Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3362
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 6. März 2024, Az. 4b O 19/22
- 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 369.790,86 EUR nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 % vom 1. Januar 2012 bis zum 6. April 2022 und von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. April 2022 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. - Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 1 XXX 421 (Anlage K19; nachfolgend: „Streitpatent“) auf Schadensersatz in Anspruch, nachdem die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach rechtskräftig durch das Landgericht Mannheim festgestellt wurde.
- Die Klägerin ist eingetragene alleinige Inhaberin des Streitpatents, das am XXX mit einer deutschen Priorität vom XXX angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am XXX veröffentlicht. Die Schutzdauer des Streitpatents ist im XXX abgelaufen.
- Das Streitpatent betrifft eine Spritzpistole zum Zerstäuben von flüssigen Medien mit Hilfe von Druckluft. Der von der Klägerin im Verfahren mit dem Aktenzeichen 2 O 405/11 (Anlage K1) vor dem Landgericht Mannheim geltend gemachte Anspruch 1 lautet wie folgt:
- „Spritzpistole (1) zum Zerstäuben von flüssigen Medien mit Hilfe von Druckluft, im wesentlichen bestehend aus einem mit einem Griffstück (14) und einer Zerstäuberdüse (19) versehenen an eine Druckluftleitung (2) anschließbaren Gehäuse (11), einer mit einem Ende in die Zerstäuberdüse (19) eingreifenden mit einer Zuführungsleitung (16) für das zu zerstäubende Medium versehenen und im Gehäuse (11) abgestützten Führungshülse (21) sowie einer Düsennadel (31), die zum Öffnen der Zerstäuberdüse (19) mittels eines verschwenkbar an dem Gehäuse (11) aufgehängten Abzugsbügels (26) entgegen der Kraft einer Rückstellfeder (33) betätigbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Düsennadel (31) im Bereich der Führungshülse (21) mittels eines diese durchgreifenden Gelenkbolzens (27′) mit dem Abzugsbügel (26) formschlüssig verbunden ist und daß in die im Längsschnitt U-förmig ausgebildete Führungshülse (21) zwischen der Zuführungsleitung (16) und dem Gelenkbolzen (27′) eine Dichtung (32) eingesetzt ist, in der die Düsennadel (31) verschiebbar gehalten ist.“
- Die Beklagte vertrieb in Deutschland über TV-Shopping-Kanäle und über das Internet unter der Bezeichnung „A“ ein Farbsprühsystem, das von der Lehre des Europäischen Patents EP 1 XXX 421 Gebrauch machte (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Alle unter dieser Bezeichnung verkauften Farbsprühsysteme bezog die Beklagte von ihrer Lieferantin, der spanischen B (im Folgenden: B). Die Klägerin nahm die Beklagte, B sowie ein weiteres Unternehmen klageweise vor dem Landgericht Mannheim wegen Verletzung des Streitpatents durch die angegriffene Ausführungsform in Anspruch.
- Das Landgericht Mannheim stellte mit Urteil vom 14. Januar 2014 (Aktenzeichen 2 O 405/11, nachfolgend: „Urteil“) fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die seit dem 16. April 2005 begangenen Verletzungshandlungen allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Verletzungshandlungen entstanden ist und noch entstehen wird und entsprechend Rechnung zu legen.
- Das Landgericht stellte für die Verurteilung der Beklagten auf die angegriffene Ausführungsform ab, deren Dichtung einen runden Querschnitt aufwies. Daneben stellte es fest, dass es weitere Ausführungsformen gebe, die zwar auch unter der Bezeichnung „A“-Farbsprühsystem vertrieben worden, aber nicht patentverletzend seien. Dazu gehörten solche Ausführungsformen, deren Dichtungsquerschnitt an zwei gegenüberliegenden Seiten derart reduziert sei, dass zwei dreieckige bzw. rechteckige Formen zu sehen seien. Zu welchem Zeitpunkt welche dieser Ausführungsformen von der Beklagten vertrieben wurden, stellte das Landgericht nicht fest. Das Urteil ist rechtskräftig.
- Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 1. April 2014 unter anderem zur Erteilung von Auskunft und Rechnungslegung auf (Anlage K2). Daraufhin legte die Beklagte mit Schreiben vom 28. April 2014 erstmals Rechnung und bezifferte die Anzahl der von ihr vertriebenen „alten Ausführungsformen“ mit 54.560 Stück. Mit Schreiben vom darauffolgenden Tag ergänzte die Beklagte ihre Auskunft und wies darauf hin, dass die am Vortag mitgeteilten 54.560 Ausführungsformen nicht sämtlich in Deutschland vertrieben worden seien.
- Nachdem die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 4. Juni 2014 die bisherige Rechnungslegung der Beklagten als unzureichend beanstandet hatte, legte diese mit Schreiben vom 18. Juni 2014 nunmehr ihre Einkaufsbelege sowie die Belege ihrer gewerblichen Verkäufe vor. In diesem Zusammenhang ließ die Beklagte erklären, dass die Rechnungslegungspflicht sich nur auf eine der mitgeteilten Ausführungsformen beziehe, und zwar allein auf das im Rahmen des vor dem Landgericht Mannheim als Anlage K24 eingereichte Produkt. Es handele sich dabei jedoch nur um einen einzelnen Produktionsfehler.
- Die Klägerin beantragte vor dem Landgericht Mannheim die Festsetzung von Zwangsmitteln gegen die Beklagte wegen Unvollständigkeit der Auskunft und Rechnungslegung; dieses Verfahren wurde dort unter dem Aktenzeichen 2 O 405/11 ZV I geführt. Mit Beschluss vom 10. August 2015 wies das Landgericht Mannheim den Zwangsmittelantrag der Klägerin mit der Begründung zurück, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, der Klägerin zu erläutern, weshalb sie zu dem Schluss gekommen sei, dass nur zwei patentverletzende Exemplare vertrieben worden seien.
- In einem weiteren von der Klägerin gegen die Beklagte eingeleiteten Verfahren entschied das Landgericht Mannheim mit Urteil vom 25. April 2017 (Aktenzeichen 2 O 146/16), dass die Beklagte Ihre bisherigen Auskünfte und ihre Rechnungslegung an Eides statt zu versichern habe, weil sie nicht die erforderliche Sorgfalt an den Tag gelegt habe.
- Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 legte die Beklagte erneut Rechnung und bezifferte die Anzahl der vertriebenen Ausführungsformen mit 60.060 Stück (Anlage K10 und K11). Mit Schreiben vom 26. Februar 2018 ergänzte und korrigierte die Beklagte ihre Rechnungslegung nochmals (Anlage K12). In der Übersicht zu den Gestehungskosten und dem Gewinn (Anlage K13) wurde die Anzahl der verkauften Produkte mit 55.959 beziffert. Am 18. August 2021 versicherte der Geschäftsführer der Beklagten, Herr C, die Richtigkeit und Vollständigkeit der mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 und 26. Februar 2018 nebst Anlagen gemachten Angaben vor dem Amtsgericht Mannheim an Eides statt (Anlage K14).
- Die Klägerin verlangt die Herausgabe des Verletzergewinns für die von der Beklagten im Zeitraum vom 18. Mai 2010 bis zum 31. Dezember 2011 in Deutschland verkauften patentverletzenden „A“-Farbsprühsysteme.
- Sie meint, dass sich die Anzahl der von der Beklagten beauskunfteten Farbsprühsysteme in Höhe von 55.959 Stück nur auf die patentverletzende Variante des „A“-Farbsprühsystems beziehe und damit bei der Berechnung des Verletzergewinns zu Grunde zu legen sei. Davon seien keine Abzüge zu machen. Dies gelte weder auf Grund des Umstandes, dass neben der angegriffenen Ausführungsform angeblich patentfreie Varianten des Farbsprühsystems verkauft worden seien, noch weil die Auskunft in zeitlicher Hinsicht überobligatorisch erfolgt sei.
- Die Auskunft der Beklagten sei mehrfach überarbeitet worden und letztlich komplett neu erfolgt. Dabei habe die Beklagte jedoch nie eine Einschränkung dahingehend vorgenommen, dass die von ihr beauskunftete Anzahl der veräußerten Farbsprühsysteme sich neben der angegriffenen Ausführungsform auch auf weitere, patentfreie Varianten beziehen würde. Im Gegenteil sei immer ausdrücklich nur von der „angegriffenen Ausführungsform“ die Rede gewesen und die angegebene Stückzahl habe sich immer in der gleichen Größenordnung befunden. Gleiches gelte in zeitlicher Hinsicht. Denn auch insofern habe die Auskunft der Beklagten nicht erkennen lassen, dass ein überobligatorischer Zeitraum gewählt worden sei.
- Die Auswertung der Belege der Beklagten habe zudem ergeben, dass diese weitere Gewinne gemacht habe, weil sie Einnahmen mit der Inrechnungstellung einer Versandkostenpauschale, einer Transportversicherung, einer Nachnahmegebühr, einer Kreditkartengebühr und einer 5-Jahres-Garantie generiert habe, die kausal auf den Verkauf der angegriffenen Ausführungsform zurückzuführen seien. Außerdem sei auch die Bezuschussung der Werbekosten durch B gewinnerhöhend zu berücksichtigen. Diesen Einnahmen könnten keine Kosten gewinnmindernd gegenübergestellt werden, weil die Beklagte darauf im Rahmen der Rechnungslegung verbindlich verzichtet habe. Im Übrigen habe sie entsprechende abzugsfähige Kosten nicht hinreichend dargelegt.
- Insbesondere könne sie auch ihre Werbekosten nicht gewinnmindernd in Abzug bringen. Denn dabei handele es sich um Allgemeinkosten, die sowieso entstanden wären. Dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Werbezeiten bei den verschiedenen Sendern bereits ein Jahr im Voraus gebucht worden seien. Die Kosten seien also vergleichbar mit Lagerkosten, die auch nicht abzugsfähig seien.
- Hinsichtlich des anzuwendenden Kausalanteils meint die Klägerin, dass der Kaufentschluss zu Gunsten des „A“-Farbsprühsystems ganz wesentlich auf die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre zurückzuführen sei. Denn erst durch diese sei es möglich gewesen, auf die Spannschraube und die Stopfdichtung zu verzichten, die bei den aus dem Stand der Technik bekannten Spritzpistolen notwendig gewesen seien. Im Gegensatz dazu sei die Bedienung der angegriffenen Ausführungsform wesentlich leichter, das Produkt langlebiger und weise zudem weniger Verschleißteile auf. Dies sei für die Kunden der Beklagten, bei denen es sich um Heimwerker handele, auch ohne Weiteres erkennbar gewesen.
- Außerdem sei mit dem Hinweis auf die einfache Handhabbarkeit des „A“-Farbsprühsystems auch eine werbliche Herausstellung der patentgemäßen Vorteile erfolgt. Im Übrigen handele es sich bei dem von der Beklagten praktizierten Teleshopping und dem von ihr unterhaltenen Callcenter nicht um besondere Werbemaßnahmen, die über das übliche Maß hinausgingen.
- Patentfreie Alternativen, die die gleichen Vorteile aufwiesen, habe es am Markt nicht gegeben. Im relevanten Zeitraum sei mit der D ein Farbsprühsystem erhältlich gewesen, das zwar patentgemäß gewesen, aber zu einem deutlich höheren Preis als die angegriffene Ausführungsform angeboten worden sei. Hinzu komme, dass während des relevanten Zeitraums keine alternativen, patentfreien Varianten des „A“-Farbsprühsystems angeboten worden seien; denn die Beklagte habe ihre Produkte erst mit Ablauf des Jahres 2011 auf eine patentfreie Variante umgestellt.
- Der günstige Preis der angegriffenen Ausführungsform sei bei der Bestimmung des Kausalanteils nicht reduzierend zu berücksichtigen, weil er allein auf Grund der Patentverletzung möglich gewesen sei. Schließlich habe erst die Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre die kostengünstige Herstellung der angegriffenen Ausführungsform ermöglicht.
- Letztlich meint die Klägerin, dass die Beklagte ihr auch die Kosten für die von einem externen Unternehmen durchgeführte Datenextraktion zu ersetzen habe. Dadurch sei eine Auswertung der von der Beklagten vorgelegten Belege erfolgt, die die weiteren, von der Beklagten zuvor nicht beauskunfteten Umsätze aufgedeckt habe.
- Die Klägerin beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.294.001,93 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 1.1.2012 zu zahlen;
- ferner, die Beklagte zu verurteilen, an sie 33.658,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte meint, dass es ihr von Beginn an nicht möglich gewesen sei, die Anzahl der streitpatentverletzenden Produkte zu ermitteln und sie deshalb überobligatorisch Auskunft über die gesamte Anzahl der unter der Bezeichnung „A“ verkauften Farbsprühsysteme erteilt habe, zu denen auch patentfreie Varianten gehörten.
- Bereits aus dem Urteil des Landgerichts Mannheim ergebe sich, dass es neben der angegriffenen Ausführungsform auch andere, patentfreie Varianten des „A“-Farbsprühsystems gegeben habe. Da sie alle Farbsprühsysteme von ihrer Lieferantin B bezogen habe und der Unterschied zwischen den Ausführungsformen äußerlich nicht erkennbar gewesen sei, habe keine Möglichkeit bestanden, eine Stückzahl allein für die angegriffene Ausführungsform anzugeben. Dies gelte auch für den von der Auskunft umfassten Zeitraum, der von ihr überobligatorisch angegeben worden sei. Es müsse unterschieden werden für den Zeitraum bis zur Umstellung der Produktion auf eine patentfreie Variante, also vom 18. Mai 2010 bis Februar 2011. Ab Februar bis Mai 2011 sei mit der Lieferung der patentfreien Variante begonnen worden, was bedeute, dass von diesem Zeitpunkt an immer weniger angegriffene Ausführungsformen verkauft worden seien. Für den Zeitraum ab Juni 2011 bis Dezember 2011 sei davon auszugehen, dass allenfalls noch vereinzelte Farbsprühsysteme mit der angegriffenen Ausführungsform auf den Markt gekommen seien.
- Sofern die Klägerin mittels Datenextraktion weitere Einnahmen ermittelt habe, könnten diese nicht gewinnerhöhend berücksichtigt werden. Es handele sich dabei um bloße Durchlaufposten, die die Beklagte der Höhe nach bestreitet. Dies gelte insbesondere für die Versandkostenpauschale. Zunächst habe sie – die Beklagte – die Pauschale nicht für alle Pakete erhoben, zudem sei nicht in allen relevanten Paketen ausschließlich die angegriffene Ausführungsform verschickt worden, sondern mitunter auch andere Produkte. Hinzu komme, dass der Versandkostenpauschale Kosten für die Verpackung, die Kartonage und den Versand gegenüberzustellen seien. Außerdem seien Kosten für die Lagerung und für Retouren in beträchtlicher Höhe von etwa einem Drittel aller verkauften Produkte angefallen, was ebenfalls gewinnmindernd zu berücksichtigen sei.
- Die Beklagte trägt vor, dass ihr außerdem in erheblichem Maße Werbekosten entstanden seien. Sie habe in großem Umfang Werbezeiten bei Drittsendern gebucht und bezahlt, auch in den Fällen, in denen die Buchung und/oder die Rechnungsstellung nicht durch sie, sondern die E GmbH erfolgt sei. Dem stehe auch die in dem Verfahren vor dem Landgericht Mannheim abgegebene eidesstattliche Versicherung von Herrn F nicht entgegen. Die für die Werbung entstandenen Kosten ließen sich konkret der Bewerbung des „A“-Farbsprühsystems zuordnen, auch wenn eine Buchung von Werbezeiten bereits im Voraus erfolgt sei. Ohne das Farbsprühsystem hätte sie – die Beklagte – aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die Werbezeiten nicht in dem erfolgten Umfang gebucht, sondern die Aufwendungen für TV-Werbung bereits im Vorfeld verringert und die entsprechenden Werbekosten eingespart.
- Die Beklagte meint, dass der Kausalanteil im geringen einstelligen Prozentbereich liegen müsse. Entweder sei bei der Bestimmung des Kausalanteils bereits deshalb ein Abzug zu machen, weil die Beklagte neben der angegriffenen Ausführungsform auch patentfreie Varianten des „A“-Farbsprühsystems angeboten habe, oder aber diese patentfreien Varianten müssten bei der Berechnung des Verletzergewinns von Beginn an ausgeklammert werden.
- Bei der Beurteilung des Kausalanteils komme es vor allem auf den marktrelevanten Stand der Technik an, der in den patentfreien Varianten des „A“-Farbsprühsystems zu sehen sei. Diese Varianten hätten nicht nur im Aussehen, sondern auch in der Herstellung und der Handhabung durch den Benutzer keinen Unterschied zu der angegriffenen Ausführungsform aufgewiesen.
- Außerdem habe der Kaufentschluss der Kunden vor allem auf der Art der Werbung beruht. Denn mit dem Angebot mittels Teleshoppings werde dem Kunden ein Einkaufserlebnis geboten, das ihn zu Spontankäufen bewege, ohne dass zuvor ein Vergleich zu anderen Produkten angestellt werde. Die besonderen Vertriebsbemühungen der Beklagten zeigten sich auch an den Kosten, die für die Schaltung ihrer Werbung entstanden seien.
- Zu berücksichtigen sei zudem, dass bei der Bewerbung des „A“-Farbsprühsystems keine streitpatentgemäßen Vorteile hervorgehoben worden seien. Derartige Vorteile hätte die angegriffene Ausführungsform auch nicht aufgewiesen, da sie – anders als die erfindungsgemäße Spritzpistole – nicht mit einer bloßen Dichtung auskomme, sondern einen zusätzlichen Dichtring benötige.
- Bei der Bestimmung des Kausalanteils sei ferner zu berücksichtigen, dass die für die erfindungsgemäße Lehre entscheidende Dichtung bei der Herstellung nur einen geringen Anteil ausmache.
- Relevant für die Kaufentscheidung sei vor allem auch der niedrige Preis, zu dem das „A“-Farbsprühsystem angeboten worden sei. Dieser sei auf die Anstrengungen der Zulieferin der Beklagten zurückzuführen, nicht aber auf die Verwirklichung der angegriffenen Ausführungsform. Das zeige sich bereits daran, dass sich die Herstellungskosten mit der Umstellung auf die nunmehr vertriebene, patentfreie Variante nicht geändert hätten.
- Die Beklagte meint, dass die Klägerin die Kosten für die bei einem Drittunternehmen beauftragte Datenextraktion nicht ersetzt verlangen könne. Schließlich habe sie – die Beklagte – vollumfänglich Auskunft erteilt und Rechnung gelegt, so dass die Inanspruchnahme einer solchen Dienstleistung nicht erforderlich gewesen sei.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
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A
Die Klage ist zulässig. - Der Zulässigkeit der Klage steht keine anderweitige Rechtshängigkeit durch das von der Klägerin vor dem Handelsgericht Wien geführte Verfahren entgegen. Denn die Klage wurde dort unstreitig erst nach Rechtshängigkeit der hiesigen Klage erhoben. Insofern ist hier nicht zu prüfen, ob sich der Streitgegenstand mit dem dortig geführten Verfahren überschneidet. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wäre das Handelsgericht Wien als später angerufenes Gericht dazu angehalten, das Verfahren auszusetzen, siehe Art. 29 Abs. 1 EuGVVO.
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B
Die Klage ist teilweise begründet. - Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 2 S. 1 PatG ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 381.246,90 EUR sowie aus § 668 BGB auf Zinsen daraus in Höhe von 5 % seit dem 1. Januar 2012 und gemäß § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB auf Zahlung von Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. April 2022 (Rechtshängigkeit) zu.
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I.
Bei der vorliegend von der Klägerin gewählten Berechnungsart des Verletzergewinns geht es weniger um den „Ersatz eines Schadens“ als vielmehr um einen billigen Ausgleich der Beeinträchtigung des Rechtsinhabers (BGH, Urt. v. 02.02.1995, in GRUR 1995, 349, 352 – Objektive Schadensberechnung; GRUR 2001, 329, 330 – Gemeinkostenanteil). Ebenso wie die im Wege der Lizenzanalogie als Schadenersatz zu leistende angemessene Lizenzgebühr, lässt sich die Höhe des herauszugebenden Verletzergewinns nicht genau berechnen, sondern muss nach § 287 ZPO geschätzt werden. Die Grundlagen dieser Schätzung müssen jedoch – soweit möglich – objektiv ermittelt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.2.2007, I-2 U 71/05 – Schwerlastregal II, Rn. 31 – zitiert nach Juris). - Zwischen den Parteien wurde durch das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 14. Januar 2014 mit dem Az. 2 O 405/11 rechtskräftig dem Grunde nach festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin wegen der Verletzung des Streitpatents Schadensersatz zu zahlen hat.
- Das Streitpatent betrifft eine Spritzpistole zum Zerstäuben von flüssigen Medien, Absatz [0001] des Streitpatents (alle folgenden, nicht näher genannten Absätze sind solche des Streitpatents).
- In der Patentbeschreibung heißt es, dass Spritzpistolen dieser Art aus dem Stand der Technik in zahlreichen unterschiedlichen Ausgestaltungen – unter anderem aus der GB 1 XXX 833 – bekannt gewesen seien und sich in der Praxis bewährt hätten, Absatz [0002], [0003]. Dabei rage die Düsennadel auf der der Zerstäuberdüse abgewandten Seite aus der Führungshülse und auch aus dem Gehäuse der Spritzpistole heraus, und auf diese wirke ein Abzugsbügel ein, der am Gehäuse schwenkbar gelagert sei. In der Führungshülse sei die Düsennadel gesondert abgedichtet, damit das zu verarbeitende Medium nicht aus dem Innenraum der Führungshülse austreten könne. Dies werde bewerkstelligt, indem zwischen der Düsennadel und der Führungshülse mittels einer in diese einschraubbare weitere Hülse eine verformbare Dichtung eingespannt werde, Absatz [0003].
- Die Montage der Düsennadel in der Führungsschiene sei mit Schwierigkeiten verbunden und zeitaufwändig, da die Spannkraft, die auf die Dichtung einwirke, exakt einzustellen sei. Außerdem seien durch die in der Führungshülse angeordnete Stopfpackung Unwägbarkeiten gegeben. Darüber hinaus erfordere die Abdichtung einen erheblichen Kostenaufwand, da die Stopfpackung aus mehreren zusammenwirkenden Bauteilen zusammengesetzt sei, die dem Verschleiß unterlägen und mitunter ersetzt werden müssten, Absatz [0004].
- Davon ausgehend liege der Erfindung die Aufgabe zu Grunde, eine Spritzpistole der vorgenannten Gattung in der Weise auszubilden, dass eine einfache Montage der Düsennadel in kurzer Zeit möglich sei und zuverlässig verhindert werde, dass Medium aus dem Innenraum der Führungshülse nach außen gelange. Dabei solle der Bauaufwand gering gehalten werden, was eine wirtschaftliche Herstellung und Montage der Spritzpistole ermögliche und die Störanfälligkeit bei langer Lebensdauer verringere, Absatz [0005].
- Zur Lösung schlägt das Streitpatent eine Spritzpistole mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 vor, die nachstehend in der vom Landgericht Mannheim gegliederten Form wiedergegeben ist:
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1. Spritzpistole (1) zum Zerstäuben von flüssigen Medien mit Hilfe von Druckluft, im Wesentlichen bestehend aus:
1.1 einem mit einem Griffstück (14) und einer Zerstäuberdüse (19) versehenen an eine Druckluftleitung (2) anschließbaren Gehäuse (11),
1.2 einer mit einem Ende in die Zerstäuberdüse (19) eingreifenden mit einer Zuführungsleitung (16) für das zu zerstäubende Medium versehenen und im Gehäuse (11) abgestützten Führungshülse (21),
1.3 sowie einer Düsennadel (31), die zum Öffnen der Zerstäuberdüse (19) mittels eines verschwenkbar an dem Gehäuse (11) aufgehängten Abzugsbügels (26) entgegen der Kraft einer Rückstellfeder (33) betätigbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.4 die Düsennadel (31) im Bereich der Führungshülse (21) mittels eines diese durchgreifenden Gelenkbolzens (27′) mit einem Abzugsbügel (26) formschlüssig verbunden ist, und dass
1.5 in die im Längsschnitt U-förmig ausgebildete Führungshülse (21) zwischen der Zuführungsleitung (16) und dem Gelenkbolzen (27′) eine Dichtung (32) eingesetzt ist, in der die Düsennadel (31) verschiebbar gehalten ist. - Eine Spritzpistole mit den streitpatentgemäßen Merkmalen soll nicht nur eine stets betriebssichere Funktionsweise gewährleisten, sondern auch den einfachen Einbau einer lageorientierten Düsennadel in die Führungshülse ermöglichen. Denn mit Hilfe eines Montagewerkzeuges könne die Düsennadel zusammen mit der von dieser durchgriffenen Dichtung und der Rückstellfeder derart in die an einem Ende geschlossene Führungshülse eingesetzt werden, dass der Gelenkbolzen, mittels dem die Düsennadel formschlüssig mit dem Abzugsbügel verbunden sei, ohne Schwierigkeiten montiert werden könne. Dabei müssten keine gesonderten Dichtungen verspannt werden und es seien nur wenige Bauteile notwendig, um das bevorratete Medium dosiert verarbeiten zu können, Absatz [0012]. Darüber hinaus könnten nahezu alle Bauteile, insbesondere auch die einstückige Düsennadel, aus Kunststoff hergestellt werden, was zu einer wirtschaftlichen Fertigung führe. Desweiteren seien aufgrund der konstruktiven Ausgestaltung Betriebsstörungen sowie ein Verschleiß der wenigen im Betrieb zu verstellenden Bauteile nahezu ausgeschlossen und eine lange Lebensdauer sei somit gewährleistet, Absatz [0013].
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II.
Für die Verletzung des Streitpatents schuldet die Beklagte Schadensersatz in Höhe von insgesamt 381.246,90 EUR. Diese Summe ergibt sich aus der Berechnung des Umsatzes in Höhe von 4.902.671,69 EUR, den die Beklagte mit dem Vertrieb streitpatentverletzender Farbsprühsysteme erzielte (siehe unten, Ziffer 1. und 2.), des darauf beruhenden, hier maßgeblichen Gewinns in Höhe von 3.049.975,24 EUR (siehe unten, Ziffer 3.) und der Bestimmung des Anteilsfaktors von 12,5 %, der zahlenmäßig ausdrückt, inwieweit der von der Beklagten erzielte Gewinn kausal gerade auf den streitpatentverletzenden Handlungen beruht (siehe unten, Ziffer 4.). - Der Zinsanspruch der Klägerin liegt bei 5 % seit dem 1. Januar 2012 und bei 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. April 2022 (Rechtshängigkeit; siehe unten, Ziff. 5). Ein Anspruch auf Ersatz der von der Klägerin geltend gemachten weiteren außergerichtlichen Kosten besteht nicht (siehe unten, Ziff. 6.).
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1.
Für die Ermittlung des maßgeblichen Umsatzes sind die von der Beklagten beauskunfteten 55.959 Farbsprühsysteme und damit korrespondierende Einnahmen von 3.656.694,36 EUR zu Grunde zu legen. Davon ist keine Reduzierung von 2/3 vorzunehmen. - Die Klägerin legt ihrer Klage richtigerweise den Betrag zu Grunde, den die Beklagte beauskunftete; denn aus dem Verfahrensverlauf und der Auskunft- und Rechnungslegung der Beklagten ergibt sich nichts Anderes (siehe unten, Ziff. a)). Die Beklagte konnte nicht darlegen und beweisen, dass dieser Betrag unrichtig und zu kürzen ist (siehe unten, Ziff. b)), was auch in zeitlicher Hinsicht gilt (siehe unten, Ziff. c)).
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a)
Die Beklagte vertrieb neben der angegriffenen Ausführungsform noch weitere, nicht patentverletzende Varianten des Farbsprühsystems mit der Bezeichnung „A“. - So hielt das Landgericht Mannheim in seinem Urteil fest, dass das von der Beklagten beworbene und vertriebene Farbsprühsystem „A“ in unterschiedlichen Ausführungsvarianten hinsichtlich der Ausgestaltung der Hülse existiere, von denen eine Variante eine im Wesentlichen runde Querschnittsform aufweise (Urteil, S. 7). Streitgegenständlich waren allein die Farbsprühsysteme mit dieser runden Hülse, dort verkörpert in den Anlagen K24 und K4b. Nicht streitgegenständlich waren Ausführungsformen mit runden Querschnitten, die zusätzlich dreieckige bzw. rechteckige Flächen aufwiesen.
- Entsprechend den Ausführungen im Urteil steht fest, dass das Farbsprühsystem „A“ in verschiedenen Ausführungsformen vertrieben wurde, von denen aber nur eines das Streitpatent verletzte und das allein von der Klägerin angegriffen wurde. Keine Feststellungen finden sich hingegen zu dem Zeitraum, in welchem die patentfreien Varianten vertrieben wurden.
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aa)
Die Rechnungslegung der Beklagten lässt nicht erkennen, dass die beauskunfteten Stückzahlen und die korrespondierenden Erlöse neben der im Ausgangsverfahren angegriffenen Ausführungsform auch die daneben verkauften, patentfreien Ausführungsformen umfassten. - In der zunächst von der Beklagten erteilten Auskunft im Schreiben vom 28. April 2014 (Anlage K3) wurde eine Stückzahl von 54.560 angegeben, wobei sich diese Zahl „auf die für EP 1XXXXXX B1 relevante unmodifizierte Ausführungsform“ bezog.
- Im weiteren Schreiben vom 29. April 2014 (Anlage K4) wurde ausdrücklich zwischen den für die EP 1 XXXXXX B1 relevanten unmodifizierten Ausführungsformen und weiteren Ausführungsformen unterschieden, die nicht patentverletzend gewesen sein sollen; dabei wurden die relevanten Farbsprühsysteme erneut mit einer Stückzahl von 54.560 angegeben.
- Nachdem gegen die Beklagte mit Beschluss vom 10. August 2015 des Landgerichts Mannheim (Anlage K 7) ein Zwangsgeld von 1.000,00 EUR verhängt worden war, weil diese ihrer Rechnungslegungspflicht nicht vollständig nachgekommen war, und gegen sie außerdem am 25. April 2017 (Anlage K 9) ein Urteil auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung erging, legte die Beklagte grundlegend neu Rechnung und überreichte als Anlage zum Schreiben vom 16. Oktober 2017 (Anlage K 10) einen Ordner mit einer tabellarischen Übersicht sämtlicher Transaktionsvorgänge mit Bezug zur „angegriffenen Ausführungsform“. Diese tabellarische Übersicht findet sich auch gesondert in der Anlage K11 und weist Verkaufserlöse in Höhe von 3.639.933,09 EUR für 55.706 Stück verkaufter Farbsprühsysteme aus. Die überarbeitete Übersicht (Anlage K13) wiederum weist eine Anzahl von insgesamt 55.959 Stück zu einem Gesamtverkaufspreis von 3.656.694,36 EUR aus. Sofern die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 23. November 2023 entgegen ihrer vorherigen Auskunft (Anlage K13) eine Stückzahl verkaufter „A“-Farbsprühsysteme nach Deutschland in Höhe von 56.059 zu Grunde legt und damit genau 100 Stück mehr, erfolgt dies ohne nähere Begründung und wird daher bei den hiesigen Berechnungen nicht berücksichtigt.
-
bb)
Weder die im Rahmen der Auskunft und Rechnungslegung ausgetauschte Korrespondenz noch die gerichtlichen Entscheidungen lassen den Rückschluss darauf zu, dass mit der beauskunfteten Gesamtzahl verkaufter Farbsprühsysteme neben der angegriffenen Ausführungsform auch andere Ausführungsformen umfasst gewesen sein könnten. - Dies gilt bereits mit Blick auf die ursprüngliche und im Laufe des Verfahrens überholte Auskunft, mit der eine Stückzahl von 54.560 angegriffener Ausführungsformen angegeben worden war und die in Abgrenzung von den weiteren, nicht patentverletzenden Ausführungsformen als „G“ bezeichnet wurde. Die Größenordnung von 54.560 weicht nur unwesentlich von der später angegebenen Stückzahl von 54.395 (für die Verkaufserlöse im Einzelhandel) ab und lässt damit nur den Rückschluss zu, dass sich auch die aktuell angegebene Anzahl allein auf die für dieses Verfahren relevante angegriffene Ausführungsform bezieht. Dafür spricht auch, dass die Beklagte im späteren Begleitschreiben zu ihren beauskunfteten Zahlen von der „angegriffenen Ausführungsform“ spricht (Anlage K10, S. 1, erster Punkt) und keine Einschränkung dahingehend vornimmt, dass damit auch weitere, nicht patentverletzende Ausführungsformen umfasst seien.
- Ein anderes Verständnis ergibt sich auch nicht aus den gerichtlichen Beschlüssen oder Urteilen des Landgerichts Mannheim, die eine Problematik im Hinblick auf eine überobligatorische Auskunft der Beklagten nicht erkennen lassen. Auch konnte die Beklagte keine Korrespondenz mit der Klägerin aufzeigen, aus der sich das von ihr vertretene Verständnis herleiten ließe.
- Insofern kann die im Rahmen der Auskunft angegebene Anzahl verkaufter Farbsprühsysteme nur dahingehend verstanden werden, dass damit allein die angegriffene Ausführungsform gemeint war und nicht überobligatorisch auch weitere, nicht patentverletzende Ausführungsformen.
-
b)
Sofern die Beklagte vorträgt, dass – anders als zunächst von ihr beauskunftet – die von ihr angegebene Anzahl der verkauften angegriffenen Ausführungsformen noch zwei weitere, nicht patentverletzende Ausführungsformen umfasst habe, was zu einer Minderung der Anzahl um 2/3 führen müsse, hat sie dies nicht hinreichend dargelegt. Denn die Beklagte hat der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf eine Abweichung von der im Rahmen der Rechnungslegung beauskunfteten Angaben nicht genügt. - Für seine Schadensberechnung kann der Gläubiger auf die Rechnungslegung des Verletzers zurückgreifen, welche die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat. Abweichungen von der gerichtlichen Rechnungslegung stehen zur vollen Darlegungs- und Beweislast des Verletzers, und zwar unabhängig davon, ob völlig neue Kostenpositionen behauptet oder zu bereits mitgeteilten Positionen abweichende Zahlen behauptet werden (Kühnen, Hdb Patentverletzung, 16. Aufl. Kap. I, Rn. 190 m.w.N.).
- Unter der Voraussetzung, dass alle Modelle des Farbsprühsystems „A“ parallel bezogen und vertrieben wurden, mag nachvollziehbar sein, dass eine Trennung zwischen den verschiedenen Modellen nicht möglich ist. Nicht nachvollzogen werden kann jedoch, weshalb die Beklagte diesen – für die Berechnung des Verletzergewinns wesentlichen – Umstand erst im Nachhinein geltend macht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Begleitschreiben zur ursprünglich vorgenommenen Rechnungslegung noch eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Modellen vorgenommen wurde (siehe die Anlagen K3 und K4). Es wäre der Beklagten ein Leichtes gewesen, diesen Umstand mitzuteilen und es ist kein Grund erkennbar, aus dem sie diese Erkenntnis erst im Nachhinein gewonnen haben könnte.
- Ebenso wenig greift das Argument der Beklagten, dass sie die Farbsprühsysteme von ihrer Lieferantin, der XXX B, bezogen habe und sie deshalb keine Kenntnis über die Ausgestaltung der Farbsprühpistolen habe. Zum einen obliegt es der Beklagten, bei ihrer Lieferantin entsprechende Erkundigungen anzustellen. Hinzu kommt, dass auch die B von der Klägerin verklagt wurde und denselben Prozessvertreter hat. Insofern ist davon auszugehen, dass eine enge Abstimmung zwischen der Beklagten und ihrer Lieferantin möglich ist, so dass auch vor diesem Hintergrund nicht erkennbar ist, weshalb die Beklagte diesen Umstand erst im Rahmen des laufenden Verfahren geltend machte.
- Auch der Verweis der Beklagten auf die Aussage der Mitarbeiterin der Lieferantin, Frau H, in dem parallelen österreichischen Verfahren führt zu keinem anderen Schluss. Sofern die Mitarbeiterin dort ausgesagt hat, dass für den Vertrieb in Deutschland, Österreich und der Schweiz nur 58.560 Einheiten geliefert worden seien (siehe Anlage B15, S. 4), ergibt sich daraus nicht, dass für die in Deutschland vertriebenen angegriffenen Produkte ein Abschlag zu machen wäre. Schließlich hat die Zeugin schon keine weitere Unterscheidung gemacht und nicht angegeben, wie viele dieser 58.560 Einheiten letztlich nach Deutschland und wie viele nach Österreich und in die Schweiz gingen.
- Die Beklagte hat lediglich die Anzahl der nach Deutschland, Österreich und die Schweiz verkauften „A“-Farbsprühsysteme insgesamt mit 83.584 Stück angegeben, wobei darin die nicht näher begründeten, im Gegensatz zur bisherigen Auskunft zusätzlichen 100 Stück enthalten sind.
- Im Übrigen erklärt die Beklagte auch nicht, wo die Differenz zwischen den in Deutschland angegebenen relevanten 55.959 Stück und den für den Wareneinsatz insgesamt angegebenen 60.060 Stück herrührt. Vor dem Hintergrund, dass nach Deutschland, Österreich und die Schweiz insgesamt 83.584 bzw. 83.484 Stück geliefert worden seien, erscheint es plausibel, dass davon insgesamt 60.060 Stück auf die angegriffene Ausführungsform entfallen, von denen wiederum 55.959 nach Deutschland geliefert oder jedenfalls umsatzrelevant in Deutschland vertrieben wurden. Zumindest lässt sich aus dem Vortrag der Beklagten nichts anderes herleiten.
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c)
Ein Abschlag ist auch nicht in zeitlicher Hinsicht vorzunehmen. - Die Beklagte meint, dass sie auch den beauskunfteten Zeitraum in überobligatorischer Art und Weise zu umfassend gewählt habe. Dabei müsse zwischen drei verschiedenen Zeiträumen unterschieden werden. Für den ersten Zeitraum bis Februar 2011 könne sie nicht sagen, in welchem Umfang die angegriffene Ausführungsform einerseits und die patentfreien Varianten andererseits vertrieben worden seien. Für den Zeitraum von Februar 2011 bis Mai 2011 könne sie nicht ausschließen, dass die angegriffene Ausführungsform noch in bestimmtem Umfang an Abnehmer geliefert worden sei, da in diesem Zeitraum die Umstellung des „A“-Farbsprühsystem auf eine patentfreie Variante erfolgt sei. Für den Zeitraum von Juni 2011 bis Dezember 2011 sei davon auszugehen, dass allenfalls noch vereinzelt die angegriffene Ausführungsform in Umlauf gekommen sei. Denn für diesen Zeitraum könne nicht ausgeschlossen werden, dass es Retouren der angegriffenen Ausführungsform gegeben habe, die noch einmal verkauft worden seien.
- Auch dieser Einwand der Beklagten ergibt sich so nicht aus der Rechnungslegung und wurde von ihr erst im Nachhinein geltend gemacht. Da bei der von der Beklagten angegebenen Stückzahl davon auszugehen ist, dass diese allein die angegriffene Ausführungsform umfasst, ist der Zeitraum, in welchem diese verkauft wurde, irrelevant. Denn für die Berechnung des Verletzergewinns ist nicht von Interesse, wann die jeweiligen Produkte veräußert wurden.
- Hinzu kommt, dass bei der Zeugeneinvernahme des Geschäftsführers I vor dem Handelsgericht Wien von diesem selbst eingeräumt wurde, dass es einen Zeitraum gegeben habe, in welchem ausschließlich die angegriffene Ausführungsform verkauft worden sei (siehe Anlage B15). Dies steht in Widerspruch zu dem Vorbringen der Beklagten, dass über den gesamten relevanten Zeitraum der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform neben dem patentfreier Varianten gestanden habe.
-
2.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte mit den Verkäufen im Einzelhandel Erlösen in Höhe von 3.599.373,49 EUR, zusätzlich mit den Verkäufen mit getrenntem Nummernkreis weitere Erlöse von 16.761,27 EUR und mit den Verkäufen im Großhandel weitere Erlöse von 40.559,60 EUR erzielte. - Darüber hinaus machte die Beklagte weitere Umsätze mit dem Verkauf von Füllbechern in Höhe von 563.853,03 EUR (siehe unten, Ziffer a)) und mit Sprühpistolen in Höhe von 355,71 EUR (siehe unten, Ziffer b)); zusätzlich im Einzelhandel entstandene Erlöse hat die Klägerin im Umfang von weiteren 4.102,70 EUR hinreichend dargelegt (siehe unten, Ziffer c)). Daneben sind noch Einnahmen der Beklagten für die Vereinnahmung einer Versandkostenpauschale in Höhe von insgesamt 253.595,51 EUR, einer Transportversicherung in Höhe von 114.526,72 EUR, einer Nachnahmegebühr in Höhe von 177.175,50 EUR, einer Kreditkartengebühr in Höhe von 2.478,53 EUR (siehe unten, Ziffer d)) und einer 5-Jahres-Garantie in Höhe von 38.241,26 EUR (siehe unten, Ziffer e)) hinzuzurechnen. Der von der Klägerin in Ansatz gebrachte Werbekostenzuschuss der B in Höhe von 91.648,37 EUR ist ebenfalls miteinzubeziehen (siehe unten, Ziff. f)). Daraus ergibt sich eine als Gesamtumsatz zu Grunde zu legende Gesamtsumme von 4.902.671,69 EUR.
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a)
Die Datenauswertung der Klägerin ergab, dass die Beklagte mit dem Verkauf der unter den Artikelnummern XXX (A XXX / 2 Stk. / XXX) und XXX (A XXX / 4 Stk. / XXX) zusätzlich verkauften Füllbecher einen Umsatz von insgesamt 563.853, 03 EUR netto machte. Dabei ist kein Abschlag aus dem Grund zu machen, dass die Füllbecher auch für die Benutzung mit patentfreien Varianten des „A“-Farbsprühsystems verkauft wurden; denn zu der tatsächlichen Anzahl dieser patentfreien Varianten hat die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen. - Bei der Berechnung des herauszugebenden Verletzergewinns sind nach ständiger Rechtsprechung neben den Umsätzen, die der Verletzer unmittelbar aus Geschäften mit dem patentverletzenden Produkt erwirtschaftet, auch solche Umsätze miteinzubeziehen, die zwar nicht unmittelbar mit patentverletzenden Produkten gemacht wurden, die durch die vorausgegangene Patentverletzung aber überhaupt erst ermöglicht wurden (BGH, Urt. v. 14.11.2023, in GRUR-RS 2023, 38558, Rz. 32 – Polsterumarbeitungsmaschine; BGH, Urt. v. 29.05.1962, in GRUR 1962, 509, 512 – Dia-Rähmchen; siehe auch Kühnen, Kap I Rn. 189). Hierzu zählen Geschäfte mit Zubehör und Ersatzteilen für patentverletzende Gegenstände, die erst durch den Verkauf der patentverletzenden Gegenstände selbst ermöglicht wurden (BGH, Urt. v. 21.09.2006, in GRUR 2007, 431 Rn. 15 und 42 – Steckverbindergehäuse). Damit unterscheidet sich die heutige Rechtslage von dem von der Beklagten zitierten Urteil der Kammer mit dem Aktenzeichen 4b O 9/16 (Urteil vom 4.7.2017, in GRUR-RS 2017, 119275) oder auch der Entscheidung mit dem Aktenzeichen 4b O 430/02 (Urteil vom 11.04.2006, in BeckRS 2011, 3363).
- Der Verkauf der zusätzlichen Füllbecher ist kausal auf den Verkauf der angegriffenen Ausführungsform zurückzuführen. Denn ohne die angegriffene Ausführungsform wären die Abnehmer der Beklagten auch nicht veranlasst gewesen, die Füllbecher zu erwerben. Dies liegt für den Fall, dass die Füllbecher zusammen mit dem „A“-Farbsprühsystem veräußert wurden, auf der Hand. Aber auch soweit sie getrennt veräußert wurde, erfolgte dies nur aufgrund des Erwerbs einer angegriffenen Ausführungsform. Denn es liegt auf der Hand, dass die Füllbecher zur Verwendung mit dem patentverletzenden Farbsprühsystem gekauft wurden. Diese Füllbecher waren mit dem Durchmesser der Öffnung und ihrem Außengewinde speziell an das Innengewinde der Farbbecheraufnahme der „A“-Farbspritzpistole angepasst und es ist nicht konkret vorgetragen, mit welchen anderen Farbsprühsystemen die Füllbecher verwendbar gewesen sein sollen. Jedenfalls hatte die Beklagte kein anderes Farbsprühsystem im Angebot, sodass ausgeschlossen ist, dass die Beklagte diese Umsätze mit den für sich genommen das Streitpatent nicht unmittelbar verletzenden Füllbechern auch ohne den gleichzeitigen Vertrieb der Verletzungsform hätte erzielen können. Und selbst wenn eine ausschließliche Nutzung der Füllbecher als Zubehör nur zu dem von der Beklagten vertriebenen „A“-Farbsprühsystem nicht gegeben war, sondern eine Kompatibilität auch mit anderen Systemen bestand, konnten die Kunden dies gar nicht erkennen und wären damit nicht auf die Idee gekommen, die Füllbecher mit anderen Spritzpistolen als mit der der Beklagten zu verwenden. Insofern ist auch der Umsatz der Füllbecher vollumfänglich anzusetzen, die ohne die Sprühpistole verkauft wurden.
- Dass die Füllbecher ebenso gut mit der patentfreien Variante des „A“-Farbsprühsystems funktioniert hätten oder sogar mit gänzlich anderen Farbsprühsystemen, ist unbeachtlich. Dabei handelt es sich um hypothetische – und damit unbeachtliche – Kausalverläufe. Entscheidend ist, dass es sich um Umsätze handelt, die auf Grund des Verkaufs der angegriffenen Ausführungsform generiert wurden.
-
b)
Die Datenauswertung der Klägerin ergab außerdem, dass die Beklagte unter der Artikelnummer XXX zusätzliche Sprühpistolenköpfe für das angegriffene Farbsprühsystem im Umfang von 355,71 EUR netto verkaufte. Aus den oben genannten Gründen (siehe oben, Ziffer a)) sind auch diese Einnahmen den relevanten Umsätzen zurechenbar. -
c)
Den mit dem Verkauf der Farbsprühsysteme, zusätzlicher Füllbecher und Sprühpistolen erzielten Erlösen sind noch weitere 4.102,70 EUR zuzurechnen. -
Die Klägerin hat zunächst vorgetragen, dass weitere 5.596,73 EUR umsatzsteigernd zu berücksichtigen seien, die sich aus Verkäufen der Artikel mit den Nummern XXX, XXX und XXX ergeben sollen, wie sie im Wege der Datenauswertung feststellte.
Daraufhin hat die Beklagte eingeräumt, Verkäufe für die Artikel mit der Nummer XXX in Höhe von 4.102,70 EUR in der Auskunft versehentlich nicht angegeben zu haben. Zudem hat sie – von der Klägerin unwidersprochen – vorgetragen, dass die weiteren Artikelnummern bereits in der Auskunft enthalten gewesen seien. Der Betrag von 4.102,70 EUR dürfte damit letztlich unstreitig sein. -
d)
Die Klägerin hat im Wege der Datenauswertung weitere Einnahmen der Beklagten identifiziert, die auf dem Verkauf der patentverletzenden „A“-Farbsprühsysteme beruhen. Dabei ist unerheblich, dass diese nicht in direktem ursächlichen Zusammenhang mit den technischen Eigenschaften der Farbsprühsysteme stehen. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Polsterumarbeitungsmaschine“ reicht es aus, wenn die zusätzliche Leistung ohne das Inverkehrbringen der patentverletzenden Vorrichtung nicht hätte erbracht werden können (BGH, Urt. v. 14.11.2023, in GRUR-RS 2023, 38558, Rz. 37). Soweit es um Gewinne aus Zusatzgeschäften gehe, bestehe ein Anspruch auf Auskunft danach in Bezug auf alle Geschäfte, die es aufgrund ihres Inhalts, aufgrund der Umstände, unter denen sie geschlossen worden sind, oder aufgrund sonstiger Anhaltspunkte als nicht fernliegend erscheinen lassen, dass sie in Ursachenzusammenhang mit einer rechtswidrigen Benutzungshandlung stehen (BGH, a.a.O., Rz. 75). - Daher sind auch die Kosten, die die Beklagte durch die Erhebung einer Versandkostenpauschale, einer Transportversicherung, einer Nachnahmegebühr und einer Kreditkartengebühr einnahm, ihrem Gewinn zuzurechnen.
- Vorliegend ist kein Abzug für die Veräußerung patentfreier Gegenstände zu machen, die mit dem „A“-Farbsprühsystem in keinem Zusammenhang stehen und im gleichen Paket wie ein patentverletzendes „A“-Farbsprühsystem versendet wurden. Denn da nach dem Vortrag der Klägerin nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verkauf der patentfreien Produkte nicht durch den Verkauf der angegriffenen Ausführungsform bedingt ist, hat die Beklagte nicht hinreichend dargelegt, in wie vielen Paketen tatsächlich patentfreie Produkte mitveräußert wurden, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Vertrieb der patentverletzenden Sprühpistole standen. Ein Abzug von etwa 14%, wie die Beklagte dies wegen der weiteren, gemeinsam mit dem „A“-Farbsprühsystem versendeten Produkten vorträgt, ist nicht vorzunehmen.
- Zunächst hat die Klägerin eingewandt, dass einige Rechnungen Produkte auswiesen, wie beispielsweise „J“ oder „K“, bei denen es sich um ein Fugenkit handele, das der Vorbereitung des Materialgrundes diene und damit mit der späteren Verwendung des „A“-Farbsprühsystems in Zusammenhang stehe. Hinzu kommt, dass bei dem Kauf weiterer – vor allem günstigerer Produkte – davon auszugehen ist, dass ihr Kauf mit der Bestellung des „A“-Farbsprühsystems zusammenhängt und nicht selbstständig erfolgte, so dass auch die entsprechenden weiteren Kosten wie Versandkosten ebenfalls in Gänze zuzurechnen sind. Vor diesem Hintergrund hätte es der Beklagten oblegen, vorzutragen, welche Produkte völlig losgelöst von dem „A“-Farbsprühsystem aufgrund gesonderter Infomercials verkauft wurden und welchen Anteil diese an den gesamten Verkäufen machten. Das ist nicht geschehen.
- Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie im Hinblick auf die Masse der Einzelhandelsrechnungen nur 173 Stichproben genommen habe. Wie genau die Auswahl der Stichproben erfolgte und welche das genau waren, hat die Beklagte jedoch nicht angegeben. Insofern verweist die Klägerin – nachvollziehbar – darauf, dass ihr eine Erwiderung auf den Vortrag der Beklagten so nicht möglich sei, denn dieser sei weder nachvollziehbar noch nachprüfbar.
- Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Posten dem Gewinn der Beklagten vollumfänglich zuzurechnen.
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aa)
Die Klägerin hat im Wege der Datenextraktion auf Grundlage der von der Beklagten beigebrachten Belege ermittelt, dass diese mit der Inrechnungstellung einer Versandkostenpauschale Einnahmen in Höhe von 253.595,51 EUR netto generierte. - Soweit die Beklagte die Höhe der Einnahmen mit der Versandkostenpauschale bestreitet, ist dieses Bestreiten pauschal und damit unbeachtlich. Es ergibt sich aus den vorgelegten Rechnungen, dass die Beklagte Einnahmen durch die Erhebung einer Versandkostenpauschale generierte. Dies hat sie auch der Sache nach nicht bestritten. Da die Versandkosten von der Beklagten eingenommen wurden und die Höhe der in Rechnung gestellten Pauschale damit ihrer Sphäre entstammt, hätte es ihr oblegen, einen konkreten Betrag zu benennen. Dies gilt auch für den Einwand der Beklagten, dass die Versandkostenpauschale nicht für alle verkauften Farbsprühsysteme angefallen sei. Schließlich hat die Klägerin die entsprechenden Einnahmen auch nicht für alle verkauften Produkte angesetzt, sondern nur in der Höhe, wie sie sich aus den Belegen ergaben und damit auch tatsächlich anfielen.
- Die durch die Versandkostenpauschale generierten Einnahmen sind kausal auf den Verkauf der angegriffenen Ausführungsform zurückzuführen und damit bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen.
-
bb)
Die Klägerin hat im Wege der Datenextraktion der Belege außerdem ermittelt, dass die Beklagte mit der Inrechnungstellung einer Transportversicherung Einnahmen in Höhe von 114.526,72 EUR netto generierte. Aus den oben genannten Gründen (siehe Ziffer aa)) ist das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten des Betrages der Höhe nach auch hier unbeachtlich. Die durch die Transportversicherung generierten Einnahmen sind kausal auf den Verkauf der angegriffenen Ausführungsform zurückzuführen und damit bei der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. -
cc)
Die Datenextraktion der Klägerin ergab zudem, dass die Beklagte mit der Erhebung einer Nachnahmegebühr von jeweils 4,95 EUR insgesamt Erlöse von 177.175,50 EUR netto erwirtschaftete. Auch in diesem Zusammenhang ist das Bestreiten der Höhe nach aus den oben genannten Gründen unbeachtlich (siehe oben, aa)). -
dd)
Die Datenextraktion der Klägerin ergab darüber hinaus, dass die Beklagte mit der Inrechnungstellung einer Kreditkartengebühr von jeweils 1,95 EUR insgesamt Erlöse von 2.478,53 EUR netto erzielte. Sofern die Beklagte diese Einnahmen der Höhe nach bestreitet, ist dies wiederum aus den oben genannten Gründen (siehe Ziffer aa)) unerheblich. -
e)
Die Datenextraktion der Klägerin ergab, dass die Beklagte mit einer sogenannten „XXX-Garantie“ Erlöse in Höhe von 38.241,26 EUR netto einnahm, die aus den oben bereits genannten Gründen (siehe Ziffer d)) hier ebenfalls dem mit der angegriffenen Ausführungsform erzielten Umsatz zuzurechnen sind. Sofern die Beklagte vorträgt, dass diese Garantie allein für die ab Mai 2011 gelieferten, patentfreien Varianten des „A“-Farbsprühsystem angeboten worden sei, wird dies nicht näher begründet und erscheint nicht plausibel. Es ist kein Grund erkennbar, aus dem eine solche Garantie erstmals mit den patentfreien Produkten angeboten worden sein soll. Vielmehr enthalten die der Klägerin von der Beklagten im Rahmen der Auskunft vorgelegten Belege diese „XXX-Garantie“, die sich damit zwangsläufig auf die patentverletzenden Sprühpistolen bezieht. -
f)
Der von der Lieferantin B beigesteuerte Beitrag zu den Werbekosten der Beklagten in Höhe von 35.789,54 EUR und weiterer 55.858,83 EUR (USD umgerechnet in EUR) wird ebenfalls gewinnerhöhend berücksichtigt. - Nach dem Vortrag der Beklagten erfolgte diese Zahlung als Beitrag zu der von der Beklagten übernommenen Werbung der Farbsprühsysteme. Von der durch die Beklagte geschalteten TV-Werbung profitierte auch B als Herstellerin, weil sich diese auch für sie absatzfördernd auswirkte. Denn neben der Beklagten belieferte B auch weitere Großkunden mit dem „A“-Farbsprühsystem. Es handelt sich dabei um Einnahmen, die dem Verkauf des „A“-Farbsprühsystems konkret zugeordnet werden können.
-
3.
Die Beklagte kann insgesamt abzugsfähige Kosten in Höhe von 1.852.696,45 EUR geltend machen. Davon entfallen 1.207.657,14 EUR auf den Wareneinsatz, 28.542,26 EUR auf die Nachverrechnung des Herrn K, weitere 54.325,82 EUR auf Transportkosten, 16.005,65 EUR auf die Verzollung und Entladung, 153.957,60 EUR auf den Wareneinsatz für die zusätzlich verkauften Füllbecher, 213.553,29 EUR auf die Versandkosten und 178.965,15 EUR auf die Nachnahmegebühr. - Von den zu berücksichtigenden Umsätzen sind die Gestehungskosten sowie die variablen Kosten abzuziehen, die durch diejenigen betrieblichen Maßnahmen verursacht wurden, die auch zur Erzielung des Umsatzes geführt haben.
- Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagten Kosten für den Wareneinsatz (siehe unten, Ziffer a)), durch die Nachverrechnung mit Herrn K sowie für den Transport, die Verzollung und Entladung (siehe unten, Ziffer b) entstanden und damit abzugsfähig sind. Die Kosten für die von der Beklagten betriebene Werbung ist hingegen nicht abzugsfähig (siehe unten, Ziffer c)). Den weiteren von der Beklagten generierten Einnahmen können nur zum Teil abzugsfähige Kosten entgegengehalten werden (siehe unten, Ziffer d)).
-
a)
Die Beklagte kann für ihren Wareneinsatz 1.023.673,34 EUR für die in der Währung EUR gekauften Produkte und weitere 183.983,80 EUR für die in der Währung USD gekauften Produkte von ihrem Umsatz abziehen. - Eine Reduktion der abzugsfähigen Kosten um einen Betrag von 102.319,95 EUR, wie die Klägerin meint, kann nicht vorgenommen werden. Die Klägerin argumentiert, dass die Beklagte den Wareneinsatz für 60.060 Farbsprühsysteme in Abzug gebracht habe, obwohl sie nur 55.959 Produkte verkauft habe. Die Klägerin übersieht jedoch, dass sich in der Auskunft der Beklagten (Anlage K13) eine Spalte findet, in der der Wareneinsatz mit 1.098.694,06 EUR und 197.467,20 EUR angegeben ist, woraus sich ein Gesamtbetrag von 1.296.161,26 EUR ergibt. Dieser Betrag bezieht sich auf den Wareneinsatz von 60.060 Stück. Der Wareneinsatz für die hier anzusetzenden 55.959 Stück ergibt sich hingegen aus der rechten Spalte, in der die Beträge für den Wareneinsatz mit 1.023.673,34 EUR und 183.983,80 EUR angegeben sind. Der sich daraus ergebende Gesamtwert von 1.207.657,14 EUR entspricht einem Betrag von 1.296.161,26 EUR geteilt durch 60.060 multipliziert mit 55.959. Von diesem Betrag ist demnach kein Abzug für den Wareneinsatz von 4.101 Produkten mehr zu machen, wie die Klägerin diesen in Anlage 29 vorgenommen hat.
-
b)
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Beklagten weitere abzugsfähige Kosten in Form einer Nachverrechnung an den in XX ansässigen XXX K in Höhe von 28.542,26 EUR, weiterhin Transportkosten in Höhe von 54.325,82 EUR und für die Verzollung und Entladung in Höhe von 16.005,65 EUR entstanden sind. -
c)
Die von der Beklagten geltend gemachten Kosten für Werbemaßnahmen in Form von Kosten für Sendeplätze, die mit Infomercials für das patentverletzende „A“-Farbsprühsystem belegt wurden, kann diese nicht gewinnmindernd in Abzug bringen, da es sich dabei um Allgemeinkosten handelt. - Nach den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen sind solche Kosten nicht anrechenbar, die unabhängig vom Umfang der Produktion und des Vertriebs durch die Unterhaltung des Betriebs angefallen sind; insofern sind allgemeine Marketingkosten, die nicht direkt der rechtsverletzenden Produktion zugeordnet werden können, nicht anrechenbar (BGH, GRUR 2007, 431 Rn. 32 – Steckverbindergehäuse; Eichmann/Jestaedt/Fink/Meiser/Eichmann/Jestaedt, 7. Aufl. 2023, DesignG § 42 Rn. 52). Für eine Erstattungsfähigkeit kommt es darauf an, ob es sich um vom Verletzungsprodukt unabhängige „Sowieso“-Kosten handelt, die auch entstanden wären, wenn es das patentverletzende Produkt nicht gegeben hätte, oder ob diese ohne das patentverletzende Produkt entfallen würden (vgl. OLG Düsseldorf GRUR-RS 2015, 13605 Rn. 104 – Funkarmbanduhr).
- Vorliegend handelt es sich bei den von der Beklagten angesetzten Kosten um allgemeine Marketingkosten, die den patentverletzenden Farbsprühsystemen nicht konkret zurechenbar sind.
-
aa)
Die Kammer geht mit der Klägerin unter Bezugnahme auf die Zeugeneinvernahme des Zeugen L vor dem Handelsgericht Wien am 25. April 2023 (Anlage B15, S. 12 ff.) davon aus, dass die Beklagte zumeist Jahresverträge mit den jeweiligen TV-Sendern abschloss und die jeweiligen Slots dann in Abhängigkeit davon, welche Produkte sich zu welchen Sendezeiten auf welchem Sender am besten verkaufen ließen, belegt wurden. - Die Beklagte meint, dass die Klägerin Teile der Aussage des Zeugen aus dem Zusammenhang gerissen habe. Sie betont, dass es sich bei der von ihr betriebenen Werbung um sogenanntes „Direct Response TV“ handele, bei dem sich ein direkter Zusammenhang zwischen der konkreten Warenbestellung des Kunden und einem bestimmten Werbespot herstellen lasse. Durch die Buchung im Voraus würden sich niedrigere Preise erzielen lassen und es werde Planungssicherheit geschaffen. Sie müsse die dadurch entstehenden Kosten sehr genau planen und kalkulieren, weil sie sonst überhaupt keine Gewinne erwirtschaften würde. Daher wisse sie schon viele Monate im Voraus, welche Produkte sie demnächst vertreiben werde und berücksichtige dies im Rahmen der zu buchenden Zeiten.
- Dem vermag die Kammer nicht zu folgen. Zwar mag sich ein Zusammenhang zwischen den Kosten für die Ausstrahlung der sogenannten Infomercials und den Einnahmen durch den Verkauf der beworbenen Produkte in jedem Fall genau feststellen lassen. Die Beklagte hat jedoch nicht dargelegt, dass dies bereits zum Zeitpunkt der Buchung der Sendezeiten im Voraus der Fall ist. Das heißt, das Kontingent an Sendeplätzen wäre auch dann gebucht worden, wenn das „A“-Farbsprühsystem nicht angeboten worden wäre. Der Umstand, dass es sich um „Direct Response TV“ handelt und jeder Werbespot eine eigene Rufnummer erhält, spricht für ein solches Verständnis. Denn auf diese Weise kann unmittelbar nachvollzogen werden, wie gut sich welches Produkt verkaufen lässt, und dementsprechend dynamisch können die bereits gebuchten Sendezeiten für die Zukunft verteilt werden.
- Das bedeutet, dass sich die Zuordnung des Verkaufs bestimmter Produkte zwar sehr genau nachvollziehen und der Ausstrahlung einer bestimmten TV-Sendung zuordnen lässt, dies aber erst nach der mittels Jahresvertrags erfolgten Buchung. Damit sind die in diesem Zusammenhang entstandenen Werbekosten in jeglicher Hinsicht vergleichbar mit Lagerkosten, die ebenfalls zu den nicht abzugsfähigen Kosten gehören. Denn auch ein Lager wird im Vorhinein für die Bevorratung verschiedenster Produkte angemietet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich im Nachhinein genau sagen lässt, für welchen Zeitraum welche Produkte bevorratet wurden. Auf eine nachträgliche Zuordnung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, vielmehr ist entscheidend, ob bereits bei Entstehung der Kosten eine eindeutige und ausschließliche Zurechnung zu den patentverletzenden Produkten vorgenommen werden kann.
-
bb)
Sofern die Beklagte vorträgt, dass sie ohne den Vertrieb des „A“-Farbsprühsystems die Werbezeiten nicht im selben Umfang gebucht hätte, vermag dies eine Abzugsfähigkeit nicht zu begründen. - Zwar kann die Beklagte den Einwand erheben, dass sie in gewissem Umfang umorganisiert und kapazitätsreduzierende Maßnahmen vorgenommen hätte; dies ist aber nur dann plausibel, wenn das Verletzungsprodukt einen hinreichenden Anteil am Gesamtumsatz bzw. an der Gesamtleistungskapazität des Betriebs ausmacht, der strukturelle Maßnahmen der besagten Art sinnvoll erscheinen lässt (siehe Kühnen, Kap I Rn. 197 m.w.N.).
- Die Beklagte hat in ihrem – zu diesem Thema nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23. November 2023 – vorgetragen, dass sie im Zeitraum von April 2010 bis Dezember 2011 für alle Produkte insgesamt Kosten von 7.491.018,81 EUR für die Buchung von Sendezeiten gehabt habe. Davon seien 1.794.340,03 EUR auf das „A“-Farbsprühsystem entfallen, also 24%; für das Jahr 2011 habe es sich sogar um einen Anteil von 56% gehandelt. Diesen Berechnungen hat die Klägerin entgegengehalten, dass der von der Beklagten angegebene Werbeaufwand nicht richtig beziffert worden sei. Aus dem Revisionsbericht der Beklagten (Anlage B9) würden sich andere Kosten ergeben.
- Es bedarf hier keiner Entscheidung darüber, ob der Vortrag der Beklagten verspätet ist, denn die Beklagte konnte nicht darlegen, dass die von ihr beabsichtigten kapazitätsreduzierenden Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt worden wären. Denn dazu hätte sie im Stande sein müssen, die gebuchten Sendezeiten wieder zu kündigen. Das hat die Beklagte zwar behauptet, aus den von ihr beigebrachten Unterlagen lässt sich das jedoch nicht ohne Weiteres entnehmen. Die Beklagte verweist zum einen auf ein Schreiben der M GmbH (Anlage B21), mit dem diese die Praxis der unterjährigen Zubuchung und Kündigung bestätigen würde. Es findet sich allerdings nur der pauschale Satz, dass „M auch von Kündigungen Gebrauch gemacht“ habe. Zu den Bedingungen, unter denen das möglich war und den jeweiligen Kündigungsfristen findet sich nichts. Ähnlich verhält es sich mit dem Auszug aus einem aktuellen Vertrag (Anlage B22), auf den die Beklagte verweist. Zum einen ist ein aktueller Vertrag schon nicht aussagekräftig für den Benutzungszeitraum im Jahr 2011. Zum anderen lässt sich der einzelnen, aus dem Zusammenhang gerissenen Seite nicht entnehmen, ob es überhaupt um die Buchung von Sendezeiten für ein gesamtes Jahr geht.
- Was die vorzeitige Kündigung von Sendezeiten angeht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, in welchem Umfang die Klägerin ohne die angegriffene Ausführungsform Kündigungen ausgesprochen und welche Kosten sie dadurch vermieden hätte. Auch das Verhältnis zu anderen Produkten bleibt völlig im Dunkeln, die stattdessen hätten angeboten werden können.
- Die Beklagte hat nicht hinreichend vorgetragen, dass sie bei der Jahresbuchung von vornherein weniger gebucht hätte, wenn sie das „A“-Farbsprühsystem nicht von Beginn an im Programm gehabt hätte. Sie hat schon nicht dargelegt, wie genau die Jahresbuchungen erfolgen. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin schlicht weniger Sendezeiten gebucht hätte. Wenn – wie die Beklagte vorgetragen hat – ad hoc entschieden wird, wann welches Produkt beworben wird, ist davon auszugehen, dass sie nicht einfach auf Sendezeiten verzichten, sondern ein anderes Produkt in das Programm aufnehmen würde. Es ist schon nicht erkennbar, dass so langfristig die Produkte geplant werden, wenn – wie die Klägerin vorträgt – die angegriffene Ausführungsform alle paar Wochen nachgeordert wurde. Insofern erscheint es wenig plausibel, dass nur Sendezeiten für Produkte gebucht würden, die man gerade auf Lager habe. Es ist auch nicht ersichtlich, welcher Anteil der Sendeplätze weniger gebucht worden wäre. Schließlich kann man nicht einfach von den Kosten für die Sendungen für die angegriffene Ausführungsform – nach Vortrag der Klägerin 24 bzw. 56% der Gesamtkosten – auf den Anteil der Sendezeiten schließen. Unklar bleibt auch, wie sich die Kosten bei verringerten Buchungen entwickelt hätten. Denn es ist nicht anzunehmen, dass die Kosten linear zur Menge der Sendezeit verlaufen.
- Hinzu kommt auch, dass die Bewerbung des „A“-Farbsprühsystems nicht nur zum Verkauf patentverletzender Produkte führte, sondern auch patentfreie Varianten verkauft wurden. Das gilt insbesondere für den Zeitraum ab Februar 2011, als die Produktion auf die Herstellung patentfreier „A“-Farbsprühsysteme umgestellt wurde. Insofern ist bereits deshalb davon auszugehen, dass die Bewerbung der patentfreien „A“-Farbsprühsysteme zu dem Anfall der Kosten geführt hätte.
- Außerdem hat die Beklagte auch auf eine Rechnung der M verwiesen (Anlage B19), die Kosten für die Monate Januar bis März 2010 ausweisen – einem Zeitraum, in welchem das „A“-Farbsprühsystem noch gar nicht vermarktet wurde. Die entsprechenden Kosten können schon aus diesem Grund nicht in Ansatz gebracht werden.
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cc)
Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beklagte die Möglichkeit gehabt hätte, in der für die „A“-Farbsprühsysteme genutzten Sendezeit andere Produkte zu bewerben. Die Beklagte behauptet, dass sie die entsprechenden Sendezeiten nicht gebucht hätte, wenn sie das „A“-Farbsprühsystem nicht in ihr Sortiment aufgenommen hätte. Selbst wenn man davon ausginge, dass es der Beklagten nicht kurzfristig möglich gewesen wäre, statt des „A“-Farbsprühsystems ein neues Produkt in das Sortiment aufzunehmen, wäre es ihr zumindest möglich gewesen, bereits im Sortiment vorhandene Produkte zu bewerben. - Denn nach dem Vortrag der Beklagten stellt sich der Sachverhalt so dar, dass ihr einerseits ein bestimmtes Kontingent an Sendezeit und andererseits ein bestimmtes Kontingent an Produkten zur Verfügung stand. Die Zuteilung der Sendezeiten zu bestimmten Produkten geschah dann dynamisch und je nach Nachfrage nach dem einzelnen Produkt. Dabei ist aber immer davon auszugehen, dass die gebuchten Sendezeiten komplett ausgeschöpft wurden und nicht einfach verfallen wären.
-
dd)
Zu berücksichtigen ist schließlich, dass der von der Beklagten betriebene Werbeaufwand bereits bei der Bestimmung des Kausalanteils Berücksichtigung findet. Würde man die dafür entstandenen Kosten bereits an dieser Stelle in Ansatz bringen, würde eine erneute Berücksichtigung bei der Bestimmung der Kausalanteils zu einer ungerechtfertigten Doppelberücksichtigung führen. Die Kosten zu Gunsten der Beklagten allein an dieser Stelle und nicht mehr bei der Bestimmung des Kausalanteils in Ansatz zu bringen, würde diese unangemessen bevorteilen. -
ee)
Der Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 23. November 2023 erfolgte auch zu der Abzugsfähigkeit der Werbekosten, obwohl die Kammer in dem Hinweis nur die gezielte Beantwortung bestimmter anderer Fragen verlangt hat. Eine Diskussion, ob der Vortrag der Beklagten insofern verspätet ist, erübrigt sich jedoch, da er – auch wenn er, wie hier geschehen, berücksichtigt worden wäre – eine Beweisaufnahme nicht erforderlich gemacht hätte. -
ff)
Da die Werbekosten hier ohnehin nicht abzugsfähig sind, kommt es auf weitere Einzelfragen nicht an. Insofern muss nicht weiter erörtert werden, ob die Kosten (auch) aus dem Grund nicht abzugsfähig sind, weil sie nicht von der Beklagten, sondern der M GmbH gebucht und bezahlt wurden, wie die Klägerin unter Bezugnahme auf die eidesstattliche Versicherung des Herrn N vorträgt. Auch kommt es vor diesem Hintergrund nicht darauf an, ob und inwiefern die Beklagte Rechnungen vorgelegt hat, die das Entstehen der Kosten bzw. deren Begleichung belegen sollen. Dies gilt insbesondere für die von der Klägerin gesondert als Anlage K22, K23 und K24 eingereichten und beanstandeten Rechnungen. - Die hier gegen die Abzugsfähigkeit vorgebrachte Begründung gilt auch für die im Rahmen der sogenannten „Affiliate Werbung“ bei XXX angefallenen 225,15 EUR, die demnach ebenfalls nicht abzugsfähig sind.
-
d)
Die Beklagte kann den Gewinnen in erheblichem Umfang weitere abzugsfähige Kosten gegenüberstellen: -
aa)
Dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig, dass für den Wareneinsatz der Füllbecher Kosten entstanden sind. Diese setzt die Klägerin mit 153.957,60 EUR an. Sofern die Beklagte meint, der Betrag sei mit 161.957,00 EUR zu bemessen und unter Verwahrung gegen die Beweislast die Vorlage der Rechnung über die erworbenen Füllbecher anbietet, genügt sie ihrer Darlegungslast nicht. Es hätte ihr oblegen, zur Substantiierung ihres Vortrags eine Kopie dieser Rechnung zur Akte zu reichen. -
bb)
Auch hinsichtlich der verkauften Sprühpistolen sind sich die Parteien einig, dass es zu abzugsfähigen Kosten für den Wareneinsatz gekommen ist. Während die Klägerin solche in Höhe von 6.176,00 EUR zugesteht, behauptet die Beklagte, diese hätten bei 7.768,00 EUR gelegen. Aber auch in diesem Zusammenhang genügt die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht, da sie keine konkreten Rechnungen in Kopie zur Akte gereicht hat. -
cc)
Die Beklagte hat den durch die weiteren Verkaufserlöse mit der Artikelnummer XXX generierten Einnahmen keine Kosten für den Wareneinsatz gegenübergestellt. -
dd)
Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass der Einnahme der Versandkostenpauschale auch Ausgaben für Verpackung und Versand gegenüberzustellen sind. - Auf eine Geltendmachung dieser Ausgaben hat die Beklagte nicht verzichtet. Sofern die Klägerin sich darauf beruft, dass ein entsprechender Posten in der Rechnungslegung nicht enthalten gewesen sei, liegt das daran, dass die Versandkostenpauschale von der Beklagten als durchlaufender Posten angesehen und daher auch auf der Einnahmenseite nicht gewinnerhöhend berücksichtigt wurde. Gleiches gilt, sofern die Beklagte im Laufe des Rechnungslegungsverfahrens darauf verzichtete, Kosten für Einzelhandelslieferungen gewinnmindernd in Abzug zu bringen (siehe Anlage K 10, Rn. 32). Denn dieser Verzicht bezog sich nicht auf die Versandkostenpauschale, die im Rahmen der Rechnungslegung zwischen den Parteien noch gar nicht thematisiert worden war. Der Beklagten ist es insofern nicht verwehrt, im hiesigen Verfahren Versandkosten gewinnmindernd in Ansatz zu bringen. Sofern es sich dabei um Abweichungen von ihrer Rechnungslegung handelt, steht dies jedoch zu ihrer Darlegungs- und Beweislast (siehe Kühnen, Kap. I Rn. 170), der sie jedoch hinreichend nachgekommen ist.
- Die Beklagte hat die Kosten für das Verpacken mit 1,69 EUR bis 1,84 EUR pro Paket angegeben (siehe auch die E-Mail vom 29.09.2017, Anlage B6). Da nicht klar ist, in welchem Monat welche Anzahl an Paketen verpackt wurde, wird hier insgesamt der untere Wert von 1,69 EUR pro Paket zu Grunde gelegt. Ähnlich verhält es sich mit den Versandkosten, die die Beklagte mit einer Spanne von 3,35 EUR bis 3,90 EUR pro Paket angegeben hat (siehe auch die in Kopie eingereichte Rechnung für den Zeitraum vom 03.10.2011-07.10.2011, Anlage B8). Auch hier wird der niedrigste Betrag von 3,35 EUR zu Grunde gelegt. Bei der Kartonage wird ein Betrag von 0,41 EUR pro Paket angesetzt (siehe dazu auch die Rechnung vom 03.10.2011, Anlage B7). Diese Beträge erscheinen plausibel und sind hinreichend dargelegt.
- Die Beklagte hat mit der Versandkostenpauschale insgesamt 253.595,51 EUR eingenommen, wobei sie 7,99 EUR bzw. 6,47 EUR netto für die Versandkosten pro Paket genommen hat. Bei Zugrundelegung des Netto-Betrags ergibt sich daraus eine Paketanzahl von 39.184,09. Legt man diese Anzahl der Pakete zu Grunde, können 66.221,11 EUR für die Verpackung, 131.266,70 EUR für den Versand und 16.065,48 EUR für die Kartonage, insgesamt 213.553,29 EUR angesetzt werden.
- Die weiteren von der Beklagten in diesem Zusammenhang geltend gemachten Kosten sind hingegen nicht abzugsfähig. Dazu gehört nach dem Vortrag der Beklagten, dass nicht für alle Sendungen eine Versandkostenpauschale erhoben worden sei, dass es Retouren gegeben habe und dass Lagerkosten angefallen seien.
- Anders als die konkret angefallenen Kosten für Verpackung und Versand handelt es sich bei den Lagerkosten um Allgemeinkosten, da nicht vorgetragen oder anderweitig ersichtlich ist, dass allein für die angegriffene Ausführungsform ein eigenes Lager notwendig war. Die Kosten wären also ohnehin angefallen.
- Sofern die Kosten für Pakete betroffen sind, für die eine Versandkostenpauschale nicht erhoben wurde, gilt – wie eingangs bereits festgestellt – dass die Klägerin durch die Datenextraktion nur solche Versandkosten zu Grunde gelegt hat, die tatsächlich angefallen sind.
- Für Retouren, deren Kosten den Kunden nicht in Rechnung gestellt wurden, fehlt es an substantiiertem Vortrag der Beklagten, der eine Berechnung der konkreten Kosten zulassen würde. Gleiches gilt für die von der Beklagten vorgelegte Gewinn- und Verlustrechnung (Anlage B9), die keine Rückschlüsse auf konkrete, pro Paket entstandene Kosten zulässt.
-
ee)
Die Beklagte trägt vor, dass die Transportversicherung eine „Eigenversicherung“ gewesen sei, womit feststeht, dass ihr keine abzugsfähigen Kosten seitens Dritter entstanden sind. Einen konkreten Betrag, der ihr im Rahmen von Auszahlungen auf Grund des Abschlusses dieser Versicherung entstanden ist, nennt die Beklagte ebenfalls nicht, so dass auch insofern keine Abzugsfähigkeit besteht. Sofern die Beklagte vorträgt, dass die Gebühren allein zur Kostendeckung erhoben worden seien, hätte es ihr oblegen, zu den tatsächlich entstandenen Kosten vorzutragen. -
ff)
Der Vortrag der Beklagten dahingehend, dass der Erhebung der Nachnahmegebühr auch Kosten für die Zahlung einer solchen Gebühr an die O gegenüberstehen, ist plausibel. Aus der Rechnung der O vom 10. Oktober 2011 (Anlage B8, S.2) ergibt sich, dass der „Service Nachnahme“ mit 3,00 EUR pro Paket in Rechnung gestellt wurde. Aus der E-Mail-Korrespondenz der Beklagten mit O (Anlage B10) ergibt sich, dass daneben noch ein Nachnahmeübermittlungsentgelt in Höhe von 2,00 EUR pro Paket erhoben wurde. Insgesamt stehen den durch die Beklagte erhobenen Nachnahmegebühren von jeweils 4,95 EUR also 5,00 EUR abzugsfähige Kosten gegenüber. -
gg)
Sofern die Beklagte vorträgt, dass es sich bei der Kreditkartengebühr um eine solche handele, die auf die Kunden umgelegt worden sei, ist dies zwar grundsätzlich plausibel. Da sie aber nur pauschal darauf verweist, dass es sich dabei um die bei einer Zahlung mit Kreditkarte über einen Zahlungsdienstleister als Disagio angefallenen Kosten handele, ist dies im Hinblick auf den Vortrag der Klägerin, dass die Kreditkartengebühren umsatzabhängig seien und damit nicht bei jeder Transaktion bei dem gleichen Betrag gelegen haben könne, nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hätte insofern im Einzelnen vortragen müssen, welcher Umsatzanteil konkret als Kreditkartengebühr anfiel oder entsprechende Abrechnungen des Zahlungsdienstleisters vorlegen müssen. Da sie dies nicht getan hat, kann ein Abzug nicht vorgenommen werden. -
hh)
Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr Kosten für Garantiefälle entstanden sind. Insofern stehen den mit der XXX-Garantie getätigten Einnahmen keine abzugsfähigen Kosten gegenüber. -
ii)
Die Beklagte macht außerdem weitere Abzüge für eine sogenannte „XXX“-Transaktionsgebühr geltend, ohne jedoch darzulegen, in welchem Zusammenhang diese genau angefallen sein sollen. Mangels substantiierten Vortrags ist der geltend gemachte Betrag von 8.009,34 EUR nicht berücksichtigungsfähig. -
4.
Von dem ermittelten Gewinn in Höhe von 3.049.975,24 EUR ist ein Anteil von 12,5 % auf die Verletzung des Streitpatents zurückzuführen. Daraus resultiert ein Schaden in Höhe von 381.246,90 EUR. - Von dem ermittelten Gewinn ist als Verletzergewinn nur dasjenige herauszugeben, was auf der Rechtsverletzung beruht. Es ist nicht ohne weiteres anzunehmen, dass der erzielte Gewinn in vollem Umfang auf der Benutzung der geschützten technischen Lehre beruht, indem jeder Kaufentschluss und damit der gesamte Gewinn allein dadurch verursacht worden ist. So können für die Entscheidung zum Kauf eines Gebrauchsgegenstandes neben den technischen Vorteilen der erfindungsgemäßen Lösung die Formgestaltung des Produkts, sein Hersteller oder die verwendete Marke und damit verbundene Qualitätserwartungen, der Preis und andere vom Patent unabhängige Faktoren die Marktchancen beeinflussen (BGH, Urt. v. 24.07.2012, in GRUR 2012, 1226, Rn. 18 – Flaschenträger; BGH, Beschl. v. 03.09.2013, in GRUR 2013, 1212, Rn. 5 – Kabelschloss; zum Urheberrecht BGH, Urt. v. 14.05.2009, in GRUR 2009, 856, Ls. 1 – Tripp-Trapp-Stuhl).
- Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn ist daher nicht im Sinne adäquater Kausalität zu verstehen, sondern es ist wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstandes oder anderen Faktoren beruht (BGH, Urt. v. 14.05.2009, GRUR 2009, 856, Rn. 41 – Tripp-Trapp-Stuhl). Die Höhe des herauszugebenden Verletzergewinns lässt sich insoweit daher nicht berechnen. Es ist vielmehr gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (BGH, Urt. v. 21.09.2006, in GRUR 2007, 431, Rn. 38 – Steckverbindergehäuse) nach freier Überzeugung darüber zu entscheiden, ob zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn der ursächliche Zusammenhang im Rechtssinne besteht und wie hoch der danach herauszugebende Gewinnanteil zu beziffern ist (BGH, Urt. v. 17.06.1992, in GRUR 1993, 55, 59 – Tchibo/Rolex II; BGH, Urt. v. 14.05.2009, GRUR 2009, 856, Rn. 42 – Tripp-Trapp-Stuhl; OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.09.2011, in InstGE 13, 199, Rn. 108 – Schräg-Raffstore, zit. n. juris). Die Gesamtheit aller Umstände ist sodann abzuwägen und zu gewichten (BGH, Urt. v. 24.07.2012, in GRUR 2012, 1226, Rn. 20 – Flaschenträger).
- Der Kausalanteil wird im Streitfall außer durch den Abstand der angegriffenen Ausführungsform zum marktrelevanten Stand der Technik (siehe unten, Ziffer a)) im Wesentlichen durch das von der Beklagten praktizierte Vertriebsmodell und das Verhältnis der Erfindung zum Gesamtprodukt bestimmt (siehe unten, Ziffer b)).
-
a)
Grundlegendes Kriterium für die Bestimmung des Kausalanteils ist der Abstand der geschützten Erfindung gegenüber dem marktrelevanten Stand der Technik. Diesem Abstand kommt regelmäßig besondere Bedeutung zu, weil dies Rückschlüsse darauf zulässt, in welchem Umfang die Nachfrage des Produkts auf die mit der Verwendung des Patents zusammenhängenden Eigenschaften des Verletzungsgegenstandes zurückzuführen ist. Er spiegelt wider, dass die Verkaufs- und Erlösaussichten maßgeblich davon abhängen, ob und in welchem Umfang gleichwertige Alternativen und damit Umgehungsmöglichkeiten des Patents im Verletzungszeitraum zur Verfügung standen (OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.6.2015, in BeckRS 2015, 13605, Rn. 168 – Funkarmbanduhr). Ergibt sich, dass gegenüber dem erfindungsgemäßen Produkt im Wesentlichen gleichwertige Alternativen existieren, da es sich lediglich um eine Detailverbesserung eines bereits bekannten Produkts handelt, ist eher anzunehmen, dass der Kaufentschluss nicht allein auf der Verwendung der technischen Lehre, sondern auf weiteren Faktoren beruht (BGH, Urt. v. 14.05.2009, GRUR 2009, 856, Rn. 45 – Tripp-Trapp-Stuhl; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.6.2015, in BeckRS 2015, 13605, Rn. 168 – Funkarmbanduhr). Handelt es sich demgegenüber um ein neues Produkt, das neue Einsatzgebiete erschlossen hat und zu dem es keine solchen Alternativen gab, kann eher angenommen werden, dass der Kaufentschluss gerade auf die Verwendung des Patents zurückzuführen ist (BGH, Urt. v. 24.07.2012, in GRUR 2012, 1226, Rn. 27 – Flaschenträger; OLG Düsseldorf, Urt. v. 3.6.2015, in BeckRS 2015, 13605, Rn. 168 – Funkarmbanduhr). - Bei der Beurteilung des Abstandes von der angegriffenen Ausführungsform zum Stand der Technik kommt es insofern nicht allein darauf an, welche Vorteile die Patentschrift diesem gegenüber nennt (siehe unten, Ziffer aa)), sondern welche Vorteile die angegriffene Ausführungsform tatsächlich gegenüber dem am Markt erhältlichen Stand der Technik bietet (siehe unten, Ziffer bb)).
-
aa)
Das Streitpatent geht auf den Stand der Technik nicht im Detail ein und lässt eine Beurteilung der diesem gegenüber tatsächlich bestehenden Vorteile nur bedingt zu. - Das Streitpatent nennt in Absatz [0002] die Entgegenhaltung GB XXX XXX, ohne diese näher zu beschreiben. Bei der Entgegenhaltung handelt es sich um eine Patentspezifikation aus dem Jahre 1920 (Anlage B2), die eine Spritzpistole mit einer Stopfdichtung und einer Spannschraube zeigt.
- Den davon ausgehenden Abstand zwischen dem Stand der Technik und der Erfindung lassen die kennzeichnenden Merkmale 1.4 und 1.5 erkennen. Danach ist die Spritzpistole zum einen dadurch gekennzeichnet, dass die Düsennadel im Bereich der Führungshülse mittels eines diese durchgreifenden Gelenkbolzens mit einem Abzugsbügel formschlüssig verbunden ist (Merkmal 1.4) und dass in die im Längsschnitt U-förmig ausgebildete Führungshülse zwischen der Zuführungsleitung und dem Gelenkbolzen eine Dichtung eingesetzt ist, in der die Düsennadel verschiebbar gehalten ist (Merkmal 1.5).
- Die beiden Merkmale sollen vor allem eine einfache Montage ermöglichen. Wie in Absatz [0004] beschrieben, ist gerade die Montage mit Schwierigkeiten verbunden und zeitaufwändig, weil die auf die Dichtung wirkende Spannkraft exakt eingestellt werden muss. Die erfindungsgemäße Spritzpistole hingegen soll einen lageorientierten Einbau ohne Schwierigkeiten ermöglichen, da mit Hilfe eines Montagewerkzeugs die Düsennadel zusammen mit der von dieser durchgriffenen Dichtung und der Rückstellfeder derart in die an einem Ende geschlossene Führungshülse eingesetzt werden kann, dass der Gelenkbolzen, mittels dem die Düsennadel formschlüssig mit dem Abzugsbügel verbunden ist, ohne Schwierigkeiten montiert werden kann. Ferner soll die Spritzpistole nunmehr einstückig aus Kunststoff hergestellt werden können, was eine wirtschaftliche Fertigung ermöglichen soll. Die konstruktiven Ausgestaltungen sollen Betriebsstörungen und einen Verschleiß der wenigen in Betrieb zu verstellenden Bauteile nahezu ausschließen und eine lange Lebensdauer der gesamten Spritzpistole gewährleisten, Absatz [0013].
- Die erfindungsgemäße Lehre betrifft also insbesondere den Zusammenbau der Spritzpistole, der vereinfacht und damit auch weniger kostspielig wird.
- Darüber hinaus kommt der Dichtung die Aufgabe zu, das Medium davon abzuhalten, an den Gelenkbolzen zu gelangen bzw. aus der Bohrung der Düsennadel und den in das Gehäuse eingearbeiteten Langlöchern zu gelangen. Damit kommt der Dichtung insofern die gleiche Wirkung zu wie den aus dem Stand der Technik bekannten Dichtungen. Die Besonderheit der erfindungsgemäßen Dichtung liegt jedoch darin, dass sie verschiebbar gehalten und gleichzeitig lageorientiert ist. Damit wird gewährleistet, dass die Dichtung auch bei Verstellbewegungen der Düsennadel in der zugeordneten Lage verbleibt, Absatz [0018].
- Im Wesentlichen soll die streitpatentgemäße Lehre also zum einen die Montage vereinfachen und die Herstellung kostengünstiger gestalten. Damit sind herstellerseitige Vorteile betroffen, die nur mittelbar relevant für den Endkunden sind, indem sie sich zum Beispiel in einem niedrigeren Herstellungs- und damit auch Endpreis niederschlagen können. Zum anderen soll die Dichtigkeit auch bei Verstellbewegungen der Düsennadel gewährleistet sein und die Lebensdauer verlängert sowie das Ersetzen von Verschleißteilen vermieden werden. Dies betrifft unmittelbare Vorteile für den Endkunden, die sich direkt auf die Kaufentscheidung auswirken können. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Verwendung eines Dichtrings an sich bereits vorbekannt war, wenngleich die Einstellung der Vorspannung des Dichtrings mit Schwierigkeiten verbunden war.
-
bb)
Nach der Bestimmung der vom Streitpatent angestrebten technischen Vorteile gegenüber dem Stand der Technik ist zu bestimmen, welche Spritzpistolen tatsächlich auf dem Markt erhältlich gewesen waren, bevor die angegriffene Ausführungsform auf den Markt kam. - Ergibt sich dabei, dass gegenüber dem erfindungsgemäßen Produkt im Wesentlichen gleichwertige Alternativen existierten – da es sich beispielsweise lediglich um eine Detailverbesserung eines bekannten Produkts handelte – ist anzunehmen, dass der Kaufentschluss nicht allein auf der Verwendung der technischen Lehre, sondern auf weiteren Faktoren beruht (BGH, a.a.O. – Flaschenträger, Rn. 27).
-
(1)
In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf das von ihr vertriebene Modell P, das im Gegensatz zur erfindungsgemäßen Spritzpistole noch mit einer Spannschraube für die Stopfpackung/Stopfdichtung ausgestattet war. - Demgegenüber erkennen Abnehmer, dass die angegriffene Ausführungsform keine derartige Stopfdichtung und damit auch keine Spannschraube mehr aufweist. Mit dem bei der angegriffenen Ausführungsform nicht mehr vorhandenen Bauteilen geht auch einher, dass diese naturgemäß keinem Verschleiß unterliegen können. Insofern erscheint es auch plausibel, dass die Produkte langlebiger sind.
- Daneben erscheint auch die Montage des „A“-Farbsprühsystems gegenüber der P einfacher bzw. kostengünstiger, weil auf eine Spannschraube aus Metall verzichtet werden kann und alle Teile aus Kunststoff gefertigt werden können. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das „A“-Farbsprühsystem weiterhin neben der Dichtung einen zusätzlich zu verbauenden Dichtring aufweist.
-
(2)
Die daneben von der Beklagten angeführte D gehörte jedoch nicht zum marktrelevanten Stand der Technik. Denn diese war zwar bereits vor der Vermarktung der angegriffenen Ausführungsform erhältlich, aber verwirklichte ihrerseits die erfindungsgemäße Lehre, wie sich aus dem Vortrag der Klägerin ergibt. Denn diese stellte die D selbst her. Bestätigt wird dies durch das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Handelsgericht in Wien, Anlage B15, S. 9. Dort hat der Zeuge Q, der auch im hiesigen Verfahren mehrfach als Zeuge benannt worden ist, für die Klägerin Folgendes ausgesagt: -
„2010 gab es die R Produkte und marktbegleitend Produkte von der Firma S. Wir sind gegenüber S als ODM-Hersteller aufgetreten. S wollte in diesen Markt eintreten und kam auf uns zu. Im ODM-Business entwickelt der Lieferant für den Kunden die Produkte. S hatte Spezifikation vorgegeben und die Anmutung des Produktes und wir waren für die Entwicklung und für die Produktion des Produktes verantwortlich.
Ich kann den Verkaufspreis des S-Produktes nicht mehr sagen, ich gehe davon aus, dass es nicht unter EUR 100,– war.“ - Insofern ist der Vortrag der Beklagten, dass es sich bei der D um marktrelevanten, patentfreien Stand der Technik handelte, nicht hinreichend substantiiert. Sie hätte ein entsprechendes Gerät auseinander bauen und untersuchen müssen.
- Vielmehr handelt es sich dabei um eine weitere, patentgemäße Sprühpistole, die sich in mehrfacher Hinsicht von dem „A“-Farbsprühsystem unterscheidet. Denn zum einen wurde diese über andere Vertriebskanäle als die angegriffene Ausführungsform verkauft. Außerdem wurde die D zu einem deutlich höheren Preis angeboten und sprach auch aus diesem Grund andere Verkehrskreise an. Insofern handelte es sich bei der D nicht um eine gleichwertige Alternative zum „A“-Farbsprühsystem.
-
(3)
Bei der Bestimmung des marktrelevanten Standes der Technik haben die patentfreien Varianten des „A“-Farbsprühsystems außer Betracht zu bleiben. - Das Landgericht Mannheim stellte in seinem Urteil zwar fest, dass neben der angegriffenen Ausführungsform auch weitere Spritzpistolen unter der Bezeichnung „A“ vermarktet wurden, die sich in der Ausgestaltung der Dichtung unterschieden. Diese Ausführungsformen waren aufgrund der anderweitigen Gestaltung patentfrei und von dem Tenor des Urteils nicht umfasst.
- Dennoch stellten sie keine zu der angegriffenen Ausführungsform gleichwertige Alternative dar, weil sie für den Verbraucher überhaupt nicht als Alternative erkennbar waren und infolgedessen auch nicht seinen Kaufentschluss beeinflussen konnten. Die Klägerin räumt ein, dass selbst für sie nicht ersichtlich gewesen sei, welche der „A“-Farbsprühsysteme das Streitpatent verwirklichten und welche nicht. Dazu hätten die Systeme auseinandergebaut werden müssen. Das bedeutet, dass auch der Besteller keine Möglichkeit hatte, patentfreie von patentverletzenden Farbsprühsystemen zu unterscheiden, geschweige denn, sich bei der Bestellung für eine bestimmte Variante zu entscheiden.
-
b)
Bei der Beurteilung des Kausalanteils sind neben dem Abstand zum Stand der Technik auch alle weiteren Faktoren miteinzubeziehen, die die Kaufentscheidung beeinflussen können. Dazu gehört vor allem das von der Beklagten praktizierte Vertriebsmodell und der damit verbundene Werbeaufwand (siehe unten, Ziffer aa)) und der Anteil, der der angegriffenen Ausführungsform an dem vertriebenen Gesamtprodukt und den generierten Umsätzen zukommt (siehe unten, Ziffer bb)). Keine wesentliche Bedeutung hat der Preis des „A“-Sprühsystems (siehe unten, Ziffer cc)). -
aa)
Bei der Bestimmung des Kausalanteils ist zu beachten, dass die von der Beklagten praktizierte Vertriebsart des so genannten „Teleshoppings“ und der damit verbundene enorme Werbeaufwand erheblich zum Absatz des „A“-Farbsprühsystems beitrug und die Bedeutung der patentgemäßen Erfindung für den Absatzerfolg in den Hintergrund drängte. -
(1)
Es ist anerkannt, dass bei der Bemessung des Kausalanteils insbesondere zu berücksichtigen ist, ob und inwieweit die erfindungsgemäße Ausgestaltung oder die damit unmittelbar oder mittelbar verbundenen technischen oder wirtschaftlichen Vorteile für die Abnehmer des Patentnutzers erkennbar waren oder ihnen gegenüber werblich herausgestellt wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 03.09.2013, in GRUR 2013, 1212, Ls. – Kabelschloss). Dabei ist die Kausalität des Klageschutzrechts für den erzielten Verletzergewinn nicht deshalb ausgeschlossen, weil die technische Ausgestaltung der Verletzungsform entsprechend dem Klageschutzrecht nicht eigens werblich herausgestellt worden ist (OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.06.2015, in GRUR-RS 2015, 13605 Rn. 232; Kühnen, a.a.O., Kap. I. Rn. 252). -
(2)
Im Streitfall wurde das patentverletzende „A“-Sprühsystem im Wesentlichen mittels Dauerwerbesendungen vertrieben. Seine erfindungsgemäßen Eigenschaften wurden nicht werblich herausgestellt, um den Kunden vom Kauf des Farbsprühsystems zu überzeugen. Vielmehr rückt das gesamte Vertriebsmodell des „Teleshoppings“ für sich genommen die Bedeutung der Erfindung für den Kaufentschluss des Kunden in den Hintergrund und setzt dadurch den Kausalanteil herab. - Denn das Vertriebsmodell des Teleshoppings ist weniger auf die Beeinflussung eines begründeten Kaufentschlusses des Kunden für ein Modell eines bestimmten Produkts gerichtet, als auf die Generierung eines weitgehend produktunabhängigen Kaufentschlusses, bei dem das Kauferlebnis als solches entscheidend ist. Es kommt nicht darauf an, was gekauft wird, sondern darauf, dass überhaupt etwas gekauft wird. Insofern muss sich das angebotene Produkt allenfalls für das Vertriebsmodell Teleshopping eignen, im Übrigen haben die Gestaltung und die Positionierung der Werbesendungen den entscheidenden Einfluss auf den Kaufentschluss. Damit hat aber das Vertriebskonzept der Beklagten entscheidenden Einfluss auf den Umsatzerfolg mit dem „A“-Farbsprühsystem, was die Bedeutung der Erfindung für den Verletzergewinn herabsetzt.
- Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei den Käufern des „A“-Farbsprühsystems in der Regel um Spontankäufer handelt, die nicht gezielt nach einem bestimmten Produkt suchen und dieses mit anderen Produkten vergleichen, sondern die auf Grund des im Rahmen eines sogenannten „Infomercials“ vermittelten Shoppingerlebnisses zum Kauf eines bestimmten Produkts motiviert werden. Der Kunde soll ad hoc zum Produkterwerb allein aufgrund des damit verbundenen Kauferlebnisses motiviert werden, ohne dass er überhaupt eine überlegte Auswahl trifft, die seinem Kaufentschluss zugrunde liegt. Daher ist es auch überspitzt formuliert gleichgültig, ob das „A“-Farbsprühsystem oder ein anderes Werkzeug oder gar irgendein beliebiges anderes für das Teleshopping geeignetes Produkt angeboten wird.
- Bei einem solchen Vertriebskonzept spielt die patentgemäße Erfindung, wenn sie in den Infomercials nicht eigens herausgestellt und als Kaufargument verwendet wird, für den Kaufentschluss des Kunden allenfalls eine untergeordnete, wenn nicht gar überhaupt keine Rolle. Im Streitfall wurden die patentgemäßen Vorzüge des „A“-Farbsprühsystems gerade nicht unmittelbar werblich herausgestellt. Es wurde lediglich seine einfache Handhabung genannt, die sich auch auf die im Gegensatz zum Stand der Technik nicht mehr vorhandene Stopfdichtung zurückführen lassen könnte, in der Werbesendung aber gar nicht näher konkretisiert wird. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie für die Kaufentscheidung des Kunden nennenswerte Bedeutung hatte.
- Welcher Aufwand betrieben wird, um den Kaufentschluss des Kunden unabhängig von einem konkreten Kaufbedürfnis herbeizuführen, hat die Beklagte nachvollziehbar dargestellt. Unabhängig von der konkreten Abzugsfähigkeit der Kosten für die Schaltung der „Infomercials“ hat die Beklagte aufgezeigt, dass die Schaltung aufwändig ist und durch die Vergabe einer bestimmten Telefonnummer zu einem ausgestrahlten Spot die Möglichkeit besteht, jeden von einem Kunden getätigten Kauf einem ausgestrahlten „Infomercial“ zuzuordnen, was wiederum eine ständige Anpassung der Platzierung und Ausgestaltung der einzelnen Werbespots ermöglicht. Nach den Ausführungen der Beklagten wird auch im Callcenter ein hoher Aufwand betrieben, um den Anrufer vollends vom Produkt zu überzeugen und zum Kauf zu bewegen. Dies bedeutet insgesamt einen hohen Aufwand an Ressourcen, um die Darbietung des Produkts zu optimieren und den Absatz zu fördern. Insofern ist davon auszugehen, dass der Kaufentschluss der Kunden in erheblichem Ausmaß von dem Vertriebsmodell und den Werbebemühungen der Beklagten abhing, während der erfindungsgemäßen Gestaltung des „A“-Sprühsystems nur eine untergeordnete Bedeutung zukam.
- Eine andere Bewertung ergibt sich nicht aus der Entscheidung „Gemeinkostenanteil“ des Bundesgerichtshofes, in der dieser Vertriebsbemühungen einen Einfluss auf den Kausalanteil absprach. Durch die gesetzliche Regelung, wonach der Verletzergewinn nur insoweit herauszugeben sei, als er auf der Rechtsverletzung beruhe, solle nicht den Vertriebsleistungen des Verletzers Rechnung getragen werden, sondern gegebenenfalls der Umstand Berücksichtigung finden, dass das unter Verletzung des Schutzrechts hergestellte Erzeugnis keine identische Nachbildung des geschützten Gegenstands darstelle oder sonst besondere Eigenschaften aufweise, die für den erzielten Erlös von Bedeutung seien (BGH, GRUR 2001, 329, 332 – Gemeinkostenanteil). Diese für das Geschmacksmusterrecht ergangene Entscheidung ist jedoch nicht uneingeschränkt auf das Patentrecht übertragbar. Mit Blick auf das Gebiet der technischen Schutzrechte liegt ein hiermit vergleichbarer Sachverhalt nur vor, wenn erst die Benutzung des Klageschutzrechtes für den Verletzer die Möglichkeit zu einem erfolgreichen Vertrieb eröffnet hat, weil Gegenstände der fraglichen Art ohne die patentgemäßen Eigenschaften nicht absetzbar gewesen wären. In einem solchen Fall kann der Verletzer nicht einwenden, dass es ihm nur deshalb gelungen ist, eine große Anzahl patentverletzender Gegenstände zu vermarkten, weil er über eine außerordentlich leistungsfähige Vertriebsstruktur verfügt. Ohne die Benutzung des Klagepatent hätte er keinerlei Umsätze und Gewinne erzielt (Kühnen, Hb. d. Patentverletzung, 16. Aufl.: Kap. I Rn. 254). Denkbar sind aber auch Fallkonstellationen, in denen das Patent lediglich eine Detailverbesserung zum Gegenstand hat, von deren Vorhandensein der Markterfolg nicht entscheidend abhängt, weil auch nicht erfindungsgemäß ausgestattete Vorrichtungen praktisch brauchbar sind und ihre Abnehmer finden. Hier kann die Vertriebsstruktur sehr wohl ein Kausalfaktor sein, der für den Umsatz verantwortlich ist und dem deshalb auch eine Beteiligung am Zustandekommen des Gewinns nicht abgesprochen werden kann (Kühnen, a.a.O., Kap. I Rn. 255).
- Im Streitfall stellt die Erfindung zwar nicht nur eine Detailverbesserung dar (s.u.). Es kann jedoch nicht gesagt werden, dass der Beklagten der Vertrieb des „A“-Farbsprühsystems erst aufgrund der Patentgemäßheit des Produkts möglich war oder sich nur deswegen für das Tele-Shopping eignete. Dies behauptet auch die Klägerin nicht. Dass dies tatsächlich auch nicht der Fall war, zeigt schon der Umstand, dass auch patentfreie Produkte erfolgreich mittels Teleshopping abgesetzt werden konnten und es für den Kaufentschluss der Kunden nicht einmal zwingend auf das konkrete Produkt ankommt.
-
bb)
Bei der Bestimmung des Kausalanteils ist ferner zu berücksichtigen, dass die Streiterfindung zwar gattungsgemäß eine Spritzpistole betrifft, der Kern der Erfindung aber nur eine Funktionseinheit dieser Spritzpistole ausmacht und die Beklagte mit dem „A“-Farbsprühsystem zudem ein Gesamtsystem vertrieb. -
(1)
Innerhalb der eigentlichen Spritzpistole betrifft die Lehre des Streitpatents eine Funktionsgruppe, die mit dem Öffnungs- und Schließmechanismus für den Farbauslass einen bedeutenden Teil der Spritzpistole ausmacht. Allerdings stellt die Erfindung nicht einen komplett veränderten Mechanismus dar, sondern betrifft im Wesentlichen die Abdichtung der Düsennadel gegenüber der Führungshülse nach außen und ihre Ankopplung an die Bedienelemente. Aufgrund ihrer Wirkungen handelt es sich um mehr als eine Detailverbesserung. Allerdings kann der Funktionsgruppe deshalb nicht der Wert der gesamten Spritzpistole zugeschrieben werden, sondern nur ein nicht unbedeutender Anteil. -
(2)
Dass zudem ermittelt werden muss, inwieweit der Verletzergewinn auf der Rechtsverletzung beruht, ist in denjenigen Fällen offensichtlich, in denen der geschützte Gegenstand nur eine Einzelheit des in den Verkehr gebrachten größeren Gegenstands betrifft. In einem solchen Fall kann regelmäßig nicht angenommen werden, dass der erzielte Gewinn gerade auf der Benutzung des Schutzrechts beruht (BGH, GRUR 2012, 1226 – Flaschenträger, Rn. 18). - Vor diesem Hintergrund sind zunächst alle vom Gesamtsystem umfassten Teile zu bestimmen. Dabei handelt es sich neben der Spritzpistole an sich vor allem noch um einen Kompressor, der vorliegend mit einem 650-Watt-Motor ausgestattet war. Daneben enthielt das System noch einen Schlauch, der den Motor mit der Spritzpistole verbindet und die Druckluft zuführt und einen Farbfüllbehälter, der das aufzutragende Medium beinhaltet.
- Zwar bezeichnet die Beklagte den Kompressor als das eigentliche Herzstück des Systems, das als besonders leistungsstark und gleichzeitig klein und handlich beworben worden sei. Aber für den Farbauftrag ist letztlich die Ausgestaltung der Spritzpistole entscheidend, so dass dieser am Gesamtanteil ein größeres Gewicht zukommt.
- Irrelevant sind in diesem Zusammenhang die anteiligen Herstellungskosten. Es mag sein, dass der Kompressor in der Herstellung wesentlich kostspieliger als die weiteren zum Farbsprühsystem gehörigen Teile ist. Dennoch handelt es sich dabei um ein Teil, dem bei wertender Betrachtung keine besondere Bedeutung zukam. Nach dem Vortrag der Klägerin handelt es sich bei dem Kompressor um eine Standardkomponente.
- Insofern wirkt sich der Umstand, dass der Kompressor kostenmäßig von größerer Bedeutung ist als die Spritzpistole, wertungsmäßig nur gering auf den Anteilsfaktor aus.
- Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die streitpatentgemäße Lehre gerade eine kostengünstige Herstellung der Spritzpistole ermöglichen soll, weil nahezu alle Bauteile aus Kunststoff hergestellt werden können und auf die Bauteile „Stopfpackung“ und „Spannschraube“ komplett verzichtet werden kann. Insofern ist davon auszugehen, dass der in Relation zum Kompressor wesentlich niedrigere Herstellungspreis der Spritzpistole zumindest auch auf der Verwirklichung der streitpatentgemäßen Lehre beruht.
- Sofern die Beklagte ausführt, dass die Umstellung auf die neue, patentfreie Ausführungsform zu keinen Einsparungen bei den Herstellungskosten führte, ändert dies nichts an der Gesamtbewertung. Denn die Umstellung erfolgte erst nach dem Vertrieb der patentverletzenden Ausführungsform. Gleiches gilt für die zeitgleich mit der angegriffenen Ausführungsform vertriebenen patentfreien Varianten. Die Kosten für patentfreie Ausführungen spielen bei der Gesamtbetrachtung keine Rolle, sondern der Vergleich ist zwischen der angegriffenen Ausführungsform und dem Stand der Technik anzustellen.
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cc)
Eine maßgebliche Rolle bei der Kaufentscheidung spielt der Preis, zu dem die Gesamtvorrichtung in Form des „A“-Farbsprühsystems angeboten wurde, der aber gleichwohl auf den Kausalanteil keinen Einfluss hat. - Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Verkaufspreis im Gegensatz zu vergleichbaren Farbsprühsystemen – insbesondere im Vergleich zu der D – sehr preisgünstig war, so dass davon auszugehen ist, dass dies bei der Kaufentscheidung ein wesentlicher Faktor zu Gunsten des „A“-Farbsprühsystems war.
- Jedoch ist zu berücksichtigen, dass das günstige Angebot in nicht unwesentlichem Umfang auf die vergünstigte Herstellung der angegriffenen Ausführungsform zurückzuführen ist (für eine umfassende Aufstellung der Kosten für alle Teile siehe Anlage B1). Das führt dazu, dass eine Reduzierung des Kausalanteils aufgrund von Preisunterbietung wertungsmäßig ausgeschlossen ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. I Rn. 240).
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c)
Unter Abwägung aller vorgenannten Faktoren hält die Kammer einen Kausalanteil von 12,5 % für angemessen. - Bei isolierter Betrachtung dessen, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik leistet, und vor dem Hintergrund, dass mit der einfacheren Handhabbarkeit der Spritzpistole einer der erfindungswesentlichen Vorteile den Kaufentschluss des Kunden durchaus beeinflussen kann, wird man den Kausalanteil im Ausgangspunkt mit etwa einem Drittel bemessen können. Allerdings darf die Betrachtung dabei nicht stehen bleiben. Das Vertriebsmodell des „Teleshoppings“ und der damit verbundene erhebliche Werbeaufwand führen zu einer deutlichen Verringerung des Kausalanteils, da die erfindungsgemäße Lehre – wie ausgeführt – für den Kaufentschluss des Kunden allenfalls noch eine untergeordnete Rolle spielte, da es ihm um das weitgehend produktunabhängige Kauferlebnis als solches ging. Außerdem muss bei der Bestimmung des Kausalanteils berücksichtigt werden, dass die Erfindung nur einen Teil des gesamten verkauften Produktes mit Kompressor, Schläuchen und Füllbechern darstellt; hinzu kommen zudem Umsätze aus weiteren Dienstleistungen. Unter Abwägung aller genannten Umstände erscheint vor diesem Hintergrund ein Kausalanteil von 12,5% als angemessen.
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5.
Der Klägerin steht ein Zinsanspruch in Höhe von 5 % seit dem 1. Januar 2012 aus § 668 BGB zu, weil die Beklagte bei dem Vertrieb der patentverletzenden Farbsprühsysteme als Fremdgeschäftsführerin handelte. Der von der Klägerin geltend gemachte Zinsanspruch in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht seit Rechtshängigkeit des vorliegend geführten Verfahrens, also seit dem 7. April 2022, siehe § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Da von der Klägerin nicht vorgetragen wurde, wann Rechtshängigkeit in dem vor dem Landgericht Mannheim mit dem Aktenzeichen 2 O 405/11 geführten Verfahren eintrat, oder ob und wann sie die Beklagte in Verzug setzte, können Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nicht beginnend mit einem früheren Zeitpunkt zugesprochen werden. -
6.
Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erstattung der ihr für die Datenextraktion entstandenen Kosten (siehe unten, Ziffer a)), noch für die von ihr geltend gemachten Anwaltskosten (siehe unten, Ziffer b)). -
a)
Die von der Klägerin für die Datenextraktion entstandenen Kosten in Höhe von 26.339,72 EUR netto kann diese nicht ersetzt verlangen, da es für die Erstattung dieser Kosten an einer Anspruchsgrundlage fehlt. Der Anwendungsbereich von § 139 Abs. 1 PatG, § 249 Abs. 1 BGB ist nicht eröffnet. - Mittels der von der Klägerin in Auftrag gegebenen Datenauswertung wurden die von der Beklagten im Rahmen der Rechnungslegung an die Klägerin übermittelten Belege ausgewertet. Deren Ergebnis ist Teil der ohnehin der Beklagten obliegenden Auskunftspflicht, zu der die Beklagte mit dem Urteil des Landgerichts Mannheim verurteilt wurde.
- Dass die Klägerin die in diesem Rahmen von der Beklagten erteilte Auskunft für unrichtig oder unvollständig hielt, hätte sie im Rahmen der Vollstreckung des Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruchs geltend machen und sich an das zur Durchführung der Vollstreckung geltende Verfahren halten müssen. Dazu gehört – da es sich bei der Auskunft und Rechnungslegung um eine nicht vertretbare Handlung handelt – die Beantragung von Zwangsgeld bzw. Zwangshaft.
- Daneben ist der Anwendungsbereich für einen Schadensersatzanspruch wegen Nicht- oder Schlechtleistung der Auskunft nicht eröffnet.
- Der nach Ansicht der Klägerin nach § 139 Abs. 1 PatG, § 249 Abs. 1 BGB gegebene Schadensersatzanspruch liegt daher nicht vor. Insofern greifen auch die aus dem von der Klägerin zitierten Urteil geltenden Grundsätze nicht. In der Entscheidung „BretarisGenuair“ (siehe BGH, GRUR 2017, 1160, 1166 Rn. 64) entschied der Bundesgerichtshof, dass die adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen seien, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dazu gehörten auch Kosten für Testkäufe, für die der Klägerin ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch zustehe. Es ging im zu Grunde liegenden Sachverhalt also um die Vorbereitung der rechtlichen Durchsetzung eigener Ansprüche. Im Gegensatz dazu geht es hier jedoch um die Durchführung des Zwangsvollstreckungsverfahrens, das der Durchsetzung der bereits gerichtlich festgestellten Ansprüche dient und in dem die materiell-rechtlichen Vorschriften gerade keine Anwendung finden.
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b)
Die Klägerin hat keinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten aus § 139 Abs. 1 PatG, § 249 Abs. 1 BGB. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die für ein Aufforderungsschreiben geltend gemachten 209,95 EUR (siehe unten, Ziffer aa)), als auch für die Tätigkeit der Prozessvertreter der Klägerin, die diese in Höhe von 3.039,50 EUR im Zusammenhang mit der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung der Beklagten geltend macht (siehe unten, Ziffer bb)) und der weiteren 13.903,40 EUR, die sie für die Anwaltsschreiben im Zusammenhang mit dem Versuch einer vergleichsweisen Einigung ersetzt verlangt (siehe unten, Ziffer cc)). -
aa)
Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 I 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben (BGH, Urteil vom 24.2.2022, Az. VII ZR 320/21, in NJW-RR 2022, 707, 709). - Hier fehlt es an konkretem Vortrag der Klägerin dahingehend, ob die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten zunächst tatsächlich allein die außergerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche umfasste. Davon ist – gerade in Fällen einer Patentverletzung – nicht ohne Weiteres auszugehen.
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bb)
Für die Kosten, die die Klägerin im Zusammenhang mit der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung geltend macht, gelten die Ausführungen unter Ziff. aa) entsprechend. Auch hier wurde der anwaltliche Vertreter der Klägerin vorgerichtlich tätig, offen bleibt aber, ob die Beauftragung der Klägerin allein die außergerichtliche Geltendmachung ihrer Ansprüche umfasste. Davon ist gerade bei der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung durch den Geschäftsführer der Beklagten nicht auszugehen. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Klägerin auf eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs aus war. Jedenfalls hat die Klägerin nichts Gegenteiliges vorgetragen. -
cc)
Auch die weiteren von der Klägerin verlangten 13.903,40 EUR stehen dieser mangels erkennbarer Grundlage nicht zu. Die Klägerin macht diesen Betrag im Wege einer Geschäftsgebühr geltend, wobei nicht erkennbar ist, warum es sich um eine eigene Angelegenheit handeln soll. Hier geht es um ein Schreiben, mit dem zur Zahlung von Schadensersatz aufgefordert wurde und das letztlich wiederum als vorgerichtliche Korrespondenz im Hinblick auf das hiesige Verfahren anzusehen ist. Insofern gilt das oben unter Ziffer aa) Gesagte hier entsprechend. -
C
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
