Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3361
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 7. Mai 2024, Az. 4a O 92/21
- I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- modulare Schalungen aus Kunststoff
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn diese ein Paneel mit einer ersten und einer zweiten Seite umfassen, das an der ersten Seite, die der mit dem Beton in Kontakt kommenden, zweiten Seite gegenüberliegt, einige Kantenrippen sowie Haupt-Querrippen aufweist,
- wobei die besagten Kantenrippen aus zwei Wänden bestehen, die parallel zueinander und lotrecht zu dem Paneel stehen,
- wobei sich zwischen den besagten zwei Wänden eine Vielzahl von Platten befindet, die die besagten zwei Wände verbinden,
- wobei besagte modulare Schalung einige aufeinander ausgerichtete Löcher an den beiden Wänden der Kantenrippen umfasst,
- und wobei die besagten Löcher derart an den Kantenrippen entlang angeordnet sind, dass bei Kupplung oder Ausrichtung verschiedener Modulelemente die besagten Löcher an den Wänden von zwei gekuppelten Kantenrippen der verschiedenen gekuppelten oder ausgerichteten Modulelemente aufeinander ausgerichtet sind, um Befestigungsmittel einfügen zu können, die die besagten Löcher an den beiden Wänden von zwei Kantenrippen überragen,
- wobei die modulare Schalung anhand von Befestigungsmitteln in Form eines Schließschlüssels mit einer anderen, ähnlichen Schalung geschlossen wird,
- wobei der besagte Schließschlüssel für modulare Schalungen aus einem zylindrischen Körper besteht und an einem Ende einen Handgriff aufweist, der lotrecht zu dem besagten Körper steht und am entgegengesetzten Ende zwei oder mehrere radiale Erhebungen aufweist,
- und wobei der besagte zylindrische Körper einen Durchmesser aufweist, der jenem der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung gleicht, und eine Länge, die größer ist als die Dicke von zwei Kantenrippen,
- und wobei die besagten radialen Erhebungen vorzugweise die Form eines ringförmigen Segments aufweisen, um die Rillen der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung zu passieren
-
und wobei die beiden parallelen, durch Platten verbundenen Wände im Wesentlichen, was die dem Paneel verliehene Steifheit betrifft, mit einer vollen Rippe gleicher Breite gleichwertig sind, jedoch weniger Kunststoffmaterial erfordern und leichter sind.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 06.04.2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
- 1. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- 2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- 3. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und/oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
- wobei die Aufstellung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, höchst hilfsweise Zollpapiere) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen.
- III. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 06.05.2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
- 1. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer, wobei die entsprechenden Einkaufsbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind,
- 2. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der Abnehmer, wobei die entsprechenden Belege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen sind,
- 3. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- 4. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- 5. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei die Aufstellung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist und
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
- IV. Die Beklagte wird verurteilt, die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer I. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten.
- V. Die Beklagte wird verurteilt, die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 06.04.2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse den gewerblichen Abnehmern gegenüber unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 09.01.2024, Aktenzeichen 4a O 92/21) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
- VI. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. bezeichneten, seit dem 06.05.2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- VII. Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
- VIII. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 5.000.000,00. Darüber hinaus werden folgende Teilsicherheiten festgesetzt: Die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung (Ziff. I., IV., V. des Tenors) sind gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 3.750.000,00; ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziff. II., III. des Tenors) gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 250.000,00. Die Kostenentscheidung ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen unmittelbarer wortsinngemäßer sowie hilfsweise äquivalenter Verletzung des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 1 538 XXA B1 (Anlage K2 und K2Ü, nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents (vgl. Registerauszug als Anlage K6), welches am 25.11.2004 angemeldet wurde. Das Europäische Patentamt (nachfolgend: EPA) veröffentlichte am 06.04.2016 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents. Das Klagepatent betrifft laut seiner Bezeichnung eine „wiederverwendbare modulare Schalung mit verbesserten Rippen“.
- Das Klagepatent steht im nach einer Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA aufrechterhaltenen Umfang in Kraft. Das Rechtsbestandsverfahren ist abgeschlossen. Die Einspruchsabteilung des EPA hat das Klagepatent in beschränktem Umfang, nämlich gemäß des dortigen Hilfsantrags 6, dessen Anspruch 1 einer Kombination der Ansprüche 1 und 9 in der ursprünglich erteilten Fassung entspricht, aufrechterhalten (Anlage K7). Die Beschwerdekammer des EPA hat die Beschwerden beider Parteien am 17.10.2023 zurückgewiesen und die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufrechterhalten (Anlage K23).
- Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagepatents in der vom EPA beschränkt aufrechterhaltenen Fassung lautet in der englischen Verfahrenssprache des Klagepatents (vgl. Anlage K7):
- „Modular formwork in plastic material, comprising a panel (P) with a first and second side having, on the first side (P2) opposite to the second side (P1) in contact with the concrete, some edge ribs (Nb) and main transversal ribs (Nt1), said edge ribs (Nb) being made of two walls (Nb-a, Nt1-a) parallel to each other and perpendicular to the panel (P) between which of said two walls (Nb-a, Nt1-a) there is a plurality of plates (Nb-b, Nt1-b) connecting said two walls (Nb-a, Nt1-a), and comprising some aligned holes (Nf) on the two walls (Nba, Nt1-a) of the edge ribs (Nb), and wherein said holes (Nf) are disposed along the edge ribs (Nb) in a way that, when coupling or aligning various modular elements, said holes (Nf) on the walls (Nb-a, Nt1-a) of two coupled edge ribs (Nb) of the various coupled or aligned modular elements are aligned one with the other, for the insertion of fastening means (C) that over pass said holes (Nf) on the two walls (Nb-a, Nt1-a) of two coupled edge ribs (Nb), characterized in that said formwork is closed with another similar formwork by means of a closing key, wherein said closing key (C) for modular formworks is made of a cylindrical body (C1) and has, at one end, a handgrip (C2) perpendicular to said body (C1) and at the opposite end two or more radial relieves (C3), and wherein the diameter of said cylindrical body (C1) is equal to the diameter of the holes (Nf) of the edge ribs (Nb) of the modular formwork, and length larger than the thickness of two edge ribs (Nb), and wherein said radial relieves (C3) have preferably the shape of an annular segment in order to pass through the grooves (Nfl) of the holes (Nf) of the edge ribs (Nb) of the modular formwork, and wherein the two parallel walls connected by plates are substantially equivalent, as for the stiffness provided to the panel, to a full rib of equal width, but they require less plastic material and are lighter.“
- Wegen des jeweils als Insbesondere-Antrag geltend gemachten Anspruchs 10 sowie Abs. [0050] der Klagepatentbeschreibung wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre wird nachfolgend Figur 1 der Klagepatentschrift verkleinert eingeblendet:
- Figur 1 zeigt gemäß Abs. [0024] der Klagepatentbeschreibung eine axonometrische Ansicht einer erfindungsgemäßen Schalung in einer bevorzugten Ausführungsform von ihrer Rückseite, d.h. den Teil entgegengesetzt zu der Fläche in Kontakt mit dem Beton. Die gezeigte Ausführungsform umfasst ein ebenes Paneel (P), eine Mehrzahl von Rippen (N) auf einer rückseitigen Fläche (P2), welche nicht mit Beton in Kontakt kommt, darunter u.a. Kantenrippe (Nb), Querrippen (Nt), kleinere Querrippen (Nt2) und Haupt-Querrippen (Nt1), wobei die Rippen jeweils aus zwei parallelen Wänden (Nb-a, Nt1-a, Nt2-a) gebildet werden, zwischen denen sich jeweils eine Vielzahl von Platten (Nb-b, Nt1-b, Nt2-b) befindet (Abs. [0025] ff. der Klagepatentbeschreibung). Die Platten sind zueinander parallel und sie stehen zu den Wänden der Rippen und zu dem Paneel lotrecht (Abs. [0032] der Klagepatentbeschreibung).
- Gemäß Abs. [0043], [0044] der Klagepatentbeschreibung wird die Verbindung zwischen verschiedenen modularen Schalungen mit geeigneten Schließschlüsseln hergestellt, welche Figuren 2 und 3 in Seitenansicht und axonometrischer Ansicht einer bevorzugten Ausführungsform zeigen:
- Die Klägerin ist ein in Italien ansässiges Unternehmen, welches auf die Herstellung und den Vertrieb von Bauelementen, wie beispielsweise Schalungselementen („Schalungstafel“, „Schaltafel“, „Schalung“) etc., spezialisiert ist. Die Beklagte ist die Konzernmutter der B Gruppe und stellt als Wettbewerberin der Klägerin ebenfalls Bauelemente, wie Schalungselemente, her und vertreibt diese.
- Der Geschäftsführer der Klägerin, Herr C, räumt in einem auf der Webseite der Klägerin am 06.10.2022 veröffentlichten und mittlerweile entfernten Video ein, dass die Klägerin seit 2016 Kenntnis von der angegriffenen Ausführungsform hat.
- Die Parteien führen parallel auch ein italienisches Verletzungsverfahren, welches sich mit der Verletzung des italienischen Teils des Klagepatents befasst und bei dem Tribunale di Venezia unter dem Aktenzeichen R.G. 8611/2016 anhängig ist. Im italienischen Verfahren wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, im Rahmen dessen der Gutachter zu dem Ergebnis kam, die angegriffene Ausführungsform verletze den italienischen Teil des Klagepatents nicht wortsinngemäß, aber in äquivalenter Weise (Anlage K1, K1Ü, K18, 18Ü). Die Parteien haben außergerichtlich im Jahr 2021 weltweite Vergleichsszenarien diskutiert und haben dabei Geheimhaltung über die dort diskutierten Vergleichssummen vereinbart.
- Die Beklagte bietet an und vertreibt deutschlandweit modulare Schalungen aus Polymeren unter der Bezeichnung „D“, „E“ oder nur „F“ samt einem zugehörigen Schlüssel als Befestigungsmittel zwischen den einzelnen modularen Schalungen (nachfolgend insgesamt: angegriffene Ausführungsform). Sie stellt die angegriffene Ausführungsform nicht selbst her. Sie bewirbt diese unter anderem über Broschüren und weitere Werbematerialien, welche die Klägerin als Anlage K9, K 10, K11 und K12 vorlegt, sowie auf der Website www.B.de. Die Schalhaut kann bei der angegriffenen Ausführungsform abgenommen werden. Nachstehend finden sich Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform, wobei farbige Markierungen von der Klägerin stammen:
- Der „Schlüssel“ für die modularen Schalungen stellt sich wie folgt dar, wobei die Beschriftung von der Klägerin stammt:
- Der Schlüssel der angegriffenen Ausführungsform kann, wie die Parteien in der mündlichen Verhandlung vorgetragen haben, durch entsprechende Bemühung seitens des Anwenders ohne eine Berührung der Innenwände der Löcher der modularen Schalungen durch diese hindurchgeführt werden. Bei gewöhnlichem Gebrauch ohne entsprechende Bemühung kommt es beim Hindurchführen des Schlüssels durch die Löcher regelmäßig zur Berührung von Schlüssel und Innenwänden der Löcher sowie zu einem klackernden Geräusch.
- Die Klägerin erwarb ein Muster der angegriffenen Ausführungsform und hat es als Anlage K14 zur Akte gereicht.
- Die Klägerin meint, ihr stünden die geltend gemachten Ansprüche zu.
- In der Umstellung der Klageanträge im Laufe des Verfahrens liege zunächst keine Klagerücknahme, sondern allenfalls eine zulässige Klagebeschränkung, da es sich nur um Anpassungen der Klageanträge an die im Rechtsbestandsverfahren vor dem EPA aufrechterhaltene Fassung handele.
- Entgegen der Ansicht der Beklagten liege eine etwaige entgegenstehende Rechtshängigkeit für den Schadensersatz- und Auskunftsanspruch aufgrund des italienischen Verletzungsverfahrens nicht vor; das Verfahren sei auch nicht bis zum Abschluss des italienischen Verfahrens auszusetzen. Es handele sich bereits nicht um „denselben Anspruch“, da die Klägerin den jeweiligen nationalen Teil des Klagepatents in den unterschiedlichen, nationalen Verfahren geltend mache. Die Klägerin begehre im italienischen Verletzungsverfahren keine Schadenersatz- und Auskunftsansprüche, die über das Gebiet der Republik Italien hinausgingen. Außerdem habe das italienische Gericht festgehalten, dass sich die Untersuchung des Sachverständigen im italienischen Verfahren ausschließlich auf die Schäden beziehen solle, die durch die Verletzung des italienischen Patentteils durch die Beklagte in Italien entstanden seien, wie sich aus dem als Anlage K22, K22Ü überreichten Beschluss ergebe.
- Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte mache durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland von der technischen Lehre des Klagepatents in der aufrechterhaltenen Fassung der Kombination aus Anspruch 1 und 9 (jeweils in der ursprünglich erteilten Fassung) wortsinngemäß Gebrauch. Hilfsweise verwirklichten die angegriffenen Ausführungsformen das Klagepatent jedenfalls in äquivalenter Weise.
- Die Merkmale, wonach die modulare Schalung aus Kunststoff ein Paneel mit einer ersten und einer zweiten Seite umfasst und die erste Seite der mit dem Beton in Kontakt kommenden zweiten Seite gegenüberliegt, würden durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
- Das Klagepatent gebe zunächst vor, dass es sich bei der geschützten technischen Lehre um die einer modularen Schalung aus Kunststoff handele. Eine Limitierung auf sogenannte „Vollkunststoffschalung“ oder „monolithische Schalung“ enthalte das Klagepatent nicht. Soweit die Beklagte sich hierzu auf die Abs. [0003], [0004] und [0005] des Klagepatents beziehe, seien diese in der einleitenden Beschreibung des Hintergrunds der Erfindung zu verorten und beschrieben nicht die technische Lehre des Klagepatents, sondern die Nachteile des Standes der Technik. Dies könne den Anspruch nicht unter seinem technischen Wortsinn einschränken. Für die technische Lehre des Klagepatents und dessen Aufgaben und Ziele (etwa „verbesserte Rippen“, „verbesserte Festigkeit“) sei irrelevant, ob die Betonverschalung als Vollkunststoffschalung ausgestaltet oder ob die Schalhaut abnehmbar sei. Entsprechend verwende das Klagepatent nicht die von der Beklagten benannten Begrifflichkeiten, sondern „neue Schalungen“ („new formworks“) sowie „modulare Schalungen“, wozu die Klägerin auf Abs. [0013], [0014], [0015], [0016], [0017], [0023], [0024], [0025] und [0051] des Klagepatents verweist. Einschränkungen auf bestimmte Arten von Schalungen – ob einstückig aus einem einzigen Kunststoffbauteil oder verbunden – seien nicht vorgesehen.
- Aus Abs. [0012] des Klagepatents, welcher die DE 19622XXB A1 (Anlage K4, nachfolgend: DE‘XXB) in der einleitenden Beschreibung erwähne, ergebe sich nicht, dass das Klagepatent unter einer modularen Schalung (nur) eine Vollkunststoffschalung verstehe. Details der Ausgestaltung eines einleitend im Stand der Technik erwähnten Dokuments könnten nur dann Bedeutung für die erfindungsgemäße Lehre haben, wenn diese im jeweiligen Merkmal des Patentanspruchs auch aufschienen, was vorliegend nicht der Fall sei. Der klagepatentgemäße Anspruchswortlaut verhalte sich – im Gegensatz zu Anspruch 1 der DE‘XXB – nicht dazu, ob Paneel und Schalung trennbar miteinander verbunden seien oder nicht. Entgegen der Ansicht der Beklagten lasse sich auch aus dem Erteilungsverfahren zur EP 3 173 XXC A1 (Anlage K15, nachfolgend: EP‘XXC) als Erteilungsverfahren einer unbeteiligten Patentanmeldung, in der das Klagepatent im Rahmen eines Rechercheberichts Erwähnung finde, nichts für den Schutzbereich des Klagepatents ableiten.
- Gefordert sei ausschließlich, dass die modulare Schalung ein Paneel mit zwei Seiten umfasse, wobei die zweite Seite des Paneels mit dem Beton in Kontakt komme. Für die technische Lehre sei unbeachtlich, wie Paneel und Schalung verbunden seien, solange diese im Rahmen der Verwendung verbunden seien.
- Die angegriffene Ausführungsform sei nach diesem Verständnis eine modulare Schalung aus Polymeren und umfasse ein Paneel mit zwei Seiten, nämlich einer ersten und einer zweiten Seite, welches die Beklagte als „Schalhaut“ bezeichne, wie nachfolgend von der Klägerin abgebildet (z.B. Anlage K11, dort S.20):
- Dass das Paneel, d.h. die „Schalhaut“, und die Schalung, d.h. die Kantenrippen und Querrippen, bei der angegriffenen Ausführungsform trennbar seien, sei für die Verletzung unschädlich. Wie auf dem oben eingeblendeten Bild erkennbar, seien die Kantenrippen sowie die Haupt-Querrippen an der ersten Seite des Paneels befestigt. Auf der anderen Seite des Paneels liege die zweite Seite der angegriffenen Ausführungsform, welche mit dem Beton in Kontakt komme.
- Weiterhin werde das Merkmal, wonach die beiden parallelen, durch Platten verbundenen Wände im Wesentlichen, was die dem Paneel verliehene Steifheit betrifft, mit einer vollen Rippe gleicher Breite gleichwertig sind, jedoch weniger Kunststoffmaterial erfordern und leichter sind, durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
- Klagepatentgemäß sei nicht notwendig, dass die Steifigkeit insoweit identisch zu dem absoluten Maß einer vollen Schaltafel (d.h. ohne Hohlräume) aus Kunststoff sei. Es komme auf die Steifigkeit des klagepatentgemäßen Paneels bei der tatsächlichen Verwendung an, wobei die benötigte Steifigkeit von Fall zu Fall variieren könne. Der Fachmann verstehe „im Wesentlichen gleichwertig“ als auf die dem Paneel verliehene Steifigkeit bezogen und gerade nicht im Sinne einer numerischen Entsprechung dahingehend, dass sich die Struktur in Bezug auf ihre Verformung identisch (in absoluten Zahlen) zu einer Vollrippe verhalte. Entscheidend sei, dass die klagepatentgemäße Schalung im spezifischen Anwendungsbereich im Wesentlichen gleichwertig verwendbar sei und ein Ergebnis erzielt werden könne wie bei der Verwendung einer Vollrippe. Es sei für den Fachmann sowie für jedermann offensichtlich, dass eine Schalung mit Verbindungsplatten und Hohlräumen zwischen den Kantenrippen niemals die „gleiche“ Steifigkeit oder auch nur eine ähnliche (messbare) Steifigkeit in allen erdenklichen Fällen erreichen könne wie eine Vollrippe ohne jegliche Hohlräume.
- Das Klagepatent schlage eine Schalung vor, die sich bei der Verwendung nicht verforme, die aber weniger Kunststoff in der Herstellung benötige, wie sich etwa aus dem in Abs. [0017] des Klagepatents definierten Ziel ergebe. Eine klagepatentgemäße Schalung müsse dem Druck standhalten, der durch beispielsweise eine Betonmasse ausgeübt werde, ohne sich in dem Maße zu verformen, dass sie für den angedachten Verwendungszweck nicht mehr geeignet wäre. Der Fachmann erkenne, dass die technische Lehre ihm eine Schalung bereitstellen solle, die bei dem entsprechenden Einsatz im Wesentlichen gleichwertig geeignet sei wie eine Vollrippe. Ihm sei klar, dass die technische Lehre nicht für jeden erdenklichen Einsatzbereich eine Schalung vorsehe, die im Wesentlichen eine gleichwertige Steifigkeit aufweise. Es reiche, wenn die technische Lehre dies in jedenfalls einem (einzigen) Anwendungsfall bereitstelle. Auch für die Beschwerdekammer des EPA komme es auf die Steifigkeit des klagepatentgemäßen Paneels bei der tatsächlichen Verwendung an.
- Die angegriffenen Ausführungsformen wiesen eine hinreichende Steifigkeit auf, da sie geeignet seien, um im Rahmen ihres von der Beklagten bestimmten Verwendungsgebiets, nämlich der Errichtung von Mauern etc. verwendet zu werden. Das entsprechende Merkmal sei bereits erfüllt, da die Schalungen uneingeschränkt zur Herstellung von Betonstrukturen verwendet werden könnten, wozu die Klägerin auf Angaben der Beklagten zu Anwendungs- und Leistungsdaten der angegriffenen Ausführungsform in dem als Anlage K12 vorgelegten Sonderdruck „G“ des „H“ Magazin („H“) verweist. Die dort angegebenen Werte für Wandschalung, Deckenschalung und Säulen ermöglichten eine hinreichende Steifigkeit für die Anwendung im vorgesehenen Einsatzgebiet. Die Tatsache, dass die angegriffene Ausführungsform tatsächlich eingesetzt werde und den üblichen Arbeitsbelastungen in der Praxis standhalte, belege die Verletzung. Die Beklagte bewerbe die angegriffene Ausführungsform sogar mit einer „universellen Einsetzbarkeit“ für Wände, Säulen, Decken und Fundamente und hohen Werten in Festigkeit, Steifigkeit und Tragfähigkeit.
- Die von der Beklagten als Anlage B3 vorgelegte Simulation eines Vergleichs mit einer Vollrippe sei untauglich. Die Klägerin bestreitet, dass die Simulation (Anlage B3) repräsentativ für die angegriffene Ausführungsform sowie für eine „Vollrippe“ der angegriffenen Ausführungsform sei. Die vorgetragenen Messwerte seien nicht nachvollziehbar. Selbst wenn die Simulation im Ergebnis korrekt wäre, käme sie nach richtiger Merkmalsauslegung sogar zu einer Verletzung: Bei einem vergleichsweise hohen Druck von 50kN/m², z.B. für Wandschalungen, komme es in der Mitte der beiden gezeigten Schalungen, wo mit einer starken Verformung zu rechnen sei, zu ähnlichen Ergebnissen, die mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar seien.
- Überdies würden die Merkmale, wonach der Schließschlüssel aus einem zylindrischen Körper besteht und der zylindrische Körper des Schließschlüssels einen Durchmesser aufweist, der jenem der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung gleicht, durch die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß sowie hilfsweise jedenfalls äquivalent verwirklicht.
- Es werde lediglich eine zylindrische Form des Körpers des Schließschlüssels vom Klagepatent gefordert. Der Fachmann wisse, dass Zylinder sowohl als sogenannte „Kreiszylinder“ mit kreisrunden Deckflächen, als auch offenkundig als elliptische Zylinder ausgestaltet sein könnten. Ihm seien die Grundzüge geometrischer Formen präsent. Die Klägerin verweist dabei auf folgende Abbildung aus Anlage K8 (Wikipedia Artikel „Zylinder (Geometrie)“):
- Der Zweck des patentgemäßen zylindrischen Körpers sei, dass dieser bzw. der Schließschlüssel durch die Löcher der Kantenrippen gelange und dann gedreht werden könne, um Schalungsmodule sicher zu verbinden. Ob der Zylinderkörper und die Löcher kreisförmig seien oder eine elliptische bzw. ovale Form hätten, sei nicht von Relevanz. Die Löcher müsste lediglich ihre patentgemäße Funktion erfüllen, nämlich eine Öffnung bereitzustellen, durch die der Schlüssel durch zwei Kantenrippen von Schalungsmodulen hindurchgeführt werden könne, sodass die zwei Module sicher mittels der radialen Erhebungen verbunden werden könnten. Der Schließschlüssel müsse entsprechend (nur) eine Ausgestaltung haben, die es ihm erlaube, die Löcher der Kantentrippen zu passieren, um für eine sichere Verbindung zweier modularer Schalungen zu sorgen. Die Löcher seien in Unteranspruch 7 und Abs. [0041] des Klagepatents lediglich als „vorzugsweise“ kreisförmig beschrieben. Sie seien nicht auf diese geometrische Form beschränkt, sondern könnten auch eine ovale Form haben. Entsprechend könne auch der Körper des Schlüssels, der die Löcher im Ergebnis passieren solle, nicht lediglich auf eine Kreisform beschränkt sein.
- Eine Kreisform der Löcher lasse sich auch nicht daraus herleiten, dass der Anspruch von nur einem Durchmesser (im Singular) spreche. Dem Fachmann sei bewusst, dass sich der vom Patentanspruch geforderte Durchmesser der Löcher auf den größtmöglichen Abstand der längsten Achse des Lochs (elliptisch, rund, etc.) beziehe. Dieser solle dem Durchmesser des Zylinderkörpers des Schließschlüssels anspruchsgemäß „gleichen“, damit er das Loch passieren könne.
- Dem Fachmann sei ohne Weiteres bewusst, dass der Durchmesser des zylindrischen Körpers dem Durchmesser der Löcher der Kantenrippen des Schalungselements nicht im Sinne einer Deckungsgleichheit („genauso groß“) gleichen könne. Denn dann könnten die modularen Schalungen nicht verbunden werden. Um die anspruchsgemäße technische Funktion erfüllen zu können, müsse der Durchmesser des (runden oder elliptischen) Zylinderkörpers geringer als derjenige der Löcher der Kantenrippen sein, aber ausreichend groß, um die modularen Schalungen verbinden bzw. schließen zu können. Der kleinere Schlüssel müsse problemlos durch die größeren Löcher geführt werden können, so dass es durch Drehung zu einer sicheren Verbindung mit einer weiteren modularen Schalung kommen könne. Soweit nach der Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA durch das „Gleichen“ von Durchmesser des Schließschlüsselkörpers und der Löcher eine „verbesserte Führung“ bereitgestellt werden solle, sei jedenfalls kein aneinander Gleiten oder Reiben gefordert.
- Hinsichtlich der Auslegung der Beklagten sei zu erwähnen, dass die Begriffe „formschlüssiges Schließkonzept“ oder „Formschluss“ in der gesamten Klagepatentschrift keine Erwähnung fänden. Das Klagepatent enthalte keine Beschränkung auf einen Formschluss oder das Erfordernis einer vorherigen Ausrichtung der modularen Schalungen. Die Beklagte beschränke ihre diesbezügliche Auslegung verengend nur auf ein Ausführungsbeispiel, das aber keine Limitierung des Schutzumfangs erlaube. Eine etwaige exakte Ausrichtung habe keinen Eingang in den geltend gemachten Klagepatentanspruch gefunden. Nach den Abs. [0049] und [0050] des Klagepatents, welche sich mit dem „Schließkonzept“ befassten, werde der Schließschlüssel in die Löcher der gekoppelten Kantenrippen eingefügt und sodann gedreht, damit die radialen Erhebungen eine Kompression zwischen den beiden Modulen erzeugten und eine sichere Verbindung hergestellt werde. Eine „perfekte“ oder „korrespondierende“ vorherige Ausrichtung der Schalungen zueinander sei nicht erforderlich.
- Die Auslegung der Klägerin entspreche auch der Auslegung der Beschwerdekammer des EPA sowie der Einschätzung des Sachverständigen im italienischen Verfahren, wonach der Körper des Schließschlüssels nicht auf eine kreisförmige Grundfläche beschränkt sei, sondern Zylinder in all ihren Ausformungen, d.h. alle denkbaren Zylinderformen und damit auch elliptische Zylinder, umfasse (Anlage K23, S.21; Anlage K1Ü, S.84).
- Der Schließschlüssel der angegriffenen Ausführungsform weise einen klagepatentgemäßen elliptischen Zylinderkörper auf, wie nachfolgend von der Klägerin im Bild gelb hervorgehoben:
- Auch „glichen“ sich der Durchmesser des elliptischen Zylinderkörpers und der entsprechend geformten Löcher bei der angegriffenen Ausführungsform im Sinne des Klagepatents. In der nachfolgenden Abbildung markiere die gelbe Fläche den zylindrischen Körper des Schließschlüssels der angegriffenen Ausführungsform; die radialen Erhebungen seien die grün umrandeten Flächen. In der Ablichtung daneben sei das Loch einer Kantenrippe der angegriffenen Ausführungsform zu sehen:
- Der elliptische Zylinderkörper habe erkennbar einen ähnlichen, aber geringeren Durchmesser als das ovale Loch. Der Schließschlüssel könne durch die Löcher von zwei Kantenrippen hindurchgeführt und gedreht werden, um mittels der radialen Erhebungen eine sichere Verbindung zwischen zwei Schalelementen herzustellen. Soweit eine Führungsfunktion des Schließschlüssels gefordert werde, sei eine solche bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben, wofür bereits spreche, dass der Schließschlüssel bei normaler Benutzung in den Löchern „klackere“. Eine Verjüngung der Löcher der angegriffenen Ausführungsform von außen nach innen sowie Rillen und radiale Erhebungen ermöglichten eine verbesserte Führung in der praktischen Anwendung auf der Baustelle.
- Hinsichtlich der von der Beklagten eingewendeten möglichen Ausrichtung der Schalelemente bzw. Relativbewegung des Schließschlüssels der angegriffenen Ausführungsform, sei eine Verschiebung lediglich im Bereich von wenigen Zentimetern möglich, was das Klagepatent ebenfalls nicht ausschließe. Die Verschiebungen müssten bei gegenüberliegenden Schalelementen der angegriffenen Ausführungsform aber jedenfalls wieder ausgeglichen werden. Die jeweils gegenüberliegenden Schalelemente der angegriffenen Ausführungsform würden bei Erstellung einer Wand/Mauer durch (kreisrunde) Zugstangen von beiden Seiten miteinander verbunden und zusammengehalten, wobei die Löcher der Schalungen im Hinblick auf die Zugstangen ausgerichtet sein müssten.
- Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche mit ihrem elliptischen Zylinderkörper und den ovalen Langlöchern – als Austauschmittel – das Klagepatent jedenfalls in äquivalenter Weise. Die angegriffene Ausführungsform löse die der Erfindung zu Grunde liegenden Probleme mit abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln und erreiche dabei die Ziele des Klagepatents gem. dessen Abs. [0013] ff.. Für den Fachmann liege die abgewandelte Ausgestaltung auch nahe. Ihm sei bekannt, dass die Form des Lochs und des Querschnitts des Schließschlüssels austauschbar sei, ohne dass dies die technische Funktion der Merkmale des Klagepatents gefährde. Gegen die Gleichwertigkeit und das Naheliegen spreche auch nicht das Patent EP‘XXC der I GmbH, ein Unternehmen, welches ebenfalls zur Gruppe der Beklagten gehöre. Die EP‘XXC schütze Merkmale und löse Problemstellungen, die vom Klagepatent abwichen. Die Überlegungen, die der Fachmann anstellen müsse, orientierten sich schließlich auch am Sinngehalt der unter Schutz gestellten Lehre.
- Zudem werde das Merkmal, wonach die radialen Erhebungen vorzugsweise die Form eines ringförmigen Segments aufweisen, um die Rillen der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung zu passieren, durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht.
- Die Verwendung des Begriffs „vorzugsweise“ im Wortlaut zeige, dass die Form der radialen Erhebungen als ringförmiges Segment nicht zwingend sei. Die entsprechenden Erhebungen müssten (lediglich) so ausgestaltet sein, dass sie auch durch die Rillen der Löcher der jeweiligen Rippen passten. Bei den Rillen handele es sich um das „Gegenstück“ zu den radialen Erhebungen, wie sich auch aus Abs. [0048] des Klagepatents ergebe. Es bestehe kein Anlass, zu fordern, bei den Rillen müsste es sich um eine hervorgehobene Ausnehmung oder Vertiefung handeln, die sich vom Loch räumlich abhebt oder, dass die Rillen eine bestimmte, abgrenzbare Ausformung innerhalb des Lochs haben müssten. Nachfolgend hat die Klägerin beispielhaft Loch und Rillen eines Ausführungsbeispiels des Klagepatents farblich hervorgehoben und bezeichnet (Bl. 155 GA):
- Die ovale Ringform des Schlüssels der angegriffenen Ausführungsform stelle klagepatentgemäße radiale Erhebungen in Form eines ringförmigen Segments dar, wobei die radialen Erhebungen die nachfolgend grün markierten Elemente darstellten (Bl. 166 GA):
- Die patentgemäßen Rillen seien die Ausschnitte der Löcher, durch die die radialen Erhebungen des Schließschlüssels geführt würden, wie im Folgenden anhand der angegriffenen Ausführungsform seitens der Klägerin koloriert worden sei (Bl. 166 GA):
- Die Ansprüche der Klägerin seien nicht verjährt. Die Verjährung sei bereits seit dem Jahr 2016 gehemmt, nachdem die Klägerin die Beklagte erstmals im Hinblick auf die angegriffene Ausführungsform kontaktiert habe und seitdem zwischen den Parteien neben dem bereits seit 2017 in Italien anhängigen Verfahren außergerichtliche Verhandlungen stattgefunden hätten.
- Ein Streitwert in Höhe von 1.000.000,00 Euro sei angemessen, wobei die Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Streitwert ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts stellte. Der Antrag der Beklagten auf Erhöhung des Streitwerts sei zurückzuweisen. Soweit die Beklagte auf das italienische Verfahren verweise, habe dies keine Relevanz. Die Beklagte sei dort nicht Partei, sondern es gehe um die Gesellschaften J Srl, K Srl und L Srl., wobei der Schaden der dort beteiligten Unternehmen in Italien weit höher sei als der in Deutschland.
- Entscheidend für den Streitwert sei, mit welchen Nachteilen die Klägerin bei Fortsetzung des verletzenden Verhaltens zu rechnen habe. Die Produktreihe der Klägerin, welche die technische Lehre des Klagepatents umsetze, sei das „M“, deren Preisliste die Klägerin für Europa für 2023 als Anlage SW1 vorlegt. Der Durchschnittspreis eines „M“ habe zwischen 2016 und 2023 pro qm zwischen 107,36 Euro und 179,36 Euro gelegen. Zwischen den Jahren 2016 und 2023 habe sie mit ihren „M“ in Deutschland nur einen jährlichen Absatz zwischen 827,64 Euro in 2017 und max. 24.939,53 Euro in 2021 erzielt.
- Deutschland sei für die Klägerin ein überschaubarer Markt; genaue Kenntnis ihres dortigen Marktanteils habe sie nicht. Ihre Herstellungskosten hätten seit 2016 pro qm für die „M“ zwischen 15,26 Euro in 2022 und 17,83 Euro in 2023 gelegen, während für die zugehörigen roten Griffe sich in dem genannten Zeitraum durchschnittliche Herstellungskosten von etwa 0,41 Euro bis 0,51 Euro pro Stück ergäben.
- Die Klägerin habe keines ihrer Patente lizenziert. Sie gehe jedoch nach einer Recherche zu Einigungsvorschlägen der Schiedsstelle des DPMA von einer (fiktiven) Lizenzgebühr von 2% auf den Umsatz aus, so dass selbst danach ein Streitwert von 30.000.000,00 Euro fernliegend sei. Die hierfür relevanten Angaben der Beklagten bestreitet sie zudem.
- Die von der Beklagten angesprochenen Vergleichsverhandlungen im Jahre 2021, deren Inhalte dem zwischen den Parteien geschlossenen NDA unterlägen, seien nicht relevant, da Verletzungshandlungen in Deutschland nicht separat thematisiert worden seien und auch die besprochenen Summen die Streitwerterhöhung nicht rechtfertigten.
- Ursprünglich hat die Klägerin im Hauptantrag eine wortsinngemäße Verletzung von Anspruch 1 und nur hilfsweise eine wortsinngemäße Verletzung von Anspruch 1 i.V.m. Unteranspruch 9 sowie weiter hilfsweise eine äquivalente Verletzung von Anspruch 1 i.V.m. Unteranspruch 9 des Klagepatents in der ursprünglich erteilten Fassung geltend gemacht. Sodann hat sie vorranging die wortsinngemäße und hilfsweise die äquivalente Verletzung von Anspruch 1 in der vom EPA beschränkt aufrechterhaltenen Fassung und erst nachrangig die alleinige wortsinngemäße und hilfsweise die äquivalente Verletzung von Anspruch 1 in der ursprünglich erteilten Fassung des Klagepatents geltend gemacht. Zudem hat die Klägerin die Beklagte ursprünglich auch wegen der Verletzungshandlung des Herstellens in Anspruch genommen.
- Der Klägerin beantragt nunmehr,
- – wie erkannt -;
- hilfsweise zu der Ziff. I. des Tenors, welche der Ziff. I.1. der Klageanträge entspricht, beantragt die Klägerin zudem unter Ziff. I.2.
- die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- modulare Schalungen aus Kunststoff
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn diese ein Paneel mit einer ersten und einer zweiten Seite umfassen, das an der ersten Seite, die der mit dem Beton in Kontakt kommenden, zweiten Seite gegenüberliegt, einige Kantenrippen sowie Haupt-Querrippen aufweist,
- wobei die besagten Kantenrippen aus zwei Wänden bestehen, die parallel zueinander und lotrecht zu dem Paneel stehen,
- wobei sich zwischen den besagten zwei Wänden eine Vielzahl von Platten befindet, die die besagten zwei Wände verbinden,
- wobei besagte modulare Schalung einige aufeinander ausgerichtete Löcher an den beiden Wänden der Kantenrippen umfasst,
- und wobei die besagten Löcher derart an den Kantenrippen entlang angeordnet sind, dass bei Kupplung oder Ausrichtung verschiedener Modulelemente die besagten Löcher an den Wänden von zwei gekuppelten Kantenrippen der verschiedenen gekuppelten oder ausgerichteten Modulelemente aufeinander ausgerichtet sind, um Befestigungsmittel einfügen zu können, die die besagten Löcher an den beiden Wänden von zwei Kantenrippen überragen
- wobei die modulare Schalung anhand von Befestigungsmitteln in Form eines Schließschlüssels mit einer anderen, ähnlichen Schalung geschlossen wird,
- wobei der besagte Schließschlüssel für modulare Schalungen aus einem Körper besteht, der einen elliptischen Querschnitt aufweist, und an einem Ende einen Handgriff aufweist, der lotrecht zu dem besagten Körper steht und am entgegengesetzten Ende zwei oder mehrere radiale Erhebungen aufweist,
- und wobei der besagte Körper mit elliptischem Querschnitt einen Durchmesser als die längste Achse der Ellipse aufweist, der jenen oval und länglich ausgeformten Löchern der Kantenrippen der modularen Schalung insoweit gleicht, dass der Körper die Löcher passieren kann und wobei der Körper eine Länge aufweist, die größer ist als die Dicke von zwei Kantenrippen,
- und wobei die besagten radialen Erhebungen vorzugweise die Form eines ringförmigen Segments aufweisen, um die Rillen der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung zu passieren
- und wobei die beiden parallelen, durch Platten verbundenen Wände im Wesentlichen, was die dem Paneel verliehene Steifheit betrifft, mit einer vollen Rippe gleicher Breite gleichwertig sind, jedoch weniger Kunststoffmaterial erfordern und leichter sind;
-
Weiterhin beantragt die Klägerin, das Urteil für sie gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,00 für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wobei sie für die teilweise Vollstreckung des Urteils die Festsetzung von Teilsicherheiten wie folgt beantragt:
Ziffern I., IV. und V. des Tenors: insgesamt EUR 750.000,00,
Ziffern II. und III. des Tenors: insgesamt EUR 50.000,00,
wegen der Kosten: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. - Hinsichtlich des jeweils nur als Insbesondere-Antrag geltend gemachten Unteranspruchs 10 in der ursprünglich erteilten Fassung des Klagepatents sowie Abs. [0050] der Klagepatentbeschreibung wird auf die Klageschrift verwiesen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung im parallelen Verletzungsverfahren, derzeit anhängig beim Tribunale di Venezia, Az. R.G. 8611/2016;
-
weiter hilfsweise bezüglich der vorläufigen Vollstreckung folgende Teilsicherheiten festzusetzen, wobei sie einen Streitwert von 30.000.000,00 EUR zugrunde legt:
Ziffern I., IV. und V. der Klageanträge: insgesamt 22.500.000 EUR
Ziffern II. und III. der Klageanträge: insgesamt 1.500.000 EUR. - Hilfsweise erhebt die Beklagte zudem die Einrede der Verjährung.
- Die Beklagte meint, die geltend gemachten Ansprüche stünden der Klägerin nicht zu.
- Die Klage sei bereits aufgrund entgegenstehender Rechtshängigkeit teilweise unzulässig. Aufgrund des italienischen Verletzungsverfahrens seien die hier nochmals geltend gemachten Schadensersatz- und Auskunftsansprüche aufgrund doppelter Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO i.V.m. Artikel 29 Abs. 1, 3 EuGVVO unzulässig. Zumindest sei das vorliegende Verfahren gemäß Artikel 29 Abs. 1, 3 EuGVVO oder jedenfalls gemäß Artikel 30 EuGVVO auszusetzen, um zu vermeiden, dass der Klägerin für dieselben Handlungen sowohl im italienischen Verfahren als auch im vorliegenden Verfahren Schadensersatz- und Auskunftsansprüche zugesprochen würden. Im italienischen Verletzungsverfahren habe die Klägerin die von ihr geltend gemachten Schadensersatz- und Auskunftsansprüche auch auf Handlungen erstreckt, die keinen territorialen Bezug zur Republik Italien haben. Sie mache dort Schadensersatz nach der Berechnungsmethode des entgangenen Gewinns geltend, der nur einmal verlangt werden könne.
- Zudem habe die Klägerin ihr Klagebegehren im Laufe des Verfahrens durch Aufnahme weiterer Merkmale erheblich eingeschränkt, was eine kostenpflichtige Teilklagerücknahme darstelle.
- Die Beklagte meint, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Lehre des Klagepatents ohnehin weder wortsinngemäß, noch in äquivalenter Weise.
- Die die Schalung betreffenden Merkmale, wonach die modulare Schalung aus Kunststoff ein Paneel mit einer ersten und einer zweiten Seite umfasst und die erste Seite der mit dem Beton in Kontakt kommenden zweiten Seite gegenüberliegt, würden durch die angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht.
- Das Klagepatent definiere die klagepatentgemäße Schalung aus Kunststoff als „Vollkunststoffschalung“ bzw. „monolithische Schalung“, die ein Paneel für den Kontakt und die Aufnahme des Betons umfasse, also ein einstückiges Kunststoffbauteil. Die Beklagte verweist hierzu auf die Abs. [0003], [0004] und [0005] der Beschreibung des Klagepatents, wonach die Schalung aus einem einzigen Element bestehe. Das Klagepatent definiere dort positiv und ausdrücklich, was unter einer klagepatentgemäßen Schalung aus Kunststoff zu verstehen sei und welche Vorteile solche Schalungen aus Kunststoff aufwiesen. Für den Fachmann spiele es keine Rolle, wo in einer Patentschrift ein technischer Begriff definiert werde. Auf diese Vollkunststoffschalung verweise das Klagepatent durchgehend. Insbesondere habe die Klägerin den in Abs. [0003] des Klagepatents definierten Begriff „formwork in plastic/ Schalung aus Kunststoff“ als Anmelderin identisch in den unabhängigen Anspruch 1 aufgenommen, so dass die Klägerin sich an einer von ihr selbst in die Patentschrift aufgenommenen Legaldefinition messen lassen müsse.
- Durch den Bezug auf die DE‘XXB in Abs. [0012] des Klagepatents, wonach diese Druckschrift die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbare, bestätige das Klagepatent, dass es sich auf eine solche Vollkunststoffschalung beziehe. Eine sogenannte „zusammengesetzte Schalung“ verstehe das Klagepatent nicht als anspruchsgemäße Schalung. Die Schalungstypen „Vollkunststoffschalung“ und „zusammengesetzte Schalung“ unterschieden sich hinsichtlich des Herstellungsverfahrens sowie ihres Einsatzes und ihrer Einsatzmöglichkeiten. Der Fachmann unterscheide daher auch zwischen „Vollkunststoffschalung“ und „zusammengesetzter Schalung“, was sich auch aus den Ausführungen der Prüfungsabteilung des EPA im Anmeldeverfahren der EP‘XXC, in welchem das Klagepatent als Entgegenhaltung D5 diskutiert worden und als Vollkunststoffschalung angesehen worden sei, ergebe.
- Die angegriffene Ausführungsform sei keine klagepatentgemäße Vollkunststoffschalung, sondern – insoweit unstreitig – eine zusammengesetzte Schalung mit separater Schalhaut und einem Rahmen. Die Schalhaut sei mit der dahinterliegenden Rahmenschalung nicht fest verbaut, sondern wechselbar durch Verschraubungen verbunden, wie nachfolgend von der Beklagten abgebildet (Bl. 111 GA):
- Weiterhin werde das Merkmal, wonach die beiden parallelen, durch Platten verbundenen Wände im Wesentlichen, was die dem Paneel verliehene Steifheit betreffe, mit einer vollen Rippe gleicher Breite gleichwertig seien, jedoch weniger Kunststoffmaterial erfordern und leichter seien, durch die angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht.
- Das Merkmal beziehe sich auf die Kernaufgabe des Klagepatents, nämlich eine leichtere Schalung bereitzustellen, die jedoch hinsichtlich ihrer Steifigkeit im Wesentlichen einer Schalung mit einer Vollrippe entsprechen solle. Die Steifigkeit sei dabei eine Größe der Technischen Mechanik, die den Widerstand eines Körpers gegen eine durch äußere Belastung aufgeprägte elastische Verformung beschreibe und den Zusammenhang zwischen der Belastung eines Bauteils und dessen Verformung vermittele.
- Technisch-funktional solle eine Schalung bereitgestellt werden, die im Wesentlichen die gleiche Steifigkeit aufweise wie eine Schalung, bei der die Rippen aus Vollmaterial sind und die im Wesentlichen genauso eingesetzt werden könne. Die Klägerin reduziere das Merkmal unterhalb seines Wortlauts lediglich auf die Frage, ob eine Schalung diejenige Steifigkeit aufweise, um abstrakt-generell als Schalung eingesetzt zu werden. Die Auslegung der Klägerin sei ein Zirkelschluss. Denn wenn eine Schalung nicht die in der Praxis notwendige Steifigkeit aufweise, könne sie nicht als Schalung verwendet werden. Die abstrakt-generelle Eignung als solche ergebe sich bereits aus dem Merkmal, wonach die modulare Schalung ein Paneel mit einer ersten und einer zweiten Seite umfasse. Das die Steifigkeit betreffende Merkmal fordere – in welcher Form auch immer – einen Vergleich zwischen einer Vollrippe und einem anspruchsgemäßen Paneel.
- Eine klagepatentgemäße Schalung solle im Wesentlichen genauso eingesetzt werden können, wie eine Schalung mit einer Vollrippe, was das Klagepatent in Abs. [0017], [0022] und [0037] seiner Beschreibung bestätige. Je nach Einsatz könnten völlig unterschiedliche Kräfte auftreten und in Abhängigkeit der Steifigkeit ergäben sich unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten einer Schalung. Das EPA habe dieses Verständnis bestätigt. Es habe ausgeführt, dem Fachmann sei aufgrund seines Fachwissens eine Vielzahl von technischen Möglichkeiten bekannt, wie er eine anspruchsgemäße „im Wesentlichen entsprechende Steifigkeit“ realisieren könne (vgl. Anlage K7). Das EPA führe aus, dass eine im Wesentlichen entsprechende Steifigkeit bereitzustellen sei und habe erläutert, dass mit den genannten Platten eine relativ hohe Steifigkeit bereitgestellt werden könne und diese Platten genutzt werden könnten, um die geforderte im Wesentlichen entsprechende Steifigkeit bereitzustellen.
- Das die Steifheit betreffende Merkmal sei selbst dann nicht verwirklicht, wenn dem Begriff „im Wesentlichen“ eine gewisse Unschärfe zugestanden würde. Die angegriffene Ausführungsform sei von einer im Wesentlichen entsprechenden Steifheit weit entfernt. Sie weise auch bei weitem keine Steifigkeit auf, die mit der einer Vollrippe vergleichbar wäre. Sie könne zwar grundsätzlich als Schalung eingesetzt werden, allerdings nicht vergleichbar mit einer Ausgestaltung als Vollrippe.
- Die fehlende Vergleichbarkeit zur Vollrippe ergebe sich – jedenfalls im Sinne eines Anscheinsbeweises – aus der als Anlage B3 vorgelegten Lastsimulation, durchgeführt von der Firma J S.r.l., bei der die Steifigkeit der angegriffenen Ausführungsform mit einer „N“ verglichen worden sei. Danach sei die Steifigkeit der angegriffenen Ausführungsform nur in etwa halb so groß im Vergleich zu einer Ausgestaltung als Vollrippe. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien nämlich keine Maßnahmen getroffen worden, um eine mit einer Vollrippe auch nur annähernd vergleichbare Steifigkeit zu erhalten. Die angegriffene Ausführungsform sei auch nicht vergleichbar einsetzbar wie eine Ausgestaltung als Vollrippe. Bei der als Anlage B3 vorgelegten Simulation seien die Messpunkte 1 m voneinander entfernt gewesen und die Toleranzen nach der hierfür maßgeblichen DIN 18202 beachtet worden.
- Überdies würden die Merkmale, wonach der Schließschlüssel aus einem zylindrischen Körper besteht und der zylindrische Körper des Schließschlüssels einen Durchmesser aufweist, der jenem der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung gleicht, weder wortsinngemäß, noch äquivalent durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
- Entgegen der Ansicht der Klägerin seien nicht-kreisförmige zylindrische Körper nicht umfasst. Der Fachmann erkenne im Lichte des offenbarten Ausführungsbeispiels, dass das Klagepatent auf einen Kreiszylinder oder sogenannten „Drehzylinder“ abstelle. Ihm werde gezeigt, dass das klagepatentgemäße Schließkonzept als formschlüssiges Schließkonzept ausgebildet sei, bei dem eine gewünschte korrekte Ausrichtung der zu verbindenden Schalungen bereits beim Einführen des Schließschlüssels in die Löcher vorliegen müsse. Das klagepatentgemäße, formschlüssige Schließkonzept basiere darauf, dass der Körper des Schließschlüssels als (Dreh-)Zylinder ausgebildet sei und mit den Löchern der Schalungen formschlüssig wechselwirken könne. Daher müssten sowohl der zylindrische Körper des Schließschlüssels, als auch die Löcher kreisförmig ausgestaltet sein. Dies zeige sich etwa unmittelbar am Wortlaut, wonach der Durchmesser des zylindrischen Körpers dem Durchmesser der Löcher „gleiche“. Der Anspruchswortlaut („gleicht“) finde sich auch im Ausführungsbeispiel des Klagepatents wieder, denn dort wiesen sowohl der zylindrische Körper des Schließschlüssel als auch das Loch jeweils einen kreisförmigen Querschnitt auf. In Verbindung mit den Figuren lehre das Klagepatent, dass die Durchmesser derart aneinander angepasst seien, dass dadurch das klagepatentgemäße formschlüssige Schließkonzept bereitgestellt werden könne. Es lasse sich kein belastbarer Anhaltspunkt finden, dass die Löcher – in Abweichung vom Wortlaut des Anspruchs – mehrere Durchmesser und somit eine andere Form als die Kreisform aufweisen könnten.
- Wie die Beschwerdekammer des EPA zutreffend festgestellt habe (Anlage K 23, S. 21 ff., insb. S. 23), solle dem Klagepatent hierdurch insbesondere die technische Funktion der verbesserten Führung des zylindrischen Körpers beim Durchführen durch die ausgerichteten Löcher in den Kantenrippen der Schalung zukommen. Nur auf Grundlage dieser Auslegung hinsichtlich der Funktion des Führens hat das EPA eine unzulässige Erweiterung des Klagepatents verneint. Für die Merkmale, welche sich auf den zylindrischen Körper des Schließschlüssels bzw. dessen Durchmesser, welcher dem Durchmesser der Löcher gleichen solle, bezögen, stelle die Führungsfunktion die wesentliche und einzige Funktion dar.
- Die Klägerin verkürze die Funktion des Schließschlüssels unzulässig bloß auf ein Verbinden und Sichern der beiden Schalungen zueinander. Dies habe die Beschwerdekammer des EPA ausdrücklich abgelehnt. Die Abs. [0042], [0046], [0049] und die Figuren des Klagepatents lehrten den Fachmann, dass beim Verbinden zweier Schalungen deren korrespondierende Löcher, zueinander ausgerichtet sein müssten, wenn der Schließschlüssel durch die Löcher geführt werde. Die vorherige Ausrichtung sei Voraussetzung dafür, dass der in den Figuren 2 und 3 gezeigte Schließschlüssel überhaupt erst durch beide Löcher der zu verbindenden Schalungen geführt werden könne.
- Das Klagepatent definiere nicht ausdrücklich, was unter dem Begriff „gleicht“ bzw. in der englischen Verfahrenssprache „equal“ zu verstehen sei, so dass es beim allgemeinen fachmännischen Verständnis des Begriffs bleibe. Er werde synonym mit den Begriffen „like“, „alike“, „equivalent“, tantamount“, „corresponding“, proportionate“ oder „commensurate“ verwendet, also im Sinne von „ähnlich“ oder „entsprechend“. Der Durchmesser des Loches solle dem Durchmesser des zylindrischen Körpers des Schließschlüssels ähnlich und damit formschlüssig sein.
- Der Querschnitt des Körpers des Schließschlüssels der angegriffenen Ausführungsform sei hingegen oval, langloch-förmig ausgebildet. Klagepatentgemäß aufeinander angepasste Durchmesser des Körpers des Schließschlüssels und der Löcher der Schalungen seien nicht vorhanden. Im vollständig eingeführten, aber noch nicht geschlossenen Zustand des Schließschlüssels, könne dieser in den ovalen, langloch-förmigen Löchern der Schalungen hin und her bewegt werden. Bei der angegriffenen Ausführungsform wiesen weder die Löcher, noch der Körper des Schließschlüssels einen kreisförmigen Querschnitt auf. Wie in nachfolgender Abbildung gezeigt werde, werde auch kein Formschluss zwischen Schließschlüssel und Loch bereitgestellt, da zwischen Schließschlüssel und Loch ein breiter „Spalt“ verbleibe:
- Die angegriffene Ausführungsform weise daher insbesondere keine Führungsfunktion auf. Es seien keine Führungsflächen von Schließschlüsseln und Löchern vorhanden, die aneinander gleiten oder reiben. Vielmehr sei bei der angegriffenen Ausführungsform ein großer Spalt vorgesehen, damit der Schließschlüssel möglichst einfach und ohne Reibung durch die Löcher geschoben werden könne, so dass der Schließschlüssel bei entsprechender Bemühung sogar ohne Berührung der Innenwände hindurchgeschoben werden könne, wenngleich es beim gewöhnlichen Gebrauch zu einem Klackern komme. Eine klagepatentgemäße „Führung“ durch die Löcher würde ein einfaches Durchschieben eher behindern als zulassen.
- Das Schließkonzept der angegriffenen Ausführungsform entspreche nicht dem Schließkonzept des Klagepatents. Bei der angegriffenen Ausführungsform müssten sich die zu verbindenden Schalungen – im Gegensatz zur Lehre des Klagepatents mit seiner zwingend bereitzustellenden exakten Vorausrichtung der Löcher zueinander – nur ungefähr gegenüberstehen. Das Schließkonzept der angegriffenen Ausführungsform basiere auf einer Reibschlussverbindung. Dass es sich um unterschiedliche Schließkonzepte handele, sei auch durch die Prüfungsabteilung, die die EP‘XXC geprüft und erteilt hat, bestätigt worden.
- Darüber hinaus scheide eine Verwirklichung in äquivalenter Weise aus. Nach dem Vortrag der Klägerin erschöpfe sich die Wirkung auf ein Verbinden der Schalungen, was die Lehre des Klagepatents jedoch verkürze. Es mangele an einer Gleichwirkung der angeführten Austauschmittel, da der angegriffenen Ausführungsform kein formschlüssiges Schließkonzept, sondern ein reibschlüssiges Schließkonzept zugrunde liege. Das behauptete Austauschmittel sei auch nicht naheliegend, was sich schon aus dem Erteilungsbeschluss zur EP‘XXC ergebe. Die EP‘XXC sei gerade auf die oval, langloch-förmige Geometrie der Löcher der angegriffenen Ausführungsform erteilt worden. Es mangele zudem an der Gleichwertigkeit der Ersatzlösung, da der angegriffenen Ausführungsform für den Fachmann erkennbar ein anderes Schließkonzept zugrunde liege.
- Schließlich werde auch das Merkmal, wonach die radialen Erhebungen vorzugsweise die Form eines ringförmigen Segments aufweisen, um die Rillen der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung zu passieren, durch die angegriffene Ausführungsform nicht verwirklicht.
- Das Klagepatent definiere nicht, was unter einer anspruchsgemäßen „Rille“ zu verstehen sei, so dass es beim allgemeinen fachmännischen Verständnis verbleibe – demnach bei einer Vertiefung oder einer Ausnehmung, die in eine Oberfläche eingebracht sei, um darin etwas zu halten oder zu führen, wie sich auch aus dem Wikipedia-Artikel zu „Rille“ bzw. „groove“ ergebe. Dies werde durch das Ausführungsbeispiel in Figur 1 des Klagepatents bestätigt. Mit dem Begriff „Rillen“ sei ein räumlich-körperliches Merkmal in den unabhängigen Anspruch eingeführt worden. Die von der Klägerin angeführte Auslegung reduziere das Merkmal der „Rillen der Löcher“ unzulässig auf eine reine Funktion, habe keine Grundlage im Klagepatent und basiere einzig auf der angegriffenen Ausführungsform.
- Die Löcher der angegriffenen Ausführungsform seien oval, langloch-förmig ausgebildet. Sie wiesen erkennbar keine „Rillen“ in den ovalen Langlöchern auf, durch die radiale Erhebungen des Schließschlüssels passieren könnten. Aufgrund des unterschiedlichen Schließkonzepts werde bei der angegriffenen Ausführungsform der gesamte Querschnitt des Schließschlüssels durch das ovale Langloch geführt. Dabei sei der mittlere Bereich des ovalen Langlochs nicht als anspruchsgemäßes „Loch“ anzusehen sowie die seitlichen Bereiche des ovalen Langlochs nicht als anspruchsgemäße „Rillen“. Der Fachmann würde in dem ovalen Langloch der angegriffenen Ausführungsform lediglich ein ovales Langloch und kein „Loch mit Rillen“ sehen.
- Hilfsweise seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche zumindest teilweise verjährt. Wie der Geschäftsführer der Klägerin, Herr C, in einem auf der Webseite der Klägerin am 06.10.2022 veröffentlichten und mittlerweile entfernten Video einräume, habe die Klägerin seit 2016 positive Kenntnis der hier angegriffenen „E“.
- Zudem sei der von der Klägerin angegebene Streitwert zu niedrig. Er sei stattdessen auf 30.000.000,00 Euro festzusetzen. Der von der Klägerin angeführte Streitwert in Höhe von 1 Mio. Euro stehe in einem groben Missverhältnis zum bekundeten wirtschaftlichen Interesse der Klägerin und auch zum potentiellen Schadenseinschlag bei der Beklagten.
- Im März 2022 habe die Klägerin eine weitere italienische Klage gegen Zulieferer und eine Tochtergesellschaft der Beklagten erhoben, in welcher die Klägerin von einem Schaden von nicht weniger als 130.000.000,00 Euro ausgehe und entgangenen Gewinn in Höhe von 113.400.000,00 Euro geltend mache, dies jeweils nur bezogen auf das italienische Staatsgebiet. Der angeblich entgangene Gewinn müsse im vorliegenden Verfahren, mit dem Angriff auf den Mutterkonzern, noch höher sein.
- Ein Streitwert in Höhe von 30.000.000,00 Euro sei auch auf Basis der Umsätze und Gewinne bei der Beklagten angemessen. Sie biete die angegriffene Ausführungsform seit dem Jahr 2016 an. Zwischen dem Jahr 2016 und der Klageerhebung im Jahr 2021 habe die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform einen Umsatz in Höhe von insg. etwa 106.039.715,00 Euro, bei jährlichen Summen zwischen 11.359.162,00 Euro und 24.119.188,00 Euro, und einen Gewinn in Höhe von insg. 23.297.635,00 Euro, bei jährlichen Summen zwischen 1.995.191,00 Euro und 7.020.219,00 Euro, gemacht. Von der Klageerhebung bis zum 25.11.2024, an welchem das Klagepatent ablaufen werde, prognostiziere die Beklagte einen Umsatz in Höhe von insg. 90.976.637,00 Euro und einen Gewinn in Höhe von insg. 22.547.948,00 Euro. Die Beklagte habe einen Lagerbestand der angegriffenen Ausführungsform im Wert von 8,5 Mio. Euro. Als Kosten für eine Marketingumstellung sowie einen Rückruf kalkuliere sie 120.064,00 Euro bzw. 112.378,00 Euro.
- Der Beklagten sei nach ihrem eigenen Begehren von der Kammer gem. § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben, die ihr von der Klägerin übermittelten Vergleichsunterlagen mit dem Titel „O“ vorzulegen, damit die Beklagte ihre diesbezügliche Geheimhaltungsverpflichtung, von der die Klägerin sie nicht entpflichtet habe, nicht verletzen müsse. Der von der Klägerin angegebene Streitwert sei mit den der Beklagten vorliegenden Vergleichsunterlagen der Klägerin nicht ansatzweise in Einklang zu bringen.
- Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2023 verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig und begründet.
- Die Beklagte verletzt durch das Angebot und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform das Klagepatent. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß (hierzu unter II.). Der Klägerin stehen gegen die Beklagte wegen des Angebots und des Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139, 140a, 140b PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu (hierzu unter III.).
- Das Verfahren war nicht im Hinblick auf das bei dem Tribunale di Venezia anhängige italienische Verletzungsverfahren der Parteien auszusetzen (hierzu unter IV.).
-
I.
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. -
1.
Der klageweisen Geltendmachung der Auskunfts- und Schadensersatzansprüche steht nicht der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit gem. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegen. Gemäß dieser Norm kann während der Dauer der Rechtshängigkeit einer Streitsache diese von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Der Einwand setzt voraus, dass es sich jeweils um denselben Streitgegenstand handelt. Dies ist hier nicht der Fall. Nach dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff bestimmt sich dieser nach dem Klageantrag und dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt. Im italienischen Verfahren wird die Verletzung des italienischen Teils des Klagepatents geltend gemacht, während vorliegend sein deutscher Teil geltend gemacht wird. Es handelt sich um territoriale Schutzrechte. Ebenso beziehen sich die hiesigen Anträge auf Schadensersatz und Auskunft lediglich auf Verletzungshandlungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des deutschen Schutzrechtsanteils. Inwieweit dies schon im Rahmen des italienischen Verletzungsverfahrens rechtshängig wäre oder sich das italienische Gericht mit Schäden, die aus Verletzungshandlungen mit Geltung für die Bundesrepublik Deutschland stammten, zu beschäftigen hätte, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des von der Klägerin als Anlage K 22 bzw. K 22Ü vorgelegten Beschlusses, mit welchem das italienische Gericht festhält, dass der dortige Sachverständige sich nur mit Schäden hinsichtlich des Territoriums von Italien beschäftigen solle. Zudem wird bezüglich des Schadensersatzanspruchs im hiesigen Verfahren lediglich eine Feststellung dem Grunde nach begehrt, während die Berechnungsmethode und die konkret geltend gemachte Höhe erst im nachgelagerten Höheverfahren relevant werden. -
2.
Soweit die Klägerin die Klage beschränkt hat, indem sie die Anträge nunmehr allein noch auf eine Verletzung des Klagepatents in der beschränkt aufrechterhaltenen Fassung, d.h. auf eine Kombination der Merkmale von Anspruch 1 und 9 der erteilten Fassung, stützt, bestehen gegen die Zulässigkeit einer solchen Antragsänderung keine Bedenken. Eine solche Anpassung der Anträge auf eine zwischenzeitlich im Rechtsbestandsverfahren erfolgte beschränkte Aufrechterhaltung des Anspruchs stellt keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, sondern allenfalls eine Beschränkung des Klageantrags nach § 264 Nr. 2 ZPO dar (OLG Düsseldorf Urt. v. 18.3.2021 – 2 U 18/19, GRUR-RS 2021, 6714 Rn. 38). Dies folgt daraus, dass der Klagegrund bei einem Hinzufügen von Anspruchsmerkmalen identisch bleibt, indem die Klägerin ihr Begehren weiterhin auf denselben Lebenssachverhalt und dasselbe Schutzrecht stützt. Sie verfolgt unverändert das Klageziel, den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform wegen Verletzung desselben Patents zu untersagen. -
3.
Soweit die Klägerin anfänglich auch Unterlassung und Rechnungslegung hinsichtlich der Benutzungshandlung des Herstellens begehrt hat und dies nun nicht mehr weiterverfolgt, handelt es sich um eine teilweise Klagerücknahme gem. § 269 Abs. 1 ZPO. Jede einzelne Benutzungsart stellt einen eigenen Streitgegenstand dar (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. A Rn. 316). Die teilweise Klagerücknahme konnte vorliegend ohne die Einwilligung der Beklagten erfolgen, da sie gem. § 269 Abs. 1 ZPO noch vor Antragstellung und Beginn der mündlichen Verhandlung der Beklagten erfolgte. -
II.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Anspruchs 1 in der vom EPA beschränkt aufrechterhaltenen Fassung des Klagepatents (entsprechend der Lehre der Ansprüche 1 und 9 gemäß der ursprünglich erteilten Fassung) unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. -
1.
Das Klagepatent, dessen in Anlage K2 bzw. K2Ü eingereichter Patentschrift die nachfolgend ohne Quellenangaben zitierten Absätze entstammen, betrifft eine Schalung zur Herstellung von Betonstrukturen, Pilastern oder quadratischen oder rechteckigen Säulen, Abs. [0001]. -
a)
In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass sowohl bekannte Schalungen, die mit Holzpaneelen realisiert werden (Abs. [0002]), als auch solche aus Kunststoff (Abs. [0003] ff.) bereits offenbart sind. -
b)
Schalungen aus Holz haben gem. Abs. [0002] viele Nachteile, nämlich die Kosten des Rohmaterials, die Notwendigkeit der Vorbereitung und Anpassung der verschiedenen Achsen, die Instabilität des Materials im Laufe der Zeit, das hohe Gewicht und Schwierigkeiten bei der Realisierung der Verbindung mit anderen Schalungen. Das Klagepatent erläutert, dass die bekannten Holzschalungen zur Realisierung von Verstärkungen für verstärkte oder nicht verstärkte Betonstrukturen die Verwendung von Metallstäben („metallic rods“) mit kleinem Durchmesser umfassen, um zu vermeiden, dass sich die Schalung aufgrund des Drucks des eingebrachten Betons öffnet (Abs. [0008]). Gemäß Abs. [0009] verlaufen die besagten Haltestäbe („containig rods“) durch das Betongussteil und die parallelen Schalungen und werden durch Zugplatten gehalten, die auf die Schalungen einwirken, um zu vermeiden, dass sie auseinandergehen, wobei geeignete Abstandshalter, die für rohrförmige Elemente mit aufgeweiteten Enden hergestellt werden, zwischen zwei parallelen Schalungen angeordnet sind, um den genauen Projektabstand zu bestimmen. Sodann üben die bekannten Zugplatten ihren Gegendruck auf das Paneel des Holzschalungspaneels aus, wobei es möglich ist, dass sich dieses verbiegt oder irgendwie beschädigt wird, was das Klagepatent weiter als nachteilig sieht (Abs. [0010]). -
c)
Hinsichtlich Schalungen aus Kunststoff beschreibt das Klagepatent in seiner Einleitung, dass diese aus einem einzigen Element gefertigt sind, das durch Gießen von Kunststoff hergestellt wird (Abs. [0003]). Gemäß Abs. [0004] umfassen vorbekannte Schalungen aus Kunststoff im Wesentlichen ein Paneel zum Kontakt und zur Aufnahme des Betons und Versteifungsrippen an den Kanten ihrer Rückseite und quer dazu. Sie sind laut des Klagepatents von Vorteil in Bezug auf Leichtigkeit, Langlebigkeit und Einfachheit bei der Verbindung mit anderen Schalungen (Abs. [0005]). Bei den bekannten Schalungen aus Kunststoff sind gem. Abs. [0006] deren an den Kanten und die quer dazu verlaufenden Rippen aus einer einzigen Wand lotrecht zu dem Haltepaneel gebildet. Um Kunststoffschalungen mit einem ausreichend hohen Verformungswiderstand zu erhalten, ist es ausweislich des Klagepatents notwendig, dass die Haltepaneele eine geeignete Dicke und/oder eine sehr hohe Anzahl von Rippen sowohl an den Kanten als auch quer dazu aufweisen, die ebenfalls von einer geeigneten Dicke sein müssen, was die Verwendung einer großen Menge an Kunststoffmaterial unter entsprechenden Herstellungskosten impliziert (Abs. [0007]). Im Zusammenhang mit Druck, der auf das Paneel ausgeübt wird, erläutert das Klagepatent in Abs. [0010], dass bei thermogeformten Schalungen die Eisenplatten die Rippen der Schalung beschädigen können und sie ihre Last ohnehin auf eine kleine Fläche verteilen. Das Klagepatent erläutert weiter, dass die Rippen der Schalung mit einer geeigneten Dicke ausgeführt werden müssen, um ihr Durchbiegen sowohl durch die Wirkung der Zugplatte als auch durch mögliche Kollisionen oder axiale oder nichtaxiale Spannungen zu vermeiden (Abs. [0011]). -
d)
Im Stand der Technik ist laut des Klagepatents die DE 19622149 A1 (DE‘196) bekannt, welche ein Bauelement zeigt, insbesondere eine Schalplatte zur Herstellung von Verschalungen, die im Betonbau verwendet werden, wobei die Schalplatte durch Spritzgießen eines langfaserigen verstärkten thermoplastischen Materials hergestellt wird, und weiterhin die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1 zeigt (Abs. [0012]). -
e)
Das Klagepatent beschreibt es ausgehend hiervon in Abs. [0013] als seine Aufgabe, eine neue wiederverwendbare modulare Schalung mit verbesserten Rippen bereitzustellen, bei der gem. Abs. [0018] eine jede Rippe an der Kante oder in Querrichtung aus zwei parallelen Wänden besteht, die zum Schalungspaneel lotrecht stehen. Das Klagepatent beschreibt diesbezüglich verschiedene Ziele in Abs. [0014] bis [0018]. Hiernach versteht es das Klagepatent als Ziele der neuen Schalung u.a., die lokalisierte und allgemeine Festigkeit (Abs. [0014]), die Verteilung von nicht axialen oder orthogonalen Spannungen, die auf die Wand der Schalung selbst wirken (Abs. [0015]), die Verteilung der von der Zugplatte ausgeübten Spannung (Abs. [0016]) sowie die strukturelle Steifheit der Schalung jeweils zu verbessern, wobei die Menge an Kunststoff, das für ihre Herstellung verwendet wird, verringert oder gleich gehalten wird, wodurch gewährleistet wird, dass sie sich nicht mit der Zeit verformt (Abs. [0017], [0018]). -
2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung in Form einer modularen Schalung aus Kunststoff gemäß seines Anspruchs 1 in der nunmehr aufrechterhaltenen Fassung vor. Dieser lässt sich anhand der folgenden Merkmalsgliederung darstellen: -
1. Modulare Schalung aus Kunststoff.
2. Die modulare Schalung umfasst ein Paneel mit einer ersten und einer zweiten Seite.
3. Das Paneel weist an der ersten Seite einige Kantenrippen sowie Haupt-Querrippen auf.
4. Die erste Seite liegt der mit dem Beton in Kontakt kommenden zweiten Seite gegenüber.
5. Die Kantenrippen bestehen aus zwei Wänden, die parallel zueinander und lotrecht zu dem Paneel stehen.
6. Zwischen den zwei Wänden befinden sich eine Vielzahl von Platten, die die zwei Wände verbinden.
7. Die beiden parallelen, durch Platten verbundenen Wände sind im Wesentlichen, was die dem Paneel verliehene Steifheit betrifft, mit einer vollen Rippe gleicher Breite gleichwertig, erfordern jedoch weniger Kunststoffmaterial und sind leichter.
8. Die modulare Schalung umfasst einige aufeinander ausgerichtete Löcher an den beiden Wänden der Kantenrippen.
9. Die Löcher sind derart an den Kantenrippen entlang angeordnet, dass bei Kupplung oder Ausrichtung verschiedener Modulelemente die Löcher an den Wänden von zwei gekuppelten Kantenrippen der verschiedenen gekuppelten oder ausgerichteten Modulelemente aufeinander ausgerichtet sind, um Befestigungsmittel einfügen zu können, die die Löcher an den beiden Wänden von zwei Kantenrippen überragen.
10. Die modulare Schalung wird anhand von Befestigungsmitteln in Form eines Schließschlüssels mit einer anderen, ähnlichen Schalung geschlossen.
11. Der Schließschlüssel,
11.1. besteht aus einem zylindrischen Körper,
11.2. weist an einem Ende einen Handgriff auf, der lotrecht zu dem besagten Körper steht,
11.3. und weist am entgegengesetzten Ende zwei oder mehrere radiale Erhebungen auf.
12. Der zylindrische Körper des Schließschlüssels weist
12.1. einen Durchmesser auf, der jenem der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung gleicht, und
12.2. eine Länge auf, die größer ist als die Dicke von zwei Kantenrippen.
13. Die radialen Erhebungen weisen vorzugsweise die Form eines ringförmigen Segments auf, um die Rillen der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung zu passieren. -
3.
Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedarf von den Merkmalen des geltend gemachten, aufrechterhaltenen Anspruchs 1 des Klagepatents die Auslegung der Merkmale 1, 2, 4, 7, 11.1, 12.1, 13 der vertieften Erörterung. Alle anderen Merkmale des geltend gemachten Anspruchs sind zu Recht zwischen den Parteien unstreitig, so dass es weiterer Ausführungen hierzu nicht bedarf. - Unter Zugrundelegung der nachstehenden Erwägungen zum Verständnis der beanspruchten Lehre handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um eine modulare Schalung nach Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung des Klagepatents, da sie alle Merkmale des geltend gemachten Anspruchs wortsinngemäß verwirklicht.
-
a)
Die Merkmale 1, 2 und 4, wonach die modulare Schalung aus Kunststoff ein Paneel mit einer ersten und einer zweiten Seite umfasst und die erste Seite der mit dem Beton in Kontakt kommenden zweiten Seite gegenüberliegt, werden wortsinngemäß durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. -
aa)
Die Merkmale 1, 2 und 4 fordern in Zusammenschau, dass es sich um eine modulare Schalung aus Kunststoff handelt. Diese muss ein Paneel mit mindestens zwei Seiten, d.h. einer ersten und einer zweiten, umfassen. Diese beiden Seiten des Paneels müssen sich gegenüberliegen, wobei eine der beiden Seiten, nämlich die zweite Seite, mit Beton in Kontakt kommt. Darüber hinausgehende Einschränkungen, insbesondere dazu, aus wie vielen Bauteilen die so beschaffene Schalung besteht, gibt das Klagepatent nicht vor, so dass auch eine „zusammengesetzte“ Schalung aus mehreren Bauteilen erfindungsgemäß sein kann. Das Klagepatent fordert nicht, dass Schalung und Paneel aus nur einem einzigen Kunststoffelement bestehen. Diese Ausgestaltung überlässt das Klagepatent vielmehr dem Fachmann. -
(1)
Der Wortlaut des Anspruchs spezifiziert oder schränkt die Ausgestaltung der Schalung nicht ein. Insoweit ist durch den Wortlaut lediglich vorgegeben, dass es sich um eine modulare Schalung aus dem Material Kunststoff handeln muss. Eine „Vollkunststoffschalung“ oder „monolithische Schalung“ sieht der Wortlaut nicht vor. -
(2)
Weiterhin ist auch funktional kein Grund ersichtlich, der eine einstückige Ausgestaltung erfordern würde. Die grundlegende Funktion der modularen Schalung besteht darin, Beton für eine gewisse Zeit aufzunehmen und dem durch die Betonbefüllung entstehenden Druck standzuhalten und so der Herstellung von Betonstrukturen zu dienen, vgl. Abs. [0001]. Die in den Abs. [0013] bis [0018] formulierten Ziele des Klagepatents möchten dabei die Verbesserung von Festigkeit durch verbesserte Rippen unter Verwendung von weniger Kunststoff erreichen. Der erfindungsgemäße funktionale Kern des Klagepatents liegt daher in der besonderen Gestaltung der Rippen, vgl. etwa Abs. [0036]. Das Klagepatent beschreibt, dass aufgrund der Rippen, die nicht vollständig mit Kunststoff ausgefüllt sind, sondern aus zwei parallelen Wänden mit dazwischen aufgestellten Platten und den entsprechenden Hohlräumen bestehen, weniger Kunststoff verwendet werden muss, um eine hinreichend feste und stabile modulare Schalung zu erhalten. Für den Fachmann ergibt sich aus der Beschreibung an keiner Stelle, dass hierfür von Relevanz wäre, ob die modulare Schalung aus einem einzigen Kunststoffbauteile besteht oder aus zwei zusammensetzbaren Kunststoffbauteilen. -
(3)
Auch aus der Beschreibung ergibt sich nicht, dass die modulare Schalung aus lediglich einem Bauteil bestehen muss sowie nicht trennbar ausgestaltet sein darf. Der Begriff der „Vollkunststoffschalung“ oder der „monolithische Schalung“ wird in der Beschreibung nicht verwendet. Das Klagepatent spricht hingegen durchgehend lediglich von „Schalung“, „modularer Schalung“ oder „neuer Schalung“. - Das Klagepatent beschreibt in Abs. [0003] hinsichtlich des vorbekannten Standes der Technik, dass immer häufiger Schalungen aus Kunststoff verwendet werden, die aus einem einzigen Element gefertigt sind, das durch Gießen von Kunststoff hergestellt wird. Diesem Absatz ist bereits nicht zwangsläufig zu entnehmen, dass die vorbekannten Schalungen aus nur einem einzigen Bauteil gefertigt sind. In dem voranstehenden Abs. [0002] lehrt das Klagepatent, dass (andere) vorbekannte Schalungen nicht mit Kunststoff, sondern mit Holzpaneelen realisiert werden. In diesem Zusammenhang lehren Abs. [0003] und [0005], dass Schalungen aus dem Material Kunststoff hergestellt werden können und gegenüber Holzschalungen vorteilhaft sind. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass Abs. [0003] eine monolithische Kunststoffschalung definiere, vermag die Kammer dem nicht näher zu treten. Es handelt sich bei den Abs. [0003], [0004] und [0005] nicht um eine Beschreibung der technischen Lehre des Klagepatents selbst, sondern lediglich um eine Beschreibung zum Stand der Technik. Für das Verständnis eines Merkmals kann grundsätzlich nur dann auf einen Stand der Technik zurückgegriffen werden, wenn sich das Patent im Hinblick auf die Ausgestaltung eines bestimmten Merkmals den Stand der Technik zu eigen macht, indem es von einer vorbekannten Konstruktion ausgeht, diese als durchaus vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2014 – Az. I-15 U 30/14 – Rn 99). Dass das Klagepatent eine einstückige Ausgestaltung als vorteilhaft ansieht und diese beibehalten möchte, ergibt sich aus der übrigen Beschreibung oder dem Anspruch selbst jedoch nicht. Vielmehr dient die Wiedergabe des Standes der Technik nach dem Dafürhalten der Kammer als Aufhänger hinsichtlich des zu verwendenden Materials, nämlich Kunststoff im Vergleich zu Holz.
- Soweit das Klagepatent in Abs. [0012] auf DE‘196, in welcher eine „Vollkunststoffschalung“ offenbart sein soll, verweist, ergibt sich hieraus nichts anderes. Aus Abs. [0012] selbst ergibt sich bereits nicht, dass das in Bezug genommene Patent nur eine einstückig ausgestaltete Schalung offenbart, allenfalls, dass die Schalplatte aus einem Spritzguss besteht. Bei der Schalplatte handelt es sich aber nicht um das einzige Element der gesamten modularen Schalung, sondern nur um ein Bauteil; etwa werden die zugehörigen Rippen in Abs. [0012] nicht behandelt. Zudem enthält das Klagepatent keinen Hinweis darauf, auch nicht durch den Verweis in Abs. [0012], dass es sich eine etwaige einstückige Ausgestaltung als „Vollkunststoffschalung“ zu eigen machen will.
- Weiterhin hat das Anmeldeverfahren zur EP‘XXC, d.h. ein Verfahren hinsichtlich eines Patents einer hier nicht beteiligten Partei, in welchem das Klagepatent als Entgegenhaltung D5 diskutiert worden ist, keine Relevanz für die hiesige Auslegung, welche stets aus der jeweiligen Patentschrift zu erfolgen hat.
-
(4)
Soweit die Figur 1, welche die einzige eine modulare Schalung zeigende Figur des Klagepatents ist, den Eindruck vermittelt – was bereits nicht zwingend erscheint –, es sei eine einstückig ausgestaltete Schalung dargestellt, handelt es sich lediglich um ein Ausführungsbeispiel. Zum einen ist ein Ausführungsbeispiel nicht in der Lage den Schutzumfang des Anspruchs zu begrenzen. Zum anderen handelt es sich gemäß Abs. [0023] ausdrücklich um ein nicht beschränkendes Beispiel. -
bb)
Demnach verwirklicht die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1, 2 und 4 des Klagepatents. Es handelt sich um eine modulare Schalung aus Kunststoff, genauer aus Polymeren, die ein als Schalhaut bezeichnetes Paneel mit zwei Seiten, nämlich einer ersten und einer zweiten Seite, umfasst. Eine der beiden Seiten der Schalhaut kommt bestimmungsgemäß zur Formung von Wänden, Decken etc. mit Beton in Kontakt. Der Umstand, dass die Schalhaut (Paneel) von dem aus Rippen bestehenden gitterförmigen Bauteil trennbar und die modulare Schalung somit nicht einstückig ausgestaltet ist, führt nicht aus der Verletzung heraus. -
b)
Das Merkmal 7 wonach die beiden parallelen, durch Platten verbundenen Wände im Wesentlichen, was die dem Paneel verliehene Steifheit betrifft, mit einer vollen Rippe gleicher Breite gleichwertig sind, jedoch weniger Kunststoffmaterial erfordern und leichter sind, wird ebenfalls wortsinngemäß durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. -
aa)
Das Merkmal 7 gibt vor, dass die durch Platten verbundenen Wände der Kantenrippen (vgl. Merkmal 5) unter Verwendung von weniger Kunststoffmaterial leichter sein sollen als bei einer vollen Rippe gleicher Breite, aber gleichzeitig mit einer solchen vollen Rippe im Wesentlichen gleichwertig hinsichtlich der dem Paneel verliehenen Steifheit sein sollen. Der Fachmann erkennt, dass keine identische oder gleiche Steifheit zu einer Vollrippe gleicher Breite verlangt wird, sondern, dass es genügt, wenn das erfindungsgemäße Paneel durch die Rippen eine Steifheit aufweist, die mit dem Paneel einer Vollrippe, das grundsätzlich für die gleiche Belastung ausgelegt ist, vergleichbar ist. -
(1)
Für diese Auslegung spricht bereits der Wortlaut. Aus dem Anspruchswortlaut „im Wesentlichen […] gleichwertig“, welcher sich in Abs. [0022] und [0037] wiederholt, ergibt sich, dass die dem Paneel erfindungsgemäß verliehene Steifheit keine (messbar) identische Steifheit im Vergleich zu einem durch Vollrippen gestützten Paneel sein muss. Die unbestimmten Begriffe „im Wesentlichen“ und „gleichwertig“ geben dem Fachmann zu verstehen, dass bei erfindungsgemäßen Rippen (mit Hohlräumen) keine abstrakt gleich „gute“ Steifheit zu erwarten oder erforderlich ist wie bei einer Schalung mit Vollrippen (ohne Hohlräume) gleicher Breite. Bereits der Wortlaut lehrt den Fachmann, dass keine messbare Gleichwertigkeit, sondern eine nur „im Wesentlichen“ bestehende Gleichwertigkeit zu einer Vollrippe gegeben sein muss. Soweit die Beklagte meint, bei der Steifigkeit handele es sich um eine Größe der mechanischen Technik, haben jedenfalls etwaige absolute Werte oder spezifische Vorgaben hierzu keinen Einzug in den Anspruchswortlaut – oder die Beschreibung – des Klagepatents gefunden. -
(2)
Funktional gibt das Merkmal vor, dass trotz Verwendung einer geringeren Menge an Kunststoffmaterial, eine im Wesentlichen, d.h. grundsätzlich, gleichwertige Steifheit zu Schalungen mit Vollrippen erreicht werden soll. Die erfindungsgemäße (leichtere) Schalung mit teilweise hohlen Rippen hat demnach lediglich die Funktion, in Gebieten als geeignet eingesetzt werden zu können, in denen auch Vollrippen gleicher Breite grundsätzlich eingesetzt werden. - Aus den Abs. [0004] und [0019] ergibt sich, dass grundsätzlich Versteifungsrippen und dort insbesondere die zwischen den Wänden (der Rippen) befindliche Versteifungsplatten jedenfalls mitverantwortlich für die erfindungsgemäße Steifheit sein sollen. Wie „groß“ die dadurch erzeugte Steifheit sein soll, wird hierdurch nicht näher bestimmt. Dem Fachmann ist bekannt, dass nicht jede Schalung derselben Last bzw. demselben Druck standhalten kann, sondern, dass es für jede Schalung bestimmte Spezifikationen oder Grenzwerte gibt. Ihm sind die jeweiligen Grenzwerte einer Schalung in den speziellen Einsatzgebieten bekannt. Er wird die jeweilige Schalung nur im Rahmen der jeweiligen Möglichkeiten einsetzen wollen.
- Funktional erfordert das Klagepatent daher, dass bei einer erfindungsgemäßen Schalung die spezifischen Rippen dem Paneel eine für den jeweils erforderlichen Einsatz genügende Steifheit verleihen müssen, die der Steifheit eines durch Vollrippen gleicher Breite gestützten Paneels, das ebenfalls für diesen spezifischen Einsatz geeignet wäre, im Wesentlichen entspricht.
-
(3)
Abs. [0017] entnimmt der Fachmann, dass es ein Ziel des Klagepatents ist, „die strukturelle Steifheit der Schalung zu verbessern, wobei die Menge an Kunststoff, das für ihre Herstellung verwendet wird, verringert oder gleich gehalten wird, wodurch gewährleistet wird, dass sie sich nicht mit der Zeit verformt“. Dem Zusatz „strukturell“ entnimmt der Fachmann, dass die zu fordernde Steifheit eine gewisse Einschränkung erfährt; so kann strukturell sowohl „grundlegend“ als auch „von der Struktur her“ bedeuten. -
Gemäß Abs. [0053], mit dem das Klagepatent einen der Vorteile der Erfindung aufzählt (vgl. Abs. [0051]), verleiht „die größere Breite der Rippen (Nb, Nt), bei gleicher Menge an Kunststoffmaterial der Schalung eine gleichmäßigere Steifheit auf dem gesamten Paneel (P) der Schalung“. Da danach Rippen mit einer größeren Breite bei gleicher Menge an Kunststoffmaterial eine gleichmäßigere Steifheit verleihen, versteht der Fachmann, dass von Rippen mit (geringerer) gleicher Breite wie Vollrippen (wie vom Anspruch gefordert) zwar eine für die jeweilige Geeignetheit hinreichende Steifheit, aber keine übermäßig große Steifheit erwartet werden muss.
(4)
Soweit das Merkmal 7 hinsichtlich der geforderten Steifheit nach der Auslegung der Kammer nur eine Selbstverständlichkeit für eine Schalung für Betonarbeiten darstellt, ist dies unschädlich und steht der entsprechenden Auslegung nicht entgegen. Ein Patentanspruch kann eine detaillierte Handlungsanweisung enthalten, die sogar Selbstverständlichkeiten aufgreift und erwähnt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.2016 – I-15 U 136/14 – Rn. 120 bei Juris). Allein die Tatsache, dass ein Anspruchsmerkmal bei einem bestimmten Verständnis für den Fachmann bloß eine technische Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen würde, schließt somit dieses Verständnis nicht aus (BGH, GRUR 2010, 602 – Gelenkanordnung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.2016 – I-15 U 136/14 – Rn. 120 bei Juris). -
(5)
Damit sieht sich die Kammer in einer Linie mit der Beschwerdekammer des EPA, welche das Merkmal so auslegt, dass die zwei parallelen, durch Platten verbundenen Wände dem Paneel eine Steifigkeit verleihen, die mit der eines Paneels mit einer herkömmlichen Vollrippe mit einer bestimmten Spezifikation vergleichbar ist und die parallelen Wände mit den Platten eine „gleichwertige“ Steifigkeit aufweisen müssen, so dass sie das Paneel der Schalung für den Zweck ausreichend steif machen (vgl. Anlage K 23, S.18). -
bb)
Nach diesen Maßgaben wird das Merkmal 7 von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht. Die Schalungen der Beklagten sind geeignet, zur Herstellung von Betonstrukturen verwendet zu werden, für die auch auf die gleiche Belastung ausgelegte Schalungen mit Vollrippen geeignet wären. Sie weisen die hierfür erforderliche Steifheit im jeweiligen vorgesehenen Einsatzgebiet auf. Dass die angegriffene Ausführungsform der üblichen Arbeitsbelastung in der Praxis standhält und zu verschiedenen Zwecken bei der Herstellung von Betonwänden, -decken etc. einsetzbar ist, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Der Umstand, dass durch die angegriffene Ausführungsform nicht die absolut gleichen Steifheitswerte mit Blick auf eine etwaige Verformung wie eine entsprechende Vollrippe (ohne Hohlräume in den Rippen) erreicht werden können, führt nicht aus der Verletzung hinaus. Insoweit war unerheblich, dass die Parteien auch über die Richtigkeit und Repräsentativität der als Anlage B3 vorgelegten Simulation streiten. -
c)
Die Merkmale 11.1, wonach der Schließschlüssel aus einem zylindrischen Körper besteht sowie 12.1, wonach der zylindrische Körper des Schließschlüssels einen Durchmesser aufweist, der jenem der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung gleicht, werden jeweils wortsinngemäß durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. -
aa)
Die Merkmale 11.1 und 12.1 waren einheitlich auszulegen, da sie ineinandergreifen und insbesondere Merkmal 12.1 das Merkmal 11.1 voraussetzt. Die Merkmale fordern einen Schließschlüssel aus einem zylindrischen Körper, wobei der zylindrische Körper nicht nur eine kreisrunde Grundfläche haben kann, sondern auch andere Zylinderformen (z.B. elliptisch) erfindungsgemäß sind. Damit korrespondierend beschränkt das Klagepatent trotz des Wortlauts „einen Durchmesser“ die Form der Löcher in den Kantenrippen nicht auf eine Kreisform. Der (wie auch immer geartete) zylindrische Körper und die Löcher der Kantenrippe müssen hinsichtlich ihrer Form sowie ihrer Größe jedenfalls derart kompatibel sein, dass infolge des Einfügens des Schließschlüssels in die Löcher und des anschließenden Drehens des Schließschlüssels eine stabile Verbindung und Kompression zwischen den verschiedenen modularen Schalungselementen entsteht. Indem sich der Durchmesser des Körpers des Schließschlüssels und der Durchmesser der Löcher der Kantenrippen nach Merkmal 12.1 gleichen, soll klagepatentgemäß zudem eine verbesserte Führung des Körpers durch die Löcher ermöglicht werden. Ein Formschluss bereits beim Einfügen des Schließschlüssels in die Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung wird jedoch nicht gefordert. -
(1)
Der Wortlaut des Anspruchs verlangt zunächst, dass der Schließschlüssel aus einem zylindrischen Körper besteht. Hinsichtlich des zylindrischen Körpers sind dem Wortlaut mit Blick auf Merkmal 11.1 keine Einschränkungen zu entnehmen. Insbesondere verlangt Merkmal 11.1, insbesondere isoliert für sich betrachtet, keinen kreisförmigen Zylinder, d.h. keinen Zylinder mit einer kreisrunden Basis. Der Wortlaut ist an dieser Stelle entsprechend weit und generisch gehalten („zylindrischer Körper“). Dem Fachmann sind neben einem kreisförmigen Zylinder auch weitere Ausgestaltungen, z.B. ein elliptischer Zylinder, bekannt. - Hierfür spricht auch Abs. [0046] der Beschreibung, welcher lehrt, dass der Körper des Schließschlüssels „allgemein zylinderförmig“ und in der maßgeblichen englischen Originalsprache „generically cylindrical“ ist, wobei „generically“ bzw. „generical“ auch generisch, allgemein oder generell bedeuten kann. Einen zwingenden Hinweis auf eine geforderte Kreisförmigkeit des Zylinders enthält der Wortlaut des Anspruchs nicht.
- Hinsichtlich des zylindrischen Körpers verlangt der Anspruch darüber hinaus mit Merkmal 12.1, dass der zylindrische Körper einen Durchmesser aufweist, der jenem der Löcher der Kantenrippen „gleicht“. Durch dieses Merkmal wird ein Zusammenhang bzw. eine Wechselwirkung zwischen dem Umfang des zylindrischen Körpers und dem Umfang bzw. der Form der Löcher vorgegeben. Ein exakter „Formschluss“ zwischen zylindrischem Körper und Loch wird durch das Wort „gleicht“ nicht vorgegeben.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der zylindrische Körper nach dem Anspruchswortlaut „einen Durchmesser“ (im Singular) aufweist, der jenem der Löcher der Kantenrippen gleicht. Wenngleich das Wort „Durchmesser“ im Singular nahelegen könnte, dass es sich bei dem Loch sowie bei dem Zylinder um einen Kreis handeln muss, hat der allgemeine Sprachgebrauch für die Ermittlung des maßgeblichen technischen Sinngehalts des Anspruchs / Merkmals keine abschließende Bedeutung (vgl. BGH, GRUR 1999, 902, 912 – Spannschraube). Auf ihn darf bei der Patentauslegung zwar grundsätzlich zurückgegriffen werden, weil in der Regel Begriffe mit ihrem üblichen Inhalt verwendet werden (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 17 – Luftkappensystem; OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16, S. 20). Entscheidend ist aber, ob der maßgebliche technische Sinngehalt, wie er dem als seinem eigenen Lexikon dienenden Klagepatent zu entnehmen ist, mit diesem allgemeinen Sprachverständnis übereinstimmt. Dabei reicht es noch nicht aus, dass es keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gibt; vielmehr kommt es darauf an, ob die maßgebliche Berücksichtigung der objektiven Aufgabe und Lösung des Klagepatents unweigerlich zu dem Begriffsverständnis des allgemeinen Sprachgebrauchs führt (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 16 f. – Luftkappensystem, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16 – S. 21). Dies ist vorliegend mit Blick auf die nachfolgend beschriebene Funktion nicht der Fall.
-
(2)
In funktionaler Hinsicht erfordern die Merkmale 11.1 und 12.1 zweierlei. Sie erfordern zum einen, dass durch Einsatz des Schließschlüssels eine so stabile Verbindung zwischen zwei modularen Schalungen erzeugt werden kann, dass die miteinander verbundenen Schalungen wie ein langes, einheitliches Schalungselement mit Beton befüllt werden können. Abs. [0043] lehrt zunächst, dass die Verbindung zwischen den modularen Schalungen mit geeigneten Schließschlüsseln hergestellt wird. Aus den Abs. [0049] und [0050] versteht der Fachmann, dass die klagepatentgemäß vorgesehene stabile Verbindung durch Einfügen des Schließschlüssels in die Löcher und durch Drehen des Schließschlüssels realisiert wird sowie, dass erfindungsgemäß nicht bereits bei Einfügen / Hindurchschieben des Schließschlüssels durch die Löcher, sondern erst nach dem Drehen des Schließschlüssels eine feste Verbindung und Kompression (vgl. Abs. [0050]) hergestellt sein muss. Die Abs. [0049] und [0050] beziehen sich dabei gerade auf den in den Merkmalen 11 und 12 beschriebenen Schließschlüssel und nicht bloß allgemein auf ein generisches Befestigungsmittel, wie es bereits in Merkmal 9 aufgeführt ist. Während Merkmal 9 noch ein „Befestigungsmittel“ ohne nähere Spezifikation nennt, lehren die Merkmale 11 und 12 die insoweit speziellere Art der Befestigung durch den dort näher definierten und hier geltend gemachten Schließschlüssel. In Abs. [0049] und [0050] lehrt das Klagepatent den Fachmann die Herstellung einer stabilen Verbindung mithin ausdrücklich durch Einsatz des zu drehenden Schließschlüssels. - Zum anderen geben die Merkmale 11.1 und 12.1 – wie auch die Beschwerdekammer des EPA in ihrem Beschluss vom 17.10.2023 feststellt – eine Führungsfunktion vor. Der Fachmann erkennt, dass das klagepatentgemäße „Gleichen“ des Durchmessers des Schlüsselkörpers einerseits und der Löcher andererseits eine verbesserte und vereinfachte Führung des Körpers durch die Löcher in den Kantenrippen der Schalung unterstützen soll. Wie genau die Führungsfunktion zu realisieren ist, gibt das Klagepatent nicht vor. Es überlässt die konkrete Ausgestaltung dem Fachmann. Im Übrigen führt auch die Beschwerdekammer des EPA in ihrem Beschluss nicht aus, was genau unter Führen zu verstehen ist. Der Fachmann legt das Merkmal 12.1 nach dem Dafürhalten der Kammer mit Blick auf die Führungsfunktion so aus, dass eine gewisse Ausrichtung der Form und Größe des Schließschlüsselkörpers an der Form und Größe der Innenwände der Löcher, welche in der Lage ist, das Einführen insbesondere unter Berücksichtigung von üblichen Gegebenheiten auf Baustellen zu vereinfachen, für ein klagepatentgemäßes Führen genügt. Mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform genügt hierfür, wenn die Löcher hinsichtlich ihres Durchmessers so gestaltet sind, dass der zylindrische Körper des Schließschlüssels mindestens an einigen Stellen der Löcher orientiert oder anliegend eingeführt werden kann.
- Ein „Formschluss“ beim Ausrichten und Einfügen des Schließschlüssels, wie ihn die Beklagte für die Merkmale 11.1 und 12.1 fordern möchte, ist in funktionaler Hinsicht jedoch weder für das Zustandekommen einer stabilen Verbindung, noch für eine vereinfachte Führung des Schlüssels durch die Löcher erforderlich. Eine Führung setzt kein passgenaues Gleiten oder Hindurchpressen voraus. Das Klagepatent erwähnt einen solchen „Formschluss“ oder ein „formschlüssiges Schließkonzept“ zudem an keiner Stelle. Vielmehr ist auch ein gewisses Spiel zwischen dem Körper des Schließschlüssels und des Lochs beim Einfügen des Schließschlüssels klagepatentgemäß, solange eine gewisse Führung ermöglicht wird und eine stabile Verbindung jedenfalls nach Drehen des Schließschlüssels besteht. Erst zu diesem Zeitpunkt fordert das Klagepatent eine stabile Verbindung (Abs. [0049], [0050]).
- Für die von den Merkmalen 11.1 und 12.1 bezweckte stabile Verbindung und erleichterte Führung ist die Form der Löcher und des Zylinders unerheblich, solange sie derart kompatibel miteinander sind, dass die genannten Funktionen erfüllt werden. Dass dies eine Kreisförmigkeit von Zylinder und Löchern sowie einen exakten Formschluss erfordert, lehrt das Klagepatent nicht. Damit der Zylinder einen Durchmesser aufweist, der jenem der Löcher „gleicht“, ist funktional vielmehr erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Durchmesser bzw. die Fläche des Zylinders kleiner ist als die der Löcher, damit er hindurchpasst, jedoch noch hinreichend groß bzw. breit, dass bei Drehung des Schließschlüssels eine stabile Verbindung erzeugt werden kann sowie, dass eine Führung durch eine gewisse aufeinander abgestimmte Ausgestaltung von Schließkörper und Loch realisiert wird.
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Soweit Abs. [0042] lehrt, dass erfindungsgemäß vor dem Verbinden verschiedener modularer Schalungen ein Koppeln oder Ausrichten der modularen Schalungen stattfinden soll, so wird dies dadurch erreicht, dass die Löcher (bei jeder der modularen Schalungselemente) in regelmäßigen Abständen, d.h. auch bei jedem modularen Element gleich angeordnet, vorkommen. Unerheblich für ein vor dem Verbinden stattfindendes Koppeln oder Ausrichten ist die Form der Zylinder und Löcher, solange die Löcher unabhängig von ihrer (untereinander einheitlichen) Form in den gleichen Abständen angeordnet sind. Erforderlich ist dafür nur, dass Zylinder und Löcher eine miteinander kompatible Form haben. Sie muss nicht kreisförmig sein.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Fachmann den Begriff „Durchmesser“ im Anspruchswortlaut nicht streng im Sinne eines Kreis-Durchmessers versteht. Vielmehr legt er ihn im Sinne von Grundfläche des Zylinders aus. Bei der Auslegung ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern auf den technischen Gesamtzusammenhang abzustellen, den der Inhalt der Patentschrift dem Fachmann vermittelt. Der Fachmann orientiert sich also an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck eines Merkmals, womit der technische Sinn der in der Patentschrift benutzten Worte und Begriffe – nicht die philologische oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung – entscheidend ist. Dieses Verständnis von „einem Durchmesser“ wird auch durch Abs. [0041] gestützt. Der Abs. [0041] lehrt den Fachmann, dass die Löcher zwar vorzugswürdig kreisförmig sein sollen. Dem Zusatz „vorzugswürdig“ entnimmt er jedoch, dass die klagepatentgemäße Lehre eine Kreisform der Löcher jedenfalls nicht als zwingend betrachtet und auch andere Formen grundsätzlich erfindungsgemäß sein können, so dass ein „Durchmesser“ gemäß dem Anspruchswortlaut nicht zwingend auf einen Kreis hindeutet.
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(3)
Die Figuren zeigen zwar einen Schließschlüssel mit kreisförmigem Zylinder (Figuren 2 und 3) sowie Kantenrippen mit kreisförmigen Löchern (Figur 1). Soweit die Beklagte meint, es sei auch ein Formschluss zwischen Schließschlüssel und Loch der Kantenrippe in den Ausführungsbeispielen offenbart, wird das eigentliche Einführen des Schließschlüssels in die Löcher figürlich bereits nicht gezeigt. Jedenfalls handelt es sich insoweit aber lediglich um ein (bevorzugtes) Ausführungsbeispiel, welches nicht in der Lage ist, den weiter gefassten Anspruch in seinem Schutzumfang einzuschränken. Der Fachmann entnimmt insbesondere dem Abs. [0041], dass die Figuren das aus Sicht des Klagepatents vorzugswürdige Ausführungsbeispiel, nämlich mit „vorzugswürdig“ kreisförmigen Löchern, zeigen. Er erkennt jedoch, dass auch weitere Ausgestaltungen neben den ausdrücklich genannten bzw. gezeigten Ausführungsbeispielen erfindungsgemäß sein können. Soweit die Ausführungsbeispiele sowohl kreisförmige Zylinder und Löcher, als auch einen Formschluss zeigen sollten, haben diese es jedenfalls jeweils nicht in den – für den Schutzumfang vorrangig maßgeblichen – Anspruch geschafft. -
bb)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Merkmale 11.1 und 12.1 wortsinngemäß. Der Schließschlüssel der angegriffenen Ausführungsform hat unstreitig einen Körper in Form eines ebenfalls erfindungsgemäßen elliptischen Zylinders. Er wird auch bestimmungsgemäß durch die ovalen (Lang-)Löcher in den Kantenrippen zweier modularer Schalungen der angegriffenen Ausführungsform geschoben und gedreht, wobei durch das Drehen des Schließschlüssels eine stabile Verbindung zwischen den modularen Schalungen hergestellt wird, sodass diese mit Beton verfüllt werden können. Das von der Beklagten vorgetragene Spiel zwischen Schließschlüssel und Löchern, welches eine Ausrichtung der Schalelemente bzw. einer Relativbewegung noch erlaubt, während der Schließschlüssel bereits eingefügt ist, führt nach der Auslegung der Kammer nicht aus der Verletzung hinaus. Denn jedenfalls nach Drehen des Schließschlüssels ist eine solche Relativbewegung nicht mehr möglich, da sodann eine sichere Verbindung zwischen den Schalungen hergestellt ist. Die Grundfläche des Zylinderkörpers der angegriffenen Ausführungsform und die der Löcher sind sowohl in Form, als auch in Größe hierfür hinreichend kompatibel miteinander, wie die Klägerin u.a. anhand von Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform dargelegt hat. Der „Durchmesser“ des Zylinderkörpers des Schließschlüssels ist hinreichend kleiner als der des Lochs, damit er eingeführt werden kann, sowie hinreichend groß, damit nach Drehen eine Fixierung stattfindet. Die Beklagte trägt selbst vor, dass die beiden Schalungen der angegriffenen Ausführungsform nur dann noch zueinander bewegt werden können, wenn der Schlüssel vollständig in die Löcher der beiden Schalungen eingeführt wurde und noch in geöffneter anstatt in geschlossener Ausrichtung angeordnet ist. - Darüber hinaus ermöglicht die angegriffene Ausführungsform auch eine ausreichende Führung des Schließschlüssels durch die Löcher. Die Innenwände der Löcher verjüngen sich von außen nach innen. Auch sind die Formen und Größen des Schließschlüssels und der Löcher der angegriffenen Ausführungsform hinreichend aufeinander abgestimmt, damit der Schließschlüssel an der Lochform orientiert oder etwa an einer Seite aufliegend vereinfacht eingeführt werden kann. Der Umstand, dass aufgrund eines Spalts – vorausgesetzt der Anwender bemüht sich dahingehend – der Schließschlüssel grundsätzlich auch ohne jegliche Berührung der Lochinnenwand eingeführt werden kann, ist unbeachtlich. Zum einen dürfte ein solch vorsichtiges Einführen, bei dem eine Berührung des Schließschlüssels und der Lochinnenwand vermieden wird, in der durchschnittlichen Anwendungssituation auf der Baustelle eher die Ausnahme sein. Ein geringfügiges Spiel, wie es bei der angegriffenen Ausführungsform gegeben ist, dürfte das Einführen im Vergleich zu dem Erfordernis eines passgenauen Formschlusses auf der Baustelle sogar erleichtern. Zum anderen räumt die Beklagte selbst ein, dass es bei gewöhnlicher Verwendung zu einem Klackern des Schließschlüsselkörpers in dem Loch kommt, was bereits belegt, dass die Größen sowie Formen von Schließschlüssel einerseits und der Löcher andererseits hinreichend aneinander orientiert sind, damit das Einführen im Vergleich zu einer fehlenden Abstimmung von Schließschlüssel und Loch verbessert und erleichtert ist.
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cc)
Da die Kammer eine wortsinngemäße Verwirklichung der Merkmale 11.1 und 12.1 annimmt, bedarf die hilfsweise geltend gemachte äquivalente Verwirklichung dieser Merkmale durch etwaige Austauschmittel in Form eines elliptischen Zylinderkörpers und ovaler Langlöcher der Kantenrippen keiner Erörterung. -
d)
Schließlich wird das Merkmal 13, wonach die radialen Erhebungen (des Schließschlüssels) vorzugsweise die Form eines ringförmigen Segments aufweisen, um die Rillen der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalung zu passieren, wortsinngemäß durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht. - Dass der Schließschlüssel der angegriffenen Ausführungsform radiale Erhebungen im Sinne des Klagepatents hat, ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig. Im Rahmen des Merkmals 13 streiten die Parteien lediglich über die Rillen der Löcher. Streitig ist, ob mit den Rillen im Sinne eines räumlich-körperlichen Merkmals eine (abgrenzbare) Vertiefung / Ausnehmung in der Oberfläche gefordert wird oder ob es ausreicht, wenn die Rillen das Gegenstück zu den radialen Erhebungen darstellen.
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aa)
Gemäß Merkmal 13 müssen die (nur) vorzugswürdig ringförmigen radialen Erhebungen an dem einen Ende des Schließschlüssels die Rillen der Löcher der Kantenrippen der modularen Schalungen passieren. Die erfindungsgemäßen Rillen erfordern lediglich, dass sie kompatibel – im Sinne eines Gegenstücks – mit den radialen Erhebungen des Schließschlüssels sind und diese passieren lassen. Eine räumliche Abgrenzbarkeit der Rillen fordert das Klagepatent nicht. -
(1)
Der Wortlaut „Rille“ führt trotz seines etwaigen allgemeinen Sprachverständnisses nicht zu einer Auslegung des Merkmals 13, wonach eine klagepatentgemäße Rille zwingend eine abgrenzbare Vertiefung oder Ausnehmung in der Oberfläche darstellt. Der allgemeine Sprachgebrauch hat für die Ermittlung des maßgeblichen technischen Sinngehalts eines Merkmals keine abschließende Bedeutung. Auf ihn kann bei der Patentauslegung zwar zurückgegriffen werden, weil in der Regel Begriffe mit ihrem (auf dem betroffenen Fachgebiet) üblichen Inhalt verwendet werden (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 17 – Luftkappensystem, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16 – S. 20). Entscheidend ist aber, ob der maßgebliche technische Sinngehalt, wie er dem als seinem eigenen Lexikon dienenden Klagepatent zu entnehmen ist, mit diesem allgemeinen Sprachverständnis übereinstimmt. Dabei reicht es noch nicht aus, dass keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Begriffsverständnis gibt; vielmehr kommt es darauf an, ob die maßgebliche Berücksichtigung der objektiven Aufgabe und Lösung des Klagepatents unweigerlich zu dem Begriffsverständnis des allgemeinen Sprachgebrauchs führt (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 16 f. – Luftkappensystem, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.10.2017 – I-15 U 95/16 – S. 21). Dies ist vorliegend aufgrund der nachfolgend darstellten Funktion nicht der Fall. -
(2)
Nach der gebotenen funktionsorientierten Auslegung sind Merkmale und Begriffe des Patentanspruchs so zu deuten, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH, GRUR 2009, 655 – Trägerplatte). Es kommt dabei auf die objektive Problemstellung an, für deren Ermittlung zu klären ist, welche zwingenden Vorteile mit dem Merkmal erzielt und welche Nachteile des vorbekannten Standes der Technik mit dem Merkmal beseitigt werden sollen (OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 599, 601 ff – Staubsaugerfilter). - In funktionaler Hinsicht dienen die Rillen der Löcher dazu, die sich gegenüberliegenden radialen Erhebungen des Schließschlüssels passieren zu lassen. Die Rillen stellen das Gegenstück zu den radialen Erhebungen dar. Eine Abgrenzbarkeit der Rillen ist funktional nicht erforderlich. Die Form der Rillen ist vielmehr für die Funktion unerheblich, solange sie hinsichtlich ihrer Anordnung und ihrer Form dem Gegenüber der radialen Erhebungen entspricht.
- Damit der Schließschlüssel nach Einführen in das Loch der Kantenrippen für eine stabile Fixierung der zu verbindenden modularen Schalungen gedreht werden kann, ohne nach dem Drehen wieder herauszurutschen, muss das Ende des Schließschlüssels breiter sein als das bloße Loch. Hierfür sieht der klagepatentgemäße Schließschlüssel radiale Erhebungen vor, die über seinen zylindrischen Körper hinausgehen. Zwangsläufig muss es für diese radialen Erhebungen Aussparungen neben dem jeweiligen Loch geben, nämlich die Rillen. Die Funktion der Rillen ist damit unmittelbar mit den radialen Erhebungen verknüpft. Ihre Funktion stellt die Passierbarkeit der radialen Erhebungen dar. Welche konkrete Form die Rillen dabei aufweisen, bleibt unerheblich, solange sie von der Form her kompatibel mit den radialen Erhebungen sind. Dies ergibt sich neben einer Zusammenschau der Merkmale 11.3, 12 und 13 insbesondere aus den Abs. [0048] und [0049] der Beschreibung.
- Soweit das Wort „Rille“ eine gewisse Abgrenzbarkeit von dem Loch andeutet, hat die Funktion bei der Auslegung Vorrang. Zwar darf bei räumlich-körperlich definierten Merkmalen die funktionale Betrachtung nicht dazu führen, dass ihr Inhalt auf die bloße Funktion reduziert und das Merkmal in einem Sinne interpretiert wird, der mit der räumlich-körperlichen/stofflichen Ausgestaltung, wie sie dem Merkmal zu eigen ist, nicht mehr in Übereinstimmung steht (OLG Düsseldorf Urt. v. 24.11.2022 – I- 15 U 43/21, GRUR-RS 2022, 37687). Dies ist vorliegend aber nicht der Fall. Eine etwaige räumlich-körperliche Ausgestaltung einer Rille hat außer im Wortlaut „Rille“ keinen Einzug in das Klagepatent gefunden. Die funktionale Betrachtung steht der räumlich-körperlichen Ausgestaltung einer Rille vor allem nicht entgegen. Für die Funktion ist irrelevant, ob die Rillen als abgrenzbare Vertiefungen bzw. Ausnehmungen ausgestaltet sind. Das Klagepatent definiert die Rille vielmehr funktional als bloßes Gegenstück zu den radialen Erhebungen.
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(3)
Soweit die Figur 1 nahelegt, dass neben dem Loch in den Kantenrippen die mit „Nf1“ markierten Rillen sich als eckige Aussparungen optisch (leicht) von den Löchern abheben, handelt es sich nur um ein Ausführungsbeispiel, welches den Schutzbereich des Patentanspruchs nicht beschränken kann. Insbesondere stellt Abs. [0023] ausdrücklich klar, dass es sich um ein nicht beschränkendes Beispiel handelt. -
bb)
Demnach verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 13. Ihre seitlich über den Zylinderkörper des Schlüssels herausstehenden radialen Erhebungen sind kompatibel mit den Langlöchern. Nach Einführen in die Langlöcher lässt sich der Schließschlüssel der angegriffenen Ausführungsform zwecks Fixierung so verdrehen, dass die radialen Erhebungen nicht mehr zu den äußeren Seiten der ovalen Löcher ausgerichtet sind (vgl. Abs. [0049] a.E.). Die beiden äußeren seitlichen Bereiche des jeweiligen ovalen Lochs der angegriffenen Ausführungsform stellen die erfindungsgemäßen Rillen dar. -
e)
Die Verwirklichung der übrigen Merkmale des geltend gemachten Anspruchs durch die angegriffenen Ausführungsformen steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind. -
III.
Aufgrund des Vertriebs sowie des Anbietens der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG) in Deutschland, etwa über die Website www.B.de oder durch in Deutschland verfügbare Broschüren und Kataloge, ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen. Die Ansprüche sind nicht bereits teilweise verjährt. -
1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes im Inland ohne Berechtigung erfolgt. Die Verwirklichung einer Benutzungshandlung verursacht grundsätzlich Wiederholungsgefahr für alle im Kern gleichartigen in § 9 PatG, hier § 9 S. 2 Nr. 1 PatG, geschützten Handlungen mit Ausnahme der des Herstellens (Voß in Schulte, PatG, 11. Aufl. 2022, § 139 Rn. 54). -
2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. - Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
-
3.
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihren Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung im zuerkannten Umfang zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Rechnungslegungspflicht folgt aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. -
4.
Der Klägerin steht auch ein Vernichtungsanspruch nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 S. 1 PatG zu. Eine Unverhältnismäßigkeit der Vernichtung nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 4 PatG ist seitens der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht vorgetragen und auch ohne Weiteres nicht ersichtlich. -
5.
Die Klägerin kann die Beklagte aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG auch auf Rückruf patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nehmen. -
6.
Ohne Erfolg erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung. Dass die Ansprüche der Klägerin bereits gem. § 141 PatG i.V.m. §§ 195, 199 BGB teilweise verjährt sind, vermag die Kammer nicht festzustellen. - Die Beklagte trägt insoweit lediglich vor, dass der Geschäftsführer der Klägerin in einem auf der Webseite der Klägerin am 06.10.2022 veröffentlichten Video einräumt, dass die Klägerin seit 2016 positive Kenntnis der hier angegriffenen „E“ hat. Zwar hat die Klägerin dies nicht bestritten. Gleichwohl ist nicht hinreichend dargetan, dass die Ansprüche der Klägerin ab dem 01.01.2020 nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren gem. §§ 195, 199 BGB, beginnend mit dem Schluss des Jahres 2016, verjährt sind.
- Die Klägerin wendet ein, dass die Verjährung bereits seit 2016 gehemmt sei, da seitdem außergerichtliche Verhandlungen zwischen den Parteien stattfänden. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Vor diesem Hintergrund vermag die Kammer die Einrede der Verjährung nicht als begründet zu erachten. Zum einen ist der Verjährungseinwand der Beklagten und der bloße Verweis auf ein Video aus dem Jahr 2016 zu pauschal. Zum anderen kann sich die Klägerin erfolgreich auf eine Hemmung der Verjährung gemäß der §§ 203, 209 BGB aufgrund zuvor anhängiger Vergleichsverhandlungen berufen. Diese hat die Klägerin zwar zeitlich nicht genauer eingegrenzt oder beschrieben, jedoch hat die Beklagte entsprechende Vergleichsverhandlung auch weder bestritten, noch eingewendet, dass diese derart spät angefangen hätten oder nur derart kurz angedauert hätten, dass Verjährung auch unter Abzug des Verhandlungszeitraums dennoch eingetreten wäre. Vielmehr ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es jedenfalls im Jahr 2021 konkrete, detaillierte Unterlagen zu einem möglichen weltweiten Vergleich gab. Es ist lebensnah, dass der Erstellung dieser Vergleichsunterlagen bereits länger andauernde Verhandlungen vorausgegangen sind.
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IV.
Das Verfahren war auch nicht gem. der Artt. 29, 30 EuGVVO mit Blick auf das anhängige italienische Verletzungsverfahren auszusetzen. -
1.
Nach Art. 29 Abs. 1 EuGVVO setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, wenn bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht werden. Eine Konstellation des Art. 29 EuGVVO ist indes vorliegend nicht gegeben, da es an einer hierfür erforderlichen Verfahrensidentität fehlt. Es handelt sich nicht um denselben Anspruch in diesem Sinne. Maßgeblich ist dabei, ob der „Kernpunkt“ beider Klagen derselbe ist (BeckOK ZPO/Eichel, 50. Ed. 1.9.2023, Brüssel Ia-VO Art. 29 Rn. 55). Dies ist im Hinblick auf die Natur von Patenten als territoriale Schutzrechte nicht der Fall. Ebenso wäre das Ergebnis des italienischen Verletzungsverfahrens für die Entscheidung der Kammer im hiesigen Verfahren weder vorgreiflich, noch bindend. Vielmehr wären unterschiedliche Ergebnisse im Rahmen der verschiedenen nationalen Rechtsordnungen nicht zu beanstanden. Soweit die Beklagte einwendet, dass die Klägerin im italienischen Verfahren entgangenen Gewinn geltend mache und es insoweit zu einer Überschneidung bzw. Dopplung der Schadensersatzverpflichtung kommen könnte, ist dies insoweit nicht der Fall, als dass vorliegend ohnehin nur eine Schadensersatzpflicht dem Grunde nach, unabhängig von der Art der Schadensberechnung und der Höhe, festgestellt wird. -
2.
Sind bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren, die im Zusammenhang stehen, anhängig, so kann gem. Art. 30 Abs. 1 EuGVVO jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen. Gem. Art. 30 Abs. 3 EuGVVO stehen Verfahren im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. An einer so legal definierten engen Beziehung fehlt es hier aus den bereits aufgezeigten Gründen, so dass das Aussetzungsermessen, welches Art. 30 Abs. 1 EuGVVO der Kammer einräumt („kann aussetzen“) bereits nicht eröffnet ist. Es ist Sinn des Art. 30 EuGVVO, zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren sich widersprechende Entscheidungen ergehen könnten (BeckOK ZPO/Eichel, 50. Ed. 1.9.2023, Brüssel Ia-VO Art. 30 Rn. 5). Widersprechende Entscheidungen sind aufgrund der verschiedenen und insofern voneinander unabhängig geltend gemachten territorialen Schutzrechtsanteile bereits nicht möglich. -
3.
Schließlich kommt auch eine Aussetzung der Verhandlung bis zum Abschluss eines Rechtsbestandsverfahrens gem. § 148 ZPO, wie ursprünglich von der Beklagten beantragt, nach der im Laufe des hiesigen Verfahrens ergangenen Entscheidung der Beschwerdekammer des EPA vom 17.10.2023 (Anlage K 23) nicht mehr in Betracht. -
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Nr. 2 ZPO. Soweit die Klägerin die Klage hinsichtlich der Benutzungshandlung des Herstellens teilweise zurückgenommen hat, war diese Zuvielforderung unter Berücksichtigung des Gesamtbegehrens verhältnismäßig gering i.S.d. § 92 Nr. 2 ZPO, so dass der Beklagten gleichwohl die gesamten Prozesskosten aufzuerlegen waren. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die vorläufige Vollstreckung der einzelnen Ansprüche festzusetzen, § 108 ZPO
-
VI.
Der Streitwert wird auf 5.000.000,00 Euro festgesetzt. -
1.
Gem. § 51 Abs. 1 GKG bestimmt das Gericht den Streitwert nach billigem Ermessen. Ist Gegenstand des Verfahrens ein Unterlassungsanspruch, ist entscheidend, mit welchen Nachteilen der Kläger bei einer Fortsetzung des beanstandeten patentverletzenden Verhaltens rechnen muss. Die Streitwertfestsetzung hat insoweit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Rechtsschutzziel nicht in einer Sanktion für den oder die bereits vorliegenden, die Wiederholungsgefahr begründenden Verstöße besteht, sondern dahingeht, den Kläger vor künftigen Verletzungshandlungen zu bewahren. Das Interesse an der Rechtsverfolgung richtet sich demgemäß weniger nach dem mit der begangenen Zuwiderhandlung verbundenen wirtschaftlichen Schaden der Partei; ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang zunächst die bei Klageerhebung noch gegebene Restlaufzeit des Klagepatents. Zu berücksichtigen sind darüber hinaus einerseits die Verhältnisse beim Kläger (wie dessen Umsatz, Größe und Marktstellung), die Aufschluss über den voraussichtlich drohenden Schaden geben, andererseits Art, Ausmaß und Schädlichkeit der Verletzungshandlung sowie die Intensität der Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Werden mit der Klage außerdem Ansprüche auf Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz geltend gemacht, so ist der in der Vergangenheit (bis zur Einreichung der Klage) bereits entstandene Kompensationsanspruch überschlägig zu schätzen und der entsprechende Betrag dem Streitwert für den Unterlassungsanspruch hinzuzurechnen, um einen Gesamtstreitwert zu bilden. Rechnerisch kann zu diesem Zweck eine über die restliche Laufzeit des Patents angestellte Lizenzbetrachtung angestellt werden, indem diejenigen Lizenzgebühren ermittelt werden, die dem Kläger mutmaßlich zustehen würden, wenn die Verletzungshandlungen bis zum Ablauf des Klagepatents fortgesetzt werden. Unterhalb des sich hiernach ergebenden Betrags wird der Streitwert für die auch auf Unterlassung gerichtete Klage nicht festgesetzt werden können. Die Lizenzberechnung stellt hierbei keinen Höheprozess dar; vielmehr hat eine bloß überschlägige Ermittlung stattzufinden, wobei allerdings regelmäßig ein Lizenzsatz am obersten denkbaren Rahmen anzusetzen ist (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 341- Streitwertheraufsetzung II). - Nach diesen Maßgaben erscheint der Kammer ein Streitwert von 5.000.000,00 Euro angemessen. Das Klagepatent – angemeldet am 25.11.2004 – hatte bei Zustellung der Klageschrift im November 2021 noch eine Restlaufzeit von nur ca. drei Jahren. Hinsichtlich des wirtschaftlichen Interesses der Klägerin an einer Abwehr des verletzenden Verhaltens im maßgeblichen Territorium der Bundesrepublik Deutschland war zu berücksichtigen, dass der deutsche Markt für die Klägerin – nach unwidersprochenem Vortrag – eine nur geringe Relevanz hat, was sich auch in ihren geringen Um- bzw. Absatzzahlen widerspiegelt, welche in der Spitze im Jahr 2021 knapp 25.000,00 Euro erreichten. Jedoch waren auch die deutlich höheren Umsätze und verkauften Stückzahlen der Beklagten im Rahmen einer Lizenzbetrachtung zu berücksichtigen. Angesichts eines von der Beklagten prognostizierten Gesamtumsatzes mit der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland in den ca. drei Jahren zwischen Klageerhebung und Ablauf des Klagepatents in Höhe von insg. 90.976.637,00 Euro entspricht der Streitwert einer überschlägigen Ermittlung der Kammer der fiktiven Lizenzgebühr. Das nur pauschale Bestreiten der Klägerin hinsichtlich der umsatzbezogenen Angaben der Beklagten war insoweit unbeachtlich.
- Aus dem Einwand der Beklagten, es komme auf eine gerichtliche Schätzung des Streitwertes nicht mehr an, da der Klägerin sein wirtschaftliches Interesse im Rahmen der gescheiterten Vergleichsverhandlungen bereits konkret berechnet und beziffert habe, ergibt sich kein höherer Streitwert. Denn dass eine insoweit abgrenzbare Bezifferung des hier anhängigen Streitgegenstands durch die Klägerin stattgefunden hätte, trägt auch die Beklagte nicht vor. Vielmehr hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass es sich um die Verhandlung einer umfassenden und weltweiten Lösung – mithin nicht beschränkt auf den vorliegenden Rechtsstreit – handelte, in die auch (hier nicht anhängigen) Nebenaspekte einfließen sollten. Im Übrigen waren die Streitwert- oder Schadensersatzangaben der Klägerin in italienischen Verletzungsverfahren, in denen die Beklagte teilweise schon keine Prozesspartei ist, nicht erhöhend heranzuziehen. Es handelt sich jeweils um eigenständige Streitgegenstände.
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2.
In diesem Zuge war nicht gem. § 142 Abs. 1 ZPO anzuordnen, dass die Beklagte die Vergleichsunterlagen „O“ vorzulegen hat. Gemäß § 142 Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Gericht anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich eine Partei bezogen hat, vorlegt. Hierzu hatte die Kammer im Rahmen des ihr gem. § 142 Abs. 1 S. 1 ZPO zustehenden Ermessens keine Veranlassung. - Zum einen war die Vorlageanordnung nicht erforderlich, da der Kammer eine Bemessung des Streitwertes bereits anhand des Vortrags der Parteien zu Umsätzen, Absätzen und Marktstellung sowie anhand des Akteninhalts möglich war.
- Zum anderen hat die Beklagte trotz entsprechenden Hinweises der Kammer mit Verfügung vom 17.02.2023, auch unter Berücksichtigung ihrer Geheimhaltungspflicht, nicht vorgetragen, inwiefern sich aus den Unterlagen für den hiesigen Rechtsstreit zwingend relevante Daten ergeben. Die Regelung des § 142 ZPO befreit die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast (BeckOK ZPO/von Selle, 50. Ed. 1.9.2023, ZPO § 142 Rn. 11). Es wäre der Beklagten jedenfalls zumutbar gewesen, Anhaltspunkte für ihre Behauptung zu nennen, zumal die Klägerin vorträgt, dass Zahlen für Deutschland in den Vergleichsunterlagen nicht separat aufgeführt seien, was auch vor dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin zur geringen Relevanz des deutschen Marktes für sie sowie angesichts eines potentielles multinationalen Vergleichs plausibel erscheint. Zudem spiegeln Vergleichssummen erfahrungsgemäß nicht unmittelbar ein für den gerichtlichen Streitwert maßgebliches wirtschaftliches Interesse wider, sondern sind regelmäßig von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, zumal die Beklagte selbst eingeräumt hat, dass mit den Vergleichsunterlagen eine multinationale Lösung unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte angestrebt war. Die gerichtliche Anordnung war auch nicht bereits deshalb zu treffen, weil den beiden Parteien die Unterlagen ohnehin vorlägen.
