4b O 82/23 – Rotierende Pumpe

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3366

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 23. Mai 2024, Az. 4b O 82/23

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
    1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer oder ihrer Geschäftsführerin zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    rotierende Pumpen mit wenigstens einem angetriebenen Förderelement, welches in einem vom zu fördernden Produkt durchströmten Produktraum angeordnet ist und mittels einer von außen in den Produktraum hineinragenden Welle angetrieben wird, wobei die Welle gegen eine Wandung des Produktraums abgedichtet ist, und wobei die Abdichtung als produktseitig zu montierende Gleitringdichtung ausgeführt ist und eine formschlüssige Lagesicherung umfasst, um ein Verdrehen der Gleitringdichtung sowie ein Verschieben der Gleitringdichtung in Richtung des Produktraums zu verhindern,
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    wobei die Lagesicherung ein senkrecht zu einer Achsrichtung der Welle durch die Wandung verlaufendes Sicherungselement umfasst, wobei das Sicherungselement einen durch eine Bohrung der Wandung geführten Stift umfasst, die Bohrung an einem von der Dichtung entfernten Ende einen vergrößerten Durchmesser aufweist und mit einem Innengewinde versehen ist, und der Stift an einem von der Dichtung entfernten Ende einen Dichtkopf aufweist und in die Bohrung eingeschraubt ist;
    2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 25.09.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
    a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
    wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
    3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 25.09.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe:
    a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
    4. die unter 1. bezeichneten, seit dem 25.08.2021 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern schriftlich unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
    II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
    1. der Klägerin für die vorstehend zu I. 1. bezeichneten und in der Zeit vom 20.06.2020 bis zum 24.09.2021 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
    2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 25.09.2021 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
    III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    IV. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
    V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 EUR.
  2. Tatbestand
  3. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 3 653 XXX B1 (Anlage K14; im Folgenden: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie Rückruf, Bekanntmachung des Urteils und Feststellung ihrer Verpflichtung zur Entschädigungszahlung und zum Schadensersatz in Anspruch.
    Die Klägerin ist im Register des Deutschen Patent- und Markenamts als Inhaberin des Klagepatents eingetragen. Das Klagepatent wurde am XXX angemeldet und nimmt eine deutsche Priorität vom XXX in Anspruch. Die Anmeldung wurde am XXX veröffentlicht und die Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung erfolgte am XXX. Das Klagepatent steht in Kraft.
    Das Klagepatent betrifft eine rotierende Pumpe mit Gleitringdichtung.
    Die Klägerin stützt ihre Klage auf Anspruch 1 des Klagepatents, der lautet wie folgt:
    Rotierende Pumpe mit wenigstens einem angetriebenen Förderelement (10, 11), welches in einem vom zu fördernden Produkt durchströmten Produktraum angeordnet ist und mittels einer von außen in den Produktraum hineinragenden Welle (12, 13) angetrieben wird, wobei die Welle (12, 13) gegen eine Wandung (50) des Produktraums abgedichtet ist, und wobei die Abdichtung als produktseitig zu montierende Gleitringdichtung (51 ,52) ausgeführt ist und eine formschlüssige Lagesicherung umfasst, um ein Verdrehen der Gleitringdichtung (51, 52) sowie ein Verschieben der Gleitringdichtung (51, 52) in Richtung des Produktraums zu verhindern, dadurch gekennzeichnet, dass die Lagesicherung ein senkrecht zu einer Achsrichtung der Welle (12, 13) durch die Wandung (50) verlaufendes Sicherungselement (61) umfasst, wobei das Sicherungselement (61) einen durch eine Bohrung (63) der Wandung (50) geführten Stift (62) umfasst, die Bohrung (63) an einem von der Dichtung entfernten Ende einen vergrößerten Durchmesser aufweist und mit einem Innengewinde (64) versehen ist, und der Stift (62) mit einem von der Dichtung entfernten Ende in einer Dichtschraube (65) aufgenommen ist, welche in die Bohrung (63) eingeschraubt ist.
    Die nachfolgend wiedergegebene Figur 2 des Klagepatents zeigt eine horizontale Schnittdarstellung einer erfindungsgemäßen Pumpe:
  4. Die Beklagte hat ihren Sitz in XXX und vertreibt Verdrängerpumpen unter der Bezeichnung „A“ (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die angegriffene Ausführungsform wird von der Beklagten auf ihrer englischsprachigen Website www.B.com beworben und über einen Distributor auch in der Bundesrepublik Deutschland angeboten. Die Beklagte präsentierte zudem ein Schnittmodell der angegriffenen Ausführungsform auf den Fachmessen „C“ in XXX, die vom XXX stattfand, und auf der „D“ in XXX, die vom XXX stattfand.
    Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um eine einflutige Schraubenspindelpumpe mit zwei Verdrängerkörpern, die in einem von dem zu fördernden Produkt durchflossenen Produktabschnitt A angeordnet sind und die jeweils auf Wellen befestigt sind, welche in einem außerhalb des Produktabschnitts angeordneten Getriebeabschnitt B gelagert und innerhalb dieses Getriebeschnitts durch ein Synchrongetriebe gekoppelt sind, wobei eine der beiden Wellen in einem außerhalb des Getriebeabschnitts angeordneten Wellenabschnitt C extern mit einem Antrieb verbindbar ist. Die im nachfolgenden eingefügte Abbildung zeigt eine von der Klägerin bearbeitete Fotografie eines Schnittmodells der angegriffenen Ausführungsform:
  5. Das Sicherungselement der angegriffenen Ausführungsform ist aus einem Stück gefertigt und weist einen Stift und einen im Durchmesser vergrößerten Dichtkopf auf.
    Nachfolgend ist das Sicherungselement in einer 3D-Darstellung gezeigt:
  6. Die Klägerin wendet sich gegen Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte.
    Die Klägerin trägt vor, dass eine wortsinngemäße Verletzung durch die angegriffene Ausführungsform nicht vorliege, jedoch verletze diese das Klagepatent mit dem aus einem einteiligen Aufbau bestehenden Sicherungselement in äquivalenter Weise.
    Die technische Gleichwirkung ergebe sich aus dem Umstand, dass der einteilig mit einem Dichtkopf ausgeführte Stift die Gleitringdichtung in technisch objektiv gleichwirkender Weise als eine formschlüssige Lagesicherung gegen ein Verdrehen sowie ein Verschieben sichere, wobei er ebenfalls senkrecht zur Achsrichtung der Welle durch die Wandung verlaufe. Hierbei sei er im Sinne der klagepatentgemäßen Erfindung durch Einschrauben lösbar in der Bohrung arretiert und übe gleichzeitig ebenfalls eine dichtende Funktion aus. Eine einteilige Ausführung sei technisch genauso vorteilhaft wie eine zweiteilige Ausführung. So könne die Länge des Stifts gleichermaßen an die konkreten Bedingungen angepasst werden und biete die gleichen Vorteile bei der Montage. Zudem verstehe sich für den Fachmann von selbst, dass auch bei der wortsinngemäßen zweiteiligen Ausführung des Sicherungselements Stift und Dichtschraube so miteinander verbunden seien, dass sie gemeinsam in einem Arbeitsgang in die Bohrung eingeschraubt und auch wieder aus dieser entnommen werden können.
    Die angegriffene Ausführung sei für den Fachmann ausgehend von der technischen Lehre des Klagepatentanspruchs auch als gleichwirkend auffindbar gewesen, weil es ausgehend von der Lehre des Klagepatentanspruchs und der Funktionsweise von Stift und Dichtschraube naheliegend sei, den Stift und die Dichtschraube als ein gemeinsames Bauteil auszuführen. Da der Fachmann grundsätzlich bestrebt sei, möglichst kostengünstig durch Verwendung weniger Teile zu bauen, habe diese Form der Umsetzung für den Fachmann ausgehend vom Klagepatentanspruch nahegelegen. Bei einteiliger Ausführung von Stift und Schraube wisse der Fachmann zudem, dass er hinsichtlich der axialen Anordnung des Gewindes über die Strecke der Bohrung frei sei, weil der Stift nicht am Ende der Bohrung durch die Dichtschraube gesichert werden müsse. Die axiale Sicherung des einteiligen Sicherungselements könne stattdessen an einer beliebigen Stelle der Bohrung erfolgen. Die Lage des Dichtkopfes ergebe sich dann zwangsläufig, denn die Dichtfunktion erfordere eine glatte innere Oberfläche der Bohrung und das Innengewinde könne nur direkt anschließend an eine Stufe im Innendurchmesser angebracht werden.
    Schließlich könne sich der Fachmann die angegriffene Ausführungsform aufgrund von am Klagepatentanspruch orientierten Überlegungen als gleichwertige Lösung erschließen.
  7. Die Klägerin beantragt,
    I. die Beklagte zu verurteilen,
    1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer oder ihrer Geschäftsführerin zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    rotierende Pumpen mit wenigstens einem angetriebenen Förderelement, welches in einem vom zu fördernden Produkt durchströmten Produktraum angeordnet ist und mittels einer von außen in den Produktraum hineinragenden Welle angetrieben wird, wobei die Welle gegen eine Wandung des Produktraums abgedichtet ist, und wobei die Abdichtung als produktseitig zu montierende Gleitringdichtung ausgeführt ist und eine formschlüssige Lagesicherung umfasst, um ein Verdrehen der Gleitringdichtung sowie ein Verschieben der Gleitringdichtung in Richtung des Produktraums zu verhindern,
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    wobei die Lagesicherung ein senkrecht zu einer Achsrichtung der Welle durch die Wandung verlaufendes Sicherungselement umfasst, wobei das Sicherungselement einen durch eine Bohrung der Wandung geführten Stift umfasst, die Bohrung an einem von der Dichtung entfernten Ende – hilfsweise: an einem von der Dichtung beabstandeten Abschnitt – einen vergrößerten Durchmesser aufweist und mit einem Innengewinde versehen ist, und der Stift an einem von der Dichtung entfernten Ende einen Dichtkopf aufweist und in die Bohrung eingeschraubt ist;
    2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 25.09.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe
    a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
    wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
    3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 25.09.2021 begangen hat, und zwar unter Angabe:
    a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
    4. die unter 1. bezeichneten, seit dem 25.08.2021 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern schriftlich unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen, und
    II. der Klägerin zu gestatten, Urteilskopf und Urteilstenor des Urteils vom … (AZ: …) sowie eine Abbildung des Schnittmodells der Beklagten auf Kosten der Beklagten durch eine in jeweils zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschriften
    1. „E“ des F GmbH, XXX, XXX,
    und
    2. „G“ des F GmbH, XXX, XXX,
    erscheinende Anzeige öffentlich bekannt zu machen;
    III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
    1. der Klägerin für die vorstehend zu I. 1 bezeichneten und in der Zeit vom 20.06.2020 bis zum 24.09.2021 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
    2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 25.09.2021 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
    hilfsweise
    I. die Beklagte zu verurteilen,
    1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250 000 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem Geschäftsführer oder ihrer Geschäftsführerin zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    rotierende Pumpen mit wenigstens einem angetriebenen Förderelement, welches in einem vom zu fördernden Produkt durchströmten Produktraum angeordnet ist und mittels einer von außen in den Produktraum hineinragenden Welle angetrieben wird, wobei die Welle gegen eine stirnseitige Wandung des Produktraums abgedichtet ist, und wobei die Abdichtung als produktseitig zu montierende Gleitringdichtung ausgeführt ist und eine formschlüssige Lagesicherung umfasst, um ein Verdrehen der Gleitringdichtung sowie ein Verschieben der Gleitringdichtung in Richtung des Produktraums zu verhindern,
    in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
    wobei die Lagesicherung ein in etwa senkrecht zu einer Achsrichtung der Welle durch die stirnseitige Wandung des Produktraums verlaufendes Sicherungselement umfasst;
    2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 01.10.2023 begangen hat, und zwar unter Angabe
    a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
    wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
    3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 01.10.2023 begangen hat, und zwar unter Angabe:
    a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
    b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
    wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
    4. die unter 1. bezeichneten, seit dem 31.08.2023 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern schriftlich unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
    II. der Klägerin zu gestatten, Urteilskopf und Urteilstenor des Urteils vom … (AZ: …) sowie eine Abbildung des Schnittmodells der Beklagten auf Kosten der Beklagten durch eine in jeweils zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben der Zeitschriften
    1. „E“ des F GmbH, XXX, XXX, und
    2. „G“ des F GmbH, XXX, XXX,
    erscheinende Anzeige öffentlich bekannt zu machen;
    III. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
    1. der Klägerin für die vorstehend zu I. 1 bezeichneten und in der Zeit vom 20.06.2020 bis zum 30.09.2023 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
    2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 01.10.2023 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  8. Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
  9. Die Beklagte meint, dass die erfindungsgemäße Lagesicherung ein Gewinde im Bereich des vergrößerten Durchmessers, also im Bereich des von der Dichtung entfernten Endes, vorsehe. Es sei nicht ausreichend, wenn das Innengewinde an irgendeiner Stelle der Bohrung vorliege. Weiterhin gehe aus dem Anspruchswortlaut hervor, dass die Dichtschraube einen gegenüber dem Stift vergrößerten Durchmesser aufweisen müsse, damit der Stift in der Dichtschraube aufgenommen werden könne. Da die Dichtschraube in die Bohrung eingeschraubt werden solle, ergebe sich daraus, dass auch das Innengewinde im Bereich des vergrößerten Durchmessers liegen müsse.
    Die angegriffene Ausführungsform unterscheide sich von der erfindungsgemäßen Lehre nicht nur durch die einteilige Ausführung, sondern auch dadurch, dass das Innengewinde nicht im Bereich des vergrößerten Durchmessers der Bohrung vorgesehen sei, sondern vielmehr im Bereich des Stifts. Daher werde das Sicherungselement auch nicht im Bereich des Dichtkopfes, sondern im Bereich des Stifts in die Bohrung eingeschraubt.
    Außerdem sehe die angegriffene Ausführungsform statt einer Dichtschraube einen Dichtkopf vor; wobei dieser zusammen mit dem Stift ein gemeinsames Bauteil bilde und sich auch dadurch von der erfindungsgemäßen Lehre unterscheide.
    Die Beklagte meint, dass die angegriffene Ausführungsform die erfindungsgemäße Lehre nicht mit äquivalenten Mitteln verwirkliche.
    Sie ist der Ansicht, dass die erfindungsgemäße Lehre nicht nur zu einer einfachen Fixierung des Stifts in der Bohrung und eine Abdichtung der Bohrung gegen die Umgebung führe, sondern durch die zweiteilige Ausbildung von Dichtschraube und Stift die Möglichkeit bestehe, unterschiedliche Stifte zu verwenden, deren Länge an bestimmte Gleitringdichtungen angepasst sei. Wenn der Stift nur lose in der Dichtschraube eingesteckt sei, könne er zudem im Falle von Verschleiß problemlos ausgetauscht werden, ohne dass das gesamte Sicherungselement ersetzt werden müsste.
    Demgegenüber erfordere die einteilige Ausbildung der angegriffenen Ausführungsform bei der Montage zunächst eine exakt fluchtende Ausrichtung der Bohrung mit der Ausnehmung in der stationären Hülse, während bei der zweiteiligen Ausbildung von Stift und Dichtschraube die Ausrichtung wesentlich erleichtert sei.
    Auf der anderen Seite ergebe sich bei der angegriffenen Ausführungsform eine kürzere Strecke zwischen Gewinde und Gleitringdichtung, was zu einer besseren Zentrierung und Positionsstabilität des Stiftes führe.
    Die Beklagte meint, dass die abgewandelten Mittel der angegriffenen Ausführungsform für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt des Klagepatents nicht ohne besondere Überlegungen aufgrund seines Fachwissens auffindbar gewesen seien. Der Fachmann hätte die mit der zweiteiligen Ausbildung verbundenen Vorteile nicht zu Gunsten einer einteiligen Ausbildung aufgegeben.
    Auch hätte er die angegriffene Ausführungsform nicht als zu der erfindungsgemäßen Lehre gleichwertige Lösung in Betracht gezogen.
  10. Entscheidungsgründe
  11. Der Klägerin stehen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf der Erzeugnisse sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung einer Entschädigung dem Grunde nach aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG, §§ 242, 259 BGB zu. Der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Urteilsbekanntmachung nach § 140e PatG ist nicht gegeben.
  12. I.
    Die Erfindung betrifft eine rotierende Pumpe mit wenigstens einem angetriebenen Förderelement, welches in einem vom zu fördernden Produkt durchströmten Produktraum angeordnet ist und mittels einer von außen in den Produktraum hineinragenden Welle angetrieben wird, und wobei die Welle gegen eine Wandung des Produktraums abgedichtet ist, wobei die Abdichtung als produktseitig zu montierende Gleitringdichtung ausgeführt ist und eine formschlüssige Lagesicherung umfasst, um ein Verdrehen der Gleitringdichtung sowie ein Verschieben der Gleitringdichtung in Richtung des Produktraums zu verhindern, Absatz [0001] des Klagepatents (alle folgenden, nicht näher bezeichnete Absätze sind solche des Klagepatents). Entsprechend aufgebaute Pumpen seien sowohl als Strömungspumpen als auch als Verdrängerpumpen bekannt, Absatz [0002].
    Eine bekannte Maßnahme zur Abdichtung der Welle gegen die Wandung sei beispielsweise die Verwendung von Wellendichtringen. Diese seien aber nur bedingt zuverlässig und kämen insbesondere dann nicht in Frage, wenn die Art des zu fördernden Produkts eine besonders sichere Dichtung erfordere, wie beispielsweise bei der Förderung giftiger Stoffe oder im hygienischen Bereich, z.B. in der Lebensmittel- oder Kosmetikindustrie, Absatz [0003]. In diesen Bereichen habe sich die Verwendung von Gleitringdichtungen durchgesetzt, die eine sehr gute Abdichtung gewährleisteten. Allerdings werde dies durch einen komplexen Aufbau der Dichtung erkauft. Dabei weise die Dichtung in der Regel wenigstens einen mit der Welle verbundenen rotierenden Abschnitt und einen in der Wandung montierten stationären Abschnitt auf, Absatz [0004].
    Für eine sichere Funktion der Dichtung müsse der stationäre Abschnitt axial und gegen Verdrehen gesichert werden. Hierbei müsse die axiale Sicherung auch ein Verschieben der Gleitringdichtung in Richtung des Produktraums verhindern, da sonst die Funktion der Dichtung bei einem Unterdruck im Produktraum nicht gewährleistet sei. Dazu weise dieser Abschnitt gewöhnlich einen Flansch oder eine Aufnahme auf, welche in der Wandung kraft- und/oder formschlüssig fixiert werde, beispielsweise durch Verschrauben mit mehreren Schrauben oder durch Einschrumpfen, Absatz [0005].
    In vielen Fällen, insbesondere bei Pumpen für hygienische Produkte, wie Nahrungsmittel oder Kosmetika, sei es nicht erwünscht oder schlichtweg nicht möglich, einen Flansch oder eine Aufnahme im Produktraum anzuordnen, da hierdurch die Produktströmung beeinträchtigt würde und die entsprechenden Konturen schwer zu reinigen seien. Daher müsse die Montage des Flansches von außerhalb des Produktraums erfolgen, was jedoch aus verschiedenen Gründen nachteilig sei, Absatz [0006]. So müsse zur Montage des Flansches die Welle komplett aus dem Produktraum herausgezogen werden, was bei vielen Pumpen eine komplette Trennung des Produktraums und des Pumpenantriebs erfordere. Da gleichzeitig die Montage des rotierenden Abschnitts der Gleitringdichtung immer nur von der Produktseite her erfolgen könne, sei der Austausch oder die Wartung der Dichtung sehr aufwändig. Zudem bestehe bei der Zusammenführung des Produktraums mit montiertem stationären Abschnitt der Dichtung und dem Pumpenantrieb die Gefahr, dass die Dichtung durch unkontrollierte Berührungen mit der Welle beschädigt werde, Absatz [0007].
    Hinsichtlich des Standes der Technik verweist das Klagepatent zunächst auf die EP XXX A1, aus der eine Pumpe bekannt sei, bei welcher die Abdichtung der Welle mittels einer produktseitig zu montierenden Gleitringdichtung ausgeführt sei, wobei eine Lagesicherung der Gleitringdichtung durch ein außerhalb des Produktraums angeordnetes Sicherungselement erfolge, Absatz [0008]. Ferner seien aus der US 2012/021 XXX A1 und der EP 0 884 XXX A1 jeweils rotierende Pumpen mit antriebsseitig montierbarer Gleitringdichtung bekannt, bei welcher ein stationärer Ring der Gleitringdichtung mit durch eine Wandung des Antriebsgehäuses verlaufenden Schrauben gesichert sei, [0009].
    Das Klagepatent stellt sich ausgehend von diesem Stand der Technik die technische Aufgabe, eine rotierende Pumpe bereitzustellen, die hinsichtlich der beschriebenen Problematik verbessert ist.
    Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent mit dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch 1 eine Pumpe mit folgenden Merkmalen vor:
    1. Rotierende Pumpe
    2. mit wenigstens einem angetriebenen Förderelement (10,11),
    3. welches in einem vom zu fördernden Produkt durchströmten Produktraum angeordnet ist,
    4. und mittels einer von außen in den Produktraum hineinragenden Welle (12,13) angetrieben wird,
    5. wobei die Welle (12,13) gegen eine Wandung (50) des Produktraums abgedichtet ist,
    6. und wobei die Abdichtung als produktseitig zu montierende Gleitringdichtung (51,52) ausgeführt ist,
    7. und eine formschlüssige Lagesicherung umfasst, um ein Verdrehen der Gleitringdichtung (51,52) sowie ein Verschieben der Gleitringdichtung (51,52) in Richtung des Produktraums zu verhindern,
    8. wobei die Lagesicherung ein senkrecht zu einer Achsrichtung der Welle (12,13) durch die Wandung (50) verlaufendes Sicherungselement (61) umfasst,
    9. wobei das Sicherungselement (61) einen durch eine Bohrung (63) der Wandung (50) geführten Stift (62) umfasst,
    10. die Bohrung (63) an einem von der Dichtung entfernten Ende einen vergrößerten Durchmesser aufweist und mit einem Innengewinde (64) versehen ist,
    11. und der Stift (62) mit einem von der Dichtung entfernten Ende in einer Dichtschraube (65) aufgenommen ist, welche in die Bohrung (63) eingeschraubt ist.
    II.
    Die klagepatentgemäße Erfindung schützt eine rotierende Pumpe mit einer Lagesicherung, die ein Verdrehen einer Gleitringsicherung und ein Verschieben derselben in Richtung des Produktraums verhindern soll.
    Im Hinblick auf den Rechtsstreit der Parteien bedürfen die Merkmale 9 bis 11, die das Sicherungselement näher beschreiben, der Auslegung. Insbesondere bedarf die Frage, ob die in Merkmal 11 genannte Aufnahme des Stifts in der Dichtschraube eine einstückige Ausbildung umfasst (siehe unten, Ziff. 1) und die Frage, ob die Bohrung auf zwei verschiedene Durchmesser beschränkt ist (siehe unten, Ziff. 2.), der Auslegung.
    Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs sind zwar regelmäßig so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (vgl. BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; GRUR 2009, 655 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2022, Az. I-15 U 65/21). Die gebotene funktionale Betrachtung darf bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen aber nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (vgl. BGH, GRUR 2016, 921 Rn. 30 ff. – Pemetrexed; OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.06.2022 – I-15 U 67/17, GRUR-RS 2022, 16207 Rn. 70 – Blasenkatheter-Set II; Urt. v. 23.09.2021 – I-15 U 29/20; Urt. v. 11.03.2021 – I-15 U 87/19, GRUR-RS 2021, 14804 Rn. 49 – Abstandsgewirk; Urt. v. 19.09.2019 – 15 U 36/15, GRUR-RS 2019, 44914 Rn. 44 – Türbandscharnier; Urt. v. 28.05.2015 – I-15 U 109/14, BeckRS 2015, 16125 Rn. 65 – Mikrometer; Urt. v. 14.08.2014 – I-15 U 15/14, GRUR-RS 2014, 21710 – Stimmventil; Urt. v. 09.06.2022 – I-15 U 67/17; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2014, 185, 188 – WC-Sitzgelenk; Urt. v. 26.11.2020 – 2 U 65/19, GRUR-RS 2020, 37856 Rn. 69 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.11.2022, Az. I-15 U 65/21).
  13. 1.
    Das Sicherungselement umfasst einen Stift, der durch eine Bohrung der Wandung geführt wird, Merkmal 9. Dieser Stift ist mit seinem von der Dichtung entfernten Ende in einer Dichtschraube aufgenommen, Merkmal 11.
    Der Klagepatentanspruch beschränkt sich nicht auf eine zweiteilige Ausführung von Stift und Dichtschraube. Der Begriff der Aufnahme legt nur fest, dass sich der Stift in irgendeiner Art und Weise innerhalb der Dichtschraube befinden muss. Der Anspruch lässt offen, ob der Stift dabei ein gewisses „Spiel“ hat oder aber kraft-, form- oder sogar stoffschlüssig – dies bis hin zu einer einstückigen Ausbildung von Stift und Dichtschraube – mit der Dichtschraube verbunden ist.
    Auch die Beschreibung lässt nicht erkennen, dass sich die erfindungsgemäße Lehre auf eine bestimmte Art der Aufnahme beschränkt. Genannt ist die „Aufnahme“ in Absatz [0050] und gibt nur den Wortlaut des Klagepatents wieder. In Absatz [0015] heißt es ferner, dass durch die Aufnahme des Stifts in der Dichtschraube der Stift auf besonders einfache Art und Weise fixiert werde und gleichzeitig die Bohrung gegen die Umgebung abgedichtet werde. Für das Erreichen dieser Vorteile bedarf es keiner zweiteiligen Ausführung von Stift und Dichtschraube. Außerdem soll erfindungsgemäß eine einfache Handhabung des Sicherungselements ohne weiteres möglich sein. Diese wird dadurch erreicht, dass das Sicherungselement außerhalb des Produktraums endet, Absatz [0012]. Auch dazu trägt eine zweiteilige Ausführung nicht bei.
    Eine zweiteilige Ausführung von Stift und Dichtschraube ist hingegen nicht mit erfindungsgemäßen Vorteilen verknüpft. Die von der Beklagten angeführten Vorteile einer zweiteiligen Ausführung, zu denen es gehören soll, dass die Länge des Stifts an die Gegebenheiten angepasst werden und bei Verschleiß einfacher ausgetauscht werden könne, hat keinen Niederschlag in der Klagepatentschrift gefunden.
  14. 2.
    Die Merkmale 9 und 10 beschreiben eine Bohrung, die jedenfalls zwei verschiedene Durchmesser haben muss.
    Es gibt einen ersten, nicht eigens erwähnten Durchmesser und einen weiteren, vergrößerten Durchmesser, wobei sich das Innengewinde der Dichtschraube in dem Bereich des zweiten, vergrößerten Durchmessers befinden muss. Das in Merkmal 10 enthaltene „und“ macht deutlich, dass die Bohrung an dem von der Dichtung entfernten Ende einen vergrößerten Durchmesser aufweisen und mit einem Innengewinde versehen sein muss. Das von der Klägerin eingefügte Komma, das möglicherweise zu einer anderen Auslegung führen würde, findet sich im Anspruchswortlaut gerade nicht. Das Erfordernis eines Innengewindes an der Stelle des vergrößerten Durchmessers ergibt sich zudem aus einer Zusammenschau der Merkmale 10 und 11. Nach Merkmal 10 liegt der vergrößerte Durchmesser an dem von der Dichtung entfernten Ende; nach Merkmal 11 wird die Dichtschraube an eben dieser Stelle in die Bohrung eingeschraubt. Daraus ergibt sich, dass auch an dieser Stelle das Innengewinde vorliegen muss, da nicht erkennbar ist, welchem anderweitigen Zweck das in Merkmal 10 genannte Innengewinde ansonsten dienen soll, wenn nicht der Aufnahme der Dichtschraube.
    Der vergrößerte zweite Durchmesser muss sich jedoch nicht zwingend am äußersten Ende der Bohrung befinden. Merkmal 10 legt sich mit der Wendung „an einem von der Dichtung entfernten Ende“ nur dahingehend fest, dass sich der vergrößerte Durchmesser nicht an dem an der Dichtung liegenden Ende befinden darf.
    Zudem lässt sich weder dem Anspruch noch der Beschreibung entnehmen, dass die Bohrung genau zwei Durchmesser aufweisen muss. Vielmehr steht es dem Fachmann frei, die Bohrung mit weiteren, abweichenden Durchmessern zu versehen, solange es einen ersten Durchmesser und einen von der Dichtung entfernten, vergrößerten zweiten Durchmesser gibt. Dementsprechend schließt der Klagepatentanspruch nicht aus, dass das Sicherungselement weitere Abschnitte mit abweichendem Durchmesser aufweist.
  15. III.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs 1, insbesondere die Merkmale 9 bis 11.
    Die angegriffene Ausführungsform stellt ein Sicherungselement dar mit einem durch eine Bohrung geführten Stift, Merkmal 9. Die Bohrung weist – neben einem nicht genannten ersten Durchmesser – einen zweiten, vergrößerten Durchmesser auf. Dabei handelt es sich um den Durchmesser mit Innengewinde, Merkmal 10.
    Das Innengewinde befindet sich an einem von der Dichtung entfernten Ende. Es ist nicht notwendig, dass es sich dabei um das äußerste Ende handelt. Ausreichend ist, dass sich das Innengewinde und damit der vergrößerte Durchmesser nicht unmittelbar an dem zur Dichtung gewandten Ende befindet. Damit lässt sich das Gewinde zwanglos dem erfindungsgemäß zur Dichtschraube gehörenden Teil zuordnen.
    Außerdem ist der Stift in der Dichtschraube aufgenommen. Eine stoffschlüssige und damit einstückige Ausführung steht der Verwirklichung von Merkmal 11 nicht entgegen. Durch den O-Ring der angegriffenen Ausführungsform ist auch die einer Dichtschraube innewohnende Dichtfunktion gegeben. Dass die angegriffene Ausführungsform darüber hinaus einen weiteren Schraubenkopf aufweist, der zum Ansetzen eines Werkzeugs dient und einen im Vergleich zum zweiten Durchmesser nochmals vergrößerten Durchmesser der Bohrung erfordert, steht der Verwirklichung des Klagepatents nicht entgegen, da dieses das Vorliegen weiterer Durchmesser nicht ausschließt. Merkmal 11 ist damit ebenfalls verwirklicht.
    Da die angegriffene Ausführungsform die Merkmale des Klagepatents wortsinngemäß verwirklicht, kommt es auf die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte äquivalente Patentverletzung nicht an. Insofern läuft auch der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte und in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Mai 2024 noch einmal vertiefte Formsteineinwand und der damit zusammenhängende Vortrag zu dem Prospekt „XXX“ aus Oktober 2018 ins Leere.
  16. IV.
    Da die Beklagte durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform die Lehre des Klagepatents benutzt, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen:
  17. 1.
    Die Benutzung der patentgeschützten Erfindung erfolgt unberechtigt, so dass die Beklagte der Klägerin gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet ist.
  18. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte für den Zeitraum zwischen der Offenlegung der Patentanmeldung und der Patenterteilung einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung dem Grunde nach aus Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG.
    Die Beklagte hat den Erfindungsgegenstand genutzt, obwohl sie wusste oder jedenfalls wissen musste, dass die benutzte Erfindung Gegenstand der Anmeldung des Klagepatents war.
  19. 3.
    Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
  20. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  21. Die Beklagte ist zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Schließlich ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Schutzrechtsverletzung ein Schaden entstanden ist.
  22. 4.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung.
  23. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang dieser Auskunftspflicht folgt aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Das dafür erforderliche Verschulden ist zu bejahen (siehe oben, Ziff. 2). Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  24. 5.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch einen Anspruch auf Rückruf der unmittelbar patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß § 140a Abs. 3 PatG.
  25. 6.
    Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Urteilsbekanntmachung nach § 140e PatG ist hingegen nicht gegeben.
    Der Anspruch auf Bekanntmachung eines Urteils setzt nach § 140e S. 1 PatG ein berechtigtes Interesse des Verletzten voraus. Um dieses festzustellen, ist eine umfassende Abwägung der Umstände des Einzelfalls notwendig, bei der Umfang und Schwere der Rechtsverletzung, der Grad des Verschuldens, die öffentliche Darstellung des Konflikts und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit berücksichtigt werden müssen (Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, 12. Aufl. 2023, PatG § 140e Rn. 4).
    Die Klägerin meint, dass die Ausstellung der angegriffenen Ausführungsform auf den Fachmessen „Ch“ und „D“ mitsamt des Zurschaustellens der konkreten technischen Lösung ein berechtigtes Interesse begründe. Denn das mit technischem Sachverständnis ausgestattete Fachpublikum gehe davon aus, dass die angegriffene Ausführungsform nicht dem Klagepatent unterliege.
    Die bloße Ausstellung auf zwei Fachmessen reicht zum Begründen eines berechtigten Interesses nicht aus. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass das einschlägige Fachpublikum mit jeglichen Patenten der Klägerin vertraut ist und die angegriffene Ausführungsform daraufhin überprüft, ob diese unter die entsprechende erfindungsgemäße Lösung fällt. Selbst wenn dies vereinzelt der Fall gewesen sein sollte, wäre eine Bekanntmachung des Urteils in mehreren Ausgaben verschiedener Zeitschriften unverhältnismäßig, weil damit eine weit über diesen Kreis hinausgehende Anzahl an Lesern erreicht würde.
  26. V.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
  27. VI.
    Der Streitwert wird auf 250.000,00 EUR festgesetzt.

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