Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3378
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 4. Juni 2024, Az. 4a O 30/21
- I.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist oder künftig noch entstehen wird, dass die Beklagte im Zeitraum vom 15. März 2007 bis zum 6. Oktober 2023 geschäftlich handelnd den nachstehend wiedergegebenen Winkelverbinder in der Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf Patentschutz beworben und in den Verkehr gebracht hat, wenn dies geschehen ist wie folgt -
II.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über Art, Umfang und Zeitraum der in Ziffer I. beschriebenen, im Zeitraum vom 15. März 2007 bis zum 6. Oktober 2023 vorgenommenen, Handlungen zu erteilen. -
III.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.981,02 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.04.2021 zu zahlen. -
IV.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. -
V.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 70% und die Beklagte zu 30%. -
VI.
Das Urteil ist für die Klägerin bezüglich des Tenors zu Ziffern II. und III. insgesamt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.500,00 € und wegen der Kosten für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
- Die Beklagte war Inhaberin des deutschen Patents DE 103 46 XXA B4 (Anlage K3, im Folgenden: Streitpatent), dessen Schutzdauer am 06.10.2023 abgelaufen ist. Das Streitpatent wurde am 06.10.2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: DPMA) angemeldet. Am 04.05.2005 veröffentlichte das DPMA die Anmeldung des Streitpatents und am 15.02.2007 den Hinweis auf seine Erteilung. Das Streitpatent betrifft Winkelverbinder für Doppelfenster-Rahmenprofile.
- Anspruch 1 des Streitpatents lautet:
- „Winkelverbinder für Doppelfenster-Rahmenprofile mit jeweils einem einen Schenkel bildenden Grundkörper (1), an welchem mehrere von diesem abstehende streifenförmige Lamellen (2) angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass der Abstand (A) zweier benachbarter Lamellen (2) in einem Bereich von 1,5 bis 2,0 mm beträgt, dass die Gesamthöhe (H) des Grundkörpers (1) und der Lamellen (2) um mindestens 0,2 mm größer ist, als eine zuzuordnende Innenhöhe des Rahmenhohlprofils, dass die freie Kante der Lamelle (2) zur Bildung einer Schneide (3) abgeschrägt ist und dass der Grundkörper (1) an seiner den Lamellen (2) abgewandten Seite mit einer sägezahnartigen Riffelung (4) versehen ist.“
- Die Klägerin ist seit 1981 in der Verbindungstechnik und im Sprossenbau tätig und beliefert nach ihren eigenen Angaben fast alle Isolierglashersteller in Deutschland.
- Die Beklagte stellt verschiedene Produkte aus Stahl und Kunststoff her und bietet diese an. Unter anderem bietet sie einen Winkelverbinder an, der wie folgt ausgestaltet ist (im Folgenden: streitgegenständlicher Winkelverbinder):
- Auf dem streitgegenständlichen Winkelverbinder, den die Beklagte seit dem Jahr 2017 vertreibt, befand sich jedenfalls vor Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents die Prägung „B“. Im Zeitraum von 2017 bis zur Klageerwiderung erwirtschaftete die Beklagte mit diesem Winkelverbinder insgesamt knapp 6.500,00 € Umsatz. Mit patentanwaltlichem Schreiben vom 18.12.2020 (Anlage K1) fragte die Klägerin bei der Beklagten an, auf welches Patent sich der auf dem streitgegenständlichen Winkelverbinder angebrachte Hinweis stütze. Unter dem 15.01.2021 (Anlage K2) erklärte die Beklagte, der Hinweis beziehe sich auf das Streitpatent. Nach weiterem Schriftverkehr zwischen den Parteien (Anlagen K4, K5) mahnte die Klägerin die Beklagte unter Anzeige der Mitwirkung des Patentanwalts, der die vorherigen Schreiben unterzeichnet hatte, mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 17.02.2021 (Anlage K6) ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (Vorschlag in Anlage K7) auf. Für das Abmahnschreiben setzt die Klägerin Kosten in Höhe von 6.913,18 € an, die sich aus einer 1,3 Gebühr jeweils für die rechts- und patentanwaltliche Vertretung auf Grundlage eines Gegenstandswertes von 200.000,00 €, einer Pauschale in Höhe von 20,00 € sowie Umsatzsteuer zusammensetzen. Die Beklagte wies die Abmahnung mit Schreiben vom 24.02.2021 (Anlage K8) mit der Begründung zurück, dass der streitgegenständliche Winkelverbinder dem Schutzbereich des Anspruchs 1 des Streitpatents unterfalle.
- Mit der vorliegenden Klage, die der Beklagten am 20.04.2021 zugestellt worden ist, nimmt die Klägerin die Beklagte wegen unberechtigter Patentberühmung auf Unterlassung, Auskunft, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Zahlung von Abmahnkosten nebst Zinsen in Anspruch.
- Sie ist der Auffassung, durch den auf dem streitgegenständlichen Winkelverbinder angebrachten Hinweis „B“ berühme sich die Beklagte unberechtigterweise eines Patents. Denn der streitgegenständliche Winkelverbinder falle nicht in den Schutzbereich des Anspruchs 1 des Streitpatents. Es fehle jedenfalls daran, dass der Grundkörper an seiner den Lamellen abgewandten Seite mit einer sägezahnartigen Riffelung versehen ist. Der Grundkörper weise zwar an drei Seiten Lamellen auf, es fehle aber an einer sägezahnartigen Riffelung. Insbesondere stellten die an drei Seiten des Grundkörpers des streitgegenständlichen Winkelverbinders vorhandenen Lamellen keine sägezahnartige Riffelung im Sinne des Streitpatents dar. Eine Vereinheitlichung von Lamellen einerseits und sägezahnartiger Riffelung andererseits verbiete sich. Die Streitpatentschrift differenziere zwischen diesen beiden Ausgestaltungen und schreibe den Lamellen in seinem Absatz [0012] eine Keilwirkung zu, die durch eine Minimierung der Anlagefläche zwischen Verbinder und Profil zustande komme. Hingegen stelle sie im Zusammenhang mit der sägezahnartigen Riffelung in Absatz [0016] auf eine maximale Flächenanlage und damit – wie der Fachmann erkenne – auf eine Verbesserung der Halterung mittels Reibung ab. Lamellen und sägezahnartige Riffelung trügen daher durch unterschiedliche Mechanismen zur Halterung des Verbinders im Hohlprofil bei. Der Fachmann erkenne auch anhand der durchgängig unterschiedlichen Bezeichnung in der Streitpatentschrift, dass es sich tatsächlich um unterschiedliche Strukturen handele. Dies entspreche dem herkömmlichen Verständnis des Fachmanns, der unter Lamellen hohe blattartige Elemente und unter einer sägezahnartigen Riffelung eine flache Abfolge dreieckiger Vorsprünge verstehe. Zum Beleg des jeweiligen Verständnisses verweist die Klägerin auf Einträge im Duden und bei Wikipedia.
- Hinzu komme, dass nach der Lehre des Streitpatents die Lamellen streifenförmig gestaltet sein sollten. Sowohl räumlich-körperlich als auch funktional sei eine sägezahnartige Riffelung klar von den streitpatentgemäßen Lamellen verschieden und weise auch keine begriffliche Überschneidung mit Lamellen auf.
- Soweit die Beklagte sich zum Beleg ihres Verständnisses auf die Veröffentlichung in Anlage B1 beziehe, sei diese schon nicht geeignet, das Verständnis der Beklagten zu stützen. Zudem handele es sich um einen pseudo-redaktionellen Werbeartikel, der erst nach Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage veröffentlicht worden sei und keine Rückschlüsse auf das fachmännische Verständnis zulasse.
- Die Klägerin ist weiter der Auffassung, die sägezahnartige Riffelung müsse sich nach der Lehre des Streitpatents an der den Lamellen gegenüberliegenden Seite des Grundkörpers befinden. Dies folge aus dem Anspruch, nach dem der Grundkörper an seiner (nicht an einer) den Lamellen abgewandten Seite mit einer sägezahnartigen Riffelung versehen sei. Die im Anspruch verwendete Formulierung beinhalte eine solche Festlegung der räumlich-körperlichen Anordnung der sägezahnartigen Riffelung. Zwar bedeute „abgewandt“ nicht grundsätzlich „gegenüberliegend“, jedoch mache das Streitpatent klar, dass es erfindungsgemäß um eine ganz bestimmte Seite des Grundkörpers gehe und der Fachmann insoweit nicht die freie Auswahl habe.
- Die Klägerin ist der Ansicht, da die Parteien Mitbewerberinnen auf dem Markt der Winkelverbinder seien, sei wahrscheinlich, dass ihr durch die Patentberühmung der Beklagten ein Schaden entstanden sei. Jedenfalls liege eine von der Beklagten zu vertretende Marktstörung vor. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch diene der Vorbereitung und Durchsetzung von Hauptansprüchen gegen die Beklagte, nämlich von Schadensersatz, Bereicherungs- und Beseitigungsansprüchen. Ihr sei jedenfalls durch die fehlerhafte Patentberühmung und die damit einhergehende Marktverwirrung ein Schaden entstanden; die Patentberühmung sei aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise objektiv geeignet, deren Erwerbsverhalten zu Gunsten der Beklagten und zu Ungunsten der Klägerin zu beeinflussen.
- Die Klägerin behauptet, der streitgegenständliche Hinweis auf ein vermeintlich bei der Beklagten als Mitbewerberin bestehendes Patent sei der Grund für das Scheitern einer Geschäftsbeziehung mit einem im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland ansässigen Kunden gewesen, der sie auf den streitgegenständlichen Winkelverbinder aufmerksam gemacht habe. Der Hinweis auf Patentschutz verunsichere Kunden gegenüber den Produkten der Klägerin erheblich, denn die Beklagte beanspruche damit über die „normale Qualität“ hinausgehende Vorteile ihres Produktes.
- Schließlich behauptet die Klägerin, die Abmahnkosten seien in der geltend gemachten Höhe entstanden.
- Die Klägerin beantragt sinngemäß,
-
1.
die Beklagte zu verurteilen, es geschäftlich handelnd zu unterlassen, den nachstehend wiedergegebenen Winkelverbinder in der Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf Patentschutz zu bewerben und in den Verkehr zu bringen, wenn dies geschieht wie folgt -
2.
der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und zwei Jahre nicht übersteigen darf. -
3.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Auskunft über Art, Umfang und Zeitraum der in Ziffer 1 beschriebenen Handlungen zu erteilen. -
4.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der dieser aus den in Ziffer 1 beschriebenen Handlungen bereits entstanden ist oder künftig noch entstehen wird. -
5.
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.913,18 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. - Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte ist der Auffassung, eine unberechtigte Patentberühmung liege nicht vor. Der streitgegenständliche Winkelverbinder verwirkliche alle Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents. Insbesondere sei sein Grundkörper an einer den Lamellen abgewandten Seite mit einer sägezahnartigen Riffelung versehen.
- Nach der Lehre des Streitpatents umfasse eine sägezahnartige Riffelung auch Lamellen. Die sägezahnartige Riffelung müsse nicht anders geformt sein als die streitpatentgemäßen Lamellen. Der Anspruchswortlaut erlaube eine solche weite Auslegung, zu deren Einschränkung keinerlei Anlass bestehe. Eine sägezahnartige Riffelung im Sinne des Streitpatents erfasse jede Art von zackenförmigen Erhöhungen, die von der Oberfläche des Grundkörpers abstünden und dazu geeignet seien, eine Rückhaltewirkung des Verbinders im Hohlprofil zu schaffen. Weder die Streitpatentschrift noch der allgemeine Sprachgebrauch ergäben eine Beschränkung des Begriffs der sägezahnartigen Riffelung auf eine flache Abfolge dreieckiger Vorsprünge. So sei die Struktur der Lamellen eines vergleichbaren Eckverbinders der Beklagten kürzlich in einer Fachzeitschrift (Anlage B1) als „sägeförmig“ beschrieben worden. Auch eine funktionsorientierte Auslegung impliziere für den Fachmann keine Einschränkung einer sägezahnartigen Riffelung. In funktionaler Hinsicht setze das Streitpatent lediglich voraus, dass die sägezahnartige Riffelung den Halt des Verbinders im Hohlprofil verbessere. Der Fachmann wisse, dass Sägezähne je nach technischem Zusammenhang und Zweck ganz unterschiedliche Formen haben könnten. Die von der Klägerin angeführten Fundstellen seien zum Beleg des fachmännischen Verständnisses nicht geeignet. Daraus, dass im Streitpatent für die Lamellen zusätzlich eine Keilwirkung beschrieben sei, ergebe sich keine Einschränkung für die sägezahnartige Riffelung. Der Fachmann erkenne, dass die Keilwirkung der Lamellen den Halt gegenüber einer bloßen Reibungswirkung verbessere; in ihrem Absatz [0009] offenbare die Streitpatentschrift eine Verankerungswirkung durch Verkeilung, die neben der Haltewirkung durch Reibung vorliege. Der Fachmann entnehme der Streitpatentschrift aber nicht, dass sich Keilwirkung und Reibungswirkung gegenseitig ausschlössen. Auch die streitpatentgemäßen Lamellen entfalteten eine Reibungswirkung. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Keilwirkung nur entstehen könne, wenn die Lamellen an der Wandung des Hohlprofils anlägen. Bei einem Anliegen beider Bauteile entstehe auch Reibungswirkung. Die Streitpatentschrift enthalte keine Wirkungsabgrenzung zwischen sägezahnartiger Riffelung und Lamellen. Die Riffelung sei quasi ein aus dem Stand der Technik bekanntes Weniger, das in den streitpatentgemäßen Lamellen enthalten sei. Der Fachmann entnehme weder dem Anspruch noch der Beschreibung, dass die sägezahnartige Riffelung einer maximierten Flächenanlage von Verbinder und Rahmenprofil diene. Vielmehr spreche das in der Streitpatentschrift dargestellte Ausführungsbeispiel gegen ein solches Verständnis, da die sägezahnartige Riffelung dort als spitz zulaufende Zacken ausgeführt sei, die offensichtlich keine maximierte Flächenanlage an der Innenseite des Hohlprofils bezweckten.
- Zudem indiziere die Angabe „an seiner den Lamellen abgewandten Seite“ keine feste räumliche Positionierung der sägezahnartigen Riffelung am Grundkörper. Der Anspruch lege weder fest, von welcher Seite des Winkelverbinders die streitpatentgemäßen Lamellen abstehen müssten, noch enthalte das Streitpatent eine Einschränkung dahingehend, von wie vielen Seiten anspruchsgemäße Lamellen abstehen dürften. Die sägezahnartige Riffelung könne daher streitpatentgemäß an jeder Seite des Grundkörpers angebracht sein, die einer Seite des Grundkörpers abgewandt sei, an der sich die Lamellen befänden. Die Beklagte ist zudem der Auffassung, abgewandt sei nicht gleichbedeutend mit gegenüberliegend. Auf Grundlage dieses Verständnisses gebe es drei Möglichkeiten, den streitgegenständlichen Winkelverbinder unter Anspruch 1 des Streitpatents einzuordnen. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend drei mit Anmerkungen der Beklagten versehene Abbildungen, die der Klageerwiderung entnommen sind, eingeblendet:
- Die Beklagte ist weiter der Ansicht, jedenfalls stehe der Klägerin kein Schadensersatzanspruch zu. Die Klägerin habe eine Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht dargelegt; insbesondere ein ersatzfähiger Marktverwirrungsschaden sei nicht dargelegt und fernliegend. Die streitgegenständliche Kennzeichnung habe keine Beeinträchtigung der Wertschätzung der Klägerin, ihrer Kennzeichen oder ihrer Produkte verursacht. Es sei nicht ersichtlich, wie die Kennzeichnung des streitgegenständlichen Winkelverbinders mit „B“ den Absatz der Klägerin beeinflusst haben sollte. Der pauschale Vortrag zum Scheitern einer Geschäftsbeziehung mit einem Kunden, den die Beklagte mit Nichtwissen bestreitet, genüge zur Substantiierung einer Vermögenseinbuße nicht. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass sie einen vergleichbaren Verbinder anbiete, dessen Absatz sich durch die Kennzeichnung verändert habe. Auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Zum Einen fehle es an einem Wettbewerbsverstoß, zum Anderen sei nicht ersichtlich, inwieweit die geforderten Auskünfte zur Konkretisierung eines Schadens beitragen sollten. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, wie sie mit Hilfe der verlangten Auskünfte ihren Schaden berechnen wolle.
- Schließlich sei der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Gegenstandswert überhöht, so dass ein Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe bestehe. Die Beklagte bestreitet die Höhe der vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten mit Nichtwissen. Sie bestreitet zudem, dass der Klägerin tatsächlich Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe entstanden sind. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Hinzuziehung eines Patentanwalts erforderlich gewesen wäre. Die Klägerin habe weder in der Abmahnung noch in vorhergehenden Schreiben zur Auslegung des Streitpatents Stellung genommen.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung ergänzend Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
-
A.
Die Klage ist für den Zeitraum bis zum Ablauf der Schutzfrist des Streitpatents im Umfang der auf Schadensersatzfeststellung und Auskunft gerichteten Anträge sowie einer Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber den rechts- und patentanwaltlichen Vertretern der Klägerin in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet. -
I.
Im Umfang des Unterlassungsantrags ist die Klage unbegründet. Der Klägerin steht der gegen die Beklagte mit Wirkung für die Zukunft geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Denn im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung lagen die Voraussetzungen der insoweit maßgeblichen §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 1; 3 Abs. 1, 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht vor. Selbst wenn es sich bei dem Vertrieb des streitgegenständlichen Winkelverbinders mit dem Hinweis „B“ während der Schutzdauer des Streitpatents um eine unberechtigte Patentberühmung gehandelt haben sollte, ist jedenfalls das Vorliegen einer für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Begehungsgefahr (in Gestalt einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr) im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht feststellbar. Da die Klägerin an ihrem in die Zukunft gerichteten Unterlassungsantrag auch nach einem Hinweis der Kammer, dass Zweifel bezüglich des Vorliegens einer Wiederholungsgefahr bestehen, unverändert festgehalten hat, war die Klage insoweit abzuweisen. -
1.
Das Vorliegen einer – von der Klägerin geltend gemachten – Wiederholungsgefahr ist nicht feststellbar. - Ist es bereits zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, so streitet eine tatsächliche Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr (st. Rspr.; BGH GRUR 1997, 379 (379 f.) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH GRUR 2002, 717 (719) – Vertretung der Anwalts-GmbH; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 1.43 m.w.N.). Die Wiederholungsgefahr beschränkt sich dabei nicht auf die identische Verletzungsform, sondern umfasst auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (BGH GRUR 1996, 290 (291) – Wegfall der Wiederholungsgefahr I; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 1.43 m.w.N.). Auch die – widerlegliche – Vermutung bezieht sich auf die konkrete Verletzungshandlung und auf im Kern gleichartige Verstöße (BGH GRUR 1997, 379 (380) – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 1.44, 1.46 m.w.N.).
- Im Kern gleichartig ist ein Verhalten, das – ohne identisch zu sein – von der Verletzungshandlung nur unbedeutend abweicht. Entscheidend ist, dass sich das Charakteristische der Verletzungshandlung wiederfindet (Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 1.47 m.w.N.).
- Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Zwar bliebe das rein tatsächliche Verhalten, nämlich Bewerbung und Vertrieb des streitgegenständlichen Winkelverbinders mit dem Hinweis „B“ identisch; durch den Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents ändern sich allerdings dessen rechtliche Bewertung und Qualität. Denn nach Ablauf der Schutzdauer ist ein Hinweis auf Patentschutz grundsätzlich unzulässig, auch wenn der betroffene Gegenstand von dem angeführten Patent während dessen Schutzdauer erfasst wurde. Zwar sind im Ergebnis sowohl der Hinweis auf ein abgelaufenes Patent als auch der Hinweis auf ein nicht einschlägiges Patent irreführend, in ihrem Unrechtsgehalt unterscheiden sich beide Verhaltensweisen aber ganz erheblich. Der (wissentliche) Hinweis auf ein tatsächlich nicht existentes Schutzrecht wiegt dabei deutlich schwerer als der Hinweis auf ein zwar existentes, aber nicht einschlägiges Patent. Vor diesem Hintergrund kann ohne konkrete Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass die Gefahr besteht, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Winkelverbinder auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents mit dem Hinweis „B“ bewerben oder vertreiben wird. Insbesondere begründet das Verhalten der Beklagten vor Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents keine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass sie das entsprechende Verhalten, dessen Unrechtsgehalt sich durch den Ablauf der Schutzdauer erheblich erhöhen würde, auch nach Ablauf der Schutzdauer fortsetzt. Es handelt sich insoweit nicht um kerngleiche Verletzungshandlungen. Beide Verhaltensweisen mögen im Ergebnis unzulässig sein, die Unzulässigkeit ergibt sich aber aus unterschiedlichen Aspekten. Im Falle einer Patentberühmung in Kenntnis des Umstandes, dass tatsächlich gar kein in Betracht kommendes Patent existiert, läge – wie ausgeführt – ein deutlich gesteigertes Unrecht vor. Es kann daher nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass der potentielle Verletzer, der sich – mit nicht völlig abwegiger Begründung – auf ein bestehendes Schutzrecht beruft, auch dann auf Patentschutz verweisen würde, wenn er weiß, dass das einzige Schutzrecht, mit dem er in der Sache argumentiert hat, abgelaufen ist. Die vorliegende Konstellation ist aus Sicht der Kammer am ehesten mit der Situation vergleichbar, in der das tatsächliche Verhalten identisch bleibt, die relevante Rechtslage sich aber ändert. Denn – wie bei einer Änderung der Rechtslage – ist auch nach Ablauf der Schutzdauer klar, dass die Fortsetzung des identischen Verhaltens jedenfalls unzulässig wäre. Bezüglich der Änderung der Rechtslage gilt, dass die für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr auch ohne Abgabe einer hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung dann wegfallen kann, wenn der Verstoß unter der Geltung einer zweifelhaften Rechtslage erfolgt ist, diese Zweifel aber durch eine Gesetzesänderung beseitigt sind und außer Frage steht, dass das beanstandete Verhalten verboten ist (BGH GRUR 2002, 717 (719) – Vertretung der Anwalts-GmbH; BGH, Beschluss vom 26.02.2014, I ZR 119/09, Rn. 13 – zitiert nach juris; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 42. Auflage 2024, § 8 Rn. 1.54).
- Auch hier steht außer Frage, dass der streitgegenständliche Hinweis nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents verboten ist. Dies hat die Beklagte im Schriftsatz vom 25.08.2023 sowie in der mündlichen Verhandlung am 23.04.2024 zum Ausdruck gebracht. Zudem hatte die Beklagte zunächst angekündigt, dass sie den streitgegenständlichen Winkelverbinder nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents nicht mehr mit dem Hinweis „B“ bewerben oder vertreiben werde. Nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents hat sie – unwidersprochen – erklärt, dass sie die entsprechenden Handlungen auch tatsächlich bereits schon einige Zeit vor Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents eingestellt habe.
- Die Kammer kann daher im Ergebnis das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr nicht feststellen.
- Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung nach dem Hinweis der Kammer, dass durch den Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents die Wiederholungsgefahr entfallen sein könnte, auf Rechtsprechung verwiesen hat, nach der die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (etwa durch Liquidation eines Unternehmens oder Geschäftsaufgabe) die Wiederholungsgefahr nicht entfallen lässt, führt dies nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Denn nach Auffassung der Kammer ist die vorliegende Konstellation, in der die Schutzdauer des Schutzrechtes abgelaufen ist, am ehesten derjenigen vergleichbar, in der sich nicht die tatsächlichen Verhältnisse ändern, sondern die Rechtslage. Es geht nicht um die rein tatsächliche Fortsetzung eines Verhaltens bei gleichbleibender rechtlicher Beurteilung, sondern darum, dass sich die Qualität des Verhaltens und damit dessen rechtliche Einordnung (auch in Form einer Steigerung des Unrechtsgehalts) ändern. In den von der Klägerin angeführten Fällen ändern sich hingegen weder das beanstandete Verhalten noch dessen Qualität. Im Gegensatz zu der hier zu beurteilenden Konstellation handelt es sich bei Änderung allein der tatsächlichen Verhältnisse ohne weiteres um kerngleiche Verletzungshandlungen; ändert sich aber der Unrechtsgehalt und damit die Qualität des Verhaltens, liegt – wie ausgeführt – keine Kerngleichheit vor. Einem potentiellen Verletzer kann nicht unterstellt werden, dass er auch Handlungen mit gegenüber seinem bisherigen Verhalten deutlich gesteigertem Unrechtsgehalt vornehmen würde.
-
2.
Auch das Vorliegen einer Erstbegehungsgefahr ist nicht feststellbar. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Winkelverbinder nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents mit dem Hinweis „B“ bewerben oder vertreiben wird, sind nicht erkennbar. -
II.
Soweit die Klägerin Feststellung eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach begehrt, hat die Klage für den Zeitraum bis zum Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents Erfolg. -
1.
Zunächst ist die auf Schadensersatzfeststellung gerichtete Klage zulässig. Insbesondere ist das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse gegeben. Denn die Klägerin hat ein rechtliches Interesse daran, dass das Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach festgestellt wird, da sie den Umfang etwaiger rechtsverletzender Handlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt. -
2.
Die auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach gerichtete Klage ist für den im Tenor genannten Zeitraum (ein Monat nach Erteilung bis zum Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents) begründet. Insoweit steht der Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 9 Abs. 1 UWG zu. - Nach § 9 Abs. 1 UWG ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
-
a.
Bei dem beanstandeten Verhalten handelte es sich während der Schutzdauer des Streitpatents um eine unzulässige geschäftliche Handlung. § 3 Abs. 1 UWG sieht vor, dass unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig sind. Aus § 5 Abs. 1 UWG ergibt sich, dass unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine geschäftliche Handlung unter anderem dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über die Rechte des geistigen Eigentums enthält. So liegt es hier. Bewerbung und Vertrieb des streitgegenständlichen Winkelverbinders mit der Angabe „B“ sind irreführend, da sich die Beklagte damit zu Unrecht eines (internationalen) Patentschutzes des streitgegenständlichen Winkelverbinders berühmt. -
aa.
Zunächst liegt unproblematisch eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG vor, da es sich bei der streitgegenständlichen Angabe um eine werbende Aussage handelt, die objektiv mit der Förderung des Absatzes des streitgegenständlichen Winkelverbinders zusammenhängt. Dass die Beklagte vorträgt, die streitgegenständliche Angabe habe tatsächlich nicht zu einer Steigerung des Umsatzes mit dem betroffenen Winkelverbinder geführt, ist insoweit ohne Belang. -
bb.
Bei den Parteien des Rechtsstreits handelt es sich zudem um Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG, da beide Parteien in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Winkelverbinder für Fensterrahmenhohlprofile an Abnehmer vertreiben. -
cc.
Die streitgegenständliche Angabe ist auch irreführend. Denn sie ist zur Täuschung über das tatsächliche Bestehen eines Patentschutzes für den streitgegenständlichen Winkelverbinder geeignet. Angaben zum Patentschutz eines angebotenen Produkts sind als irreführende Angaben nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UWG unter anderem dann unzulässig, wenn das Produkt nicht in den Schutzbereich des Patents fällt (BGH GRUR 1985, 520 (521) – „Konterhauben-Schrumpfsystem“; Ullmann/Deichfuß, in: Benkard, PatG, Kommentar, 12. Auflage, 2023, § 146 Rn. 27). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. -
(1).
Zunächst wird die auf dem Winkelverbinder angebrachte Angabe „B“ von den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf (internationalen) Patentschutz des streitgegenständlichen Winkelverbinders verstanden. Dem entsprechenden, schlüssigen und nachvollziehbaren, Klägervortrag ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Die angesprochenen Verkehrskreise verstehen die Abkürzung „Int.Pat.“ als „Internationale(s) Patent(e)“ und entnehmen dieser Angabe auf Grund des Umstandes, dass sie auf dem streitgegenständlichen Winkelverbinder angebracht ist, den Hinweis, dass genau dieser Winkelverbinder jedenfalls im Inland (vgl. Touissant, in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage 2020, § 5 Rn. 835) patentgeschützt ist. -
(2).
Tatsächlich besteht für den streitgegenständlichen Winkelverbinder jedoch kein Patentschutz in Deutschland; insbesondere unterfällt er nicht der Lehre des Streitpatents, auf das die Beklagte sich insoweit auf eine Anfrage der Klägerin nach § 146 PatG und im vorliegenden Verfahren berufen hat. -
(a).
Das Streitpatent betrifft Winkelverbinder für Doppelfenster-Rahmenhohlprofile. Einleitend erläutert das Streitpatent, dass aus dem Stand der Technik bekannt sei, Rahmenhohlprofile oder hohle Abstandsprofile zu verwenden, um Mehrscheiben-Isoliergläser oder Doppelfenster herzustellen (Absatz [0003], alle Absatzangaben ohne nähere Bezeichnung sind solche des Streitpatents). Es erläutert, dass dabei das Rahmenhohlprofil abgelängt und mittels Winkelverbinder zu einem Rahmen geformt wird (Absatz [0003]). Bei derartigen Winkelverbindern sei es erforderlich, dass diese einfach montierbar seien und zuverlässig in dem Rahmenprofil verankert werden könnten (Absatz [0004]). Weiter gibt die Streitpatentschrift in Absatz [0004] an, dass dabei unter anderem die Art der Verankerung eine entscheidende Rolle spiele. In Absatz [0005] benennt die Streitpatentschrift die DE 85 09 XXB U1, die einen Winkelverbinder für Doppelfenster-Rahmenprofile beschreibt, bei welchem Zähne vorgesehen sind, die gegen Vorsprünge an der Innenwand des Rahmenprofils einrasten können. Daran kritisiert die Streitpatentschrift in ihrem Absatz [0005], dass die Zähne dabei nur zu einer relativ losen Verankerung des Winkelverbinders führten; durch ihre elastische Verformbarkeit und Form setzten sie einem Herausziehen des Winkelverbinders aus dem Rahmenprofil nur einen geringen Widerstand entgegen. - Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik stellt sich die Streitpatentschrift die Aufgabe, einen Winkelverbinder der eingangs genannten Art zu schaffen, welcher bei einfachem Aufbau und einfacher, kostengünstiger Herstellbarkeit gut verankerbar ist und ein hohes Maß an Betriebssicherheit gewährleistet (Absatz [0006]).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in seinem Anspruch 1 einen Winkelverbinder mit folgenden Merkmalen vor:
-
1. Winkelverbinder für Doppelfenster-Rahmenprofile
1.1 mit jeweils einem einen Schenkel bildenden Grundkörper, an welchem mehrere von diesem abstehende streifenförmige Lamellen angeordnet sind, wobei
2. der Abstand zweier benachbarter Lamellen in einem Bereich von 1,5 bis 2,0 mm beträgt [liegt],
3. die Gesamthöhe des Grundkörpers und der Lamellen um mindestens 0,2 mm größer ist, als eine zuzuordnende Innenhöhe des Rahmenhohlprofils,
4. die freie Kante der Lamelle zur Bildung einer Schneide abgeschrägt ist und
5. der Grundkörper an seiner den Lamellen abgewandten Seite mit einer sägezahnartigen Riffelung versehen ist. -
(b).
Der streitgegenständliche Winkelverbinder verwirklicht die Lehre des Streitpatents nicht. Er macht keinen Gebrauch von Merkmal 5. -
(aa).
Im Hinblick auf den Streit der Parteien ist lediglich eine Auslegung von Merkmal 5 erforderlich. - Merkmal 5 sieht vor, dass der Grundkörper an seiner den Lamellen abgewandten Seite mit einer sägezahnartigen Riffelung versehen ist.
- Der Fachmann versteht unter einer sägezahnartigen Riffelung eine niedrige Abfolge spitzer, dreieckiger Vorsprünge. Zunächst legt der Wortlaut ein solches Verständnis nahe. Denn nach dem allgemeinen Verständnis werden als Sägezahn die Erhebungen/Zacken eines Sägeblattes bezeichnet. Üblicherweise weisen Sägeblätter an ihrer Schneide eine niedrige Abfolge spitzer, dreieckiger Vorsprünge auf, die bei Gebrauch in das zu sägende Material eindringen können. Anhaltspunkte dafür, dass nach dem allgemeinen Fachverständnis oder nach der Lehre des Streitpatents unter „sägezahnartig“ eine von diesem allgemeinen Verständnis abweichende Gestaltung zu verstehen wäre, sind nicht gegeben. Der Fachmann entnimmt insoweit dem Absatz [0016] der Streitpatentschrift, dass die Sägezahn-Riffelung auch zur Halterung (des Winkelverbinders) beiträgt und eine gute Anlage an dem Rahmenprofil bewirkt. In Zusammenschau mit den Ausführungen in Absatz [0010], nach denen Rahmenhohlprofile an ihrer Innenseite unterschiedlichst ausgestaltete erhabene oder raue Bereiche aufweisen, erkennt er, dass die Riffelung dazu beitragen kann, auch bei Vorhandensein von Unebenheiten oder rauen Bereichen eine sichere Anlage des Winkelverbinders an der Innenseite des Rahmenhohlprofils zu ermöglichen.
- Der Fachmann erkennt ferner, dass die in der Streitpatentschrift beschriebenen Lamellen nicht zugleich eine sägezahnartige Riffelung darstellen. Denn das Streitpatent unterscheidet konsequent zwischen Lamellen und (sägezahnartiger) Riffelung. Während das Streitpatent zu den Lamellen sehr genaue Vorgaben macht, erwähnt es die (sägezahnartige) Riffelung in seiner Beschreibung lediglich in den Absätzen [0016] und [0035], wobei sich die zweite Fundstelle bereits auf die Gestaltung von Ausführungsbeispielen bezieht. Im Hinblick auf die „Sägezahn-Riffelung“ nennt das Streitpatent in Absatz [0016] eine technische Funktion, nämlich, dass die entsprechende Gestaltung auch zur Halterung beiträgt und eine gute Anlage bewirkt. Diese Funktion verknüpft das Streitpatent in Absatz [0012] mit aus dem Stand der Technik bereits bekannten Ausgestaltungen, bei welchen die Halterung durch Reibung oder Anpressen an die Wandung des Rahmenhohlprofils erfolgt. Der Fachmann entnimmt der Streitpatentschrift vor diesem Hintergrund, dass die Funktion der sägezahnartigen Riffelung darin liegt, gerade durch eine gute Anlage der Bauteile aneinander zur Halterung beizutragen und ordnet dies als aus dem Stand der Technik bekannt ein.
- Demgegenüber sieht der Fachmann, dass die Streitpatentschrift den erfindungsgemäßen Lamellen gerade eine Verkrallung oder Keilwirkung zuordnet. Denn das Streitpatent verknüpft eine Verkrallung bzw. Keilwirkung an mehreren Stellen mit den streitpatentgemäßen Lamellen (s. Absätze [0010], [0012], [0013]). Den Ausführungen in Absatz [0012] entnimmt der Fachmann zudem, dass die streitpatentgemäßen Lamellen sich gerade dadurch vom Stand der Technik abgrenzen, dass sie den Winkelverbinder nicht – wie es bekannt war – durch Reibungskraft und Anpressen der Lamellen an die Wandung des Rahmenprofils, sondern durch eine gezielt aufgebrachte Keilwirkung halten. Diese ergibt sich nach Absatz [0012] daraus, dass die Lamellen beim Einschieben in das Rahmenprofil zwangsweise verformt werden, weil gemäß der Lehre des Anspruchs 1 die Gesamthöhe des Grundkörpers und der Lamellen um mindestens 0,2 mm größer ist, als eine zuzuordnende Innenhöhe des Rahmenhohlprofils. Der Fachmann erkennt, dass die Keilwirkung der Lamellen, wie in Absatz [0012] explizit geschildert, gerade dann zum Tragen kommt, wenn eine Ausziehkraft aufgebracht wird. Die Keilwirkung hat – wie der Fachmann weiß – zur Folge, dass sich die Lamellen durch die Ausziehkraft verkeilen und den Winkelverbinder mit seiner den Lamellen gegenüberliegenden Seite stärker an die dortige Innenwand des Rahmenhohlprofils pressen, was geeignet ist, die (dortige) Reibungskraft zu erhöhen. Schließlich erkennt der Fachmann, dass durch die Verformung der Lamellen, die sich bei der streitpatentgemäßen Ausgestaltung durch das Einschieben des Winkelverbinders in das Rahmenhohlprofil ergibt, im Ruhezustand (ohne Aufbringen einer Ausziehkraft) weder eine signifikante Keilwirkung (auf der Seite der Lamellen) noch eine erhöhte Reibungskraft (auf der den Lamellen gegenüberliegenden Seite) zum Tragen kommen. Zur Sicherung der Verbindung ist es – auch das erkennt der Fachmann – ausreichend, dass die oben beschriebenen Wirkungen eintreten, wenn eine Ausziehkraft auf den Winkelverbinder wirkt.
- Diesem Gesamtzusammenhang entnimmt er, dass Lamellen und sägezahnartige Riffelung über unterschiedliche Wirkweisen zur besseren Halterung des Winkelverbinders in dem Rahmenhohlprofil beitragen. Die sägezahnartige Riffelung ermöglicht streitpatentgemäß eine gute Anlage der Bauteile, also eine große Kontaktfläche, die – bei Beaufschlagung mit einer Kraft – zur Erhöhung von Reibungskräften beiträgt. Die Lamellen entfalten durch ihre näher beschriebene, besondere Gestaltung demgegenüber eine Verkeilung oder Verkrallung, deren Wirkung – so führt Absatz [0012] explizit aus – insbesondere dann eintritt, wenn eine Ausziehkraft aufgebracht wird. Da die Lehre des Streitpatents den anspruchsgemäßen Lamellen keine wesentliche Reibungswirkung zuschreibt, sieht der Fachmann, dass die sägezahnartige Riffelung, die im Wesentlichen zu einer guten Anlage und einer damit verknüpften Reibungskraft beitragen soll, durch eine niedrige Abfolge spitzer, dreieckiger Vorsprünge gebildet wird, die sich auch in ihrer räumlich-körperlichen Gestaltung von den streitpatentgemäßen Lamellen unterscheidet. Dass – wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat – streitpatentgemäße Lamellen als „Weniger“ auch eine sägezahnartige Riffelung enthalten, entnimmt der Fachmann dem Streitpatent vor dem Hintergrund, dass dieses den jeweiligen Bauteilen unterschiedliche Wirkungen zuordnet, gerade nicht, und zwar auch dann nicht, wenn er weiß, dass bei einer Anlage von Bauteilen, wie sie auch bei einer Verkeilung vorkommt, grundsätzlich Reibung entsteht. Er berücksichtigt die ausdrückliche Differenzierung des Streitpatents in der Bezeichnung der Bauteile und der Beschreibung ihrer unterschiedlichen Wirkungen.
- Nach dem Verständnis des Fachmanns ist die sägezahnartige Riffelung streitpatentgemäß zudem auf der den Lamellen gegenüberliegenden Seite des Grundkörpers vorgesehen. Zwar lässt der Anspruchswortlaut, der von „seiner [des Grundkörpers] den Lamellen abgewandten Seite“ spricht, grundsätzlich ein Verständnis zu, nach dem sich Lamellen und sägezahnartige Riffelung nicht gegenüberliegen, sondern lediglich an unterschiedlichen Oberflächen des Grundkörpers angeordnet sind. Allerdings legt bereits die Verwendung des Possessivpronomens „seiner“ nahe, dass es jeweils nur eine (und – bei einer quaderartigen Ausgestaltung – nicht drei) den Lamellen abgewandte Seite(n) gibt. Die technische Funktion des Merkmals verdeutlicht zudem, dass Lamellen und sägezahnartige Riffelung gerade dadurch zusammenwirken, dass sie sich gegenüberliegen. Wie ausgeführt, entfalten die Lamellen bei Aufbringen einer Ausziehkraft eine Keilwirkung, die zu einer erhöhten Reibungskraft auf der – dies erkennt der Fachmann aufgrund seines Fachwissens auch ohne ausdrückliche Erläuterung in der Streitpatentschrift – den Lamellen gegenüberliegenden Seite führt. Diese Seite ist streitpatentgemäß mit der sägezahnartigen Riffelung versehen, die eine gute Anlage ermöglicht, was wiederum zur Erhöhung der Reibung beiträgt. Der Fachmann versteht ferner, dass die streitpatentgemäß durch Lamellen und sägezahnartige Riffelung erzeugten Haltekräfte nicht in der gleichen Erstreckung wirken, wenn Lamellen und Riffelung einander nicht gegenüberliegen. Er sieht, dass die Haltekräfte bei einer solchen Ausgestaltung geringer wären, was gerade dem Ziel der guten Verankerbarkeit zuwiderlaufen würde. Vor diesem Hintergrund versteht er Merkmal 5 dahingehend, dass die sägezahnartige Riffelung an der den Lamellen gegenüberliegenden Seite des Grundkörpers vorhanden sein muss. Auch der in der mündlichen Verhandlung erfolgte und unwidersprochen gebliebene Vortrag der Beklagtenvertreterin, dass es bei bestimmten Profilen [Anm. der Kammer: phonetisch: C Profile] sinnvoller sei, die Reibung auf den Seiten aufzubringen, da in der Mitte der instabilste Teil liege, führt – eine Kenntnis des Fachmanns unterstellt – nicht zu einer anderen Auslegung. Zum einen ist schon nicht klar, ob die streitpatentgemäße Lehre auch auf Winkelverbinder für solche besonderen Ausgestaltungen von Rahmenholprofilen Anwendung finden soll. Zum anderen können sich auch in einem solchen Fall Lamellen und sägezahnartige Riffelung gegenüberliegen, indem sie auf gegenüberliegenden Seitenflächen angeordnet sind. Dies würde im Einklang mit dem Vortrag der Beklagten stehen, nach dem bei diesem speziellen Profil, zu dessen Ausgestaltung und Eigenschaften die Parteien nicht näher ausgeführt haben, die Mitte gerade den instabilsten Teil darstellt, so dass der Fachmann erkennt, dass dort insgesamt möglichst geringe Kräfte wirken sollen, und zwar unabhängig davon, ob sie durch Verkeilen oder Reibung verursacht werden.
-
(bb).
Auf Grundlage dieses Verständnisses verwirklicht der streitgegenständliche Winkelverbinder Merkmal 5 des Streitpatents nicht. Es fehlt bereits an einer sägezahnartigen Riffelung, da der streitgegenständliche Winkelverbinder an drei Seiten streitpatentgemäße Lamellen und an der vierten Seite eine ebene Oberfläche aufweist. Die Lamellen können aber nicht zugleich (auch) eine sägezahnartige Riffelung im Sinne des Streitpatents darstellen. Soweit die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass die Lamellen des streitgegenständlichen Winkelverbinders nicht an allen Seiten identisch ausgebildet sind, steht das ihrer Einordnung als Lamellen im Sinne des Streitpatents nicht entgegen. Insbesondere geht die Beklagte selbst davon aus, dass der streitgegenständliche Winkelverbinder an drei Oberflächen Lamellen aufweist, die der Lehre des Streitpatents entsprechen. Denn in der Klageerwiderung hat sie ausgeführt, nach ihrer Auffassung gebe es drei Möglichkeiten, den streitgegenständlichen Winkelverbinder unter Anspruch 1 des Streitpatents einzuordnen, wobei sie jede einzelne der drei in Frage kommenden Oberflächen mal als „Lamellen“, mal als „sägezahnartige Riffelung“ einordnet. - Hinzu kommt, dass die sägezahnartige Riffelung streitpatentgemäß an der den Lamellen gegenüberliegenden Seite ausgebildet sein muss. Dies bedeutet, dass zur Verwirklichung der Lehre des Streitpatents von vornherein allenfalls die von der Beklagten als zweite Möglichkeit dargestellte Anordnung in Betracht kommt. Auch insoweit fehlt es aber an der streitpatentgemäßen sägezahnartigen Riffelung der den Lamellen gegenüberliegenden Seite des Grundkörpers.
-
dd.
Darauf, ob Bewerbung und Vertrieb des Winkelverbinders mit dem streitgegenständlichen Hinweis auch unter dem Gesichtspunkt irreführend sind, dass die angesprochenen Verkehrskreise ihn als Hinweis auf internationalen Patentschutz, also auf Patentschutz im Inland und weiteren bedeutenden Industriestaaten (OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.12.1981, 6 U 35/81, LS 2 – zitiert nach juris; Touissant, in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Auflage 2020, § 5 Rn. 834 f.) verstehen, obwohl ein solcher Schutz tatsächlich nicht besteht, kommt es danach nicht an. Daher war der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, soweit sie wisse, gebe es eine europäische Nachanmeldung, zu der sie – falls es darauf ankommen sollte – die Einzelheiten klären müsse, nachdem der Klägervertreter diesen Aspekt erstmals in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angesprochen hatte, kein Schriftsatznachlass zu gewähren. -
b.
Die Irreführung erfolgte zudem schuldhaft. Die Beklagte handelte jedenfalls fahrlässig, da sie als Fachunternehmen bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest hätte erkennen können, dass der streitgegenständliche Winkelverbinder nicht in den Schutzbereich des Streitpatents fällt. -
c.
Schließlich ist auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts – jedenfalls in Form eines Marktverwirrungsschadens – gegeben. - Die Begründetheit des Antrags auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und somit auch der Auskunftsantrag setzen eine solche Wahrscheinlichkeit voraus. Dafür genügt nicht eine entfernt liegende, also nur theoretische Möglichkeit des Schadenseintritts (BGH GRUR 1995, 744 (749) – Feuer, Eis & Dynamit I, BGH GRUR 2001, 849 (850) – Remailing-Angebot; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2013, I-2 U 92/11, Rn. 66 – zitiert nach juris). Andererseits ist ein tatsächlicher Schadenseintritt nicht erforderlich. Es genügt, dass nach der Lebenserfahrung der Eintritt eines Schadens zumindest denkbar und möglich ist, wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen ist (BGH GRUR 2001, 849 (850) – Remailing-Angebot; BGH GRUR 2012, 193 (201) – Sportwetten im Internet II; OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2013, I-2 U 92/11, Rn. 66 – zitiert nach juris). In der Regel bedarf es daher keiner detaillierten Darlegungen zum Schadenseintritt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2013, I-2 U 92/11, Rn. 66 – zitiert nach juris). An die Darlegungslast sind bei der Werbung mit der unzutreffenden Angabe, dass die beworbenen Produkte patentgeschützt sind, keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Denn der Werbung mit einer solchen Angabe kommt erhebliche Relevanz zu (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2013, I-2 U 92/11, Rn. 67 – zitiert nach juris). Die Werbung mit einem Alleinstellungsmerkmal, wie es der Patentschutz begründet, stellt regelmäßig einen nicht unerheblichen Faktor dar, die Kaufentscheidung potentieller Abnehmer zu beeinflussen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2013, I-2 U 92/11, Rn. 67 – zitiert nach juris). So liegt es auch hier.
- Auch wenn die Klägerin, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, keinen gleichartigen oder ähnlichen Winkelverbinder anbietet, so ist dennoch hinreichend wahrscheinlich, dass ihr ein ersatzfähiger Marktverwirrungsschaden entstanden ist. Denn auch im vorliegenden Fall ist die unberechtigte Patentberühmung geeignet, bei den Marktteilnehmern Fehlvorstellungen über das Bestehen eines Patentschutzes hervorzurufen, die wiederum dazu geeignet sind, das Verhalten und die geschäftlichen Entscheidungen der Marktteilnehmer, insbesondere potentieller Kunden, zu Ungunsten der Klägerin zu beeinflussen. Nach dem insoweit unstreitig gebliebenen Klägervortrag beliefert die Klägerin fast alle Isolierglashersteller in Deutschland. Insoweit ist denkbar, dass ihre (potentiellen) Kunden den Erwerb eines als patentgeschützt beworbenen und angebotenen Winkelverbinders gegenüber dem Erwerb eines Winkelverbinders aus dem Angebot der Klägerin bevorzugen. Dabei ist klarzustellen, dass das aus Sicht der Kammer nicht nur in Bezug auf gleichartige oder identische Winkelverbinder gilt, sondern in Bezug auf alle Winkelverbinder, die grundsätzlich für den gleichen Einsatzbereich geeignet sind. Dass die Klägerin solche Winkelverbinder nicht anbieten würde, ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich.
- Dass angeblich eine Geschäftsbeziehung der Klägerin zu einem im Vereinigten Königreich ansässigen Kunden wegen des streitgegenständlichen Hinweises auf Patentschutz nicht zustande gekommen ist, ist vorliegend allerdings ohne Relevanz. Die Klägerin hat schon nicht ausgeführt, dass es insoweit um eine Geschäftsbeziehung für den deutschen Markt gegangen wäre. Zudem hat sie ihren seitens der Beklagten bestrittenen Vortrag nicht unter Beweisantritt weiter konkretisiert oder Unterlagen vorgelegt, die ihren Vortrag stützen würden. Aus diesem Grund käme eine Beweisaufnahme ohnehin nicht in Betracht.
-
III.
Die Klage ist auch begründet, soweit sie auf Auskunftserteilung für den Zeitraum gerichtet ist, für den das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach festgestellt ist. Der Auskunftsanspruch ergibt sich aus §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die geltend gemachten Angaben, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, angewiesen, um ihren Schadensersatzanspruch beziffern zu können. Insoweit bestehen keine Zweifel an der Erforderlichkeit der begehrten Auskünfte. Die Klägerin begehrt lediglich Auskunft über Art, Umfang und Zeitraum der Bewerbung und des Vertriebs des streitgegenständlichen Winkelverbinders mit dem Hinweis „B“. Diese Angaben sind geeignet, eine entstandene Marktverwirrung zu ermitteln und zu konkretisieren. Auf Grundlage einer solchen konkretisierten Marktverwirrung kann die Klägerin sodann Berechnungen zu einem ihr etwaig entstandenen Schaden vornehmen. -
IV.
Für den Zeitraum nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents ist die Klage sowohl hinsichtlich des auf Schadensersatzfeststellung gerichteten Antrags als auch hinsichtlich des Auskunftsantrags unbegründet, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es in diesem Zeitraum zu Verletzungshandlungen kommen wird. Soweit im Tenor jeweils auch ein Anfangsdatum für den Zeitraum der Schadensersatz- und Auskunftspflicht genannt ist, handelt es sich um eine rein klarstellende Angabe. Die Beklagte hat den Vertrieb des streitgegenständlichen Winkelverbinders nach dem unstreitigen Parteivortrag ohnehin erst im Jahr 2017 und damit weit nach Erteilung des Streitpatents aufgenommen. Eine teilweise Abweisung der Klage liegt in der Aufnahme des Anfangsdatums nicht. -
V.
Bezüglich des Anspruchs auf Zahlung von Abmahnkosten ist die Klage in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. -
1.
Der Anspruch ist auf Zahlung an die Klägerin gerichtet. Zwar hat die Klägerin trotz des Bestreitens der Beklagten nicht dargelegt, dass ihr bereits tatsächlich Abmahnkosten entstanden sind. Allerdings hat die Beklagte die Zahlung von Abmahnkosten jedenfalls im gerichtlichen Verfahren ernsthaft und endgültig verweigert, so dass sich ein etwaiger Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch umgewandelt hat. -
2.
Der Anspruch ergibt sich aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag, GoA, gemäß §§ 683, Satz 1, 677, 670 BGB, da die Abmahnung berechtigt und begründet war. Bezüglich der Begründetheit der Abmahnung wird auf die obigen Ausführungen im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Schadensersatzfeststellung, die hier entsprechend gelten, Bezug genommen. Auch bezüglich der Berechtigung der Abmahnung bestehen keine Zweifel. -
3.
Der Höhe nach beläuft sich der Anspruch auf eine 1,3 Geschäftsgebühr sowohl für die rechtsanwaltliche als auch für die patentanwaltliche Vertretung aus einem Gegenstandswert von 50.000,00 € nebst Umsatzsteuer, bezüglich der Rechtsanwaltskosten zuzüglich der geltend gemachten Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 € nebst Umsatzsteuer. -
a.
Der Zahlungsanspruch der Klägerin umfasst sowohl die Kosten für die rechtsanwaltliche als auch die Kosten für die patentanwaltliche Tätigkeit. Zwar ist das Abmahnschreiben lediglich von dem rechtsanwaltlichen Vertreter der Klägerin unterzeichnet, die Mitwirkung des Patentanwalts ist aber in der Abmahnung angezeigt. Die Beauftragung des Patentanwalts war auch notwendig, da es im Kern um eine patentrechtliche Frage ging, nämlich darum, ob der streitgegenständliche Winkelverbinder von der Lehre des Streitpatents Gebrauch macht. Insoweit ist nicht erforderlich, dass die patentanwaltliche Prüfung im Abmahnschreiben bereits im Einzelnen dargelegt wird. Jedenfalls das Ergebnis der patentanwaltlichen Prüfung, nämlich, dass der streitgegenständliche Winkelverbinder nicht in den Schutzbereich des Streitpatents fällt, ergibt sich deutlich aus dem Abmahnschreiben. -
b.
Allerdings ist der seitens der Klägerin angesetzte Gegenstandswert von 200.000,00 € überhöht. Bereits mit Beschluss vom 04.10.2023 (Bl. 126 ff. GA) hat die Kammer den Streitwert vorläufig auf 50.000,00 € festgesetzt. Veranlassung, von dieser Beurteilung abzuweichen, besteht nicht. Die Kammer hält auch für die Abmahnung, die letztlich die gleichen Ansprüche wie das vorliegende Klageverfahren zum Gegenstand hat, einen Gegenstandswert von insgesamt 50.000,00 € für angemessen. Insoweit wird vollumfänglich auf die Begründung des Beschlusses vom 04.10.2023 (Bl. 126 ff. GA) Bezug genommen. -
c.
Daraus ergibt sich ein Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 3.981,02 €, der sich wie folgt zusammensetzt: -
rechtsanwaltliche Tätigkeit:
1,3 Geb. aus Gegenstandswert bis 50.000,- € 1,3 * 1.279,00 € 1.662,70 €
zzgl. Auslagenpauschale 20,00 € 1.682,70 €
zzgl. Umsatzsteuer 1,19 * 1.682,70 € 2.002,41 € -
patentanwaltliche Tätigkeit:
1,3 Geb. aus Gegenstandswert bis 50.000,- € 1,3 * 1.279,00 € 1.662,70 €
zzgl. Umsatzsteuer 1,19 * 1.662,70 € 1.978,61 € -
4.
Der Anspruch auf Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen folgt aus §§ 291 S. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. -
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO. -
C.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 07.05.2024 bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. - Streitwert: 50.000,00 €
