Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3381
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 11. Juli 2024, Az. 4a O 66/10
- I.
Die Klage wird abgewiesen. -
II.
Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. -
III.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. - Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unmittelbarer wortsinngemäßer Verletzung des mittlerweile erloschenen Deutschen Gebrauchsmusters DE 21 2008 000 XXA U1 (Anlage K6, nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) in Anspruch. Mit ihrer Klage begehrt sie die Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf, Zahlung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 8.276,80 Euro sowie – nach einseitiger, teilweiser Erledigungserklärung – Feststellung der Erledigung hinsichtlich eines ursprünglichen Begehrens auf Unterlassung und Urteilsveröffentlichung.
- Die Klägerin war eingetragene Inhaberin des Klagegebrauchsmusters (vgl. Registerauszug als Anlage K7), welches am 22.12.2008 angemeldet wurde. Die Eintragung durch das Deutsche Patent- und Markenamt (nachfolgend: DPMA) erfolgte am 06.08.2009. Die Bekanntmachung im Patentblatt erfolgte am 10.09.2009. Das Klagegebrauchsmuster nimmt die Priorität der NL 2001XXB und NL 2001XXC, jeweils vom 21.12.2007, in Anspruch. Es betrifft laut seiner Bezeichnung eine „Anilox-Walze zum Bedrucken eines Substrats und Druckvorrichtung mit einer Anilox-Walze“.
- Das Klagegebrauchsmuster steht nicht mehr in Kraft, nachdem es am 31.12.2018 durch Zeitablauf erloschen ist. Vor Erlöschen des Klagegebrauchsmusters hielt das Bundespatentgericht (nachfolgend: BPatG) das Klagegebrauchsmuster mit rechtskräftigem, zweitinstanzlichem Beschluss vom 13.06.2017 im Löschungsverfahren zum Az. 35 W (pat) 439/13 (geführt unter anderem von der hiesigen Beklagten zu 1), Anlage K65) in beschränktem Umfang aufrecht und löschte das Klagegebrauchsmuster in dem Umfang, in welchem es über den Hauptantrag vom 30.01.2017 (Anlage HE64) der hiesigen Klägerin im Löschungsverfahren, hinausging.
- Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters in der vom BPatG aufrechterhaltenen Fassung lautet (vgl. Anlage HE64):
-
„1. Anilox-Walze für eine Flexo-Druckvorrichtung zum Übertragen eines Fluids, wie zum Beispiel einer Druckfarbe, umfassend
– einen Zylinder mit einer Oberfläche,
– wobei die die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze eine Fluidverteilungsstruktur zum Aufnehmen des Fluids, Verteilen des Fluids über den Zylinder und Übertragen des Fluids aufweist,
– die Fluidverteilungsstruktur einen einzigen zum Verteilen des Fluids über die Fluidverteilungsstruktur in der Oberfläche gebildeten Kanal aufweist,
– die Fluidverteilungsstruktur angeordnet ist, um mittels einer Kombination von Beschränkungen in der Fluidverteilungsstruktur in einem ersten Betriebsmodus zum Drucken von hohen Farbschichten einen relativ großen Fluidtropfen und in einem zweiten Betriebsmodus zum Drucken von Details einen relativ kleinen Fluidtropfen zu übertragen,
– wobei eine Beschränkung durch eine lokale Veränderung wenigstens der Kanalform gebildet wird,
– bei der der Kanal der Fluidverteilungsstruktur sich in Umfangsrichtung der Anilox-Walze erstreckt, über die Oberfläche mäandriert und die Form einer Welle hat sowie ausbildbar ist durch
o Fokussieren des Laserstrahls eines kontinuierlichen Lasers in einem Punkt auf der äußeren Oberfläche der Anilox-Walze, sowie kontinuierliches Relativbewegen von Anilox-Walze und Laserstrahl mittels Rotation um die und Bewegung entlang der Längsachse der Anilox-Walze,
o wobei der Laserpunkt auf der zu gravierenden Oberfläche zusätzlich eine Hin- und Herbewegung ausführt, die in einer Verschiebung des Punkts parallel zur Längsachse der Anilox-Walze resultiert,
o und Verdampfen des Materials der äußeren Oberfläche, um aus einer kontinuierlichen Spur von verdampftem Oberflächenmaterial den Kanal zu bilden,
o der ein gleichmäßiger Kanal in der Form einer kontinuierlichen Spur ist und sich derart in Rotationsrichtung der Anilox-Walze erstreckt, dass in Richtung der Längsachse nebeneinander liegende Teile des Kanals einen zueinander im Allgemeinen parallelen Verlauf haben,
– und entweder
o die Fluidverteilungsstruktur miteinander verbundene Kanalteile aufweist, die eine Breite von zwischen 10 und 150 µm haben, oder
o die Wände zwischen den in Richtung der Längsachse nebeneinander liegenden Teilen des Kanals eine Breite von weniger als 4 µm, bevorzugt im Bereich von 1-3 µm haben.“ - Zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre werden nachfolgend die Figuren 1, 3b und 3c der Klagegebrauchsmusterschrift verkleinert eingeblendet, wobei gem. Abs. [0084] und [0086] der Klagegebrauchsmusterbeschreibung die Figur 1 eine schematische Seitenansicht einer Druckvorrichtung für den Flexodruck und die Figuren 3b und 3c detaillierte Ansichten einer erfindungsgemäßen Fluidverteilungsstruktur der äußeren Oberfläche einer Anilox-Walze zeigen:
- Gem. der Abs. [0090] ff. der Klagegebrauchsmusterschrift offenbart das in Figur 1 gezeigte Ausführungsbeispiel eine Druckvorrichtung 1 mit einer Tauchwalze 2, die teilweise in einen Farbnapf 4 mit einer bestimmten Menge von Druckfarbe 3 eingetaucht ist sowie mit einer drehbaren Rasterwalze oder Anilox-Walze 5, wobei zwischen Tauchwalze 2 und Anilox-Walze 5 ein Kontaktpunkt oder eine Kontaktlinie 6 gebildet werden kann. Neben einer Umfangsseite der Rasterwalze 5 ist ein Messer 7 über zumindest einen Teil der Länge der Rasterwalze positioniert, welches einen Überschuss an Druckfarbe abschabt. Ein drehbarer Druckzylinder 9 umfasst Erhebungen und Ausnehmungen, wobei die Erhebungen ein Negativ des zu druckenden Bildes bilden. Die Erhebungen und Ausnehmungen bestimmen den Betriebsmodus für die Anilox-Walze 5. Das Substrat 13 oder das zu bedruckende Produkt kann neben einer Umfangsseite des Druckzylinders 9 positioniert sein, wobei eine drehbare Eindrückwalze 11 oder ein Gegendruckzylinder 11 und die Druckwalze 9 auf beiden Seiten des Substrats positioniert sind.
- In Figur 3b ist gem. Abs. [0114] ff. der Klagegebrauchsmusterschrift eine Oberfläche eines erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiels einer Anilox-Walze gezeigt, in der mäandrierende Kanäle 24 vorgesehen sind, die einheitliche Wände 25 aufweisen. Die Figur 3c zeigt gem. Abs. [0122] der Klagegebrauchsmusterschrift die Möglichkeit, die Kanäle und die Wände mit einem Winkel β in Bezug auf die Rotationsrichtung (oder Umfangrichtung) R zu positionieren.
- Die Klägerin und die Beklagte zu 1) stellen her und vertreiben u.a. Anilox- bzw. Rasterwalzen für Druckvorrichtungen. Die Beklagten zu 2) und zu 3) sind die Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
- Die Beklagte zu 1) stellte her und vertrieb, jeweils in der Bundesrepublik Deutschland, Anilox-Walzen unter der Bezeichnung „B“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform), wobei die Beklagten behaupten, die angegriffene Ausführungsform sei nur bis Ende 2008 hergestellt worden. Auf ihrer deutschsprachigen Internetseite bewarb die Beklagte zu 1) – mit Bezug zur C 2008, auf welcher sie die angegriffene Ausführungsform präsentierte – die angegriffene Ausführungsform, wie aus dem von der Klägerin als Anlage K5 vorgelegten Screenshot der Internetseite vom 26.02.2010 ersichtlich ist.
- Die angegriffene Ausführungsform weist in Rotationsrichtung der Walze verlaufende, in Form einer Sinuswelle gestaltete Kanalteile oder Kanäle, wobei bezüglich der Kanalanzahl zwischen den Parteien Uneinigkeit besteht, mit einer Lineatur von 140 bis 220 Linien pro Zentimeter auf. Ein stark vergrößerter Abdruck eines Ausschnitts der Oberflächenstruktur einer angegriffenen Ausführungsform ist nachstehend abgebildet, wobei die Abbildung aus dem als Anlage K17 vorgelegten Screenshot vom 30.10.2009 der russischen Website (www.D.ru) der Beklagten zu 1) stammt:
- Die dunklen Bereiche stellen dabei Kanäle und die hellen Bereiche Kanalwände dar. Die Beklagte zu 1) bewarb die angegriffene Ausführungsform damit, dass sie alle herkömmlichen 80er, 100er, 120er und 140er Rasterwalzen aus der Gravurrange mit einer Walze ersetzen kann.
- Zudem ließ die Beklagte zu 1) auf der vom 24.11.2009 bis 26.11.2009 in F stattfindenden Fachmesse E 2009 CD-ROMs verteilen, auf denen die angegriffene Ausführungsform näher beschrieben und ihre Gravur vergrößert gezeigt wurde (Anlage K18), wobei die angegriffene Ausführungsform auf der Messe selbst nicht ausgestellt wurde.
- Mit rechts- und patentanwaltlichem Schreiben vom 21.01.2010, vorgelegt als Anlage K40, mahnte die Klägerin die Beklagten ab und forderte sie zur Unterlassung einer Verletzung des Klagegebrauchsmusters auf. Die Beklagten gaben keine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ab.
- Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten machten durch Herstellen und Anbieten der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland von der technischen Lehre des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß Gebrauch.
- Soweit die Beklagten nunmehr sehr spät noch behaupteten, die Beklagte zu 1) hätte nach dem Jahr 2008 bzw. zumindest nach dem 09.10.2009 keine angegriffene Ausführungsform mehr hergestellt und in den Verkehr gebracht, sei dies zweifelhaft und unglaubwürdig. Die Klägerin bestreitet den diesbezüglichen Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen.
- Die angegriffene Ausführungsform erfülle sämtliche Merkmale des aufrechterhaltenen Anspruchs 1 unmittelbar und wortsinngemäß. Nach Auffassung der Klägerin bestritten die Beklagten nicht, dass die angegriffene Ausführungsform die von den Beklagten problematisierten Merkmale verwirkliche, sondern sie kritisierten – aus Sicht der Klägerin zu Unrecht – lediglich den Tatsachenvortrag der Klägerin diesbezüglich als nicht ausreichend substantiiert. Die Beklagten würden ihre sekundäre Darlegungslast verkennen.
- Insbesondere weise die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze der angegriffenen Ausführungsform eine Fluidverteilungsstruktur auf.
- Bei der gebotenen funktionalen Auslegung sei mit „gesamter Oberfläche“ die gesamte Funktionsoberfläche der Walze gemeint, also der Teil des Walzenfarbwerks, der als Speichermedium die notwendige und definierte Farbmenge während des Druckvorgangs konstant zur Verfügung stelle. Wenn eine Anilox-Walze links und rechts einen Rand aufweise, sei dies allein technisch bedingt und habe mit der Funktion der Anilox-Walzen gemäß der Lehre des Klagegebrauchsmusters nichts zu tun. Die Oberfläche dürfe nur nicht verschiedene Funktionsbereiche oder Unterbrechungen des einen Funktionsbereichs aufweisen. Der Wortsinn des Merkmals bestehe darin, dass die gesamte für den Druckprozess zur Verfügung stehende Oberfläche der Anilox-Walze eine Fluidverteilungsstruktur aufweise. So verstünden dies auch die auf dem Gebiet tätigen Fachkreise, wie sich aus dem als Anlage K69 bzw. K69a vorgelegten Privatgutachten von Herrn G ergebe. Dieser komme zu dem eindeutigen Ergebnis, dass ein Fachmann zum Prioritätszeitpunkt auch dann davon gesprochen hätte, dass die gesamte Oberfläche des Rasterwalzenkörpers graviert sei, wenn Streifen an den Enden des Rasterwalzenkörpers nicht graviert seien. Die ungravierten Enden würden bei einer normalen Verwendung der Walze ohnehin nie mit einer Druckplatte in Berührung kommen und könnten so zum Drucken nicht beitragen.
- Hinsichtlich des im Löschungsverfahren hinzugekommenen Teilmerkmals „gesamte Oberfläche“ erwähne das BPatG in seinem Beschluss vom 13.06.2017, dass (nur) in den Entgegenhaltungen D7 (US 4 301 XXB A), D8 (US 4 819 XXC A) und D11 (DE 10 2004 015 XXD B3) Anilox-Walzen gezeigt würden, die über die gesamte Oberfläche eine Fluidverteilstruktur aufwiesen (Anlage K65, Seite 19, letzter Absatz). In diesen Entgegenhaltungen werde nicht zwischen Ausführungsformen mit oder ohne Rand unterschieden, sondern es komme darauf an, dass gewisser Weise nahtlos über die Oberfläche der Walze eine Fluidverteilstruktur vorhanden sei, die ein einziges Volumen definiere, also nicht auf dem Weg von ihrem einen zu ihrem gegenüberliegenden Ende unterbrochen sei. Im Löschungsverfahren sei es für dieses Merkmal darauf angekommen, dass die Oberflächenstruktur sich unterbrechungsfrei bis zur anderen Seite der Walze, aber nicht unmittelbar bis an den Rand, erstrecke.
- Es sei bei allen Varianten der angegriffenen Ausführungsform der Fall, dass die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze nicht verschiedene Funktionsbereiche oder Unterbrechungen des einen Funktionsbereichs aufweise. Nur außerhalb der für den Druckprozess zur Verfügung stehenden Oberfläche befinde sich eventuell ein Rand ohne Fluidverteilungsstruktur.
- Nach Ansicht der Klägerin bestritten die Beklagten nicht, dass das die „gesamte Oberfläche“ betreffende Merkmal von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht werde. Sie behaupteten nicht einmal, keine streitgegenständlichen Walzen ohne Rand anzubieten, worauf es bei richtiger Auslegung aber auch nicht ankomme. Wenn die Beklagten ausführten, dass ihre Anilox-Walzen „üblicherweise“ einen Rand an beiden Seiten der Gravur aufwiesen, räumten sie schon ein, dass dies nicht für alle Anilox-Walzen gelte.
- Weiterhin weise die Fluidverteilungsstruktur der angegriffenen Ausführungsform einen einzigen in der Oberfläche gebildeten Kanal zum Verteilen des Fluids über die Fluidverteilungsstruktur auf.
- Die Klägerin habe den Verlauf des Kanals auf der Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform mikroskopisch untersucht und dadurch überprüft, dass es sich, wie bei einer Schallplatte, um einen einzigen, von einer zur anderen Seite durchlaufenden Kanal handele und nicht etwa um 2 oder 3 parallel nebeneinanderliegende Kanäle. Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten bestritten auch nicht, dass die angegriffene Ausführungsform lediglich einen durchgehenden Kanal aufweise.
- Sie, die Klägerin, habe das Vorliegen nur eines Kanals bei der angegriffenen Ausführungsform anhand eines Abdrucks eines Ausschnitts der Walzenoberfläche dargelegt. Die dort gezeigten, nebeneinanderliegenden Kanalteile seien bei der angegriffenen Ausführungsform völlig gleichmäßig beabstandet. Bei der Erzeugung zweier paralleler Kanäle, etwa durch mehrere parallele Laser, würden sich aber Variationen der Breite der Zellwände oder Unterschiede im Muster ergeben, welche sich bei der Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform durch die Klägerin nicht gezeigt hätten. Vielmehr habe die mikroskopische Untersuchung durch die Klägerin ergeben, dass die Breite der Zellwände völlig einheitlich sei, was zwingend darauf schließen lasse, dass mit einem Laser ein einziger Kanal erzeugt worden sei.
- Aus der gutachterlichen Stellungnahme des Herrn G ergebe sich, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Laser-Gravur-Maschinen mit einem Duallaser verfügbar gewesen seien. Für die Verwendung „zweier Laser“ gebe es aus technischer Sicht nur die Möglichkeit, den Laserstrahl eines Lasers aufzuteilen oder zwei Laser zu verwenden, was jeweils zu technischen Herausforderungen führen würde, ohne, dass diesen ein wirtschaftlicher Vorteil gegenüberstehe. In jedem Fall würden diese Möglichkeiten nach der Ansicht von Herrn G zu einer Variation der Breite der Zellwände führen, welche er gemäß der Anlage K69 bzw. K69a in der angegriffenen Ausführungsform nicht erkennen könne. Bei einem Versetzen des Lasers nach einer vollständigen Umdrehung der Anilox-Walze wäre laut Herrn G das Starten und Stoppen sichtbar, was ebenfalls nicht erkennbar sei. Herr G könne auch anhand des nur kleinen Ausschnitts der Gravur eindeutig nur einen einzigen Kanal erkennen, da sich beim Erstellen zweier Kanäle mittels zweier Laser eine charakteristische Oberfläche ergeben würde, die eindeutig erkennbar wäre.
- Der Antrag auf Vernichtung sei begründet. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die Beklagte zu 1) bei der Klageerhebung im Jahr 2010 oder jedenfalls zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt seit der Klageerhebung Eigentum und Besitz an den von ihnen hergestellten angegriffenen Walzen gehabt habe.
- Der Klägerin habe vor der diesbezüglichen Erledigung des Rechtsstreits auch ein Anspruch auf Bekanntgabe des Urteils gem. § 24e GebrMG zugestanden. Das berechtigte Interesse ergebe sich daraus, dass die Beklagten durch ihre massive Bewerbung der rechtsverletzenden Anilox-Walzen eine Marktverwirrung verursacht hätten, die zu korrigieren sei.
- Schließlich bestehe der Rückrufanspruch auch nach Ablauf des Klagegebrauchsmusters weiter für Gegenstände, die vor diesem Zeitpunkt in die Vertriebswege gelangt seien.
- Mit Schriftsatz vom 26.03.2010, der den Beklagten am 13.04.2010 zugestellt worden ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage eingereicht. Nach mündlicher Verhandlung vom 17.05.2011 hat die Kammer die Verhandlung mit Beschluss vom 23.05.2011 (Bl. 228 GA) bis zur Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung beim DPMA über den gegen das Klagegebrauchsmuster eingereichten Löschungsantrag ausgesetzt. Mit Beschluss vom 27.09.2013 (Anlage WKS 24), gegen den mehrere Parteien des dortigen Verfahrens Beschwerde einlegten, erhielt die Gebrauchsmusterabteilung das Klagegebrauchsmuster eingeschränkt aufrecht. Nachdem das BPatG mit Beschluss vom 13.06.2017 über die Beschwerde entschieden hatte, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10.10.2017 die Fortsetzung des hiesigen Rechtsstreits beantragt und zu dem geänderten Anspruch des Klagegebrauchsmusters weitere Ausführungen in der Sache angekündigt, die sie – ohne, dass die Kammer hierzu eine Frist gesetzt hatte – mit Schriftsatz vom 14.10.2019 bei Gericht eingereicht hat.
- Zu der von den Beklagten erhobenen Einrede der Verjährung ist die Klägerin der Auffassung, Verjährung sei nicht eingetreten. Es fehle jedenfalls an dem für eine Aufhebung der Hemmung der Verjährung erforderlichen Übergang der Prozessförderungspflicht von dem Gericht auf die Parteien, damit die verstrichene Zeit vom Erlass des Beschlusses des DPMA bis zum Erlass des Beschlusses des BPatG sowie bis zur Begründung des modifizierten Anspruchs durch die Klägerin überhaupt zur Verjährung führen könne. Die Parteien hätten außerdem einvernehmlich im Sinne eines ökonomischen Verfahrensablaufs die endgültige Entscheidung im Löschungsverfahren abgewartet. Den begründeten Beschluss des BPatG habe die Klägerin erst am 06.11.2017 erhalten. Der Zeitraum bis zur darauffolgenden Begründung ihres Anspruchs sei erforderlich gewesen.
- Ursprünglich hat die Klägerin eine unmittelbare Verletzung der Gebrauchsmusteransprüche 1 und 2 in ihrer ursprünglich erteilten Fassung in Kombination mit weiteren Merkmalen aus der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters geltend gemacht sowie zusätzlich Unterlassung (ursprünglicher Antrag zu Ziff. I.1.) und Veröffentlichung des Urteils der Kammer auf der eigenen Internetseite der Klägerin sowie in den verschiedenen Branchenzeitschriften/-medien auf Kosten der Beklagten (ursprünglich Antrag zu Ziff. I.5.) beantragt. Nachdem das Klagegebrauchsmuster am 31.12.2018 durch Zeitablauf erloschen ist, hat die Klägerin die Klage hinsichtlich des ursprünglichen Unterlassungsantrags und des ursprünglichen Antrags auf Veröffentlichung des Urteils mit Schriftsatz vom 14.10.2019 für erledigt erklärt sowie die ursprünglichen Anträge auf Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung einer Schadensersatzpflicht entsprechend auf Gegenstände, die bis zum 31.12.2018 hergestellt worden sind, beschränkt. Die Klägerin hat ihre Klageanträge zudem hinsichtlich des vom BPatG beschränkt aufrechterhaltenen Schutzanspruch 1 des mittlerweile erloschenen Klagegebrauchsmusters angepasst.
- Der Klägerin beantragt nunmehr,
- I. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist, dass die Beklagten in dem Zeitraum vom 10.10.2009 bis 31.12.2018
- Anilox-Walzen für eine Flexo-Druckvorrichtung zum Übertragen eines Fluids, wie zum Beispiel einer Druckfarbe, in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und/oder besessen haben, die durch folgende Merkmale gekennzeichnet sind:
- – einen Zylinder mit einer Oberfläche,
- – wobei die die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze eine Fluidverteilungsstruktur zum Aufnehmen des Fluids, Verteilen des Fluids über den Zylinder und Übertragen des Fluids aufweist,
- – die Fluidverteilungsstruktur einen einzigen zum Verteilen des Fluids über die Fluidverteilungsstruktur in der Oberfläche gebildeten Kanal aufweist,
- – die Fluidverteilungsstruktur angeordnet ist, um mittels einer Kombination von Beschränkungen in der Fluidverteilungsstruktur in einem ersten Betriebsmodus zum Drucken von hohen Farbschichten einen relativ großen Fluidtropfen und in einem zweiten Betriebsmodus zum Drucken von Details einen relativ kleinen Fluidtropfen zu übertragen,
- – wobei eine Beschränkung durch eine lokale Veränderung wenigstens der Kanalform gebildet wird,
- – bei der der Kanal der Fluidverteilungsstruktur sich in Umfangsrichtung der Anilox-Walze erstreckt, über die Oberfläche mäandriert und die Form einer Welle hat sowie ausbildbar ist durch
- – Fokussieren des Laserstrahls eines kontinuierlichen Lasers in einem Punkt auf der äußeren Oberfläche der Anilox-Walze, sowie kontinuierliches Relativbewegen von Anilox-Walze und Laserstrahl mittels Rotation um die und Bewegung entlang der Längsachse der Anilox-Walze,
- – wobei der Laserpunkt auf der zu gravierenden Oberfläche zusätzlich eine Hin- und Herbewegung ausführt, die in einer Verschiebung des Punkts parallel zur Längsachse der Anilox-Walze resultiert,
- – und Verdampfen des Materials der äußeren Oberfläche, um aus einer kontinuierlichen Spur von verdampftem Oberflächenmaterial den Kanal zu bilden,
- – der ein gleichmäßiger Kanal in der Form einer kontinuierlichen Spur ist und sich derart in Rotationsrichtung der Anilox-Walze erstreckt, dass in Richtung der Längsachse nebeneinander liegende Teile des Kanals einen zueinander im Allgemeinen parallelen Verlauf haben, und entweder
- – die Fluidverteilungsstruktur miteinander verbundene Kanalteile aufweist, die eine Breite von zwischen 10 und 150 µm haben, oder
- – die Wände zwischen den in Richtung der Längsachse nebeneinander liegenden Teilen des Kanals eine Breite von weniger als 4 µm, bevorzugt im Bereich von 1-3 µm haben.
- (Schutzanspruch 1)
- und insbesondere Anilox-Walzen des Typs „B“;
- II. die Beklagten zu verurteilen, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die in Ziff. I. bezeichneten Handlungen in dem Zeitraum vom 10.10.2009 bis 31.12.2018 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer einschließlich der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei
- – den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- – die Beklagten zum Nachweis der Angaben zu b) die entsprechenden Verkaufsbelege (Rechnungen oder Lieferscheine) in Kopie vorzulegen haben;
- III. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, die von 10.10.2009 bis 31.12.2018 in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum gelangten und dort noch befindlichen, unter Ziff. I. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten zu 1) herauszugeben;
- IV. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, die unter Ziff. I. bezeichneten von 10.10.2009 bis 31.12.2018 in deren Besitz gelangten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten gebrauchsmusterverletzenden Zustand der Sache (Urteil des Landgericht Düsseldorf, Az. …, vom …) und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie die mit der Rückgabe der Erzeugnisse verbundenen Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen, mit den infolge des Rückrufs in ihren unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum gelangten Erzeugnissen gemäß Ziff. Ill. zu verfahren und die unter Ziff. I. bezeichneten Erzeugnisse endgültig aus den Vertriebswegen zu entfernen;
- V. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin 8.276,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen;
- VI. festzustellen, dass der Rechtsstreit im Umfang der ursprünglich auf Unterlassung und Urteilsbekanntmachung gerichteten Anträge (ursprüngliche Anträge zu Ziff. I.1. und Ziff. I.5. gemäß dem Schriftsatz vom 10.02.2011) erledigt ist.
- Die Klägerin beantragt zudem die Festsetzung von Teilstreitwerten.
- Hilfsweise
- beantragt die Klägerin, ihr zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden.
- Die Beklagten treten der Teil-Erledigungserklärung der Klägerin entgegen und beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagten sind der Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu.
- Die Klägerin sei schon nicht in der Lage, darzulegen, dass die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale des Klagegebrauchsmusters in der aufrechterhaltenen Fassung verwirklicht habe. Die Klägerin stelle nur Vermutungen zur Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform an.
- Sie behaupten, die Beklagte zu 1) habe ohnehin nur wenige Exemplare der angegriffenen Ausführungsform bis zum Ende des Jahres 2008 hergestellt, da diese Walzen in der Praxis nicht überzeugt hätten.
- Die Beklagten sind der Ansicht, jedenfalls habe die Klägerin nicht dargelegt, dass die gesamte Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform eine Fluidverteilungsstruktur aufweise.
- Mit der klagegebrauchsmustergemäßen „gesamten“ Oberfläche sei tatsächlich die gesamte Oberfläche der Walze bis zum Rand gemeint, d.h. die Fluidverteilungsstruktur weise anspruchsgemäß keine Ränder auf. Dem Fachmann sei zum Prioritätszeitpunkt bekannt gewesen, dass Anilox-Walzen einen Rand aufweisen, aber auch randlos ausgestaltet sein können. Das Merkmal „gesamte Oberfläche“ sei zum Zweck der Abgrenzung zum Stand der Technik aufgenommen worden, wie aus dem Beschluss des BPatG vom 13.06.2017, dort Seite 19, hervorgehe. Die Klägerin habe sich – insoweit unstreitig – auf die Abs. [0067] und [0143] der Klagegebrauchsmusterbeschreibung zur Offenbarung dieses Merkmals berufen, nach welchen jedoch die „vollständige“ anstatt die „gesamte“ Oberfläche mit einem Laser graviert werde, so dass diese Begriffe synonym seien. Das Adjektiv „gesamte“ beziehe sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur auf die „Funktionsoberfläche“, denn ihre klagegebrauchsmustergemäße Funktion erfülle eine Anilox-Walze immer nur mittels ihrer Fluidverteilungsstruktur.
- Die Beklagten behaupten, Anilox-Walzen würden bei der Beklagten zu 1) in der Regel nicht über ihre gesamte Oberfläche graviert, sondern sie wiesen üblicherweise einen Rand auf, in dessen Bereich es an einer Fluidverteilungsstruktur fehle. Sie sind der Ansicht, die Klägerin trage nicht substantiiert vor, dass die angegriffene Ausführungsform ohne Rand angeboten worden sei. Soweit die Klägerin auf Abbildungen in ihrem Schriftsatz vom 14.10.2009 verweise, zeigten diese aktuelle Anilox-Walzen der Beklagten, aber nicht die nur in der Vergangenheit hergestellte und angebotene angegriffene Ausführungsform.
- Die Klägerin lege ebenfalls nicht dar, dass die Fluidverteilungsstruktur der angegriffenen Ausführungsform einen einzigen in der Oberfläche gebildeten Kanal aufweise, sondern spekuliere diesbezüglich.
- Wie die von der Klägerin behauptete mikroskopische Untersuchung, bei welcher die Klägerin das Vorliegen eines einzigen Kanals überprüft haben wolle, vonstattengegangen sein soll, offenbare die Klägerin nicht. Ausgehend von der Untersuchung der angegriffenen Ausführungsform seitens der Klägerin vor Einreichung der Klageschrift habe es eine solche mikroskopische Untersuchung offenbar auch nicht gegeben. Denn vor Einreichung der Klageschrift habe die Klägerin nur einen beschichteten „Press-O-Film“ auf die Walzenoberfläche gepresst und so deren Fingerabdruck genommen, welcher jedoch nur einen kleinen Ausschnitt der Walzenoberfläche mit mehreren parallel zueinander verlaufenden Kanälen zeige. Ein Nachweis hinsichtlich der Ausgestaltung der gesamten Oberfläche sei damit nicht erbracht.
- Eine gleichmäßige Beabstandung der Kanäle sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur möglich, wenn ein einziger Laser einen einzelnen Kanal forme. Es könnten auch mehrere parallele Laser eingesetzt werden oder eine Vielzahl von jeweils parallelen Kanälen durch einen Laser hergestellt werden, ohne dass sich hierdurch zwangsläufig Unterschiede im Muster ergäben. Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, warum gleichmäßig beabstandete Kanalteile allein dadurch erzeugt werden könnten, dass ein Laser nur einen Kanal nach Art einer CD- bzw. DVD-Spur aufbringe. Nicht nachvollziehbar sei auch die Behauptung der Klägerin, dass sich bei einem Einsatz von zwei oder mehreren parallelen Lasern zwangsläufig Unterschiede im Muster bildeten. Soweit die Klägerin behaupte, der Einsatz eines Laser-Gravur-Systems mit mehreren Lasern bzw. mit Strahlteilern sei nicht möglich, werde dies widerlegt. Bereits aus Abs. [0078] der Klagegebrauchsmusterschrift ergebe sich, dass mehrere Kanäle durch eine Gravureinheit mit mehreren Lasern oder mit mehreren Strahlteilern geschaffen werden könnten. Dass solche Vorrichtungen bereits vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagegebrauchsmusters zur Verfügung gestanden hätten, ergebe sich aus dem Angebotsschreiben der Firma H vom 20.12.2006 gemäß Anlage K53, in welchem diese einen „I-“ und „J-Modus“ angeboten habe. Zudem sei nicht nachvollziehbar, inwiefern Herr G angesichts des nur sehr kleinen Ausschnitts der Gravur der angegriffenen Ausführungsform erkennen könne, dass nur ein einziger durchgehender Kanal vorliege.
- Auf ein hinsichtlich der ursprünglich erteilten Fassung des Klagegebrauchsmusters geltend gemachtes privates Vorbenutzungsrecht haben sich die Beklagten nach der eingeschränkten Aufrechterhaltung des Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters nicht mehr berufen.
- Die Beklagten erheben zudem die Einrede der Verjährung. Die Beklagte zu 1) habe jedenfalls nach dem 09.10.2009 keine angegriffene Ausführungsform mehr hergestellt und in den Verkehr gebracht. Die Klägerin beziehe sich auf eine Messepräsentation im November 2009. Ihre Klageschrift datiere vom 26.03.2010. Die von der Kammer beschlossene Aussetzung des Verfahrens mit Beschluss vom 23.05.2011 habe mit der Entscheidung der Gebrauchsmusterabteilung des DPMA vom 27.09.2013 geendet. Die Klägerin habe entgegen der bestehenden Möglichkeiten den Rechtsstreit für mehr als vier Jahre bis zum 10.10.2017 nicht weiterbetrieben und selbst dann eine Begründung erst zwei Jahre später am 14.10.2019 eingereicht. Die durch die Klageerhebung eingetretene Hemmung der Verjährung habe sechs Monate nach Beendigung der Aussetzung, d.h. am 27.03.2014, geendet, da der Rechtsstreit durch Nichtbetreiben der Parteien in Stillstand geraten sei. Da bis zur nächsten Handlung der Klägerin, d.h. bis zu dem Schriftsatz vom 10.10.2017, mehr als dreieinhalb Jahre vergangen seien, habe bereits dieser Zeitablauf zum Eintritt der Verjährung geführt. Keine der vorgetragenen angeblichen Verletzungshandlungen hätte in unverjährter Zeit stattgefunden.
- Ein Anspruch der Klägerin auf Urteilsveröffentlichung in den von der Klägerin aufgezählten Fachzeitschriften habe nicht bestanden. Die Beklagten bestreiten hierzu mit Nichtwissen, dass eine Marktverwirrung eingetreten sei. Jedenfalls seien die von der Klägerin dargelegten Handlungen der Beklagten zu 1) nach Eintragung des Klagegebrauchsmusters nicht geeignet, das erforderliche berechtigte Interesse zu begründen.
- Der Antrag auf Vernichtung scheitere daran, dass die Beklagten kein Eigentum oder Besitz an den angegriffenen Ausführungsformen hätten.
- Der Anspruch auf Rückruf sei wegen des erheblichen Zeitablaufs seit Einstellen des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte zu 1) unverhältnismäßig.
- Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
-
I.
Die Klage ist zulässig. -
1.
Die Klägerin hat ihre ursprünglich u.a. auf Unterlassung gerichtete Klage nach Erlöschen des Klagegebrauchsmusters durch Zeitablauf zulässigerweise teilweise in der Hauptsache für erledigt erklärt. Durch die teilweise Erledigungserklärung hat die Klägerin einen Teil ihrer ursprünglichen Leistungsklage in eine Feststellungsklage geändert. Diese Umstellung ihrer Anträge, mit der sie nunmehr hinsichtlich eines Teils der ursprünglich begehrten Leistung die Feststellung begehrt, dass der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt ist, stellt sich als zulässige Beschränkung des früheren Antrags im Sinne von § 264 Nr. 2 ZPO dar, die der Zustimmung der Beklagten gemäß § 269 Abs. 1 ZPO nicht bedarf. Das insoweit erforderliche Feststellungsinteresse gem. § 256 Abs. 1 ZPO folgt aus der Weigerung der Beklagten, sich der Erledigungserklärung anzuschließen und aus dem berechtigten Begehren der Klägerin, in diesem Prozess eine abschließende Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu erhalten. -
2.
Soweit die Klägerin die Klage beschränkt hat, indem sie die Anträge nunmehr allein auf eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters in der vom BPatG beschränkt aufrechterhaltenen Fassung stützt, bestehen gegen die Zulässigkeit einer solchen Antragsänderung ebenfalls keine Bedenken. Eine solche Anpassung der Anträge auf eine zwischenzeitlich im Rechtsbestandsverfahren erfolgte beschränkte Aufrechterhaltung des Anspruchs stellt keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern allenfalls eine Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO dar (OLG Düsseldorf Urt. v. 18.3.2021 – 2 U 18/19, GRUR-RS 2021, 6714 Rn. 38). -
II.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Die Beklagten haben durch das Angebot der angegriffenen Ausführungsform das Klagegebrauchsmuster nicht verletzt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform die Lehre des Klagegebrauchsmusters unmittelbar wortsinngemäß verwirklicht, so dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nicht zustehen und auch keine Erledigung des Rechtsstreits im Umfang der teilweisen Erledigungsklärung eingetreten ist. -
1.
Das Klagegebrauchsmuster, dessen in Anlage K6 eingereichter Gebrauchsmusterschrift die nachfolgend ohne Quellenangaben zitierten Absätze entstammen, betrifft u.a. gem. Abs. [0001] eine Anilox-Walze. - In der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters wird ausgeführt, dass Anilox-Walzen im Stand der Technik bekannt seien. Sie würden gem. Abs. [0002] in der Druckindustrie im Flexographieverfahren verwendet, um verschiedene Substrate wie Papiere, Etiketten, Band, Taschen und Kisten zu bedrucken. Im Offsetdruck und im Tiefdruck würden Anilox-Walzen eingesetzt, um Druckfarbe in präzisen und konstanten Mengen zu übertragen. Dafür umfasse eine Anilox-Walze einen harten Zylinder mit einem Kern aus Stahl oder Aluminium. Auf dem Kern befinde sich eine dünne Schicht aus Keramik, in der gewöhnlich kleine (Farb-)Zellen eingraviert seien. In einer bekannten Ausführungsform einer Anilox-Walze – so die Klagegebrauchsmusterschrift in Abs. [0003] – seien die Zellen mit einem Hexagonal- oder Wabenmuster ausgebildet. In Abhängigkeit von Größe und Tiefe der Zelle habe jede Zelle ein Volumen zur Aufnahme von Druckfarbe. Dieses Volumen bestimme den Betriebsmodus der Anilox-Walze. Das Muster und die Zellen auf der Oberfläche einer Anilox-Walze könnten unter Verwendung eines Lasers mittels eines Lasergravurverfahrens ausgebildet werden. Dabei werde durch den Laser das Material der äußeren Schicht der Anilox-Walze – zum Beispiel Chromoxid – lokal verdampft. Eine Zelle umfasse daher eine lokale Ausnehmung in der Oberfläche der Walze, umgeben von Zellwänden.
- Ebenso sei im Stand der Technik ausweislich der Abs. [0098] ff. eine Anilox-Walze bekannt, in die entlang ihrer Oberfläche Kanäle mit einer bestimmten Breite eingefügt und durch eine Wand mit einer gewissen Dicke getrennt seien. Die Längsrichtung der Kanäle sei in einem Winkel α zur Rotationsrichtung R der Walze positioniert. Durch eine solche Oberfläche könne Druckfarbe auf eine glatte Weise auf das Substrat aufgetragen werden. Die beschriebenen Oberflächenstrukturen der aus dem Stand der Technik bekannten Anilox-Walzen (Zellen und Kanäle) sind nachstehend abgebildet:
- Im Betrieb tauche die sich drehende Anilox-Walze gem. Abs. [0005] ff. entweder teilweise in einen Farbnapf mit viskoser Druckfarbe ein oder sie stehe in Kontakt mit einer Tauchwalze, die ihrerseits in den Farbnapf tauche und die Druckfarbe auf die Anilox-Walze übertrage. Die Oberflächenstruktur der Anilox-Walze sei ausgebildet, um die Druckfarbe auf und in der Oberfläche der Walze zu halten. Ein Überschuss an Druckfarbe werde mit einem Messer bis auf die in den Zellen verbleibende Farbe abgeschabt. Weiterhin kontaktiere die sich drehende Anilox-Walze einen drehbaren Druckzylinder, der in Abhängigkeit von dem zu druckenden Bild einen Teil der Druckfarbe, der sich auf und in der Oberfläche der Anilox-Walze befinde, aufnehme. Vom Druckzylinder werde die Druckfarbe auf das Substrat übertragen.
- In der Klagegebrauchsmusterschrift wird es als im Stand der Technik nachteilig angesehen, dass beim Übertragen der Druckfarbe auf den Druckzylinder die Viskosität der Farbe und die Druckgeschwindigkeit darin resultieren könnten, dass ein Teil der Farbe in den Zellen auf der Oberfläche der Anilox-Walze verbleiben könne, Abs. [0006]. Dies beeinflusse wiederum das Bedrucken auf dem Substrat. Bei jeder weiteren Rotation könnten weitere Farbrückstände in den Zellen verbleiben. Dabei könne Luft in die Druckfarbe gelangen, was zu einem Schäumen der Farbe führe. Zudem werde durch die Luft in den Zellen die Übertragung von Farbe aus den Zellen auf den Druckzylinder begrenzt. Solle die Luft in den Zellen durch Druckfarbe ersetzt werden, müsse die Dreh- und damit die Druckgeschwindigkeit herabgesetzt werden, da dies gem. Abs. [0007] eine gewisse Zeit benötige.
- Weiterhin wird in der Klagegebrauchsmusterschrift in Abs. [0008] ausgeführt, dass auch die gewünschte Farbintensität vom Volumen der Zellen beeinflusst werde. Werde das Volumen der Zellen vergrößert, werde mehr Druckfarbe auf das Substrat gedruckt, wodurch die resultierende Farbe intensiviert werde. Die Verwendung von Zellen mit einem relativ großen Volumen, die relativ große Farbtropfen übertrügen, führten daher zu hohen Farbschichten auf dem Substrat während Details beim Drucken unter Verwendung von Zellen mit einem relativ kleinen Volumen erzielt würden. Einfluss auf die Übertragungsmenge der Druckfarbe habe außerdem die Dichte der Zellen, die wiederum laut Abs. [0009] in Linien pro Zentimeter ausgedrückt werde. Für konventionelle, zellenähnliche Oberflächenstrukturen – so die Klagegebrauchsmusterschrift – seien Lineaturen von 100 bis 180 Linien pro Zentimeter bekannt. Eine Anilox-Walze mit 100 Linien pro Zentimeter sei gut geeignet, um hohe Farbschichten auf ein Substrat zu drucken. 180 Linien pro Zentimeter hätten hingegen eine höhere Auflösung zur Folge, was die Anilox-Walze für das Drucken von Details geeignet mache. Daher könnten Walzen mit einer höheren Lineatur Tintentropfen aus Druckfarbe mit einem vergleichsweise geringen Volumen übertragen. Eine solche Walze sei aber weniger geeignet, hohe Schichten von Druckfarbe zu drucken. Daher müsse bei Druckverfahren nach dem Stand der Technik ausweislich Abs. [0010] regelmäßig ein Gleichgewicht zwischen hoher Auflösung und Farbintensität gefunden werden. Eine höhere Lineatur könne mit Zellen zur Verfügung gestellt werden, die eine größere Tiefe hätten, um das Zellvolumen zu vergrößern. Daran wird in der Klagegebrauchsmusterschrift jedoch bemängelt, dass ein größeres Zellvolumen wiederum mit höheren Farbresten in den Zellen einhergehe, so dass das bedruckte Substrat noch immer nicht die gewünschte Farbintensität zeige.
- Ein Nachteil – so die Klagegebrauchsmusterschrift in Abs. [0011] – bestehe darin, dass eine aus dem Stand der Technik bekannte Anilox-Walze nur eine einzige Lineatur haben könne. Es sei daher nicht möglich, mit einer Anilox-Walze ein Bild auf ein Substrat zu drucken, das sowohl hohe Druckfarbeschichten als auch Details enthalte. Der Austausch von Anilox-Walzen sei teuer und zeitaufwändig, da der Druckvorgang ausgesetzt und verschiedene Anilox-Walzen bereitgehalten werden müssten. Sammele sich Druckfarbe von früheren Druckprozessen in den Zellen, verschlechterten sich die Eigenschaften der Anilox-Walze. Es sei nachteilig, die Anilox-Walzen aufgrund der in den Zellen verbleibenden Druckfarbe wiederholt reinigen zu müssen (Abs. [0012]). Dies sei zeitaufwändig und schwierig. Zudem werde Druckfarbe verschwendet.
- Zusammenfassend sieht das Klagegebrauchsmuster demnach an den aus dem Stand der Technik bekannten Anilox-Walzen Nachteile bzw. Probleme hinsichtlich des Verbleibs von Farbrückständen auf der Anilox-Walze, was die Eigenschaften der Anilox-Walze verschlechtere, die Bedruckung des Substrats beeinflusse und eine zeitaufwändige und schwierige Reinigung erfordere, hinsichtlich der Begrenzung von Dreh- und Druckgeschwindigkeit aufgrund des Ersatzes von Luft in den Zellen, hinsichtlich des herzustellenden Gleichgewichts zwischen Detailauflösung und Farbintensität wegen nur einer einzigen Lineatur pro Anilox-Walze sowie des damit verbunden teuren und aufwändigen Ersetzungsvorgangs.
- Dem Klagegebrauchsmuster liegt vor diesem Hintergrund gem. Abs. [0013] die Aufgabe zu Grunde, zumindest eines der aufgeführten Probleme von Anilox-Walzen zu mildern oder zu reduzieren und eine verbesserte Anilox-Walze zur Verfügung zu stellen.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster eine Anilox-Walze mit einer bestimmten Fluidverteilungsstruktur für eine Flexo-Druckvorrichtung gemäß seines Anspruchs 1 in der vom BPatG aufrechterhaltenen Fassung vor. Dieser lässt sich anhand der folgenden Merkmalsgliederung darstellen:
- 1. Eine Anilox-Walze (5) für eine Flexo-Druckvorrichtung (1) zum Übertragen eines Fluids wie zum Beispiel einer Druckfarbe.
- 2. Die Anilox-Walze (5) umfasst einen Zylinder mit einer Oberfläche.
- 2.1 Die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze weist eine Fluidverteilungsstruktur auf.
- 3. Die Fluidverteilungsstruktur
- 3.1 dient zum Aufnehmen des Fluids, Verteilen des Fluids über den Zylinder und Übertragen des Fluids,
- 3.2 weist einen einzigen in der Oberfläche gebildeten Kanal (20, 24) auf zum Verteilen des Fluids über die Fluidverteilungsstruktur,
- 3.3 weist eine Kombination von Beschränkungen auf und ist angeordnet, um in einem ersten Betriebsmodus zum Drucken von hohen Farbschichten einen relativ großen Fluidtropfen und in einem zweiten Betriebsmodus zum Drucken von Details einen relativ kleinen Fluidtropfen zu übertragen.
- 3.3.1 Eine Beschränkung wird durch eine lokale Veränderung wenigstens der Kanalform gebildet.
- 4. Der Kanal der Fluidverteilungsstruktur erstreckt sich in Umfangsrichtung der Anilox-Walze.
- 4.1 Der Kanal (20, 24) mäandriert über die Oberfläche.
- 4.2 Der (mäandrierende) Kanal hat die Form einer Welle und ist ausbildbar durch:
- 4.2.1 Fokussieren des Laserstrahls eines kontinuierlichen Lasers in einem Punkt auf der äußeren Oberfläche der Anilox-Walze, sowie kontinuierliches Relativbewegen von Anilox-Walze und Laserstrahl mittels Rotation um die und Bewegung entlang der Längsachse der Anilox-Walze.
- 4.2.2 wobei der Laserpunkt auf der zu gravierenden Oberfläche zusätzlich eine Hin- und Herbewegung ausführt, die in einer Verschiebung des Punkts parallel zur Längsachse der Anilox-Walze resultiert.
- 4.2.3 und Verdampfen des Materials der äußeren Oberfläche, um aus einer kontinuierlichen Spur von verdampftem Oberflächenmaterial den Kanal zu bilden,
- 4.2.4 der ein gleichmäßiger Kanal in der Form einer kontinuierlichen Spur ist und sich derart in Rotationsrichtung der Anilox-Walze erstreckt, dass in Richtung der Längsachse nebeneinander liegende Teile des Kanals einen zueinander im Allgemeinen parallelen Verlauf haben,
- 4.3 und entweder
- 4.3.1 die Fluidverteilungsstruktur miteinander verbundene Kanalteile aufweist, die eine Breite von zwischen 10 und 150 µm haben,
- oder
- 4.3.2 die Wände zwischen den in Richtung der Längsachse nebeneinander liegenden Teilen des Kanals eine Breite von weniger als 4 µm, bevorzugt im Bereich von 1-3 µm haben.
- Gegenstand des Schutzanspruchs ist eine Anilox-Walze für eine Druckvorrichtung mit einer Fluidverteilungsstruktur, deren Gestaltung den Kern der Erfindung ausmacht. Allgemein dient die erfindungsgemäße Fluidverteilungsstruktur, die sich über die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze verteilt, dazu, das Fluid aufzunehmen, über den Walzenzylinder zu verteilen und auf eine weitere Walze oder ein Substrat zu übertragen. Darüber hinaus soll die Fluidverteilungsstruktur angeordnet sein, um mittels einer Kombination von Beschränkungen in der Fluidverteilungsstruktur in einem ersten Betriebsmodus zum Drucken von hohen Farbschichten einen relativ großen Fluidtropfen und in einem zweiten Betriebsmodus zum Drucken von Details einen relativ kleinen Fluidtropfen zu übertragen, wobei diese Beschränkungen aus lokalen Veränderungen des näher bestimmten einen einzigen in der Oberfläche gebildeten Kanals resultieren.
-
2.
Das Klagegebrauchsmuster war in der hier geltend gemachten Fassung vor seinem Erlöschen durch Zeitablauf schutzfähig. Nachdem die Parteien zunächst über die Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters gestritten haben, ist diese nunmehr durch eine rechtskräftige Entscheidung des BPatG geklärt. Einer positiven Feststellung der Schutzfähigkeit durch das Verletzungsgericht bedurfte es daher nicht mehr. - Gem. §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG wird der Gebrauchsmusterschutz durch die Eintragung (§ 11 GebrMG) nicht begründet, soweit gegen den als Inhaber Eingetragenen für jedermann ein Anspruch auf Löschung besteht. Ein solcher Löschungsanspruch besteht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG dann, wenn der Gegenstand des Gebrauchsmusters nach den §§ 1 bis 3 GebrMG nicht schutzfähig ist. Nach den §§ 1–3 GebrMG sind solche Erfindungen einem Gebrauchsmusterschutz zugänglich, die neu sind und auf einem erfinderischen Schritt beruhen.
- Zwar muss grundsätzlich die Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmusters für eine Verurteilung wegen einer Gebrauchsmusterverletzung zur Überzeugung des Verletzungsgerichts positiv feststehen, wenn es aus dem Gebrauchsmuster verurteilen will. Einer solchen Überzeugungsbildung bedarf es jedoch dann nicht, wenn aufgrund eines rechtskräftig abgeschlossenen Löschungsverfahrens zwischen den Parteien des Verletzungsverfahrens bindend feststeht, dass das Gebrauchsmuster im fraglichen Umfang die Schutzvoraussetzungen erfüllt (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 16. Auflage 2024, Abschnitt E Rn. 1078). Dies ist hier der Fall, nachdem das BPatG mit seinem Beschluss vom 13.06.2017 das unter anderem zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geführte Löschungsverfahren rechtskräftig beendet und das Klagegebrauchsmuster im hier geltend gemachten Umfang aufrechterhalten hat.
-
3.
Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Ausführungsform von der Lehre des geltend gemachten Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch macht. - Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedürfen jedenfalls die Merkmale 2.1 und 3.2 der näheren Erörterung. Die Kammer kann hinsichtlich beider Merkmale keine Verwirklichung feststellen.
- Nach § 12a GebrMG wird der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters durch den Inhalt seiner Schutzansprüche bestimmt, wobei die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Schutzansprüche heranzuziehen sind. Die Auslegung eines Gebrauchsmusters ist nach den gleichen Grundsätzen vorzunehmen wie bei einem Patent, da § 12a GebrMG den für das Patentrecht einschlägigen § 14 PatG bzw. Art. 69 EPÜ entspricht (BGH, GRUR 2007, 1059 – Zerfallszeitmessgerät). Entsprechend kann auch Rechtsprechung zur Auslegung eines Patents für das Verständnis des Klagegebrauchsmusters herangezogen werden.
-
a)
Die Kammer vermag nicht festzustellen, dass die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 2.1 verwirklicht. -
aa)
Der Fachmann versteht Merkmal 2.1 dahingehend, dass sich die durch einen Kanal ausgebildete Fluidverteilungsstruktur über die gesamte bzw. vollständige Oberfläche der Anilox-Walze von einem Ende zum anderen Ende erstreckt, ohne dass an den Seiten oder einer anderen Stelle ein Rand oder eine Auslassung ohne eingravierte Fluidverteilungsstruktur verbleibt. -
(a)
Hierfür spricht zunächst der eindeutige Wortlaut „gesamte Oberfläche“. Es ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus der Klagegebrauchsmusterschrift, dass die Oberfläche einer anspruchsgemäßen Anilox-Walze verschiedene Bereiche aufweisen könnte, etwa Bereiche mit oder ohne Funktion. Dies legt nahe, dass der Fachmann davon ausgeht, dass der Anspruchswortlaut entsprechend eng zu verstehen ist und nur eine Fluidverteilungsstruktur, die die vollständige Oberfläche ohne (seitliche) Aussparungen oder Unterbrechungen einnimmt, als erfindungsgemäß erfasst. -
(b)
Nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten waren dem Fachmann zum Prioritätszeitpunkt sowohl Anilox-Walzen mit als auch ohne Rand bekannt. Dies steht im Einklang mit den – wenn auch von einem späteren Zeitpunkt stammenden – von der Klägerin vorgelegten Abbildungen (aktueller) Anilox-Walzen der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 14.10.2019, wovon nur eine von drei Walzen bereits nach dem Vortrag der Klägerin keinen Rand aufweist. In dem Wissen, dass die Möglichkeit besteht, Anilox-Walzen mit oder ohne Rand auszugestalten, versteht der Fachmann die Formulierung „gesamte Oberfläche“ tatsächlich als die gesamte Oberfläche ohne etwaige Ränder. Unabhängig davon, ob der Fachmann den Randbereichen eine Funktion zuordnet, versteht er klagegebrauchsmustergemäß die „gesamte“ Oberfläche nicht als „gesamte Funktionsoberfläche“, sondern als „gesamte Oberfläche“. Der Begriff der Funktionsoberfläche dürfte zudem bereits in sich zirkulär sein, da die Funktion nur dort anzuordnen sein dürfte, wo sich die Gravur erstreckt, so dass immer die gesamte Funktionsoberfläche graviert ist. -
(c)
Dafür, dass Merkmal 2.1 ein Gravieren der vollständigen Außenoberfläche der Anilox-Walze fordert, sprechen aus Sicht des Fachmanns auch die Ausführungen in den Abs. [0067], [0143], auf welche sich zudem die Klägerin – nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten – im Löschungsverfahren als Offenbarungsstellen berufen hat. Dort wird gelehrt, dass die Kombination aus Rotation um die Längsachse und Bewegung entlang der Längsachse beim Eingravieren (eines Kanals) die Bearbeitung durch Gravieren der vollständigen Außenoberfläche mit einem Laser ermöglicht. In Abs. [0067] wird dies als vorteilhaft bezeichnet. Der Abs. [0068] stellt sodann eine Verknüpfung zur Bearbeitung mit einem kontinuierlichen Laser her, die von dem Klagegebrauchsmuster als außerordentlich vorteilhaft angesehen wird. Der Fachmann versteht die entsprechende Formulierung des Merkmals 2.1 vor diesem Hintergrund dahingehend, dass der Anspruch auf die in Abs. [0067], [0143] angeführte Ausführungsform mit vollständig, d.h. ohne Auslassungen oder Ränder, gravierter Außenoberfläche (im Zuge des Löschungsverfahrens) beschränkt worden ist. Dass diese Gravurtechnik gem. Abs. [0067] bereits im Stand der Technik bekannt war, ist unschädlich. -
(d)
Für die Auslegung der Klägerin findet sich in der Klagegebrauchsmusterschrift hingegen kein Anhaltspunkt. In funktionaler Hinsicht erkennt der Fachmann, dass die Hauptfunktion einer Anilox-Walze darin besteht, gem. Merkmal 3.1 durch die Fluidverteilungsstruktur Fluid (Farbe) aufzunehmen, über den Zylinder zu verteilen und sodann das Fluid (auf einen Druckzylinder, der letztlich das Substrat bedruckt) zu übertragen. In der Beschreibung findet sich keine Stelle, die darauf hinweist, dass die Oberfläche einer anspruchsgemäßen Walze Aussparungen von der Fluidverteilungsstruktur oder Ränder aufweisen kann. Vielmehr spricht etwa Abs. [0137] dafür, dass das Klagegebrauchsmuster eine Erhöhung der Oberfläche, die zum Aufnehmen von Druckfarbe und zum Übertragung von Druckfarbe mittels der äußeren Oberfläche zur Verfügung steht, als vorteilhaft ansieht. - Soweit sich die Klägerin auf die Stellungnahme des Herrn G (Anlage K69 bzw. K69a) für die Auslegung des Merkmals 2.1 bezieht, ergibt sich daraus jedenfalls nicht zwingend, dass der Fachmann unter einer Anilox-Walze mit einer Fluidverteilungsstruktur, die sich über die gesamte Oberfläche erstrecken soll, auch eine Anilox-Walze mit Rändern neben der Fluidverteilungsstruktur versteht, sondern nur, dass bei Verwendung einer Abstreifkammer (welche im Klagegebrauchsmuster nicht genannt wird) das Maschinendesign zur besseren Abdichtung nicht-gravierte Enden erfordert. Der Anspruch fordert jedoch keine gute oder bessere Abdichtung und ist auch nicht auf eine Abstreifkammer gerichtet.
- Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass eine Anilox-Walze an den (ungravierten) Enden bei normaler Verwendung nicht mit einer Druckplatte in Berührung kommt, so mag dies ebenfalls zutreffen, es führt im Ergebnis aber nicht zu einem anderen Verständnis des Merkmals 2.1, nach dem es genügen würde, wenn an den Rändern der Anilox-Walze Bereiche ohne Fluidverteilungsstruktur verbleiben. Insbesondere findet dieses Verständnis der Klägerin keine Stütze in der für die Auslegung maßgeblichen Klagegebrauchsmusterschrift.
-
(e)
Damit sieht sich die Kammer nicht im Widerspruch zu dem Beschluss des BPatG. Das BPatG hat u.a. das Teilmerkmal „gesamte Oberfläche“ zur Abgrenzung zum Stand der Technik in den Anspruch aufgenommen. Das BPatG kommt in seinem Beschluss vom 13.06.2017 (S. 19) zu der Feststellung, dass von den in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen nur die – seitens des BPatG so benannten – D7 (US 4 301 XXB A), D8 (US 4 819 XXC A) und D11 (DE 10 2004 015 XXD B3) über die „gesamte Oberfläche“ eine Fluidverteilungsstruktur aufwiesen und damit das Merkmal 2.1 offenbarten. Das BPatG führt in seinem Beschluss nicht konkret aus, wie es die „gesamte Oberfläche“ versteht. Bei einer Durchsicht der als Anlage K8 – dort noch als D1, D2 und D6 bezeichneten – vorgelegten Entgegenhaltungen D7, D8 und D11 legen insbesondere die D7 und die D8 durchaus nahe, dass auch das BPatG von einer Fluidverteilungsstruktur ausgegangen ist, die sich über die gesamte Oberfläche erstreckt, wenn diese sich durchgängig von dem einen Ende bis zum anderen Ende der Walze erstreckt, ohne dass an den Enden jeweils ein Rand verbleibt. Hierfür sprechen die Figuren der Druckschriften, denen jeweils kein Rand zu entnehmen ist. Auch ist nicht erkennbar, dass die D11 einen Randbereich der Walze ohne Fluidverteilungsstruktur zeigen würde. - Soweit die Klägerin vorträgt, das BPatG habe das Merkmal zur Abgrenzung von vorbekannten Walzen, bei welchen Bereiche der für den Druckprozess zur Verfügung stehenden Oberfläche keine Fluidverteilungsstruktur aufwiesen, wie etwa D15h oder D17, eingeführt, geht dies zum einen aus dem Beschluss des BPatG nicht unmittelbar hervor. Jedenfalls stünde eine dahingehende Annahme des BPatG der Auslegung der Kammer gleichwohl nicht entgegen, da die Kammer ebenfalls davon ausgeht, dass die Fluidverteilungsstruktur auf der „gesamten Oberfläche“ ohne Unterbrechung oder ungravierte Bereiche ausgestaltet sein muss sowie darüberhinausgehend, dass sie sich von dem einen bis zu dem anderen Ende der Walze erstrecken soll.
-
bb)
Dass die angegriffene Ausführungsform auf der gesamten Oberfläche des Walzenzylinders durchgehend und ohne Rand eine Fluidverteilungsstruktur aufweisen würde, vermochte die Klägerin nicht hinreichend substantiiert darzulegen. Die Beklagten traf daher keine Pflicht, aufzeigen, wie die angegriffene Ausführungsform tatsächlich ausgestaltet ist. -
(a)
Der klagende Inhaber des geltend gemachten Schutzrechts hat alle anspruchsbegründenden Tatsachen einschließlich der Tatsachen, aus denen sich eine wortsinngemäße Verletzung des Schutzrechts ergibt, darzulegen und ggfs. zu beweisen. In einem patent- oder gebrauchsmusterrechtlichen Verletzungsverfahren hat der Kläger daher insbesondere die Ausführungsform konkret und genau zu beschreiben und die Handlungen des Gegners darzulegen, durch die in das Patent oder Gebrauchsmuster eingegriffen worden sein soll, so dass eine Prüfung der Merkmalsverwirklichung möglich ist. Der Kläger kann sich dafür in der Regel nicht auf eine Erklärung mit Nichtwissen zurückziehen, um fehlenden tatsächlichen Vortrag zu kompensieren. Er kann allerdings argumentierten, dass die angegriffene Ausführungsform eine bestimmte technische Ausstattung haben muss, weil sich anderenfalls die auch bei ihr gegebenen patent- oder gebrauchsmustergemäßen Wirkungen nicht einstellen könnten. In diesem Fall liegt ein beachtliches Bestreiten des Gegners aber bereits vor, wenn dieser wenigstens eine technische Möglichkeit aufzeigt, wie die angegriffene Ausführungsform ohne die besagte Ausstattung erfolgreich funktionieren kann. Einen Beweis muss der Gegner hierfür nicht liefern. Vielmehr obliegt es dann dem Patent- oder Gebrauchsmusterinhaber, seinen Sachvortrag zur technischen Notwendigkeit einer bestimmten Ausstattung angesichts der gegnerischen bestreitenden Einlassung weiter zu konkretisieren und unter Beweis zu stellen. Sofern für den Kläger Probleme bei der Begründung sämtlicher Anspruchsmerkmale bestehen, muss er unter Umständen auch auf vorgelagerte Möglichkeiten der Beweisermittlung wie das selbständige Beweisverfahren (einschließlich des Besichtigungsverfahrens) zurückgreifen. Der Gegner muss ihm diese Darlegung grundsätzlich nicht erleichtern, wenn und soweit den Gegner nicht eine sekundäre Darlegungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO trifft (Cepl/Voß/Nielen, 3. Aufl. 2022, ZPO § 138 Rn. 32). -
(b)
Nach diesen Maßstäben ist der Klägerin eine hinreichende Darlegung der Merkmalsverwirklichung nicht gelungen. Vorliegend hat die Klägerin nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die angegriffene Ausführungsform – nämlich die Anilox-Walze „B“ – randlos ausgestaltet gewesen wäre. Sie hat bereits nicht erklärt, dass die angegriffene Ausführungsform randlos gewesen wäre und welche natürliche Person bei welchem Anlass eine Randlosigkeit wahrgenommen hätte. Ebenso wenig hat sie die angegriffene Ausführungsform betreffende Unterlagen, etwa Werbematerialien oder Auszüge aus Internetseiten, zur Akte gereicht, die die Ausgestaltung der gesamten Walzenoberfläche – oder wenigstens eine Ansicht der gesamten Länge der Walze – zeigen würden. Auch hat sie kein Muster der angegriffenen Ausführungsform oder Abbildungen einer angegriffenen Ausführungsform vorgelegt, die die Ausgestaltung der Walzenoberfläche im Randbereich zeigen würden. Soweit sich die Klägerin auf eine Abbildung einer Anilox-Walze ohne Rand der Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 14.10.2019 bezieht, handelt es sich schon nicht um die angegriffene Ausführungsform, sondern um eine davon abweichende, von den Beklagten aktuell vertriebene Anilox-Walze. Dies haben die Beklagten – seitens der Klägerin unwidersprochen – dargelegt. - Angesichts dessen mussten die Beklagten weder „bestreiten“, noch sich gem. § 138 Abs. 2 ZPO zur Ausgestaltung der Randbereiche der angegriffenen Ausführungsform erklären. Denn der Vortrag der Klägerin geht insoweit über bloße Vermutungen nicht hinaus. In dieser Situation ist es nicht Aufgabe der Beklagten, sich zur konkreten Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform zu erklären. Eine Pflicht, lückenhaften Vortrag der Klägerin zu ergänzen, trifft sie nicht. Insbesondere liegt kein Fall vor, in dem die Beklagten im Rahmen einer sekundären Darlegungslast zur tatsächlichen Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform hätten vortragen müssen. Denn dass es der Klägerin nicht möglich gewesen wäre, die Ausgestaltung der Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform wahrzunehmen und gegebenenfalls zu dokumentieren, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Klägerin mag aus ihrer Sicht zum damaligen Zeitpunkt keinen Anlass gehabt haben, die Ausgestaltung der Randbereiche der angegriffenen Ausführungsform zu dokumentieren, weil das Merkmal 2.1 damals noch nicht Gegenstand des Anspruchs des Klagegebrauchsmusters war. Dies führt aber nicht dazu, dass die Beklagten sich im Rahmen einer sekundären Darlegungslast zu einem Punkt erklären müssten, zu dem die Klägerin trotz grundsätzlicher Möglichkeit gar keinen konkreten Vortrag gehalten hat. So können auch nur Tatsachen gem. § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden werden, die von der Gegenseite konkret behauptet wurden.
- Nach alledem ist eine Verwirklichung des Merkmals 2.1 nicht feststellbar.
-
b)
Die Kammer vermag überdies nicht festzustellen, dass die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 3.2 verwirklicht, indem sie einen einzigen in der Oberfläche gebildeten Kanal aufweisen würde. -
aa)
Die Auslegung des Merkmals 3.2 steht zwischen den Parteien nicht in Streit. Gleichwohl sind die folgenden Ausführungen zur Auslegung veranlasst: - Der Fachmann versteht unter „einem einzigen in der Oberfläche gebildeten Kanal“, dass die Fluidverteilungsstruktur nur einen, durchgehenden und um die Oberfläche der Walze umlaufenden Kanal, entsprechend einer Spur auf einer CD, aufweist, so dass die jeweiligen Abschnitte desselben Kanals stets nebeneinanderliegen und nicht durch Abschnitte eines zweiten Kanals voneinander getrennt sind. Ein Vorhandensein mehrerer Kanäle, welche die Fluidverteilungsstruktur bilden, wäre nicht anspruchsgemäß.
- Bereits der Wortlaut des Merkmals 3.2 ist dahingehend eindeutig, dass die Fluidverteilungsstruktur einer anspruchsgemäßen Anilox-Walze nur aus einem einzigen, durchgehenden Kanal gebildet sein darf. Dieser muss zwangsläufig umlaufend um die Walze verlaufen. Die Abs. [0067] und [0068] lehren den Fachmann, dass die Anilox-Walze durch einen kontinuierlichen Laser graviert werden kann, während sie sich um ihre Längsachse dreht, wodurch eine Spur vergleichbar mit einer Spur auf einer CD oder DVD – mithin nur einziger Kanal – entsteht. Dies steht auch in Einklang mit Merkmal 4.2.4, wonach der Kanal gleichmäßig und in der Form einer kontinuierlichen Spur ist.
- Dies erkennt der Fachmann insbesondere in Abgrenzung zu einer alternativen Fluidverteilungsstruktur, die, wie in Abs. [0078] beschrieben, mehrere Kanäle aufweisen kann. Diese können gem. Abs. [0078] gleichzeitig geschaffen werden, indem eine Gravureinheit zum Einbrennen des Kanals bzw. der Kanäle in die Oberfläche zwei oder mehrere Laser oder einen Laser mit mehreren Strahlteilern aufweist. Gem. Abs. [0041] kann es sogar bevorzugt sein, wenn neben einem ersten Kanal ein hierzu paralleler zweiter Kanal ausgebildet ist. Es wird erörtert, dass eine (alternative) Fluidverteilungsstruktur parallele, gewellte Kanäle aufweisen kann. Gleichwohl ist eine so beschriebene Ausgestaltung mit mehreren Kanälen gerade nicht von dem aufrechterhaltenen Anspruch 1 umfasst, was der Fachmann erkennt.
-
bb)
Nach den oben im Rahmen der Ausführungen zu Merkmal 2.1 angeführten Maßstäben zur Darlegungs- und Beweislast einer Patent- bzw. Gebrauchsmusterverletzung vermochte die Klägerin nicht hinreichend darzulegen, dass die angegriffene Ausführungsform nur einen einzigen in der Oberfläche gebildeten Kanal aufweist. -
(a)
Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe die Oberfläche der angegriffenen Ausführungsform in mikroskopischen Untersuchungen überprüft, legt sie trotz entsprechender Einwände der Beklagten nicht dar, wie dies erfolgt sein soll und inwieweit die Klägerin dabei einen einzigen, kontinuierlich umlaufenden Kanal feststellen konnte. Sie trägt nicht etwa vor, die gesamte Oberfläche der Anilox-Walze der angegriffenen Ausführungsform von allen Seiten untersucht zu haben und damit den Verlauf des Kanals nachvollzogen zu haben. Stattdessen bezieht sie sich auf die als Anlagen K17 oder K67 vorgelegten sowie auf Seite 25, 26 und 31 der Klageschrift einkopierten, um ein Vielfaches – etwa 200-fach – vergrößerten „Press-o-Film“-Abdrücke, die entstehen, indem ein rechteckiger Streifen mit beschichteter Testfolie auf die Walzenoberfläche gepresst wird und die Folienoberfläche danach der Walzenoberfläche entspricht. Diese Abdrücke sind – nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Beklagten – vor Klageeinreichung und damit vor Einzug des streitgegenständlichen Merkmals 3.2 in den Anspruch entstanden. Sie zeigen aufgrund der starken Vergrößerung und ausgehend davon, dass die Kanäle bzw. Kanalabschnitte nur eine maximale Breite von 150 µm haben können, nur einen sehr kleinen Ausschnitt der Fluidverteilungsstruktur der angegriffenen Ausführungsform. Nach dem Vortrag der Klägerin haben die Kanäle etwa bzw. allenfalls die Breite eines Haars. Der Ausschnitt ist damit bei Weitem kleiner als der Umfang der Walze. Wie sich die nur ausschnittsweise gezeigten Kanalteile auf der gesamten Oberfläche umlaufend um den Umfang der Walze verhalten, kann damit nicht belastbar festgestellt werden. -
(b)
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass derart perfekt und gleichmäßig voneinander beabstandete, nebeneinander liegende Kanalteile nur entstanden sein könnten, indem (nur) ein Laser einen einzigen durchgehenden Kanal eingebrannt hat, vermag zum einen die Kammer bereits nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass es sich bei den in den Abdrücken gezeigten Kanalteilen um solche handelt, die perfekt und vollständig gleichmäßig voneinander beabstandet sind. Zum anderen wenden die Beklagten zwei alternative Vorgehensweisen ein, mit denen mehrere gleichmäßig voneinander beabstandete Kanäle entstehen könnten, nämlich unter Einsatz mehrerer paralleler Laser oder durch Einbrennen mehrerer Kanäle durch nur einen Laser unter Verschieben des Lasers oder der Walze. Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass diese von den Beklagten aufgezeigten Alternativen keinesfalls die ausschnittsweise vorgelegten parallelen Abstände der Kanalteile oder Kanäle der angegriffenen Ausführungsform erzeugen könnten. Auch die vorgelegten Privatgutachten von Herrn G (Anlagen K69 bzw. K69a und HE70 bzw. HE70a) können den entsprechenden Klägervortrag nicht belegen. So bekundet Herr G in seiner ersten Stellungnahme (S. 4/5 der Anlage K69a), dass es schwierig, aufwändig, ohne Produktionsvorteil und nicht sinnvoll wäre, in der Praxis den Abstand von zwei Lasern präzise zum Vorschub der Auflage einzustellen, nicht jedoch, dass dies unmöglich oder völlig abwegig wäre. Zu beachten ist in diesem Zuge auch, dass Herr G jeweils nur beurteilt hat und auch nur beurteilen konnte, ob Zellwanddickenabweichungen in den als Anlage K67 vorgelegten kleinen Ausschnitten zu finden sind. Er nimmt in der als Anlage HE70 bzw. HE70a vorgelegten zweiten Stellungnahme dazu Stellung, weshalb der ihm bekannte Abdruck einer Anilox-Walze seiner Ansicht nach nicht auf Bestrahlung mit einem Doppellaser beruhen könne. In dieser Stellungnahme räumt er selbst ein (S.4/4 der Anlage HE70a), nur eine Abbildung von vier Kanalsegmenten zur Untersuchung zur Verfügung gehabt zu haben. Über den Großteil der Oberfläche der Anilox-Walze, von der dieser Abdruck stammt, kann er damit naturgemäß keine Aussage treffen. Zudem wird damit nicht die von den Beklagten ebenfalls aufgezeigte Möglichkeit, mit einem (einzigen) Laser jeweils mehrere (in sich abgeschlossene) Kanäle nebeneinander einzubrennen, behandelt. Diesbezüglich konnte Herr G auch hinsichtlich etwaiger Anzeichen für ein Starten und Stoppen bei einem von ihm als „Schrittwiederholungsverfahren“ benannten Verfahren nur die ihm vorliegenden kleinen Ausschnitte bewerten, wobei jedoch angesichts der geringen Größe des Ausschnitts mindestens ebenso möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlicher, wäre, dass sich ein etwaiger Start- und Stopppunkt des Lasers an einer anderen Stelle bzw. Seite des Walzenumfangs befindet. - Weiter trägt die Klägerin – gestützt durch die Stellungnahmen von Herrn G – vor, dass mehr „Wanddickenabweichungen“ zu erwarten wären, wenn ein Duallaser, ein Multistrahl oder zwei individuelle Laser verwendet würden. Dabei stellt sich jedoch bereits die Frage, ob das Problem, dass die Wärme entgegen der Vorschubrichtung der Doppellaser über die in den vorangegangenen Umdrehungen der Walze entstandenen Kanalsegmente dissipiert werden kann, nicht – etwa über die Einstellungen der Laser – gelöst werden kann. Es ist nicht ohne weiteres erkennbar, inwiefern eine konstante Wanddicke bei einer Gravur mit nur einem Laser hingegen kein Problem darstellen würde, denn auch dabei müssen Versatz (Wellenbewegung des Lasers), Vorschub der Walze und Umdrehungsgeschwindigkeit der Walze perfekt aufeinander abgestimmt sein.
- Die Aussage von Herrn G, wonach zum Prioritätszeitpunkt die Hauptlieferanten für Lasergravursysteme keine Dualstrahllasereinheit zum Gravieren von Rasterwalzen verwendeten, würde – ihre Richtigkeit unterstellt – schließlich nicht zwingend bedeuten, dass in die angegriffene Ausführungsform mit nur einem kontinuierlichen Laser nur ein Kanal graviert worden wäre. Gegen eine solche Aussage spricht zudem nach dem Dafürhalten der Kammer bereits das Angebotsschreiben der H Ltd. vom 20.12.2006 (Anlage K53), in welchem diese der Klägerin „L“ und „M“ Modi für den K-Laser anbietet. Dafür, dass das Eingravieren von zwei Kanälen mit zwei Lasern zum maßgeblichen Zeitpunkt keineswegs abwegig war, spricht auch die entsprechende Beschreibung dieser Möglichkeit in Abs. [0078] der Klagegebrauchsmusterschrift.
- Die Kammer kann nach alledem jedenfalls nicht ausschließen, dass die zur Akte gelangten „Press-o-Film“-Abdrücke mehrere parallele Kanäle zeigen, die mittels eines einzigen Lasers graviert worden sind.
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(c)
Mangels hinreichender Darlegung der Verwirklichung einer Fluidverteilungsstruktur, die durch einen einzigen Kanal ausgebildet ist, mussten die Beklagten die Verwirklichung des Merkmals 3.2 auch nicht konkret bestreiten oder sich im Rahmen einer sekundären Darlegungslast dazu erklären, wie die angegriffene Ausführungsform konkret ausgestaltet ist. Insbesondere resultiert aus § 138 Abs. 2 ZPO keine solche Pflicht. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit dem Merkmal 2.1, die hier entsprechend gelten, Bezug genommen werden. - Aus denselben Gründen war ein von der Klägerin für die Verwirklichung des Merkmals 3.2 als Beweis angebotenes gerichtliches Sachverständigengutachten nicht einzuholen. Beweis wäre nach den prozessualen Regeln insoweit nur zu erheben, wenn der Sachverhalt bereits vollständig dargelegt und insoweit erheblich bestritten wäre.
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4.
Vor dem Hintergrund, dass die angegriffene Ausführungsform keinen Gebrauch von der Lehre des Klagegebrauchsmusters macht, bedarf es keiner Ausführungen zu den weiteren zwischen den Parteien streitigen Aspekten. - Schließlich war den Beklagten im Anschluss an die mündliche Verhandlung vom 23.04.2024 auf den Schriftsatz der Klägerin vom 12.04.2024 keine Schriftsatzfrist nachzulassen, da dieser Schriftsatz keinen entscheidungserheblichen neuen Tatsachenvortrag enthält.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
- Der Klägerin war keine Abwendungsbefugnis nach § 712 Abs. 1 ZPO einzuräumen, da sie einen durch die Vollstreckung des Urteils drohenden, unersetzlichen Nachteil, nicht dargelegt oder – wie von § 714 Abs. 2 ZPO vorgeschrieben – glaubhaft gemacht hat.
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IV.
Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:
Bis zum 16.10.2019: 300.000,00 EUR
Seitdem: 120.000,00 EUR
