4b O 114/18 – Bodenverdichtungsgerät

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3365

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 17. April 2024, Az. 4b O 114/18

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
  3. Bodenverdichtungsgeräte mit einem Verdichtungselement, aufweisend ein erstes Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten zur Aufnahme eines ersten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines ersten Gabelzinkens einer Hubgabel und ein zweites Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten zur Aufnahme eines zweiten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines zweiten Gabelzinkens einer Hubgabel,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  5. wobei die Aufnahmeabschnitte eines Paares durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Aussparungen oder zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche einer einzigen Aussparung gebildet werden, welche Aussparungen so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken der Hubgabel eingreifen kann, und wobei das Bodenverdichtungsgerät ein Anbauverdichter ist, der an einen Bagger ankuppelbar ist, und wobei die Aussparungen eine rechteckige Form aufweisen, und wobei das Verdichtungselement über Verbindungseinrichtungen mit einem Oberteil des Bodenverdichtungsgeräts verbunden ist und die Aufnahmeabschnitte in mindestens einer Verbindungseinrichtung ausgebildet sind oder die Aufnahmeabschnitte auf einer Oberseite des Verdichtungselements angeordnet sind;
  6. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 6. Juni 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe
  7. a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  8. b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  9. c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  10. wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  11. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. Mai 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  12. a. der Herstellungsmengen und -zeiten,
  13. b. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  14. c. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
  15. d. der einzelnen Gebrauchshandlungen, aufgeschlüsselt nach Gebrauchsumfang, -zeiten und -preisen und der Namen und Anschriften der Leistungsempfänger,
  16. e. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
  17. f. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns seit dem 6. Juni 2018,
  18. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  19. 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben, wobei der Beklagten eingeräumt wird, nach ihrer Wahl die Erzeugnisse selbst zu vernichten,
  20. wobei der Beklagten gestattet ist, anstatt die Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herauszugeben oder sie zu vernichten, die Erzeugnisse so umzugestalten, dass mindestens eine der Aussparungen statt einer rechteckigen Form eine halbrunde Form aufweist, wobei sich die Rundung an der Oberseite der Aussparung befindet;
  21. 5.die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des… vom…) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen, wobei der Klägerin ein Muster der Rückrufschreiben sowie eine Liste der Adressaten mit Namen und postalischer Anschrift oder – nach Wahl der Beklagten – eine Kopie sämtlicher Rückrufschreiben zu überlassen sind.

    II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,

  22. 1. der Klägerin für die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 29. Mai 2015 bis zum 5. Juli 2018 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
  23. 2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten und seit dem 6. Juli 2018 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  24. III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  25. IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  26. V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 EUR, wobei Teilsicherheiten für die Zwangsvollstreckung wie folgt festgesetzt werden:
  27. für Ziffer I. 1., 4. und 5. des Tenors 105.000,00 EUR,
    für Ziffer I. 2. und 3. des Tenors 30.000,00 EUR und
    für Ziffer IV. des Tenors 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  28. Tatbestand
  29. Die Klägerin macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht dem Grunde nach wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 XXX 548 (nachfolgend: Klagepatent) geltend, das unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom XXX (DE 10 2012 XXX 373) am XXX angemeldet und dessen Anmeldung am XXX veröffentlicht wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am XXX bekanntgemacht.
  30. Die Beklagte legte gegen die Erteilung des Klagepatents Einspruch ein. Die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes (EPA) hielt das Klagepatent mit Entscheidung vom 1. Dezember 2022 (Anlage BK 12) in beschränkter Fassung gemäß dem klägerischen Hilfsantrag 3a aufrecht (vgl. zur angepassten Fassung des Klagepatents Anlage BK 13c). Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Klägerin (Anlage BK 14) als auch die Beklagte (Anlage PBP 19) Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden wurde.
  31. Das Klagepatent betrifft ein Bodenverdichtungsgerät mit einer Verdichterplatte. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents in der aufrechterhaltenen Fassung gemäß ihrem Hilfsantrag 3a lautet [Änderungen unterstrichen]:
  32. „Bodenverdichtungsgerät (1) mit einem Verdichtungselement (2), aufweisend ein erstes Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten (6) zur Aufnahme eines ersten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines ersten Gabelzinkens (19) einer Hubgabel (16) und ein zweites Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten (6) zur Aufnahme eines zweiten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines zweiten Gabelzinkens (19) einer Hubgabel (16), wobei die Aufnahmeabschnitte eines Paares durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Aussparungen (6) oder zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche einer einzigen Aussparung (6) gebildet werden, welche Aussparungen (6) so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken (19) der Hubgabel (16) eingreifen kann und wobei das Bodenverdichtungsgerät ein Anbauverdichter ist, der an einen Bagger (8) ankuppelbar ist, und wobei die Aussparungen (6) eine rechteckige Form aufweisen, und wobei das Verdichtungselement (2) über Verbindungseinrichtungen (3a-3d) mit einem Oberteil (5) des Bodenverdichtungsgeräts (1) verbunden ist und die Aufnahmeabschnitte (6) in mindestens einer Verbindungseinrichtung (3a-3d) ausgebildet sind oder die Aufnahmeabschnitte (6) auf einer Oberseite des Verdichtungselements (2) angeordnet sind.“
  33. Die nachfolgend eingeblendeten Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift. Figur 1 zeigt eine schematische Schnittdarstellung und Figur 2 eine perspektivische Darstellung eines erfindungsgemäßen Bodenverdichtungsgeräts in Form eines Anbauverdichters mit Aufnahmeabschnitten. Figur 3 zeigt zwei voneinander beabstandete Aufnahmeabschnitte des Anbauverdichters mit einem Gabelzinken einer Hubgabel in einer Explosionsdarstellung.
  34. Die Beklagte stellt her und bietet in der Bundesrepublik Deutschland Anbauverdichter unter den Bezeichnungen A, B, C, D, E, F und G (zu den einzelnen Modellen vgl. Anlage BK 4) an, die sie auch über ihre unter www.XXX.eu abrufbare Webseite bewirbt. Bei allen Anbauverdichtern dieser Modellreihen handelt es sich um ankuppelbare Anbauverdichter, die über eine einteilige Grundplatte, über Schwingungselemente und ein Oberteil verfügen, an welchem mittels eines Drehwerks ein Schnellwechsler angebracht ist; sie sind jeweils mit in Verbindungselementen eingelassenen Staplertaschen erhältlich (nachfolgend werden diejenigen Anbauverdichter, die über Staplertaschen verfügen, als „angegriffene Ausführungsform“ bezeichnet). Die Beklagte bewirbt die angegriffene Ausführungsform auf ihrer Webseite wie folgt (Anlagenkonvolut BK 3):
  35. Ferner ist auf der Webseite der Beklagten der aus dem Anlagenkonvolut BK 3 ersichtliche Prospekt abrufbar, in welchem die angegriffene Ausführungsform näher beschrieben wird. Unter anderem finden sich dort eine schematische Abbildung und eine vergrößerte Ansicht der angegriffenen Ausführungsform wie nachfolgend ersichtlich:
  36. Die Beklagte gebraucht die angegriffenen Ausführungsform auch im eigenen Betrieb und vermietet diese an Kunden.
  37. Die Klägerin mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Januar 2018 (Anlage AK 5) wegen Verletzung des parallelen Gebrauchsmusters DE XXX ab und forderte sie erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung auf. Das Gebrauchsmuster wurde mittlerweile rechtskräftig gelöscht.
  38. Die Klägerin ist der Ansicht, durch das Anbieten, Herstellen und Gebrauchen der angegriffenen Ausführungsform verletze die Beklagte die geltend gemachte Merkmalskombination wortsinngemäß. Insbesondere weise die angegriffene Ausführungsform die anspruchsgemäßen zwei Paare von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten auf, wobei die Aufnahmeabschnittspaare jeweils von zwei voneinander beabstandeten, axial fluchtenden Aussparungen gebildet würden. Insoweit führe nach einer funktionsorientierten Auslegung auch eine räumliche Verbindung der vorhandenen Aussparungen nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus, solange die Aussparungen – wie bei der angegriffenen Ausführungsform – so beabstandet angeordnet seien, dass das starre Halteelement an wenigstens zwei axial fluchtenden Punkten aufliege. Die angegriffene Ausführungsform weise insoweit jeweils zwei voneinander beabstandete Verbindungselemente auf, die je eine Aussparung aufwiesen Die in dem Zwischenraum zwischen den Verbindungselementen angeordnete und von beiden Aussparungen unabhängige „Abdeckung“ ändere daran nichts.
  39. Die Beklagte könne sich auch nicht mit Erfolg auf ein privates Vorbenutzungsrecht berufen. Ihr dahingehender Vortrag bleibe unsubstantiiert und damit unschlüssig. Soweit nach dem Vortrag der Beklagten nur ein einziger Verdichter vor dem Prioritätszeitpunkt modifiziert worden sei, der nur selten und nur von ihr selbst genutzt worden sei, handele es sich dabei lediglich um die Herstellung eines unverkäuflichen Modells oder Prototypen, so dass es bereits am Erfindungsbesitz fehle. Weder habe die Beklagte die fertige technische Lehre erfasst noch sei eine gewerbliche Verwertung ernsthaft beabsichtigt gewesen. Es fehle zudem an der Betätigung des Erfindungsbesitzes, insbesondere da große Lücken zwischen der angeblichen Herstellung, der ersten Verwendung und der Benutzung der angegriffenen Ausführungsform bestünden. Jedenfalls habe die Beklagte das ggf. entstandene Vorbenutzungsrecht verloren, da sie die Benutzung endgültig und freiwillig aufgegeben habe. Weiter handele es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine Weiterentwicklung des vorbenutzten Modells, das von einem etwaigen Vorbenutzungsrecht nicht mehr erfasst sei. Schließlich könne aus der einmaligen Herstellung kein Vorbenutzungsrecht für die weitere Intensivierung des Inverkehrbringens hergeleitet werden.
  40. Die Klägerin ist der Auffassung, das Klagepatent sei jedenfalls in der hier nunmehr geltend gemachten eingeschränkten Fassung rechtsbeständig. Die Angriffe der Beklagten im Rahmen ihrer Beschwerde hätten keinerlei Aussicht auf Erfolg, so dass eine Aussetzung nicht angezeigt sei.
  41. Die Klägerin beantragt, nachdem sie den Auskunftsantrag zu B. II. in zeitlicher Hinsicht und den Zinsanspruch im Antrag zu C. beschränkt hat,
  42. B.
    I. die Beklagte zu verurteilen,
  43. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
  44. Bodenverdichtungsgeräte mit einem Verdichtungselement, aufweisend ein erstes Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten zur Aufnahme eines ersten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines ersten Gabelzinkens einer Hubgabel und ein zweites Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten zur Aufnahme eines zweiten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines zweiten Gabelzinkens einer Hubgabel,
  45. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  46. wobei die Aufnahmeabschnitte eines Paares durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Aussparungen oder zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche einer einzigen Aussparung gebildet werden, welche Aussparungen so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken der Hubgabel eingreifen kann, und wobei das Bodenverdichtungsgerät ein Anbauverdichter ist, der an einen Bagger ankuppelbar ist, und wobei die Aussparungen eine rechteckige Form aufweisen, und wobei das Verdichtungselement über Verbindungseinrichtungen mit einem Oberteil des Bodenverdichtungsgeräts verbunden ist und die Aufnahmeabschnitte in mindestens einer Verbindungseinrichtung ausgebildet sind oder die Aufnahmeabschnitte auf einer Oberseite des Verdichtungselements angeordnet sind.
    (EP 2XXX548 B1 – Anspruch 1 in eingeschränkter Fassung)
  47. II. die Beklagte zu verurteilen, ihr darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziff. B. I. bezeichneten Handlungen seit dem 6. Juni 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe
  48. 1. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  49. 2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  50. 3. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  51. wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  52. III. die Beklagte zu verurteilen, ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer B. I. bezeichneten Handlungen seit dem 29. Mai 2015 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  53. 1. der Herstellungsmengen und -zeiten,
  54. 2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  55. 3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
  56. 4. der einzelnen Gebrauchshandlungen, aufgeschlüsselt nach Gebrauchsumfang, -zeiten und -preisen und der Namen und Anschriften der Leistungsempfänger,
  57. 5. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
  58. 6. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns seit dem 6. Juni 2018,
  59. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  60. IV. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter B. I. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben, wobei der Beklagten eingeräumt wird, nach ihrer Wahl die Erzeugnisse selbst zu vernichten;
  61. V.die Beklagte zu verurteilen, die unter B. I. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des… vom…) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen, wobei der Klägerin ein Muster der Rückrufschreiben sowie eine Liste der Adressaten mit Namen und postalischer Anschrift oder – nach Wahl der Beklagten – eine Kopie sämtlicher Rückrufschreiben zu überlassen sind;
  62. VI. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
  63. 1. ihr für die zu B. I. bezeichneten, in der Zeit vom 29. Mai 2015 bis zum 5. Juli 2018 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
  64. 2. ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu B. I. bezeichneten und seit dem 6. Juli 2018 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
  65. C. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 3.509,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen.
  66. Die Beklagte beantragt,
  67. die Klage abzuweisen,
  68. hilfsweise,
  69. den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den gegen das Klagepatent erhobenen Einspruch auszusetzen.
  70. Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Die angegriffene Ausführungsform weise insbesondere keine zwei Aufnahmeabschnittpaare auf, die entweder durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Aussparungen oder durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche einer einzigen Aussparung gebildet würden. Nach der ersten Alternative müssten die Aufnahmeabschnittpaare durch zwei (getrennte) Aussparungen gebildet werden, die nicht räumlich miteinander verbunden seien. Nach der zweiten Alternative würden die zwei voneinander beabstandeten und axial fluchtenden Bereiche jeweils von einer einzigen Aussparung gebildet, in die zwei Gabelzinken einer Hufgabel in einer horizontalen Ebene nebeneinander passten. Zwei solcher Bereiche bildeten die Aufnahmeabschnitte eines Paares, wobei die zwei Bereiche dieses Paares nicht in derselben Aussparung lägen. Die angegriffene Ausführungsform erfülle keine der vorgenannten Alternativen, da jede Staplertasche aus einer einzigen durchgehenden, rohrförmigen Aussparung für die Aufnahme einer Gabelzinke gebildet werde und die Aufnahmeabschnitte nicht in verschiedenen Bereichen einer einzigen Aussparung gebildet seien.
  71. Sie beruft sich ferner auf ein privates Vorbenutzungsrecht, zu dessen Begründung sie behauptet, sie habe im Jahr 1999 einen Anbauverdichter der Firma H mit der Bezeichnung XXX erworben und dahingehend umgebaut, dass u.a. Schwenkvorrichtungen, Anschläge sowie Aussparungen für den Eingriff von Gabelzinken eines Gabelstaplers (sog. Staplertaschen) an- bzw. eingebracht worden seien. Aus der unteren Tragstruktur der Verbindungselemente des Bodenverdichtungsgeräts seien hierzu rechteckige Aussparungen herausgebrannt worden. Anschließend habe sie den umgebauten Anbauverdichter in ihren Firmenfarben umlackiert – wie aus den Fotografien des Anlagenkonvoluts AK 7 und der Anlage PBP 1 ersichtlich – und seit ungefähr 1999/2000 über viele Jahre auf mehreren öffentlich zugänglichen Baustellen (auf der Mehrzahl der Baustellen gemäß dem Anlagenkonvolut PBP 6 und anderen Baustellen) eingesetzt. Mit dem Einbrennen der Staplertaschen in den Anbauverdichter sei sie objektiv im Besitz der Erfindung gewesen und habe diesen subjektiv erkannt. Diesen Erfindungsbesitz habe sie mit dem behaupteten Umbau des Anbauverdichters, in dem eine Herstellung gemäß § 9 Satz 2 PatG liege, und dem anschließenden Gebrauch betätigt. Eine gewerbliche Nutzung der Idee habe bereits in dem Transport des Anbauverdichters mittels eines Gabelstaplers in ihrer Werkstatt gelegen, da auch die Wartung und Reparatur Teil des Gebrauchs für den Gewerbebetrieb sei. Hinsichtlich des Umfangs des Vorbenutzungsrechts ist die Beklagte der Auffassung, dass die Herstellung der (einen) erfindungsgemäßen Vorrichtung für die eigene Benutzung vor dem Prioritätstag sie dazu berechtige, erfindungsgemäße Vorrichtungen auch für Dritte herzustellen, solche anzubieten und in den Verkehr zu bringen.
  72. Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass eine vollständige Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform unverhältnismäßig sei. Insoweit komme unter anderem ein Umbau derselben als milderes Mittel in Betracht. So sei es sei möglich, ohne Beeinträchtigung der Statik und Funktionsweise des Anbauverdichters eine Aussparung, z.B. durch Herausbrennen eines Stücks einer Seite, so abzuändern, dass diese nicht mehr rechteckig sei.
  73. Schließlich sei das Verfahren nochmals auszusetzen. Denn das Klagepatent sei auch in der beschränkten Fassung nicht rechtsbeständig. Auch der nunmehr eingeschränkte Klagepatentanspruch sei durch veröffentlichte Druckschriften sowie durch die bereits im Rahmen des Vorbenutzungsrechts dargelegte offenkundige Vorbenutzung neuheitsschädlich vorweggenommen. Darüber hinaus beruhe die Lehre des Anspruchs nicht auf einem erfinderischen Schritt. Das EPA habe das Klagepatent zu Unrecht aufrechterhalten, so dass es aufgrund der anhängigen Beschwerde vollumfänglich widerrufen werde.
  74. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I, J und K. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2020 (Bl. 167 ff. d.A.) Bezug genommen.
  75. Entscheidungsgründe
  76. Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
  77. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Entschädigungs- und Schadensersatzfeststellung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 33, 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 3, 140b PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Ferner hat sie einen Anspruch auf Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG, allerdings nur in eingeschränktem Umfang. Ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten besteht nicht.
  78. I.
    Das Klagepatent betrifft ein Bodenverdichtungsgerät mit einer Verdichterplatte.
  79. Wie das Klagepatent einleitend erläutert, sind Bodenverdichtungsgeräte in Form von Rüttelplatten, Plattenverdichtern oder Walzen als hydraulische Anbauverdichter, also als Zusatzgeräte für Bagger, insbesondere im Graben- und Rohrleitungsbau bekannt. In Verbindung mit Schnellwechseleinrichtungen und Drehköpfen bieten sie als kostengünstige Wechselgeräte Kosteneinsparungen und eine Erhöhung der Arbeitssicherheit, da der Aufenthalt von Bauarbeitern zu Verdichtungsarbeiten in Gräben entfallen kann (Abs. [0002], nachfolgend entstammen Abs. ohne Quellenangabe dem Klagepatent). Der Transport zum Trägergerät bzw. zum Einsatzort erfolgt dabei mittels geeigneter Transportmittel, wie z.B. Stahlseilen, Hebeseilen oder Hebegurten mit Lasthaken in Verbindung mit speziellen Gehängen. Dabei wird das Bodenverdichtungsgerät mit Hilfe der Transportmittel auf Transportpaletten gehoben, welche mit einer Hubgabel eines entsprechend ausgerüsteten Fahrzeugs, wie zum Beispiel einem Gabelstapler oder einer Hubgabeleinrichtung eines Radladers, aufgenommen und umgesetzt wird. Da das Bodenverdichtungsgerät meist in ungesichertem Zustand bewegt wird, droht insbesondere bei Bremsvorgängen oder Befahren eines unebenen Fahrweges auf einer Baustelle ein Abrutschen bzw. Abkippen des Bodenverdichtungsgerätes von der Transportpalette. Dies kann nicht nur zu Schäden am Bodenverdichtungsgerät, sondern auch zu Personenschäden führen, weshalb der bisher ungesicherte Transport ein Sicherheitsrisiko darstellt (Abs. [0003]). Das Klagepatent nennt in seinem Abs. [0004] mit der EP XXXA2 und der EP XXX A1 zwei im Stand der Technik vorbekannte Bodenverdichtungsgeräte, die an einem Baggerarm angekuppelt werden können, ohne diese näher zu beschreiben.
  80. Das Klagepatent bezeichnet es ausgehend hiervon als Aufgabe der Erfindung (technisches Problem), ein Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen, das einfach und sicher zu transportieren ist (Abs. [0005]).
  81. Zur Lösung des Problems schlägt das Klagepatent ein Bodenverdichtungsgerät mit folgenden Merkmalen vor, die nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben sind:
  82. 1. Bodenverdichtungsgerät (1)
    2. mit einem Verdichtungselement (2),
    3. aufweisend ein erstes Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten (6) zur Aufnahme eines ersten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines ersten Gabelzinkens (19) einer Hubgabel (16) und
    4. ein zweites Paar von voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitten (6) zur Aufnahme eines zweiten starren Halteelements eines Transportmittels in Form eines zweiten Gabelzinkens (19) einer Hubgabel (16).
    5.Die Aufnahmeabschnitte eines Paares werden durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Aussparungen (6) oder zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche einer einzigen Aussparung (6) gebildet.
    5.1Die Aussparungen (6) sind so ausgebildet, dass in sie der jeweilige Gabelzinken (19) der Hubgabel (16) eingreifen kann.
    6. Das Bodenverdichtungsgerät (1) ist ein Anbauverdichter, der an einen Bagger (8) ankuppelbar ist.
    7. Die Aussparungen (6) weisen eine rechteckige Form auf.
    8. Das Verdichtungselement (2) ist über Verbindungseinrichtungen (3a-3d) mit einem Oberteil (5) des Bodenverdichtungsgeräts (1) verbunden.
    9. Die Aufnahmeabschnitte (6) sind in mindestens einer Verbindungseinrichtung (3a-3d) ausgebildet oder
    die Aufnahmeabschnitte sind auf einer Oberseite des Verdichtungselements angeordnet.
  83. II.
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht alle Merkmale des geltend gemachten Klagepatentanspruchs. Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedürfen nur die Aufnahmeabschnitte gemäß der Merkmalsgruppe 5 der näheren Erörterung. Dabei ergibt sich der Gegenstand des Patentanspruchs nunmehr aus dem Wortlaut des neugefassten Anspruchs, wie er durch die Beschreibung und die Zeichnungen erläutert ist (BGH, GRUR 2007, 778, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit I).
  84. 1.
    Die Aufnahmeabschnitt-Paare gemäß der Merkmale 3 und 4 werden gemäß Merkmal 5 alternativ entweder durch zwei Aussparungen oder zwei Bereiche einer einzigen Aussparung gebildet. Die Aufnahmeabschnitt-Paare können sowohl an voneinander getrennten Materialabschnitten als auch an einem durchgängigen Materialabschnitt ausgebildet sein, solange sie derart ausgebildet sind, dass in das erste Paar ein erster Gabelzinken der Hubgabel und in das zweite Paar ein zweiter Gabelzinken der Hubgabel eingeschoben werden kann.
  85. „Aussparungen“ i.S.d. Klagepatents sind Abschnitte oder Bereiche im Material eines Gegenstandes, die von dem Material freigehalten sind, z.B. in Gestalt von Löchern, Einkerbungen oder Vertiefungen im Material, wobei diese gemäß Merkmal 7 eine rechteckige Form aufweisen müssen. „Bereiche“ einer Aussparung sind nach dem Wortlaut des Klagepatentanspruchs nicht mit der Aussparung gleichzusetzen, sondern stellen (kleinere) Teile bzw. Abschnitte der jeweiligen Aussparung dar. Nach dem Wortlaut von Merkmal 5 müssen diese zwei Aussparungen oder alternativ hierzu die zwei Bereiche einer einzigen Aussparung voneinander beabstandet und zueinander axial fluchtend angeordnet sein.
  86. Der Anspruchswortlaut des Merkmals 5 sieht durch die zwei vorgenannten Varianten eines Aufnahmeabschnitt-Paares sowohl die Ausbildung von zwei Aussparungen an zwei voneinander getrennten Materialabschnitten als auch von zwei Aufnahmebereichen einer einzigen Aussparung und damit an einem durchgängigen Materialabschnitt vor. Wie der Fachmann die Aufnahmeabschnitte bzw. die Aussparung(en) dieser zwei Varianten konkret ausgestaltet, ergibt sich aus den weiteren Merkmalen des Klagepatentanspruchs und wird im Übrigen in sein Belieben gestellt, solange diese ihrer technischen Funktion genügen.
  87. Insoweit ist bei der Auslegung eines Patents nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bestimmung der in der Patentschrift verwendeten Begriffe ist entscheidend, sondern das Verständnis des unbefangenen Fachmanns (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Im Zuge dessen sind der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, zu bestimmen. Für das Verständnis entscheidend ist zumindest im Zweifel die Funktion, die das einzelne technische Merkmal für sich und im Zusammenwirken mit den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs bei der Herbeiführung des erfindungsgemäßen Erfolgs hat (BGH, GRUR 2012, 1124, Rn. 27 – Polymerschaum; GRUR 2020, 15, Rn. 18 – Lenkergetriebe).
  88. Aufgabe des Klagepatents ist es, ein Bodenverdichtungsgerät bereitzustellen, dass einfach und sicher zu transportieren ist (Abs. [0005]). Der sichere Transport des Bodenverdichtungsgeräts ohne weitere Hilfsmittel wird durch die Verwendung von zwei Paaren von Aufnahmeabschnitten und durch den axialen Abstand zwischen den beiden Aufnahmeabschnitten eines Paares erzielt (Abs. [0007]). Der Fachmann erkennt, dass gerade diese vorgegebene Anordnung von jeweils zwei (und damit insgesamt jedenfalls vier) Aufnahmeabschnitten als Haltepunkte ein Verrutschen, Ab- oder Wegkippen des Bodenverdichtungsgerätes verhindert. Für diese Anordnung der voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitte der zwei Paare ist es unerheblich, ob sie an voneinander getrennten Materialabschnitten oder an einem durchgängigen Materialabschnitt ausgebildet sind oder nicht.
  89. Konstruktive Vorgaben entnimmt der Fachmann – der technischen Funktion der Aufnahmeabschnitte entsprechend – lediglich den weiteren Merkmalen des Klagepatentanspruchs 1. So sollen die Aufnahmeabschnitt-Paare gemäß der Merkmale 3 und 4 nach der dort zu findenden Zweck- bzw. Funktionsangabe „zur Aufnahme“ eines Gabelzinkens einer Hubgabel objektiv geeignet und zum Erreichen dieser Funktion entsprechend räumlich-körperlich ausgebildet sein (vgl. BGH, GRUR 2012, 475, Rn. 17 – Elektronenstrahltherapiesystem; GRUR 2018, 1128, Rn. 12 – Gurtstraffer; GRUR 2023, 1259, Rn. 12 – Schlossgehäuse). Die Aussparungen sind gemäß Merkmal 5.1 – dies konkretisierend – so ausgebildet, dass in sie der jeweilige Gabelzinken der Hubgabel eingreifen kann. Der Fachmann erkennt, dass dies vor allem durch die axial fluchtende Anordnung der zwei Aussparungen bzw. der zwei Bereiche einer einzigen Aussparung gemäß Merkmal 5 gewährleistet werden soll, da andernfalls der horizontal ausgerichtete Gabelzinken als das starre Halteelement des Transportmittels nicht eingreifen könnte (vgl. Abs. [0010], Z. 18-23). Diesem technischen Zweck entsprechend, weisen die Aussparungen gemäß Merkmal 7 eine rechteckige Form auf, wodurch das Bodenverdichtungsgerät besonders sicher gelagert werden kann, da so die meist ebenfalls im Querschnitt rechteckigen Gabelzinken von Hubgabeln in den Aufnahmeabschnitten mindestens weitgehend umfänglich umgeben sind (Abs. [0011]).
  90. Nach der vorgenommenen funktionsorientierten Auslegung ist insbesondere auch eine Ausgestaltung der Aufnahmeabschnitt-Paare vom Schutzbereich des Klagepatents umfasst, in welcher die beiden Aufnahmeabschnitt-Paare nach der zweiten Variante von Merkmal 5 (also alle vier Aufnahme-Abschnitte) in einer einzigen einheitlichen durchgehenden Aussparung liegen.
  91. Eine weitergehende, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Klagepatents einengende Bedeutung ergibt sich weder bei Heranziehung der Beschreibung noch der Zeichnungen des Klagepatents. Aus der Beschreibung ergibt sich vielmehr, dass die Ausgestaltung eines Aufnahmeabschnitt-Paares als eine einzige, sich in Längsrichtung ausdehnende (Material-)Auslassung vom Patent – entsprechend der zweiten Variante des Anspruchswortlauts von Merkmal 5 – ausdrücklich vorgesehen ist. So werden in Absatz [0010] zunächst die zwei Varianten von Aufnahmeabschnitt-Paaren (zwei Aussparungen oder zwei Bereiche einer einzigen Aussparung) aufgeführt und sodann beschrieben, dass „durch die letztgenannte Ausgestaltung“ – und damit die Ausgestaltung mit einer einzigen Aussparung – der Tatsache Rechnung getragen wird, dass die voneinander beabstandeten Aufnahmeabschnitte nicht zwingend durch separate Teile gebildet sein müssen, solange die Anordnung dergestalt ist, dass das starre Halteelement mindestens in seiner Längsrichtung momentensteif mit dem Bodenverdichtungsgerät verbunden werden kann. Als besonders vorteilhaft beschreibt es das Klagepatent in Absatz [0010], dass diese Ausgestaltung der Aufnahmeabschnitte (d.h. in einem einheitlichen (Material-)Teil) sogar besonders stabil, kostengünstiger und einfacher realisierbar ist und bei vorhandenen Bodenverdichtungsgeräten nachgerüstet werden kann. Dass das Ausführungsbeispiel in den Figuren 1-3 sowie die in den Figuren 4 und 5 (neu) gezeigten Ausführungsbeispiele jeweils separate Aussparungen zeigen, die in voneinander getrennten Teilen ausgebildet sind, erlaubt eine einschränkende Auslegung des die Erfindung kennzeichnenden Patentanspruchs nicht (vgl. BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
  92. Auch eine Beschränkung des Anspruchs dahingehend, dass nach der zweiten Alternative von Merkmal 5 die Aussparung zwingend so ausgestaltet sein müsse, dass in sie die zwei Gabelzinken einer Hufgabel in einer horizontalen Ebene nebeneinander passen, ist weder dem Anspruchswortlaut noch der Beschreibung zu entnehmen.
  93. Die hiesige Auslegung des Merkmals 5 entspricht schließlich auch der von der Einspruchsabteilung des EPA vorgenommenen Auslegung. Die Einspruchsabteilung hat insoweit in den das Klagepatent betreffenden Entscheidungsgründen, hier vorgelegt als Anlage BK 12, die als Auslegungshilfe dienen (BGH, GRUR 1998, 895 – Regenbecken; BGH, GRUR 2010, 950 – Walzenformgebungsmaschine), ausgeführt, dass die 2. Variante von Merkmal 5 nicht nur die Möglichkeit einschließt, dass jeweils eine einzige Aussparung für jedes Paar von Aufnahmeabschnitten vorhanden ist, sondern auch, dass die Aufnahmeabschnitte beider Paare durch jeweils zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche derselben einzigen Aussparung gebildet werden, so dass alle Aufnahmeabschnitte in einer gemeinsamen Aussparung vorhanden sind.
  94. 2.
    Vor dem Hintergrund der vorstehenden Auslegung verwirklicht die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale des Klagepatents in der hier geltend gemachten Anspruchsfassung, insbesondere die Merkmalsgruppe 5.
  95. Wie sich aus den nachfolgend nochmals eingeblendeten Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform ergibt
  96. weisen diese jeweils zwei Paare von Aufnahmeabschnitten in Gestalt der zwei Staplertaschen auf. Diese werden jeweils durch zwei voneinander beabstandete und axial fluchtende Bereiche einer einzigen Aussparung gebildet, die sich in Längsrichtung erstreckt. Insoweit ist auf der zweiten oberen Abbildung ersichtlich, dass die Aussparung in Längsrichtung durchgehend und nicht in separaten Teilen ausgebildet ist. Diese insgesamt zwei Aussparungen sind auch jeweils so ausgebildet, dass in sie der jeweilige Gabelzinken einer Hubgabel eingreifen kann. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, dass die Hubgabeln in die oben ersichtlichen Aussparungen eingreifen können und der Anbauverdichter damit transportiert werden kann.
  97. III.
    Die Beklagte kann sich nicht auf ein privates Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 PatG berufen. Zwar verfügte die Beklagte zunächst über Erfindungsbesitz, den sie auch betätigt hat (III. 2.). Allerdings hat sie ihr Vorbenutzungsrecht vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagepatents freiwillig aufgegeben (III. 3.).
  98. 1.
    Nach § 12 Abs. 1 PatG tritt die Wirkung des Patents gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Dieser ist befugt, die Erfindung für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten auszunutzen.
  99. Das Vorbenutzungsrecht setzt voraus, dass der Vorbenutzungsberechtigte einerseits im Prioritätszeitpunkt bereits selbstständigen Erfindungsbesitz hatte, andererseits, dass er diesen im Inland betätigt hat oder zumindest Veranstaltungen zu einer alsbaldigen Aufnahme der Benutzung des Erfindungsgegenstandes getroffen hat. Nicht erforderlich ist dagegen, dass es zu einer öffentlichen Vorbenutzung gekommen ist.
  100. Die Beweislast für die Entstehungstatsachen und den Umfang des Vorbenutzungsrechts hat derjenige, der sich darauf beruft (OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814 Rn. 90 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen; GRUR-RR 2024, 61 Rn. 123 – Rollwagen) – hier also die Beklagte. An den Nachweis eines Vorbenutzungsrechts sind strenge Anforderungen zu stellen, da erfahrungsgemäß nach Offenlegung brauchbarer Erfindungen häufig andere Personen behaupten, Entsprechendes schon vorher gemacht zu haben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Januar 2007 – Az. I-2 U 65/05 –, Rn. 85 bei Juris). Besteht ein Vorbenutzungsrecht, so ist es Sache des Patentinhabers, darzulegen und zu beweisen, dass das Vorbenutzungsrecht ausschließende Umstände vorliegen (Benkard PatG/Scharen, 12. Aufl. 2023, PatG § 12 Rn. 27, m.w.N.; Mes, 5. Aufl. 2020, PatG § 12 Rn. 26).
  101. 2.
    Die Beklagte verfügte hinsichtlich des von ihr umgebauten Anbauverdichters der Firma H mit der Bezeichnung XXX (im Folgenden: „umgebauter Anbauverdichter“) bereits über Erfindungsbesitz (a.). Dieser wurde durch den Umbau bzw. die Herstellung des umgebauten Anbauverdichters, dessen Benutzung im eigenen Betrieb und durch den Besitz zu diesen Zwecken vor dem Prioritätszeitpunkt hinreichend im Inland betätigt (b.).
  102. a.
    Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte bereits vor dem Prioritätszeitpunkt des Klagepatents über Erfindungsbesitz verfügte.
  103. Der Erfindungsbesitz erfordert, dass die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist (BGH, GRUR 2010, 47 f. – Füllstoff; GRUR 2012, 895, 896 – Desmopressin).
  104. aa.
    Die Beweisaufnahme hat zur Überzeugung der Kammer ergeben, dass die Beklagte jedenfalls vor dem Jahr 2005 und damit vor der in Anspruch genommenen Priorität des Klagepatents, dem 20. Juni 2012, einen Anbauverdichter der Firma H mit der Bezeichnung XXX erworben und dahingehend umgebaut hat, dass u.a. Aussparungen für den Eingriff von Gabelzinken eines Gabelstaplers an- bzw. eingebracht wurden, indem aus der unteren Tragstruktur der Verbindungselemente des Anbauverdichters rechteckige Aussparungen herausgebrannt wurden, die als Staplertaschen dienten. Nachfolgend wird eine Abbildung des umgebauten Anbauverdichters eingeblendet.
  105. Die Überzeugung der Kammer fußt maßgebend auf den glaubhaften Angaben des Zeugen K, der bis zum Jahre 2015 der Werkstattmeister der Beklagten gewesen ist. Dieser hat bekundet, dass er einen (einzigen) Anbauverdichter der XXX, Version XXX, aus der Serie des Jahres 1999 umgebaut habe, als dieser bei ihm aufgrund eines Lagerschadens in Reparatur gewesen sei. Für die Glaubhaftigkeit seiner Aussage spricht, dass er sich an Einzelheiten des Vorgangs zu erinnern vermochte. So hat er angegeben, dass er das Gerät habe zerlegen müssen und es sich dabei angeboten habe, es „stapelbar“ zu machen. Hierzu habe er rechteckige Aussparungen bzw. „Stege“ eingebrannt, so dass der Anbauverdichter mit dem Gabelstapler habe transportiert werden können, was das „Handling“ verbessert habe. Die Gabelstaplerzinken hätten insoweit durch die Aussparungen hindurchgeschoben werden können. Ferner vermochte er anhand der als Anlage DP 1 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Anlage AK 10 zu bestätigen, dass es sich bei dem dort abgebildeten Anbauverdichter (entsprechend der obigen Abbildung) um den umgebauten Anbauverdichter handelt. Für die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen spricht ferner, dass er bestehende Erinnerungslücken eingeräumt hat. So hat er bekundet, nicht mehr genau zu wissen, wann er den Anbauverdichter umgebaut habe („vielleicht war es im Jahr 2002 oder 2003, aber genau weiß ich das nicht mehr“). Auch hat er eingeräumt, er wisse nicht mehr, ob der von ihm umgebaute Anbauverdichter der erste XXX mit einem Lagerschaden bei ihm in der Werkstatt gewesen sei. Allerdings vermochte er glaubhaft und in sich schlüssig zu bekunden, dass der Umbau jedenfalls vor dem Jahr 2005 stattgefunden haben musste. Dies hat er nachvollziehbar damit begründet, dass es durchaus üblich sei, dass die ab dem Jahr 1998 von der Beklagten bezogenen Anbauverdichter mit dem hydraulischen Wechselsystem nach vier Jahren einen Lagerschaden bekamen bzw. kaputtgingen, da deren Lager mit einer Fettpresse habe geschmiert werden müssen. Daraus hat er den Rückschluss gezogen, dass der Umbau des Anbauverdichters aus der Serie des Jahres 1999 ungefähr im Jahr 2003 erfolgt sei, jedenfalls aber noch vor dem Jahr 2005.
  106. Die Bekundungen des Zeugen K fügen sich auch in die Bekundungen des Zeugen I, Maschinenführer und Polierer bei der Beklagten, ein. Dieser hat auf Vorhalt der Anlage DP 1 zu seiner eidesstattlichen Versicherung der Anlage AK 10 angegeben, dass ihm der dort abgebildete umgebaute Anbauverdichter bekannt sei. Er habe ihn bei seiner Arbeit selbst mehrfach auf Baustellen gesehen. Diesen habe man mit Gabelzinken transportieren können, indem man diese in die Aussparungen hineingefahren habe. Für seine Erinnerungsfähigkeit in diesem Punkt spricht, dass er bekundet hat, er habe die Aussparungen bei der Wartung der Maschine gesehen und sich über diese gewundert. Zwar vermochte er nicht mehr anzugeben, wann er diesen umgebauten Anbauverdichter das erste Mal gesehen hat. Insoweit sei dies „schon viele Jahre her“. Erst nach Vorhalt seiner Angaben in seiner eidesstattlichen Versicherung, dass dies ungefähr im Jahr 1999/2000 gewesen sein müsse, hat er bekundet, dass es dann auch ungefähr dieser Zeitraum gewesen sein müsse. Auch wenn allein aufgrund dieser eher vagen Angaben des Zeugen I nicht festgestellt werden kann, dass der umgebaute Anbauverdichter bereits im Jahr 1999 oder 2000 hergestellt wurde, widerspricht seine Aussage aber auch nicht der glaubhaften Bekundung des Zeugen K, dass die Herstellung jedenfalls vor dem Jahr 2005 erfolgt sei, sondern stützt diese.
  107. Der Zeuge J, der als Rohrleger bei der Beklagten tätig ist, vermochte ebenfalls zu bestätigen, dass er den umgebauten Anbauverdichter „mit Löchern“, wie aus der Anlage DP 1 der als Anlage AK 10 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ersichtlich, auf Baustellen der Beklagten schon mal gesehen habe und er ihm insbesondere aufgrund der seitlichen „Löcher“ aufgefallen sei. Zwar vermochte der Zeuge J zu dem genauen Zeitpunkt oder Zeitraum, wann er den umgebauten Anbauverdichter gesehen hat, keine verlässlichen Angaben zu machen. Seine hierzu eher vagen Angaben stützen indes die zeitliche Einordnung des Zeugen K. Insoweit hat der Zeuge J angegeben, den umgebauten Anbauverdichter jedenfalls im Zeitraum seiner dreijährigen Ausbildung ab dem Jahr 1999 – und damit bis zum Jahr 2003 – nicht gesehen zu haben, erst „danach irgendwann“ und das sei „viele Jahre her“.
  108. bb.
    Der umgebaute Anbauverdichter verwirklichte alle Merkmale des geltend gemachten – nunmehr eingeschränkten – Klagepatentanspruchs 1, insbesondere weist er – entsprechend der angegriffenen Ausführungsform (s.o.) – voneinander beabstandete und axial fluchtende Aussparungen in rechteckiger Form im Sinne von Merkmalsgruppe 5 und Merkmal 7 auf, die so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken einer Hubgabel eingreifen kann. Dies stellt die Klägerin auch nicht in Abrede, sondern wendet lediglich ein, die Vorbenutzung sei von der Beklagten weder hinreichend dargetan noch bewiesen.
  109. Dem Erfindungsbesitz steht es nicht entgegen, dass vor dem Prioritätszeitpunkt von der Beklagten lediglich ein einzelnes Exemplar eines Anbauverdichters im vorgenannten Sinne umgebaut wurde, der lediglich auf eigenen Baustellen der Beklagten zum Einsatz gelangte. Für das Vorliegen von Erfindungsbesitz muss es insoweit zu einer Erkenntnis gekommen sein, die es jederzeit möglich macht, die technische Lehre planmäßig und wiederholbar auszuführen. Daran fehlt es zwar unter anderem, wenn das technische Handeln über das Stadium von Versuchen noch nicht hinausgegangen ist oder ein Gegenstand benutzt worden ist, der lediglich in einzelnen Exemplaren „zufällig“ die erfindungsgemäßen Eigenschaften aufgewiesen hat (BGH, GRUR 2012, 895, 896 – Desmopressin, m.w.N.). Dies ist in Bezug auf den von der Beklagten umgebauten Anbauverdichter jedoch nicht der Fall. Die Beweisaufnahme hat insoweit ergeben, dass der erfindungsgemäße Umbau des Anbauverdichters und insbesondere das Versehen desselben mit rechteckigen Aussparungen gemäß der Merkmalsgruppe 5 und des Merkmals 7 nicht rein „zufällig“ oder im Rahmen von Versuchen vorgenommen wurde, sondern vor dem Hintergrund einer verbesserten Transportierbarkeit des Anbauverdichters. Insoweit hat der Zeuge K, der den Umbau selbst vorgenommen hat, bekundet, dass er die rechteckigen Aussparungen während einer Reparatur des XXX eingebrannt habe, um den Anbauverdichter mit dem Gabelstapler transportieren zu können bzw. „stapelbar“ zu machen; der Anbauverdichter sei dadurch einfacher im „Handling“ gewesen. Dies sei gerade durch das Hinzufügen der Aussparungen erreicht worden, durch die die Gabelstaplerzinken hindurchgeschoben werden konnten. Damit ist der Umbau des Anbauverdichters XXX durch den Zeugen K gerade zur Erzielung der erfindungsgemäßen Eigenschaften im Hinblick auf einen verbesserten, einfachen und sicheren Transport (entsprechend der Aufgabe des Klagepatents, Abs. [0005]) planmäßig und wiederholbar durchgeführt worden.
  110. b.
    Die Beklagte hat den Erfindungsbesitz im Inland vor dem Prioritätszeitpunkt, dem 20. Juni 2012, betätigt.
  111. aa.
    Der Vorbenutzungsberechtigte muss den Erfindungsbesitz im Inland spätestens zum Prioritätszeitpunkt betätigt haben. Dies kann nach § 12 PatG primär durch – auch nur einmalige – Benutzungshandlungen nach den §§ 9, 10 PatG erfolgen, subsidiär auch durch Veranstaltungen zur alsbaldigen Aufnahme der Benutzung (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 16. Aufl. 2024, Kap. E Rn. 656 f.). Auch wenn die Benutzungshandlungen nach § 12 PatG ihrer Art nach den in §§ 9, 10 PatG beschriebenen Handlungen entsprechen, begründen sie ein privates Vorbenutzungsrecht nur dann, wenn sie bereits die Ernsthaftigkeit einer gewerblichen Nutzungsabsicht in die Tat umsetzen, anderenfalls fehlt es an einem vorhandenen oder angelegten gewerblichen Besitzstand. Ist diese Voraussetzung erfüllt, genügt zur Herstellung die Fertigung kleiner Serien in Handarbeit und sogar die Fertigung eines einzigen verkaufsreifen Modells; mangels Erkennbarkeit eines ernsthaften Benutzungswillens ist dagegen die einmalige Anfertigung eines unverkäuflichen Modells noch keine Herstellung i.S.d. § 12 PatG; eine solche Maßnahme kann aber als Veranstaltung ein privates Vorbenutzungsrecht begründen. Auch die Herstellung eines noch zu testenden Prototyps verwirklicht noch keine ernsthafte Benutzungsabsicht, weil der Produktionsbeginn noch völlig offen ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 26. Oktober 2006 – I-2 U 109/03, BeckRS 2008, 5802 Rn. 30; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. Januar 2007 – I-2 U 65/05 –, Rn. 87, juris; vgl. RG GRUR 1943, 286, 287, 288 – Verbinderhaken).
  112. bb.
    Nach diesen Maßstäben und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls hat die Beklagte den Erfindungsbesitz betätigt, indem sie bereits vor dem Prioritätszeitpunkt den vorbezeichneten umgebauten Anbauverdichter i.S.d. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG hergestellt und gebraucht sowie zu diesen Zwecken besessen hat.
  113. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Beklagte jedenfalls noch vor dem Jahr 2005 einen Anbauverdichter eines anderen Herstellers so umgebaut, dass er alle Merkmale des Klagepatentanspruchs in der hier geltend gemachten Fassung verwirklicht (s.o.). Darin liegt unproblematisch eine Herstellung i.S.d. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG und ein Besitzen hierzu.
  114. Ferner hat die Beklagte den umgebauten Anbauverdichter – jedenfalls sporadisch – auf eigenen Baustellen bestimmungsgemäß eingesetzt und damit gemäß § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG gebraucht und zu diesem Zwecke besessen. Unter die Benutzungsart des Gebrauchens fällt insoweit jedwede sinnvolle im weitesten Sinne bestimmungsgemäße Benutzung des patentierten Erzeugnisses einschließlich des Verbrauchs und der Weiterverarbeitung sowie alle üblichen Maßnahmen zur Inbetriebnahme (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. März 2007 – I-2 U 128/05 –, Rn. 12, juris; BGH, GRUR 1964, 491, 493 – Chloramphenicol; Benkard PatG/Scharen, 12. Aufl. 2023, PatG § 9 Rn. 46), wozu der hiesige Einsatz des umgebauten Anbauverdichters auf Baustellen zählt. Dass dieser auf Baustellen der Beklagten vor dem Prioritätszeitpunkt eingesetzt wurde, steht zur Überzeugung der Kammer fest. Insoweit haben die Zeugen aus eigener Anschauung übereinstimmend bekundet, dass der umgebaute Anbauverdichter bei der Beklagten jedenfalls auf eigenen Baustellen genutzt wurde.
  115. Dem Gebrauchen i.S.d. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG steht auch nicht entgegen, dass nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Überzeugung der Kammer festgestellt werden konnte, dass der umgebaute Anbauverdichter im Rahmen seines Einsatzes tatsächlich einmal unter Ausnutzung der eingebrachten Aussparungen mit dem Gabelstapler transportiert wurde. Insoweit hat keiner der Zeugen glaubhaft angegeben, sich an einen Transport mittels Gabelstapler unter Ausnutzung der Aussparungen erinnern zu können. Soweit der Zeuge K bekundet hat, sie hätten den umgebauten Anbauverdichter vom Betriebshof zur Werkstatt transportiert „und auch zur Verladung mittels Gabelstapler“, so wird daraus schon nicht hinreichend deutlich, ob der umgebaute Anbauverdichter mit einem Gabelstapler mithilfe der Aussparungen transportiert wurde oder ggf. auf einer Palette. Der Zeuge I hat hierzu bekundet, dass er auf der Baustelle nicht gesehen habe, dass ein Gabelstapler den umgebauten Anbauverdichter bewegt hat, sondern dies durch einen Radlader geschehen sei. Auch der Zeuge J hat angegeben, dass der umgebaute Anbauverdichter immer mit einem Bagger auf einen Lkw geladen und so transportiert worden sei. Ein Transport mittels Gabelstapler unter Ausnutzung der Aussparungen ist für die Betätigung des Erfindungsbesitzes aber ohnehin nicht erforderlich. Denn ein patentverletzendes Gebrauchen i.S.d. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG – und damit auch ein Gebrauchen zur Betätigung des Erfindungsbesitzes im Rahmen des Vorbenutzungsrechts – liegt auch dann vor, wenn eine Vorrichtung eines Sachanspruches regelmäßig nicht im Sinne der patentverletzenden Lehre bedient wird, solange die Merkmale des Patentanspruchs – wie hier – verwirklicht sind und die Vorrichtung objektiv geeignet ist, die patentgemäßen Eigenschaften und Wirkungen zu erreichen (vgl. BGH, GRUR 2006, 399, Rn. 21 – Rangierkatze, m.w.N.). Insofern schützt der Sachanspruch grundsätzlich jede mögliche bestimmungsgemäße Verwendung und nicht nur den erfindungsgemäßen Gebrauch, bei dem die mit der Erfindung erzielten Vorteile zur Geltung kommen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 22. März 2007 – I-2 U 128/05, Rn. 12, -juris).
  116. Ferner ist für das Entstehen des Vorbenutzungsrechts unerheblich, dass – insoweit unstreitig – nur ein Exemplar des umgebauten Anbauverdichters hergestellt und nur sporadisch auf den Baustellen der Beklagten eingesetzt wurde. Das Entstehen des Vorbenutzungsrechts hängt insofern nicht davon ab, dass der Aufwand an Kraft, Zeit und Kapital wirtschaftlich erheblich ist (BGH, Urteil vom 17. November 1970 – X ZR 13/69, BeckRS 1970, 220, Rn. 27).
  117. Die Herstellung und das Gebrauchen des umgebauten Anbauverdichters erfolgte ferner gewerbsmäßig bzw. in gewerblicher Nutzungsabsicht (vgl. zum Erfordernis der Gewerbsmäßigkeit: Benkard PatG/Scharen, 12. Aufl. 2023, PatG § 12 Rn. 10 und Keukenschrijver in: Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 9. Aufl. 2020, § 12, jeweils m.w.N.). Der umgebaute Anbauverdichter wurde ersichtlich nicht im privaten Bereich, sondern auf Baustellen der Beklagten im Rahmen der Ausübung ihrer gewerblichen Tätigkeit gebraucht. Auf eine Entgeltlichkeit kommt es insoweit nicht an (Keukenschrijver in: Busse/Keukenschrijver, a.a.O. unter Verweis auf ÖOGH ÖBl 1973, 126 – Möbelbeschlagteile).
  118. 3.
    Die Beklagte kann sich indes auf kein Vorbenutzungsrecht berufen, weil sie die erfolgte Benutzung bis zur Anmeldung des Patents bzw. dem Prioritätszeitpunkt freiwillig aufgegeben hat.
  119. a.
    Hat der Vorbenutzer den Gegenstand der Erfindung mindestens in einem Fall benutzt, ist es zur Entstehung und zum Fortbestand des Vorbenutzungsrechts zwar grundsätzlich nicht erforderlich, dass die Benutzung kontinuierlich fortgesetzt wird. Ein Vorbenutzungsrecht besteht in diesem Fall aber dann nicht, wenn eine erfolgte Benutzung bis zur Anmeldung des Patents bzw. dem Prioritätszeitpunkt nicht nur vorübergehend, sondern endgültig bzw. – damit gleichgestellt – für unbestimmte Zeit und freiwillig aufgegeben wird (OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814 Rn. 111 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen, m.w.N.; BGH, GRUR 2019, 1171 Rn. 55 – Schutzverkleidung; GRUR 1969, 35 – EuropaJe, m.w.N.; GRUR 1965, 411 [413] – Lacktränkeinrichtung; vgl. hierzu auch Kühnen, a.a.O., Kap. E Rn. 659, m.w.N.). Ein solcher Verzichtswille muss erkennbar hervortreten, wobei auf das Gesamtverhalten vor der Anmeldung abzustellen ist (OLG Düsseldorf a.a.O.; BGH, GRUR 1965, 411 [413] – Lacktränkeinrichtung; vgl. zu „Veranstaltungen“ BGH, GRUR 1969, 35 – EuropaJe). Eine nur vorübergehende Unterbrechung der Benutzung reicht bei vorangegangenen Benutzungshandlungen und fortdauerndem Benutzungswillen zur Verneinung des Vorbenutzungsrechts nicht aus (BGH, GRUR 1969, 35 – EuropaJe, m.w.N.; RG, Urteil vom 9. Februar 1929 – I 240/28, RGZ 123, 252 – Vakuumröhre, -juris).
  120. b.
    Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte die Benutzung der Erfindung aufgegeben. Ein fortdauernder Benutzungswille der Beklagten im Prioritätszeitpunkt ist nicht feststellbar. Vielmehr geht aus dem Gesamtverhalten der Beklagten vor der Anmeldung des Klagepatents und dem – insoweit indiziell zu berücksichtigenden – Verhalten danach hervor, dass sie sowohl die Herstellung als auch den Gebrauch des umgebauten Anbauverdichters im Prioritätszeitpunkt jedenfalls für unbestimmte Zeit freiwillig aufgegeben hatte.
  121. aa.
    Die Herstellung des umgebauten Anbauverdichters wurde bereits Jahre vor dem Prioritätszeitpunkt nicht nur vorübergehend, sondern für unbestimmte Zeit aufgegeben. Die Beklagte hatte einmalig vor dem Prioritätstag des Klagepatents einen Anbauverdichter umgebaut und mit erfindungsgemäßen Staplertaschen versehen, danach aber trotz verschiedener Möglichkeiten zur weiteren Betätigung des Erfindungsbesitzes auf nicht absehbare Zeit von der Herstellung erfindungsgemäßer Anbauverdichter abgesehen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der genaue Zeitpunkt der Herstellung des umgebauten Anbauverdichters zwar nicht erwiesen. Zur Überzeugung der Kammer steht indes fest, dass das eine Exemplar des umgebauten Anbauverdichters noch vor dem Jahr 2005 hergestellt wurde (s.o.). Nicht nur wurden in den nächsten (über) sieben Jahren bis zum Prioritätszeitpunkt am 20. Juni 2012 keine weiteren Exemplare von Anbauverdichtern mit Staplertaschen von der Beklagten hergestellt, obwohl der Zeuge K – wie er bekundet hat – in dieser Zeit weitere Anbauverdichter mit einem Lagerschaden in seiner Werkstatt zur Reparatur hatte, bei denen ein Umbau unschwer möglich war. Auch nach dem Prioritätszeitpunkt vergingen fast weitere vier Jahre bis die angegriffene Ausführungsform hergestellt wurde, obwohl die Beklagte zwischenzeitlich den Vertrieb von Anbauverdichtern an Dritte aufgenommen hatte. Insoweit sind nach dem von der Beklagten unbeanstandeten Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung Anbauverdichter der Beklagten mit Staplertaschen das erste Mal auf der Baumaschinen- und Bergbaumesse 2016 zu sehen gewesen. Gegen einen Benutzungswillen im Prioritätszeitpunkt spricht ferner indiziell, dass die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag in der mündlichen Verhandlung bereits seit 20 Jahren Anbauverdichter selbst herstellt und schon in Vorbereitung der Baumaschinen- und Bergbaumesse im Jahr 2013 entschied, von ihr hergestellte Anbauverdichter an Dritte zu veräußern, allerdings ohne dass festgestellt werden konnte, dass diese zu diesem Zeitpunkt bereits mit Staplertaschen versehen waren. Warum nicht jedenfalls zu diesem Zeitpunkt, zu dem der Zeuge K noch im Betrieb der Beklagten tätig war, auf die damalige Erfindung zurückgegriffen wurde, ist nur damit zu erklären, dass weder zu diesem Zeitpunkt noch im Prioritätszeitpunkt oder überhaupt zu irgendeinem späteren Zeitpunkt beabsichtigt war, weitere Anbauverdichter mit den klagepatentgemäßen Merkmalen herzustellen. Dafür sprechen schließlich auch die Bekundungen des Zeugen K, dass er nur bei einem Exemplar eines Anbauverdichters Staplertaschen eingebracht habe und dies quasi „auf seinem Mist gewachsen sei“, weil es von der Baustelle nicht gefordert gewesen sei und es daher bei den anderen Anbauverdichtern „im Sande verlaufen“ sei. Nach alledem kann nur davon ausgegangen werden, dass nach dem einmaligen Umbau des einen Anbauverdichters die Verwendung von Staplertaschen in Anbauverdichtern von der Beklagten nicht als vorteilhaft angesehen wurde, jedenfalls aber nicht weiter erwünscht war und aus freien Stücken fallengelassen wurde.
  122. bb.
    Auch ein fortdauernder Wille zum Gebrauch des umgebauten Anbauverdichters im Prioritätszeitpunkt ist unter Berücksichtigung des Vorgenannten nicht erkennbar. Es kann bereits nicht zur Überzeugung der Kammer festgestellt werden, bis wann der umgebaute Anbauverdichter bei der Beklagten auf ihren Baustellen überhaupt eingesetzt und damit i.S.d. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG gebraucht wurde.
  123. So waren die Zeugenaussagen hierzu überwiegend unergiebig. Der Zeuge K hat hierzu bekundet, alle Anbauverdichter des Typs XXX seien „permanent“ auf verschiedenen Baustellen im Einsatz gewesen, er konnte aber keine Aussage dazu treffen, welcher Anbauverdichter auf welchen Baustellen im Einsatz gewesen ist, so dass anhand seiner Bekundungen nicht nachvollzogen werden kann, bis wann der umgebaute Anbauverdichter eingesetzt wurde. Jedenfalls im Zeitpunkt der Zeugenvernehmung war er aber nach den Angaben des Zeugen K nicht mehr in Benutzung. Auch der Zeuge J konnte hierzu keine verlässlichen Angaben machen. Nach seinen Bekundungen, sei es schon „viele Jahre her“, dass er den umgebauten Anbauverdichter das letzte Mal gesehen habe. Soweit der Zeuge I im Rahmen seiner Zeugenvernehmung bekundet hat, der umgebaute Anbauverdichter sei im Zeitraum von 1999 bis 2009 auf von ihm bearbeiteten Baustellen im Einsatz gewesen, bestehen Zweifel an der Glaubhaftigkeit, was den konkreten Zeitraum angeht. Denn seine Aussage ist diesbezüglich inkonsistent. So hat er zunächst angegeben, dass er nicht mehr sagen könne, wann er einen Anbauverdichter mit Staplertaschen auf der Baustelle gesehen habe, es sei jedenfalls „schon viele Jahre her“. Erst auf Vorhalt seiner eidesstattlichen Versicherung (Anlage DP 1 der Anlage AK 10) hat er angegeben, erstmals müsse das ungefähr im Jahre 1999/2000 gewesen sein. Sodann vermochte er sich auf Nachfrage zu erinnern, dass dieser spezielle Anbauverdichter mit den Staplertaschen im Zeitraum von 1999 bis 2009 auf von ihm bearbeiteten Baustellen im Einsatz gewesen sei, nur um dies dann auf spätere Nachfrage hin zu relativieren, dass er nicht mehr sagen könne, bis wann der umgebaute Anbauverdichter im Einsatz gewesen sei, insbesondere nicht, ob das noch im Jahr 2013 der Fall gewesen sei. Die darauffolgende Angabe, dass er zumindest wisse, dass er ihn ab dem Jahr 2012 nicht mehr gesehen habe, besagt nicht zwangsläufig, dass er den umgebauten Anbauverdichter noch im Jahr 2011 auf Baustellen der Beklagten gesehen hat. Denn seine Angaben sind vor dem Hintergrund seiner als Anlage DP 1 zur Anlage AK 10 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 8. Februar 2018 zu werten. Dort gab der Zeuge I an, dass er vom 1. Mai 1989 bis 30. Juni 2009 bei der Beklagten als Maschinist tätig gewesen sei und dann – nach einer Pause – erst wieder ab dem 1. August 2012. Seine Angaben sind vor diesem Hintergrund dahingehend zu verstehen, dass er den umgebauten Anbauverdichter während seiner Tätigkeit bis zum Jahr 2009 auf Baustellen gesehen habe, aber jedenfalls nicht mehr ab der Fortsetzung seiner Tätigkeit für die Beklagte ab dem Jahr 2012. Die Angabe, der umgebaute Anbauverdichter sei bis 2009 auf Baustellen der Beklagten im Einsatz gewesen, ist auch vor dem Hintergrund nicht glaubhaft, als dass er in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 8. Februar 2018 gerade noch keinen konkreten Zeitraum benannt hat, in welchem der umgebaute Anbauverdichter eingesetzt worden sein soll. Hierzu hatte er lediglich angegeben, der umgebaute Anbauverdichter sei seit ungefähr 1999/2000 „über viele Jahre“ auf unzähligen Baustellen im Einsatz gewesen. Konkrete und belastbare Angaben dazu, wann er den umgebauten Anbauverdichter das letzte Mal auf Baustellen der Beklagten gesehen hat, vermochte der Zeuge I daher nicht zu machen.
  124. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, dass der umgebaute Anbauverdichter noch (irgendwann) im Jahr 2009 auf einer der Baustellen der Beklagten gesehen wurde, spricht die Nichtbenutzung von jedenfalls sechs Jahren gegen einen fortdauernden Benutzungswillen im Prioritätszeitpunkt. Insoweit sind weitere konkrete Gebrauchshandlungen nach 2009 – auch nach dem Prioritätszeitpunkt – bis zur Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform im Jahr 2016 weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Zwar kann es nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts für einen Benutzungswillen einer Maschine oder eines Verfahrens grundsätzlich genügen, wenn diese zu dem Bestand von technischen Mitteln eines Unternehmens gehören, deren sich das Unternehmen nach Bedarf bedient (vgl. RG, Urteil vom 9. Februar 1929 – I 240/28, RGZ 123, 252 – Vakuumröhre, -juris). Insoweit ist der umgebaute Anbauverdichter nach dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch weiterhin im Betrieb der Beklagten vorhanden. Sollte man – der vorzitierten Rechtsprechung des Reichsgerichts folgend – die reine Möglichkeit der Nutzung der sich im Bestand des Vorbenutzers befindlichen technischen Mittel ausreichen lassen, muss aber jedenfalls die Möglichkeit eines tatsächlichen Gebrauchs des jeweiligen Mittels, hier des umgebauten Anbauverdichters, bestehen. Dafür muss das technische Mittel grundsätzlich einsatzbereit sein, weil der Vorbenutzer andernfalls nicht aus dem Bestand auf dieses zugreifen könnte. Die Beklagte trifft für diesen Umstand jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast, da sich der Zustand der Baugerätschaften und Werkzeuge, die sich im Bestand der Beklagten befinden oder befunden haben, dem Wahrnehmungsbereich der Klägerin entzieht. Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht hinreichend nachgekommen. Aus ihrem Vortrag ergibt sich nicht, ob der bei ihr noch vorhandene umgebaute Anbauverdichter überhaupt funktionstüchtig ist oder bis zu welchem Zeitpunkt dieser eingesetzt werden konnte. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der Bekundungen des Zeugen K, wonach die Anbauverdichter mit hydraulischem Wechselsystem bereits nach ca. vier Jahren einen Lagerschaden bekamen bzw. kaputtgingen und repariert werden mussten. Dass der umgebaute Anbauverdichter nach dem Einbringen der Staplertaschen irgendwann noch einmal repariert wurde, ist weder vorgetragen worden noch hat der Zeuge K dies bekundet.
  125. Im Ergebnis lassen die hier festgestellten Tatsachen erkennen, dass die Beklagte nicht vorhatte, den von dem Zeugen K in Eigenregie umgebauten Anbauverdichter im Prioritätszeitpunkt weiter zu gebrauchen, geschweige denn weitere solcher Anbauverdichter mit Staplertaschen herzustellen. Zwar wurde der einmal umgebaute Anbauverdichter über einen gewissen, nicht näher bestimmbaren Zeitraum verwendet, aber schon für diese Zeit lässt sich ein Wille, weitere Anbauverdichter mit erfindungsgemäßen Staplertaschen herzustellen, nicht feststellen. Spätestens mit der Aufgabe der Benutzung des umgebauten Anbauverdichters fiel der Benutzungswille dann vollends weg.
  126. cc.
    Schließlich steht auch die Entscheidung „Schutzverkleidung“ des BGH (GRUR 2019, 1171; Vorinstanz: OLG Düsseldorf, GRUR 2018, 814 – Schutzverkleidung für funktechnische Anlagen) einer Aufgabe des Vorbenutzungsrechts nicht entgegen. Soweit dort eine Aufgabe des Vorbenutzungsrechts nicht angenommen wurde, obwohl seit den das Vorbenutzungsrecht begründenden Benutzungshandlungen – der Errichtung eines Radoms – bis zur weiteren Benutzung – dem Bau des angegriffenen Radoms – fast zehn Jahre vergingen, war dies dem Umstand geschuldet, dass der dortige Vorbenutzer Umstände dargelegt hatte, die den Zeitraum der Inaktivität zu erläutern vermochten. So hatte der dortige Vorbenutzer dargetan, dass es sich um Sonderanlagen handele, für die es nur einen zeitlich schwankenden Bedarf gegeben habe (BGH, a.a.O., Rn. 56). Solche Umstände sind im Streitfall weder dargelegt worden noch sonst ersichtlich. Auch ist nicht dargetan, dass es sich bei Anbauverdichtern um nach den Spezifikationen der Auftraggeber zu erstellende Einzelanfertigungen handelt. Vielmehr bleiben die genauen Umstände der Benutzung des umgebauten Anbauverdichters und die Überlegungen der Beklagten zu der Wiederaufnahme der Benutzung viele Jahre später im Unklaren. Schließlich ist von der Beklagten auch nicht dargetan worden, dass die Aufgabe der Benutzungshandlungen aus sonstigen Gründen nicht freiwillig gewesen wäre.
  127. IV.
    Die Beklagte nimmt, ohne dazu berechtigt zu sein, die Benutzungshandlungen des Herstellens, Anbietens und Gebrauchens in der Bundesrepublik Deutschland vor, § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG. Die von der Klägerin vorgetragenen Benutzungshandlungen der Beklagten sind insoweit unstreitig geblieben. Das schutzrechtsverletzende Angebot begründet im Streitfall zudem eine ausreichende Begehungsgefahr für die weiteren Benutzungsformen des Inverkehrbringens, Einführens und Besitzens zu diesem Zwecke (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 (262) = InstGE 7, 139 – Thermocycler).
  128. Aufgrund der festgestellten Patentverletzung der Beklagten ergeben sich die nachfolgenden Rechtsfolgen.
  129. 1.
    Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung der Beklagten erfolgt ist. Diese hat die durch die Benutzung indizierte Wiederholungsgefahr zudem nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung ausgeräumt.
  130. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die in der Zeit vom 29. Mai 2015 bis zum 5. Juli 2018 begangenen Handlungen gemäß § 33 PatG.
  131. Ferner hat die Klägerin für die seit dem 6. Juli 2018 begangenen Handlungen dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen könne, § 276 BGB. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
  132. 3.
    Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den Entschädigungs- und Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ab dem Tag der Bekanntmachung des Hinweises für die Patenterteilung, hier ab dem 6. Juni 2018, ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstandes unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ; der Umfang der Auskunftspflicht ergibt sich aus § 140b Abs. 3 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die weitergehende Auskunftspflicht folgt aus §§ 242, 259 BGB i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ. Die Klägerin ist im Übrigen auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  133. 4.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte zudem einen Anspruch auf Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß § 140a Abs. 1 PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ, jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Denn eine Verpflichtung der Beklagten ausschließlich zur Vernichtung der (ganzen) angegriffenen Ausführungsform ist unverhältnismäßig.
  134. Nach § 140a PatG sind in der Regel die schutzrechtsverletzenden Erzeugnisse zu vernichten und nur ausnahmsweise kann davon Abstand genommen werden, wobei der Verletzer für die Umstände darlegungs- und beweispflichtig ist, dass der durch die Rechtsverletzung verursachte Zustand des Erzeugnisses auf andere Weise beseitigt werden kann und die Vernichtung für ihn unverhältnismäßig ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2006, Az. I-2 U 58/05 – Thermocycler, juris). Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Erzeugnis, welches Gegenstand eines Patents ist, in einem technischen Merkmal so abgeändert wird, dass es nicht mehr unter den Schutzbereich des Patents fällt (Benkard PatG/Grabinski/Zülch/Tochtermann, 12. Aufl. 2023, PatG § 140a Rn. 8b). Der Unverhältnismäßigkeit steht es jedoch entgegen, wenn die Gefahr besteht, dass die schutzrechtsverletzende Ware von Dritten nachträglich wieder in den patentverletzenden Zustand versetzt wird (OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. Dezember 2006, Az. I-2 U 58/05 – Thermocycler, juris).
  135. In der tenorierten Art und Weise der Abänderung jedenfalls einer der Aussparungen der angegriffenen Ausführungsform wird diese in einem technischen Merkmal so abgeändert, dass sie nicht mehr in den Schutzbereich des Klagepatents fällt. Denn Merkmal 7, das eine Aussparung in rechteckiger Form erfordert, ist bei entsprechender Abänderung nicht mehr verwirklicht. Diese Teilvernichtung ist als das im Verhältnis zur vollständigen Vernichtung mildere, aber gleichwohl noch geeignete Mittel anzusehen. Eine Gefahr, dass von Seiten der Abnehmer der angegriffenen Ausführungsform durch nachträgliche Manipulationen wieder der patentverletzende Zustand hergestellt und der entsprechende Anbauverdichter in diesem Zustand wieder in den Verkehr gebracht wird, besteht nicht. Denn der so veränderte Anbauverdichter kann weiterhin bestimmungsgemäß verwendet werden. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass für die Abnehmer, die herausgenommen Materialteile der Aussparung wieder – mit entsprechendem Aufwand – hinzuzufügen, so dass dies auch nicht zu erwarten ist.
  136. Dass die vorgenannte gleichermaßen geeignete und eine Wiederherstellung des patentverletzenden Zustandes ausschließende Alternative zur Vernichtung besteht, spricht bereits für die Unverhältnismäßigkeit einer vollständigen Vernichtung (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. Mai 2018 – I-2 U 47/17, GRUR-RS 2018, 13140 – Trinkbehälteranordnung und OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. November 2020 – I-2 U 63/19, GRUR-RR 2021, 15 Rn. 56 – Bodenbelag, wonach es auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne in einem solchen Fall schon nicht mehr ankommt). Diese ergibt sich ferner aus dem geringen zeitlichen und finanziellen Aufwand der Umgestaltung im Vergleich zur Vollvernichtung. Insoweit hat die Beklagte vorgetragen, dass es eines Arbeitsaufwandes von lediglich maximal einer halben Stunde bedürfe, eine Aussparung der angegriffenen Ausführungsform in ihrer Form abzuändern. Die Abänderung ist ohne Zweifel kostengünstiger und damit wirtschaftlicher als die Vernichtung der gesamten angegriffenen Ausführungsform. Dass die Funktionsweise des Anbauverdichters dadurch beeinträchtigt würde, ist nicht ersichtlich.
  137. 5.
    Die Beklagte ist gemäß § 140a Abs. 3 S. 1, 1. Alt. PatG i. V. m. Art. 64 Abs. 1 EPÜ zum Rückruf in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise verpflichtet.
  138. 6.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte schließlich keinen Anspruch auf Erstattung der ihr vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten aus § 139 Abs. 2 PatG bzw. §§ 683, 677, 670 BGB in Höhe von 3.509,19 EUR. Denn die Abmahnung der Klägerin (Anlage AK 5) wurde ausschließlich auf das parallele Gebrauchsmuster gestützt, das mittlerweile gelöscht wurde. Damit wurde das entsprechende Ausschließlichkeitsrecht durch rechtsgestaltende Entscheidung mit rückwirkender Kraft und mit Wirkung für und gegen alle vernichtet (BGH, GRUR 1968, 86 – Ladegerät), so dass aus dem Gebrauchsmuster keine Ansprüche hergeleitet werden können. Die Abmahnung war daher nicht begründet.
  139. V.
    Zu einer Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsrechtsstreit gemäß § 148 ZPO besteht kein Anlass, nachdem die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes das Klagepatent durch Entscheidung vom 1. Dezember 2022 mit dem hier geltend gemachten Patentanspruch 1 eingeschränkt aufrechterhalten hat.
  140. 1.
    Wenn das Klagepatent – wie hier – mit einem Einspruchsverfahren oder einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es einen Widerruf oder eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über das Einspruchsverfahren oder die Nichtigkeitsklage entschieden ist (vgl. BGH, GRUR 2014, 1237 Rn. 4 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Rückruf und Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch den Widerruf oder die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch bzw. der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 Rn. 4 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 3. November 2022 – 2 U 58/22, GRUR-RS 2022, 36874 Rn. 114 – elektrohydraulisches Pressgerät; GRUR-RS 2021, 39600, Rn. 74 – Rasierapparat; GRUR-RS 2018, 34555 Rn. 109 – Papierrollensäge).
  141. Wurde das Klagepatent – wie hier – bereits in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bestätigt, so hat das Verletzungsgericht grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Klagepatents hinzunehmen. Grund, die parallele Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einer Verurteilung vorerst abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der Angriff auf den Rechtsbestand nunmehr auf (z. B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 9. Dezember 2021 – I-2 U 1/21, GRUR-RS 2021, 39600 Rn. 75 – Rasierapparat; GRUR-RR 2021, 465 Rn. 15-19 – Cinacalcet III; jeweils m.w.N.)
  142. 2.
    Hiervon ausgehend ist der Rechtsbestand des Klagepatents hinreichend gesichert, da es von dem EPA mit Entscheidung vom 1. Dezember 2022 im Umfang des hier geltend gemachten Anspruchs 1 aufrechterhalten wurde, wobei sich das EPA in seiner Entscheidung ausführlich mit den durch die Beklagte erhobenen Einspruchsgründen beschäftigt und diese nur teilweise, im Umfang der Aufrechterhaltung, für durchgreifend erachtet hat.
  143. Die Beklagte hat keine besonderen Umstände aufgezeigt, die es aus Sicht der Kammer rechtfertigten, von der erstinstanzlichen Entscheidung des EPA zu ihren Gunsten abzuweichen. Weder hat sie aufgezeigt, dass die Argumentation des EPA unvertretbar ist, noch dass ein mit der eingelegten Beschwerde unternommener Angriff auf das Klagepatent auf erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die das EPA noch nicht berücksichtigt und beschieden hätte.
  144. a.
    Der Gegenstand des Klagepatents in seiner hier geltend gemachten Fassung ist auch unter Berücksichtigung des neueren Vorbringens der Beklagten im hiesigen Streitverfahren gegenüber dem Stand der Technik neu.
  145. aa.
    Die Lehre des Klagepatentanspruchs 1 ist nicht durch die D1 (JP XXX Y2) neuheitsschädlich offenbart. Diese betrifft einen Kompaktor bzw. Verdichter, der an einem Gabelstabler fixiert und so geführt werden kann. Es wird gerade nicht offenbart, dass dieser i.S.v. Merkmal 6 an einen Bagger ankuppelbar ist.
  146. bb.
    Die D2 (EP 1 411 XXX A2) betrifft eine Bodenverdichtungsvorrichtung mit einem Schwingungserzeuger zur Bodenverdichtung. Es fehlt jedenfalls an einer Offenbarung des Merkmals 5.1, wonach die in Figur 2 der D2 ersichtlichen schrägen Aussparungen so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken einer Hubgabel eingreifen kann. Insoweit wird der Weg durch den zwischen den Aussparungen befindlichen Mittelsteg versperrt, wie es aus der nachfolgend eingeblendeten, von der Klägerin farblich markierten Figur 2 der D2 hervorgeht:
  147. Ferner fehlt es an Merkmal 7, wonach die Aussparungen eine rechteckige Form aufweisen.
  148. cc.
    Die D3 (DE 43 11 XXX A1) offenbart einen handgeführten Verdichter und damit keinen an einen Bagger ankuppelbaren Anbauverdichter gemäß Merkmal 6.
  149. dd.
    Gleiches gilt für die D4 (US 6,XXX XXX B1), die eine Vibrationsplatte mit einer Bodenkontaktplatte betrifft und ebenfalls keinen an einen Bagger ankuppelbaren Anbauverdichter gemäß Merkmal 6 offenbart. Ferner sind keine rechteckigen Aussparungen gemäß Merkmal 7 offenbart.
  150. ee.
    Auch die D5 (US 5,XXX XXX A), die eine „clutch construction for a reversible walk-behind soil compactor“ beschreibt, ist nicht neuheitsschädlich. Weder offenbart sie, einen an einen Bagger ankuppelbaren Anbauverdichter gemäß Merkmal 6 noch rechteckige Aussparungen gemäß Merkmal 7. Die Vorrichtung verfügt gemäß der nachfolgend eingeblendeten Figur 1 der D5 insoweit über einen Griff („handle 7“), der von einem Anwender („operator“) bedient wird (Sp. 3, Z. 17 D 5: „A handle 7, to be enganged by an operator“).
  151. ff.
    Auch die D6 (EP 1 536 XXX A2) nimmt den Gegenstand des geltend gemachten Klagepatentanspruchs 1 nicht neuheitsschädlich vorweg.
  152. Die D6 offenbart eine Verdichtervorrichtung, die an einen Bagger ankuppelbar ist und eine auswechselbare Verdichterplatte (8) mit einem Umwuchterzeuger aufweist. Nachfolgend wird die Figur 2a der D6 zur Veranschaulichung eingeblendet, die eine Seitenansicht der Verdichtungseinrichtung des Ausführungsbeispiels der Figur 1 zeigt.
  153. Die auswechselbaren Verdichterplatte (8) ist über ein Wechselsystem (7) an einer Platte (6) befestigt, die den Umwuchterzeuger (5) trägt (Abs. [0022] der D6). Zwar entnimmt der Fachmann dem gemäß der Figur 2a der D6 dargestellten Ausführungsbeispiel, dass zwischen Platte und Verdichterplatte (8) ein Zwischenraum und damit eine Aussparung entsteht, nicht aber, dass dieser gemäß den Merkmalen 3 und 4 sowie der Merkmalsgruppe 5 die starren Halteelemente eines Transportmittels in Form der Gabelzinken einer Hubgabel aufnehmen kann bzw. diese in den Zwischenraum eingreifen können. Zudem entnimmt der Fachmann der D6 nicht eindeutig und unmittelbar, dass der Zwischenraum als Aussparung eine rechteckige Form aufweist (Merkmal 7).
  154. Die Einspruchsabteilung des EPA hat hierzu ausgeführt (vgl. Anlage BK 12, S. 29 f.), dass der anspruchsgemäße Gabelzinken einer Hubgabel, auch wenn der Klagepatentanspruch keine expliziten Vorgaben hinsichtlich der Abmessungen mache, dazu geeignet sein müsse, als Transportmittel für einen Bagger-Anbauverdichter verwendet werden zu können. Dies lasse für den Fachmann implizit Rückschlüsse auf bestimmte fachübliche Gabelzinkenabmessungen zu. In der D6 werde indes weder explizit erwähnt, dass in den Bereich zwischen der auswechselbaren Verdichterplatte (8) und der Platte (6) ein Transportmittel in Form eines Gabelzinkens einer Hubgabel eingeschoben werden könne, noch gebe es Hinweise, die auf eine solche Eignung schließen ließen. Insbesondere ließen sich solche nicht aus den Figuren als schematische Darstellungen herleiten. Ferner stelle der durch die auf Abstand gehaltenen Platten (8) und (6) gebildete Zwischenraum keine rechteckförmige Aussparung im Sinne des Merkmals 7 dar, da der Zwischenraum seitlich nicht entsprechend begrenzt sei. Insoweit würden die Verbindungseinrichtungen in Gestalt des Wechselsystems (7) hauptsächlich durch an den Platten angeordnete Laschen gebildet, wie es aus den Figuren 1a/1b der D6 ersichtlich sei.
  155. Eine evidente Unrichtigkeit ist von den Beklagten nicht dargetan. Soweit sie vortragen lässt, der Neuheitsschädlichkeit der D6 könne nicht entgegengehalten werden, dass dort keine konkreten Angaben zu den Dimensionen des Hohlraums zwischen den Platten (6) und (8) gemacht würden, weil auch der Klagepatentanspruch nicht auf die Form oder Größe einer Zinke eines handelsüblichen Gabelstaplers beschränkt sei, so hat sich die Einspruchsabteilung bereits mit diesem Argument auseinandergesetzt. Dass deren Ausführungen unvertretbar wären, ist nicht ersichtlich.
  156. Ferner stellt die Beklagte die Auslegung der Einspruchsabteilung betreffend die rechteckige Form der Aussparung im Sinne von Merkmal 7 im Grundsatz nicht in Abrede. Danach ist eine Aussparung, die eine rechteckige Form aufweist, einer rechteckigen Aussparung gleichzusetzen. Eine rechteckige Form wird durch gegenüberliegende Seiten definiert, die parallel sind, wobei die angrenzenden Seiten rechte Winkel einschließen (vgl. S. 32, Ziff. 33.5 der Anlage BK12). Die Aussparung selbst ist aber, wie aus der nachfolgend eingeblendeten Figur 1a der D6, die eine Schnittdarstellung durch die Verdichtervorrichtung der Figur 2a zeigt, nicht rechteckig im vorgenannten Sinne, da sie seitlich teilweise gar keine Begrenzung aufweist, sondern offen gestaltet ist, und sich die seitliche Beschränkung damit auf die an den Platten angeordneten Laschen der Verbindungseinrichtungen beschränkt:
  157. Die Beklagte legt nicht dar, warum diese Auffassung unvertretbar sein soll. Soweit die Beklagte einwendet, das Klagepatent verlange keine seitliche Begrenzung im Sinne einer Trennwand des Zwischenraums der (einen) Aussparung, so ist dies unerheblich, da die Einspruchsabteilung die Verwirklichung des Merkmals 7 nicht aus diesem Grund abgelehnt hat.
  158. gg.
    Gleiches gilt für die D7 (DE 10 2008 XXX XXX A1), die ebenfalls einen Anbauverdichter für einen Bagger offenbart. Da der Offenbarungsgehalt der D 6 entspricht, wird auf die obigen Ausführungen unter ff. verwiesen (vgl. zu den Ausführungen des EPA hierzu: Anlage BK 12, S. 31).
  159. hh.
    Die D8 (DE 10 2008 XXX XXX A1) betrifft ein Verfahren zur Einstellung und/oder Begrenzung der Anpresskraft eines Anbauverdichters und in Anspruch 11 einen Anbauverdichter zum Anbau an einen Baggerarm. Es werden indes keine Aufnahmeabschnitte im Sinne der Merkmalsgruppe 5 des Klagepatents offenbart. Soweit in der Figur 2 der D8 Aussparungen vorhanden sein sollen, wie aus der nachfolgenden von der Beklagten bearbeiteten Figur 2 der D8 ersichtlich (insoweit blau markiert)
  160. ist für den Fachmann zum einen weder aus der Beschreibung noch aus der Figur unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass in diese die Gabelzinken einer Hufgabel eingreifen können. Zum anderen weisen diese ersichtlich keine rechteckige Form im Sinne von Merkmal 7 auf.
  161. ii.
    Schließlich ist die erfindungsgemäße Lehre des Klagepatents nicht durch die D20 (EP XXX  A 2, Anlage PBP 13) neuheitsschädlich vorweggenommen.
  162. Weder die in dem Ausführungsbeispiel der Figuren 1 bis 3 noch in dem Ausführungsbeispiel der Figur 4 der D20 ersichtlichen Auslassungen weisen eine rechteckige Form nach Merkmal 7 auf, wie es aus den nachfolgend eingeblendeten Figuren 1 und 4 der D20 ersichtlich ist (der rote Rahmen wurde ergänzt).
  163. So sieht es auch die Einspruchsabteilung des EPA (vgl. Anlage BK 12, S. 31 f. des EPA). Darüber hinaus ist – auch nach der Ansicht der Einspruchsabteilung – fraglich, ob die Aussparungen gemäß Merkmal 5.1 so ausgebildet sind, dass in sie der jeweilige Gabelzinken einer Hubgabel eingreifen kann. So ist bei Figur 1 nicht erkennbar, ob wegen des zu erkennenden Motors für das Drehlager und der nicht dargestellten Hydraulikleitungen das Eingreifen der Gabelzinken einer Hufgabel möglich ist. Soweit Figur 4 Aussparungen an der Verbindungseinrichtung der Bodenverdichtungsvorrichtung zeigt, ist ebenfalls nicht erkennbar, ob durch diese tatsächlich ein Gabelzinken einer Hubgabel durchgeführt werden kann. Dies erscheint bereits deshalb zweifelhaft, da diese durch die obere Tragstruktur (14) bzw. die gezeigten Versteifungsbleche überlappt werden, was ein Durchführen eines Gabelzinkens durch die beiden Aufnahmeabschnitte zu verhindern scheint.
  164. Dass diese Auffassung evident unrichtig wäre, haben die Beklagten nicht aufgezeigt. Insbesondere hat sie hierzu keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht, die das EPA noch nicht berücksichtigt und beschieden hätte.
  165. b.
    Die fachkundige Einspruchsabteilung hat angenommen, dass der Gegenstand des beschränkt aufrechterhaltenen Patentanspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, was sie im Einzelnen begründet hat (vgl. Anlage BK 12, S. 32 ff.). Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung in diesem Punkt evident unrichtig bzw. unvertretbar wäre.
  166. Die Einspruchsabteilung des EPA ist zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von der Vorbenutzung „XXX “ als dem nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen. Soweit die Beklagte der Auffassung ist, daneben zähle auch die D 20 zum nächstliegenden Stand der Technik, ist dies im Ergebnis unerheblich, da nach ihrem Vortrag der Offenbarungsgehalt jeweils derselbe ist.
  167. Nach den Ausführungen der Einspruchsabteilung unterscheidet sich die Vorbenutzung „XXX “ lediglich durch das Merkmal 7 vom Gegenstand des hier geltend gemachten Klagepatentanspruchs 1 (rechteckige Form der Aussparungen). Die technische Wirkung dieses Unterscheidungsmerkmals sei darin zu sehen, dass das Bodenverdichtungsgerät über Gabelzinken besonders sicher transportiert werden könne (Anlage BK 12, S. 34, 2. Absatz). Dies ist nicht zu beanstanden und ergibt sich aus Abs. [0011] des Klagepatents, wonach das Bodenverdichtungsgerät durch die rechteckige Form der Aussparung besonders sicher gelagert werden kann, da die Gabelzinken von Hubgabeln in den Aufnahmeabschnitten mindestens weitgehend umfänglich umgeben sind und die Gabelzinken von Hufgabeln meist einen rechteckigen Querschnitt aufweisen, so dass eine Art Formschluss erzielt wird, der ein Moment um die Längsachse des Gabelzinkens übertragen kann. Soweit die Beklagte vortragen lässt, das Merkmal 7 gehe mit keinen technischen Vorteilen einher, hat sich die Einspruchsabteilung mit diesem Argument bereits auseinandergesetzt (Anlage BK 12, S. 34 3. Abs.).
  168. Auch die weiteren Ausführungen der Einspruchsabteilung des EPA zur erfinderischen Tätigkeit lassen eine evidente Unrichtigkeit nicht erkennen. Dabei berücksichtigt sie ausdrücklich die von der Beklagten vorgebrachten Dokumente D1, D10 (DE 10 2007 XXX XXX A1), D11 (DE 10 2009 XXX XXX A1), D12 (US 4,XXX XXX) und D13 (US 4,XXX XXX). So führt sie aus, dass die Ausnehmungen des vorbenutzten Bagger-Anbauverdichters zwar das Eingreifen von erstem und zweitem Gabelzinken einer Hubgabel als Transportmittel ermöglichten, diese Eignung dem Fachmann vor dem relevanten Datum des Klagepatents allerdings nicht bewusst gewesen sei, es sich damit nur um eine zufällige Eignung handele. Die diese Eignung belegenden vorgebrachten Beweismittel seien insoweit alle erst nach dem Prioritätsdatum des Klagepatents in Kenntnis der Erfindung des Klagepatents entstanden (Anlage BK 12, S. 34 ab dem 4. Abs.). Ohne die Kenntnis des Fachmanns von der Eignung der Aussparungen zur Aufnahme von Gabelzinken habe dieser aber keine Veranlassung gehabt, die Geometrie dieser Aussparungen anzupassen, insbesondere nicht, um eine besonders sichere Lagerung des Bagger-Anbauverdichters zu erzielen. Dagegen spreche auch, dass die Aussparungen des vorbenutzten Anbau-Baggerverdichters höchstwahrscheinlich zur Verringerung der notwendigen Schweißnahtlängen vorgesehen gewesen seien. Zum Erreichen einer rechteckigen Form der Aussparung hätte die seitliche äußere Begrenzung der Aussparung auf den horizontalen Bereich verlegt werden müssen, was im Ergebnis mit einer längeren Schweißnaht einhergehen würde (Anlage BK 12, S. 35 1. Abs.). Soweit die Beklagte hierzu ausführt, die Auffassung der Einspruchsabteilung sei nicht nachvollziehbar, vielmehr werde der Fachmann die Eignung der Aussparungen, Gabelzinken aufzunehmen, erkennen, zeigt sie damit gerade nicht auf, dass die gegenteilige Auffassung der Einspruchsabteilung unvertretbar wäre.
  169. Soweit die Beklagte ihre gegenteilige Auffassung auf die Dokumente D27, D28, D28a/b stützt, hat sich die Einspruchsabteilung mit diesen bereits insoweit auseinandergesetzt, als dass sie nicht ins Verfahren zugelassen wurden, weil sie nicht als prima facie relevant angesehen wurden (Anlage BK 12, S. 14, Rn. 28.1). Insoweit ergäben sich aus diesen zum einen keine neuen Erkenntnisse, zum anderen sei fraglich, ob diese Dokumente überhaupt als Nachweis für das Fachwissen vor dem Prioritätsdatum des Klagepatents taugen, wobei sie dies näher begründet hat. Die Beklagte hat sich mit der dahingehenden Argumentation der Einspruchsabteilung nicht auseinandergesetzt.
  170. c.
    Auch eine offenkundige Vorbenutzung des Erfindungsgegenstandes ist nicht ersichtlich.
  171. aa.
    Soweit sich die Beklagte auf die Vorbenutzung des umgebauten Anbauverdichters XXX XXX beruft, hat die Einspruchsabteilung des EPA die offenkundige Vorbenutzung verneint und ihre Auffassung ausführlich begründet. Die Einspruchsabteilung des EPA hatte insoweit zur Vorbenutzung Beweis erhoben und die auch hier vernommenen Zeugen vernommen und ist zu dem Schluss gekommen, dass die öffentliche Zugänglichmachung des umgebauten Anbauverdichters vor dem Prioritätstag des Klagepatents nicht bewiesen sei (Anlage BK 12, S. 16 ff.). Da die offenkundige Vorbenutzung damit nicht lückenlos durch liquide Beweismittel belegt werden kann, sondern – zumindest in Teilen – auch auf einen Zeugenbeweis angewiesen ist, bleibt der Aussetzungsantrag diesbezüglich ohne Erfolg (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2024, 61 – Rollwagen, m.w.N.).
  172. bb.
    Eine offenkundige Vorbenutzung durch den entgegengehaltenen Stand der Technik „XXX “ (Anlagen PBP 6 bis PBP 11) ist ebenfalls nicht ersichtlich. Die Einspruchsabteilung hat eine offenkundige Vorbenutzung des Anbauverdichters nach dem Ergebnis der von ihr durchgeführten Beweisaufnahme zwar grundsätzlich bejaht und aufgrund dessen das Klagepatent gemäß dem Hilfsantrag 3a der Klägerin eingeschränkt (Anlage BK 12, S. 19 ff.). Der vorbenutzte Anbauverdichter unterscheidet sich indes dadurch von dem Klagepatentanspruch 1, dass die Aussparungen keine rechteckige Form gemäß Merkmal 7 aufweisen (vgl. Ausführungen Anlage BK 12, S. 33 oben), wie es aus der nachfolgend eingeblendeten ausschnittsweisen Abbildung der Vorrichtung (S. 22 des Ersatzteilkatalogs, Anlage PBP 7) hervorgeht:
  173. d.
    Schließlich spricht auch das Interesse der Klägerin an einem baldigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits gegen eine Aussetzung. Das vorliegende Verletzungsverfahren, das seit dem Jahr 2018 anhängig ist, ist bereits einmal ausgesetzt worden. Eine wiederholte Aussetzung ist unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Rechtsverfolgung nur ausnahmsweise zulässig (BGH, GRUR 2018, 853 Rn. 18 f. – Schutzhülle für Tablet-Computer; vgl. BVerfG, NJW 2013, 3432 Rn. 19-26).
  174. VI.
    Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 2. April 2024 sowie der darauf erfolgte, nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 8. April 2024 gaben keine Veranlassung zur Wiedereröffnung des Verfahrens.
  175. VII.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3 Satz 2, 709 ZPO.
  176. Streitwert: 150.000,00 EUR

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