Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3330
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. November 2023, I-2 U 138/22
Vorinstanz: 4a O 18/20
- I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 08.11.2022 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 16.12.2022 wird zurückgewiesen.
- II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
- Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund der Urteile erster und zweiter Instanz vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
- Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 625.000,- Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
- V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,- Euro festgesetzt.
- Gründe
- I.
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Patents 10 2004 027 XXA B4 (nachfolgend: Klagepatent) auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Zahlung von Abmahnkosten und Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch. Von der Beklagten zu 1) verlangt die Klägerin darüber hinaus Rückruf, Vernichtung und Entschädigung dem Grunde nach.
- Das Klagepatent wurde am 02.06.2004 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums einer britischen Schrift vom 03.06.2003 angemeldet. Nach Offenlegung der Patentanmeldung am 30.12.2004 wurde der Hinweis auf die Patenterteilung am 20.10.2016 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.
- Die Klägerin ist seit dem 23.04.2019 im Register des Deutschen Patent- und Markenamts als Inhaberin des Klagepatents eintragen. Als (erste) Patentinhaberin war bis zu diesem Tag die A (nachfolgend auch: A) eintragen, deren Tochtergesellschaft die damals als B GmbH firmierende Klägerin ehemals war. Ihre heutige Firma erhielt die Klägerin nach der Übertragung auf die C S.p.A. (nachfolgend auch: C).
- Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Tassenspender“. Sein Patentanspruch 1 ist wie folgt formuliert:
- „Tassenspender in Karusselbauart mit einer Vielzahl von radial um eine Karusselachse beabstandet angeordneten Spendemechanismen zum Spenden von Tassen aus einer entsprechenden Vielzahl von Stapeln ineinandergeschachtelter Tassen, wobei jeder Mechanismus vier oder mehr Tassentrennschnecken aufweist, die eine kreisförmige Tassenspendeöffnung bilden, und benachbarte Spendemechanismen nahe aneinander in dem Spender angeordnet sind, so dass der kleinste Abstand zwischen benachbarten Tassenspendeöffnungen ca. 25 Millimeter oder weniger beträgt, wobei jeder Tassenspendemechanismus zwei äußere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer ersten Hälfte eines Umfanges der Tassenspendeöffnungen angeordnet sind, wobei die beiden äußeren Schnecken voneinander einen ersten Abstand aufweisen, und zwei innere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer zweiten Hälfte der Öffnung angeordnet sind und voneinander einen zweiten Abstand aufweisen, wobei der zweite Abstand kleiner ist als der erste Abstand.“
- Die nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 1 der Klagepatentschrift erläutert die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Es handelt sich um eine perspektivische Ansicht eines Tassenspendemechanismus für einen Tassenspender entsprechend einer ersten Ausführungsform der Erfindung:
- Die Beklagte zu 1) stellt Warenautomaten her. Zu ihrer Produktpalette gehören unter anderem sogenannte „InCup“-Getränkeautomaten mit dem Markennamen „D“. Bei InCup-Systemen werden mit Getränkegranulat vorbefüllte Einwegtassen (InCups) in dafür vorgesehenen Automaten mit Wasser aufgegossen. Der Beklagte zu 2) ist seit dem 01.12.2018 Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 1).
- Zu den von den Beklagten vertriebenen Heißgetränkeverkaufsautomaten des Typs „D“ gehören auch die aus den Anlagen K 11 bis K 13 ersichtlichen Automaten (nachfolgend: ursprüngliche angegriffene Ausführungsform). Bei diesen waren – wie vom Klagepatent gefordert – vier Spendemechanismen eines Tassenspendersegments vorgesehen.
- Die Beklagten wandelten die ursprünglich angegriffene Ausführungsform später ab, indem an jedem der vier Spendemechanismen eines Tassenspendersegments jeweils die rechte der inneren Tassentrennschnecken entfernt und zugleich der hierfür vorgesehene Lagerzapfen durch eine Bohrung ersetzt wurde (nachfolgend: abgewandelte angegriffene Ausführungsform; vgl. Anlage K 16).
- Die Beklagten gaben – nach Klageerhebung, aber vor Einreichen der Klageerwiderung – eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung hinsichtlich der ursprünglichen angegriffenen Ausführungsform ab. Nachdem die Klägerin die Beklagten später auch wegen der Benutzungsform des Herstellens abmahnte, ergänzten die Beklagten die von ihnen abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung um die Benutzungsform des Herstellens.
- Dass die ursprüngliche angegriffene Ausführungsform von Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht, war in erster Instanz zwischen den Parteien unstreitig. Die Klägerin hat darüber hinaus die Auffassung vertreten, sie sei für alle geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert, die Verletzung des Klagepatents sei schuldhaft erfolgt, weder Vernichtungs- noch Rückrufanspruch seien wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen und ihr Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten sei begründet. Soweit es den ehemals geltend gemachten Unterlassungsanspruch angeht, haben die Parteien den Rechtsstreit mit Blick auf die von den Beklagten abgegebene Unterlassungserklärung bereits in erster Instanz übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt. Hinsichtlich einer von der Klägerin im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten mittelbaren Patentverletzung durch die abgewandelte angegriffene Ausführungsform hat die Klägerin die Klage bereits in erster Instanz zurückgenommen.
- Die Beklagten, die um Klageabweisung gebeten haben, haben vor dem Landgericht geltend gemacht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Darüber hinaus fehle es an einem Verschulden und seien die Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf unverhältnismäßig, der Vernichtungsanspruch zudem wegen fehlenden Besitzes oder Eigentums der Beklagten zu 1) unverhältnismäßig. Ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten bestehe ebenfalls nicht. Die Beklagten haben zudem die Einrede der Verjährung erhoben.
- Mit Urteil vom 08.11.2022 hat das Landgericht Düsseldorf jeweils für die Zeit seit dem 27.12.2018 den Begehren auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz (insoweit gegenüber dem Beklagten zu 2) erst ab 01.01.2019) entsprochen, hat ferner die Beklagte zu 1) (einschränkt) zum Rückruf und beide Beklagten zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Im Einzelnen hat das Landgericht wie folgt erkannt:
- I. Die Beklagten werden verurteilt,1. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten seit dem 27.12.2018
- Tassenspender in Karussellbauart mit einer Vielzahl von radial um eine Karussellachse beabstandet angeordneten Spendemechanismen zum Spenden von Tassen aus einer entsprechenden Vielzahl von Stapeln ineinandergeschachtelter Tassen,
- in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt
oder besessen haben, - wobei jeder Mechanismus vier oder mehr Tassentrennschnecken aufweist, die eine kreisförmige Tassenspendeöffnung bilden, und benachbarte Spendemechanismen nahe aneinander in dem Spender angeordnet sind, so dass der kleinste Abstand zwischen benachbarten Tassenspendeöffnungen ca. 25 Millimeter oder weniger beträgt, wobei jeder Tassenspendemechanismus zwei äußere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer ersten Hälfte eines Umfanges der Tassenspendeöffnung angeordnet sind, wobei die beiden äußeren Schnecken voneinander einen ersten Abstand aufweisen, und zwei innere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer zweiten Hälfte der Öffnung angeordnet sind und voneinander einen zweiten Abstand aufweisen, wobei der zweite Abstand kleiner ist als der erste Abstand;
- und zwar jeweils unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt worden;
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 27.12.2018 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer, - c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Internetadressen, der Schaltungszeiträume und der Zugriffszahlen,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagte zu 2) die Angaben erst für Handlungen ab dem 01.01.2019 zu machen hat; und
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) und/oder der Beklagte zu 2) dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 3. nur die Beklagte zu 1): die unter Ziffer I.1. bezeichneten und nach dem 20.10.2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 08.11.2022) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- wobei der Beklagten zu 1) gestattet ist, denjenigen Dritten, denen durch die Beklagte zu 1) oder mit deren Zustimmung Besitz an den unter Ziffer I.1. genannten Erzeugnissen eingeräumt wurde, anzubieten, anstatt das Erzeugnis gegen Erstattung des Kaufpreises an die Beklagte zu 1) zurückzugeben, die Erzeugnisse von der Beklagten zu 1) so umgestalten zu lassen, dass jeweils eine der vier Tassentrennschnecken irreversibel entfernt wird, wobei die Beklagte zu 1) sämtliche Kosten der Umgestaltung trägt;
- 4. an die Klägerin EUR 3.456,59 zu zahlen.
- II. Es wird festgestellt, dass
- 1. die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 27.12.2018 bis zum 31.12.2018 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
- 2. die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 01.01.2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
- Zur Geltendmachung der Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf sei die Klägerin aufgrund ihrer Eintragung als Inhaberin im Patentregister schon auf Grundlage von § 30 Abs. 3 S. 2 PatG prozessual berechtigt, weil diese Ansprüche nicht gegenüber dem Patentinhaber, sondern schlechthin geschuldet seien. Hinsichtlich der Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung ergebe sich ihre Aktivlegitimation für Handlungen ab dem 27.12.2018 aus dem Vortrag, an diesem Tag sei das Klagepatent auf sie übertragen worden, in Kombination mit ihrer Eintragung als Patentinhaberin im Patentregister am 29.04.2019. Der Vortrag, ein im Patentregister eingetragener Rechtsübergang habe einige Wochen oder Monate vor dessen Eintragung stattgefunden, bedürfe in der Regel keiner näheren Substantiierung oder Beweisführung (BGH, GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren). So liege es hier, nachdem die Klägerin ausreichend zu der am 29.09.2018 vereinbarten Unternehmenstransaktion zwischen A und C vorgetragen habe, in deren Zuge das Klagepatent direkt von A auf die Klägerin übertragen worden und deren Closing Date der 27.12.2018 gewesen sei. Die Umschreibung im Patentregister sei auch in ausreichender zeitlicher Nähe zu der behaupteten Übertragung erfolgt, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Übertragung im Rahmen einer größeren internationalen Transaktion erfolgt und die Klägerin zwischenzeitlich umfirmiert worden sei. Für die geltend gemachten Kosten der Abmahnung sei die Klägerin schließlich bereits deshalb aktivlegitimiert, weil sie das entsprechende Schreiben in Auftrag gegeben habe.
- Hingegen könne hinsichtlich der Ansprüche auf Entschädigung, Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz für Handlungen in der Zeit vor dem 27.12.2018 die Aktivlegitimation der Klägerin nicht festgestellt werden. Für die insoweit von der Klägerin behauptete Abtretung der Ansprüche, die eine über die bloße Schutzrechtsübertragung hinausgehende Vereinbarung voraussetze, sage das Patentregister nichts aus. Nachdem die Beklagten eine Abtretung bestritten hätten, hätte die Klägerin näher vortragen und gegebenenfalls Beweis anbieten müssen, was sie nicht getan, sondern weiterhin und trotz der ausdrücklichen Hinweise der Beklagten auf einer nicht bestehenden Indizwirkung des Registers beharrt habe.
- Die (nunmehr) allein streitgegenständliche ursprüngliche angegriffene Ausführungsform verletze Anspruch 1 des Klagepatents, was von den Beklagten auch nicht konkret in Abrede gestellt werde, wortsinngemäß. Die Klägerin habe daher die tenorierten Ansprüche gegen die Beklagten. Das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden der Beklagten zu 1) sei gegeben, insbesondere entlaste sie die patentanwaltliche Recherche durch die Auftraggeberin der angegriffenen Ausführungsform nicht. Der Beklagte zu 2) hafte ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung zuzüglich einem Monat Karenzzeit ebenfalls. Auch ein Rückrufanspruch bestehe, allerdings sei dieser aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf die Umgestaltung in eine nicht-verletzende Ausführung zu beschränken. Einen Anspruch auf Vernichtung habe die Klägerin hingegen nicht, nachdem die Beklagten dargetan hätten, die ursprüngliche angegriffene Ausführungsform durch Entfernen der vierten Tassentrennschnecke abgewandelt zu haben.
- Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 08.11.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem anwaltlichem Schriftsatz vom 07.12.2022 Berufung eingelegt, mit der sie eine Verurteilung der Beklagten auch insoweit verlangt als es den Zeitraum vom 20.10.2016 bis 26.12.2018 (Auskunft), 04.03.2010 bis 26.12.2018 (Rechnungslegung) und 21.11.2016 bis 26.12.2018 (Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1)) betrifft und der für den Zeitraum vom 04.03.2010 bis 20.11.2016 gegenüber der Beklagten zu 1) geltend gemachte Entschädigungsanspruch insgesamt abgewiesen wurde. Hilfsweise begehrt sie die Aufhebung des Urteils in dem genannten Umfang und die Zurückverweisung an das Landgericht.
- Die Klägerin macht insbesondere geltend:
- Soweit das Landgericht die Klage mangels Nachweises der Aktivlegitimation abgewiesen habe, handele es sich um eine gemäß § 139 Abs. 2 ZPO unzulässige Überraschungsentscheidung, die ihren Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 2 GG sowie das Gebot eines fairen Verfahrens verletzt habe. Da sie, die Klägerin, sich für die Kammer erkennbar in einem durch vorangegangene Entscheidungen im Verfahren sowie im Parallelverfahren genährten Irrtum über die Erforderlichkeit weiteren Tatsachenvortrages befunden habe, hätte die Kammer entsprechende Hinweise erteilen müssen.
- So entspreche der Vortrag zur Aktivlegitimation in dem Parallelverfahren gegen die E GmbH u.a. (Az.: 4a O 9/20, Schlussurteil vom 25.11.2021 vorgelegt als Anlage WKS 3) im Wesentlichen demjenigen im hiesigen Verfahren und sei auch dort die Aktivlegitimation für Ansprüche aus abgetretenem Recht streitig gewesen. Die Kammer habe die Beklagten des Parallelverfahren indes antragsgemäß verurteilt, ohne die bestrittene Aktivlegitimation weiter zu thematisieren oder gar als problematisch anzusehen. Überdies habe das Landgericht mit dem Hinweisbeschluss vom 24.08.2022 den Anschein erweckt, es bestehe kein Darlegungsdefizit, weil sie, die Klägerin, darin lediglich zur Umformulierung der Antragsfassung aufgefordert und nicht zumindest auch auf die unzureichende Darlegung hingewiesen worden sei.
- Da Tatsachenvortrag des Klägers zur Aktivlegitimation vom Beklagten regelmäßig zum Anlass für umfangreiches Bestreiten genommen werde, erweise sich jeder bestreitbare Tatsachenvortrag als schwerer anwaltlicher Beratungsfehler, wenn die Partei auch ohne Tatsachenvortrag aus Rechtsgründen als aktivlegitimiert anzusehen sei. Sie, die Klägerin, sei davon ausgegangen, dass sich die Registervermutung nach „Fräsverfahren“ auf den vorliegenden Sachverhalt erstrecke. Es sei ausgehend hiervon konsequent und geboten gewesen, von weiterem Tatsachenvortrag abzusehen.
- Hätte die Kammer den gebotenen Hinweis gemäß § 139 Abs. 2 ZPO erteilt, hätte sie, die Klägerin, ihren Vortrag zur Aktivlegitimation unter Beweisantritt ergänzt und hätte zudem wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ihre Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren widerrufen. Folgendes hätte sie vorgetragen:
- Die Übertragung des Klagepatents von A auf die damals noch als B GmbH firmierende Klägerin sei, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, im Rahmen des Verkaufs des Getränkegeschäfts von A an C erfolgt. Die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen dieses Verkaufs seien, wie ebenfalls bereits erstinstanzlich erläutert, in einem Sales and Purchase Agreement (nachfolgend: SPA) vom 29.09.2018 vereinbart worden.
- Die Übertragung der Schutzrechte des geistigen Eigentums seien hingegen in dem SPA, das insoweit nur ein allgemeines Übereinkommen enthalte, nicht geregelt worden, sondern in einen separaten – in seiner Wirksamkeit gegenüber dem SPA abstrakten – Abtretungsvertrag zwischen den jeweiligen Schutzrechtsinhabern als Zedenten und den intendierten Schutzrechtsinhabern als Zessionaren ausgegliedert, dem Global IP Assignment Deed vom 27.12.2018 (Anlage WKS 4, in deutscher Übersetzung als Anlage WKS 4a; nachfolgend: Deed). „Deed“ bezeichne im gemäß Ziffer 4.1 anwendbaren englischen Recht eine spezifische Form von Vertragsurkunde. Die eigentliche Abtretungserklärung finde sich in Ziffer 1. des Deed, sei breit gefasst und ziele darauf ab, dem jeweiligen Zessionar diejenige rechtliche Position zu verschaffen, die zuvor der jeweilige Zedent innegehabt habe. Insbesondere würden Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche des jeweiligen früheren Inhabers auf den jeweiligen Schutzrechtserwerber übertragen. Der Erwerber solle explizit berechtigt sein, Schadensersatz wegen Verletzungshandlungen geltend zu machen, die zeitlich vor den Daten der Urkunde lägen.
- Weil es sich bei den Abtretungserklärungen im Deed um einzelne, lediglich gebündelte Abtretungserklärungen handele, komme es für die Rechtswirksamkeit der Übertragung des Klagepatents allein darauf an, dass die im Namen dieser beiden Gesellschaften abgegebenen Erklärungen wirksam seien. Dies sei der Fall. A (= A, Incorporated) als ursprüngliche Inhaberin des Klagepatents habe, rechtswirksam vertreten durch zwei „Authorized Signatories“ das Klagepatent nebst allen daraus folgenden Ansprüchen – einschließlich aller Ansprüche wegen Verletzungshandlungen in der Vergangenheit – an die Klägerin (= damalige B GmbH) abgetreten, deren beide damalige Geschäftsführer die Abtretung mit ihrer Unterschrift angenommen hätten.
- Die Übertragung des Klagepatents nebst Abtretung aller daraus folgenden Ansprüchen sei Teil einer umfangreichen Unternehmenstransaktion zwischen zwei namhaften internationalen Konzernen gewesen und von mehreren renommierten Kanzleien rechtlich begleitet worden. Allein dies lege nahe, dass die rechtlichen Anforderungen an die Abtretung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen gewahrt seien. Die Wirksamkeit sei auch bis heute von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden.
- Soweit die Beklagten die Wirksamkeit des SPA bestritten, sei dies unbeachtlich. Auf dessen Rechtswirksamkeit komme es für die Wirksamkeit des Deed schon nicht an, weil letzteres in seiner Wirksamkeit von dem SPA unabhängig sei. Hierfür und gegen die von der Beklagten angenommene Bedingung spreche schon die fehlende Parteiidentität zwischen SPA und Deed und lasse sich überdies aus dem Vertragswortlaut des Deed selbst entnehmen, beispielsweise aus der Schiedsklausel (Ziffer 4.2) und der salvatorischen Klausel (Ziffer 3.9). Überdies dürften die Beklagten aufgrund der prozessualen Wahrheitspflicht nicht einfach Tatsachen bestreiten, nur weil sie zu ihrem Nachteil seien. Tatsächlich sei das SPA wirksam geschlossen worden und die Transaktion des Getränkegeschäfts von A auf C – ein Geschäft im Wert von vielen hundert Millionen Euro – seit fast fünf Jahren gelebte wirtschaftliche Realität. Dass die Beklagten trotz aller vorgetragenen Indizien ernsthaft behaupteten, hier seien derart massive Fehler unterlaufen, dass die Verträge unbemerkt nichtig seien, sei abstrus. Sollte der Senat das Bestreiten der Beklagten wider Erwarten für erheblich erachten, werde um einen Hinweis gebeten, damit vor Beibringung der Vertragsunterlagen geeignete Geheimnisschutzmaßnahmen getroffen werden könnten. Denn die Einzelheiten des SPA seien streng vertraulich und Gegenstand von Geheimhaltungsklauseln.
- Die Unwirksamkeit des Deed stellten die Beklagten ebenfalls zu Unrecht in Abrede. Der Begriff „English Law“ sei keineswegs unklar, sondern die übliche Formulierung für das von den Gerichten in England und Wales zur Anwendung gebrachte Recht. Dass eben dieses Recht gemeint sei, ergebe sich zudem aus der Auslegungsregel in Schedule 7, Ziffer 2 lit. (e) des Deed. Die Zusammenfassung bilateraler Erklärungen zur Übertragung einzelner Schutzrechte von einzelnen Zedenten auf einzelne Zessionare sei selbstredend rechtlich möglich, und zwar auch nach dem vereinbarten englischen Recht. Soweit die Beklagten die Auffassung verträten, es fehle an einer von allen Zedenten und Zessionaren gezeichneten Gesamturkunde, die untrennbar verbunden und mit einem Siegel gesichert sein müsse, gebe es ein solches Erfordernis nach dem englischen Recht nicht. Auch nach der expliziten Regelung in Ziffer 3.7 des Deed bedürfe es einer Urkunde mit sämtlichen Unterschriften unter einem einzigen Dokument nicht.
- Hinsichtlich der von den Beklagten bestrittenen Zeichnungsbefugnis komme es allein auf die Übertragung des Klagepatents von der A auf die B GmbH an und somit auch nach englischem Recht allein auf die Zeichnungsbefugnis der für diese beiden Gesellschaften unterzeichnenden Vertreter. Die auf Seiten der Zedentin, der A, unterzeichnenden Herren F und G seien nach dem insoweit maßgeblichen Recht des US-Bundesstaates Delaware als dem Gründungsstaat der Gesellschaft zeichnungsbefugt. Durch den Beschluss des Board of Directors der A vom 12.09.2008 seien sie zum Abschluss von Vereinbarungen zur Durchführung der Transaktion des Getränkegeschäfts von A auf C bevollmächtigt worden, wie sich aus einer als Anlage WKS 6 (in deutscher Übersetzung als Anlage WKS 6a) vorgelegten Bescheinigung der Frau H, Vice President, Secretary und General Counsel der A vom 26.09.2018 ergebe. Die Zeichnungsbefugnis der auf Seiten der Zessionarin, der B GmbH, unterzeichnenden Herren I und J ergebe sich nach dem insoweit maßgeblichen deutschen Recht daraus, dass diese Geschäftsführer der Gesellschaft und als solche nach der allgemeinen Vertretungsregel in § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags vom 30.07.2007 (Anlage WKS 7) gemeinsam zeichnungsbefugt seien.
- Die Klägerin beantragt,
- auf ihre Berufung das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Klage teilweise hinsichtlich Auskunft und Rechnungslegung sowie Entschädigungs- und Schadensersatzfeststellung abgewiesen worden ist und
- 1. die Beklagten zu verurteilen,
- a) wie zu Ziffer I.1. erkannt, jedoch mit der Maßgabe, dass es anstatt „seit dem 27.12.2018“ heißt: „seit dem 20.10.2016“;
- b) wie zu Ziffer I.2. erkannt, jedoch mit der Maßgabe, dass es anstatt „seit dem 27.12.2018“ heißt: „seit dem 04.03.2010“;
- 2. festzustellen,
- a) dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, ihr (der Klägerin) für die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 04.03.2010 bis zum 20.11.2016 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
- b) wie zu Ziffer II.1. erkannt, jedoch mit der Maßgabe, dass die Beklagte zu 1) ferner verpflichtet ist, ihr (der Klägerin) allen Schaden zu ersetzen, der der Mars Incorporated durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 21.11.2016 bis zum 26.12.2018 begangenen Handlungen entstanden ist;
- hilfsweise:
in dem Umfang der nicht zuerkannten bzw. festgestellten Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Entschädigung und Schadensersatz das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Düsseldorf zurückzuverweisen. - Die Beklagten beantragen,
- die Berufung zurückzuweisen,
- Sie tragen vor, die Klägerin stütze ihre Berufung ausschließlich auf die mit der Berufungsbegründung neu eingeführten Angriffsmittel. Diese seien jedoch nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen und daher verspätet. Das gesamte neue Vorbringen sei der Klägerin bereits in erster Instanz bekannt gewesen, sie habe dieses aber dennoch erstinstanzlich bewusst nicht vorgetragen. Das Landgericht habe auch keine Hinweispflicht verletzt, vielmehr sei für die Klägerin bei sorgfältiger Prozessführung vorhersehbar gewesen, dass das Gericht seine Entscheidung auf Erwägungen zur Aktivlegitimation stützen werde und dass die Behauptungen der Klägerin hierzu beweisbedürftig seien. Die Gesichtspunkte der Aktivlegitimation und der Beweisbedürftigkeit seien hinreichend schriftsätzlich erläutert worden.
- Die Stellungnahme zu den vorgetragenen angeblichen Beweisen der Klägerin zur Aktivlegitimation erfolge nur hilfsweise und höchstvorsorglich für den Fall, dass das erstmalige Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz vom Senat zugelassen werde:
- Es werde bestritten, dass das Deed zu einer wirksamen Übertragung von Rechten von den Zedenten auf die Zessionare geführt habe, dass die darin aufgeführten Unterzeichner zeichnungsberechtigt gewesen seien und dass das – behauptete, jedoch nicht vorgelegte – SPA zwischen A und C, das eine Bedingung für die Wirksamkeit des Deed sei, wirksam geschlossen worden sei. Der Wortlaut des Deed lege nahe, dass das behauptete SPA diesem zeitlich vorangehe und es sich somit bei dem Deed um ein unwirksames Insichgeschäft handele. Der Aufbau der Urkunde sei zudem unbestimmt und es bleibe unklar, welche Zessionare welche Rechte von welchen Zedenten übertragen bekommen sollten. Wenn es sich bei dem Deed um eine Vielzahl von einzelnen Rechtsübertragungen handele, fehle es an den dazu notwendigen einzelnen Übertragungsurkunden bzw. -verträgen. Handele es sich dagegen um eine Gesamturkunde bzw. einen Gesamtvertrag, so fehle es, nachdem sich am Ende der Urkunde lediglich einzelne, nicht nummerierte und nur von jeweils einem Unternehmen gezeichnete Blätter befänden, an der dazu notwendigen, von allen Zedenten und Zessionaren in einem Dokument gezeichneten Gesamturkunde. Im Übrigen werde die Zeichnungsbefugnis der Zeichnenden und damit die wirksame Übertragung aller Rechte in einem Dokument, welches auch nicht von allen gemeinschaftlich gezeichnet worden sei, bestritten. Die (bestrittene) Wirksamkeit des SPA unterstellt, wäre der Käufer ab dem Datum des Vertragsschlusses der Rechtsnachfolger für das Getränkegeschäft des Verkäufers und seiner verbundenen Unternehmen geworden und bestünde dieses Geschäft nun beim Käufer fort. In der Folge wären die das Deed zeichnenden Zedenten gar nicht mehr zeichnungsberechtigt für den jeweiligen Zedenten und somit auch nicht bezüglich der zu übertragenden Rechte gewesen. Welches Recht mit dem in Ziffer 4.1 des Global IP Assignment Deed angesprochenen „English Law“ gemeint sei, bleibe, auch nach den ergänzenden Ausführungen der Klägerin, weiterhin unklar.
- Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
- II.
- Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
- A.
- Die Klägerin hat das landgerichtliche Urteil nicht in vollem Umfang angefochten, sondern die Berufung in zulässiger Weise auf die Abweisung der Ansprüche auf Entschädigung sowie, soweit es Handlungen aus der Zeit vor dem 27.12.2018 betrifft, auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz beschränkt (§§ 520 Abs. 3 Nr. 1, 528 ZPO).
- Die insoweit beschränkte Berufung der Klägerin ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere genügt die Berufungsbegründung den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Nachdem die Klägerin ihren Berufungsangriff auf einen Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO stützt, bedurfte es nicht nur der entsprechenden Verfahrensrüge, sondern auch eines Vortrages dazu, was sie auf den vermissten Hinweis hin in erster Instanz vorgetragen hätte und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung des Erstgerichts geführt hätte (BGH, NJW 2016, 2890 Rn. 11; NJW-RR 2020, 573 Rn. 14; Musielak/Voit-Ball, 20. Aufl., § 520 Rn. 32). Dem ist die Klägerin mit ihrem weiteren Vorbringen zur Abtretung der Ansprüche der früheren Patentinhaberin an sie und den entsprechenden Beweisangeboten gerecht geworden.
- B.
- In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg.
- 1.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf der Grundlage des erstinstanzlichen Vorbringens hinsichtlich der Ansprüche auf Entschädigung sowie auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz für Handlungen in der Zeit vor dem 27.12.2018 abgewiesen. Denn die insoweit nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat ihre Aktivlegitimation aufgrund einer Abtretung dieser Ansprüche durch die frühere Patentinhaberin in erster Instanz zwar behauptet, dieses Vorbringen aber nach dem Bestreiten der Beklagten weder näher ausgeführt noch hat sie hierfür Beweis angeboten. Gegen diese rechtliche Beurteilung, die das Landgericht seinen Ausführungen zugrunde gelegt hat, wendet sich die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht. Insbesondere macht sie zu Recht nicht geltend, dass ihr hinsichtlich der Abtretung von Ansprüchen der früheren Patentinhaberin an sie eine Darlegungs- und/oder Beweiserleichterung aufgrund einer Indizwirkung des Patentregisters, wie dies für einen Zeitraum ab Übertragung des Patents nach der Entscheidung „Fräsverfahren“ des Bundesgerichtshofs (GRUR 2013, 713) in Betracht kommen kann, zugutekommt. - Der Senat geht dabei klarstellend davon aus, dass die Klägerin ihrer Darlegungslast zur Abtretung der Ansprüche mit dem Vorbringen in der erstinstanzlichen Replik (Bl. 71 ff. GA LG) zunächst genügt, die Beklagten dieses aber in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2022 (Bl. 351 ff. GA LG) erheblich bestritten haben. Nach dem Bestreiten der Beklagten hat es der Klägerin oblegen, dieses Vorbringen – etwa unter Vorlage von Vertragsdokumenten – näher auszuführen und Beweis anzubieten oder, sofern ihr dies möglich war, sogleich Beweismittel zu benennen. Beides hat sie indes unterlassen, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.
- 2.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz, mit dem sie unter Vorlage von Vertragsdokumenten näher zu der behaupteten Abtretung der Ansprüche der früheren Patentinhaberin an sie vorträgt und Beweis anbietet. Es handelt sich sowohl bei dem tatsächlichen Vortrag als auch bei den Beweisangeboten um neue Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO, für die es an einem Zulassungsgrund fehlt. Der allein in Betracht kommende Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO) aufgrund einer Verletzung der Hinweispflicht nach § 139 ZPO liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin war das Landgericht zu einem Hinweis auf die fehlenden Beweisangebote nicht nach § 139 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ZPO verpflichtet. Das Landgericht hat auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. - Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Verfahrensbeteiligten, dass sie Gelegenheit erhalten, sich vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung zu dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt zu äußern. Dies bedeutet indes nicht, dass ein Gericht den Verfahrensbeteiligten stets mitteilen muss, wie es den die Grundlage seiner Entscheidung bildenden Sachverhalt voraussichtlich würdigen wird. Es reicht in der Regel aus, wenn die Sach- und Rechtslage erörtert und den Beteiligten dadurch aufgezeigt wird, welche Gesichtspunkte für die Entscheidung voraussichtlich von Bedeutung sein werden (BGH, Beschl. v. 19.01.2021, Az.: X ZB 14/19, GRUR-RS 2021, 3382 Rn. 11 – Laderaumabdeckung; Beschl. v. 16.02.2021, Az.: X ZR 144/18, GRUR-RS 2021, 3470 Rn. 4 – Personenrufsystem II; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.06.2021, Az.: I-15 U 27/20, GRUR-RS 2021, 63459 Rn. 83 – Luftfilter). Ein Hinweis kann allerdings dann geboten sein, wenn für die Beteiligten auch bei sorgfältiger Prozessführung nicht vorhersehbar ist, auf welche Erwägungen das Gericht seine Entscheidung stützen wird (BVerfG, NJW 2003, 2524; BGH, GRUR 2013, 318 Rn. 10 – Sorbitol; GRUR 2014, 1235 Rn. 11 – Kommunikationsrouter; Beschl. v. 15.09.2020, Az.: X ZB 16/19, GRUR-RS 2020, 27434 Rn. 12 – Sortiervorrichtung). Die Hinweispflicht besteht grundsätzlich gegenüber einer anwaltlich vertretenen Partei jedenfalls dann, wenn der Prozessbevollmächtigte die Rechtslage erkennbar falsch beurteilt hat (BGH, NJW 2002, 3317 (3320); Beschl. v. 18.05.2017, Az.: I ZR 178/16, GRUR-RS 2017, 126762 Rn. 12 – Glückskäse; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.06.2021, Az.: I-15 U 27/20, GRUR-RS 2021, 63459 Rn. 84 – Luftfilter).
- Im Streitfall war das Landgericht zu einem nach diesen Grundsätzen zu erteilenden Hinweis nicht verpflichtet. Die Klägerin war durch das Vorbringen der Beklagten bereits ausreichend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet, weshalb es im Grundsatz keines Hinweises bedurfte (dazu unter a)). Das Gericht hat auch keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen ausnahmsweise gleichwohl ein Hinweis erforderlich gewesen wäre (dazu unter b)). Eine andere Beurteilung ist schließlich nicht deshalb geboten, weil die Entscheidung des Landgerichts im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ergangen ist (dazu unter c)).
- a)
Ein Hinweis des Landgerichts war grundsätzlich nicht geboten, weil die Klägerin aufgrund des Vorbringens der Beklagten ausreichend über die Notwendigkeit eines Beweisantritts für ihren Vortrag zu einer Abtretung der Ansprüche der früheren Patentinhaberin informiert war. - aa)
Eines gerichtlichen Hinweises nach § 139 Abs. 1 ZPO bedarf es nicht, wenn die betroffene Partei infolge eines eingehenden, von ihr richtig erfassten Vortrags der gegnerischen Partei zutreffend über die Sach- und Rechtslage unterrichtet war (BGH, NJW 2007, 759 (761); NJW-RR 2008, 581; NJW-RR 2010, 70 (70 f.); Beschl. v. 18.05.2017, Az.: I ZR 178/16, GRUR-RS 2017, 126762 Rn. 12 – Glückskäse; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.06.2021, Az.: I-15 U 27/20, GRUR-RS 2021, 63459 Rn. 85 – Luftfilter). Ebenso wie im Falle eines missverstandenen gerichtlichen Hinweises (dazu BGH, NJW 2002, 3317 (3320)) führt das Missverständnis eines im gegnerischen Parteivortrag enthaltenen Hinweises allerdings dazu, dass es einer Klarstellung durch das Gericht bedarf, um die betroffene Partei in die Lage zu versetzen, ihren Sachvortrag sachdienlich zu ergänzen (BGH, Beschl. v. 18.05.2017, Az.: I ZR 178/16, GRUR-RS 2017, 126762 Rn. 12 – Glückskäse). Im Regelfall ist davon auszugehen, dass die anwaltlich vertretene Partei einen unmissverständlichen Vortrag verstanden hat, es sei denn, es ergeben sich deutliche Anhaltspunkte für ein unzureichendes Erfassen (MüKo ZPO-Fritsche, 6. Aufl., § 139 Rn. 45). Entscheidend ist, dass es für das Gericht offensichtlich ist, dass der Prozessbevollmächtigte der Partei die Bedenken des Prozessgegners nicht zutreffend aufgenommen hat (BGH, NJW 2001, 2548 (2549); NJW-RR 2004, 1247 (1248); NJW 2012, 3035 Rn. 8; MüKo ZPO-Fritsche, 6. Aufl., § 139 Rn. 43). - bb)
Daran gemessen bestand aufgrund der Darstellung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2022 (Bl. 351 ff. GA LG) keine Hinweispflicht des Gerichts. - (1)
Die Beklagten haben in dem genannten Schriftsatz nicht nur die Abtretung von – auch früheren – Ansprüchen durch A an die Klägerin bestritten, sie haben zudem ausdrücklich auf fehlende Beweisangebote hingewiesen. In dem Schriftsatz heißt es unter der Überschrift „Fehlende Aktivlegitimation der Klägerin für geltend gemachte Ansprüche aus abgetretenem Recht“ auszugsweise: - „Die Klägerin behauptet pauschal, vage und ohne geeigneten Nachweis (Klageschrift und Replik) berechtigt zu sein, aus abgetretenem Recht alle Rechte und Ansprüche als eigene Rechte im eigenen Namen geltend machen zu dürfen. Die Klägerin hat die von ihr lediglich schriftsätzlich behauptete Abtretung fremder Rechte an die Klägerin jedoch in keinster Weise unter Beweis gestellt. Weder wird ein Abtretungsvertrag vorgelegt, noch finden sich im Klagevortrag Ausführungen zum Inhalt eines Abtretungsvertrages, abgesehen von pauschalen und vagen Angaben.
- Es fehlt somit insbesondere der Nachweis für die Übertragung der eigenen Rechte der früheren Patentinhaberin A auf die Klägerin für den Zeitraum vor der Eintragung der Klägerin in die Patentrolle. Die Ausführungen der Klägerin in Replik und Klage diesbezüglich sind unsubstantiiert, entbehren eines Nachweises und der gesamte Vortrag der Klägerin hierzu wird bestritten.
- …
- Kommt es also wie vorliegend zur Übertragung des Klagepatents, ist durch die Klägerin nachzuweisen, dass der Übertragungsvertrag besondere Vorkehrungen für den Schadensersatz vorsieht und auch klar geregelt ist, wer Rechte für den Zeitraum vor Eintragung des neuen Inhabers geltend machen darf.
- Vorliegend greift für die von der Klägerin ohne jeden Nachweis lediglich behaupteten und geltend gemachten Ansprüche der ehemaligen Patentinhaberin, der A, aus abgetretenem Recht eben gerade keine Legitimationsvermutung der Eintragung in die Patentrolle, auf welche sich die Klägerin berufen könnte. In dem Zeitraum für welchen hier von der Klägerin Rechte aus abgetretenem Recht geltend gemacht werden bestand eben nachgerade keine Eintragung der Klägerin als Patentinhaberin in der Patentrolle. Somit ist eine Abtretung der Rechte durch die A in Bezug auf den Zeitraum vor der Eintragung der Klägerin vorliegend vollumfänglich nachzuweisen, was die Klägerin jedoch geflissentlich unterlassen hat.“
- (Hervorhebungen teilweise hinzugefügt)
- Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung ausführt, es habe in dem Schriftsatz der Beklagten an einer weitergehenden Argumentation gefehlt und es sei nicht mit der fehlenden Anwendbarkeit der „Fräsverfahren“-Rechtsprechung argumentiert worden, greift dies nicht durch. Dass die Beklagten nicht zwischen dem Zeitraum zwischen behaupteter Übertragung des Patents und Umschreibung im Patentregister (27.12.2018 bis 23.04.2019) einerseits und demjenigen vor der behaupteten Übertragung (bis einschließlich 26.12.2018) andererseits differenzieren und die für den letztgenannten Zeitraum ohnehin nicht einschlägige Entscheidung „Fräsverfahren“ nicht erwähnen, ändert nichts an dem klar erkennbaren Bestreiten der Abtretung auch derjenigen Ansprüche, die bereits vor der behaupteten Übertragung des Patents entstanden sind. Die Beklagten verweisen eindeutig auf den gesamten Zeitraum, für den die Klägerin Ansprüche geltend macht, was die Zeit vor dem 27.12.2018 ohne weiteres einschließt. Auch eine „weitergehende Argumentation“ der Beklagten war für ein erhebliches Bestreiten nicht erforderlich. Nachdem es sich bei der Abtretung von Ansprüchen der früheren Patentinhaberin um Tatsachen handelt, die weder eigene Handlungen der Beklagten noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung sind, war das Bestreiten der Beklagten bei verständiger Würdigung als Erklärung mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) zu verstehen. Die Zulässigkeit einer solchen Erklärung schließt die Verpflichtung zu substantiiertem Bestreiten aus (BGH, NJW 2015, 468 Rn. 12).
- An der Pflicht der Klägerin zur Beachtung des Inhalts des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.09.2022 ändert es auch nichts, dass die Beklagten in den auf die Replik folgenden Schriftsätzen zunächst nicht auf das dort erfolgte Vorbringen der Klägerin zur Abtretung auch früherer Ansprüche eingegangen sind, sondern dieses erst in eben jenem Schriftsatz vom 20.09.2022 – möglicherweise veranlasst durch den Hinweis der Kammer (dazu unter b)) – bestritten haben. Das Bestreiten der Abtretung (bzw. die entsprechende Erklärung mit Nichtwissen) war zu diesem Zeitpunkt prozessual zulässig; anderes macht auch die Klägerin nicht geltend.
- (2)
Dass es für das Landgericht offensichtlich war oder sein musste, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Hinweise der Beklagten missverstanden haben, lässt sich nicht feststellen. Tatsächlich geht die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 06.10.2022 (Bl. 366 f. GA LG) auf die Ausführungen der Beklagten zur Abtretung (auch früherer) Ansprüche schlicht nicht ein, sondern rügt lediglich das Bestreiten der Beklagten zur Übertragung der Rechte als unbeachtlich, wenn es dort heißt: - „… Die Beklagten verkennen, dass der Vortrag in der Replik vom 06.08.2020, in dem dezidiert zum Übergang des Klagepatents und der Rechte aus dem Patent auf die Klägerin vorgetragen worden ist, nach BGH GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren gerade nicht einfach (oder gar mit Nichtwissen) bestritten werden kann. „Pauschal, vage und ohne geeigneten Nachweis“ (Schriftsatz vom 20.09.2022, S. 3) ist nicht der hiesige Vortrag, sondern das unsubstantiierte und damit vorliegend unbeachtliche Bestreiten der Beklagten. Die Vorlage von Übertragungsdokumenten ist danach vorliegend nicht angezeigt. …“
- Dieser Vortrag lässt aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Landgerichts nicht den Schluss zu, dass die Ausführungen der Beklagten von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Kenntnis genommen, in rechtlicher Hinsicht aber missverstanden wurden.
- Soweit ein rechtliches Missverständnis in dem schriftsätzlichen Berufungsvorbringen zunächst darin gesehen wird, dass die Klägerin davon ausgegangen sei, dass sich die Registervermutung nach „Fräsverfahren“ auf den vorliegenden Sachverhalt erstreckt (dort Rn. 4, Bl. 360 E-Akte OLG), wird eine Hinweispflicht dadurch nicht begründet. Entscheidend ist nach den dargestellten Grundsätzen nicht das rechtliche Verständnis der Partei selbst, sondern dasjenige ihres Prozessbevollmächtigten. Das Landgericht hätte aufgrund des genannten Schriftsatzes jedenfalls nicht erkennen können, dass der im Patentrecht erfahrene und in einer spezialisierten Kanzlei tätige Rechtsanwalt, der die fraglichen Schriftsätze unterzeichnet hat, sich in einem rechtlichen Irrtum darüber befunden haben soll, dass die Abtretung von Ansprüchen bis zur Übertragung des Klagepatents nach üblichen zivilprozessualen Maßstäben darzulegen und zu beweisen ist.
- In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 02.11.2023 hat eben dieser Rechtsanwalt aus der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein solches Missverständnis für seine Person auch nicht mehr behauptet. Vielmehr hat er seinen entscheidenden Irrtum darin erkannt, dass er davon ausgegangen sei, das Bestreiten der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2022 sei zu pauschal und daher prozessual unbeachtlich. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung insbesondere damit begründet, es habe sich aus seiner Sicht nicht um ein Bestreiten mit Nichtwissen gehandelt, sondern um ein – nach seiner rechtlichen Einschätzung unbeachtliches – pauschales Bestreiten, was insbesondere durch den Verweis auf die Klageerwiderung deutlich geworden sei. Ein insoweit bestehendes Missverständnis auf Seiten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin, etwa dahin, dass ein Bestreiten auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 138 Abs. 4 ZPO ohne ausdrückliche Bezeichnung nicht als Erklärung mit Nichtwissen verstanden werden kann, war für das Landgericht jedenfalls nicht erkennbar oder gar offensichtlich. Nachdem es in dem Schriftsatz der Klägerin vom 06.10.2022 heißt, ihr dezidierter Vortrag aus der Replik könne „gerade nicht einfach (oder gar mit Nichtwissen) bestritten“ werden, musste das Landgericht vielmehr davon ausgehen, dass der unterzeichnende Rechtsanwalt die Möglichkeit einer Deutung des Bestreitens als Erklärung mit Nichtwissen erkannt hatte.
- b)
Eine andere Beurteilung der Hinweispflicht ergibt sich auch nicht deshalb, weil das Gericht einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, von dem es ohne weiteren Hinweis nicht abrücken durfte. - aa)
Für ein Gericht kann sich nach § 139 ZPO die Verpflichtung ergeben, einer Partei oder beiden Seiten einen Hinweis zu geben, wenn es seine konkret zu einer für die Parteien und ihre prozessuale Situation in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht entscheidungserhebliche Frage geäußerte Rechtsauffassung geändert hat (BGH, GRUR 2011, 851 Rn. 12 ff. – Werkstück; Beschl. v. 25.10.2011, Az.: X ZR 3/11, BeckRS 2011, 25938 Rn. 10; MüKo ZPO-Fritsche, 6. Aufl., § 139 Rn. 43). So kann das Gericht einen Hinweispflichten auslösenden Vertrauenstatbestand dadurch schaffen, dass es durch eindeutig formulierte Hinweise seine Rechtsauffassung zu erkennen gibt und von dieser abrücken will (BVerfG, NJW 2021, 2581 Rn. 13; NJW 2003, 3687; BGH, NZG 2020, 317 Rn. 7; BeckOK ZPO-von Selle, Stand: 01.09.2023, § 139 Rn. 39) oder wenn es die Klage als unschlüssig abweisen will, nachdem es durch Anordnung einer Beweisaufnahme zu erkennen gegeben hat, dass es die Klage für schlüssig hält (OLG Saarbrücken, MDR 2003, 1372, BeckOK ZPO-von Selle, Stand: 01.09.2023, § 139 Rn. 39). Ein richterlicher Hinweis darauf, dass das Gericht an einer entscheidungserheblichen Rechtsauffassung nicht mehr festhalten will, kann auch dann geboten sein, wenn das Gericht diese Rechtsauffassung in einem früher zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit vertreten hat und eine Partei in einem weiteren zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit, für das Gericht erkennbar, davon ausgeht, dass das Gericht auch in diesem Verfahren keine abweichende Auffassung vertreten werde (BGH, NZG 2020, 317 Rn. 7). - bb)
Ein Vertrauenstatbestand in diesem Sinne wird weder durch den Hinweis des Landgerichts vom 24.08.2022 noch durch das frühere Urteil derselben Kammer des Landgerichts in einem Parallelverfahren begründet. - Der Hinweis des Landgerichts vom 24.08.2022 konnte schon deshalb kein Vertrauen der Klägerin begründen, weil dieser Hinweis auf der Grundlage einer anderen prozessualen Situation ergangen ist. Erst nach dem Hinweis, nämlich mit dem erwähnten Schriftsatz vom 20.09.2022, haben die Beklagten das Vorbringen der Klägerin aus der Replik bestritten. Es bedarf keiner näheren Erörterung der Frage, ob aufgrund des Bestreitens der Beklagten in der Klageerwiderung die erst in der Replik erwähnte Abtretung auch bereits vor der Übertragung des Klagepatents entstandener Ansprüche – als Teil der Unternehmenstransaktion zwischen A und C – ebenfalls als bestritten anzusehen sein könnte. Jedenfalls ging das Landgericht hiervon für die Klägerin klar erkennbar zum Zeitpunkt des Hinweisbeschlusses nicht aus, was auch im völligen Einklang zu dem von der Klägerin angeführten früheren Urteil der Kammer steht.
- Eben jenes frühere Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts in einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und anderen Beklagten, an dem jedoch die hiesige Beklagte zu 1) als Streithelferin beteiligt war (Schlussurt. v. 25.11.2021, Az.: 4a O 9/20, Anlage WKS 3), ließ nämlich erkennen, dass die Zuerkennung der Ansprüche aus abgetretenem Recht auf der Annahme eines nicht ausreichend bestrittenen und damit von den dortigen Beklagten zuerkannten Vorbringens der Klägerin beruht. Dort heißt es auf S. 17:
- „… Die Einigung hinsichtlich der Übertragung der relevanten Schutzrechte unter gleichzeitiger Übertragung aller früheren Ansprüche von A auf die einzelnen von C zu übernehmenden A Unternehmensgesellschaften sei dann im Rahmen einer separaten vertraglichen Regelung vom 27.12.2018 erfolgt. Dem sind die Beklagten nicht mehr entgegengetreten. …“
- Auch wenn die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts in eine Erörterung der Darlegungserfordernisse an eine vom Registerstand abweichende materielle Rechtslage nach „Fräsverfahren“ eingebettet sind, lässt sich dem Urteil damit entnehmen, dass die Zuerkennung dieser Ansprüche auf einem fehlenden Bestreiten der Beklagten beruht und nicht auf einer – rechtlich fehlerhaften – Ausweitung der Indizwirkung des Patentregisters auch auf die Abtretung früherer Ansprüche. Ein Vertrauenstatbestand hinsichtlich einer solchen Rechtsauffassung des Landgerichts wird deshalb unabhängig davon nicht begründet, ob ein Vertrauen in das erneute Begehen eines Rechtsfehlers überhaupt gerechtfertigt sein könnte. Entgegen der Ansicht der Klägerin war zudem der Vortrag der Beklagten in dem früheren Verfahren, wie ihn die Klägerin mit der Anlage WKS 2 dargestellt hat, gerade nicht vergleichbar zu demjenigen im hiesigen Verfahren. Denn während im früheren Verfahren auf die Replik der Klägerin, in der erstmals die Abtretung auch früherer Ansprüche dargelegt wird, kein Vortrag mehr erfolgte, haben die Beklagten im hiesigen Verfahren noch den bereits erörterten Schriftsatz vom 20.09.2022 eingereicht und die Abtretung von Ansprüchen der früheren Patentinhaberin bestritten.
- c)
Eine andere Beurteilung der Hinweispflicht folgt schließlich nicht daraus, dass die Entscheidung des Landgerichts im nach § 128 Abs. 2 ZPO mit Zustimmung der Parteien angeordneten schriftlichen Verfahren erfolgt ist und die Klägerin zum Zeitpunkt des Schriftsatzes der Beklagten ihre Zustimmung schon erteilt hatte. Für die Klägerin hätte bis zu dem dem Schluss der mündlichen Verhandlung entsprechenden Zeitpunkt, dem 06.10.2022, Gelegenheit bestanden, ihren eigenen Vortrag zu ergänzen und Beweis anzubieten. Tatsächlich hat sie innerhalb dieser Frist auch einen Schriftsatz eingereicht, ist darin allerdings, wie oben erläutert, nicht näher auf das Vorbringen der Beklagten eingegangen. Ihr hätte zudem, hätte sie es für erforderlich gehalten, offen gestanden, ihre Zustimmung mit Blick auf das Bestreiten der Beklagten nach § 128 S. 2 S. 1 ZPO wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage zu widerrufen. Hierunter können insbesondere geänderte Sachanträge und wesentliche neue Behauptungen und Beweismittel fallen (Musielak/Voit-Stadler, 20. Aufl., § 128 Rn. 14; vgl. auch BGH, Beschl. v. 23.09.2020, Az.: XII ZR 86/18, BeckRS 2020, 3124 Rn. 14 zu einem Widerruf des Einverständnisses mit der Entscheidung durch den Einzelrichter in der Berufungsinstanz, auf den § 128 Abs. 2 S. 1 ZPO entsprechend anwendbar sei) und damit ohne weiteres auch das konkrete Bestreiten der Beklagten. - Es besteht entgegen der Auffassung der Klägerin im schriftlichen Verfahren auch nicht grundsätzlich ein mangels mündlicher Erörterung erhöhtes Bedürfnis nach Hinweisen. Für eine solche Differenzierung enthält die Zivilprozessordnung keine Anhaltspunkte. Auch bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte zudem keine verfahrensrechtliche Notwendigkeit der Erörterung bestimmter Punkte bestanden, soweit eine Hinweispflicht nicht bestand.
- III.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
- Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).