4c O 52/23 – Elektrische Behandlung von Pflanzenmaterial

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3375

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 9. April 2024, Az. 4c O 52/23

  1.  Die einstweilige Verfügung vom 14. November 2023 wird im Kostenpunkt (Ziffer VII. des Tenors) bestätigt.
  2. Die weiteren Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  4. Tatbestand
  5. Die Verfügungsklägerin ist eingetragene Inhaberin des Europäischen Patents EP 4 030 XXA B1 (Anlage A2) betreffend ein Verfahren und eine Vorrichtung für Unkrautbekämpfungsanwendungen sowie zur Minimierung des Brandrisikos bei der Arbeit mit Elektroden auf einem Boden mit Unkraut.
  6. Die Verfügungsbeklagte hat auf der Messe „B“ in Hannover in der Zeit vom 12. bis 18. November 2023 einen Messestand unterhalten und Teile ihrer Vorrichtung des sog. C Systems (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform), bei der mithilfe „elektrischer Behandlung“ („electrical treatment“) Pflanzenmaterial großflächig abgetötet bzw. ausgetrocknet werden soll, um so die Ernte/das Wachstum von Nutzpflanzen zu begünstigen, ausgestellt. Die Verfügungsbeklagte präsentierte die am Heck eines Traktors befestigbare Vorrichtung („D“), wobei auch die Verwendung des Gesamtsystems mit einem Traktor auf dem Messestand beworben wird, wie sich aus den auf dem Messestand von der Verfügungsbeklagten ausgelegten Flyern ergab.
  7. Die Verfügungsklägerin erlangte am 13. November 2023 die nach ihrer Ansicht nach erforderlichen Informationen zur Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform, um am 14. November 2023 vor der Kammer den Antrag auf ein Besichtigungsverfahren nebst begleitender einstweiliger Verfügung zur Duldung der Besichtigung einzureichen.
  8. Vor Zustellung des seitens der Kammer antragsgemäß ebenfalls am 14. November 2023 erlassenen Besichtigungsbeschlusses stellte die Verfügungsklägerin Rückfragen bei den am Messestand der Verfügungsbeklagten präsenten Mitarbeitern zur Ausgestaltung der auf dem Messestand vorhandenen Teile der angegriffenen Ausführungsform. Eine vorherige Abmahnung der Verfügungsbeklagten vor Zustellung des Besichtigungsbeschlusses am 14. November 2023 erfolgte nicht.
  9. In dem erstellten Gutachten kam der Sachverständige Rehmann zu dem Ergebnis, dass die angegriffene Ausführungsform die Lehre des Verfügungspatents verwirkliche (vgl. Bl. 85 ff. GA).
  10. Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht, dass der Verfügungsbeklagten die Kosten der einstweiligen Verfügung zu Recht auferlegt worden seien. Sie habe Veranlassung zur Durchführung einer förmlichen Besichtigung gegeben, einer vorherigen Abmahnung habe es nicht bedurft. Da die angegriffenen Ausführungsformen als Gesamtsystem aus einer Vielzahl von einzelnen Bestandteilen zusammengesetzt sei, habe die Gefahr bestanden, dass die Verfügungsbeklagte einzelne Teile vom Messestand wegschaffen würde. Dies hätte eine umfassende Besichtigung beeinträchtigen können. Insoweit habe sich die einfache Lösbarkeit etwa von Kabeln bei der Besichtigung auch tatsächlich gezeigt. Der Applikator als bewegliches Bauteil hätte mittels Traktor oder Gabelstapler vom Messegelände entfernt werden können.
  11. Ferner hätten die Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten vor dem Besichtigungsbeginn unrichtige Angaben über den Zustand des Ausstellungsstücks gemacht. Es wäre kein relevanter Inhalt im ausgestellten Cube vorhanden und außerdem kein Werkzeug, um diesen zu öffnen. Insbesondere aus diesem Verhalten ergebe sich ein Beleg dafür, dass die Verfügungsbeklagte nicht bereit gewesen wäre, ohne gerichtlichen Beschluss eine Besichtigung der angegriffenen Ausführungsform zu dulden. Ferne wäre aus Zeitgründen eine vorherige Abmahnung nicht ohne die Gefahr, den Besichtigungserfolg zu vereiteln, möglich gewesen. Der eingetretene zeitliche Ablauf sei ideal gewesen.
  12. Die Verfügungsklägerin beantragt,
  13. die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. November 2023 im Kostenpunkt zu bestätigen.
  14. Die Verfügungsbeklagte beantragt,
    die einstweilige Verfügung der Kammer vom im Kostenpunkt aufzuheben und der Verfügungsklägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
  15. Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, keinen Anlass für eine Besichtigung nebst begleitender einstweiligen Verfügung gegeben zu haben, weshalb sie auch nicht die Kosten der einstweiligen Verfügung zu tragen habe.
    Hätte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte auf der Messe auf die behauptete Patenverletzung angesprochen und sie entsprechend zur Duldung einer Besichtigung aufgefordert, hätte die Verfügungsbeklagte die Besichtigung vermutlich ohne gerichtliche Hilfe gestattet. Der Verfügungsklägerin sei es zumutbar gewesen, eine Abmahnung zumindest unter Setzung einer kurzen Frist auszusprechen. Die Antragstellung am 14. November 2023 sei verfrüht gewesen. Die Verfügungsklägerin hätte selbst bei fruchtloser Abmahnung hinreichend Zeit für die Einholung gerichtlicher Hilfe gehabt.
    Ihre Mitarbeiter hätten auf dem Messestand möglicherweise mangels hinreichender technischen Kenntnisse keine konkreten Informationen zum Schaltschrank gegeben. Tatsächlich sei kein Werkzeug zur Schranköffnung im Zeitpunkt der Nachfrage auf dem Messestand gewesen; dieses sei erst nachträglich, aber vor der Besichtigung, aus einem Fahrzeug geholt worden. Eine gewisse Zurückhaltung bei der Informationspreisgabe durch Mitarbeiter ohne vorherige Rücksprache mit der Geschäftsleitung sei im Übrigen nicht verwunderlich. Ebenso wenig hätte ein Entzug des Besichtigungsgegenstands gedroht. Dies ergebe sich bereits aus den Zufahrtregelungen durch die Messe sowie das Gewicht der angegriffenen Ausführungsform. Im Übrigen würde es dem eigenen Interesse der Verfügungsbeklagten widersprechen, vorzeitig Teile ihres Messestandes abzubauen.
  16. Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
  17. Entscheidungsgründe
  18. I.
    Der Kostenwiderspruch ist in der Sache ohne Erfolg. Die Kosten der einstweiligen Verfügung hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.
  19. 1.
    Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob die außerhalb der Schriftsatzfrist eingereichten Schriftsätze in der vorliegenden Entscheidung noch Berücksichtigung finden.
  20. In dem Schriftsatz der Verfügungsklägerin vom 25. März 2024 finden sich schon keine grundlegend neuen Tatsachen mehr, welche über das fristgemäß zur Akte gereichte Vorbringen hinausgehen würde.
  21. Es bedarf ebenso wenig einer Aufklärung, wie der Kostenwiderspruch der Verfügungsbeklagten inhaltlich zu würdigen ist, was sie mit ihrem Schriftsatz vom 3. April 2024 klargestellt haben will.
  22. In Besichtigungsverfahren mit begleitender einstweiliger Verfügung ist es dem Besichtigungsschuldner möglich, isolierten Kostenwiderspruch hinsichtlich der einstweiligen Verfügung, aufgrund derer er regelmäßig zur Duldung der Besichtigung angehalten wird, zu erheben. Regelmäßig ist damit die Erklärung verbunden, die Entscheidung über den Verfügungsanspruch hinnehmen zu wollen und auf einen Widerspruch gegen die Sachentscheidung zu verzichten. Der Sache nach enthält eine solche Erklärung einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht, ohne den der Schuldner die mit dem Kostenwiderspruch erstrebte Vergünstigung des § 93 ZPO nicht in Anspruch nehmen könnte (BGH, Beschl. v. 22.05.2003 – I ZB 38/02, NJW-RR 2003, 1293; Beschl. v. 15.08.2013 – I ZB 68/12, NJW 2013, 3104).
  23. Unbeschadet dessen, dass die Kammer trotz der außerhalb der Frist liegenden Erklärung der Verfügungsbeklagten Zweifel an einem Anerkenntnis hat, hat selbst bei dessen Annahme die Verfügungsbeklagte die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens zu tragen.
  24. 2.
    Mit der Verfügungsklägerin ist die Kammer der Auffassung, dass die klägerische Vorgehensweise im Rahmen des Besichtigungsverfahrens nicht zu beanstanden ist.
    Die Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte vor Zustellung des Besichtigungsbeschlusses und einstweiliger Verfügung nicht abgemahnt. Ein solche vorherige Abmahnung war indes auch nicht erforderlich. Die Verfügungsbeklagte hat es nicht vermocht, gegen das Vorbringen der Verfügungsklägerin andere Gründe glaubhaft zu machen, welche eine Abänderung der Kostenentscheidung rechtfertigen könnten. Vor allem ergeben sich aus einer Gesamtwürdigung sämtlicher Sachverhaltsumstände zumindest keine positiven Anhaltspunkte, aufgrund derer die Verfügungsklägerin vor Zustellung des Besichtigungsbeschlusses nebst begleitender einstweiliger Verfügung davon hätte ausgehen dürfen bzw. müssen, dass sich die Verfügungsbeklagte ohne gerichtliche Anordnung mit einer Besichtigung der angegriffenen Ausführungsform einverstanden erklären würde.
  25. a.
    Im gewerblichen Rechtsschutz bedarf es, wenn ein Unterlassungsanspruch klageweise geltend gemacht werden soll, aber auch im Besichtigungsverfahren, regelmäßig einer vorherigen Abmahnung durch den Kläger oder Antragsteller, wenn er der Kostenfolge des § 93 ZPO nach einem Anerkenntnis entgehen möchte. Im Falle der Durchsetzung eines Besichtigungsanspruchs im Eilverfahren ist eine Abmahnung nicht nur nicht erforderlich, sondern dem Antragsteller sogar unzumutbar, wenn die Gefahr besteht, dass der Antragsgegner aufgrund der Abmahnung eine Besichtigung des betreffenden Gegenstandes durch Veränderung oder Beiseiteschaffen vereiteln würde, und/oder dass die Abmahnung und die entsprechende Fristsetzung so viel Zeit in Anspruch nehmen würde, dass der Gegenstand dem Besichtigungszugriff entzogen würde. Solche Umstände sind vom Verfügungskläger auf den Kostenwiderspruch des Verfügungsbeklagten hin darzulegen (vgl. LG Düsseldorf, InstGE 6, 294 – Walzen-Formgebungsmaschine; InstGE 11, 35 – Abmahnung bei Besichtigungsanspruch).
  26. b.
    Nach diesen Anforderungen verbleibt es bei der ursprünglichen Kostenfolge zulasten der Verfügungsbeklagten.
  27. Schon bei Betrachtung der zeitlichen Abläufe, war der Verfügungsklägerin eine vorangehende Abmahnung nicht zumutbar. Die Verfügungsklägerin hat erst durch ihren Messebesuch Mitte November 2023 eine hinreichende Tatsachengrundlage erhalten, um den Verletzungsvorwurf zu konkretisieren, wie er sich entsprechend aus der Antragsschrift vom 14. November 2023 ergibt. Der Verfügungsklägerin stand daher von vornherein nur die Dauer der Messe bis zum 18. November 2023 offen, um eine Besichtigung anzustrengen. Hierbei muss beachtet werden, dass für die Durchführung der Besichtigung und notfalls der Durchsetzung des Beschlusses Messezeit eingerechnet werden muss, was den für eine Abmahnung zur Verfügung stehenden Zeitraum umso mehr eingrenzt. Insbesondere wäre eine Abmahnung mit nur kurzer Frist nicht tauglich gewesen, da sich die Verfügungsklägerin dann dem Vorwurf ausgesetzt hätte, eine nicht angemessen lange Frist zu setzen. Hinzukommt, dass ein Antragsteller auch die Bearbeitung durch das Gericht mit in seine Zeitplanung einbeziehen muss, obwohl er auf diese keinerlei Einfluss hat und es ohne sein Verschulden zu längeren zeitlichen Abläufen kommen könnte, als sie sich vorliegend tatsächlich ergeben haben und bereits deswegen der Besichtigungserfolg gefährdet ist. Diesem Risiko muss sich der Antragsteller jedenfalls dann nicht aussetzen, wenn er bei einer etwa eine Woche dauernden Messe vor deren Beginn keine ausreichenden Kenntnisse über die Beschaffenheit eines etwaig patentverletzenden Produkts hat.
  28. Einer Abmahnung bedurfte es auch deshalb nicht, weil nicht ausgeschlossen war, dass Veränderungen an der angegriffenen Ausführungsform vorgenommen oder zumindest einzelne Teile vom Messestand entfernt worden wären. Gegen diese Möglichkeit spricht schon nicht die offizielle Vorgabe des Messebetreibers, wann und in welchem Umfang Auf- und Abbauarbeiten stattfinden dürfen. Es mag dabei auch sein, dass die gesamte angegriffene Ausführungsform oder größere Teile dieser nur mit so großem Gerät entfernt werden könnte, was nach dem Interimsschein nicht zulässig gewesen wäre. Zum einen ist aber fraglich, inwieweit sich Aussteller, die einer Besichtigung aus dem Weg gehen wollen, solche Angaben einhalten. Zum anderen und wichtiger ist vorliegend, dass die angegriffene Ausführungsform modular zusammengesetzt ist und kleinere Einzelteile gerade nicht nur mittels großen Geräts wegbewegt werden können, sondern bereits händisch hätten gelöst werden können, wie die Verfügungsklägerin unbestritten dargelegt hat. Die Gefahr der Beseitigung wird auch nicht durch den Verweis der Verfügungsbeklagten auf den angestrebten Erfolg ihres Messestandes sowie des Zugewinns von Kunden ausgeräumt. Denn im Rahmen von Kundengesprächen könnten sämtliche Funktionalitäten der angegriffenen Ausführungsform erläutert und Kunden ergänzend auf Prospektmaterial verwiesen werden, ohne dass es auf vollständig funktionsfähige Gerätschaften vor Ort ankäme – welche dort ohnehin nicht im Betriebsmodus hätten gezeigt werden können.
  29. Die Annahme, dass eine Abmahnung den Besichtigungserfolg hätte vereiteln können, wird außerdem durch das Verhalten der Mitarbeiter der Verfügungsbeklagten auf dem Messestand bestärkt. Die Rechtfertigung der Verfügungsbeklagten der getätigten Äußerung zur Beschaffenheit der ausgestellten angegriffenen Ausführungsform ist nicht plausibel. Gerade wenn die Verfügungsbeklagte den Erfolg ihres Messestandes sicherstellen will, überzeugt es nicht, einen Mitarbeiter ohne hinreichende technische Produktkenntnisse dort zu beschäftigen, dem „versehentlich“ gegenüber der Verfügungsklägerin eine unzutreffende oder zumindest nicht vollständige Angabe unterläuft. Anderweitige positive Kontakte zwischen den Parteien im Rahmen der Messe, weshalb die Verfügungsklägerin von einer einvernehmlichen Besichtigung hätte ausgehen dürfen, sind nicht ersichtlich. Hinzukommt, dass sich die Verfügungsbeklagte selbst im hiesigen Widerspruchsverfahren nicht derart eindeutig positioniert und eine dahingehende Bereitschaft der Verfügungsbeklagten im maßgeblichen Zeitpunkt vor der Besichtigung behauptet.
  30. II.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 6 ZPO und dem Umstand, dass eine im Beschlusswege erlassene Kostengrundentscheidung, der diese Entscheidung gleichsteht, ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar ist.

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