4a O 26/24 – Glassysteme

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3386

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 10. Oktober 2024, Az. 4a O 26/24

  1. I. Die durch Beschluss der Kammer vom 29.05.2024, 4a O 26/24, gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) erlassene einstweilige Verfügung wird aufgehoben.
    II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) wird zurückgewiesen.
    III. Die im Beschluss der Kammer vom 29.05.2024, 4a O 26/24, unter IV. getroffene Kostenentscheidung wird aufgehoben. Von den Gerichtskosten trägt die Verfügungsklägerin zwei Drittel und die Antragsgegnerin zu 2) ein Drittel. Die Verfügungsklägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten zu 1) und zwei Drittel ihrer eigenen außergerichtlichen Kosten. Die Antragsgegnerin zu 2) trägt ihre eigenen außergerichtlichen Kosten und ein Drittel der außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin.
    IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    V. Der Streitwert wird auf 100.000,00 EUR festgesetzt.
  2. Tatbestand
  3. Die Verfügungsklägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin an dem Europäischen Patent EP 3 274 XXA B1 (Anlage ASt 2, als maschinelle deutsche Übersetzung Anlage ASt 8; im Folgenden: Verfügungspatent), das unter Inanspruchnahme einer ukrainischen Priorität vom 25.03.2015 (UA 201502XXB) am 02.06.2015 in englischer Verfahrenssprache angemeldet und dessen Erteilung am 25.03.2020 veröffentlicht wurde. Der deutsche Teil des Verfügungspatents (DE 60 2015 049 XXC.7) steht in Kraft.
    Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.09.2024 (nebst Anlagen als Anlage CBH 3), an das Bundespatentgericht übermittelt am selben Tage, hat die Verfügungsbeklagte zu 1), ein in der Ukraine ansässiges Unternehmen, eine gegen den deutschen Teil des Verfügungspatents gerichtete Nichtigkeitsklage anhängig gemacht, welche sie auf fehlende Neuheit und hilfsweise auf fehlende erfinderische Tätigkeit stützt. Diese war bei Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht zugestellt, eine Gerichtskostenrechnung war noch nicht gestellt.
    In der englischen Verfahrenssprache lautet Hauptanspruch 1 des Verfügungspatents:
    1. Frame system, comprising connecting elements (7) and connection joints connected to the connecting elements (7) via screw pins (4), and vertical panel elements (8) attached to the connection joints via locks (9) wherein the frame system contains not curved vertical panel elements and/or curved vertical panel elements made of glass and/or metal or metal alloys and/or ceramics and the connection joint is made in the shape of a trapezoidal prism or the shape of a rectangular prism, which comprise a basis (2 or 5) and an opposite side (2’’ or 5’’), the basis (2 or 5) of the connection joint and the opposite side (2’’ or 5’’) have at least one threaded hole and other sides have at least two threaded holes for mounting the vertical panel elements or the connecting elements, and two mutually opposite sides of the rectangular prism (or 6 and 6’’) or two mutually opposite lateral sides of the trapezoidal prism (3 and 3’’) are used to connect the vertical panel elements.
  4. Hauptanspruch 1 des Verfügungspatents lautet in deutscher Sprache nach den veröffentlichten Anspruchssätzen:
    „1. Rahmensystem mit Verbindungselementen (7) und Verbindungsvorrichtungen, die über Schraubstifte (4) mit den Verbindungselementen verbunden sind, und mit vertikalen Paneelelementen (8), die mit den Verbindungsvorrichtungen über Sperren (9) verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, dass das Rahmensystem nicht gebogene vertikale Paneelelemente und/oder gebogene vertikale Paneelelemente aufweist, die aus Glas und/oder Metall oder Metalllegierungen und/oder Keramik gefertigt sind, dass die Verbindungsvorrichtung in Form eines Trapezprismas oder eines Rechteckprismas gefertigt ist, das eine Basis (2 oder 5) und eine entgegengesetzte Seite (2‘‘ oder 5‘‘) aufweist, dass die Basis (2 oder 5) der Verbindungsvorrichtung und die entgegengesetzte Seite (2‘‘ oder 5‘‘) mindestens ein Gewindeloch und auf der anderen Seite mindestens zwei Gewindelöcher zur Befestigung der vertikalen Paneelelemente oder Verbindungselemente aufweisen, und dass wechselseitig entgegengesetzte Seiten des Rechteckprismas (6 und / oder 6‘‘) oder zwei wechselseitig gegenüberliegende seitliche Seiten des Trapezprismas (3 und 3‘‘) dazu verwendet werden, die vertikalen Paneelelemente zu verbinden.“
  5. Die nachstehend wiedergegebenen Figuren sind dem Verfügungspatent entnommen. Die Figuren 1 und 2 zeigen jeweils Verbindungsvorrichtungen in Form eines Trapezprismas, wobei in Figur 1 eine Verbindungsvorrichtung mit einem Gewindeloch an der Basis und an der entgegengesetzten Seite gezeigt ist, in Figur 2 ein solches mit zwei Gewindelöchern an der Basis und der entgegengesetzten Seite. Die Figuren 4 und 5 zeigen Verbindungsvorrichtungen in Form eines Rechteckprismas, Figur 4 mit einem Gewindeloch an Basis und entgegengesetzter Seite, Figur 5 mit zwei Gewindelöchern an Basis und entgegengesetzter Seite.
  6. Figur 3 zeigt ausweislich Absatz [0010] der Verfügungspatentschrift eine Verbindungsvorrichtung in Form eines Trapezprismas, an dem die Schraubstifte gelagert sind. Figur 7 zeigt ein Beispiel von Verbindungsvorrichtungen mit montierten Paneelelementen.
  7. Die Verfügungsbeklagte zu 1) vermietet modulare beleuchtete Glassysteme für Messestände. Für die Messe A in B in der Zeit vom XXXD bis zum XXXE vermietete sie einen solchen Messestand (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform) an die Antragsgegnerin zu 2). Die nachstehend wiedergegebenen Lichtbilder zeigen die angegriffene Ausführungsform im auf der Messe aufgebauten Zustand und wurden im Auftrag der Verfügungsklägerin auf der Messe gefertigt und von der Verfügungsklägerin in ihrem schriftsätzlichem Vorbringen mit Bezugszeichen in Entsprechung der im Verfügungspatent verwendeten Bezugszeichen versehen:
  8. Auf Antrag der Verfügungsklägerin vom 28.05.2024 (Bl. 3ff. GA) in Verbindung mit dem weiteren Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 29.05.2024, Bl. 35ff. GA, hat die Kammer mit Beschluss vom 29.05.2024 eine einstweilige Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) sowie die Antragsgegnerin zu 2) des folgenden Inhalts erlassen:
  9. I.1. Der Antragsgegnerin zu 1) wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben,
    es zu unterlassen,
    im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Messestand-Rahmensysteme mit folgenden Merkmalen
    Rahmensystem mit Verbindungselementen und Verbindungsvorrichtungen, die über Schraubstifte mit den Verbindungselementen verbunden sind,
    und mit vertikalen Paneelelementen, die mit den Verbindungsvorrichtungen über Sperren verbunden sind,
    dadurch gekennzeichnet, dass das Rahmensystem nicht gebogene vertikale Paneelelemente und/oder gebogene vertikale Paneelelemente aufweist, die aus Glas und/oder Metall oder Metalllegierungen und/oder Keramik gefertigt sind,
    dass die Verbindungsvorrichtung in Form eines Trapezprismas oder eines Rechteckprismas gefertigt ist, das eine Basis und eine entgegengesetzte Seite aufweist, dass die Basis der Verbindungsvorrichtung und die entgegengesetzte Seite
    mindestens ein Gewindeloch und auf der anderen Seite mindestens zwei Gewindelöcher zur Befestigung der vertikalen Paneelelemente
    oder Verbindungselemente aufweisen, und dass wechselseitig entgegengesetzte Seiten des Rechteckprismas
    oder zwei wechselseitig gegenüberliegende seitliche Seiten des Trapezprismas dazu verwendet werden, die vertikalen Paneelelemente zu verbinden,
    anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen und/oder zu gebrauchen und/oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
  10. I.2. [nicht wiedergegeben: Unterlassungsverfügung gegenüber der Verfügungsbeklagten zu 2)]
  11. II. Den Antragsgegnerinnen wird aufgegeben, das Messestand-Rahmensystem gemäß Ziffer I. an einen von der Antragstellerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Verwahrung herauszugeben, die andauert, bis über das Bestehen eines Vernichtungsanspruchs zwischen den Parteien rechtskräftig entschieden oder eine einvernehmliche Regelung herbeigeführt worden ist.
    III. bis VI.
    [nicht wiedergegeben: Auflage zur Zustellung, Kostenentscheidung, Anordnung einer Sicherheitsleistung und Streitwertfestsetzung auf 100.000,00 EUR]
    Gegen diese einstweilige Verfügung wendet sich die Verfügungsbeklagte zu 1) mit ihrem Widerspruch vom 31.07.2024 (Bl. 127ff. GA).
  12. Die Verfügungsklägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Verfügungspatents wortsinngemäß. Insbesondere weise sie als Verbindungsvorrichtungen Rechteckprismen auf, bei denen wechselseitig entgegengesetzte Seiten dazu verwendet würden, die vertikalen Paneelelemente zu verbinden. Die veröffentlichte deutsche Übersetzung des Hauptanspruchs 1 sei gegenüber der Fassung in der englischen Verfahrenssprache inhaltlich nicht falsch, weil der englische Begriff „opposite“ auf deutsch sowohl als „entgegengesetzt“ als auch als „gegenüberliegend“ wiedergegeben werden könne, diese beiden Begriffe in der deutschen Fassung des Hauptanspruchs 1 jedenfalls inhaltsgleich und gleichwertig verwendet würden.
    Zwar sei jedes Rechteckprisma nach der technischen Lehre des Verfügungspatents achssymmetrisch ausgebildet, so dass sowohl die Vorder- als auch die Rückseite des Prismas zur Befestigung verwendet werden könnten. Indes fordere das Verfügungspatent hiernach nicht, dass Paneelelemente gleichzeitig sowohl an Vorder- als auch an Rückseite der Verbindungsvorrichtungen befestigt werden. Eine solche Auslegung sei zu eng und würde alle dargestellten Ausführungsbeispiele des Verfügungspatents als außerhalb dessen technischer Lehre einordnen. Das in Figur 2 gezeigte Ausführungsbeispiel werde in der Weise erläutert in Abs. [0010] der Beschreibung, dass die vier Löcher auf der mit dem Bezugszeichen 3 gekennzeichneten Seite des Prismas angeordnet seien, nämlich „an einander gegenüberliegenden Seiten“ (englisch: „on mutually opposite lateral sides“).
    Auch meint die Verfügungsklägerin, der Rechtsbestand des Verfügungspatents sei nicht zweifelhaft. Zunächst seien die von der Verfügungsbeklagten zu 1) insoweit eingebrachten Einwendungen schon deshalb unbeachtlich, weil die Nichtigkeitsklage – unstreitig – noch nicht zugestellt und der für die Zustellung erforderliche Kostenvorschuss noch nicht eingezahlt ist. Würde der Kostenvorschuss nicht eingezahlt, gälte die Nichtigkeitsklage als nicht erhoben.
    Außerdem belegten die in der Nichtigkeitsklage angeführten Einwendungen keine fehlerhafte Erteilung des Verfügungspatents. Die von der Verfügungsbeklagten zu 1) in ihrer Nichtigkeitsklage eingewandte prioritätsältere Druckschrift JP 06 123 XXF A (Entgegenhaltung D1 im Nichtigkeitsverfahren; im Folgenden: JP ‘XXF offenbare die technische Lehre des Verfügungspatents nicht in neuheitsschädlicher Weise. Nicht offenbart seien dort Schraubstifte, durch welche Verbindungselemente mit Verbindungsvorrichtungen verbunden seien, denn die in der JP ‘XXF offenbarten Rohre seien nicht stiftförmig ausgebildet, sondern wiesen eine napfförmige Einbuchtung mit einem Gewinde auf. Auch offenbare die JP ‘XXF weder vertikale Paneelelemente noch Sperren, mit denen nach der Lehre des Verfügungspatents Paneelelemente an den Verbindungsvorrichtungen befestigt werden sollten. Ebenso wenig offenbare die JP ‘XXF die Verwendung von Glas und/oder Metall oder Metalllegierungen und/oder Keramik für Paneelelemente. Schließlich sei in der JP ‘XXF nicht offenbart, dass zwei Gewindelöcher einer Verbindungsvorrichtung zur Befestigung von Paneelelementen verwendet würden, denn die in der JP ‘XXF gezeigten Rohre seien derart dimensioniert, dass sämtliche weiteren Löcher an dem als Verbindungsvorrichtung einzig in Betracht kommenden Quader abgedeckt würden. Nach der Lehre der JP ‘XXF sei somit ein einziges Verbindungselement ausreichend, weswegen der Fachmann ausgehend von der Offenbarung dieser Schrift auch keine Veranlassung habe, zwei Verbindungselemente pro Seite vorzusehen.
    Die weitere von der Verfügungsbeklagten zu 1) angeführte prioritätsältere Schrift US 2013/0108XXG A1 (Entgegenhaltung D2 im Nichtigkeitsverfahren, Anlage CBH 2; im Folgenden US ‘XXG) offenbare keine Schraubstifte, vielmehr würden nach der dortigen Lehre Verbindungselemente unmittelbar durch die Löcher der Verbindungsvorrichtungen gesteckt. Eine davon abweichende Gestaltung sei in den Absätzen [0003] und [0004] von der US ‘XXG zwar offenbart, jedoch als gewürdigter Stand der Technik, von dem sich diese Schrift gerade abgrenzen wolle. Ferner seien keine vertikalen Paneelelemente aus Glas offenbart, ebenso wenig Gewindelöcher. Schließlich offenbare die US ‘XXG nicht, zwei gegenüberliegende Seiten eines Rechteckprismas zur Befestigung eines vertikalen Paneelelements zu verwenden.
    Schließlich sei die technische Lehre des Verfügungspatents auch nicht nahegelegt durch eine Kombination einer dieser beiden oder beider Druckschriften mit der Offenbarung aus dem Katalog „temporary architecture“ der C GmbH & Co. KG (Entgegenhaltung D3 in der Nichtigkeitsklage; im Folgenden: D3). Dieser Stand der Technik sei in Absätzen [0007] und [0008] erwähnt und im Erteilungsverfahren gewürdigt. Offenbart sei insoweit ein System zur Anbringung von Paneelelementen an würfelförmigen Verbindungsvorrichtungen mithilfe von Bändern und Befestigungsstöpseln. Der Fachmann habe keine Veranlassung, von dem dort offenbarten bewährten System zu einem komplexeren System mit längeren Montagezeiten zu wechseln und dafür umfangreiche Modifikationen vorzunehmen.
  13. Die Verfügungsklägerin beantragt,
    den Widerspruch der Verfügungsbeklagten zu 1) zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 29.05.2024 zu bestätigen.
  14. Die Verfügungsbeklagte zu 1) beantragt sinngemäß,
    die gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) gerichtete einstweilige Verfügung vom 29.05.2024 aufzuheben und insoweit den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) abzuweisen;
    hilfsweise: die Verfügung gem. Ziff. II (Herausgabe an den Gerichtsvollzieher) im Tenor auf die Herausgabe bzw. Verwahrung von Verbindungsvorrichtungen im Sinne der Merkmalsgruppe 5 zu beschränken;
    höchst hilfsweise: den Antrag in dem Sinne zu beschränken bzw. in der Urteilsbegründung klarzustellen, dass sich die Verwahrung jedenfalls nicht auf Elemente des Messestands bezieht, die mit der Rahmenkonstruktion und den Paneelen nichts zu tun haben, wie insbesondere Beleuchtung und Elektrik zur Illumination des Standes.
  15. Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Verfügungspatents nicht.
    Die veröffentlichte deutsche Übersetzung des geltend gemachten Hauptanspruchs 1 sei fehlerhaft. Unter zutreffender Übersetzung aus der englischen Verfahrenssprache lehre das Verfügungspatent (von der Verfügungsbeklagten zu 1) als Merkmalsgliederung eingefügte Ziffern und Buchstaben in eckigen Klammern),
    „[5.] dass die Verbindungsvorrichtung in Form eines Trapezprismas oder eines Rechteckprismas gefertigt ist,
    [a)] das eine Basis (2 oder 5) und eine gegenüberliegende Seite (2‘‘oder 5‘‘) aufweist,
    [b)] dass die Basis (2 oder 5) der Verbindungsvorrichtung und die gegenüberliegende Seite (2‘‘ oder 5‘‘) mindestens ein Gewindeloch
    [c)] und andere Seiten mindestens zwei Gewindelöcher zur Befestigung der vertikalen Paneelelemente oder Verbindungselemente aufweisen,
    [6.] und dass zwei wechselseitig gegenüberliegende Seiten des Rechteckprismas (6 und / oder 6‘‘) oder zwei wechselseitig gegenüberliegende seitliche Seiten des Trapezprismas (3 und 3‘‘) dazu verwendet werden, die vertikalen Paneelelemente zu verbinden.“
    Aus der sachlich zutreffenden Übersetzung des Hauptanspruchs folge eine Lehre des Verfügungspatents, wonach „gegenüberliegende Seiten“ (englisch: „opposite sides“) tatsächlich gegenüberliegende Seiten des Prismas sein müssten und es nicht genüge, hierunter nicht gegenüberliegende Seiten ein und derselben Seite des Prismas zu verstehen. Dies belegten auch die Ausführungsbeispiele in den Figuren 1, 2, 4 und 5. Aus der Beschreibung ergebe sich unter Erläuterung der Figur 2 in Abs. [0010], dass gegenüberliegende Seiten gemeint seien, die in der Figur jeweils vier Löcher aufwiesen, so dass die vier Löcher einer Seite nicht in jeweils zwei Löcher unterteilt werden könnten, um „gegenüberliegende Seiten“ nach dem Anspruchswortlaut zu konstruieren. Dies ergebe sich auch aus der weiteren Beschreibung in den Absätzen [0012] und [0013] des Verfügungspatents.
    Ferner wendet die Verfügungsbeklagte zu 1) ein, das Verfügungspatent sei nicht rechtsbeständig. Sie habe die Nichtigkeitsklage in der ernsthaften Absicht zur Durchführung des Nichtigkeitsverfahrens erhoben und werde den Kostenvorschuss einzahlen, sobald eine Kostenrechnung gestellt sei.
    Die technische Lehre des Verfügungspatents werde vollständig vorweggenommen durch die JP ‘XXF, welche Schraubstifte in ihren Zeichnungen offenbare, nämlich in Form von Gewindestangen, die in das sich zwischen den würfelförmigen Kupplungsvorrichtungen erstreckende Rohr eingeschweißt seien. Ebenso offenbare die JP ‘XXF Paneelelemente, nämlich große Platten, die, ebenso wie andere Komponenten, an die Montagefläche der Kupplung angeschlossen werden könnten. Weil die JP ‘XXF ferner offenbare, dass derlei Werkstücke wie beispielsweise Wandmaterialien mithilfe von Schraublöchern befestigt würden, sei damit auch die Verwendung irgendwie gearteter Sperren offenbart. Auch umfasse die Offenbarung von verschiedenen Werkstücken, beispielsweise Wandmaterialien in der JP ‘XXF, die Verwendung üblicher Materialien für Wände wie etwa Glas. Aus Figur 3 der JP ‘XXF gehe hervor, dass mehrere Rahmen zusammenhängend angeordnet werden könnten, so dass mehrere Paneelelemente an einer Seite eines Rechteckprismas angebracht werden könnten; auf eine solche Gestaltung sei der Hauptanspruch 1 des Verfügungspatents indes nicht beschränkt.
    Auch die prioritätsältere Schrift US ‘XXG offenbare alle Merkmale der technischen Lehre des Verfügungspatents mit Ausnahme des Aspekts, dass zwei wechselseitig gegenüberliegende Seiten des Rechteckprismas oder zwei wechselseitig gegenüberliegende seitliche Seiten des Trapezprismas dazu verwendet werden, die vertikalen Paneelelemente zu verbinden. Auf diesen Offenbarungsmangel komme es aber nicht an, weil dieses Merkmal von der angegriffenen Ausführungsform auch nicht benutzt werde.
    Jedenfalls werde die technische Lehre des Verfügungspatents nahegelegt durch eine Kombination einer der beiden oder beider Druckschriften mit dem als Entgegenhaltung D3 eingewandten Produktkatalog, der ausweislich seiner ISBN-Nummer am 23.02.2011 erschienen sei. Weil das Verfügungspatent in Absatz [0007] Verbindungsvorrichtungen in Form eines Trapez- oder Rechteckprismas als zum Stand der Technik gehörend voraussetze, sei es für den Fachmann naheliegend, derlei Verbindungsvorrichtungen zu verwenden und alle vorbekannten Lehren zu kombinieren, in denen Rechteck- oder Trapezprismen als Verbindungsvorrichtung verwendet würden.
    Schließlich wendet die Verfügungsbeklagte zu 1) ein, die in der einstweiligen Verfügung angeordnete Beschlagnahme sei zu weit gefasst, sie dürfe sich nur auf die spezifischen und den Kern der Erfindung ausmachenden speziellen Verbindungsvorrichtungen beziehen, denn ohne diese würde eine Verletzung des Verfügungspatents jedenfalls unterbunden. Zumindest müsse in der Formulierung der Beschlagnahmeanordnung klargestellt werden, dass nicht der komplette Messestand beschlagnahmt werde dürfe unter Einschluss von beispielsweise Beleuchtungsvorrichtungen, Steuerung der Beleuchtung und elektrischem Zubehör.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
  16. Entscheidungsgründe
  17. Der Erlass der von der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte zu 1) erstrebten einstweiligen Verfügung ist nicht gerechtfertigt, weil es am erforderlichen Verfügungsgrund fehlt.
  18. I.
    Das Verfügungspatent betrifft ein dreidimensionales Rahmensystem mit Verbindungsvorrichtungen. Hierzu führt das Verfügungspatent einleitend aus (Abs. [0002]), Glas und Glasprodukte würden häufig im Bauwesen und in der Designdekoration verwendet, beispielsweise als Trennwände oder beim Bau von Ausstellungseinrichtungen. Aus der US 4,271,654 sei eine dreidimensionale Struktur bekannt mit Strukturträgern mit offenem oder geschlossenem Profil, bei der die Träger an allen Mehrfachverbindungen senkrecht zueinander verbunden und durch eine Endplatte der Träger mit kubischen Verbindungen zusammengefügt sind (Abs. [0003]).
    Ferner würdigt das Verfügungspatent die JP H01 210XXH A (Abs. [0004]), die ein Gelenk für Profilträger offenbart, die über eine Schraubverbindung verbunden werden, wobei das Gelenk aus einem Gehäuse besteht, in dem Elemente für eine Schraubverbindung zwischen dem Gelenk und den Profilträgern angeordnet sind. Als weiteren Stand der Technik würdigt das Verfügungspatent (Abs. [0005]) ein „Spider-Glass-System“ des Herstellers „D“, bei dem Glasplatten durch ein Glasbefestigungssystem mit oder ohne Seilkonstruktion mit einem starren Rahmen verbunden sind, und die sich dadurch von anderen Glaskonstruktionen unterschieden, dass bei ihnen tragende Strukturen zwischen den Glasscheiben fehlen. Hierzu anerkennt das Verfügungspatent, dass dieses Spider-Glass-System den Bau einer zuverlässigen stationären Glaskonstruktion in verschiedenen Formen ermöglicht; es kritisiert aber, dass die Abhängigkeit von den Tragkonstruktionen eines Gebäudes den Nachteil bedeutet, dass dieses System einen Einsatz für mobile Handels- oder Ausstellungsbauten sowie Messestände mit großflächigen Glasfassaden unmöglich macht.
    Schließlich würdigt das Verfügungspatent einen Tragrahmen der Firma C unter der Bezeichnung „D“ und „E“ (Abs. [0007]), bei dem ein Rahmen durch eine Kombination von röhrenförmigen Verbindungselementen und –gelenken gebildet wird, die die Form eines rechteckigen Parallelepipeds oder eines trapezförmigen Prismas haben; dabei werden Zylinderstifte in eine Anschlussmuffe eingeschraubt. Hierzu anerkennt das Verfügungspatent, dass dieses vorbekannte System den einfachen und schnellen Aufbau von Tragrahmen in einem Baukastensystem ermöglicht, auch in Bogen-, Kurven- und Rundkonstruktionen. Zugleich kritisiert das Verfügungspatent an diesem vorbekannten System (Abs. [0008]), dass es die Verwendung von Glas-, Metall- oder Keramik-Fassadenplattenelementen in nicht gekrümmter Form ebenso verhindert wie die Verwendung von solchen Elementen mit abgerundeter Form. Auch wird kritisiert, dass bei diesem vorbekannten System erhebliche Abstände zwischen den Paneelelementen bestehen und keine optisch durchgehende Fassadenfläche der Paneelelemente entsteht.
    Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik lehrt das Verfügungspatent, ohne eine technische Aufgabe zu formulieren, eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen:
    1. Rahmensystem mit Verbindungselementen (7) und Verbindungsvorrichtungen,
    2. die über Schraubstifte (4) mit den Verbindungselementen verbunden sind,
    3. und mit vertikalen Paneelelementen (8), die mit den Verbindungsvorrichtungen über Sperren (9) verbunden sind,
    4. dadurch gekennzeichnet, dass das Rahmensystem nicht gebogene vertikale Paneelelemente und/oder gebogene vertikale Paneelelemente aufweist, die aus Glas und/oder Metall oder Metalllegierungen und/oder Keramik gefertigt sind,
    5. dass die Verbindungsvorrichtung in Form eines Trapezprismas oder eines Rechteckprismas gefertigt ist, das eine Basis (2 oder 5) und eine entgegengesetzte Seite (2‘‘ oder 5‘‘) aufweist,
    6. dass die Basis (2 oder 5) der Verbindungsvorrichtung und die entgegengesetzte Seite (2‘‘ oder 5‘‘) mindestens ein Gewindeloch und andere Seiten mindestens zwei Gewindelöcher zur Befestigung der vertikalen Paneelelemente oder Verbindungselemente aufweisen,
    7. und dass wechselseitig entgegengesetzte Seiten des Rechteckprismas (6 und / oder 6‘‘) oder zwei wechselseitig gegenüberliegende seitliche Seiten des Trapezprismas (3 und 3‘‘) dazu verwendet werden, die vertikalen Paneelelemente zu verbinden.
  19. Hierbei ist in Merkmal 6. der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgebliche Wortlaut der englischen Verfahrenssprache mit den Begriffen „and other sides have at least two threaded holes“ für die Zwecke der Merkmalsgliederung zu übersetzen als „und andere Seiten [weisen] mindestens zwei Gewindelöcher [auf]“. Der englische Wortlaut benennt „sides“ / „Seiten“ im Plural und weder eine Präposition („auf“) noch einen Artikel („der“).
  20. II.
    In Ansehung der durch die Verfügungsbeklagte zu 1) anhängig gemachten und gegen den deutschen Teil des Verfügungspatents gerichteten Nichtigkeitsklage obwalten die Kammer so gewichtige Zweifel am Rechtsbestand dieses Schutzrechts, dass es nicht Grundlage einer einstweiligen Verfügung sein kann.
  21. 1.
    Eine einstweilige Verfügung ist gemäß §§ 935, 940 ZPO nur dann zu erlassen, wenn dies „zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig ist“, so dass ein Verfügungsgrund bei Geltendmachung eines Patents im Verfügungsverfahren nur bejaht werden kann, wenn nach einer Abwägung der schutzwürdigen Interessen beider Parteien unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit das Interesse des Patentrechtsinhabers oder seines Lizenznehmers, das zeitlich begrenzte Ausschlussrecht durchzusetzen, die Nachteile überwiegt, die dem Schuldner einer – zumal: auf Unterlassung gerichteten – einstweiligen Verfügung entstehen (Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl, § 139 Rdn. 439).
    Ob auch nach der Entscheidung des EuGH Phoenix Contact / Harding (GRUR 2022, 811), daran festzuhalten ist, dass von einem für den Erlass einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung hinreichend gesicherten Rechtsbestand regelmäßig nur dann ausgegangen werden kann, wenn das Verfügungspatent bereits ein erstinstanzliches Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren überstanden hat (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2023, 5166 Rn. 24 m.w.N.), muss vorliegend nicht geklärt werden. Denn selbst wenn man davon ausginge, dass ein hinreichend gesicherter Rechtsbestand auch ohne erstinstanzlich überstandenen Rechtsbestandsangriff vorliegen kann, ist vorliegend ein für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinreichend gesicherter Rechtsbestand des Verfügungspatents nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht. Ist das Verfügungspatent mit einem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage angegriffen oder ein solcher Angriff absehbar, trägt der Antragsteller oder Verfügungskläger die Glaubhaftmachungslast, dass die vorgebrachten Einwendungen unberechtigt sind und das Verfügungspatent mit Sicherheit das Rechtsbestandsverfahren überstehen wird (OLG Düsseldorf, InstGE 12, 114, LS 4 und juris Rdn. 47f. – Harnkatheterset).
  22. 2.
    Nach diesen Voraussetzungen ist der Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung mangels Verfügungsgrund nicht gerechtfertigt und die Beschlussverfügung der Kammer auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten zu 1) aufzuheben.
  23. a) Die Verfügungsklägerin trägt vorliegend die Glaubhaftmachungslast, dass sich das Verfügungspatent in einem Nichtigkeitsverfahren gegenüber den von der Verfügungsbeklagten zu 1) geltend gemachten Entgegenhaltungen mit Sicherheit als rechtsbeständig erweisen wird. Dass die von der Verfügungsbeklagten zu 1) anhängig gemachte Nichtigkeitsklage noch nicht zugestellt ist und der hierfür vorausgesetzte Kostenvorschuss noch nicht gezahlt und noch nicht einmal durch Gerichtskostenrechnung angefordert ist, ändert daran nichts.
    Zwar ist nicht zugunsten der Verfügungsbeklagten zu 1) anzunehmen, ihr sei eine förmliche Erhebung der Nichtigkeitsklage durch Zustellung der Nichtigkeitsklageschrift innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich gewesen, denn ihr ist der Verfügungsantrag vom 28.05.2024 zusammen mit der Beschlussverfügung der Kammer am 05.06.2024 zugestellt worden (vgl. Zustellungsnachweis Bl. 86 GA). Den Widerspruch hat sie mit Schriftsatz vom 30.07.2024 erhoben, jedoch erst auf den Hinweis in der gerichtlichen Verfügung vom 05.09.2024 (Bl. 191 GA) mit Schriftsatz vom 18.09.2024 (Bl. 206 GA) ihre Absicht vorgetragen, Nichtigkeitsklage zu erheben, welche sie sodann am 19.09.2024 anhängig gemacht hat.
    Dieser Zeitablauf steht aber nicht der Annahme entgegen, dass die Verfügungsbeklagte zu 1) ernsthaft beabsichtigt, den Rechtsbestand des Verfügungspatents anzugreifen. Sie hat eine Nichtigkeitsklage anhängig gemacht, in der sie ihre Entgegenhaltungen und Angriffe konkret benennt. Dass die Nichtigkeitsklage noch nicht zugestellt ist, liegt nicht erkennbar in ihrem Verantwortungsbereich. Sie war nicht gehalten, schon vor Bezifferung des Kostenvorschusses durch Gerichtskostenrechnung die Kostenerhebung zu beschleunigen. Zwar würde die unterbleibende oder verspätete Einzahlung des Kostenvorschusses gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG in der Tat – wie von der Verfügungsklägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht – dazu führen, dass die Nichtigkeitsklage als zurückgenommen gilt. Aber erstens hat der anwaltliche Vertreter der Verfügungsbeklagten zu 1), der auch die Nichtigkeitsklage anhängig gemacht hat, in mündlicher Verhandlung erklärt, die Verfügungsbeklagte zu 1) werde die Kosten entrichten. Und zweitens kann die theoretische Möglichkeit einer Rücknahmefiktion nach § 6 Abs. 2 PatKostG nicht dazu führen, dass die Bedeutung einer bereits anhängig gemachten, aber noch nicht zugestellten Nichtigkeitsklage geringer ist als diejenige einer bereits zugestellten Nichtigkeitsklage, denn eine Nichtigkeitsklage kann abweichend von § 269 ZPO in jeder Lage des Verfahrens bis zum Erlass der Berufungsentscheidung zurückgenommen werden (Schulte/Voit, a.a.O., § 81 PatG Rdn. 168). Auch eine zugestellte Nichtigkeitsklage bietet also keine höhere Gewähr dafür, dass der Nichtigkeitskläger nicht etwa durch Klagerücknahme des Nichtigkeitsverfahren jederzeit beenden könnte.
  24. b) Dass sich das Verfügungspatent gegenüber den in der Nichtigkeitsklage erhobenen Einwendungen als rechtsbeständig erweisen wird, ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit anzunehmen. Dabei können nach der gebotenen Interessenabwägung bereits Zweifel am Rechtsbestand dem Erlass einer einstweiligen Verfügung entgegenstehen, ohne dass die Schutzunfähigkeit des Verfügungspatents überwiegend wahrscheinlich sein müsste; vielmehr kann für die Versagung von Eilrechtsschutz bereits eine schlüssige, vertretbare und nicht von der Hand zu weisende Argumentation des Verfügungsbeklagten ausreichen (Schulte/Voß, a.a.O., § 139 PatG Rdn. 440 m.w.N.).
    Bereits der Offenbarungsgehalt der – unstreitig prioritätsälteren – Druckschrift JP ‘XXF erweckt hinreichend gewichtige Zweifel an der Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents. Zwischen den Parteien steht insoweit – zu Recht – außer Streit, dass die JP ‘XXF sowohl ein Rahmensystem mit Verbindungselementen und Verbindungsvorrichtungen gemäß Merkmal 1. als auch eine Verbindungsvorrichtung in Form eines Trapezprismas oder Rechtseckprismas gemäß Merkmal 5. offenbart. Auch zu den übrigen Merkmalen enthält die JP ‘XXF indes Offenbarungen, die es durchgreifend zweifelhaft erscheinen lassen, ob das Verfügungspatent sich im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen wird.
    aa) Die JP ‘XXF zeigt in ihren vier Figuren gemäß der zusammenfassenden Beschreibung eine rechteckige Kupplungsvorrichtung 1 mit Gewindelöchern 2 auf jeder Seite, Gewinderohre 3, 4 und 5, wobei eine Gewindestange 6 in ein Rohr eingeschweißt oder anderweitig integriert ist und die Gewindestange 6 in die Gewindebohrung eingeführt wird, so dass eine lineare flache oder dreidimensionale Struktur entsteht. Ferner offenbart die JP ‘XXF in ihrer zusammenfassenden Beschreibung, dass verschiedene Werkstücke mithilfe der Gewinde- bzw. Schraublöcher 2 befestigt werden. Die so beschriebenen vier Figuren der JP ‘XXF werden nachstehend eingeblendet:
  25. Damit offenbart die JP ‘XXF in Gestalt der Gewindestange 6 eine Struktur, die in die würfelförmige Verbindungsvorrichtung 1 eingeschraubt wird. Weil zwischen den Parteien – zu Recht – außer Streit steht, dass jedenfalls das mit dem Bezugszeichen 4 bezeichnete Rohr ein Verbindungselement nach der technischen Lehre des Verfügungspatents darstellt, ist damit auch in der erforderlichen Weise, nämlich unmittelbar und eindeutig, offenbart, dass das Verbindungselement gemäß Merkmal 2. über einen Schraubstift verbunden ist (vgl. Schulte/Moufang, a.a.O., § 3 PatG Rdn. 96 m.w.N.). Dabei gehört zum Offenbarungsgehalt alles, was, auch ohne ausdrücklich erwähnt zu sein, aus Sicht des Fachmanns und nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der Lehre selbstverständlich ist, sowie solche Abwandlungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Entgegenhaltung für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich bei aufmerksamer, auf den erkennbaren Sinn achtender Lektüre ohne weiteres erschließen, so dass der Fachmann sie mitliest (BGH GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung).
    Hiernach entnimmt der Fachmann der JP ‘XXF die Lehre, dass eine mechanische Verbindung zwischen der würfelförmigen Verbindungsvorrichtung und dem Rohr 4 als Verbindungselement jedenfalls auch unter Vermittlung eines in den Würfel eingeschraubten Gewindes zustande kommt. Dass weitere Element einer napfförmigen Vertiefung im weiteren Gewinderohr 3 – welches ein Innengewinde 7 oder 10 zur Aufnahme des Außengewindes 8 oder 9 des Rohrs 4 aufweist – ändert daran nichts. Erstens erkennt der Fachmann, dass es auf ein solches weiteres Element nicht ankommt und er die Schraubverbindung auch so abwandeln könnte, dass sie unmittelbar zwischen dem Rohr 4 und dem Gewinde im Gewindeloch 2 des Würfels 1 ausgeführt wäre, nämlich bei entsprechender Dimensionierung von Rohr und Gewindeloch. Und zweitens ist die technische Lehre des Verfügungspatents nicht beschränkt auf eine Gestaltung, bei welcher der Schraubstift unmittelbar mit dem Verbindungselement verbunden ist, sondern sie umfasst auch Gestaltungen, bei denen zwischen Schraubstift und Verbindungselement ein weiteres, eine mechanische Verbindung bewirkendes Element tritt.
    bb) Ferner offenbart die JP ‘XXF, dass diejenige Struktur, die durch die Verbindung der würfelförmigen Verbindungsvorrichtungen mit den Rohren gebildet wird, mit Paneelelementen im Sinne von Merkmal 3 verbunden werden kann. Hierzu würdigt die JP ‘XXF in ihrer Beschreibung (in der deutschen Übersetzung Seite 2 der JP ‘XXF = Seite 40 der Anlage CBH 3, dort in der Mitte der linken Spalte) nämlich als vorbekannten Stand der Technik eine dreidimensionale Fachwerkbauweise, die vor allem für große Platten gedacht ist. Dies versteht der Fachmann, zumal in Zusammenschau mit der zusammenfassenden Beschreibung der JP ‘XXF, als die Offenbarung von großen Platten, also Paneelen, die als diejenigen Werkstücke wie beispielsweise Wandmaterialen an den Gewindelöchern 2 der würfelförmigen Verbindungsvorrichtung 1 befestigt werden. Dabei kritisiert die JP ‘XXF zwar diesen Stand der Technik, allerdings nicht im Hinblick auf die Möglichkeit der Verbindung der Struktur mit großen Platten, sondern im Hinblick drauf, dass im Stand der Technik keine würfelförmigen oder rechteckigen Verbindungsvorrichtungen bekannt waren und dass hiernach keine Gestaltung in einem kleinen Maßstab möglich war. Somit gehört das Vorsehen von großen Platten, also vertikalen Paneelelementen im Sinne von Merkmal 3, jedenfalls zum Offenbarungsgehalt der JP ‘XXF, auch wenn seine Lehre darauf nicht ausdrücklich gerichtet sein sollte.
    Ebenso entnimmt der Fachmann der JP ‘XXF die Offenbarung, wonach diese Paneelelemente gemäß Merkmal 3. über Sperren mit den Verbindungsvorrichtungen verbunden sind. Die zusammenfassende Beschreibung der JP ‘XXF lehrt eine Befestigung der Werkstücke, beispielsweise Wandmaterialien, an den Gewinde- bzw. Befestigungslöchern 2 der würfelförmigen Verbindungsvorrichtungen 1. Es wird also aus Sicht des Fachmanns eine jedenfalls geeignete Schraubverbindung offenbart, die zur Befestigung der Werkstücke dient. Mehr lehrt auch das Verfügungspatent nicht. Es führt vielmehr in seiner allgemeinen Beschreibung aus (Absatz [0014]), dass die Paneelelemente mit den Gewindelöchern mithilfe von Sperren („locks“) in irgendeiner Weise verbunden werden und diese Sperren nicht Gegenstand der beanspruchten Erfindung sind. Damit erstreckt sich der beanspruchte Schutzbereich des Verfügungspatents auf alle dem Fachmann als geeignet bekannten Gestaltungen von Sperren, mithin auf alle Sperren, die der Fachmann auch nach der Offenbarung der JP ‘XXF mitliest.
    cc) Auch eine Gestaltung mit nicht gebogenen oder gebogenen Paneelelementen aus den Materialen Glas und/oder Metall oder Metalllegierungen und/oder Keramik nach Merkmal 4. ist durch die JP ‘XXF offenbart. Hierzu entnimmt der Fachmann, wie dargestellt, der zusammenfassenden Beschreibung sowie der angeführten Passage aus dem Beschreibungstext die Angabe, dass die aus Verbindungsvorrichtungen und Verbindungselementen gebildete Struktur mit Wandmaterialien verbunden wird. Hierzu liest der Fachmann wenigstens mit, dass alle zum Prioritätszeitpunkt bekannten Materialien für die Gestaltung einer Wand ebenso in Betracht kommen wie Gestaltungen in einer strukturellen Form, wie sie vorbekannt sind. Hierzu belegt das Verfügungspatent in seinem Absatz [0007], dass die genannten Materialien für die Gestaltung von Wänden – also Glas, Metall oder Keramik – im Prioritätszeitpunkt ebenso vorbekannt waren wie strukturelle Formen in Gestalt von Bogen-, Kurven- und Rundkonstruktionen. All diese Variationen der Gestaltung der Paneele kann der Fachmann damit auch der Offenbarung der JP ‘XXF entnehmen.
    dd) Von der Offenbarung der JP ‘XXF ist überdies eine Gestaltung der Verbindungsvorrichtung gemäß Merkmal 6. umfasst, wonach die Basis der Verbindungsvorrichtung und die entgegengesetzte Seite mindestens ein Gewindeloch und andere Seiten der Verbindungsvorrichtung mindestens zwei Gewindelöcher zur Befestigung der vertikalen Paneelelemente oder der Verbindungselemente aufweisen.
    Die nachstehend nochmals eingeblendeten Figuren 1 und 2 der JP ‘XXF zeigen als Verbindungsvorrichtung einen Würfel 1, der auf allen sechs Seiten gleichartig ausgestaltet ist, nämlich mit jeweils drei mal drei, also neun Gewindelöchern 2:
  26. Somit stehen nach der Offenbarung der JP ‘XXF sogar auf jeder Seite der Verbindungsvorrichtung mindestens zwei Gewindelöcher zur Befestigung der vertikalen Paneelelemente oder der Verbindungselemente zur Verfügung.
    Der Auffassung der Verfügungsklägerin, die Offenbarung der JP ‘XXF sei auf eine Gestaltung beschränkt, bei der höchstens ein Verbindungselement mit je einer Seite einer Verbindungsvorrichtung verbunden werden können, weil nämlich das Verbindungselement in Gestalt des Rohrs so groß dimensioniert sei, dass es alle weiteren Gewindelöcher abdecke, schließt sich die Kammer nicht an. Zum einen beschränkt sich die Sichtweise der Verfügungsklägerin darauf, dass das Verbindungselement, wie in den Figuren 1 und 2 der JP ‘XXF gezeigt, im mittigen der insgesamt neun Gewindelöcher 2 der würfelförmigen Verbindungsvorrichtung 1 eingeschraubt ist; denn nur bei dieser Gestaltung könnten die Figuren darauf hindeuten, dass der Umfang des eingeschraubten Rohres so groß ist, dass es alle weiteren Gewindelöcher abdeckt. Auf diese Offenbarung ist die JP ‘XXF aber nicht beschränkt, weil der Fachmann erkennt, dass alle neun Gewindelöcher wahlweise zum Einschrauben der Schraubstifte genutzt werden können. Zum anderen ist die Offenbarung der JP ‘XXF aus Sicht des Fachmanns auch nicht beschränkt auf die in den genannten Figuren gezeigte Dimensionierung der als Rohre ausgestalteten Verbindungselemente und der als Würfel ausgestalteten Verbindungsvorrichtungen. Vielmehr liest der Fachmann als Offenbarungsgehalt ebenso Gestaltungen mit, bei denen der Umfang der eingeschraubten Verbindungselemente im Verhältnis zur Dimensionierung der Verbindungsvorrichtungen und ihrer Gewindelöcher so gewählt ist, dass ein eingeschraubtes Verbindungselement kein einziges weiteres Gewindeloch abdeckt.
    Entsprechendes gilt für die Offenbarung von mindestens zwei Gewindelöchern an anderen Seiten als der Basis und der ihr entgegengesetzten Seite zur Befestigung der vertikalen Paneelelemente durch die JP ‘XXF: Auch hier liest der Fachmann mit, dass die Verbindungvorrichtung, ihre Gewindelöcher und die Paneelelemente so dimensioniert und ausgestaltet werden können, dass (ein oder mehrere) Paneelelement(e) auf anderen Seiten der Verbindungsvorrichtung auch mithilfe von zwei (oder mehr) Gewindelöchern verbunden werden können.
    Hinzu kommt, dass der Schutzbereich des Verfügungspatents nicht beschränkt ist auf eine Gestaltung, bei der mehr als ein Paneelelement an einer Seite der Verbindungsvorrichtung mithilfe der Gewindelöcher verbunden ist. Eine solche Gestaltung ist zwar in den Ausführungsbeispielen gezeigt, beispielsweise in der Figur 7 des Verfügungspatents, sie ist aber im Anspruchswortlaut nicht vorausgesetzt. Schon aus diesem Grund ist der Einwand der Verfügungsklägerin unbeachtlich, die Offenbarung der JP ‘XXF schließe es aus, mehr als ein Paneelelement an einer Seite einer Verbindungsvorrichtung zu verbinden.
    Schließlich ist der Offenbarungsgehalt der JP ‘XXF auch nicht in dieser Weise beschränkt. Ausweislich der Beschreibung zeigt die nachfolgend nochmals eingeblendete Figur 3 der JP ‘XXF eine Draufsicht auf die offenbarten Komponenten, die eine flächige Struktur ausbilden:
  27. Dem entnimmt der Fachmann, dass nach der Offenbarung der JP ‘XXF durch die Verbindungsvorrichtung 1 und die Verbindungselemente (3, 4 und 5) eine feldartige Struktur ausgebildet wird, bei der die Verbindungsvorrichtungen die Ecken des jeweiligen Felds bilden, wobei innenliegende Verbindungsvorrichtungen Ecken (mindestens) zweier angrenzender Felder bilden. In Verbindung mit der Offenbarung der JP ‘XXF zur Anzahl der Gewindelöcher auf jeder Seite der Verbindungsvorrichtung liest der Fachmann wenigstens eine Gestaltung als offenbart mit, bei der eine Seite der Verbindungsvorrichtung mit ihrer einen Ecke mit einem Paneelelement verbunden ist und an der gegenüberliegenden Ecke mit einem anderen Paneelelement, wenn nämlich die Paneelelemente jeweils so dimensioniert sind, dass sie die durch die Struktur gebildeten Feld um ein weniges überragen.
    ee) Schließlich offenbart die JP ‘XXF auch, dass entsprechend Merkmal 7. wechselseitig entgegengesetzte Seiten der prismenförmigen Verbindungsvorrichtung dazu verwendet werden, die vertikalen Paneelelemente zu verbinden. Dieses Merkmal ist in der Weise auszulegen, dass die Verbindungsvorrichtung so ausgestaltet sein muss, dass einander gegenüberliegende und zueinander parallele Oberflächen der Verbindungsvorrichtung so ausgestaltet sind, dass an jeder von ihnen Paneelelemente verbunden werden können, wobei es aber nicht erforderlich ist, dass gleichzeitig an beiden Flächen Paneelelemente angebracht werden. Dies folgt bereits aus den in den Figuren des Verfügungspatents mit 3 und 3‘‘ beziehungsweise 6, 6‘‘ bezeichneten Flächen. Dass es sich bei den in Merkmal 7. genannten wechselseitig entgegengesetzten Seiten um Oberflächen der Verbindungsvorrichtung handelt und nicht um einander entgegengesetzte Kanten derselben Oberfläche, wird bestätigt durch den systematischen Zusammenhang zu Merkmal 6., in welchem die Basis (2 oder 5) und die ihr entgegengesetzte Seite (2‘‘ oder 5‘‘) in Bezug genommen werden. Der Begriff der Seite ist damit auf Oberflächen des Prismas gerichtet und bezeichnet nicht bloße Kanten oder Teile einer Oberfläche. Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass im Anspruchswortlaut die Bezugszeichen der fraglichen Seiten, nämlich 6 und/oder 6‘‘ einerseits und 3 und/oder 3‘‘ andererseits in den Figuren 1, 2, 4 und 5 jeweils als Oberflächen des Prismas gezeigt sind, und zwar bei einem Trapezprisma in Figuren 1 und 2 als die nicht der Basis gegenüberliegenden Oberflächen.
    Dass das Verfügungspatent aber nicht voraussetzt, dass zugleich an beiden einander gegenüberliegenden Seiten Paneelelemente angebracht sind, ergibt sich aus der Darstellung und Beschreibung verfügungspatentgemäßer Ausführungsbeispiele. In Absatz [0016] ist beschrieben, dass die in Figur 1 gezeigte Verbindungsvorrichtung so positioniert sein kann, dass das Paneelelement entweder an der Seite 3 angebracht werden kann, die eine größere Fläche hat als die Seite 3‘‘, oder aber an der Seite 3‘‘. Dem entspricht die Darstellung in den Figuren 3 und 6, die Verbindungsvorrichtungen mit angebrachten Schraubstiften oder Verbindungselementen auf zwei oder drei Seiten der Verbindungsvorrichtung zeigen, so dass es nicht möglich ist, auf zwei einander gegenüberliegenden Seiten gleichzeitig Paneelelemente anzubringen.
    Auch dieses in dieser Weise auszulegende Merkmal offenbart die JP ‘XXF nach dem oben Ausgeführten: Die Verbindungsvorrichtungen sind nach der Offenbarung der JP ‘XXF insofern gleichartig ausgestaltet, dass sie dieselbe Anzahl und dieselbe Art von Schraublöchern aufweisen. Alle Seiten der Verbindungsvorrichtungen, also auch zwei einander parallel gegenüberliegende, sind damit so ausgestaltet, dass an jeder von ihr ein Paneelelement angebracht werden kann.
  28. III.
    Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Akte gereiche Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 09.10.2024, Bl. 284f. GA, gab – zumal im Hinblick auf den Eilcharakter des Verfügungsverfahrens – keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.
  29. IV.
    Die Kostenentscheidung beruht in Anwendung der Baumbach’schen Kostenformel auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Hierbei ist im Wege der Schätzung berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin zu 2) keinen Widerspruch gegen die Beschlussverfügung der Kammer vom 29.05.2024 eingelegt und somit zu den weiteren Gebührentatbestanden nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch streitiges Urteil nicht beigetragen hat.
    Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 6 ZPO.

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