Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3374
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. März 2024, Az. 4c O 36/23
- I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der durch die Verweisung entstandenen Mehrkosten. Letztere trägt die Klägerin.
III. Dieses Urteil ist sowohl für die Klägerin als auch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
- Die Klägerin begehrt die Feststellung der Erledigung der Hauptsache, nachdem sie die Beklagte vormals auf Unterlassung des Anschreibens ihrer Kunden wegen vermeintlicher Verletzung des Europäischen Patents 2 700 XXX B1 in Anspruch genommen hat.
- Die Klägerin ist ein im Jahr 1992 gegründetes Unternehmen, das sich mit der Ausstattung von Friseursalons beschäftigt. Unter anderem stellt sie unter der eingetragenen Marke „A“ auch Friseurcontainer für mobile Anwendungen zur Verfügung.
- Die Beklagte ist Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 700 XXX B1 (im Folgenden EP XXX). Das EP XXX wurde am 08. August 2013 angemeldet. Die Anmeldung wurde am 26. Februar 2014 und der Hinweis auf die Erteilung am 31. August 2016 veröffentlicht. Das EP XXX nimmt eine Priorität vom 23. August 2012 in Anspruch. Es betrifft einen Frisiersalon und ein mobiles Bauwerk für einen solchen.
- Die Beklagte hat, unter anderem mit Schreiben vom 22. September 2022 durch die Patentanwälte B an Frau C, Kunden der Klägerin unter Fristsetzung aufgefordert, mit ihr in Lizenzverhandlungen zu treten, da die Nutzung des von der Klägerin gelieferten Friseurcontainers eine Verletzung des der Beklagten zustehenden EP XXX darstelle.
- Konkret benennt die Beklagte sich als Inhaberin des EP XXX und nennt dessen Lehre nach Anspruch 1 sowie die der Unteransprüche 2, 4, 5 und 6. Im Anschluss schreibt die Beklagte, dass sie einen Betrieb eines nachfolgend im Schreiben angebildeten Frisiersalons durch die angeschriebene Abnehmerin der Klägerin festgestellt hat und dass dieser Frisiersalon von der Klägerin bezogen wurde. Sodann heißt es wörtlich:
- „Seit vielen Jahren versucht unsere Mandantin mit der D GmbH eine Vereinbarung zu treffen, die das Handeln der D GmbH legalisiert. Leider blieben die Versuche erfolglos.
- Die D GmbH vertreibt oder vermietet Friseurcontainer weiterhin unter Verletzung des europäischen Patents und insbesondere seines deutschen Teils Nr. 50 2013 XXX 238. Aus diesem Grunde ist unsere Mandantin leider gezwungen, ihre Rechte in anderer Weise durchzusetzen.
- Die Benutzung eines mobilen Friseursalons mit den im europäischen Patent und seinem deutschen Teil Nr. 50 2013 XXX 238 geschützten Merkmalen, wie sie oben aufgeführt sind, stellt eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents unserer Mandantin dar.“
- Weiter berühmt sich die Beklagte im genannten Schreiben gegenüber dem angeschriebenen Abnehmer Ansprüchen auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Schadensersatz. Im Nachgang wird die Lizenzbereitschaft der Beklagten geschildert und der Abnehmer unter Fristsetzung aufgefordert, die Bereitschaft zum Abschluss eines Lizenzvertrages anzuzeigen.
- Die Klägerin hat mit Datum vom 21. November 2023 Nichtigkeitsklage gegen das EP XXX vor dem Bundespatentgericht erhoben, welche unter dem Aktenzeichen 8 Ni 68/23 (EP) geführt wird.
- Die Klage ist ursprünglich beim Landgericht Berlin anhängig gemacht worden. Die Parteien haben nach Zustellung eine Gerichtsstandsvereinbarung für das Landgericht Düsseldorf abgeschlossen (Bl. 57 d.A.), worauf das Landgericht Berlin den Rechtsstreit nach § 281 Abs. 1 ZPO an das Landgericht Düsseldorf verwiesen hat.
- Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stehe gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch dahingend zu, dass diese es zu unterlassen habe, Kunden der Klägerin mit den im Klageantrag wiedergegebenen Aussagen anzuschreiben.
- Das Schreiben vom 22. September 2022 der Beklagten an eine Abnehmerin der Klägerin, welches die Klägerin als Abnehmerverwarnung erachet, sei unberechtigt, da das zugrunde liegende Schutzrecht nicht rechtsbeständig sei. Die mangelnde Rechtsbeständigkeit des EP XXX trete auch offenkundig zutage, wie sich insbesondere aus der Druckschrift DE 36 11 XXX A1 ergebe.
- Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2024 zu Protokoll erklärt, Verlängerungsgebühren für das EP XXX nicht mehr einzuzahlen sowie aus diesem gegenüber Kunden/Abnehmern der Klägerin keine Ansprüche mehr geltend zu machen. Die Klägerin hat daraufhin die Erledigung der Hauptsache erklärt, der sich die Beklagte nicht angeschlossen hat.
- Die Klägerin beantragt zuletzt,
- wie erkannt.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte ist der Ansicht, ein Anspruch der Klägerin nach UWG wäre jedenfalls verjährt.
- Für einen Anspruch nach § 823 BGB mangele es an einem Verschulden der Beklagten. Hierzu fehle jeglicher Vortrag der Klägerin. Ein Anspruch aus §§ 823 i.V.m. 1004 BGB analog scheide aus. Es fehle insoweit jeglicher Vortrag der Klägerin dazu, dass die im Rahmen der Prüfung eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb notwendige Interessenabwägung zulasten der Beklagten ausfalle.
- Auch trete die mangelnde Patentfähigkeit des EP XXX nicht eindeutig zutage. Vielmehr sei das Schutzrecht rechtsbeständig.
- Im Übrigen wird wegen des weiteren Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2024 verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist begründet.
- Der Klägerin stand im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses ein ihr Begehren tragender Anspruch zu, welcher durch das Ereignis weggefallen ist.
-
I.
Der Klägerin stand ursprünglich ein Anspruch auf Unterlassung gegen die Beklagte wegen drohenden rechtswidrigen Eingriff in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu, § 1004 BGB analog. -
1.
Dem Rechtsinhaber steht ein Unterlassungsanspruch gegenüber zukünftigen Rechtsverletzungen derjenigen Rechte und Rechtsgüter, auf die sich § 823 Abs. 1 BGB erstreckt, zu. Dies ist im Ergebnis anerkannt (statt aller Staudinger/Hager (2017) Vorbemerkung zu §§ 823 ff, Rn. 63; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, Einf v § 823 Rn. 27 ff.; BGH NJW 2008, 2058, 2059 f.; siehe schon RGZ 116, 151, 152 ff. m.w.N. der Rechtsprechung des Reichsgerichts). Die Haftung folgt aus § 1004 BGB analog (vgl. Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl. 2022, § 139 Rn. 231). -
2.
Es drohte vorliegend mit weiteren zukünftigen gleichlautenden Anschreiben von Abnehmern der Klägerin durch die Beklagte ein objektiv widerrechtlicher Eingriff in Rechte der Klägerin. Ein solcher ist Voraussetzung für einen entsprechenden Unterlassungsanspruch (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, Einf v § 823 Rn. 28). Vorliegend betroffen war das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. -
a.
Aussagen, so wie die Beklagte sie mit dem Schreiben vom 22. September 2022 (Bl. 1 ff. Anlagenband Klägervertreter), getätigt hat, stellen einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin dar. - Als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist ein unmittelbarer Eingriff in den betrieblichen Tätigkeitskreis anzusehen, insbesondere, wenn er zur Beeinträchtigung des Betriebs als solchen beziehungsweise einer Bedrohung seiner Grundlagen führt (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, § 823 Rn. 139). Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist im Falle einer Schutzrechtsverwarnung dann anzunehmen, wenn der vermeintlich Berechtigte auf Grundlage eines objektiv unberechtigten gewerblichen Schutzrechtes an den Inhaber des Gewerbebetriebs ein ernsthaftes und endgültiges Unterlassungsbegehren richtet (BGH NJW-RR 1997, 1404; OLG Düsseldorf BeckRS 2011, 2161; BeckOK BGB/Förster, 68. Ed. 1.11.2023, BGB § 823 Rn. 203; BeckOGK/Spindler, 1.12.2023, BGB § 823 Rn. 223). Dabei stellt auch die Abmahnung an Kunden des Inhabers des Gewerbebetriebs einen unmittelbaren Eingriff in den Gewerbebetrieb des Inhabers dar, wenn diese geeignet ist, die Geschäftstätigkeit des Inhabers zu beeinträchtigten (vgl. BGH GRUR 2020, 1116, 1118 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung III; s.a. BGHZ 164, 1 = GRUR 2005, 882 – Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung).
- Zwar stellt das Schreiben vom 22. September 2022 keine Verwarnung als solche dar, da es kein ernsthaftes und unbedingtes Unterlassungsbegehren enthält. Vielmehr kündigt es lediglich bei Nichtbeachtung eine entsprechende Abmahnung an.
- Gemessen an vorstehendem Maßstab stellen jedoch auch die Aussagen, welche die Beklagte im Schreiben vom 22. September 2022 getroffen hat, einen unmittelbaren Eingriff in den betrieblichen Tätigkeitskreis der Klägerin dar.
- Denn ein Anschreiben mit einem solchen Inhalt ist geeignet, die Kundenbeziehung zwischen der Klägerin und ihrem Abnehmer unmittelbar zu beeinflussen. Maßgeblich für die Feststellung eines Eingriffs ist nicht eine formale Differenzierung zwischen Verwarnung und sonstigen Äußerungen, sondern die konkret verwendeten Formulierungen. Die in den Raum gestellte Schutzrechtsverletzung muss vorliegend den Abnehmer befürchten lassen, bei weiterer Nutzung entweder zusätzlich durch Lizenzgebühren finanziell belastet zu werden, oder aber entsprechenden Ansprüchen des Schutzrechtsinhabers ausgesetzt zu werden. Damit liegt es für den Abnehmer ebenso wie bei einer Abmahnung nahe, in Ansehung der Schutzrechtslage auf Konkurrenzprodukte auszuweichen oder jedenfalls entsprechende Leistungen der Klägerin zukünftig nicht mehr abzurufen. Dass die Beklagte entsprechende Ansprüche in den Raum stellt und eine Abmahnung bereits ankündigt, dürfte, insbesondere bei kleineren Betrieben wie vorliegend, ebensolche Auswirkungen auf die Kundenbeziehung der Klägerin haben, wie eine Schutzrechtsverwarnung mit entsprechendem Unterlassungsbegehren.
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b.
Die Wiederholung entsprechender Aussagen gegenüber Abnehmern der Klägerin wäre auch rechtswidrig. - Bei einem Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist die Rechtswidrigkeit im Rahmen einer Interessen- und Güterabwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessensphären Dritter festzustellen (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, § 823 Rn. 137, BeckOGK/Spindler, 1.12.2023, BGB § 823 Rn. 214; MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 823 Rn. 418).
- Dabei kann im Rahmen der Interessenabwägung vorliegend eine mangelnde Rechtsbeständigkeit des EP XXX berücksichtigt werden.
- Eine Rechtswidrigkeit des vorliegenden Eingriffs kann sich insbesondere daraus ergeben, dass das Verwarnungsschutzrecht zum Zeitpunkt des Eingriffs nicht besteht. Da eine Nichtigerklärung eines Patents gegenüber jedermann auf den Zeitpunkt der Anmeldung der Erfindung zurückwirkt (ex tunc, BGH GRUR 2006, 219, 222 Rz. 16 – Detektionseinrichtung II), führt im Falle einer Schutzrechtsverwarnung eine Nichtigerklärung rückwirkend zur Rechtswidrigkeit dieser. Es ist kein legitimes Interesse eines Schutzrechtsinhabers ersichtlich, sich gegenüber Abnehmern eines Wettbewerbers auf die Verletzung eines nicht bestehenden Schutzrechtes zu berufen. Zu beachten ist jedoch, dass die Patenterteilung als rechtsgestaltende Entscheidung ausgestaltet ist. Ein wirksames Patent entsteht auch dann, wenn die Erteilungsvoraussetzungen nicht gegeben waren (statt aller Ann, PatR, 8. Auflage 2022, § 26 Rn. 201). Bis zur Nichtigerklärung besteht ein wirksamer Patentschutz, der rückwirkend beseitigt wird. Für die Beseitigung der Wirkungen des Patents bedarf es einer rechtsgestaltenden Entscheidung (Ann, aaO Rn. 201).
- Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die bloße Vernichtbarkeit eines Schutzrechts grundsätzlich nicht die Rechtswidrigkeit einer entsprechenden Verwarnung begründen kann. Erst die rechtsgestaltende Entscheidung derjenigen Instanz, die zur Entscheidung über den Bestand des Patents berufen ist, beseitigt den Patentschutz rückwirkend. Das zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Schutzrechtsverwarnung berufene Gericht kann, da es nach deutschem Recht nicht rechtsgestaltend die Nichtigkeit des Verwarnungsschutzrechts feststellen kann, die Abmahnung solange nicht als (aus diesem Grund!) rechtswidrig behandeln, wie keine wirksame Nichtigkeitserklärung vorgenommen ist.
- Es ist allerdings auch anerkannt, dass in besonders gelagerten Ausnahmefällen die Geltendmachung eines an sich bestehenden Rechts aufgrund Treu und Glaubens unzulässig sein kann. In Anwendung dieser Grundsätze hat in einer Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Landgericht Frankfurt eine Schutzrechtsverwarnung deshalb als unberechtigt erachtet, weil dem Schutzrechtsinhaber die Geltendmachung als lediglich formale Rechtsposition deswegen verwehrt war, weil das Schutzrecht sich als nicht rechtsbeständig erweisen werde (LG Frankfurt, Mitt. 2014, 30, 33 – ausländische Abnehmerverwarnung; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 16. Aufl. 2024, Kap. C Rn. 149). Ebenso wird eine Berücksichtigung der mangelnden Rechtsbeständigkeit im Kontext der Schutzrechtsverwarnung im Rahmen der für die Rechtswidrigkeit vorzunehmenden Interessenabwägung diskutiert (Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl. 2022, § 139 Rn. 231). Das Landgericht München hat in einer Entscheidung im Eilrechtsschutz ohne dogmatische Verortung offengelassen, ob die Rechtsbeständigkeit eines Schutzrechtes bei der Prüfung einer Schutzrechtsverwarnung Berücksichtigung finden kann (LG München I, Mitt. 2021, 165 – Akkustaubsauger).
- Dabei kann vorliegend offenbleiben, ob bei einer an einen Hersteller gerichteten Abmahnung der Rechtsbestand überhaupt Berücksichtigung finden kann. Jedenfalls bei einer Abnehmerverwarnung und vergleichbaren Eingriffen, die für den Inhaber des Gewerbebetriebs deswegen besonders gefährlich sind (vgl. zur besonderen Gefährlichkeit etwa BGH GRUR 2018, 832, 842 – Ballerinaschuh), kann nach Ansicht der Kammer die Rechtsbeständigkeit dahingehend Berücksichtigung finden, dass ein Vorgehen gegen Abnehmer rechtswidrig ist, wenn der Schutzrechtsinhaber von der Vernichtung seines Schutzrechtes ausgeht, oder sich, bei Kenntnis des einen solchen Schluss rechtfertigenden entgegenstehenden Standes der Technik, einer solchen Erkenntnis bewusst verschließt.
- Gegen eine Berücksichtigung überhaupt spricht zwar die Kompetenzverteilung zwischen Verletzungsgericht und Patentgerichtsbarkeit (Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl. 2022, § 139 Rn. 231; LG München, Mitt. 2021, 165, 170 – Akkustaubsauger). Gleiches gilt für das formal noch bestehende Schutzrecht. Im Falle der rückwirkenden Nichtigerklärung ist allerdings kein legitimes Interesse des vermeintlich Berechtigten erkennbar, sich nicht bestehender Schutzrechte gegenüber Dritten zu berühmen.
- Für eine Berücksichtigung jedenfalls eines eindeutig negativen Rechtsbestandes in Fällen der Inanspruchnahme eines Abnehmers spricht jedoch, dass der Schutzrechtsinhaber mit entsprechendem Vorgehen bis zur Entscheidung über den Rechtsbestand die Kundenbeziehungen des Herstellers, vorliegend der Klägerin, erheblich beschädigen könnte. Denn gerade im Fall des Vorgehens gegen kleinere Abnehmer, die nicht über interne rechtliche Expertise verfügen, dürfte eine umfassende Prüfung des betroffenen Abnehmers mit der patentrechtlichen Schutzlage kaum zu erwarten sein.
- Hinsichtlich des Maßstabes ist eine eindeutig negative Rechtsbestandsprognose zu verlangen (Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl. 2022, § 139 Rn. 231, Kühnen, a.a.O., Kap. C Rn. 149; a.A. LG Frankfurt, Mitt. 2014, 30, 34; vgl. auch LG München, Mitt. 2021, 165, 170).
- Damit ist, da im vorliegenden Fall die Rechtsbestandprognose eindeutig negativ ist (hierzu gesondert unter II.), vorliegend ein Anschreiben der Abnehmer wie im Schreiben vom 22. September 2022 in Kenntnis des entgegenstehenden Standes der Technik als rechtswidrig anzusehen.
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3.
Es drohte bis zu den Äußerungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch eine Wiederholung eines solchen Eingriffs. - Für die Annahme eines Unterlassungsanspruchs bedarf einer objektiven ernstlichen, auf Tatsachen gründenden Besorgnis, dass in Zukunft gegen eine bestimmte Unterlassungspflicht verstoßen wird (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, Einf v § 823 Rn. 29). Hat ein entsprechender rechtswidriger Eingriff bereits stattgefunden, begründet dies für gleichartige Verletzungshandlungen die widerlegbare Vermutung einer Wiederholungsgefahr (vgl. Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, Einf v § 823 Rn. 29). Eine Begehungsgefahr, etwa bei noch nicht begangenen Verletzungshandlungen, ist auch dann anzunehmen, wenn sich der potentielle Gläubiger des Unterlassungsanspruchs des Rechts berühmt, eine bestimmte Handlung vornehmen zu dürfen (BGHZ 117, 264, 271; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, Einf v § 823 Rn. 30).
- Hinsichtlich der oben genannten Aussagen bestand die Gefahr der Begehung. Die Beklagte hat diese Aussage gegenüber Kunden der Klägerin, konkret gegenüber der Adressatin des Schreibens vom 22. September 2022 schon getroffen. Damit ist die widerlegbare Vermutung einer wiederholten Begehung begründet.
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4.
Der geltend gemachte Anspruch war auch nicht verjährt. Die Beklagte hat zwar mit Schriftsatz vom 15. Februar 2024 die Einrede der Verjährung erhoben, § 214 Abs. 1 BGB. Ihr stand aber ein entsprechendes Gestaltungsrecht nicht zu. Ein Fristablauf insoweit kommt allenfalls nach den kürzeren Fristen nach § 11 UWG in Betracht. Die Übertragung des Verjährungsregimes des § 11 UWG ist aber nicht auf die deliktsrechtlichen Ansprüche wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch unberechtige Schutzrechtsverwarnung zu übertragen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 42. Aufl. 2024, UWG § 11 Rn. 1.8). -
5.
Durch Wegfall der Begehungsgefahr in der mündlichen Verhandlung ist Erledigung eingetreten. - Zwar sind grundsätzlich an den Wegfall einer einmal begründeten Wiederholungsgefahr hohe Anforderungen zu stellen. In aller Regel bedarf es einer ernsthaften, hinreichend strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. zu § 1004 BGB BGH NJW 2012, 3781 Rn. 12; BeckOK BGB/Fritzsche, 68. Ed. 1.8.2023, BGB § 1004 Rn. 93; Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, Einf v § 823 Rn. 29). Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ist jedoch keinesfalls immer notwendig, um eine Wiederholungsgefahr auszuräumen (vgl. BeckOGK/Spohnheimer, 1.2.2024, BGB § 1004 Rn. 270.4). Allerdings ist ein Wegfall der Wiederholungsgefahr grundsätzlich nur dann und ausnahmsweise anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, deretwegen nach allgemeiner Erfahrung mit einer Wiederholung nicht gerechnet werden kann (BGH NJW-RR 2001, 485, 487; BGHZ 119, 152, 165; NJW 1996, 988).
- So liegt der Fall hier. Vorliegend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt, für das EP XXX keine Verlängerungsgebühren mehr einzuzahlen und keine entsprechenden Schreiben an Abnehmer der Klägerin zu versehenden. Zwar hat sie kein Strafversprechen abgegeben. Der vorliegende Fall unterscheidet sich indes von einer bloßen Abstandnahme weiterer Rechtsverletzungen oder der Abgabe einer „schlichten“ Unterlassungserklärung. Denn zwischen den Parteien war unstreitig, dass die Nichteinzahlung der Gebühr zum Wegfall des Schutzrechts in allernächster Zeit führt. Zu berücksichtigen ist vorliegend auch, dass die Beklagte soweit ersichtlich nur eine einzige Abnehmerin angeschrieben hat. Aufgrund des Gesamtbildes dieser Umstände ist deswegen nach allgemeiner Erfahrung mit einer Wiederholung nicht zu rechnen.
- II.
- Das EP XXX weist eine eindeutig negative Rechtsbestandsprognose auf, so dass seine Nichtigerklärung im bereits anhängigen Nichtigkeitsverfahren (Az. 8 Ni 68/23 (EP)) zu erwarten ist.
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1.
Das EP XXX betrifft einen Frisiersalon mit wenigstens einem Frisierplatz, der in einem Raum ausgebildet ist, wobei der Raum in einem mobilen Bauwerk angeordnet ist, das mit einem Hebewerkzeug verlagerbar ist. Zudem betrifft die vorliegende Erfindung auch ein mobiles Bauwerk mit einem solchen Frisiersalon und einen öffentlichen Kulturraum mit einem solchen mobilen Bauwerk. - Solche Frisiersalons seien, so das EP XXX aus dem Stand der Technik etwa aus den Schriften US 2006/XXX A1 sowie GB 2 XXX A bekannt (Abs. [0002]).
- Die US 2006/XXX A1 offenbare ein zylinderförmiges Gebäude für einen Frisiersalon, welches nur eine Eingangsöffnung aufweise und ansonsten umfänglich und an der Decke geschlossen sei. Dies sei, so das EP XXX, nachteilig, weil im Inneren des Gebäudes nur unter künstlichem Licht gearbeitet werden könne. Gerade bei Friseurdienstleistungen komme es aber regelmäßig auf die richtigen Lichtverhältnisse an.
- Die GB 2 XXX A offenbare ein mobiles Gebäude, das als Verkaufsstand oder auch als Frisierladen genutzt werden könne. Eine ganze Seite des Gebäudes sei dabei als Zugangsöffnung ausgebildet, die nur außerhalb der Geschäftszeiten geschlossen werde. Nachteilig hieran sei, dass der Kunde während seiner Behandlung nahezu im Freien sitze und öffentlichen Blicken ausgesetzt sei. Dies sei gerade bei aufwändigen Haarbehandlungen mit Lockenwicklern, Alufolien, Farbe etc. und einem damit übergangsweise unvorteilhaften Erscheinungsbild ein Nachteil für Kunden.
- Vor diesem Hintergrund stellt das EP XXX sich die Aufgabe, einen verbesserten Salon für Frisieurdienstleistungen in einem mobilen Bauwerk bereitzustellen, der über einen besseren Zugang zu Tageslicht verfügt.
- Das EP XXX sieht zur Lösung dieser Aufgabe in Anspruch 1 eine Vorrichtung mit den folgenden Merkmalen vor:
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1.1 Frisiersalon (1) mit wenigstens einem Frisierplatz (3)
1.2 Der Frisiersalon (1) ist in einem Raum (5) ausgebildet.
1.3 Der Raum (5) ist in einem mobilen Bauwerk (7) angeordnet.
1.4 Das mobile Bauwerk (7) ist mit einem Hebewerkzeug verlagerbar.
1.5 Das mobile Bauwerk (7) weist wenigstens ein Fenster (13) auf. - Weiter sieht das EP XXX verschiedene nachfolgend wiedergegebene Unteransprüche vor, auf welche sich die Beklagte im Schreiben vom 22. September 2022 ebenfalls gestützt hat.
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2. Frisiersalon nach Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, dass das mobile Bauwerk (7) eine Container-Box ist. -
4. Frisiersalon nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurch gekennzeichnet, dass das mobile Bauwerk (7) wenigstens eine Tür (11) aufweist. -
5. Frisiersalon nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet, dass der Raum (5) einen ersten (3.1) und einen zweiten Frisierplatz (3.2) aufweist. -
6. Frisiersalon nach Anspruch 5,
dadurch gekennzeichnet, dass der erste Frisierplatz (3.1) an einer Wand (15) des Raumes (5) angeordnet ist und der zweite Frisierplatz (3.2) an einer der ersten Wand (15) entgegengesetzten zweiten Wand des Raumes (5) angeordnet ist. -
2.
Die erfindungsgemäße Lehre beansprucht einen Raum, der in einem mobilen Bauwerk angeordnet ist (Merkmal 1.3). Das mobile Bauwerk ist dabei ein Container oder ähnliches, aber kein Wohnwagen. - Hierfür spricht die allgemeinsprachliche Bedeutung des Merkmals Bauwerk, das im Gegensatz zu einem Wagen eine gewisse Ortsbeständigkeit ausdrückt. Zwar kann ein Bauwerk auch bewegt werden, weswegen auch die Beschreibung als mobil, die das EP XXX verwendet, sprachlich ohne weiteres möglich ist. Allerdings ist die Verlagerung bei einem Wagen ohne weiteres und ohne Hilfsmittel möglich. Ein Wohnwagen kann etwa geschoben werden, um ihn bestimmungsgemäß auf seinen Rädern zu transportieren. Ein Bauwerk ist nicht ohne weiteres transportiertbar. Als Beispiel für ein mobiles Bauwerk nennt die Patentbeschreibung eine Container-Box. Diese erachtet das EP XXX (Abs. [0007], Hervorhebung diesseits) nur als Beispiel für ein mobiles Bauwerk. Dies ergibt sich aus Abs. [0011] („das mobile Bauwerk 7, wie zum Beispiel die Container-Box,“) sowie der ansonsten eindeutig erfolgenden Differenzierung zwischen mobilem Bauwerk und Containerbox im Anspruch sowie der Beschreibung. Bestätigt wird dieses Verständnis dadurch, dass Unteranspruch 2 als einziges weiteres Differenzierungskriterium die Ausgestaltung des mobilen Bauwerks als Container-Box vorsieht.
- Das mobile Bauwerk ist nach der erfindungsgemäßen Lehre mit einem Hebewerkzeug verlagerbar (Merkmal 1.4). Eine nähere Ausgestaltung des Hebewerkzeugs oder der Verlagerbarkeit nimmt weder der Anspruch noch die Beschreibung des EP XXX vor. In Abs. [0007] erläutert das Klagepatent lediglich, dass eine bestimmte Ausgestaltung des mobilen Bauwerks vorteilhaft ist, bei der standardmäßige Hebewerkzeuge eingesetzt werden können. Ein mobiles Bauwerk, verwirklicht durch eine Containerbox, kann Anschlussstellen für ein Hebewerkzeug aufweisen, um die Box anzuheben und zu versetzen (Abs. [0010]). Der Fachmann erachtet deswegen jede Art der Verlagerbarkeit als der Lehre des EP XXX gemäß und die konkrete Ausgestaltung in sein Belieben gestellt.
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3.
Das EP XXX wird sich angesichts des vorgelegten Standes der Technik jedenfalls hinsichtlich des geltend gemachten Teils als nicht rechtsbeständig erweisen. - Die Kammer erachtet die vorgelegten Druckschriften D1 und D12 zwar entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als neuheitsschädlich, aber als einer erfinderischen Tätigkeit entgegenstehend. Die weiteren als Stand der Technik vorgelegten Unterlagen bedürfen vor diesem Hintergrund keiner Erörterung, wobei anzumerken ist, dass die D3 und D4 bereits deswegen nicht berücksichtigungsfähig waren, weil die Klägerin diese entgegen § 184 GVG nicht in deutscher Sprache vorgelegt hat. In der prozessleitenden Verfügung vom 24. März 2023 wurde ausdrücklich auf die Notwendigkeit der Übersetzung fremdsprachiger Unterlagen hingewiesen.
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a.
Die D1 steht zwar nicht der Neuheit, aber der erfinderischen Tätigkeit der Lehre des Klagepatents entgegen. -
aa.
Die D1 ist eine am 08. Oktober 1987 und damit vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagepatents offengelegte Schrift. Sie offenbart einen transportierbaren Container in Quaderform, der mindestens einen von Menschen betretbaren, Tür und Fenster aufweisenden Raum bildet, der für verschiedenste Zwecke, insbesondere als Werkstatt oder für medizinische Zwecke verwendbar ist. - (Figur 1 der D1, Bl. 34 d. Anlagenbandes Klägerin)
- Der vorstehend gezeigte Container ist dabei für die unterschiedlichsten Bereiche einsetzbar (Sp. 5 Z. 15 ff.). Im gezeigten Beispiel ist er als Zahnarztpraxis eingerichtet. Der Container weist an der rückwärtigen Stirnseite 2 eine Eingangstür 3 auf, die zu einem Vorraum 4 führt, der durch eine Schrankwand 5 von einem zahnmedizinischen Behandlungsraum 6 getrennt ist. Im Behandlungsraum 6 steht ein Behandlungsstuhl mit den dazugehörigen Geräten. An dem Behandlungsraum 6 schließt sich ein Vorbereitungsraum an, der auch als Küche nutzbar ist und dahinter folgt ein Laborraum 8. Im vordersten Bereich des Containers befindet sich ein Maschinenraum 9.
- Die Fenster des Containers sind verhältnismäßig groß ausgeführt, so dass sehr viel natürliches Licht in das Innere des Containers gelangt (Sp. 6 Z. 47 ff.).
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bb.
Damit nimmt die D1 die Lehre des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg. - Es fehlt jedenfalls an der Verwirklichung von Merkmal 1.1. Der offenbarte Container weist keinen Frisierplatz auf. Das Vorhandensein eines Frisierplatzes wird nicht durch den beschriebenen Behandlungsstuhl für zahnmedizinische Behandlungen offenbart, da es sich um unterschiedliche Tätigkeiten handelt. Ein zahnmedizinischer Behandlungsstuhl unterscheidet sich bereits in seinem technischen Aufbau erheblich von einem Frisierstuhl. Auch die Eignung des Containers für „unterschiedlichste Bereiche“ offenbart jedenfalls nicht das Vorhandensein eines Frisierplatzes. Selbst wenn man hierunter Friseurdienstleistungen fassen sollte, offenbart dies jedenfalls nicht eine konkrete Ausgestaltung des Containers.
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cc.
Indessen beruht die Lehre des EP XXX gegenüber der D1 nicht auf einem erfinderischen Schritt. - Entscheidend für die Frage, ob eine konkrete Erfindung für den Fachmann ausgehend vom Stand der Technik naheliegend ist, sind (1) der konkrete Stand der Technik, (2) der hinsichtlich der Erfindung einschlägige Fachmann und (3) dessen Können auf Grund seines Fachwissens (Schulte/Moufang, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 Rn. 8). Der maßgebliche Stand der Technik bestimmt sich nach § 3 Abs. 1 PatG. Der Fachmann ist für jeden konkreten Einzelfall zu bestimmen und entspricht – als fiktiver Durchschnittsfachmann – einem normalen Sachverständigen, der auf dem Gebiet der Erfindung tätig ist und über durchschnittliche Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten verfügt (Schulte/Moufang, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 Rn. 43). Einschlägiger Fachmann ist dabei derjenige des technischen Gebiets, auf dem die Erfindung liegt. Auszugehen ist also von demjenigen Fachmann, dem üblicherweise die Lösung der gestellten Aufgabe übertragen wird (Schulte/Moufang, aaO, Rn. 52). Maßgeblicher Zeitpunkt für die erfinderische Tätigkeit ist der Prioritätstag, der Fachmann muss sich also bei der Beurteilung in den Wissensstand dieses Tages zurückversetzen und ausgehend von diesem Tag sind die Fähigkeiten und Kenntnisse des Fachmanns zu bestimmten (BeckOK PatR/Einsele, 28. Ed. 15.4.2023, PatG § 4 Rn. 6; Schulte/Moufang, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 Rn. 23).
- Der Fachmann besitzt dabei zunächst Kenntnis des gesamten Standes der Technik seines Fachgebiets (Schulte/Moufang, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 Rn. 47). Weiter verfügt der Fachmann über Fachwissen, das ihn als Fachmann auf seinem Gebiet ausweist und ihn befähigt, seinen Fachbereich weiter zu entwickeln (Moufang, aaO, Rn. 48). Zudem verfügt der Fachmann über technisches Allgemeinwissen, über das jeder Techniker verfügt (Schulte/Moufang, aaO, Rn. 49). Dem Fachmann werden auch Kenntnisse auf Nachbargebieten und auf übergeordneten allgemeinen technischen Gebieten (sowie die Fähigkeiten eines etwa zuzuziehenden weiteren Fachmanns) zugerechnet, wenn die Art der Aufgabe der Erfindung dem zuständigen Fachmann eine entsprechende Orientierung nahe legt (Schulte/Moufang, aaO, Rn. 50).
- Auszugehen ist bei der Prüfung des Naheliegens einer Erfindung von einer sich dem Fachmann stellenden Aufgabe. Diese ist dabei nicht die Fragestellung, die der Entwicklung der jeweiligen Lehre subjektiv zugrunde liegen mag, sondern das technische Problem, das für den Fachmann erkennbar durch die Erfindung tatsächlich gemeistert wird (Schulte/Moufang, Patentgesetz, 11. Aufl., § 4 Rn. 33). Das durch die Erfindung konkret gemeisterte technische Problem stellt sich vorliegend als Verbesserung eines in einem mobilen Bauwerk angeordneten Frisiersalons dar, wie durch den Hauptanspruch 1 und die Unteransprüche 2, 4, 5 und 6 ausgestaltet.
- Für den Fachmann bestand zunächst Anlass, ausgehend von der D1 eine Lösung für die vorstehende Aufgabe zu suchen. Die D1 offenbart einen transportierbaren Container in Quaderform, der mindestens einen von Menschen betretbaren, Tür und Fenster aufweisenden Raum bildet, der für verschiedenste Zwecke, insbesondere als Werkstatt oder für medizinische Zwecke verwendbar ist. Die Lehre des Anspruchs 1 des EP XXX stellt sich objektiv die Aufgabe, einen verbesserten Salon für Frisieurdienstleistungen in einem mobilen Bauwerk bereitzustellen, der über einen besseren Zugang zu Tageslicht verfügt. Dabei ist das mobile Bauwerk bevorzugt ein Container. Der Fachmann würde ausgehend von dieser Aufgabe andere für entsprechende Tätigkeiten vorgeschlagene mobile Bauwerke, insbesondere Container, heranziehen. Damit würde der Fachmann auch die D1 heranziehen.
- Die D1 offenbart einen Container, der Fenster aufweist und der als Werkstatt oder für medizinische Zwecke verwendet werden kann. Dem Fachmann ist geläufig, dass für Werkstätten und medizinische Zwecke eingerichtete Räume je nach der konkreten Ausstattung für unterschiedlichste Tätigkeiten geeignet sind. Er würde deshalb die Verwendung des in der D1 offenbarten Containers auch für Friseurdienstleistungen in Erwägung ziehen. Hierzu ist es erforderlich, einen Frisierplatz einzurichten. Der Fachmann würde die vorhandene handwerkliche oder medizinische Austattung entsprechend ersetzen oder umfunktionieren, um zur Ausgestaltung eines Frisierplatzes zu gelangen. Eine erfinderische Tätigkeit der Lehre des EP XXX ist damit ausgehend von der D1 hinsichtlich des Anspruchs 1 nicht gegeben.
- Gleiches gilt für den Unteranspruch 2, da die D1 bereits eine Containerbox offenbart, sowie für Unteranspruch 4, da auch eine Tür, konkret die Eingangstür 3, offenbart ist. Auch der Gehalt der Unteransprüche 5 und 6, als die Ausbildung von zwei Frisierplätzen nebst entsprechender Anordnung ist für den Fachmann naheliegend, jedenfalls aber auch aufgrund der nachfolgend geschilderten D12 nicht erfinderisch.
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b.
Auch die D12 steht zwar nicht der Neuheit, aber der erfinderischen Tätigkeit der Lehre des Klagepatents entgegen. -
aa.
Die D12 ist eine auf den 19. bzw. 18. September 1967 datierte Gebrauchsmusteranmeldung. Sie offenbart einen in seinem vorderen Teil als Wohnwagen eingerichteten Anhänger, vorzugsweise für Zugmaschinen, der im hinteren Teil als Friseursalon eingerichtet ist. - (Figuren 1 und 2 der D12, Bl. 102 d. Anlagenbandes Klägerin)
- D 12 offenbart dabei die Ausgestaltung der zum Waschen und Behandeln der Haare erforderlichen Becken als Eckwaschbecken, wobei der Spiegel für den Kunden klappbar ausgeführt ist. Hierdurch wird Platz gespart und es besteht die Möglichkeit, trotz beengter Verhältnisse im Wohnwagen mehrere Frisierplätze zu schaffen.
- Die Figuren 1 und 2 zeigen einen solchen Wohnwagen. Durch Einbauschrankwände 8 und dazwischen angeordnete Türen 9 ist der Wohnteil 2 vom Friseursalon für Herren 11 abgeteilt, in dessen vorderen Ecken zwei Eckwaschbecken 12 eingebaut sind. Über den Waschbecken sind Schwenkspiegel 13 angeordnet, die bei Gebrauch des Waschbeckens 12 um die Scharniere 14 gegen die Wand klappbar sind.
- Als Friseurstühle 15 dienen die üblichen in den Friseursalons benutzten Spezialstühle. Für wartende Herren sind zwei Sitzstühle 17 vorgesehen. Eine Trennwand 16 dient als Schutz beim Öffnen der Eingangstür 10.
- Der Damensalon ist wiederum durch Schrankwände 18 und einen Vorhang 19 vom Herrensalon getrennt. Zwei Stuhle 17 dienen als Sitzgelegenheit für wartende Damen, drei weitere Stühle 17 als Sitzgelegenheit für die zu behandelnden Damen. Auch hier sind die Waschbecken 12 in den Ecken angeordnet und darüber Klappspiegel 13 angebracht, die ebenfalls um die Scharniere 14 zur Seite klappbar sind. Weiter übliche Behandlungsgeräte wie Hauben usw. sind nicht eingezeichnet, da sie ortsbeweglich sind, werden aber in der Beschreibung genannt. Durch Fenster 20 und 21 kann genügend Licht in die Räume einfallen.
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bb.
Damit nimmt die D12 die Lehre des Klagepatents nicht neuheitsschädlich vorweg. - Die D12 offenbart einen Frisiersalon mit wenigstens einem Frisierplatz (Merkmal 1.1). Der Frisiersalon ist in einem Raum ausgebildet (Merkmal 1.2). Nicht offenbart ist hingegen Merkmal 1.3. Der Raum ist in einem als Wohnwagen eingerichteten Anhänger für ein Kraftfahrzeug eingerichtet. Ein solches lässt sich ohne Anhaltspunkte hierfür in der Beschreibung des EP XXX nicht als mobiles Bauwerk bezeichnen. Verwirklicht wären hingegen die weiteren Merkmale 1.4 und 1.5. Der Wohnwagen ist, auch wenn dies in der Praxis unüblich sein dürfte, jedenfalls mit einem Hebewerkzeug verlagerbar und weist auch wenigstens ein Fenster auf.
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cc.
Entsprechend dem oben dargestellten Maßstab gelangt der Fachmann ausgehend von der D12 in nicht erfinderischer Weise zur Lehre des EP XXX. - Für den Fachmann bestand Anlass, ausgehend von der D12 eine Lösung für die vorstehende Aufgabe zu suchen. Die D12 offenbart einen Anhänger der in seinem hinteren Teil als Friseursalon eingerichtet ist.
- Die Lehre des Anspruchs 1 des EP XXX stellt sich objektiv die Aufgabe, einen verbesserten Salon für Frisieurdienstleistungen in einem mobilen Bauwerk bereitzustellen, der über einen besseren Zugang zu Tageslicht verfügt. Dabei ist das mobile Bauwerk bevorzugt ein Container. Der Fachmann würde ausgehend von dieser Aufgabe andere vorgeschlagene Konstruktionsweisen für mobile Friseursalons, darunter auch die D12, heranziehen.
- Der Fachmann würde sodann die Ausgestaltung des Anhängers auf ein mobiles Bauwerk, etwa einen Container, übertragen. Durch die Übertragung auf ein mobiles Bauwerk würde er auch zu einer Ausgestaltung des mobilen Bauwerks gelangen, die mit einem Hebewerkzeug verlagerbar ist. Damit würde der Fachmann ausgehend von der D12 in nicht erfinderischer Weise zur Lehre des EP XXX gelangen.
- Damit ist auch die Ausgestaltung des mobilen Bauwerks als Containerbox nach Unteranspruch 2 umfasst. Der von D12 offenbarte Anhänger weist auch eine Tür auf, vorliegend mit „Friseur“ beschriftet, und offenbart damit auch Unteranspruch 4. Entsprechend Unteranspruch 5 sind auch zwei Frisierplätze vorhanden. Diese sind auch wie von Unteranspruch 6 beansprucht jeweils gegenüber an den Wänden verortet. Dabei kann offenbleiben, ob die Anordnung im Schnittpunkt von zwei Wänden, also in einer Ecke, als Anordnung an einer Wand zu verstehen ist, da eine entsprechende Ausgestaltung der Frisierplätze jedenfalls für den Fachmann naheliegend ist.
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c.
Damit besteht im Ergebnis eine eindeutig negative Prognose für den Rechtsbestand des EP XXX. Das angegriffene Schutzrecht wird sich aufgrund des im Nichtigkeitsverfahrens geltend gemachten entgegenstehenden Standes der Technik, konkret jedenfalls der Druckschriften D1 und D12, hinsichtlich des im Schreiben vom 22. September 2022 geltend gemachten Teils als nicht rechtsbeständig erweisen. - IV.
- Die Entscheidung über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 281 Abs. 3 S. 2, 709 S. 1, S. 2 ZPO.
- Der Streitwert wird auf 150.000,00 EUR festgesetzt, §§ 48 GKG, 3 ZPO.
