Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3389
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Oktober 2024, Az. 4b O 19/23
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines durch das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – die Ordnungshaft zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten, zu unterlassen,
- a) gegenüber der Online-Plattform A im Rahmen eines von A zur Verfügung gestellten Beschwerdeverfahrens Beschwerden an A zu richten und/oder richten zu lassen mit der Behauptung, das von der Klägerin auf der Handelsplattform A eingestellte Angebot des nachfolgend wiedergegebenen „B-Entsafters“ mit der ASIN: XXX verletze mittelbar Anspruch 15 des Patents EP 2 621 XXX B1 oder die Ansprüche des Patents DE 10 2014 111 XXX B4 der Beklagten:
- b) gegenüber der Online-Plattform A im Rahmen eines von A zur Verfügung gestellten Beschwerdeverfahrens Beschwerden an A zu richten und/oder richten zu lassen mit der Behauptung, das von der Klägerin auf der Handelsplattform A eingestellte Angebot des nachfolgend wiedergegebenen „B-Entsafters“ mit der ASIN: XXX verletze das Patent DE 10 2014 111 XXX B4 unmittelbar oder mittelbar die Patente EP 2 813 XXX B1, EP 2 698 XXX B1, EP 2 630 XXX B1 oder EP 2 621 XXX B1 der Beklagten:
- 2. an die Klägerin 36.398,64 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. April 2023 zu zahlen.
- II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
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IV. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,00 EUR, wobei für die Zwangsvollstreckung einzelner Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
– Tenor zu I. 1. dieses Urteils: 250.000 EUR
– Tenor zu I. 2. und III. dieses Urteils: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages - Tatbestand
- Die Klägerin macht gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf Unterlassung sowie Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz und Kostenerstattung geltend.
- Die Klägerin ist ein im Online-Vertrieb tätiges Unternehmen mit Schwerpunkt im Vertrieb von Küchengeräten und Zubehör für derartige Geräte. Hierzu gehört unter anderem der Entsafteraufsatz mit der Bezeichnung „B Entsafter“, der in den Varianten für die Küchengeräte „C“ der Beklagten sowie für das von dem Discounter D vertriebene Küchengerät mit der Bezeichnung „E“ angeboten wird. Für den Vertrieb ihrer Produkte bedient sich die Klägerin insbesondere der Online-Plattform A unter www.A.de.
- Die Beklagte gehört zu der F-Gruppe aus XXX, die unter anderem den „C“ vertreibt, ein Küchengerät, das thermisch Lebensmittel behandelt und gleichzeitig eine Mixvorrichtung aufweist. Die Beklagte ist Inhaberin der Patente EP 2 813 XXX B1, EP 2 698 XXX B1, EP 2 630 XXX B1 und EP 2 621 XXX B1. Ferner ist die Beklagte Inhaberin des deutschen Patents DE 10 2014 111 XXX B4 (im Folgenden: Streitpatent).
- Für den „C“ der Beklagten ist der Entsafteraufsatz der Klägerin auf der Plattform A unter der ASIN XXX (im Folgenden bezeichnet als B 1), für das von D vertriebene Gerät E unter der ASIN XXX (im Folgenden bezeichnet als B 2) erhältlich (gemeinsam als B bezeichnet). Bei dem B 1 handelt es sich um einen Zwischenaufsatz, der auf den Originaldeckel des C-Gerätes gestellt wird und mit dem beispielsweise Früchte entsaftet werden können. Dazu wird Wasser im C erhitzt und Früchte oder Ähnliches in dem – auch als „G“ bezeichneten und von der Beklagten angebotenen – Aufsatz erhitzt. Der Saft aus den aufgeplatzten Früchten läuft in den B 1 und kann mittels eines am unteren Rand der Entsaftungsschale angebrachten Schlauchstutzens aus der Entsaftungsschale auslaufen und darüber aufgefangen werden.
- Der B 2 ist dem B 1 in Form und Funktionalität sehr ähnlich. Es handelt sich auch dort um einen Zwischenaufsatz, der auf den Originaldeckel des E gestellt wird und mit dem Früchte oder Ähnliches entsaftet werden können.
- Die Beklagte erwirkte durch eine über das Meldesystem bei A abgegebene Beschwerde unter Berufung auf ihre oben genannten Patente eine vorübergehende Sperrung der Angebote der Klägerin betreffend beide Varianten des B. Die Klägerin wurde mit E-Mail vom 1. September 2022 (Anlage K 7) von A zunächst darüber informiert, dass die Beklagte über ihren Patentanwalt, Herrn Dr. XXX, in Bezug auf den B 1 eine Beschwerde wegen angeblicher Verletzung des Streitpatents eingereicht habe. Mit weiterer E-Mail von A vom 14. September 2022 (Anlage K 8) wurde die Klägerin darüber informiert, dass das entsprechende Angebot von A entfernt worden sei, weil eine zweite Beschwerde der Beklagten gegen das Produkt vorliege wegen angeblicher mittelbarer Verletzung des Anspruchs 15 des Patents EP 2 621 XXX B1. Das Produkt der Klägerin war von diesem Tag an ab 19:00 Uhr als „inaktiv“ (nicht zugelassen) in der Nutzungsverwaltung der Klägerin angezeigt.
- Entsprechend ging die Beklagte gegen den B 2 vor. Ebenfalls am 1. September 2023 (Anlage K 9) erhielt die Klägerin eine E-Mail, mit der sie darüber informiert wurde, dass der Patentanwalt der Beklagten auch gegen dieses Produkt eine Beschwerde wegen angeblicher unmittelbarer Verletzung des Patents Streitpatents und mittelbarer Verletzung der Patente EP 2 813 XXX B1, EP 2 698 XXX B1, EP 2 630 XXX B1 und EP 2 621 XXX B1 der Beklagten eingereicht habe. In diesem Fall erfolgte die Sperrung sofort am 1. September 2021.
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Die Klägerin erwirkte gegen die Beklagte mit den Beschlüssen der Kammer vom 22. September (Az. 4b O 67/22) und vom 29. September 2022 (Az. 4b O 68/22) einstweilige Verfügungen, mit denen der Beklagten jeweils entsprechend den Klageanträgen zu 1.1.1 und 1.1.2 aufgegeben wurde, es zu unterlassen, unter Berufung auf ihre Patentrechte die Sperrung von Angebotsseiten auf der Handelsplattform A zu erwirken sowie die insoweit an A gerichteten Beschwerden zurückzuziehen.
Eine Freischaltung der Angebote sowohl für den B 1 als auch für den B 2 erfolgte am 27. September 2022 um 19:00. Ab dem 28. September 2022 waren die Produkte dann wieder abrufbar. Da die Klägerin dasselbe Produkt während des Sperrzeitraums nicht erneut schalten konnte, war ihr der Vertrieb ihrer Produkte auf A während der Sperrung nicht möglich. - Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 8. November 2022 zur Abgabe einer Abschlusserklärung sowie zum Ersatz des von ihr konkret bezifferten Schadens auf, worauf die Beklagte jedoch nicht reagierte.
- Die Klägerin meint, dass ihr die Beklagte zur Unterlassung verpflichtet und die Wiederholungsgefahr mangels Abgabe einer Abschlusserklärung nicht ausgeräumt sei.
- Sie ist der Auffassung, dass ihr ein entsprechender Anspruch aus §§ 8, 3, 4 Nr. 4 UWG unter dem Gesichtsprunkt der unlauteren Behinderung zustehe sowie aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Denn sie sei daran gehindert worden, die streitgegenständlichen Produkte über den A XXX anzubieten, obwohl diese rechtlich einwandfrei seien. Damit liege eine Beeinträchtigung vor, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgehe und bestimmte Unlauterkeitsmerkmale aufweise. Denn die Beklagte habe ihre angeblichen Ansprüche nicht gerichtlich durchzusetzen versucht – was ihr nicht gelungen wäre – sondern habe A als Werkzeug eingeschaltet. Dabei habe die Intention der Beklagten darin bestanden, eine Sperrung der Angebote der Klägerin zu erwirken und die Auswirkungen der Sperrung seien für die Klägerin mindestens so einschneidend gewesen wie eine der staatlichen Hoheitsgewalt vorbehaltene Verfügungsuntersagung.
- Dass sie – die Klägerin – sich dem Meldesystem von A unterworfen habe, stehe der Unlauterkeit nicht entgegen. Denn es sei unmöglich, sich diesem System zu entziehen. Außerdem sei dem nicht der Erklärungswert zu entnehmen, dass Händler auf A die Sperrung aufgrund von unzutreffenden Meldungen von Schutzrechtsverletzungen hinzunehmen hätten.
- A nehme eine Sperrung ohne eigene Prüfung vor, um sich der Haftung als Plattformbetreiber nach Art. 6 Digital Services Act, vormals Art. 14 E-Commerce-RL, zu entziehen. Genau darauf habe die Meldung der Beklagten abgezielt. Danach müsse der Plattformbetreiber bei entsprechender Meldung „zügig tätig werden, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen“, anderenfalls verliere er seine Haftungsprivilegierung. Entsprechend sei bei allen Online-Handelsplattformanbietern eine schnelle Sperrung nach einer sogenannten Infringement-Meldung ohne nähere Prüfung die Regel. Eine komplexe patentrechtliche Prüfung werde von A nicht vorgenommen und sei auch gar nicht möglich, weil sich die Meldungen im Wesentlichen in der Angabe der Produkte und der angeblich verletzten Schutzrechte erschöpften. All dies habe die Beklagte auch gewusst.
- Die Meldung gegenüber A sei rechtswidrig erfolgt, weil sie – die Klägerin – die von der Beklagten angegebenen Schutzrechte nicht verletze. Dies gelte insbesondere für das Streitpatents, für das allein die Beklagte überhaupt noch von einer Verletzung ausgehe. Eine Verletzung scheide bereits deshalb aus, weil es bei dem B gar nicht vorgesehen sei, dass über die im darüber liegenden G bzw. anderweitigen Aufsatz befindlichen Früchte noch weitere Medien eingefüllt werden, so dass es der in dem Streitpatentgeforderten Beabstandung gar nicht bedürfe. Darüber hinaus weise der B keine Wechselwirkung mit der Gefäßöffnung auf und diese werde nicht einmal teilweise verschlossen, so dass es an dem nach dem Streitpatentgeforderten teilweisen Verschließen der Durchgangsöffnung fehle. Außerdem seien keine Abstandselemente vorhanden, so dass kein Einlassspalt zum Zweck des Einfüllens ausgebildet werde. Der B 1 werde formschlüssig gehalten und liege vollumfänglich auf dem Gefäßdeckel auf. Selbst wenn sich aufgrund von Fertigungstoleranzen ein eigentlich unerwünschter Spalt zwischen dem Aufsteckkragen und dem Deckelkragen einstellen sollte, könne dieser nicht zum patentgemäß verlangten Einführen von Medien genutzt werden. Auch der Stutzen könne nicht als Abstandselement angesehen werden, weil er nicht nach unten in Richtung des Gefäßdeckels vorstehe und zudem die Unterseite des B 1 vollumfänglich auf dem hochstehenden Rand des Gefäßdeckels aufliege. Der in seiner Funktionalität ähnliche B 2 verletze das Streitpatent aus den gleichen Gründen ebenfalls nicht. Insbesondere bei der Benutzung des B 2 für das Küchengerät E sei keine Beabstandung zum Deckel und damit auch kein Einlassspalt vorhanden.
- Die Klägerin meint, dass ihr neben dem Unterlassungsanspruch auch ein solcher auf Ersatz des ihr entstandenen Schadens zustehe. Dieser belaufe sich auf XXX EUR für den B 1 und auf XXX EUR für den B 2 wegen des ihr im Zeitraum der Sperrung entgangenen Gewinns. Insbesondere in der sogenannten „Beerenzeit“, also den Monaten Juli, August und September habe sie eine erhöhte Anzahl an Entsaftern über A verkauft. Eine in diesem Zeitraum erhöhte Nachfrage ergebe sich aus einer Übersicht von Google-Trends, einem Online-Dienst, der Daten zu der Anzahl eingegebener Suchbegriffe bereitstelle. Die konkrete Schadenshöhe ergebe sich aus einem Vergleich mit den Verkaufszahlen der Vorjahre. Demnach ergebe sich ein Verkauf von XXX nicht retournierten Einheiten pro Tag für den B 1 und von XXX Einheiten für den B 2. In diesem Zusammenhang könne nicht davon ausgegangen werden, dass potentielle Kunden den B bei Interesse auf anderen Plattformen wie beispielsweise G gekauft hätten. Denn ein darüber stattfindender Erwerb sei bereits von den Voraussetzungen des Versands, der Vermarktung und dem Kundenzuspruch in keiner Weise mit A vergleichbar. Auch könne nicht von einer Sättigung des Marktes durch Verkäufe in den Vorjahren oder Vormonaten ausgegangen werden. Vielmehr seien die Vertriebszahlen des B wegen seiner steigenden Bekanntheit und weiteren Verbreitung des C stetig gestiegen.
- Darüber hinaus sei die Beklagte ihr auch zur Erstattung der ihr entstandenen außergerichtlichen Rechts- und Patentanwaltskosten verpflichtet.
- Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne die Erstattung der ihr entstandenen Kosten in Höhe von 10.339,43 EUR für die gegenüber der Beklagten erfolgten Abmahnungen unter Anrechnung der hälftigen Verfahrensgebühr verlangen. Konkret seien ihr Kosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 250.000,00 EUR zzgl. Auslagen und MwSt. entstanden. Außerdem könne sie den Ersatz der ihr für das Abfassen eines Abschlussschreibens entstandenen Rechts- und Patentanwaltskosten in beiden Verfahren auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von ebenfalls 250.000,00 EUR verlangen. Bei der Bearbeitung sowohl der Abmahnungen als auch des Abschlussschreibens sei die Beteiligung eines Rechts- und eines Patentanwalts notwendig gewesen.
- Die Klägerin beantragt,
- I. die Beklagte zu verurteilen,
- 1. es bei Meidung eines durch das Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – die Ordnungshaft zu vollziehen an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten, zu unterlassen,
- a) gegenüber der Online-Plattform A im Rahmen eines von A zur Verfügung gestellten Beschwerdeverfahrens Beschwerden an A zu richten und/oder richten zu lassen mit der Behauptung, das von der Klägerin auf der Handelsplattform A eingestellte Angebot des nachfolgend wiedergegebenen „B-Entsafter“ mit der ASIN: XXX verletze mittelbar Anspruch 15 das Patents EP 2 621 XXX B1 oder die Ansprüche des Patents DE 10 2014 111 XXX B4 der Beklagten:
- b) gegenüber der Online-Plattform A im Rahmen eines von A zur Verfügung gestellten Beschwerdeverfahrens Beschwerden an A zu richten und/oder richten zu lassen mit der Behauptung, das von der Klägerin auf der Handelsplattform A eingestellte Angebot des nachfolgend wiedergegebenen „B-Entsafters“ mit der ASIN: XXX verletze das Patent DE 10 2014 111 XXX B4 unmittelbar oder mittelbar die Patente EP 2 813 XXX B1, EP 2 698 XXX B1, EP 2 630 XXX B1 oder EP 2 621 XXX B1 der Beklagten:
- 2. an die Klägerin 57.623,03 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte meint, dass der Klägerin wettbewerbsrechtliche Ansprüche bereits deshalb nicht zustünden, weil die von ihr – der Beklagten – getätigten Meldungen gegenüber A nicht unlauter gewesen seien. Der Beklagten sei es bei der Meldung an A allein darum gegangen, ihre Schutzrechte vor der Verletzung durch die Klägerin zu schützen, nicht aber um die gezielte Behinderung der Klägerin.
- Die Meldungen könnten nicht als Schutzrechtsverwarnungen klassifiziert werden. Mit der Meldung gegenüber A erkläre der Schutzrechtsinhaber lediglich, dass er der Meinung sei, dass seine Schutzrechte verletzt würden. Dem schließe sich eine durch A vorgenommene Prüfung an, auf deren Ausgang der Schutzrechtsinhaber keinen Einfluss habe. A verspreche in diesem Rahmen, mit geeigneten Maßnahmen zu reagieren, zu denen auch die Entfernung betreffender Produkte gehören könne. Durch die Meldung werde also keine willkürliche Sperrung oder ein Automatismus in Gang gesetzt. Damit beinhalte die Meldung an A kein ernsthaftes Unterlassungsbegehren, wie es Voraussetzung für eine Schutzrechtsverwarnung sei. Außerdem habe sie – die Beklagte – als Schutzrechtsinhaberin ein legitimes Interesse daran, A ihre Auffassung zur Schutzrechtslage mitzuteilen. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang, dass jeder Verkäufer mit der Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den bei A bestehenden Meldemechanismus einwillige. Die Klägerin habe sich damit den Spielregeln As unterworfen und sich daher zum Teil ihrer Rechte begeben.
- Es sei davon auszugehen, dass A eine eigene Prüfung durchführe. Sollte dies nicht der Fall sein, könne das nicht der Beklagten angelastet werden. Hinzu komme, dass eine Meldung bei A immer nur diesen Betriebskanal betreffe und damit ein Unterlassungsverlangen hinsichtlich der in §§ 9, 10 PatG benannten Benutzungshandlungen nicht umfasse. Die Meldung sei insofern lediglich mit dem Rechtsinstitut einer Berechtigungsanfrage vergleichbar, nicht aber mit einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung.
- Außerdem seien die Meldungen berechtigt gewesen, weil die Produkte der Klägerin jedenfalls von der Lehre des Anspruchs 1 des Streitpatents Gebrauch machten.
- Die Beklagte meint, dass das von dem Streitpatentgeforderte „teilweise Verschließen“ die Art und Weise des Verschlusses offen lasse und keine Vorgaben dahingehend mache, an welcher Stelle oder auf welche Weise dieser zu erfolgen habe. Ferner sei im Hinblick auf das nach der erfindungsgemäßen Lehre erforderliche Abstandselement entscheidend, dass dieses eine Beabstandung des Abdeckteiles von dem Gefäßdeckel bewirke. Weitere Merkmale, wie das Vorhandensein eines „Einlassspalts“, dürften in den Anspruch nicht hineingelesen werden.
- Die Beklagte meint, dass sowohl der B 1 als auch der B 2 Anspruch 1 des Streitpatents verwirklichten. Denn die abstrakte Eignung dieser Produkte reiche für eine Verletzung aus, auf eine bestimmungsgemäße Verwendung komme es nicht an. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der B Entsafter für den C auch auf den E aufgesetzt werden könne und umgekehrt. Der B 1 verfüge über einen Auslass in Form eines Stutzens, der auf dem Gefäßdeckel des C aufsitze und dazu führe, dass der B nicht vollständig auf dem Gefäßdeckel aufliege. Dadurch werde sogar der von der Klägerin geforderte „Einlassspalt“ gebildet. Der B 2 verfüge über einen abgesetzten Kragen, der auf dem Gefäßdeckel des E aufliege, so dass ein Abstand zwischen dem B 2 und dem Gefäßdeckel und damit auch hier ein „Einlassspalt“ entstehe. Beide Varianten des B wiesen zudem eine Belüftungsöffnung auf.
- Für einen Schadensersatzanspruch fehle es zudem an dem erforderlichen Verschulden. Sie – die Beklagte – habe evident nicht vorsätzlich gehandelt. Es sei auch nicht fahrlässig gewesen, eine mögliche Rechtsverletzung gegenüber A anzuzeigen. Sollte A die Sperrung daraufhin willkürlich vorgenommen haben, sei ihr – der Beklagten – dies nicht anzulasten.
- Die Beklagte hält außerdem den von der Klägerin geltend gemachten entgangenen Gewinn für übersetzt. Sie meint, dass die Verkaufszahlen aus dem Vorjahr – also aus 2021 – nicht übertragen werden könnten, weil dann der nach der Markteinführung eines neuen Produkts eintretende Sättigungseffekt unberücksichtigt bleibe. Sie meint außerdem, dass es eine „Beerenzeit“ nicht gebe, weil im Handel ganzjährig Beeren verfügbar seien. Darüber hinaus seien die Angaben zur Eingabe von Suchbegriffen nicht aussagekräftig, da sie starken Schwankungen unterlägen.
- Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass potentielle Kunden entweder die kurze Sperrfrist abgewartet oder die Verletzungsprodukte schlicht aus einer der zahlreichen anderen Quellen bezogen hätten, als sie vorübergehend nicht auf A verfügbar gewesen seien. Die Produkte der Klägerin würden darüber hinaus auch über andere Vertriebskanäle verkauft, wie beispielsweise über G-Shops und verschiedene Internetshops. Daher sei davon auszugehen, dass potentielle Kunden den B bei Nichtverfügbarkeit auf A über einen dieser anderen Shops beziehen würden.
- Die Beklagte meint, dass die Klägerin den Gegenstandswert bei der Berechnung der erstattungsfähigen Rechts- und Patentanwaltskosten zu hoch angesetzt habe. Der Gegenstandswert sei entsprechend dem Verfügungsverfahren maximal mit 100.000,00 EUR anzusetzen, unter Berücksichtigung des von der Klägerin geltend gemachten Schadens von etwa 37.000,00 EUR sogar noch deutlich niedriger. Hinsichtlich des Abschlussschreibens sei nicht von der Klägerin dargelegt worden, ob diese einen über die Vertretung im Verfügungsverfahren hinausgehenden Auftrag erteilt habe. Anzusetzen sei darüber hinaus nur eine Geschäftsgebühr in Höhe von 0,3. Dies führe zu einem Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.229,28 EUR nebst Auslagen und Mehrwertsteuer. Sowohl bei der Erstattung der Gebühren für die Abmahnungen als auch für das Abschlussschreiben sei zu berücksichtigen, dass das Hinzuziehen sowohl eines Rechts- als auch eines Patentanwalts nicht notwendig gewesen sei und daher entsprechende Kosten nicht erstattet werden könnten.
- Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen XXX. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. August 2024 verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Meldung gegenüber A, dass der „B-Entsafter“ mit der ASIN: XXX und jener mit der ASIN: XXX die in den Anträgen näher bezeichneten Schutzrechte verletze, aus § 8 Abs.1 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG wegen gezielter Behinderung zu. Ferner steht der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 20.603,28 EUR aus § 9 Abs. 1 UWG und auf Erstattung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 10.336,36 EUR sowie auf Ersatz der ihr entstandenen Kosten für das Abschlussschreiben in Höhe von 5.459,00 EUR aus §§ 9 Abs. 1, 13 Abs. 3 UWG zu.
-
A
Die Klägerin hat einen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte. -
I.
Der Anwendungsbereich des § 8 Abs.1 S. 1 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 4 UWG ist bei einer wie hier vorliegenden, sogenannten „Infringement“-Meldung einer – angeblichen – Schutzrechtsverletzung an Internetplattformbetreiber mit anschließender Sperrung („notice and take down“) eröffnet. - Inwiefern daneben ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB wegen des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in Frage kommt (so LG Hamburg, Beschl. v. 02.03.2018, Az. 308 O 63/18, in BeckRS 2018, 5654, Rz. 6; LG München I, Urt. v. 14.10.2021, Az. 7 O 12732/20, in GRUR-RS 2021, XXX05, Rz. 47; KG Berlin, Urt. v. 12.05.2022, Az. 5 U 139/19, in GRUR-RS 2022, 22121, Rz. 88 ff.), kann offenbleiben. Denn unabhängig davon, ob derartige Infringement-Meldungen ihrer allgemeinen Natur nach geeignet sind, entsprechend den Grundsätzen der unberechtigten Abnehmerverwarnung Ansprüche nach § 823 Abs. 1, § 1004 BGB zu begründen, können sie zumindest unter dem Gesichtspunkt von § 8 Abs. 1 S. 1 UWG geprüft werden, soweit sie wegen Herabsetzung, Anschwärzung oder gezielter Behinderung nach § 4 UWG unlauter sein können (OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.08.2021, Az. 6 U 188/21, in GRUR-RS 2021, 62026, Rn. 30). Derartigen materiell-rechtlichen Ansprüchen liegt kein anderer Lebenssachverhalt zugrunde, so dass sie keinen gesonderten Streitgegenstand bilden. Sie werden auch durch Ansprüche wegen Eingriffs in den eingereichten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht verdrängt (siehe BGH, GRUR 2024, 1129, Rn. 112 – Verwarnung aus Kennzeichenrecht III).
-
II.
Bei der Klägerin handelt es sich um eine Mitbewerberin der Beklagten im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG. - Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG ist „Mitbewerber“ jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Das ist hier der Fall, da sowohl die Klägerin als auch die Beklagte Zubehör für Küchenmaschinen anbieten, zu denen insbesondere das Zubehör für den von der Beklagten vertriebenen „C“ gehört.
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III.
Die angegriffenen Meldungen der Beklagten an A sind geschäftliche Handlungen i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG. - Eine geschäftliche Handlung liegt demgemäß in jedem Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen unmittelbar und objektiv zusammenhängt.
- Dies ist hier der Fall. Die von der Beklagten getätigten Meldungen sind – zumindest auch – darauf gerichtet, ihren eigenen Absatz zu fördern, indem sie darauf abzielen, die Werbungsmöglichkeiten der konkurrierenden Klägerin zu beschränken.
- Mit der an A gerichteten Beschwerde ging zwar nicht das ausdrücklich geäußerte Verlangen einher, der Klägerin das Angebot bestimmter Produkte auf der Handelsplattform zu verwehren. Mit dem von A zur Verfügung gestellten Beschwerdeprogramm wird Verkäufern die Möglichkeit gegeben, A über angebliche Schutzrechtsverletzungen zu informieren. Das Beschwerdeprogramm zielt darauf ab, A die Möglichkeit einzuräumen, bei Kenntniserlangung eines (möglicherweise) rechtswidrigen Inhalts zügig tätig zu werden, um die nach Art. 6 des Gesetzes über digitale Dienste (VO (EU) 2022/2065, im Folgenden: DSA) bestehende Haftungsprivilegierung zu bewahren. Nach Art. 6 DSA haftet ein Diensteanbieter nur dann nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen, sofern er keine tatsächliche Kenntnis von einer rechtswidrigen Tätigkeit oder rechtswidrigen Inhalten hat und sich in Bezug auf Schadenersatzansprüche auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen eine rechtswidrige Tätigkeit oder rechtswidrige Inhalte offensichtlich hervorgeht, Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSA. Sobald er jedoch diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, muss er zügig tätig werden, um den Zugang zu den rechtswidrigen Inhalten zu sperren oder diese zu entfernen, Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSA. Zu diesem Zweck haben Hostingdiensteanbieter gemäß Art. 16 DSA ein Melde- und Abhilfeverfahren einzurichten. Wird über ein solches Verfahren eine Meldung gemacht, bewirkt diese, dass von einer tatsächlichen Kenntnis oder einem Bewusstsein in Bezug auf die betreffende Einzelinformation nach Art. 6 DSA auszugehen ist, siehe Art. 16 Abs. 3 DSA. Allein eine hinreichend klare Meldung löst damit über Art. 16 Abs. 3 DSA kraft Gesetzes Kenntnis von der Rechtswidrigkeit eines vermittelten Inhalts aus (NK-DSA/F. Hofmann, 1. Aufl. 2023, DSA Art. 6 Rn. 52). Daraufhin wird vom Diensteanbieter nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) DSA ein auf die Entfernung oder Sperrung des rechtswidrigen Inhalts gerichtetes Tätigwerden verlangt, wobei diese Verpflichtung faktisch zur Durchführung einer summarischen Plausibilitätsprüfung des jeweiligen Inhalts führt (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, 15. Ed. 1.7.2024, DSA Art. 6 Rn. 55). Das Tätigwerden hat nach Art. 6 Abs. 1 lit. b) zügig zu erfolgen. Auch wenn dem Diensteanbieter eine angemessene Reaktionsfrist ab dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung zuzubilligen ist, präzisiert das Gesetz nicht, was unter einer zügigen Reaktion zu verstehen ist (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, a.a.O., Rn. 58).
- Nicht geregelt sind die Rechtsfolgen einer „zu schnellen“ oder einer „unrichtigen“ Löschung oder Sperrung durch den Diensteanbieter. Insoweit kann eine zügige, aber im Ergebnis zu Unrecht erfolgte Entfernung eines rechtmäßigen Inhalts auf die Anwendung des Art. 6 DSA keinen Einfluss nehmen, weil der Haftungsausschluss lediglich eine Haftung für gespeicherte, nicht aber für rechtswidrig gelöschte Inhalte betrifft. Eine vorauseilende Sperrung kann allerdings einen Verstoß gegen Art. 14 Abs. 4 DSA darstellen mit der Folge, dass sowohl ein Anspruch auf Wiederherstellung des gesperrten Inhalts als auch weitergehende Schadensersatzansprüche in Betracht kommen. Hierneben kann eine voreilige Sperrung oder Löschung auch einen Verstoß gegen Art. 16 Abs. 6 S. 1 DSA darstellen; demgemäß sind Entscheidungen über gemeldete Inhalte sorgfältig, frei von Willkür und objektiv zu treffen (BeckOK IT-Recht/Sesing-Wagenpfeil, a.a.O., Rn. 60).
- Da nur eine zügige Entscheidung die Aufrechterhaltung des Haftungsprivilegs nach Art. 6 DSA gewährleistet, wohingegen die Durchführung einer sorgfältigen Prüfung naturgemäß einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt und sich der Diensteanbieter damit der Gefahr ausgesetzt sieht, sein Haftungsprivileg zu verlieren, ist zu erwarten, dass der Diensteanbieter einer zügigen Entscheidung den Vorrang einräumt. Dies gilt vor allem bei der Meldung einer Patentverletzung, die in der Regel eine umfangreiche Prüfung erfordert. Vor diesem Hintergrund musste die Beklagte damit rechnen, dass A einer zügigen Entscheidung den Vorrang einräumen und die Angebote der Klägerin sperren würde. Zudem meldete die Beklagte gegenüber A den (möglichen) Verstoß gegen eine Vielzahl ihrer Schutzrechte. Dies spricht ebenfalls dafür, dass es der Beklagten darum ging, die Klägerin gegenüber A als hartnäckige Schutzrechtsverletzerin darzustellen mit dem Ziel der Entfernung der gemeldeten Angebote. Dass es der Beklagten hingegen nicht darum ging, mit der Klägerin in einen Dialog zu treten, ist daran erkennbar, dass sie von einer direkten Kontaktaufnahme, die ihr ohne weiteres möglich gewesen wäre, absah.
-
IV.
Die von der Beklagten getätigten Meldungen sind unzulässig gemäß § 3 Abs. 1 UWG, weil sie eine unlautere, gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG darstellen. -
1.
Eine unlautere gezielte Behinderung von Mitbewerbern nach § 4 Nr. 4 UWG setzt eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber voraus, die zusätzlich zu der mit jedem Wettbewerb verbundenen Beeinträchtigung weitere Merkmale aufweist, damit von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden kann. Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können (BGH, GRUR 2002, 902, 905 – Vanity-Nummer; GRUR 2009, 878, Rn. 13 – Fräsautomat; GRUR 2017, 397, Rn. 49 – World of Warcraft II; GRUR 2018, 317, Rn. 12 – Portierungs-Auftrag; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.08.2021, 6 U 188/21, in GRUR-RS 2021, 62026, Rn. 35). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen der Mitbewerber, Verbraucher und sonstiger Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit zu beurteilen (BGH, GRUR 2015, 607, Rn. 16; GRUR 2017, 397 Rn. 49 – World of Warcraft II; OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.08.2021, 6 U 188/21, Rn. 35). Die Schwelle der als bloße Folge des Wettbewerbs hinzunehmenden Behinderung ist überschritten, wenn das betreffende Verhalten bei objektiver Würdigung der Umstände auf die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltung des Mitbewerbers und nicht in erster Linie auf die Förderung des eigenen Wettbewerbs gerichtet ist (vgl. BGH, GRUR 2008, 917, Rn. 23 – EROS). Hat eine Handlung bei objektiver Betrachtung nachteilige Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen, die so erheblich sind, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des Gesetzes von den Marktteilnehmern nicht hingenommen werden müssen, dann ist diese ebenfalls als unlauter anzusehen (BGH, GRUR 2007, 800, Rn. 21 – Außendienstmitarbeiter). -
2.
In der Meldung der Beklagten gegenüber A liegt eine die Unlauterkeit begründende Maßnahme. Die von der Beklagten gegenüber A getätigte Infringement-Meldung erfolgte unberechtigt, weil die angegriffenen Produkte die Patente der Beklagten nicht verletzten und die Beklagte die von ihr behauptete Schutzrechtsverletzung nicht überprüfen ließ. -
a)
Ob jede Infringement-Meldung, die sich als objektiv unberechtigt darstellt, weil es bei zutreffender rechtlicher Bewertung an einer Schutzrechtsverletzung fehlt, den Tatbestand der gezielten Behinderung erfüllt, ist bislang nicht höchstrichterlich entschieden. - Bejaht wurde dies vom Oberlandesgericht Düsseldorf in einem Fall, in dem der Schutzrechtsinhaber sein Schutzrecht im Rahmen eines verifizierten Rechteinhaberprogramms, das keine internen Prüfpflichten vorsieht, anmeldet und so seinen Lizenznehmern die Möglichkeit eröffnet, unrechtmäßige Beanstandungen auszusprechen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015 – I-15 U 140/14, in GRUR-RR 2016, 344). Außerdem entschied das Landgericht Hamburg, dass die Einreichung einer Beschwerde bei A im Rahmen des „notice and take down“-Verfahrens eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung darstelle, wenn der geltend gemachte Geschmacksmusterschutz nicht bestehe (LG Hamburg, Beschl. v. 02.03.2018, 308 O 63/18, Rn. 15 f.). Auch das LG München I entschied, dass eine unberechtigte Schutzrechtsverletzungsanzeige gegenüber A wie eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung zu behandeln sei (LG München I, Urt. v. 14.10.2021, 7 O 12732/20, Rn. 50).
- Eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung ist nicht nur in Gestalt einer Abnehmerverwarnung möglich, sondern auch in Form einer unberechtigten Mitteilung über eine von dem Mitbewerber begangene Schutzrechtsverletzung an den Betreiber einer Internethandelsplattform, mit der letzterer dazu veranlasst wird, das von der vermeintlichen Schutzrechtsverletzung betroffene Angebot des Mitbewerbers zu sperren. Denn auch mit dieser Vorgehensweise greift der Schutzrechtsinhaber über einen Dritten, der weder ein gesteigertes Eigeninteresse an der sachlichen Prüfung der Berechtigung der geltend gemachten Schutzrechtsverletzung und einer Auseinandersetzung mit dem Schutzrechtsinhaber noch die Möglichkeit zur eingehenden Prüfung der Berechtigung des geltend gemachten Anspruches hat, und der an ihn herangetragenen Aufforderung zur Sperre eines Angebotes daher regelmäßig zunächst Folge leisten wird, in die Absatzbemühungen des Mitbewerbers ein (KG Berlin, a.a.O., Rn. 92; siehe auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.12.2015 – I-15 U 140/14, in GRUR-RR 2016, 344, Rn. 44).
- Auch wenn ein von einem Hostingdiensteanbieter implementiertes Meldeverfahren grundsätzlich dem Zweck dient, den Inhabern von immateriellen und gewerblichen Schutzrechten die Möglichkeit zu eröffnen, etwaige mit dem Vertrieb rechtsverletzender Ware verbundene Eingriffe in ein zu ihren Gunsten bestehendes Schutzrecht schnell und unkompliziert zu unterbinden (KG Berlin, a.a.O., Rn. 104), ist die Nutzung der damit verbundenen Mechanismen zum Zwecke der Durchsetzung der eigenen Rechtsposition in besonderem Maße dazu geeignet, den Warenabsatz des Mitbewerbers auch aufgrund zu Unrecht erhobener Beanstandungen einzuschränken. Die Anzeige einer Schutzrechtsverletzung gegenüber dem Plattformbetreiber begründet die nicht fernliegende Gefahr, dass diese vom Plattformbetreiber ohne nähere Prüfung zum Anlass genommen wird, den Mitbewerber zumindest einstweilen von dem Vertrieb bestimmter Ware über die Handelsplattform auszuschließen. Der Betreiber der Internethandelsplattform, der damit rechnen muss, bei einem fortgesetzten Vertrieb rechtsverletzender Ware selbst vom Rechteinhaber auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden, wird – anders als derjenige, der die in Rede stehende Schutzrechtsverletzung begangen haben soll – ein nur geringes Interesse daran haben, eine an ihn gerichtete Aufforderung, ein bestimmtes Angebot zu sperren, unbeachtet zu lassen, sofern diese Aufforderung gewissen – vom Pattformbetreiber vorgegebenen – Mindestanforderungen genügt. Er verfügt ferner regelmäßig nicht über alle Informationen, die ihm eine zuverlässige Prüfung der Rechtsbeständigkeit des geltend gemachten Schutzrechts und des Vorliegens eines Eingriffs in dessen Schutzbereich ermöglichen und kann eine solche Prüfung ohnehin nur im Rahmen des Zumutbaren leisten. Es liegt daher nahe, dass der Mitbewerber zunächst – gleichsam auf „Zuruf“ – mit dem beanstandeten Angebot von der Nutzung der Internethandelsplattform ausgeschlossen wird (KG Berlin, a.a.O., Rn. 105). Die mit der Sperrung des beanstandeten Angebots einhergehende Unterbrechung eines für ein im Online-Handel tätiges Unternehmen wichtigen Vertriebsweges kann zu einer nicht unerheblichen Störung des Warenabsatzes führen, der geeignet ist, relevante Umsatzeinbußen und einen Verlust des Vertrauens bereits gewonnener Kunden in die Redlichkeit und Lieferfähigkeit des von der Angebotssperrung betroffenen Unternehmens nach sich zu ziehen. Hinzu kommt, dass der Anbieter einer Internethandelsplattform eine wiederholte Anzeige von Schutzrechtsverletzungen zum Anlass für die Sperrung des gesamten Kundenkontos nehmen kann (KG Berlin, a.a.O. Rn. 106 zum VeRi-Programm von G). Demgegenüber hat es der Schutzrechtsinhaber in der Hand, den vermeintlichen Rechtsverletzer zunächst mit einer entsprechenden Abmahnung oder Verwarnung unmittelbar auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen und etwaige Einwände des Anspruchsgegners hiergegen auf ihre Stichhaltigkeit hin zu überprüfen, bevor er ein drittes Unternehmen in die Durchsetzung der ihm nach seinem Dafürhalten zustehenden Rechte einbezieht. Dies ist mit Rücksicht darauf, dass sich der Inhaber eines Schutzrechtes grundsätzlich auch bei der Verfolgung seiner Rechte unter Berücksichtigung der Belange des potentiellen Rechtsverletzers auf die hierzu notwendigen Mittel zu beschränken hat, auch regelmäßig geboten (KG Berlin, a.a.O. Rn. 108).
- So liegt der Fall auch hier. Die Absatzbehinderung der Klägerin durch eine auf Grund der Schutzrechtslage unbegründete oder wegen ihres sonstigen Inhalts oder der Form nach unzulässige Äußerung der Beklagten gegenüber A über (vermeintliche) Schutzrechtsverletzungen überschreitet die dem Schutz gewerblicher Schutzrechte gesetzten Grenzen und braucht von der Klägerin daher nicht hingenommen zu werden.
- Wie bei der Abnehmerverwarnung hat auch A kein gesteigertes Interesse an einer Auseinandersetzung mit der Frage der Patentverletzung. Es ist davon auszugehen, dass A eine gemeldete Patentverletzung nicht im Detail prüft. Insofern wird ergänzend auf die obigen Ausführungen verwiesen, nach denen bei einer nicht zügig erfolgten Reaktion das Haftungsprivileg As gefährdet ist (siehe oben, Ziff. III.). Darüber hinaus ist die von der Beklagten getätigte Meldung so allgemein gehalten, dass sie eine detaillierte Prüfung schon gar nicht erlaubt und dem Plattformbetreiber bereits deshalb Veranlassung gibt, das Angebot ohne nähere Prüfung zu entfernen, um der eigenen Haftung zu entgehen. Insofern liegt auch eine zu dem vom Kammergericht entschiedenen Fall in Bezug auf das VeRi-Verfahren vergleichbare Konstellation vor.
- Vor diesem Hintergrund kann sich die Beklagte nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass sie nur eine Meldung hinsichtlich einer möglichen Schutzrechtsverletzung gemacht und sich auf eine detaillierte Prüfung As verlassen habe. Denn der meldende Schutzrechtsinhaber kann sich nicht seiner Verantwortung dadurch entziehen, dass er gegenüber Dritten eine – nicht bestehende – Schutzrechtsverletzung behauptet, und dann auf die Eigenverantwortlichkeit des Dritten verweist. Als Schutzrechtsinhaber fällt es in seine Verantwortung, wenn er von dem von A angebotenen „notice and take down“-Verfahren Gebrauch macht, ohne den Gegner zuvor direkt abzumahnen und mithilfe eines weniger informierten Dritten eine Angebotsentfernung mitursächlich veranlasst.
-
b)
Der Einstufung des Vorgehens der Beklagten als unlauter steht nicht entgegen, dass die Beklagte bei der Anzeige der Schutzrechtsverletzung „subjektiv redlich“ gehandelt hätte. - Eine unberechtigte Verwarnung oder Anzeige der Verletzung eines Schutzrechtes verstößt nicht erst dann gegen § 4 Nr. 4 UWG, wenn der Verwarner von seiner mangelnden Berechtigung weiß. Es genügt vielmehr, dass er Anlass hatte, die Voraussetzungen der von ihm behaupteten Schutzrechtsverletzung kritisch zu prüfen und sich – etwa durch die Einholung fachkundigen Rechtsrates – nähere Kenntnis von der Sach- und Rechtslage zu verschaffen und eine solche Prüfung unterblieben ist (Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Omsels, 5. Aufl. 2021, UWG § 4 Rn. 496). Die mit einer Abnehmerverwarnung oder vergleichbaren Anzeige einer Schutzrechtsverletzung gegenüber Dritten, die der Mitbewerber in den Vertrieb der als rechtsverletzend beanstandeten Ware eingebunden hat, einhergehenden besonderen Gefahren für das Unternehmen des Mitbewerbers machen auch dann, wenn die Bestandskräftigkeit eines zugunsten des Verwarnenden eingetragenen Registerrechts keinen ernsthaften Zweifeln unterliegt, eine sorgfältige Prüfung der Rechtslage erforderlich, aufgrund derer sich der Verwarner davon überzeugen konnte, dass der geltend gemachte Anspruch berechtigt ist. Unterbleibt eine solche Prüfung oder wird sie den an sie zu stellenden Anforderungen nicht gerecht, trägt der Verwarnende das hiermit verbundene Risiko, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Verwarnung objektiv rechtswidrig gewesen ist (BGH, GRUR 2018, 832, Rn. 92 – Ballerinaschuh).
- Die Beklagte hatte Anlass, vor der Infringement-Meldung gegenüber A zunächst Rechtsrat einzuholen. Wie bereits festgestellt, musste sie damit rechnen, dass die Meldung zu einer Sperrung der gemeldeten Angebote der Klägerin führen kann. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Beklagte die (mögliche) Verletzung einer Vielzahl von Schutzrechten anzeigte. Denn die Prüfung einer möglichen Patentrechtsverletzung setzt eine umfassende Prüfung voraus, so dass bei einer Vielzahl möglicher verletzter Schutzrechte umso weniger von einer solchen Prüfung durch A ausgegangen werden kann.
- Hier wurde die Infringement-Meldung zwar nicht von der Beklagten oder einer ihrer Mitarbeiter selbst getätigt, sondern sie hat sich dazu der Mithilfe des Patentanwalts Dr. XXX bedient. Es ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dieser eine inhaltliche Prüfung aller angegebenen Schutzrechte durchgeführt hätte. Dies lässt sich bereits aus dem Umstand schließen, dass von den in der Meldung angegeben fünf Schutzrechten vier offensichtlich nicht verletzt worden sind.
-
c)
Die Meldung gegenüber A erfolgte objektiv rechtswidrig, da eine Verletzung der geltend gemachten Patente nicht vorliegt. -
aa)
Die Beklagte hat hinsichtlich der in ihrer „Infringement“-Meldung genannten Schutzrechte EP 2 813 XXX B1, EP 2 698 XXX B1, EP 2 630 XXX B1 und EP 2 621 XXX B1 im hiesigen Rechtsstreit nicht den Versuch unternommen, eine Schutzrechtsverletzung zu begründen. Allein im Hinblick auf das Streitpatent meint sie, dass Angebot und Vertrieb der angegriffenen Produkte eine unmittelbare Verletzung darstellten. Dem kann nicht gefolgt werden. -
(1)
Das Streitpatent betrifft ein Abdeckteil, insbesondere einen Messbecher, zum teilweisen Verschließen einer Durchgangsöffnung eines Gefäßdeckels eines Küchengerätes, Abs. [0001] des Streitpatents (alle folgenden, nicht näher bezeichneten Absätze sind solche des Streitpatents). - Abdeckteile der vorgenannten Art seien laut Beschreibung des Streitpatents im Stand der Technik hinreichend bekannt und dienten dem teilweisen Verschließen einer Durchgangsöffnung eines Gefäßdeckels von Küchengeräten, beispielsweise elektromotorisch angetriebenen Küchenmaschinen mit einem Rührgefäß und einem Deckel. Es sei bekannt, dass der Gefäßdeckel eine Durchgangsöffnung aufweise, durch die beispielsweise im Zuge der Zubereitung einer Speise Zutaten zugeführt werden könnten. Insbesondere während eines Rühr- und/oder Garprozesses erweise es sich dabei als zweckmäßig, die deckelseitige Durchgangsöffnung abzudecken. Diesem Zweck diene das Abdeckteil, das die Durchgangsöffnung nur teilweise verschließe, um so ein Entlüften bzw. eine Druckentlastung, insbesondere im Zuge eines Garprozesses, zu ermöglichen, siehe Absatz [0002].
- Hinsichtlich des vorbekannten Standes der Technik verweist das Streitpatent zunächst auf die DE 10 2010 017 XXX A1, die ein Abdeckteil für ein elektromotorisch angetriebenes Küchengerät mit einem Rührgefäß und einem Gefäßdeckel offenbare, wobei der Gefäßdeckel eine Durchgangsöffnung aufweise, die mit dem Abdeckteil teilweise verschließbar sei. Das Abdeckteil weise einen ringförmigen Randbereich auf, welcher so in Kontakt mit dem Gefäßdeckel stehe, dass zwischen Randbereich und Gefäßdeckel ein Einlassspalt entstehe, Absatz [0003]. Daneben sei aus der CN 2 XXX 324 Y ein Abdeckteil bekannt, das bündig in eine Durchgangsöffnung eines Gefäßdeckels eingesetzt werde und eine Öffnung zum Zugeben von Zutaten in das Gefäß aufweise, Absatz [0004]. Daneben werde in der EP 2347 XXX A1 ein Abdeckteil für eine Saftpresse vorgeschlagen, das becherförmig ausgebildet sei und in eine zylindrische Öffnung der Saftpresse eingesetzt werde, Absatz [0005].
- Obwohl sich die bekannten Abdeckteile im Stand der Technik bewährt hätten, könne es bei der Zugabe von Medien, insbesondere, wenn diese schnell oder in großen Mengen auf den Gefäßdeckel gegeben würden, passieren, dass der zwischen Abdeckteil und Gefäßdeckel ausgebildete Einlassspalt durch das Medium vollständig verschlossen werde und dabei der entstehende Dampf nicht mehr ungehindert entweichen könne. Dann komme es zu einem plötzlichen Anheben des Abdeckteils von dem Gefäßdeckel und es könne passieren, dass das im Bereich des Einlassspalts befindliche Medium unreguliert und schwallartig in das Gefäß ströme. Durch die plötzliche, mengenmäßig große Zugabe in die zuzubereitenden Speisen könne es zu einer Verschlechterung des Zubereitungsergebnisses kommen, Absatz [0006].
- Das Streitpatent formuliert die der Erfindung zu Grunde liegende Aufgabe dahingehend, ein Abdeckteil zum teilweisen Verschließen einer Durchgangsöffnung eines Gefäßdeckels zu schaffen, bei welchem auch bei einer Zugabe von Medium in einer solchen Menge, dass jedenfalls kurzfristig ein Ablaufvermögen des Einlassspaltes übertroffen werde, noch ein vorteilhaftes Verhalten gegeben sei, Absatz [0007].
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 ein Erzeugnis mit den folgenden Merkmalen vor:
- 1. Abdeckteil (2), insbesondere Messbecher, zum teilweisen Verschließen einer Durchgangsöffnung (5) eines Gefäßdeckels (4) eines Küchengerätes (1);
- 2. das Abdeckteil (2) weist einen ring- oder tellerförmigen Randbereich (6) auf;
- 3. der Randbereich (6) weist mindestens ein Abstandselement (7) zur Beabstandung des Abdeckteiles (2) von dem Gefäßdeckel (4) auf;
- 4. das Abdeckteil (2) weist mindestens eine Belüftungsöffnung (8) auf.
-
(2)
Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien sind die Merkmale 2 und 3 auslegungsbedürftig. -
(a)
Das Merkmal 2 sieht vor, dass das Abdeckteil einen ring- oder tellerförmigen Randbereich aufweist. - Betrachtet man das Merkmal 2 isoliert, bleibt die Funktion des Randbereichs zunächst unklar. Ein „Bereich“ zeichnet sich gerade dadurch aus, dass eine trennscharfe Abgrenzbarkeit nicht gegeben ist; die damit verbundene Funktion wird ebenso wenig deutlich. Welcher Bereich konkret der Randbereich sein soll, ergibt sich erst im Kontext mit dem Merkmal 3, das den Randbereich dahingehend spezifiziert, dass dieser mindestens ein Abstandselement zur Beabstandung des Abdeckteils von dem Gefäßdeckel aufweist.
- Funktion des Abstandselements ist es, das ansonsten mit seinem Randbereich auf dem Gefäßdeckel aufliegende Abdeckteil von dem Gefäßdeckel zu beabstanden. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Randbereich der Bereich ist, der ohne das Abstandselement auf dem Gefäßdeckel aufliegen würde. Schließlich soll gerade dieser Bereich durch das Abstandselement von dem Deckel beabstandet – mit anderen Worten angehoben – werden. Dass der Randbereich der Bereich ist, der – bei Hinwegdenken des Abstandselements – unmittelbar in Kontakt mit dem Gefäßdeckel stehen würde, zeigt auch die Figur 4. Außerdem wird die aus dem Stand der Technik vorbekannte Veröffentlichung DE 10 2010 017 XXX A1 dahingehend beschrieben, dass das Abdeckteil einen ringförmigen Randbereich aufweise, der „in Kontakt“ mit dem Gefäßdeckel stehe. In Absatz [0029] heißt es zudem, dass der Randbereich mithilfe von Abstandselementen auf den Gefäßdeckel aufgesetzt werde.
- Nach Merkmal 2 muss der Randbereich zudem entweder ring- oder tellerförmig ausgestaltet sein. Gemeint ist damit ein Rand, der eben (kreisringförmig) oder gewölbt (tellerförmig) sein kann. Verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten werden in Absatz [0010] beschrieben.
-
(b)
Nach Merkmal 3 weist der Randbereich mindestens ein Abstandselement zur Beabstandung des Abdeckteiles von dem Gefäßdeckel auf. - Räumlich-körperlich gibt die erfindungsgemäße Lehre mit dem Abstandselement ein bestimmtes Bauteil vor, wohingegen es sich bei der Formulierung „zur Beabstandung“ erneut um eine Zweckangabe handelt. Das räumlich-körperliche Merkmal „Abstandselement“ hat den technischen Zweck, dass das Abdeckteil vom Deckel beabstandet wird. Damit ist die Zielrichtung der im Begriff „Abstandselement“ enthaltenen Beabstandung festgelegt, nämlich eine Beabstandung des Abdeckteils vom Deckel. Dies macht auch die Beschreibung deutlich, in der es in Absatz [0026] heißt, dass sich der Einlassspalt „durch die Abstandselemente“ ergebe.
- Durch das Abstandselement soll die Beabstandung des – ansonsten aufliegenden – Abdeckteils bewerkstelligt werden. Funktional soll mit dem Abstandselement die Bildung eines Einlassspalts erreicht werden, wie dies vor allem in Absatz [0012] beschrieben wird. Der Einlassspalt dient dazu, insbesondere flüssige Medien in das Gefäß zu füllen, was aus dem Stand der Technik bereits bekannt war, Absatz [0003]. Mit dem Einlassspalt wird eine für den Anwender erkennbare und praktikable Möglichkeit geschaffen, vor allem flüssige Medien in das Gefäß zu füllen.
- Absatz [0012] beschreibt Füße am Randbereich als vorteilhaft zum Erreichen der Beabstandung; denkbar sind aber auch andere Ausgestaltungen in Form von Vorsprüngen, Nasen, Stegen oder dergleichen.
- Damit eine Beabstandung zu einem gedachten, flachen, flächigen, eventuell zur Mitte hin nach unten gewölbten Gefäßdeckel möglich ist, muss sich das Abstandselement unterhalb oder am äußeren Rand des Randbereichs befinden und sich nach unten hin erstrecken.
-
bb)
Weder der B 1 noch der B 2 verletzen das Streitpatent, denn beide verwirklichen nicht die Merkmale 2 und 3. -
(1)
Der B 1 weist an seiner Unterseite einen senkrechten, umlaufenden Steg auf. Selbst wenn man diesen Steg als einen ringförmigen Randbereich ansehen wollte, weist dieser Randbereich kein Abstandselement auf. Der Ablaufstutzen stellt kein solches Abstandselement dar. Er ist zum einen nicht in dem Bereich angebracht, der ohne das Abstandselement in direktem Kontakt mit dem Gefäßdeckel stehen würde. Zum anderen kann der Ablaufstutzen nicht als Abstandselement angesehen werden, weil nicht ersichtlich ist, wie dieser den B 1 in einer für den Anwender sinnvollen Weise von einem Gefäßdeckel beabstanden soll. Sofern die Beklagte auf den B 1 in der konkreten Verwendungssituation mit dem Deckel eines XXX abstellt, passt er augenscheinlich nicht zu diesem und ist auch nicht – wie vorgesehen – mittig auf diesem aufgesetzt. Doch selbst wenn man diese Benutzung ausreichen lassen würde mit der Begründung, dass eine Patentverletzung auch dann vorliegt, wenn eine Vorrichtung regelmäßig so eingesetzt wird, dass die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen nicht eintreten (BGH, Urt. v. 13.12.2005 – Az. X ZR 14/02 – Rangierkatze), würde damit nicht die Beabstandung in der Form eintreten, dass ein Einlassspalt entsteht, der in technisch sinnvoller Weise dem Anwender die Zufuhr von Gargut erlaubt – was im Übrigen bei der Verwendung des B 1 ohnehin nicht beabsichtigt ist. Hinzu kommt, dass auch ohne den Ablaufstutzen noch ein Spalt bestehen würde, so dass es gerade nicht der Stutzen ist, der den Abstand herstellt. -
(2)
Auch der B 2 weist einen umlaufenden Kragen auf, der als ring- oder tellerförmiger Randbereich angesehen werden könnte. Dieser Kragen weist zwei Durchbrechungen auf, einen für den Stutzen und einen für eine auf dem Deckel des E angeordnete Rippe. Sofern man diesen Kragen als Randbereich betrachtet, weist dieser Randbereich jedenfalls keine Abstandselemente auf. Ein Randbereich mit Unterbrechungen kann nicht allein wegen dieser Unterbrechungen als Abstandselement angesehen werden. Wollte man den Kragen selbst als Abstandselement ansehen, bleibt unklar, worin dann der Randbereich zu sehen sein soll. Außerdem liegt der B 2 mit dem Kragen rundum auf dem Deckel auf, so dass es an einer Beabstandung fehlt. Auch fehlt es an der dadurch notwendigerweise zu bildenden Beabstandung in Form eines Einlassspalts. Die Durchbrechungen des Kragens können nicht in technisch sinnvoller Weise als Einlassspalt angesehen werden. Es erschließt sich nicht, wie Gargut durch diese schmalen Öffnungen in das Gefäß eingefüllt werden soll. -
cc)
Mangels Verwirklichung der Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents fehlt es sowohl an einer unmittelbaren als auch einer mittelbaren Verletzung des Streitpatents. -
V.
Die nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr liegt vor, denn die Beklagte gab die von der Klägerin geforderte und zur Ausräumung einer Wiederholungsgefahr notwendige Abschlusserklärung nicht ab. -
B
Die Klägerin hat außerdem einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 20.603,28 EUR gegenüber der Beklagten. - Nach § 9 Abs. 1 UWG ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
-
I.
Die Beklagte handelte zumindest fahrlässig. - Im Lauterkeitsrecht ist an die Sorgfaltspflicht grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (BGH, GRUR 2002, 248, 252 – Spiegel-CD-ROM; GRUR 2002, 622, 626 – shell.de; GRUR 2002, 706, 708 – vossius.de). Schuldhaft handelt, wer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt und deshalb mit einer von seiner Einschätzung abweichenden Beurteilung der Zulässigkeit seines Verhaltens rechnen muss (vgl. BGH, NJW 2010, 2354, Rn. 32 – Restwertbörse; GRUR 2017, 734, Rn. 73 – Bodendübel; Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 42. Aufl. 2024, UWG § 9 Rn. 1.18).
- Ein Rechtsirrtum schließt nur dann ein Verschulden aus, wenn der Irrende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung der Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH, GRUR 1999, 923, 928 – Tele-Info-CD). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verletzer soll das Risiko einer zweifelhaften Rechtslage nicht dem Verletzten zuschieben können (BGH, NJW 1990, 1531, 1533 – Neugeborenentransporte; GRUR 1999, 923, 928 – Tele-Info-CD). Bei der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung ist dagegen – sofern man darin einen Verstoß gegen § 4 Nr. 4 UWG erblickt – eine mildere Beurteilung angezeigt, um den (vermeintlichen) Schutzrechtsinhaber nicht mit unübersehbaren Risiken zu belasten (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, a.a.O., Rn. 1.19).
- Hier ist auf Grund der Umstände zumindest ein fahrlässiges Handeln der Beklagten anzunehmen. Die Beklagte zeigte in ihrer Meldung die (mögliche) Verletzung diverser Schutzrechte an, zu denen neben dem hier noch weiter verfolgten Streitpatent das EP 2 813 XXX B1, EP 2 698 XXX B1, EP 2 630 XXX B1 und das EP 2 621 XXX B1 gehörten. Auf diese weiteren Schutzrechte geht die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit nicht weiter ein, woraus sich schließen lässt, dass sie die gegenüber A angezeigten Rechte schon zum Zeitpunkt der Anzeige nicht eingehend geprüft hat. Wenn sie die Rechte alle geprüft haben sollte mit dem Ergebnis, dass zumindest diese weiteren Rechte nicht verletzt waren, sie diese aber gegenüber A dennoch angab, um ihrer Meldung mehr Gewicht zu verleihen, spricht dies sogar für die billigende Inkaufnahme einer gezielten Behinderung und damit für ein vorsätzliches Verhalten.
- Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich nicht zunächst an die Klägerin wandte, wie dies bei einer Berechtigungsanfrage der Fall gewesen wäre, sondern unmittelbar an A, womit sie bewusst die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der Verletzung ihrer Rechte in Kauf nahm.
-
II.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 9 Abs. 1 UWG i.V.m. §§ 249, 252 BGB einen Anspruch auf Ersatz des ihr entgangenen Gewinns, wobei ihr gemäß § 252 Abs. 2 BGB, § 287 ZPO Beweiserleichterungen gewährt werden. -
1.
Nach § 252 S. 2 BGB ist nicht nur der Gewinn als entgangen zu ersetzen, der allgemein nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge eingetreten wäre, sondern auch derjenige, welcher nach den besonderen Umständen des Falls mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (BGH, Urt. v. 22.04.1993, Az. I ZR 52/91 – Kollektion Holiday, in GRUR 1993, 757, 758). - Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung führen die Beweiserleichterungen der § 252 BGB und § 287 ZPO dazu, dass es – anders als nach dem sonst maßgeblichen § 286 ZPO, der den Vollbeweis verlangt und hohe Anforderungen an die richterliche Überzeugung stellt – ausreicht, wenn es nach den gewöhnlichen Umständen des Falls wahrscheinlicher ist, dass der Gewinn ohne das haftungsbegründende Ereignis erzielt worden wäre, als dass er ausgeblieben wäre (BGH, Urt. v. 21.1.2016 – I ZR 90/14 – Deltamethrin II, in GRUR 2016, 860, Rz. 21 m.w.N.; BGH, Urt. v. 14.2.2008 – I ZR 135/05 – Schmiermittel, in GRUR 2008, 933, 935; BGH, Urt. v. 22.04.1993, Az. I ZR 52/91 – Kollektion Holiday, in GRUR 1993, 757, 758).
- Diese Beweiserleichterungen entbinden den Kläger aber nicht davon, die für eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit maßgeblichen, sogenannten „Anknüpfungstatsachen“ hinreichend darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Sofern sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Formulierung findet, dass an „die Darlegung solcher Anknüpfungstatsachen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen“ (beispielhaft in BGH, Urt. v. 21.1.2016 – I ZR 90/14 – Deltamethrin II, in GRUR 2016, 860, Rz. 21; BGH, Urt. v. 14.2.2008 – I ZR 135/05, in GRUR 2008, 933, 935), kann dem entnommen werden, dass die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast nicht überstrapaziert werden dürfen. Nichtsdestotrotz muss der Sachverhalt für das erkennende Gericht eine hinreichende Grundlage bilden, um eine Schätzung des Schadens vornehmen zu können.
- Der Geschädigte muss Tatsachen vortragen, die es ermöglichen zu beurteilen, ob der als Schadensersatz verlangte Betrag tatsächlich als Gewinn erzielt worden wäre, wenn der Schädiger das beanstandete Verhalten nicht vorgenommen hätte (BGH, Urt. v. 21.1.2016 – I ZR 90/14 – Deltamethrin II, in GRUR 2016, 860, Rz. 21). Auch die in den § 252 BGB und § 287 ZPO enthaltenen Beweiserleichterungen ersparen es dem Geschädigten nicht, dem Gericht eine tatsächliche Grundlage zu unterbreiten, die diesem eine wenigstens im Groben zutreffende Schätzung des entgangenen Gewinns ermöglicht (BGH, Urt. v. 21.1.2016 – I ZR 90/14 – Deltamethrin II, in GRUR 2016, 860, Rz. 21; BGH, Urt. v. 22.04.1993, Az. I ZR 52/91 – Kollektion Holiday, in GRUR 1993, 757, 758). Der Kläger muss also die für die Schätzung erforderlichen und bestrittenen Anknüpfungstatsachen beweisen, bevor auf der so gesicherten Tatsachengrundlage Schätzungen vorgenommen werden können (BGH, Urt. v. 21.1.2016 – I ZR 90/14 – Deltamethrin II, in GRUR 2016, 860, Rz. 34 m.w.N.; siehe zur Bedeutung einer gesicherten Tatsachengrundlage auch BGH, Urt. v. 6.10.2005 – I ZR 266/02 – Pressefotos, in GRUR 2006, 136, 138, Rz. 28). Es ist in diesem Zusammenhang nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin bei der Berechnung des Schadens den Gewinn zugrunde legt, den sie üblicherweise bei der Veräußerung ihrer Produkte erzielt (BGH, GRUR 1993, 757, 759 – Kollektion Holiday; WRP 2008, 1227, 1229 – Schmiermittel).
-
2.
Dass die Klägerin einen Gewinn erzielt hätte, ist überwiegend wahrscheinlich. Auf der Grundlage der von der Klägerin vorgetragenen Anknüpfungstatsachen schätzt die Kammer diesen auf 20.603,28 EUR. -
a)
Nach den Umständen des Einzelfalls erschien es vorliegend wahrscheinlicher, dass die Klägerin in der Zeit der Sperrung ihrer Angebote einen Gewinn erzielt hätte, als dass dieser ausgeblieben wäre. Denn die Verkäufe sanken in der Zeit der Sperrung – bis auf wenige Ausnahmen durch Umsätze auf der Plattform A.es – auf null, wohingegen zu erwarten gewesen wäre, dass die Klägerin in dieser Zeit auch weiterhin den B auf der Plattform A verkauft hätte. Dies ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. -
b)
Hinsichtlich der Schadenshöhe ist eine Schätzung vorzunehmen. Die Klägerin hat hinreichend zur Tatsachengrundlage vorgetragen, die eine solche Schätzung des entgangenen Gewinns nach § 252 S. 2 BGB, § 287 ZPO erlaubt. - Die Klägerin hat ihre Kalkulation jeweils für den B 1 und den B 2 offengelegt, indem sie die Erlöse angegeben und diesen die produktbezogenen Kosten gegenübergestellt hat. Auf den Hinweis der Kammer vom 8. März 2024 (Bl. 222 ff. dA) hat die Klägerin zunächst die taggenauen Erlöse für die Monate August, September und Oktober der Jahre 2021 und 2022 für den B 1 und für die Monate Juli, August, September und Oktober 2022 für den B 2 angegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Verkaufszahlen der Klägerin für den B 1 und den B 2 entsprechend der in Anlage K 22 ausgewiesenen Tabelle als Anknüpfungstatsachen zu Grunde zu legen sind. Darüber hinaus steht zur Überzeugung des Gerichts ferner fest, dass der mit dem B 1 auf A tatsächlich erzielte Gewinn im September 2022 bei XXX EUR netto für X.X verkaufte Einheiten und für den B 2 bei XXX EUR netto für XX verkaufte Einheiten im August 2022 lag. Die Angaben für September 2022 können als Grundlage für die Schätzung des entgangenen Gewinns nicht herangezogen werden, weil sich in diesem Monat für den B 2 wegen der abzuziehenden Retouren nach der Aussage des Zeugen XXX ein Verlust für die Klägerin ergab.
- Der Zeuge XXX hat im Rahmen der Beweisaufnahme zunächst angegeben, derzeit als Markenmanager bei der Klägerin tätig zu sein und im Zeitraum vom 23. Januar 2024 bis zum 9. August 2024 Geschäftsführer der Klägerin gewesen zu sein. Dies schmälert aber nicht per se seine Glaubwürdigkeit. Denn zum einen hat der Zeuge seine Tätigkeit für die Klägerin als Geschäftsführer und seine Abberufung als solcher zum Zwecke der Ermöglichung seiner Vernehmung als Zeuge unumwunden offengelegt. Zum anderen hat er insgesamt einen transparenten Einblick in sämtliche Geschäfte gegeben. Dabei legte er nicht nur die notwendigen Verkaufszahlen offen, sondern präsentierte darüberhinausgehend viele Details, zu denen die Zusammenarbeit mit dem für die Buchhaltung zuständigen Treuhänder ebenso wie die Arbeit mit Abläufen nach bestimmten Arbeitsprozessen (Standard Operating Procedure, SOP) gehört, die ein einheitliches Extrahieren der Zahlen für alle Mitarbeiter sicherstellen sollen.
- Seine Aussage ist glaubhaft. Er hat zunächst bestätigt, dass die von der Klägerin als Anlage K 22 eingereichten Verkaufszahlen von ihm erstellt worden seien und er von der Richtigkeit dieser Zahlen überzeugt sei. Es gibt keine Anhaltspunkte für das Gericht, dies in Zweifel zu ziehen. Im Hinblick auf die Gewinnberechnung legte der Zeuge dar, dass der tatsächlich erzielte Gewinn im September 2022 bei XXX EUR für den B 1 und damit noch etwas unter den in der Klageschrift angegebenen Zahlen gelegen habe. Auf Nachfrage des Gerichts hat er angegeben, dass diese Zahl den tatsächlich erzielten Gewinn genauer wiederspiegele als die in der Klageschrift vorgenommene Berechnung, weil sie nicht – wie in der Klage – von einem statischen Verkaufspreis von XXX EUR brutto für den B 1 ausgehe, sondern alle gewährten Rabatte (wie beispielsweise sogenannte „Voucher“) sowie die an A gezahlten Werbekosten berücksichtige. Gleiches gilt für den für den B 2 angegebenen netto-Gewinn von XXX EUR für den August 2022. An der Richtigkeit dieser Aussagen hat die Kammer keine Zweifel. Denn der Zeuge ist mit seiner Aussage nicht nur zu Ungunsten der Klägerin von den Gewinnangaben abgewichen, sondern hat überobligatorisch die gesamten, ihm durch das sogenannte „Sellerboard“ von A zur Verfügung gestellten Zahlen offengelegt.
- Nicht notwendig ist in diesem Zusammenhang das Offenlegen der gesamten Gewinnkalkulation (dies verlangt auch das OLG Köln in dem von der Beklagten angeführten Urteil nicht, siehe GRUR-RR 2014, 329, 330 f. – Converse AllStar).
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aa)
Für den B 1 schätzt die Kammer den durch die Sperre auf A entgangenen Gewinn der Klägerin auf 16.560,13 EUR. -
(1)
Bei der Schätzung des entgangenen Gewinns kann nicht einfach auf die durchschnittlichen Verkäufe des ganzen Jahres abgestellt werden. Selbst wenn frische Beeren dauerhaft erworben werden können, ist nachvollziehbar, dass während der „Beerenzeit“ im Spätsommer eine erhöhte Nachfrage nach Entsaftern besteht. Denn insbesondere Beeren sind im Spätsommer erntereif und können zu einem vergünstigten Preis im Handel erworben oder sogar selbst gesammelt werden. Dies bestätigen auch die Angaben von „Google Trends“ für den Suchbegriff „C Entsafter“ („und“-Verbindung), wonach die Suchanfragen im August und September höher lagen als in den Monaten davor (Anlage K 10). - Den von der Klägerin vorgelegten taggenauen Verkaufszahlen für den B 1 (Anlage K 22) lässt sich zunächst für das Jahr 2021 entnehmen, dass die durchschnittlichen Verkaufszahlen – abzüglich Retouren – im August bei XXX Stück/Tag, im September bei XXX Stück/Tag und im Oktober bei XXX Stück/Tag lagen. Eine fallende Tendenz der Verkaufszahlen ist also nicht erst zu Beginn des Oktobers, sondern bereits Mitte September zu erkennen. In dem für die Schadensberechnung zu Grunde zu legenden Zeitraum vom 14. bis zum 30. September im Jahr 2021 lagen die Verkäufe bei nur XXX Stück/Tag, während sie vom 1. bis zum 13. September 2021 bei XXX Stück/Tag lagen. Damit lagen die Verkaufszahlen in der zweiten Septemberhälfte des Jahres 2021 etwa 31 % unter den Verkaufszahlen der ersten Septemberhälfte. Im Oktober sind die Verkäufe dann weiter gesunken, und zwar auf XXX Stück/Tag in der ersten Oktoberhälfte und auf XXX Stück/Tag in der zweiten Oktoberhälfte. Damit lagen die Verkäufe im maßgeblichen Zeitraum im September (vom 14. bis 30. September) noch um 17% über den Verkäufen in der ersten Oktoberhälfte.
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(2)
Im Jahr 2022 waren die Verkaufszahlen insgesamt niedriger als im Vorjahr, was sich teilweise mit einem gewissen Sättigungseffekt erklären lässt. Teilweise ist aber auch davon auszugehen, dass ein im Vergleich zum Jahr 2021 späterer Sommer für die höheren Verkaufszahlen ursächlich war. So lagen die Verkäufe im August bei XXX Stück/Tag, für den Zeitraum vom 1. bis zum 13. September ergibt sich eine Verkaufszahl von XXX Stück/Tag. Im Oktober lagen sie hingegen über dem Vorjahresniveau, und zwar bei XXX Stück/Tag. - Es erscheint interessengerecht, jeweils ausgehend von den Verkaufszahlen der einzelnen Monate im Jahr 2021 auf die Verkaufszahlen im Jahr 2022 zu schließen. Im direkten Vergleich der einzelnen Monate fällt auf, dass die Verkaufszahlen für August und die erste Septemberhälfte des Jahres 2022 gleichbleibend niedriger waren als im gleichen Zeitraum im Jahr 2021, und zwar um 10% im August und 11% in der ersten Septemberhälfte. Insofern wird im Wege der Schätzung eine Verkaufszahl für den Zeitraum der Sperre im September 2022 durch einen Abschlag von 10 % gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr ermittelt. Daraus ergibt sich eine geschätzte Verkaufszahl von XXX Stück/Tag. Nicht in die Berechnung mit eingestellt worden sind die Verkäufe im Zeitraum vom 28. bis 30. September 2022. Diese liegen knapp unter dem hier angenommenen Wert von XXX Stück/Tag, was darauf zurückgeführt werden kann, dass der Verkauf in den ersten Tagen nach Aufhebung der Sperrung zunächst wieder anlaufen musste. Ein Abzug wegen eventueller Retouren ist nicht mehr vorzunehmen, weil die der Berechnung zu Grunde gelegten Werte bereits um die Retouren bereinigt wurden.
- Geht man in den 14 Tagen der Sperrung von einem Verkauf von XXX Stück/Tag aus, ergibt sich zunächst ein geschätzter Verkauf von (abgerundet) XXX Stück, wovon die am 14. und 15. September tatsächlich noch – auf anderen Plattformen wie A.es – stattgefundenen Verkäufe von XXX Stück abzuziehen sind, so dass eine Stückzahl von insgesamt XXX Stück verbleibt.
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(3)
Ein weiterer Abschlag ist zu machen, da es überwiegend wahrscheinlich ist, dass im Zeitraum der Sperre potentielle Kunden, die den B 1 bei A kaufen wollten, auf andere Internet-Shops ausgewichen sind, die von dem Distributor „H“ mit genau diesem Entsafter beliefert wurden. Zwar kann es für potenzielle Kunden eine gewisse Hürde darstellen, einen B 1 statt über A über einen anderen, kleineren Online-Shop zu bestellen, weil damit möglicherweise eine Registrierung in diesem Online-Shop notwendig ist und die Abwicklung anders als über A gewohnt stattfindet. Dennoch muss – auch auf Grund der Tatsache, dass der B 1 nach der Aussage des Zeugen XXX der Marktführer in der Sparte der Entsafter für den C war und auf Social Media beworben wurde – davon ausgegangen werden, dass es potenzielle Kunden gab, die von der Möglichkeit der Bestellung über andere Online-Shops Gebrauch machten. - Diese über andere Online-Shops vorgenommenen Verkäufe sind im Rahmen der Schadensberechnung zu berücksichtigen, auch wenn es dabei um Weiterverkäufe über den Distributor „H“ geht, an den ein Kontingent bereits im Jahr 2021 verkauft worden war. Denn bei der Schadensberechnung sind alle Umstände bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen und damit auch der Umstand, dass an „H“ eine weitere Lieferung im Jahr 2024 getätigt wurde. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge XXX in nachvollziehbarer Weise ausgesagt, dass der B 1 im Dezember 2021 in einer Größenordnung von XXX Stück und dann erst wieder im Jahr 2024 sowie der B 2 seit Mitte 2022 in einer Größenordnung von XXX bis XXX Stück an „H“ veräußert worden sei. Nachvollziehbar ist auch seine Aussage dahingehend, dass die Abgabe an diesen Distributor zu einem vergünstigten Preis geschah, um die Bekanntheit des B zu steigern.
- Insofern ist davon auszugehen, dass die im Sperrzeitraum stattgefundenen Ausweichkäufe nicht nur zu einem vorzeitigen „Aufbrauchen“ des Kontingents aus dem Jahr 2021 führten, sondern auch die Nachfrage nach dem B 1 durch „H“ insgesamt erhöhten.
- Sofern zwischen den Parteien in Streit steht, inwiefern der Umstand, dass der Klägerin ein substantiierter Vortrag zu den Ausweichkäufen nicht möglich war, weil sie auch auf Nachfrage an „H“ keinen Einblick in die Verkaufszahlen erhalten habe, in das Beweislastrisiko der Klägerin falle, ändert dies nichts daran, dass die Klägerin hinreichend zu den Grundlagen der Schätzung vorgetragen hat. Schließlich würde auch die Kenntnis der Verkaufszahlen über Dritt-Shops nicht zu der exakten Erkenntnis führen, wie viele dieser Käufe tatsächlich Ausweichkäufe waren. In diesem Zusammenhang ist die Aussage des Zeugen XXX, dass die Klägerin an „H“ herangetreten sei mit der Bitte, die entsprechenden Zahlen zu liefern, was jedoch verweigert worden sei, nachvollziehbar. Schließlich ist kein Grund ersichtlich, aus dem „H“ solche Zahlen freiwillig offenlegen sollte.
- Im Wege der dem Gericht nach § 287 ZPO zustehenden freien Überzeugungsbildung wird bei der Schätzung der Höhe der Ausweichkäufe berücksichtigt, dass diese eine Hürde für potenzielle Kunden darstellten und davon auszugehen ist, dass die Mehrzahl der potenziellen Kunden sich entweder für ein Alternativprodukt (den von dem Zeugen XXX genannten „I“ von „H“) oder für ein Zuwarten entschieden oder alternativ gänzlich Abstand von einem Kauf eines Entsafters für den C nahmen. Daher wird davon ausgegangen, dass es in einem Umfang von 25 % zu Ausweichkäufen, also in einer Höhe von aufgerundet XXX Stück kam.
- Anzusetzen ist mit der Aussage des Zeugen XXX eine – wegen des Weiterverkaufs über Dritte eher gering ausfallende – Marge von etwa 3 EUR pro Ausweichkauf, was den entgangenen Gewinn der Klägerin um XXX EUR schmälert.
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(4)
Bei einem Vergleich der Verkaufszahlen im Jahr 2021 mit denen aus dem Jahr 2022 fällt auf, dass es im Jahr 2022 im Oktober – anders als in den Vormonaten – nicht zu einem Umsatzrückgang von etwa 10% gegenüber dem Oktober im Vorjahr kam, was in der ersten Oktoberhälfte zu einem durchschnittlichen Verkauf von XXX Stück/Tag geführt hätte, sondern die tatsächlich verkaufte Stückzahl in diesem Zeitraum mit XXX Stück/Tag um XXX Stück/Tag deutlich höher lag, als zu erwarten gewesen wäre. - Dafür gibt es verschiedene denkbare Gründe. Denkbar ist zum einen, dass die Beerenzeit sich im Gegensatz zum Vorjahr wegen spätsommerlicher Temperaturen verlängert hat und daher Verkäufe auch im Oktober noch in die Beerensaison fielen, so wie es auch der Zeuge XXX in Erinnerung hat. Denkbar ist daneben, dass es zu „Nachholkäufen“ kam. Dabei handelt es sich um die Verkäufe, die im Oktober von solchen Kunden stattfanden, die Wert auf einen Kauf des B 1 auf der Plattform A legten und daher weder auf das Alternativprodukt „I“ noch auf den Kauf über einen anderen Online-Shop auswichen oder gänzlich von einem Kauf Abstand nahmen, sondern schlichtweg abwarteten, bis der B 1 wieder auf A verfügbar war. Wahrscheinlich erscheint vor allem aber, dass es wegen des von der Klägerin betriebenen, erhöhten Werbeaufwandes im Oktober noch einmal zu einem Aufschwung der Verkäufe kam. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge XXX glaubhaft ausgesagt, dass im Oktober 2022 ein erhöhter Werbeaufwand unternommen worden sei, um das Ranking des B 1 auf der Plattform A zu verbessern. Im Oktober 2022 sei es nach seiner Aussage zu doppelt so hohen Werbekosten wie bis in den September hinein gekommen, was auf den Algorithmus von A zurückzuführen sei.
- Diese erhöhten Werbekosten sind ein plausibler Grund für die höheren Verkaufszahlen im Oktober, jedoch darf ein gewisser Nachholeffekt nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Dieser wird von der Kammer im Wege der Schätzung jedoch eher als gering angesehen. Insofern geht die Kammer davon aus, dass es sich bei 10 % der in der ersten Oktoberhälfte getätigten Mehrkäufe um Nachholkäufe handelt. Geht man in den ersten 15 Oktobertagen von Mehrverkäufen von insgesamt XXX Stück (= XXX Stück/Tag x 15 Tage) aus, sind davon XXX Stück (= XXX Stück x 0,1) auf den Nachholeffekt zurückzuführen. Dieser Wert ist von den anzusetzenden XXX geschätzten Verkäufen wieder abzuziehen, so dass man aufgerundet von XXX verkauften Einheiten ausgehen kann.
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(5)
Zur Berechnung der Gewinnmarge ist der von dem Zeugen XXX genannte Betrag von XXX EUR anzusetzen. Im Gegensatz zu den in der Klage vorgenommenen Berechnungen gibt dieser Betrag den genauen, über das Sellerboard ausgeworfenen Gewinn an, der die Verkaufspreise unter Berücksichtigung tatsächlich gewährter Rabatte zu Grunde legt und neben den Werbekosten auch alle weiteren abzugsfähigen Posten, zu denen die A-Gebühr und die Versandkosten gehören, berücksichtigt. Dieser Wert wird daher für die weiteren Berechnungen zu Grunde gelegt, selbst wenn darin zu einem gewissen Anteil generelle Werbekosten enthalten sein mögen (wie beispielsweise die Zahlung pro Klick auf die B-Angebotsseite, selbst wenn dieser nicht gekauft wurde), denn auch diese Kosten lassen sich dem Verkauf des B eindeutig zuordnen. - Insofern ist bei einer Zahl von XXX im September 2022 tatsächlich verkauften Einheiten von einem Gewinn von 14,57 pro Stück auszugehen. Darüber hinaus ist der Netto-Einkaufswert von 1,75 EUR pro Stück abzuziehen, so dass sich ein Erlös von 12,82 EUR ergibt. Der Zeuge XXX hat zwar angegeben, dass der Netto-Erlös im Sellerboard alle Abzüge beinhalte. Jedoch ist davon auszugehen, dass es sich dabei nur um den Erlös handelt, der mit dem Produkt erzielt wurde, das A bereits zuvor von der Klägerin erhalten hat. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass in der von A ausgewiesenen Übersicht bereits ein Abzug des Einkaufspreises stattgefunden hat, sondern allein der Gewinn ausgewiesen ist, der mit dem von A bereits erhaltenen Produkt über die A-Plattform erzielt worden ist. Insofern ist der Einkaufspreis davon abzuziehen.
- Multipliziert man diesen Betrag von 12,82 EUR mit den anzusetzenden Verkaufszahlen von aufgerundet XXX Einheiten für die Sperrzeit, ergibt sich ein Betrag von XXX EUR, wovon die XXX EUR für den mit den Ausweichkäufen erzielten Gewinn abzuziehen sind. Damit ergibt sich ein entgangener Gewinn von XXX.
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bb)
Für den B 2 ergibt sich ein entgangener Gewinn von XXX EUR. -
(1)
Für den B 2 hat die Klägerin taggenaue Verkaufszahlen für die Monate Juli bis Oktober 2022 vorgelegt, da der Entsafter in dieser Variante im Vorjahr noch nicht vermarktet worden war. Demzufolge wurden im August durchschnittlich XXX Stück/Tag und im Oktober XXX Stück/Tag verkauft. Im September erfolgten nur Verkäufe zu Monatsbeginn und nach der Aufhebung der Sperre für die letzten Septembertage, die aus den gleichen Gründen wie bei dem B 1 bei der Berechnung außen vor geblieben sind. - Da Vorjahresdaten nicht vorhanden sind, wird hier die Steigerungsrate der Verkaufszahlen des B 1 herangezogen. Bei diesem erfolgte im Jahr 2021 eine Steigerung der Verkäufe von August auf September um etwa 7,5%. Übertragen auf die Verkäufe des B 2 ergibt sich daraus ein Verkaufswert im September von XXX Stück/Tag.
- Geht man in den 27 Tagen der Sperrung von einem Verkauf von XXX Stück/Tag aus, ergibt sich ein Verkauf von abgerundet XXX Stück, wovon die zwischen dem 2. und dem 28. September tatsächlich noch – auf anderen Plattformen wie A.es – stattgefundenen Verkäufe von XXX Stück abzuziehen sind, so dass sich eine Anzahl von XXX Stück ergibt.
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(2)
Auch bei dem B 2 sind Ausweichkäufe zu berücksichtigen. Nach der Aussage des Zeugen XXX wurde auch der B 2 ab Mitte 2022 an den Distributor „H“ geliefert, so dass davon auszugehen ist, dass es potenzielle Kunden gab, die auf eine Bestellung über einen von „H“ belieferten Online-Shop ausgewichen sind. Auch hier wird von einem Anteil von 25 % und einer Marge von 3 EUR/Stück ausgegangen, so dass sich ein auf den entgangenen Gewinn anzurechnender Betrag von XXX EUR ergibt. -
(3)
Ferner ist auch bei dem B 2 in gewissem Umfang von sogenannten „Nachholkäufen“ auszugehen. Vom 1. bis zum 6. Oktober wurden täglich B Entsafter im zweistelligen Bereich veräußert, im Schnitt lagen die Verkäufe in diesem Zeitraum bei XXX Stück/Tag. Ab dem 7. Oktober sind die Verkäufe dann plötzlich gesunken auf nicht mehr als eine Einheit pro Tag, im Schnitt sogar nur auf XXX Stück/Tag. Geht man davon aus, dass – wie bei dem B 1 – in der ersten Oktoberhälfte ein Rückgang der Verkäufe um etwa 41 % gegenüber der ersten Septemberhälfte zu erwarten gewesen wäre, müsste ein Betrag von XXX Stück/Tag zu Grunde gelegt werden. Tatsächlich lagen die Verkäufe in den ersten sechs Oktobertagen aber bei XXX Stück/Tag, und damit um XXX Stück/Tag höher als erwartet. Aus den gleichen wie den oben bereits genannten Gründen werden auch hier lediglich 10 % dieser Differenz auf einen Nachholeffekt zurückgeführt, was dazu führt, dass in den ersten sechs Oktobertagen, in denen sich ein möglicher Nachholeffekt abzeichnet, insgesamt aufgerundet 2 Verkäufe abzuziehen sind, so dass statt XXX nur noch XXX Stück anzusetzen sind. -
(4)
Entsprechend der Berechnung des entgangenen Gewinns für den B 1 wird auch hier der von dem Zeugen XXX auf der Grundlage des A Sellerboard angegebene Gewinn zu Grunde gelegt. Da es jedoch im September 2022 nur zu vereinzelten Verkäufen kam und die Retourenkosten davon abzuziehen sind, kam es in diesem Zeitraum sogar zu einem Verlust von XXX EUR. Daher wird der Gewinn für den Monat August 2022 angesetzt, der nach Aussage des Zeugen XXX bei XXX EUR lag und bei einer Verkaufszahl von XXX Stück zunächst zu einem Gewinn von 8,96 EUR pro verkaufter Einheit führte. Davon sind wiederum die Einkaufskosten von 1,75 EUR/Stück abzuziehen, so dass ein Netto-Gewinn von 7,21 EUR verbleibt. Dieser Wert ergibt für die geschätzten Verkäufe in Höhe von XXX Stück einen Gewinn von XXX EUR, wovon die XXX EUR für den mit den Ausweichkäufen erzielten Gewinn abzuziehen sind. Damit ergibt sich ein entgangener Gewinn von XXX EUR. -
C
Der Klägerin steht ein Anspruch auf Erstattung ihrer Abmahnkosten in Höhe von 10.336,36 EUR aus § 13 Abs. 3 UWG und auf Ersatz der ihr entstandenen Kosten für das Abschlussschreiben in Höhe von 5.459,00 EUR aus § 9 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte zu. -
I.
Zunächst steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für die von ihren rechts- und patentanwaltlichen Vertretern verfassten Abmahnungen in Höhe von 10.336,36 EUR gegen die Beklagte aus § 13 Abs. 3 UWG zu. - Die Kostenerstattung erfolgt dabei nicht auf der Grundlage der von der Klägerin angesetzten 250.000,00 EUR für jede Abmahnung, sondern nur auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von jeweils 100.000,00 EUR. Denn die Abmahnungen waren den Verfügungsverfahren zuzurechnen, deren Streitwert mit jeweils 100.000,00 EUR angesetzt wurde.
- Die Klägerin hat die erforderliche Mitwirkung durch einen Rechts- und einen Patentanwalt hinreichend dargelegt. Wie sich aus den Abmahnungen (Anlage K 13 und K 14) ergibt, wurden diese vom patentanwaltlichen Vertreter unter Hinweis auf die Mitwirkung eines Rechtsanwalts verfasst. Die Mitwirkung sowohl eines Rechts- als auch eines Patentanwalts war erforderlich. Die Vielzahl seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin geltend gemachten Patente bedurfte einer eingehenden technischen Prüfung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es eine Abmahnung oder dergleichen seitens der Beklagten, durch die die Verletzungsbehauptung schlüssig dargelegt worden wäre, nicht gab. Außerdem war die Mitwirkung eines Rechtsanwalts für die Bearbeitung der wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen erforderlich.
- Die anzusetzende Gebührenhöhe von 1,3 ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Eine anteilige Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr findet nicht statt, vielmehr ist die in dem hiesigen gerichtlichen Verfahren nach Nr. 3100 VV RVG anfallende Verfahrensgebühr zu mindern. (BGH, Beschl. v. 22. Januar 2008 – VIII ZB 57/07, LS 1). Da in zwei Sachen Gebühren für jeweils einen Rechts- und einen Patentanwalt (jeweils (2.151,50 EUR + 20 EUR) x 1,19 = 2.584,09 EUR x 2 = 5.168,18 EUR) zu erstatten sind, beläuft sich der Kostenerstattungsanspruch auf insgesamt 10.336,36 EUR.
-
II.
Der Klägerin steht darüber hinaus ein Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Kosten für das Abschlussschreiben in Höhe von 5.459,00 EUR aus § 9 Abs. 1 UWG gegen die Beklagte zu. -
1.
Ob der Klägerin ein Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten sowohl für die Abmahnungen als auch für die Aufforderungen zur Abgabe einer Abschlusserklärung zusteht, hängt davon ab, ob im Innenverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Rechtsanwalt zwei rechtlich eigenständige Ansprüche auf Zahlung einer Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer entstanden sind. Da nach § 17 Nr. 4 lit. b RVG das Verfahren in der Hauptsache und das Verfahren über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten sind, kommt es für das Vorliegen zweier unterschiedlicher Angelegenheiten darauf an, ob das betreffende Abmahnschreiben dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zuzurechnen ist und das Abschlussschreiben demgegenüber sachlich bereits dem Hauptsacheverfahren angehört (vgl. BGH, GRUR-RR 2008, 368, Rz. 7 – Gebühren für Abschlussschreiben). Voraussetzung für die Vergütungspflicht des Auftraggebers und damit auch den Erstattungsanspruch gegen den Antragsgegner ist in diesem Zusammenhang, dass dem Rechtsanwalt ein entsprechender, über die Vertretung im Verfügungsverfahren hinausgehender Auftrag erteilt worden ist. Denn beschränkt sich der Auftrag nur auf die Abmahnung und die Herbeiführung einer endgültigen Regelung im Verfügungsverfahren, betrifft die Tätigkeit des Rechtsanwalts nur eine Angelegenheit, da sie durch den Rahmen bestimmt wird, innerhalb dessen sich die anwaltliche Tätigkeit abspielt, und der sich nach dem erteilten Auftrag richtet (BGH, a.a.O, Rz. 10). Notwendig ist daher, dass der Mandant dem Rechtsanwalt einen über die Vertretung im Eilverfahren hinausgehenden Auftrag erteilt hat (BGH, GRUR 2010, 1038, Rz. 27 – Kosten für Abschlussschreiben). - Zwar stand im Zeitpunkt der Abmahnungen noch nicht fest, wie sich die Klägerin später verhalten würde, ob sie also den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen, Klage erheben oder nichts unternehmen würde. Mit dem nach den Abmahnungen eingeleiteten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat sie die Abmahnung aber diesem Verfahren zugeordnet. Demgegenüber behauptet die Beklagte nicht, dass die Klägerin keinen Auftrag für das Hauptsacheverfahren erteilt hätte. Tatsächlich gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einen Auftrag lediglich für die außergerichtliche Klärung erteilt hätte. Dem steht zudem der Inhalt des Abschlussschreibens und die Erforderlichkeit eines Abschlussschreibens zur Vermeidung der Kostenfolge aus § 93 ZPO im Falle eines nachfolgenden Hauptsacheverfahrens entgegen (vgl. BGH, GRUR-RR 2008, 368, Rz. 9 – Gebühren für Abschlussschreiben).
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2.
Die Kosten sind in einer Höhe von 5.459,00 EUR zu erstatten. - Der für das Abschlussschreiben zu Grunde zu legende Gegenstandswert entspricht dem der Hauptsache. Im Gegensatz zu einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die Streitwertfestsetzung dabei dem Umstand gerecht zu werden, dass der Unterlassungsantrag hier der endgültigen Durchsetzung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs dient, und nicht lediglich seiner einstweiligen Sicherung (Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 16. Aufl., Kap. J, Rn. 204), wobei in der Rechtsprechung unterschiedliche Abschläge vorgenommen werden (nach dem OLG Hamburg ist im Regelfall ein Abschlag von 20 % vorzunehmen, OLG Hamburg BeckRS 2017, 138659, LS 2; nach ständiger Rechtsprechung des OLG Frankfurt a.M. ein Abschlag von 1/3, WRP 2020, 906, Rn. 4; das Kammergericht nimmt in ständiger Rechtsprechung einen Abschlag von 2/3 vor, GRUR-RS 2021, 45809, Rn. 6). Hier wird für das Verfügungsverfahren ein Abschlag von 20 % angenommen, was im Hauptsacheverfahren zu einem Gegenstandswert von 125.000,00 EUR pro Angelegenheit führt.
- Anzusetzen ist eine 1,3-fache Gebühr. Im Allgemeinen ist die für ein Abschlussschreiben entstehende Geschäftsgebühr auf der Grundlage von Nr. 2300 RVG VV zu berechnen, die einen Gebührenrahmen von 0,5–2,5 vorsieht. Da sich ein Abschlussschreiben in der Regel nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung erschöpft, sondern insbesondere das Ziel verfolgt, einen Verzicht des Antragsgegners auf sämtliche Gegenrechte herbeizuführen, ist der Schwierigkeitsgrad eines solchen Schreibens in der Regel höher anzusetzen als bei bloßen Zahlungsaufforderungen, Mahnungen oder Einwohnermeldeamtsanfragen, die anerkanntermaßen der Nr. 2302 RVG VV unterfallen. Zudem bedarf es nach Zugang der Abschlusserklärung im Regelfall einer Prüfung, ob die abgegebene Erklärung zur Erreichung des Sicherungsziels inhaltlich ausreicht. Hingegen kann auch im Falle eines Abschlussschreibens nur von einem Schreiben einfacher Art ausgegangen werden, wenn keine erneute rechtliche Prüfung des Sachverhalts erforderlich ist und es nur Standardformulierungen enthält (BGH, GRUR 2010, 1038, Rz. 32 – Kosten für Abschlussschreiben II).
- Bei dem von dem anwaltlichen Vertreter an die Beklagte übersandten Abschlussschreiben (Anlage K 16) handelt es sich nicht nur um ein einfaches Schreiben, das lediglich Standardformulierungen enthält. In dem Anschreiben findet sich nicht nur die Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung, sondern es wird auch – in Vorbereitung der Hauptsache – der Schadensersatzanspruch der Höhe nach konkretisiert (siehe auch BGH, GRUR 2015, 822, Rn. 35 – Kosten für Abschlussschreiben II).
- Jedoch hat die Klägerin die Erforderlichkeit der Mitwirkung eines Patentanwalts nicht hinreichend dargelegt, so dass diesbezügliche Kosten nicht zu erstatten sind. Das Abschlussschreiben war allein vom anwaltlichen Vertreter der Klägerin unterschrieben. Auch der Sache nach wurde darin keine Prüfung möglicher Ansprüche der Beklagten aus Patentverletzung behandelt.
- Der Anspruch beläuft sich, da es sich hier um zwei Angelegenheiten handelt, auf insgesamt 5.459,00 EUR inklusive Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ((2.273,70 EUR + 20 EUR) x 1,19 = jeweils 2.729,50 EUR).
-
D
Für den der Klägerin zustehenden Schadensersatz in Höhe von 20.603,28 EUR sowie für den Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 15.795,36 EUR stehen dieser Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. April 2023 (Rechtshängigkeit) aus §§ 291 S. 1 S. 2, 288 Abs. 1 S. 2 BGB zu. -
E
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 und 3 ZPO. - Der Streitwert wird auf 286.398,64 EUR festgesetzt (250.000,00 EUR für den Antrag zu 1.1 – Unterlassung – und 36.398,64 EUR für den Antrag zu 1.2 – Schadensersatz).