushaltszucker hinzugefügt werde. Richtig wäre diese Annahme nur für den Sachverhalt, dass dem Sirup der Haushaltszucker nur beigemengt werde, der Haushaltszucker somit weiterhin in seiner kristallinen Form vorhanden wäre. Wenn aber der Sirup bei Zugabe von Haushaltszucker diesen assoziere und auflöse, was ggf. zusätzlich mildes Erhitzen erforderlich mache, führe das dazu, dass der Haushaltszucker Bestandteil des Glukosesirups werde und damit auch die Wirkungen einträten, welche für Glukosesirup im Klagegebrauchsmuster anschaulich erläutert seien.
- Die vom Landgericht herangezogenen Angaben in der Zuckerartenverordnung seien weder einschlägig noch relevant. Zum einen könne Zucker auch nach der Verordnung als Haushaltszucker ausgewiesen werden, wenn er erst im Rahmen des Herstellungsverfahrens des Produkts – etwa durch Erhitzen – zu einem Bestandteil des Glukosesirups geworden sei. Zum anderen sei es sehr wohl möglich bzw. üblich, Haushaltszucker, der Bestandteil des Glukosesirups sei, als Haushaltszucker auszuweisen. Denn Glukosesirup sei gerade dadurch gekennzeichnet, dass er eine Mischung von verschiedenen Zuckern darstelle und nicht dahingehend beschränkt, dass er nur bestimmte Mengen an Haushaltszucker enthalten dürfe oder müsse. Selbst eine fehlerhafte Angabe nach der Zuckerartenverordnung würde im Übrigen an den Feststellungen nichts ändern, nachdem niemand behaupte, dass bei den angegriffenen Produkten Zucker auskristallisiere.
- Soweit die Beklagten behaupteten, aus der Analyse gemäß Anlage K 6 ergebe sich, dass Saccharose – in Form von Puderzucker – in fester Form beigefügt sei, treffe dies nicht zu. Aus der Analyse ergebe sich zu dem Zustand nichts. Weil Puderzucker, also fein gemahlener Kristallzucker, und Saccharose in kristalliner Form chemisch gleich seien, verhielten sich diese auch in identischer Weise. Selbstverständlich komme es bei Verwendung von Puderzucker auch zu einem Auskristallisieren, wenn nicht – wie erfindungsgemäß vorgesehen – ein Basismaterial unter Verwendung von Glukosesirup eingesetzt werde und der jeweilige Zucker (sei es Kristall- oder Puderzucker) Bestandteil dieses Basismaterials sei. Ob Kristallzucker oder Puderzucker in Wasser gelöst werde, sei unerheblich und führe nicht zu abweichenden Ergebnissen. Bei der Verwendung von „Zuckerwasser“ (ob mit Kristallzucker oder Puderzucker) komme es stets zu einem Auskristallisieren.
- Die Klägerin beantragt,
-
I.
die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 26.10.2023, Aktenzeichen 4b O 47/22, zu verurteilen, -
1.
ihr – der Klägerin – Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten im Zeitraum 22.04.2013 bis 30.11.2016 - in der Bundesrepublik Deutschland Rollfondant angeboten und/oder vertrieben haben, soweit das Produkt zu mindestens 50 Gewichts-% aus einem Basismaterial besteht, bestehend aus (i) einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkenmehle miteinander und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im Folgenden „Pulver“), (ii) einem Sirup oder einer Mischung mehrerer Sirups und (iii) 0 bis 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente, wobei der Sirup ein Hexose-Sirup ist und wobei das Basismaterial pastös ist,
- und zwar unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses unter Angabe
- a) der Liefermengen, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der Angebotsmengen, Typenbezeichnungen, Artikelnummern, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- c) der einzelnen Werbeträger, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der Gestehungskosten unter Angabe der einzelnen Kostenfaktoren sowie des erzielten Gewinns;
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Nachfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
-
2.
die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihr – der Klägerin – einen Betrag in Höhe von 2.002,41 EUR zu zahlen, die Beklagte zu 1) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.07.2022 und beide Beklagte gesamtschuldnerisch seit dem 03.08.2022; -
II.
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 26.10.2023, Aktenzeichen: 4b O 47/22, festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, ihr – der Klägerin – dasjenige herauszugeben, was sie durch die in I. 1. bezeichneten und vom 22.04.2013 bis 30.11.2016 begangenen Handlungen erlangt haben. - Die Beklagten beantragen,
- die Berufung zurückzuweisen.
- Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten dem Berufungsvortrag der Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen, wobei sie geltend machen:
-
Der Anteil an Basismaterialkomponenten am gesamten Nahrungsmittel liege sowohl bei dem untersuchten Produkt „E.“ als auch bei den mit der Klage angegriffenen Produkten unter den gebrauchsmustergemäßen mindestens
50 Gew.-%. - Zwar treffe es zu, dass es bei der angegriffenen Ausführungsform nicht zu einem Auskristallisieren von Zucker komme. Dies sei aber nicht auf die Verwendung von Glukosesirup in einer ausreichenden Menge zurückzuführen, sondern auf die Abwesenheit relevanter Mengen an gelöster Saccharose. Das Problem eines Auskristallisierens von Zucker stelle sich nämlich nur dann, wenn einem Produkt eine erhebliche Menge an gelöster Saccharose beigefügt werde, die später auskristallisieren könne.
- In der angegriffenen Ausführungsform sei Saccharose in zweierlei Formen vorhanden: Zum einen in dem in geringer Menge enthaltenen Glukosesirup, der nur zugesetzt werde, um einen knetbaren Teig zu erhalten, und zum anderen in fester Form in der Gestalt von Puderzucker. Puderzucker und Kristallzucker seien zwar – insoweit unstreitig – chemisch jeweils Saccharose, dies führe aber nur in der gelösten Form dazu, dass es keine Unterscheidbarkeit gebe. In der festen Form seien hingegen Unterscheide in Bezug auf Teilchengröße und Kristallinität vorhanden. Puderzucker sei auch Bestandteil von Fondant-Rezepten, die gar keinen Sirup verwendeten, was in jedem Kochbuch nachlesbar sein.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen Bezug genommen.
- II.
- Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters verneint und die Klage aus diesem Grund abgewiesen.
- Da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters in der durch die Klägerin geltend gemachten Fassung keinen Gebrauch macht, stehen der Klägerin Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Restschadensersatz nicht zu. Weil eine Gebrauchsmusterverletzung nicht vorliegt, fehlt es zudem an einer Berechtigung der Abmahnung und kann die Klägerin daher auch die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie Zinsen hierauf nicht verlangen.
- A.
- Das Klagegebrauchsmuster betrifft mit seinem Schutzanspruch 1 ein Basismaterial, das insbesondere für die Herstellung von Lebens- und Futtermitteln geeignet ist. Mit seinem hier geltend gemachten Schutzanspruch 8 betrifft es ferner Produkte wie z.B. ein Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Nahrungsmittel-Vorprodukt aus diesem Material (Anlage K 1, Abs. [0001]; die nachfolgenden Bezugnahmen betreffen jeweils die Klagegebrauchsmusterschrift).
- Nach den einleitenden Ausführungen in der Klagegebrauchsmusterschrift wird bei der Herstellung von Lebensmitteln häufig mit Basismaterialien gearbeitet, die einen erheblichen Anteil an dem fertigen Lebensmittel ausmachen können. Solche Basismaterialien sind häufig vorkonfektionierte Mischungen wie beispielsweise Backmischungen, Marzipanrohmasse oder Aromamischungen, die für das einzelne fertige Lebensmittel angepasst ausgewählt und entsprechend ihrer jeweiligen Eigenschaften gelagert werden müssen (Abs. [0002]).
- Nach den Angaben der Klagegebrauchsmusterschrift haben bekannte vorkonfektionierte Mischungen als Basismaterialien für Lebensmittel den Nachteil, dass sie insbesondere nach dem Öffnen der Verpackung nur begrenzt haltbar sind (Abs. [0003]). Als nachteilig bemängelt die Klagegebrauchsmusterschrift ferner, dass derartige Mischungen oft empfindlich gegenüber Temperaturschwankungen und nicht selten umständlich zu handhaben sind. Die umständliche Handhabung ergibt sich nach den Erläuterungen der Klagegebrauchsmusterschrift daraus, dass solche Mischungen klebrig sind oder in Pulverform zu Staub- und Klumpenbildung neigen. Dadurch wird die richtige Dosierung und Weiterverarbeitung erschwert (Abs. [0004]).
- Wie die Klagegebrauchsmusterschrift weiter ausführt, sind drei Bestandteile, die heute in den meisten Lebensmitteln zu finden sind, Stärkemehl oder andere Verdickungsmittel, Lecithin und Zucker (bzw. Zuckeraustauschstoffe). Diese Bestandteile sind in ihrer Reinform pulverförmig (Abs. [0005]). Wolle man diese Bestandteile in einer vorkonfektionierten Mischung anbieten, sehe man sich mit all jenen Schwierigkeiten konfrontiert, die Pulver-Pulver-Mischungen zu eigen seien: Unter anderem trennten sich die Einzelbestandteile solcher Mischungen infolge der Schwerkraft, so dass sich innerhalb einer Packung unterschiedliche Mischungsverhältnisse ausbilden könnten. Dies mache eine immer gleiche Dosierung bei der Weiterverarbeitung fast unmöglich. Außerdem staubten Pulver bei der Abfüllung und dem Abwiegen (Abs. [0005]).
- Wolle man andererseits die genannten drei Bestandteile in vorkonfektionierten Mischungen verwenden, welche auch flüssige oder pastöse Komponenten enthielten, könnten sich die Zutaten bei der Lagerung absetzen und so voneinander trennen oder Gradienten ausbilden. Auch seien physikalisch-chemische Effekte möglich, zum Beispiel das Abscheiden von Ölen und Fetten sowie das Auskristallisieren von Zucker und Zuckeraustauschstoffen. Schließlich seien solche Mischungen oft klebrig und/oder klumpig und dadurch schlecht dosierbar. Außerdem besäßen derartige Mischungen, sofern sie Kristallzucker enthielten, nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit (Abs. [0006]).
- Die Klagegebrauchsmusterschrift führt ferner aus, dass die Herstellung stärkehaltiger Zuckermassen zwar in der DE-A-4004733 beschrieben ist. Die Herstellung erfolge jedoch nur bei erhöhtem Druck und erhöhter Temperatur. Dies erfordere einen hohen maschinellen Aufwand und Systeme zur Kontrolle von Druck und Temperatur und sei folglich mit erheblichen Nachteilen behaftet (Abs. [0009]).
- Das Klagegebrauchsmuster hat es sich vor diesem Hintergrund zur Aufgabe gemacht, ein Basismaterial zur Verfügung zu stellen, das die vorgenannten Nachteile des Standes der Technik überwindet. Insbesondere soll es in dem Basismaterial nicht zu einer Trennung der Einzelbestandteile kommen, soll es leicht dosierbar und verarbeitbar sein, und soll es mit den meisten gebräuchlichen Lebensmitteln bzw. Lebensmittelbestandteilen verbindbar bzw. eine Basis für Lebensmittel sein (Abs. [0012]).
- Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt der Schutzanspruch 8 in der hier geltend gemachten Fassung (nachfolgend auch: geltend gemachter Schutzanspruch oder Klagegebrauchsmusterschutzanspruch) die Kombination folgender Merkmale vor:
- 1. Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Nahrungsmittel-Vorprodukt, Futtermittel, Futterergänzungsmittel, Futtermittel-Vorprodukt, Pharmazeutikum, Tierarzneimittel oder Kosmetikum.
- 2. Das Produkt besteht zu mindestens 50 Gew.-% aus einem Basismaterial.
- 3. Das Basismaterial besteht aus
- a) einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander, und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (im Folgenden: „Pulver“),
- b) einem Sirup oder einer Mischung von mehreren Sirups und
- c) 0 bis 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente.
- 4. Der Sirup ist ein Hexosesirup.
- 5. Das Basismaterial ist pastös.
-
1.
Die Klägerin kann, was die Beklagten mit Recht nicht in Zweifel ziehen, das Klagegebrauchsmuster im Umfang der vorstehend wiedergegebenen Merkmale geltend machen. -
In einem Verletzungsverfahren kann ein Gebrauchsmuster in einem auf das Verfahren und auf die angegriffene Ausführungsform zugeschnittenen Umfang geltend gemacht und verteidigt werden (vgl. BGH, GRUR 2003, 867, 868 – Momentanpol I; GRUR 2010, 904 Rn. 48 – Maschinensatz). Hintergrund ist die Befugnis der Verletzungsgerichte, innerhalb eines ausschließlich zweiseitigen Verletzungsprozesses über die Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmusters zu befinden. Wer wegen Verletzung eines Gebrauchsmusters in Anspruch genommen wird, kann – anders als beim Patent – nicht nur in einem gesonderten behördlichen Verfahren (§§ 16 f. GebrMG), sondern auch im Verletzungsstreit geltend machen, dass Gebrauchsmusterschutz nach § 11
GebrMG durch die Eintragung nach § 13 Abs. 1 GebrMG nicht begründet worden ist. Dabei dient das weitgehend an das Patentnichtigkeitsverfahren angelehnte Gebrauchsmusterlöschungsverfahren ähnlich wie jenes der allgemeinverbindlichen Klärung der Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters. Mit der Berufung auf die fehlende Begründung von Gebrauchsmusterschutz nach § 13 Abs. 1 GebrMG im Verletzungsstreit ist dem aus dem Gebrauchsmuster in Anspruch Genommenen demgegenüber ein einfaches Mittel an die Hand gegeben, sich im Prozess unmittelbar auf einen Sachverhalt zu berufen, den er an sich auf aufwendigere Weise auch im Löschungsverfahren geltend machen könnte. Diese Möglichkeit dient damit allein der Verteidigung im Verletzungsrechtsstreit, anders als das Löschungsverfahren aber nicht einer – im Umfang der Löschung – allgemeinverbindlichen Klärung der Frage, ob und ggf. in welchem Umfang Gebrauchsmusterschutz besteht. Deshalb besteht kein Anlass und keine Notwendigkeit, die Prüfung der Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters im Verletzungsstreit über das für die Sachentscheidung Erforderliche hinaus auszudehnen. Es genügt deshalb zu prüfen, ob sich der Gebrauchsmusterinhaber auf eine durch die maßgebliche ursprüngliche Offenbarung gestützte und im Rahmen der der Gebrauchsmustereintragung zu Grunde liegenden Schutzansprüche liegende Fassung des Schutzbegehrens zurückgezogen hat, die die angegriffene, Dritten nach § 11 Abs. 1 Satz 2 GebrMG verbotene Handlung erfasst. Dagegen besteht für die Entscheidung des Verletzungsstreits keine Notwendigkeit, den Gebrauchsmusterinhaber in Form einer wie auch immer gearteten, gegenüber der Allgemeinheit verbindlichen Erklärung darauf festzulegen, wieweit er das Gebrauchsmuster verteidigen will. Will der als Verletzer in Anspruch Genommene – etwa aus Gründen einer über den Einzelfall hinausgehenden Rechtssicherheit – das erreichen, so steht es ihm frei, von sich aus das Gebrauchsmusterlöschungsverfahren zu betreiben; ist andererseits der Gebrauchsmusterinhaber daran interessiert, gegenüber der Allgemeinheit von sich aus zu erklären, wieweit er das Gebrauchsmuster verteidigen will, so kann er sich hierfür der von der Praxis entwickelten Instrumente bedienen. Maßstäbe dafür, welche Verhaltensweisen dem Gebrauchsmusterinhaber auf die Geltendmachung mangelnder Rechtsbeständigkeit im Verletzungsprozess zur Verfügung stehen, lassen sich hieraus nicht ableiten (BGH, GRUR 2003, 867, 868 – Momentanpol I). - Den sich hiernach für die Geltendmachung eingeschränkten Schutzes ergebenden Anforderungen hat die Klägerin schon dadurch genügt, dass sie im Klageantrag eine Anspruchsfassung formuliert hat, deren Schutzfähigkeit sie in der hier geltend gemachten Kombination behauptet und unter die nach ihrem Vortrag die angegriffenen Fondant-Produkte der Beklagten fallen sollen. Die geltend gemachte Fassung wird von dem Offenbarungsgehalt der Klagegebrauchsmusterschrift umfasst; sie ergibt sich aus dem Schutzanspruch 8 und dessen Rückbezug auf die Schutzansprüche 3 und 6.
-
2.
Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen einige Merkmale der oben wiedergegebenen Merkmalsgliederung näherer Erläuterung: -
a)
Der geltend gemachte Schutzanspruch, bei dem es sich um einen Sachanspruch handelt, beansprucht Schutz u.a. für ein Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel oder Nahrungsmittel-Vorprodukt („Produkt“). Der Begriff „Nahrungsmittel“, den die Gebrauchsmusterschrift synonym mit dem Begriff „Lebensmittel“ verwendet, bezeichnet die Nahrung des Menschen. Erfasst werden alle Erzeugnisse und Stoffe, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu Nahrungsmitteln zählen hierbei auch Getränke und Süßwaren (Abs. [0015]). Bei dem Produkt kann es sich auch um ein sog. Nahrungsmittel-Vorprodukt handeln, z.B. eine Marzipanersatzmasse oder eine Süßwaren-Grundmasse (vgl. Abs. [0090]). - Das Produkt besteht nach dem Wortlaut des Klagegebrauchsmusteranspruchs zu mindestens 50 Gew.-% aus einem (dem) „Basismaterial“ (Merkmal 2). Dieses Basismaterial besteht wiederum aus zwei Hauptbestandteilen (Abs. [0013]), nämlich einem Pulver, ausgewählt aus einem Stärkemehl, Lecithinpulver, einer Mischung mehrerer Stärkemehle miteinander, und einer Mischung eines oder mehrerer Stärkemehle mit Lecithin (Merkmal 3 a)), und einem Sirup oder einer Mischung von mehreren Sirupen (Merkmal 3 b)). Daneben kann das Basismaterial aus bis zu 1,0 Gew.-% einer funktionellen Komponente bestehen (Merkmal 3 c)).
- Das Basismaterial als solches hat nach den Angaben der Klagegebrauchsmusterschrift den Vorteil, dass es leicht herzustellen, einfach in der Handhabung, lange haltbar und vielseitig verwendbar ist (Abs. [0013], [0049], [0051], [0052]). Es zerfällt auch bei langem Stehen nicht in seine Bestandteile, ist also lange haltbar (Abs. [0051]). Insbesondere zeichnet sich das erfindungsgemäße Basismaterial durch eine hohe Haltbarkeit im Vergleich zu Produkten aus, die Kristallzucker und Wasser enthalten (Abs. [0052]).
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b)
Das Produkt muss – zu mindestens 50 Gew.-% – aus dem in Merkmal 3 beschriebenen Basismaterial bestehen. Aus dem Basismaterial besteht das Produkt, wenn das Basismaterial bei der Herstellung des Produkts mit weiteren Bestandteilen vermengt, wenn das Basismaterial in das Produkt eingebracht oder wenn das Basismaterial
– z.B. als Glasur oder als Hülle in der Art von Marzipan – auf das Produkt aufgebracht wird (vgl. Abs. [0056]). - Darauf, ob es sich bei dem Basismaterial ursprünglich um eine „vorkonfektionierte Mischung“ bzw. „vorgefertigte Basismischung“ gehandelt hat oder ob bei der Herstellung des Produkts zunächst die in Merkmal 3 genannten Bestandteile des Basismaterials zusammengegeben und vermengt (z.B. verknetet) und erst hiernach zu der so erhaltenen Masse die weiteren Bestandteile des Endprodukts hinzugegeben worden sind, kommt es im Rahmen des Schutzanspruchs 8 nicht an, weil es sich bei diesem – wie bereits erwähnt – um einen Sachanspruch handelt, dessen Gegenstand das „fertige“ Produkt (z.B. Nahrungsmittel) ist, wobei es sich hierbei allerdings auch um ein Nahrungsmittel-Vorprodukt handeln kann. Schutzanspruch 8 betrifft hingegen weder das Basismaterial als solches noch die Verwendung des Basismaterials zur Herstellung eines Produkts im Sinne des Merkmals 1. Ob es darüber hinaus als gebrauchsmustergemäß anzusehen ist, wenn die Bestandteile des Basismaterials nicht zunächst miteinander, sondern unmittelbar mit weiteren Zutaten vermengt werden, so dass ein Basismaterial im Sinne der Merkmalsgruppe 3 zu keinem Zeitpunkt isoliert vorliegt, bedarf mit Blick auf die Verletzungsfrage keiner weiteren Erörterung und kann dahinstehen.
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c)
Nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters muss das Produkt „zu mindestens 50 Gew.-%“ aus dem Basismaterial bestehen (Merkmal 2). Das Produkt kann damit weitere Bestandteile enthalten (vgl. Abs. [0056], [0057], [0059], [0090], [0094]), wobei z.B. bei einem Nahrungsmittel als weitere Bestandteile grundsätzlich alle gängigen Bestandteile von Nahrungsmitteln in Betracht kommen, insbesondere Flüssigkeiten, Geruchsstoffe, Farbstoffe, Nahrungsmittel, Nahrungsmittelbestandteile und Nährstoffe (Abs. [0057]). So kann es sich bei den weiteren Bestandteilen z.B. um Fette (wie Butter, Kakaobutter und Margarine), Öle, Glycerin, Wein-und/oder Zitronensäure, Gewürze, Kräuter, Zucker, Salz, Kakao, Alkoholaromen, andere Aromen und/oder Ölsaaten (wie Sesam, Leinsamen, Mohn, Sonnenblumenkerne) handeln (Abs. [0059]). Der Anteil solcher weiteren Bestandteile an dem Produkt darf aber maximal 50 Gew.-%“ betragen. - Da das Produkt nach dem Anspruchswortlaut „zu mindestens 50 Gew.-%“ aus dem Basismaterial besteht, kann es auch ausschließlich aus dem Basismaterial bestehen. Dementsprechend heißt es in der Gebrauchsmusterbeschreibung beispielsweise, dass das erfindungsgemäße Basismaterial auch selbst schon ein „fertiges Nahrungsmittel“ von bestimmtem Aroma und Aussehen (z.B. eine Karamelle) sein kann (Abs. [0054]). Ferner werden in Absatz [0054] mehrere besonders bevorzugte Nahrungsmittel und Nahrungsmittel-Vorprodukte beschrieben, so z.B. eine Marzipanersatzmasse, welche neben dem erfindungsgemäßen Basismaterial aus Pulver und Sirup besonders bevorzugt lediglich 0 bis 1 Gew.-% Bittermandelaroma enthält. Bei dem Aroma handelt es sich um eine funktionelle Komponente im Sinne des Merkmals 3 c), so dass das betreffende Produkt nur aus dem Basismaterial besteht. Entsprechendes gilt für die in dieser Beschreibungsstelle ferner erwähnte Süßwaren-Grundmasse, welche besonders bevorzugt neben dem erfindungsgemäßen Basismaterial aus Pulver und Sirup lediglich 0 bis 1 Gew.-% eines für Süßwaren typischen Aromas enthält, sowie für die des Weiteren erwähnte Süßware (z.B. Karamelle oder Bonbon), welche nur aus dieser Süßwaren-Grundmasse bestehen kann. Der Umstand, dass ein solches Produkt auch unter den Schutzanspruch 1 fällt, rechtfertigt nicht die Annahme, dass ein Produkt im Sinne des Schutzanspruchs 8 – entgegen dem Anspruchswortlaut und der Gebrauchsmusterbeschreibung – zwingend zu dem Basismaterial weitere Bestandteile aufweisen muss.
-
d)
Zu dem Gewichtsverhältnis von Pulver zu Sirup macht der Klagegebrauchsmusteranspruch keine näheren Vorgaben. Diesbezügliche Angaben enthält allein der hier nicht geltend gemachte Schutzanspruch 4. Danach beträgt das Gewichtsverhältnis Pulver zu Sirup in dem Basismaterial von 1:0,2 bis 1:2, bevorzugt von 1:0,4 bis 1:2 und besonders bevorzugt 1:0,6 bis 1:1,5. Bezogen auf 100 g Pulver bedeutet dies einen Anteil von 20 g bis 200 g Sirup, bevorzugt von 40 g bis 200 g Sirup und besonders bevorzugt von 60 g bis 150 g Sirup (vgl. auch Abs. [0032]). -
e)
Soweit der Klagegebrauchsmusteranspruch in Bezug auf den einen Hauptbestandteil des Basismaterials von einem „Pulver“ spricht (Merkmal 3 a)), ist dem angesprochenen Fachmann klar, dass hiermit die (ursprüngliche) Reinform des in Merkmal 3 a) genannten Basismaterial-Bestandteils (z.B. Stärkemehl) angesprochen ist (vgl. Abs. [0005]). Der Pulver-Bestandteil muss in dem aus dem Basismaterial bestehenden Produkt hingegen nicht (mehr) pulverförmig vorliegen. Denn es ist klar, dass z.B. Stärkemehl (synonym: Speisestärke), bei dem es sich um ein feines weißes Pulver (Puder) handelt (Abs. [0005]), nach der Herstellung eines Nahrungsmittels in diesem nicht mehr pulverförmig vorliegen kann. Wird Stärkemehl bestimmungsgemäß mit Sirup vermengt, vermischt es sich schon mit diesem zu einer Masse. In dem Endprodukt muss deshalb nur Stärke enthalten bzw. stofflich nachweisbar sein, wobei aus dem Fehlen von Körnern etc. darauf geschlossen werden kann, dass dem Produkt pulverförmiges Stärkemehl hinzugegeben worden ist. -
f)
Bei dem zweiten Hauptbestandteil des Basismaterials handelt es sich um „Sirup“ (Merkmal 3 b)). -
aa)
Was unter „Sirup“ im Sinne des Klagegebrauchsmusters zu verstehen ist, ergibt sich unmittelbar aus der Klagegebrauchsmusterschrift. Denn diese definiert den Begriff „Sirup“ in Absatz [0020] wie folgt: - „Sirup ist eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs, die durch Kochen oder andere Techniken, insbesondere durch enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser, Zuckeraustauschstoffhaltigen Flüssigkeiten, Zuckerrübensaft, Fruchtsäften oder Pflanzenextrakten gewonnen wird. Durch seinen hohen Zuckergehalt ist er auch ohne Kühlung lange haltbar. Sirup im Sinne der vorliegenden Erfindung sind unter anderem Glukosesirup, Fruktosesirup, und Maltitolsirup (auch als Maltitsirup bezeichnet). Sirup im Sinne der vorliegenden Anmeldung sind ausdrücklich nicht sirupähnliche Substanzen wie z.B. Ahornsirup und Honig.“
- Bei „Sirup“ im Sinne des Klagegebrauchsmusters handelt es sich danach um eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs, die durch Kochen oder andere Techniken, vor allem durch enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser etc. gewonnen wird.
- Unter einer dickflüssigen, konzentrierten Lösung in diesem Sinne (vgl. auch Abs. [0022]) bzw. eingedickten Lösung (vgl. Abs. [0023]), versteht der Fachmann jedenfalls eine solche Lösung, die die typische Konsistenz eines Sirups hat, z.B. eine solche wie der in der Gebrauchsmusterbeschreibung erwähnte „M Glukosesirup“ (Abs. [0023], [0097], [0099]).
- Richtig ist, dass es im Rahmen des vorliegenden Sachanspruchs nicht darauf ankommt, wie der Sirup hergestellt wird bzw. hergestellt worden ist. Der Klagegebrauchsmusteranspruch verlangt jedoch, wovon das Landgericht mit Recht ausgegangen ist, als Sirup „eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs“. Durch das bloße Vermischen von Zucker und Wasser wird eine solche dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers nicht erhalten. Das Klagegebrauchsmuster geht gerade davon aus, dass der klagegebrauchsmustergemäße Sirup aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser erst durch Kochen oder andere Techniken, insbesondere durch enzymatische Spaltungsprozesse, gewonnen wird (Abs. [0020]). Zudem beanstandet das Klagegebrauchsmuster an bloßen Mischungen aus Kristallzucker und Wasser als nachteilig, dass diese nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit haben (vgl. Abs. [0006]). Gegenüber einem solchen Produkt aus Kristallzucker und Wasser zeichnet sich das erfindungsgemäße Basismaterial, das aus Pulver und Sirup besteht, durch eine hohe Haltbarkeit aus (vgl. Abs. [0052]).
-
bb)
Nach dem hier geltend gemachten Schutzanspruch muss es sich bei dem Sirup ferner zwingend um einen „Hexosesirup“ handeln (Merkmal 4). Was es unter einem „Hexosesirup“ versteht, erläutert die Klagegebrauchsmusterschrift in ihrem Absatz [0022]. Dort heißt es: - „Ein „Hexosesirup“ ist im Kontext der vorliegenden Erfindung ein Sirup, welcher als Hauptbestandteil Hexose-Zucker (Einfach- oder Mehrfachzucker) enthält. Bevorzugt handelt es sich dabei um Glukosesirup oder Fruktosesirup oder um eine Mischung aus diesen beiden Sirups. Ganz besonders bevorzugt ist Glukosesirup. …“
- Als einen bevorzugten Sirup und Hexosesirup sieht das Klagegebrauchsmuster, wie sich bereits aus der vorzitierten Beschreibungsstelle ergibt, „Glukosesirup“ an (vgl. ferner Ansprüche 3 und 9 sowie Absätze [0013], [0020], [0023], [0031], [0037], [0039], [0041], [0043], [0051], [0053], [0077], [0087], [0094], [0097], [0099]). Nach der in Absatz [0023] enthaltenen Definition dieses Begriffs ist „Glukosesirup“
- „… eine aus Stärke durch enzymatische Aufspaltung gewonnene eingedickte Lösung, die ein Gemisch verschiedener Einfach- und Mehrfachzucker enthält. Einer der Hauptbestandteile ist Glukose (Traubenzucker). Glukosesirup enthält neben Glukose als Einfachzucker nicht selten auch hohe Anteile an Maltose, Maltotriose und Oligosacchariden (z. B. M Glukosesirup 43º oder 45º).“
- Nach den weiteren Erläuterungen der Klagegebrauchsmusterschrift enthält Glukosesirup in der Regel von 79 bis 82 % Trockensubstanz, die wiederum aus 15 bis 19 % Glukose, 11,5 bis 15,5 % Maltose, 11 bis 14% Triosen und 51 bis 62,5 % Oligo-/Polysacchariden besteht (Abs. [0043]). So enthält z.B. der in Absatz [0023] der Gebrauchsmusterbeschreibung in Bezug genommene „M Glukosesirup 43º“ nach den Angaben der Klagegebrauchsmusterschrift 79 bis 80 % Trockensubstanz, die aus 15 bis 19 % Glukose (Dextrose), 11,5 bis 15,5 % Maltose, 11 bis 14% Maltotriose und 51,5 bis 62,5 % Oligo-/Polysacchariden besteht (Abs. [0099]). Dies stimmt in etwa mit der von der Klägerin als Anlage K 19 überreichten, allerdings erst ab 01.03.2008 gültigen Herstellerspezifikation überein, nach der „M Glukosesirup 43º“ 79 bis 80 % Trockensubstanz enthält, bestehend aus 16 bis 18 % Glukose (Dextrose), 13 bis 16 % Maltose, 12 bis 14,5 % Maltotriose und 51,5 bis 59 % Oligo-/Polysacchariden.
- Den letzteren Beschreibungsstellen (Abs. [0023], [0043], [0099]) entnimmt der Fachmann, dass ein Glukosesirup im Sinne des Klagegebrauchsmusters neben dem Monosaccharid Glukose auch Oligo- bzw. Polysaccharide (Mehrfach- bzw. Vielfachzucker) enthalten kann. Von dem Begriff „Oligo-/Polysaccharide“, die in einem gebrauchsmustergemäßen Hexosesirup enthalten sein können, wird der Fachmann auch „Disaccharide“ (Zweifachzucker) wie beispielsweise Saccharose (auch: Haushaltszucker, Kristallzucker oder Zucker) als umfasst ansehen.
-
cc)
Wird ein Glukosesirup als Hexosesirup verwandt, wird der Fachmann im Hinblick auf die Erläuterungen in der Klagegebrauchsmusterschrift erwarten, dass sich ein solcher Sirup dadurch auszeichnet, dass Glukose einer der Hauptbestandteile des Sirups ist (vgl. Abs. [0023]). Wie ausgeführt, enthält Glukosesirup nach der Klagegebrauchsmusterbeschreibung in der Regel 79 bis 82 % Trockensubstanz, die aus 15 bis 19 % Glukose besteht (Abs. [0043], [0099]). Um den Hauptbestandteil, d.h. den mengenmäßig wichtigsten Bestandteil muss es sich, wie sich aus den Absätzen [0043] und [0099] der Gebrauchsmusterbeschreibung ergibt, bei Glukose aber nicht handeln. -
dd)
Nach den Angaben in der Klagegebrauchsmusterschrift (Abs. [0023]) verhindert der bevorzugt als Sirup in dem Basismaterial enthaltene Glukosesirup in Lebensmitteln u.a. das Auskristallisieren von Saccharose bei der Herstellung von Hartkaramellen und verlängert die Frischhaltung von Weichkaramellen, Fondant sowie Gummi- und Schaumzuckerwaren. Das gebrauchsmustergemäße Basismaterial ist nach den Vorteilsangaben der Gebrauchsmusterschrift insbesondere dann lange haltbar, wenn der Sirup in dem Basismaterial Glukosesirup ist (Abs. [0051]). Das Klagegebrauchsmuster schreibt dem Sirup dabei allgemein eine vorteilhafte Konservierungswirkung zu, wodurch das Basismaterial einen langzeitkonservierenden Effekt auf Nahrungsmittel und andere verderbliche Produkte hat, in denen es eingesetzt wird (Abs. [0074]). Zwar ist in diesem Zusammenhang in der Gebrauchsmusterbeschreibung (Abs. [0073]) zunächst davon die Rede, dass das erfindungsgemäße Basismaterial „bevorzugt“ die Funktion anderer Bestandteile des Endprodukts übernimmt, insbesondere die Funktion von Konservierungsmitteln. In dem nachfolgenden Absatz (Abs. [0074]) wird die „Konservierungswirkung des Sirups“ jedoch ohne jeden Vorbehalt als ein „weiterer Vorteil des Sirups“ hervorgehoben. Darüber hinaus ist der bevorzugte Glukosesirup nach den Vorteilsangaben in der Klagegebrauchsmusterschrift in der Lage, alle in der Gebrauchsmusterschrift (Abs. [0033]) genannten Stärkemehle zu binden (Abs. [0037]). -
ee)
Wie ausgeführt, handelt es sich bei „Sirup“ im Sinne des Klagegebrauchsmusters um eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs, die durch Kochen oder andere Techniken, vor allem durch enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser etc. gewonnen wird. - Der Schutzanspruch 8 schützt zwar das „fertige“ Produkt (z.B. Nahrungsmittel). In diesem liegt der Basismaterial-Bestandteil Sirup nicht mehr als eine dickflüssige Lösung vor. Gleichwohl wird der Fachmann den hier geltend gemachten Schutzanspruch aber dahin verstehen, dass bei der Herstellung des Produkts zwingend eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs zum Einsatz gekommen ist bzw. vorgelegen hat. Daraus, dass in dem das Produkt betreffenden Schutzanspruch ein Basismaterial des Produkts angesprochen ist, aus dem das Produkt besteht und die Hauptbestandteile dieses Basismaterials in ihrer (ursprünglichen) Reinform beschrieben werden, lässt sich hingegen weder herleiten, dass in dem fertigen Produkt nur Inhaltsstoffe identifizierbar sein müssen, welche in einem Hexosesirup enthalten sind bzw. sein können, noch bedeutet dies, dass es letztlich allein darauf ankommt, dass das Produkt nur die Sacheigenschaften aufweisen muss, die ein gebrauchsmustergemäßes Basismaterial bzw. Produkt aus diesem Material nach den Angaben der Klagegebrauchsmusterschrift aufweist.
- Zwar kommt letzteres bei Schutzansprüchen, die verfahrensartige Merkmale enthalten in Betracht. Ein Patentanspruch, der auch verfahrensartige Merkmale, enthält, kann ein product-by-process-Anspruch bzw. Sachanspruch mit product-by-process-Merkmalen sein. „Product-by-process“-Ansprüche zeichnen sich dadurch aus, dass der Patentschutz zwar auf eine Sache gerichtet, die patentgeschützte Sache jedoch – insgesamt oder teilweise (BGH, GRUR 2005, 749, 750 f. – Aufzeichnungsträger) – durch das Verfahren zu seiner Herstellung umschrieben ist (Senat, Urt. v. 15.03.2018 – I-2 U 24/17, GRUR-RS 2018, 7207 Rn. 57 – Dauerbackware). Wird ein Erzeugnis derart durch ein Herstellungsverfahren definiert, ist Gegenstand des Patentanspruchs trotz der Umschreibung durch das Herstellungsverfahren das Erzeugnis als solches (BGH, GRUR 1993, 651, 655 – Tetraploide Kamille; Urt. v. 29.09.2016 – X ZR 58/14, BeckRS 2016, 117599 Rn. 8; Urt. v. 16.04.2024 – X ZR 28/22 – Pulsationsdämpfer; Senat, Urt. v. 15.03.2018 – I-2 U 24/17, GRUR-RS 2018, 7207 Rn. 57 – Dauerbackware). In dieser Art der Umschreibung liegt nicht zwangsläufig eine Bestimmung des Schutzes für das Erzeugnis durch den zu seiner Kennzeichnung angegebenen Verfahrensweg (BGH, GRUR 1993, 651, 655 – Tetraploide Kamille; Urt. v. 29.09.2016 – X ZR 58/14, BeckRS 2016, 117599 Rn. 8; Senat, Urt. v. 15.03.2018 – I-2 U 24/17, GRUR-RS 2018, 7207 Rn. 57 – Dauerbackware). Vielmehr ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu ermitteln, ob und inwieweit sich aus dem angegebenen Herstellungsweg durch diesen bedingte Merkmale des daraus erhaltenen Erzeugnisses ergeben, die das Erzeugnis als anspruchsgemäß qualifizieren (BGH, GRUR 2001, 1129, 1133 – Zipfelfreies Stahlband; GRUR 2005, 749, 750 f. – Aufzeichnungsträger; Urt. v. 29.09.2016 – X ZR 58/14, BeckRS 2016, 117599 Rn. 8; Senat, Urt. v. 15.03.2018 – I-2 U 24/17, GRUR-RS 2018, 7207 Rn. 57 – Dauerbackware m.w.N.). Maßgebend ist dabei – wie stets – wie der angesprochene Fachmann die Angaben zum Herstellungsweg versteht und welche Schlussfolgerungen er hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit der auf diesem Wege herstellbaren Sache zieht (BGH, GRUR 2001, 1129, 1133 – Zipfelfreies Stahlband; Senat, Urt. v. 15.03.2018 – I-2 U 24/17, GRUR-RS 2018, 7207 Rn. 57 – Dauerbackware). Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch für Gebrauchsmusteransprüche (zu „product-by-process“-Gebrauchsmusteransprüchen vgl. Loth/Loth, GebrMG, 2. Aufl., § 12a Rn. 250 ff.). Bloße Angaben zur Herstellung eines Erzeugnisses im Rahmen eines Schutzanspruches werden grundsätzlich nicht von § 2 Nr. 3 GebrMG erfasst (vgl. Stief/Bühler in: Haedicke/Timmann PatR-HdB, 2. Aufl., § 17 Rn. 42 m.w.N.).
- Ob der hier geltend gemachte Schutzanspruch, der nicht wie ein typischer product-by-process-Anspruch formuliert ist, als Sachanspruch mit product-by-process-Merkmalen eingestuft werden kann, mag dahinstehen. Ebenso kann offen bleiben, ob ein solcher Anspruch hier zulässig wäre. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, dient die Formulierung eines Schutzanspruchs als „product-by-process“-Anspruch zwar regelmäßig allein der Kennzeichnung des schutzrechtsgemäßen Erzeugnisses und bringt keine Beschränkung auf Erzeugnisse zum Ausdruck, die tatsächlich mittels der im Schutzanspruch geschilderten Vorgehensweise hergestellt worden sind. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn sich im Einzelfall aus der gebotenen (sachgerechten) Auslegung des Schutzanspruchs unter Berücksichtigung der Patentbeschreibung Hinweise auf eine Beschränkung des geschützten Gegenstands auf den zu seiner Kennzeichnung herangezogenen Herstellungsweg ergeben (Senat, Urt. v. 15.03.2018 – I-2 U 24/17, GRUR-RS 2018, 7207 Rn. 73 – Dauerbackware, m.w.N.). Schlägt sich das Herstellungsverfahren in Eigenschaften nieder, die nur auf diesem Weg erreicht werden können, ist das Schutzrecht im Ergebnis dennoch auf Erzeugnisse beschränkt, die auf diesem Weg hergestellt worden sind (BGH, Urt. v. 16.04.2024 – X ZR 28/22 – Pulsationsdämpfer). So verhält es sich hier.
- Der angesprochene Fachmann entnimmt der Klagegebrauchsmusterschrift, dass das Produkt in jedem Fall unter Verwendung eines Sirups hergestellt wird, den das Klagegebrauchsmuster als eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs definiert, die durch Kochen oder andere Techniken, vor allem durch enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser etc. gewonnen wird. Bei diesem Sirup handelt es sich um einen zwingenden Hauptbestandteil des Basismaterials, aus dem das Produkt bestehen soll. Dem Sirup, insbesondere dem bevorzugten Glukosesirup, schreibt das Klagegebrauchsmuster bestimmte Wirkungen und Vorteile zu. Unter anderem misst es dem Sirup als solchem eine „Konservierungswirkung“ bei. Der Fachmann geht deshalb davon aus, dass bei der Herstellung des Produkts ein Sirup, wie er in der Klagegebrauchsmusterschrift beschrieben ist, zugegeben wird.
-
ff)
Wird ein gebrauchsmustergemäßer Hexosesirup nachträglich mit Zucker vermischt, wird der Zucker allein hierdurch – selbst wenn er sich durch das Vermischen mit dem Sirup löst – nicht Bestandteil des Sirups. In diesem Verständnis, das bereits aus der dargestellten Definition des Sirups im Klagegebrauchsmuster folgt, sieht sich der Fachmann durch den bereits erwähnten Absatz [0059] bestätigt. An dieser Beschreibungsstelle geht das Klagegebrauchsmuster davon aus, dass das Basismaterial mit Zucker vermengt wird, ohne dass der Zucker hierdurch selbst Bestandteil des Basismaterials wird, wenn es heißt: - „Insbesondere können durch Verkneten des Basismaterials mit Fetten (…), Ölen, Glycerin, Wein- und/oder Zitronensäure, Gewürzen, Kräutern, Zucker, Salz, Kakao, Alkoholaromen und/oder Ölsaaten (…) sofort verzehrfertige bzw. gebrauchsfertige Produkte hergestellt werden. ….“
- (Hervorhebungen hinzugefügt)
- Auch wenn ein anspruchsgemäßer Glukosesirup Saccharose enthalten kann (siehe oben unter bb)), folgt aus deren Vorhandensein im fertigen Produkt somit nicht, dass es sich hierbei um einen Bestandteil des Glukosesirups handeln muss. Dies ist nach dem dargestellten Verständnis des Begriffs Sirup vielmehr nur dann der Fall, wenn die Saccharose Bestandteil einer dickflüssigen, konzentrierten Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs geworden ist, die durch Kochen oder andere Techniken, vor allem durch enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser etc. gewonnen worden ist.
- B.
- Hiervon ausgehend lässt sich nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Schutzanspruchs 8 des Klagegebrauchsmusters in der hier geltend gemachten Fassung wortsinngemäß Gebrauch macht.
- Auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin ist bereits nicht festzustellen, dass die angegriffene Ausführungsform zu mindestens 50 Gew.-% aus einem Basismaterial im Sinne der Merkmalsgruppe 3 besteht und damit das Merkmal 2 verwirklicht.
-
1.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform aus den in der Zutatenliste genannten Substanzen besteht und dass die Zutaten grundsätzlich in der Reihenfolge ihres mengenmäßigen Anteils absteigend aufgelistet werden. Die Zutatenliste wird nachfolgend nochmals eingeblendet: - Darüber hinaus ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die von der Klägerin vorgenommene Untersuchung des nicht angegriffenen Produkts „E.“ sich jedenfalls im Grundsatz auf die angegriffene Ausführungsform übertragen lässt, wobei der Unterschied darin liegt, dass der „E.“ eine flüssigere Konsistenz aufweist und dementsprechend einen höheren Anteil an Wasser enthält. Die in Anlage K 6 ausgewiesenen Untersuchungsergebnisse werden nachfolgend auszugsweise eingeblendet:
-
2.
Nachdem die Beklagten die Untersuchungsergebnisse selbst nicht in Zweifel ziehen, lässt sich zunächst feststellen, dass das fertige Produkt ein Pulver im Sinne des Merkmals 3 a) enthält, nämlich Stärke mit einem Anteil von 2,1 Gew.-% der untersuchten Trockenmasse des fertigen Produkts. -
Zwischen den Parteien ist darüber hinaus unstreitig, dass – wie es sich auch aus der Zutatenliste ergibt – das fertige Produkt Glukosesirup, also einen Sirup im Sinne des Merkmals 3 b), enthält. Bestandteil des Glukosesirups ist nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien jedenfalls die in der Anlage K 6 mit einem Anteil von
3,4 Gew.-% ausgewiesene Glukose. Zwischen den Parteien ist jedoch streitig, in welcher Menge Glukosesirup in dem Produkt vorhanden ist sowie ob und in welchem Umfang weiterer Zucker Bestandteil des Glukosesirups ist. -
3.
Wie das Landgericht in dem angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, ist die in der Zutatenliste in Bezug genommene Menge des Glukosesirups schon nach ihrer Stellung erst nach dem Hauptbestandteil „Zucker“ – und damit diesen mengenmäßig unterschreitend – jedenfalls nicht ausreichend, um gemeinsam mit der Stärke und ggf. einer funktionellen Komponente mindestens 50 Gew.-% des Produkts auszumachen. Ebenfalls nicht ausreichend ist die Menge der in dem Untersuchungsbericht nachgewiesenen Glukose (3,4 Gew.-%), die, wie bereits ausgeführt, nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien jedenfalls dem Glukosesirup zuzuordnen ist. Auch wenn man das Verhältnis von Saccharose zu Dextrose (3,2-fach) in dem M Glukosesirup 43° auf die Messergebnisse gemäß Anlage K 6 überträgt und von einem 3,2-fachen Saccharoseanteil (10,88 Gew.-%) im Verhältnis zu Glukose (3,4 Gew.-%) ausgeht, gelangt man nicht annähernd zu einem Anteil der Bestandteile eines möglichen Basismaterials an dem fertigen Produkt in Höhe von mindestens 50 Gew.-%. An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn man auch den nachgewiesenen Maltoseanteil (2,8 Gew.-%) zu dem Ergebnis addiert. Auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts (LG-Urteil S. 14–16), die der Senat teilt und gegen die sich die Klägerin in der Berufungsinstanz auch nicht wendet, wird zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen Bezug genommen. - Soweit das Landgericht weiter darauf abstellt, dass eine Ausweisung von Glukosesirup als Zucker in der Zutatenliste der Zuckerartenverordnung zuwiderlaufen würde (LG-Urteil S. 16), kann offen bleiben, ob sich hieraus ableiten lässt, dass Glukosesirup nicht in einer höheren Menge enthalten sein kann als derjenigen, die sich aus der Stellung in der Zutatenliste ergibt. Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin kann aus den Vorgaben der Verordnung jedenfalls zu ihren Gunsten nichts herleiten.
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4.
Die Klägerin stützt ihren Berufungsangriff darauf, dass die mit einem Anteil von
63,7 Gew.-% in der Trockenmasse des untersuchten Produkts vorhandene Saccharose – zumindest teilweise – einen Bestandteil des Glukosesirups bildet und diesem mengenmäßig zuzuschlagen ist. Auch mit diesem Vorbringen ist es der Klägerin jedoch nicht gelungen, die Verwirklichung des Merkmals 2 aufzuzeigen. - Nach der dargetanen Auslegung muss bei der Herstellung des Produkts zwingend ein Sirup, also eine dickflüssige, konzentrierte Lösung eines Zuckers oder Zuckeraustauschstoffs zum Einsatz gekommen sein bzw. vorgelegen haben, die durch Kochen oder andere Techniken, insbesondere durch enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser gewonnen worden ist, verwendet werden. Die in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Saccharose müsste demnach selbst Bestandteil eines in diesem Sinne verstandenen Sirups geworden sein. Dass dies der Fall ist, lässt sich bereits dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen.
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a)
Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die in der angegriffenen Ausführungsform vorhandene erhebliche Menge an Zucker durch Kochen oder andere Techniken, insbesondere durch enzymatische Spaltungsprozesse bereits bei der erstmaligen Herstellung von Glukosesirup dessen Bestandteil wird, dass also der Haushaltszucker mit dem unstreitig in geringer Menge vorhandenen Glukosesirup nicht nur nachträglich vermischt wird. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie vielmehr ausdrücklich erklärt, dass sie nicht wisse, ob die erhebliche Menge Saccharose von Anfang an Teil des Glukosesirups werde oder ob der Zucker nachträglich hinzugegeben werde. -
b)
Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung darauf hingewiesen hat, der Haushaltszucker werde Bestandteil des Sirups, wenn „der Sirup bei Zugabe von Haushaltszucker diesen assoziert und auflöst, was gegebenenfalls zusätzlich mildes Erhitzen erforderlich macht“, handelt es sich um allgemeine Ausführungen ohne erkennbaren Bezug zur angegriffenen Ausführungsform. Dass bei Herstellung der angegriffenen Ausführungsform im Anschluss an die Zugabe von Haushaltszucker ein mildes Erhitzen dieser Zutaten erfolgt, hat die Klägerin weder schlüssig dargetan noch unter Beweis gestellt. -
c)
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beklagten erklärt, dass bei Herstellung der angegriffenen Ausführungsform Saccharose in Form von Puderzucker nachträglich mit dem in geringer Menge vorhandenen Glukosesirup vermischt werde. Die Klägerin ist diesem Vorbringen nicht entgegengetreten und hat es sich damit zumindest hilfsweise zu eigen gemacht, wobei sie erklärt hat, durch ein solches Vermischen sowie durch die Restfeuchte im Produkt löse sich zumindest ein signifikanter
– zur Erreichung eines anspruchsgemäßen Gewichtsverhältnisses des Basismaterials ausreichender – Teil der beigemischten Saccharose. Die Beklagten haben dagegen vorgetragen, dass der Puderzucker in dem fertigen Produkt weiterhin in nicht gelöster (fester) Form vorhanden sei und von dem Glukosesirup allenfalls teilweise „benetzt“ werde. - Es kann indes dahinstehen, ob und in welchem Umfang sich die Saccharose im Herstellungsprozess der angegriffenen Ausführungsform löst und ob sich demnach – was ebenfalls streitig und von keiner Partei untersucht worden ist – in dem fertigen Produkt noch kristalline Strukturen von Saccharose finden lassen oder nicht. Selbst wenn man unterstellt, dass sich die Saccharose vollständig oder in einem für das anspruchsgemäße Gewichtsverhältnis ausreichenden Maße löst, lässt sich auf der Grundlage dieser Darstellung die Verwirklichung von Merkmal 2 nicht feststellen. Nach der oben dargetanen Auslegung reicht das bloße Vermischen von Zucker mit Glukosesirup nicht aus, um das vermischte Produkt – selbst wenn sich der Zucker gelöst hat – als Glukosesirup im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters anzusehen. Dass es sich insgesamt um eine dickflüssige, konzentrierte Lösung handelt, welche durch Kochen oder andere Techniken, insbesondere enzymatische Spaltungsprozesse, aus zuckerhaltigen Flüssigkeiten wie Zuckerwasser etc. gewonnen worden ist, ist auf dieser Grundlage nicht feststellbar.
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d)
Eine andere Sichtweise ist schließlich nicht unter Berücksichtigung der Behauptung der Klägerin geboten, wonach Saccharose zwingend auskristallisieren würde, wenn sie nicht Bestandteil des Glukosesirups wäre. Bei der angegriffenen Ausführungsform kristallisiert Zucker auch nach längerer Zeit – insoweit unstreitig – nicht aus. - Mit der genannten Behauptung greift die Klägerin ihren Vortrag auf, wonach sich die Saccharose vollständig oder zu einem erheblichen Teil im vorhandenen Sirup oder durch die Restfeuchte löst und dadurch – ihrem Verständnis folgend – „Bestandteil“ des Glukosesirups wird. Wie bereits erläutert, misst das Klagegebrauchsmuster dem Begriff des Sirups jedoch eine andere Bedeutung bei und reicht die Behauptung eines bloßen Lösens des Zuckers nicht aus, um den im fertigen Produkt vorhandenen Zucker als dem anspruchsgemäßen Hexosesirup zuzurechnenden Teil ansehen zu können.
- Dass der in der angegriffenen Ausführungsform enthaltene Zucker nicht auskristallisiert und somit eins der vom Klagegebrauchsmuster erstrebten Ziele erreicht wird, entbindet nicht von der Darlegung der Merkmalsverwirklichung. Schon auf der Grundlage des eigenen Vorbringens der Klägerin lässt sich die Auskristallisation des Zuckers schließlich auch auf anderem Weg als durch die Verwirklichung sämtlicher Merkmale des Klagegebrauchsmusters verhindern, nämlich durch ein Vermischen von Glukosesirup mit Zucker.
- III.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
- Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).