Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3254
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. November 2022, Az. 4a O 18/20
- I. Die Beklagten werden verurteilt,
- 1. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten seit dem 27.12.2018
- Tassenspender in Karussellbauart mit einer Vielzahl von radial um eine Karussellachse beabstandet angeordneten Spendemechanismen zum Spenden von Tassen aus einer entsprechenden Vielzahl von Stapeln ineinandergeschachtelter Tassen,
- in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
- wobei jeder Mechanismus vier oder mehr Tassentrennschnecken aufweist, die eine kreisförmige Tassenspendeöffnung bilden, und benachbarte Spendemechanismen nahe aneinander in dem Spender angeordnet sind, so dass der kleinste Abstand zwischen benachbarten Tassenspendeöffnungen ca. 25 Millimeter oder weniger beträgt, wobei jeder Tassenspendemechanismus zwei äußere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer ersten Hälfte eines Umfanges der Tassenspendeöffnung angeordnet sind, wobei die beiden äußeren Schnecken voneinander einen ersten Abstand aufweisen, und zwei innere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer zweiten Hälfte der Öffnung angeordnet sind und voneinander einen zweiten Abstand aufweisen, wobei der zweite Abstand kleiner ist als der erste Abstand;
- und zwar jeweils unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt worden;
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 27.12.2018 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Internetadressen, der Schaltungszeiträume und der Zugriffszahlen,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagte zu 2) die Angaben erst für Handlungen ab dem 01.01.2019 zu machen hat; und
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) und/oder der Beklagte zu 2) dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 3. nur die Beklagte zu 1): die unter Ziffer I.1. bezeichneten und nach dem 20.10.2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 08.11.2022) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- wobei der Beklagten zu 1) gestattet ist, denjenigen Dritten, denen durch die Beklagte zu 1) oder mit deren Zustimmung Besitz an den unter Ziffer I.1. genannten Erzeugnissen eingeräumt wurde, anzubieten, anstatt das Erzeugnis gegen Erstattung des Kaufpreises an die Beklagte zu 1) zurückzugeben, die Erzeugnisse von der Beklagten zu 1) so umgestalten zu lassen, dass jeweils eine der vier Tassentrennschnecken irreversibel entfernt wird, wobei die Beklagte zu 1) sämtliche Kosten der Umgestaltung trägt;
- 4. an die Klägerin EUR 3.456,59 zu zahlen.
- II. Es wird festgestellt, dass
- 1. die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 27.12.2018 bis zum 31.12.2018 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
- 2. die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 01.01.2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- IV. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 85 %, die Beklagte zu 1) 10 % und der Beklage zu 2) 5 %.
- V. Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 625.000,00. Daneben sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Ziffern I.1. und I.2. des Tenors) zusammen gegenüber beiden Beklagten gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 50.000,00. Der Anspruch auf Rückruf (Ziffer I.3. des Tenors) ist gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von EUR 550.000,00. Im Kostenpunkt sowie hinsichtlich des Zahlungsanspruchs (Ziffer I.4. des Tenors) ist das Urteil jeweils vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unmittelbarer Patentverletzung des deutschen Patents DE 10 2004 XXX 530 B4 (nachfolgend: Klagepatent, Anlage K 3) auf Auskunft und Rechnungslegung, Zahlung von Abmahnkosten und Schadenersatz dem Grunde nach in Anspruch. Die Beklagte zu 1) nimmt sie zudem auf Rückruf, Vernichtung und Entschädigung dem Grunde nach in Anspruch.
- Die Klägerin ist seit dem 23.04.2019 im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (vgl. Registerauszug in Anlage K 4) als Inhaberin des Klagepatents mit der Bezeichnung „X“ eingetragen. Das Klagepatent wurde am X unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 03.06.200X einer britischen Schrift angemeldet und die Anmeldung am 30.12.20X offengelegt. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 20.10.201X veröffentlicht.
- Das Klagepatent steht in Kraft.
- Die Klägerin ist eine ehemalige Tochtergesellschaft der A Inc. die bis zum 23.04.200X als (erste) Patentinhaberin eingetragen war. Als Tochtergesellschaft der A Inc. firmierte die Klägerin als A XXX GmbH und erhielt nach der Übertragung auf die B S.p.A. ihre heutige Bezeichnung (vgl. den Handelsregisterauszug in Anlage K 2).
- Patentanspruch 1 des Klagepatents lautet:
- „Tassenspender in Karusselbauart mit einer Vielzahl von radial um eine Karusselachse beabstandet angeordneten Spendemechanismen zum Spenden von Tassen aus einer entsprechenden Vielzahl von Stapeln ineinandergeschachtelter Tassen, wobei jeder Mechanismus vier oder mehr Tassentrennschnecken aufweist, die eine kreisförmige Tassenspendeöffnung
bilden, und benachbarte Spendemechanismen nahe aneinander in dem Spender angeordnet sind, so dass der kleinste Abstand zwischen benachbarten Tassenspendeöffnungen ca. 25 Millimeter oder weniger beträgt, wobei jeder Tassenspendemechanismus zwei äußere Tassentrennschnecken
aufweist, die auf einer ersten Hälfte eines Umfanges der Tassenspendeöffnung angeordnet sind, wobei die beiden äußeren Schnecken voneinander einen ersten Abstand aufweisen, und zwei innere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer zweiten Hälfte der Öffnung angeordnet sind und voneinander einen zweiten Abstand aufweisen, wobei der zweite Abstand kleiner ist als der erste Abstand.“ - Zur Veranschaulichung wird nachfolgend Figur 1 des Klagepatents verkleinert eingeblendet, die nach Abs. [0028] der Klagepatentbeschreibung eine perspektivische Ansicht eines Tassenspendemechanismus für einen Tassenspender entsprechend einer ersten Ausführungsform der vorliegenden Erfindung zeigt. Diese Ausführungsform umfasst nach Abs. [0034] der Klagepatentbeschreibung vier identische Schnecken mit den Bezugsziffern 18 und 20:
- Der Unternehmensgegenstand der Klägerin ist das Aufstellen von Verpflegungsautomaten zu denen auch sogenannte InCup-Systeme gehören. Bei InCup-Systemen werden mit Getränkegranulat vorbefüllte Einwegtassen (sog. InCups) in dafür vorgesehenen Automaten mit Wasser aufgegossen.
- Die Beklagte zu 1) ist eine Herstellerin von Warenautomaten mit Sitz in C, zu deren Produktpalette auch InCup-Getränkeautomaten mit dem Markennamen „D“ gehören. Der Beklagte zu 2) ist seit dem 01.12.2018 Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschaft der Beklagten zu 1).
- Zu den von den Beklagten vertriebenen Heißgetränkeverkaufsautomaten des Typs „D“ gehören auch die aus den Anlagen K 11 bis K 13 ersichtlichen Automaten (nachfolgend: ursprüngliche angegriffene Ausführungsform). Bei diesen waren – wie vom Klagepatent gefordert – vier Spendemechanismen eines Tassenspendersegments vorgesehen. Die Beklagte zu 1) wurde von der E GmbH beauftragt, die (ursprünglich) angegriffene Ausführungsform nach deren Vorgaben zu konstruieren.
- Die Beklagten wandelten die ursprünglich angegriffenen Ausführungsformen später ab, indem an jedem der vier Spendermechnanismen eines Tassenspendersegments jeweils die rechte der inneren Tassentrennschnecken entfernt und zugleich der hierfür vorgesehene Lagerzapfen durch eine Bohrung ersetzt wurde (nachfolgend: abgewandelte angegriffene Ausführungsform; vgl. Anlage K 16).
- Schließlich stellte die Beklagten zu 1) eine noch weiter modifizierte Variante des Ds-Automaten mit originär nur drei Tassentrennschnecken her, der von der Klägerin nicht angegriffen wird.
- Die Beklagten gaben unter dem 04.03.2020 – nach Klageerhebung, aber vor Einreichen der Klageerwiderung – eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung hinsichtlich der ursprünglichen angegriffenen Ausführungsform ab (vgl. Anlagen K 14, K 15). Mit Schreiben vom 07.01.2022 mahnte die Klägerin die Beklagten auch wegen der Benutzungsform des Herstellens ab. Die Beklagten ergänzten daraufhin mit Schreiben vom 24.01.2022 ihre abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung um die Benutzungsform des Herstellens (vgl. die in Anlage K 22 vorgelegte Abmahnkorrespondenz).
- Die Klägerin meint, die ursprüngliche angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß, was die Beklagten nicht bestritten hätten.
- Die Klägerin sei für die geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. Dies ergebe sich für die Ansprüche auf Unterlassung, Vernichtung und Rückruf aus dem Rollenstand. Hinsichtlich der Ansprüche aus der Vergangenheit, vor der Übertragung des Klagepatents auf die Klägerin, seien der Klägerin die Ansprüche von der früheren Patentinhaberin A Inc. mit Wirkung zum 27.12.2018 zusammen mit dem Klagepatent übertragen worden. Aufgrund der Indizwirkung des Registers sei das pauschale Bestreiten der Aktivlegitimation durch die Beklagten unbeachtlich.
- Die Verletzung des Klagepatents durch die (ursprünglich) angegriffene Ausführungsform sei durch die Beklagten schuldhaft erfolgt. Die Beklagten könnten sich nicht mit der angeblichen Patentrecherche der Fa. E als Auftraggeberin der angegriffenen Ausführungsform exkulpieren; vielmehr hätten sie eine eigene Schutzrechtsrecherche in Auftrag geben müssen. Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beklagten der Recherchebericht in Anlage 5 der Beklagten kannten. Dieser sei jedenfalls inhaltlich ungenügend. Es spreche vieles dafür, dass der beauftragte Patentanwalt Dr. F nur eine allgemeine Schlagwortrecherche durchgeführt habe. Ein Auftrag für eine gerichtsfeste Recherche wird bestritten, genauso wie die Durchsicht von 500 Schutzrechten, wofür der vom Patentanwalt abgerechnete Zeitaufwand von 11,5 h ohnehin viel zu gering erscheine.
- Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beklagten alle angegriffenen Ausführungsformen umgerüstet hätten und damit keine (ursprünglichen) angegriffenen Ausführungsformen mehr im Besitz hätten. Da die Beklagte zu 1) unstreitig jedenfalls in der Vergangenheit angegriffene Ausführungsformen in Besitz gehabt habe, sei sie sekundär darlegungsbelastet dafür, dass sie nunmehr keine besäße.
- Der Vernichtungsanspruch sei auch nicht wegen Unverhältnismäßigkeit ausgeschlossen. Entsprechendes gelte für den Rückrufanspruch.
- Die Klägerin habe gegen die Beklagten wegen der Abmahnung hinsichtlich der Benutzungsform des Herstellens mit Schreiben vom 07.01.2022 einen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten basierend auf 1,3 Gebühren aus einem Gegenstandswert von EUR 200.000,00. Die Abmahnung sei alternativlos gewesen, um ein sofortiges Anerkenntnis zu vermeiden. Die ursprünglich von den Beklagten abgegebene Verpflichtungserklärung habe unstreitig nicht das Herstellen umfasst.
- Die Klägerin hat die Beklagten mit der Klageschrift vom 04.03.2022 ursprünglich auch auf Unterlassung in Anspruch genommen. Die Beklagten haben unter dem 04.06.2020 eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung hinsichtlich des Klagepatents (ohne Herstellung) abgegeben, welche von der Klägerin angenommen wurde (Anlagen K 14, K 15). Insoweit haben die Parteien übereinstimmend die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärt und gegenseitige Kostenanträge gestellt.
- In der Replik vom 06.08.2020 hat die Klägerin die Klage erweitert und zusätzlich eine mittelbare Patentverletzung in Bezug auf die abgewandelte angegriffene Ausführungsform geltend gemacht und insoweit Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatzfeststellung verlangt. Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, dass die abgewandelten angegriffenen Ausführungsformen in einen unmittelbar patentgeschützten Gegenstand umgebaut werden könnten. Weiterhin hat sie die Zahlung von EUR 9.736,80 für die Abmahnung hinsichtlich der abgewandelten angegriffenen Ausführungsform beantragt.
- Mit Schriftsatz vom 28.01.2022 hat die Klägerin die teilweise Rücknahme der Klage im Umfang der Klageerweiterung vom 06.08.2020 erklärt (also auch hinsichtlich der abgewandelten angegriffenen Ausführungsform), wobei sie den Zahlungsantrag nur zurückgenommen hat, soweit dieser den Betrag EUR 3.456,59 übersteigt, den sie nunmehr mit der Abmahnung hinsichtlich des Herstellens begründet. Ebenfalls mit Schriftsatz vom 28.01.2022 hat die Klägerin ihre noch nicht für erledigt erklärten Ansprüche wegen unmittelbarer Patentverletzung (Schadensersatz und Rechnungslegung) im Hinblick auf die ursprüngliche angegriffene Ausführungsform um die Benutzungsform des Herstellens erweitert.
- Die Klägerin beantragt nunmehr,
- I. die Beklagten zu verurteilen,
- 1. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten seit dem 20.10.2016
- Tassenspender in Karussellbauart mit einer Vielzahl von radial um eine Karussellachse beabstandet angeordneten Spendemechanismen zum Spenden von Tassen aus einer entsprechenden Vielzahl von Stapeln ineinandergeschachtelter Tassen,
- in der Bundesrepublik Deutschland hergestellt, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht oder zu den genannten Zwecken eingeführt oder besessen haben,
- wobei jeder Mechanismus vier oder mehr Tassentrennschnecken aufweist, die eine kreisförmige Tassenspendeöffnung bilden, und benachbarte Spendemechanismen nahe aneinander in dem Spender angeordnet sind, so dass der kleinste Abstand zwischen benachbarten Tassenspendeöffnungen ca. 25 Millimeter oder weniger beträgt, wobei jeder Tassenspendemechanismus zwei äußere Tassentrennschnecken auf-weist, die auf einer ersten Hälfte eines Umfanges der Tassenspendeöffnung angeordnet sind, wobei die beiden äußeren Schnecken voneinander einen ersten Abstand aufweisen, und zwei innere Tassentrennschnecken aufweist, die auf einer zweiten Hälfte der Öffnung angeordnet sind und voneinander einen zweiten Abstand aufweisen, wobei der zweite Abstand kleiner ist als der erste Abstand;
- und zwar jeweils unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer,
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse gezahlt worden;
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu 1 bezeichneten Handlungen seit dem 04.03.2010 begangen haben, und zwar unter Angabe:
- a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet sowie bei Internetwerbung der Internetadressen, der Schaltungszeiträume und der Zugriffszahlen,
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte zu 1) und/oder der Beklagte zu 2) dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist und
- 3. nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1 bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben;
- 4. nur die Beklagte zu 1): die unter Ziffer 1 bezeichneten und nach dem 20.10.2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- 5. an die Klägerin 3.456,59 EUR zu zahlen.
- II. festzustellen, dass
- 1. die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die zu Ziffer I.1 bezeichneten, in der Zeit vom 04.03.2010 bis zum 20.11.2016 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
- 2. die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen
- a) der der A Incorporated durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 21.11.2016 bis zum 26.12.2018 begangenen Handlungen und
- b) der der Klägerin durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 27.12.2018 bis zum 31.12.2018 begangenen Handlungen
- entstanden ist und noch entstehen wird;
- 3. die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die in Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 01.01.2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- Weiterhin beantragt die Klägerin, für jeden zuerkannten Anspruch und die Kostengrundentscheidung Teilsicherheiten festzusetzen.
- Hinsichtlich der Insbesondere-Anträge wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 28.01.2022 verwiesen.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagten bestreiten die Aktivlegitimation der Klägerin. Diese habe den Übergang des Klagepatents am 27.12.2018 nicht ausreichend dargetan. Das Patentregister alleine könne die Aktivlegitimation nicht belegen. Die Klägerin habe es versäumt, näher zur Abtretung der Ansprüche aus dem Klagepatent vorzutragen.
- Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert. Die Beklagte zu 1) habe sich vor Produktionsbeginn der (ursprünglichen) angegriffenen Ausführungsform umfassend durch unabhängige Experten im gewerblichen Rechtsschutz über die Schutzrechtslage informieren lassen. Die E GmbH (nachfolgend: E), welche unstreitig die Konstruktion der ursprünglichen angegriffenen Ausführungsform beauftragt habe, habe vor der Konzeptionierung der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagte die Schutzrechtslage durch die Patentanwälte Dr. F prüfen lassen (Anlage 5 der Beklagten). Das Rechercheergebnis habe E der Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 23.02.2012 (Anlage 8) samt der recherchierten Schutzrechte übermittelt. Da keine relevanten Schutzrechte gefunden worden seien, habe kein Anlass für eine weitere Nachforschung seitens der Beklagten bestanden.
- Der Vernichtungsanspruch sei mangels Besitz bzw. Eigentum der Beklagten zu 1) an den angegriffenen Ausführungsformen nicht begründet. Die (ursprünglich) angegriffenen Ausführungsformen seien durch Entfernung der vierten Schnecke bereits im Sommer 2019 unwiederbringlich in gemeinfreie Modelle umgewandelt worden.
- Die Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf seien zudem unverhältnismäßig, da die angegriffenen Ausführungsformen in gemeinfreie Modell umgewandelt werden könnten; allenfalls sei eine Verurteilung zum Umbau möglich. Zur Vermeidung einer Patentverletzung reiche die irreversible Entfernung der vierten Tassentrennschnecke aus.
- Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten für die (zweite) Abmahnung in Bezug auf die Herstellung klagepatentgemäßer Erzeugnisse. Es habe kein Anlass für eine erneute Abmahnung bestanden. Die Beklagten hätten die (ursprünglich) angegriffenen Ausführungsformen seit August 2019 nicht mehr hergestellt. Die erste von den Beklagten abgegebene Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung habe für alle von der Klägerin geltend gemachten Benutzungsformen gegolten.
- Zur Begründung der von ihnen erhobenen Einrede der Verjährung behaupten die Beklagten, die Rechtsvorgängerin der Klägerin (A Inc.) hätte die angegriffenen Ausführungsformen bereits auf einer Messe im September X in X zur Kenntnis nehmen müssen.
- Das Gericht hat mit Beschluss vom 24.08.2022 Hinweise erteilt. Mit Zustimmung der Parteien hat das Gericht mit Beschluss vom 22.09.2022 das schriftliche Verfahren mit Schriftsatzfrist bis zum 06.10.2022 angeordnet.
- Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist teilweise begründet, im Übrigen unbegründet. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten die geltend gemachten Ansprüche aus §§ 139 Abs. 2, 140a Abs. 3, 140b, 33 PatG, §§ 242, 259 BGB teilweise zu. Jedoch kann sie von der Beklagten zu 1) keine Vernichtung und Entschädigung verlangten; weiterhin hat sie nicht im vollen beantragten Umfang Anspruch auf Rückruf, Auskunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz.
- I.
Die Klägerin ist nur für einen Teil der geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert, so dass die Klage bereits aus diesem Grunde teilweise abzuweisen war. - 1.
Die Klägerin kann aus dem Klagepatent auf Vernichtung und Rückruf vorgehen. Sie ist als Inhaberin im Patentregister eingetragen, weswegen sie schon auf Grundlage von § 30 Abs. 3 S. 2 PatG prozessual berechtigt ist, Rückruf und Vernichtung zu verlangen, da diese Ansprüche nicht gegenüber dem Patentinhaber, sondern schlechthin geschuldet ist und die genannte Norm den eingetragenen Inhaber zur Geltendmachung der Rechte aus dem Patent prozessual berechtigt (vgl. BGH, GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren; Kammer, Teil-Urteil vom 31.03.2016 – 4a O 73/14). - 2.
Für die geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz, Auskunft und Rechnungslegung ist sie für Handlungen ab dem 27.12.2018 aus eigenem Recht aktivlegitimiert.a)
Die Aktivlegitimation ergibt sich für die Zeit ab dem 27.12.2018 aus dem Vortrag, an diesem Tag sei das Klagepatent auf sie übertragen worden, in Kombination mit der Eintragung der Klägerin als Patentinhaberin am 29.04.2019 im Patentregister. - Die Eintragung im Patentregister ist zwar für die materielle Rechtslage nicht konstitutiv; ihr kommt aber für die Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, eine erhebliche Indizwirkung zu (BGH, GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren). So wird der Vortrag, ein im Patentregister eingetragener Rechtsübergang habe einige Wochen oder Monate vor dessen Eintragung stattgefunden, in der Regel keiner näheren Substantiierung oder Beweisführung bedürfen (BGH, GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren).
- b)
So liegt die Sache hier: Die Klägerin hat die materiell-rechtliche Übertragung am X ausreichend vorgetragen. Das Klagepatent sei im Rahmen einer am X vereinbarten Unternehmenstransaktion zwischen der A Incorporated (A) und der B S.p.A. (B), in der das Getränkegeschäft auf B übertragen wurde, direkt von A auf die Klägerin übertragen worden. Das Closing Date für die Übertragung sei der X gewesen. - Dieser Vortrag reicht aus. Die Klägerin firmierte damals noch unter „A XXX GmbH“ und wurde erst anschließend in ihren jetzigen Namen umbenannt, was von dem in Anlage K 2 vorgelegte Handelsregisterauszug belegt wird. Der Übergang auf die Klägerin wurde am 23.04.2019 im Patentregister eingetragen. Ein Zwischenerwerb ist nicht ersichtlich, vielmehr ist das Klagepatent unmittelbar von der vorherigen Patentinhaberin an die Klägerin (unter ihrer jetzigen Firma) übertragen worden.
- Die Umschreibung im Patentregister ist auch in ausreichender zeitlicher Nähe zur behaupteten Übertragung erfolgt, um die Indizwirkung des Registers für die materielle Inhaberschaft am Klagepatent auf den Zeitpunkt der behaupteten Übertragung auszuweiten. Zwar sind die hierzu vergangenen vier Monate eher lang. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Übertragung im Rahmen einer größeren internationalen Transaktion erfolgt ist und die Klägerin zwischenzeitlich umfirmiert wurde, womit regelmäßig Verzögerungen verbunden sind.
- c)
Dem Vorbringen der Klägerin zur Aktivlegitimation ist die Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten. - Der Vortrag, der eingetragene Inhaber habe das Patent – entgegen der erwähnten Indizwirkung – nicht wirksam oder zu einem anderen Zeitpunkt erworben, erfordert in der Regel nähere Darlegungen dazu, woraus sich die Unwirksamkeit des eingetragenen Rechtsübergangs ergeben soll (BGH, GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren). Eine Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche vom Registerstand ab, muss daher konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt (BGH, GRUR 2013, 713, 716 f. – Fräsverfahren).
- Diesen Anforderungen genügt der Vortrag der Beklagten nicht. Sie hat keine relevanten Einwände gegen die Übertragung des Klagepatents vorgetragen. Es ist kein Umstand ersichtlich, der Zweifel an der Wirksamkeit der Übertragung erlaubt.
- 3.
Hinsichtlich der Kosten für die Abmahnung 07.01.2022 (wegen der Benutzungsform des Herstellens in Bezug auf die ursprünglich angegriffene Ausführungsform, Anlage K 22) ergibt sich die Aktivlegitimation daraus, dass das entsprechende Schreiben von der Klägerin in Auftrag gegeben wurde und die Klägerin zu diesem Zeitpunkt als Inhaberin des Klagepatents im Register eingetragen war, weshalb sie den Unterlassungsanspruch hieraus geltend machen konnte. Insoweit gilt dasselbe wie für die oben unter I.1. behandelten Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung. - 4.
Dagegen ist die Klage hinsichtlich der Ansprüche auf Entschädigung sowie auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz für Handlungen in der Zeit vor dem 27.12.2018 abzuweisen, da insoweit die Aktivlegitimation der Klägerin nicht festgestellt werden kann. - a)
Für diese Ansprüche stützt sich die Klägerin darauf, dass ihr die Ansprüche der A Inc., die in diesem Zeitraum Inhaberin des Klagepatents war, abgetreten worden seien. Eine solche Abtretung haben die Beklagten aber wirksam bestritten. Entgegen der Ansicht der Klägerin war insoweit der Verweis auf das Register nicht ausreichend. Die Indizwirkung des Registers gilt – wie oben dargelegt – für die materielle Inhaberschaft und den Zeitpunkt der Übertragung einige Zeit vor der erfolgten Umschreibung im Register. Dies impliziert vorliegend auch die Vermutung, dass zwischen der A Inc. und der Klägerin eine Übertragung vereinbart wurde. - Davon zu trennen ist aber die Frage, ob im Rahmen einer Übertragung des Schutzrechts auch Ansprüche aus der Verletzung des Klagepatents für die Zeit vor der Übertragung abgetreten werden, welche vorliegend die A Inc. als vormalige Patentinhaberin haben könnte. Eine solche Abtretung setzt eine über die bloße Schutzrechtsübertragung hinausgehende Vereinbarung voraus, die in deren Rahmen erfolgen kann, aber nicht muss. Zu einer solchen rechtsgeschäftlichen Abtretung sagt aber das Patentregister schlicht nichts aus. Es besteht auch kein Erfahrungssatz, nach dem bei der Übertragung eines Schutzrechts üblicherweise auch Ansprüche aus vergangenen Patentverletzungen an den neuen Patentinhaber abgetreten werden. Genauso gut ist es möglich, dass die Ansprüche wegen Verletzungen des Schutzrechts vor dessen Übertragung bei der vormaligen Patentinhaberin verbleiben.
- b)
Aufgrund des Bestreitens der Beklagten hätte es der Klägerin daher oblegen, näher zu der von den Beklagten ausdrücklich bestrittenen Abtretung vorzutragen und ggf. Beweis anzubieten. Dies ist nicht erfolgt. Vielmehr hat die Klägerin weiterhin auf eine tatsächlich nicht bestehende Indizwirkung des Registers beharrt, obwohl die Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass der Verweis auf das Register insoweit für einen substantiierten Vortrag nicht ausreicht. Ohne entsprechenden Vortrag kann die Kammer aber eine Abtretung nicht feststellen. Auch ist kein Beweismittel benannt worden.II.
Die (nunmehr) allein streitgegenständliche ursprüngliche angegriffene Ausführungsform verletzt Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß. Gegen die von der Klägerin zutreffend dargelegte Verwirklichung der Merkmale des Klagepatentanspruchs haben die Beklagten keine konkreten Einwände erhoben, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind. Lediglich der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das Klagepatent vier Tassentrennschnecken verlangt, was zwischen den Parteien auch zu Recht unstreitig ist. - III.
Aufgrund der Patentverletzung ergeben sich die aus dem Tenor ersichtlichen Rechtsfolgen. - 1.
Die Klägerin hat aus eigenem Recht Anspruch auf Schadensersatz aus § 139 Abs. 2 PatG gegen die Beklagte zu 1) für Handlungen ab dem 27.12.2018 und gegen den Beklagten zu 2) – aufgrund seiner Bestellung zum Geschäftsführer erst am 01.12.2018 – für Handlungen ab dem 01.01.2019. - a)
Der Beklagten zu 1) kommt auch das für den Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden zu, das hier als Fahrlässigkeit (§ 276 BGB) vorliegt. - aa)
Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (§ 276 Abs. 2 BGB). Der Vorwurf der Fahrlässigkeit einer Patentverletzung setzt voraus, dass der objektiv patentverletzend Handelnde den patentverletzenden Charakter seines Verhaltens bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können. - Da sich grundsätzlich jeder Gewerbetreibende vor Aufnahme einer Benutzungshandlung nach etwa entgegenstehenden Schutzrechten Dritter zu vergewissern hat und die erfolgte Patenterteilung in allgemein zugänglichen Quellen bekannt gemacht wird, kann aus dem Vorliegen einer rechtswidrigen Benutzung des Patents in aller Regel auf ein (zumindest fahrlässiges) Verschulden des Benutzers geschlossen werden (vgl. BGH, GRUR 1977, 250, 252 – Kunststoffhohlprofil I; BGH, GRUR 1993, 460, 464 – Wandabstreifer). Von Gewerbetreibenden wird erwartet, dass sie sich über fremde Schutzrechte informieren, die ihren Tätigkeitsbereich betreffen und sie auch deren Schutzbereich prüfen, sofern die Art ihrer gewerblichen Tätigkeit es nicht als ausgeschlossen erscheinen lässt, dass von geschützten Gegenständen oder Verfahren Gebrauch gemacht wird (vgl. LG Mannheim, InstGE 7, 14, 16 – Halbleiterbaugruppe). Insbesondere müssen Herstellungsunternehmen, deren Produkte fremde Schutzrechte verletzen könnten, die Schutzrechtslage zu überprüfen und sich auf geeignete Weise vergewissern, dass das eigene Erzeugnis nicht mit Rechten Dritter kollidiert (BGH, GRUR 1977, 598, 601 – Autoskooter-Halle). Aber auch von einem reinen Handelsunternehmen, das auf technische Gegenstände einer bestimmten Art oder Gattung spezialisiert ist, ist grundsätzlich eine eigene Prüfung der Schutzrechtslage zu erwarten. Dies gilt selbst dann, wenn die Prüfung wegen der technischen Komplexität des betroffenen Gegenstandes mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2017 – I-2 U 43/12 – Rn. 214 bei Juris; LG Mannheim, InstGE 7, 14, 16 – Halbleiterbaugruppe).
- Hat in der Zulieferkette bereits eine ernsthafte, sorgfältige und sachkundige Prüfung daraufhin stattgefunden, ob das Produkt Schutzrechte im Bestimmungsland verletzt, so reduziert sich die Pflicht des Händlers darauf, sich zu vergewissern, dass die Schutzrechtslage verlässlich verifiziert worden ist (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 14. Aufl. 2022, Kap. D. Rn. 678). Dabei muss der Nachweis eingefordert werden, dass eine sachkundige und hinreichend erfahrene Person die Verletzungsfrage gewissenhaft mit dem (zumindest vertretbaren) Ergebnis einer Nichtverletzung begutachtet hat, und zwar sowohl in tatsächlicher Hinsicht (Beschaffenheit der angegriffenen Ausführungsform) als auch in rechtlicher Hinsicht (Eingriff in den Schutzbereich?). Wer selbst keine geeigneten Untersuchungen anstellt und wem auch von seinem Zulieferer kein verlässlicher Nachweis über die Nichtverletzung präsentiert wird, aber dennoch den Vertrieb aufnimmt, handelt schuldhaft (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.01.2017 – I-2 U 43/12 – Rn. 214 bei Juris; Kühnen, a.a.O., Kap. D. Rn. 678).
- (1)
Entsprechendes gilt, wenn der Patentverletzer kein Händler ist, sondern – wie hier – ein Herstellungsunternehmen, dessen Auftraggeber eine Prüfung der Schutzrechtslage vorgenommen hat. Das Herstellungsunternehmen darf sich in dieser Konstellation nicht blind darauf verlassen, dass von dritter Seite das Produkt hinreichend auf mögliche Patentverletzungen überprüft worden ist. Vielmehr muss sich das betreffende Unternehmen selbst die Gewissheit verschaffen, dass die durchgeführte Schutzrechtsüberprüfung ausreichend war, um eine Exkulpation zu ermöglichen. - (2)
Ein Verschulden scheidet nicht zwingend aufgrund einer patentanwaltlichen Beratung im Vorfeld der Benutzungsaufnahme aus. Die Freizeichnung über die Einholung eines sachkundigen Rats, z.B. durch Einschaltung eines Patentanwalts, ist nicht ohne Weiteres möglich. Es erspart insbesondere keine sorgfältige eigene Prüfung der Sachlage. Will sich der Verletzer gleichwohl durch Einholung eines Gutachtens vom Verschulden befreien, so obliegt es ihm, dieses Gutachten dem Gericht zur Prüfung vorzulegen, damit dieses prüfen kann, ob das Gutachten tatsächlich eine überzeugende und nachprüfbare Begründung eines wirklichen Sachkenners enthält (BGH, GRUR 1959, 478). - bb)
Nach diesen Maßgaben handelte die Beklagte zu 1) schuldhaft. Selbst bei unterstellter Kenntnis des Schreibens der Patentanwälte vom 21.02.2012 (Anlage 5 der Beklagten) kann dieses den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht beseitigen. Aus den Schreiben kann eine gewissenhafte und fachkundige Überprüfung der Schutzrechtslage nicht ersehen werden. - (1)
Es ist bereits nicht ersichtlich, dass es der Auftrag von Patentwalt Dr. F war, Patentverletzungen durch die angegriffene Ausführungsform hinreichend sicher auszuschließen. Vielmehr soll sein Schreiben vom 21.02.2012 offenbar primär einen Überblick des Stands der Technik in Bezug auf (InCup-) Getränkeautomaten geben (vgl. S. 1 Anlage 5). - (2)
Der Patentanwalt hatte hierbei keine Kenntnis von dem zu fertigenden Getränkeautomaten (vgl. S. 4 f. Anlage 5). Es hat keine Überprüfung der Schutzrechtslage konkret bezüglich der (ursprünglichen) angegriffenen Ausführungsform stattgefunden. Vielmehr hat der Patentanwalt nur allgemein überprüft, welche Schutzrechte in Bezug auf Getränkeautomaten der Gattung wie der angegriffenen Ausführungsform bestehen könnten, wobei er einräumt, dass „Detaillösungen“ besprochen werden müssten. Ohne ausreichende Kenntnis des zu überprüfenden Produkts – also der angegriffenen Ausführungsform – kann eine Schutzrechtsrecherche nicht für sich in Anspruch nehmen, mit hinreichender Sicherheit eine Patentverletzung auszuschließen. - (3)
Die nicht ausreichende Prüfung zeigt sich auch darin, dass der Patentanwalt nur zu einem „grundsätzlichen Ergebnis“ (S. 5 Anlage 5) kommt, dass - „alle wesentlichen Komponenten eines solchen Getränkeautomaten patentfrei sind und dass man bei der Konstruktion in jedem Fall auf Lösungen zurückgreifen kann, die schon seit mehr als 20 Jahren veröffentlicht sind. Eine genauere Überprüfung muss nur dann erfolgen, wenn Komponenten oder technische Lösungen verwendet werden sollen, die gegenüber den frei verfügbaren Druckschriften neu sind. Über diese Detaillösungen müssten wir dann noch einmal sprechen.“
- Dies belegt, dass das Ziel der Recherche gerade nicht war, Patentverletzungen durch die angegriffene Ausführungsform auszuschließen, sondern zu belegen, dass gattungsgemäße Getränkeautomaten patentfrei konstruiert werden können. Ein solches Ergebnis ist aber von vornherein nicht dazu geeignet, ein Verschulden auszuschließen, insbesondere, da weitere Details gerade noch besprochen werden sollten und die Überprüfung – jedenfalls, was konkret die damals noch nicht vorliegende Ausgestaltung der angegriffene Ausführungsform angeht – damit noch nicht abgeschlossen war.
- (4)
Darüber hinaus durfte sich die Beklagte zu 1) nicht auf die Recherche von Patentanwalt Dr. F verlassen, da diese offensichtlich keine ausreichende Prüfungstiefe aufweist. Das Schreiben vom 21.02.2012 nennt „insgesamt etwa 500 Druckschriften“, die aufgefunden und durchgesehen wurden. Demgegenüber wurden nur 11,5 Stunden für die Ausarbeitung der Patentrecherche in Rechnung gestellt. Selbst wenn diese Zeit vollständig für die Durchsicht der recherchierten Schutzrechte aufgewendet worden wäre, würden pro Schrift rechnerisch im Durchschnitt weniger als 1,5 Minuten aufgewendet. Ohne weitere, hier von der darlegungsbelasteten Beklagten zu 1) nicht vorgetragenen Umstände, warum ein solcher Zeitraum zu Überprüfung ausgereicht hat, führt dies zu Zweifeln an der ausreichenden Detailtiefe der patentrechtlichen Überprüfung. - b)
Der Beklagte zu 2) haftet als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) (bzw. ihrer persönlich haftenden Gesellschaft) ab dem Zeitpunkt seiner Bestellung (01.12.2018) zuzüglich eines Monats Karenzzeit (wie beantragt) auf Schadensersatz. - Geschäftsführer haben kraft ihrer Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen. Die Haftung des Geschäftsführers folgt nicht aus seiner Geschäftsführerstellung als solcher, sondern aus der – von der Rechtsform des Unternehmens unabhängigen – tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeit und Zumutbarkeit der Beherrschung einer Gefahrenlage für absolut geschützte Rechte Dritter (BGH, GRUR 2016, 257, 264 – Glasfasern II). Die Verpflichtung, die Schutzrechtslage zu überprüfen, beruht nicht allein auf der allgemeinen Pflicht zum Schutz fremder Rechtsgüter. Sie ist vielmehr Ausdruck der gesteigerten Gefährdungslage, der technische Schutzrechte typischerweise ausgesetzt sind (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 115 f. – Glasfasern II). Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 117 – Glasfasern II).
Nach dieser Maßgabe haftet der Beklagte zu 2). Dieser hat insbesondere nicht dar-gelegt, welche organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine Klagepatentverletzung des Unternehmens zu verhindern. Die erfolgte Schutzrechtsrecherche ist – wie bereits dargelegt – nicht geeignet, ein Verschulden entfallen zu lassen.
- Für das Verschulden des Beklagten zu 2) ist es unerheblich, dass die patentanwaltliche Recherche vor seiner Bestellung als Geschäftsführer erfolgt ist. Ein neu bestellter Geschäftsführer hat auch hinsichtlich einer schon laufenden Produktion sicherzustellen, dass diese keine Patentrechte verletzt. Daher haftet er wegen Fahrlässigkeit, wobei ihm insoweit ein Monat Karenzzeit ab seiner Bestellung für die Überprüfung einzuräumen ist, in dem die Patentverletzungen der Beklagten zu 1) nicht auf dessen Verschulden beruhten.
- c)
Da durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. - 2.
Der Auskunftsanspruch gegenüber den Beklagten ergibt sich aufgrund der Patentverletzung unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. - Die zuerkannte Pflicht zur Rechnungslegung folgt aus §§ 242, 259 BGB. Die Klägerin ist auf die Angaben zur Bezifferung ihrer Schadensersatzansprüche angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Aufgrund des Karenzmonates hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs haftet der Beklagte zu 2) erst für Handlungen ab dem 01.01.2019 für den Rechnungslegungsanspruch.
- 3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch auf Rückruf aus § 140a Abs. 3 PatG zu. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen ist dieser zwar nicht nach § 140a Abs. 4 PatG ausgeschlossen, jedoch wie aus dem Tenor ersichtlich zu beschränken.
Die Umgestaltung auf eine nicht-verletzende Ausführung stellt ein Minus zum Rückrufantrag dar. - a)
Die Anordnung des Rückrufs hat, ebenso wie die Anordnung der Vernichtung, über die Folgenbeseitigung hinaus eine Art Sanktionscharakter und ist wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in besonderem Maße dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterworfen (BGH, GRUR 2006, 504 – Parfümtestkäufe). Die Frage der Unverhältnismäßigkeit ist deshalb unter umfassender Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. So sind unter Berücksichtigung des generalpräventiven Zwecks der Vorschrift das Rückruf- bzw. Vernichtungsinteresse des Patentinhabers und das Erhaltungsinteresse des Verletzers abzuwägen (BGH, GRUR 1997, 899, 901 – Vernichtungsanspruch; BGH, GRUR 2019, 518, 519 – Curapor; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2015 – I-15 U 23/14 = GRUR-RS 2015, 06710). Im Rahmen der Abwägung kann auch die Frage von Bedeutung sein, ob im Einzelfall ein milderes Mittel zur Beseitigung der Störung zur Verfügung steht (BGH, GRUR 1997, 899, 901 – Vernichtungsanspruch; BGH, GRUR 2019, 518, 519 – Curapor; OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.2020 – I-2 U 31/19 = GRUR-RS 2020, 45854). - Ein Rückruf ist unverhältnismäßig, wenn sein Zweck ebenso effektiv auf andere Weise als durch „vollständigen“ Rückruf des Erzeugnisses gegen Erstattung des Kaufpreises erreicht werden kann. Eine Unverhältnismäßigkeit kann sich zunächst daraus ergeben, dass die drohenden Gefahren ebenso effektiv auch auf andere Weise als durch vollständige Vernichtung des Erzeugnisses beseitigt werden können (BGH, GRUR 2006, 504 – Parfümtestkäufe). Verfügt der Verletzer bereits über eine patentfreie Ausweichtechnik, die er seinem Abnehmer im Austausch gegen den Verletzungsgegenstand anbieten kann, so ist eine Rücknahme des Verletzungsgegenstandes gegen Erstattung des Kaufpreises unverhältnismäßig, weil mit der Rücknahme gegen patentfreie Ersatzlieferung ein milderes Mittel zur Verfügung steht, mit dem die Störung ebenso sicher und endgültig beseitigt werden kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.2020 – I-2 U 31/19 = GRUR-RS 2020, 45854 Rn. 63). Die Prüfung der gleichermaßen vorhandenen Eignung der Beseitigungsalternative muss ergeben, dass auch von dritter Seite nicht durch nachträgliche Manipulationen wieder der patentverletzende Zustand hergestellt und das Objekt alsdann wieder in den Verkehr gebracht wird, ansonsten scheidet eine Verurteilung zur bloß eingeschränkten Vernichtung in aller Regel aus (OLG Düsseldorf InstGE 7, 139 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2018, 22632; BeckOK PatR/Rinken, 24. Ed. 15.4.2022, PatG § 140a Rn. 29), was gleichermaßen für den Rückrufanspruch gilt.
- b)
Dies vorausgeschickt ist eine Verurteilung vollumfänglichen Rückruf der angegriffenen Ausführungsform zu weitgehend. Der Beklagten zu 1) ist aus Verhältnismäßigkeitsgründen die Möglichkeit des Austauschs der angegriffenen Ausführungsform gegen eine patentfreie Ersatzlösung einzuräumen, indem eine der vier Tassentrennschnecken irreversibel entfernt wird. Eine solche Ausgestaltung fällt nicht mehr in den Schutzbereich des Klagepatents, das zwei innere und zwei äußere Tassentrennschnecken verlangt. - Die Klägerin hat entsprechend von vornherein keine Ansprüche gegen das jetzige Produkt der Beklagten geltend gemacht, das originär nur drei Tassentrennschnecken aufweist (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 28.01.2022, Bl. 233 GA). Soweit die Klägerin zwischenzeitlich vorgetragen hat, eine Abwandlung der angegriffenen Ausführungsform sei nicht ausreichend, da diese in einen klagepatentgemäßen Zustand zurückgerüstet werden könnte, hat sie diesen Einwand fallen gelassen. Hinsichtlich der abgewandelten Ausführungsform hat sie ursprünglich argumentiert, diese sei mittelbar patentverletzend, da sie in einen klagepatentverletzten Zustand versetzt werden könne. Insoweit hat die Klägerin die Klage aber zurückgenommen, da ein Eingehen hierauf aus ihrer Sicht unverhältnismäßig wäre. Dies ist dahingehend zu verstehen, dass die Klägerin auch auf den inhaltlich entsprechenden Einwand der Rückrüstbarkeit der (ursprünglichen) angegriffenen Ausführungsform im Rahmen des Rückrufanspruchs verzichtet. Dies zeigt sich auch darin, dass sie mit Schriftsatz vom 28.01.2022 (S. 26 = Bl. 256 GA) ausgeführt hat, es sei zwischen den Parteien nur noch die Frage des Verschuldens streitig, womit die Klägerin zum Ausdruck gebracht hat, dass sie keine Entscheidung über die Rückrüstbarkeit mehr wünscht und daher ihre Argumentation insoweit aufgibt. Die von ihr angestrebte Reduzierung des Streitstoffs ginge fehl, wenn man die technische Diskussion zur Rückrüstbarkeit zwar nicht mehr bei der Frage der mittelbaren Patentverletzung führen müsste, aber gleichwohl im Hinblick auf den Rückruf. Auch im Schriftsatz vom 06.07.2022 hat sie nur pauschal vorgetragen, der Rückrufanspruch sei verhältnismäßig.
- 4.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform. Die Zuerkennung des Vernichtungsanspruchs nach § 140a Abs. 1 PatG setzt voraus, dass der Beklagte patentverletzende Gegenstände im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor Gericht (noch) in seinem Besitz oder Eigentum hat (LG Düsseldorf, InstGE 13, 1 – Escitalopram-Besitz). Dies lässt sich hier nicht feststellen. - a)
Im Allgemeinen genügt zwar die Behauptung, dass der Beklagte zu irgendeinem Zeitpunkt nach Erteilung des Patents im Besitz oder Eigentum schutzrechtsverletzender Gegenstände war, weil bereits damit der Vernichtungsanspruch entstanden ist. Macht der Beklagte jedoch nachvollziehbar geltend oder liegt es sonst auf der Hand, dass der ursprünglich gegebene Besitz nachträglich entfallen und ein Besitz oder Eigentum des Beklagten im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht mehr gegeben ist, so scheidet eine Verurteilung zur Vernichtung aus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kläger konkrete Tatsachen dartut, um den Beklagtenvortrag zu erschüttern (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.2020 – I-2 U 31/19 = GRUR-RS 2020, 45854 Rn. 57 m.w.N.). - b)
Die Beklagte zu 1) hat hier ausreichend vorgetragen, nicht mehr im Eigentum oder Besitz der angegriffenen Ausführungsform zu sein. Sie hat dargetan, dass sie die (ursprünglich) angegriffene Ausführungsform abgewandelt hat, indem die vierte Tassentrennschnecke entfernt wurde. Diese abgewandelte Ausführungsform war auch Gegenstand der zwischenzeitlichen, später wieder zurückgenommenen Klageerweiterung, wobei deren technische Ausgestaltung intensiv diskutiert wurde. Den nachvollziehbaren Vortrag der Beklagten zu 1), die ursprünglich angegriffene Ausführungsform abgewandelt zu haben und nicht mehr in deren Besitz oder Eigentum zu sein, hat die Klägerin nicht erschüttert. Die Klägerin ist grundsätzlich für die Anspruchsvoraussetzung des (inländischen) Besitzes oder Eigentums darlegungspflichtig. Demgegenüber beschränkt sich ihr Vortrag auf das Bestreiten mit Nichtwissen der von den Beklagten vorgetragenen Umrüstung; sie trägt aber keine Tatsachen vor, die Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten erlauben. - Der Inlandsbesitz lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Beklagte zu 1) zum Rückruf verurteilt wurde, weshalb damit zu rechnen sei, dass Verletzungsgegenstände zukünftig in ihren Besitz gelangen werden. Zum einen ist die bloße Chance auf einen anspruchsgemäßen Besitz tatbestandlich solange irrelevant, wie er nicht unstreitig oder tatrichterlich festgestellt ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.07.2020 – I-2 U 31/19 = GRUR-RS 2020, 45854 Rn. 57). Zum anderen hat die Beklagte zu 1) hier die Möglichkeit, die angegriffene Ausführungsform in einen klagepatentfreien Zustand umzugestalten, so dass keine klagepatentverletzenden Automaten in ihren Besitz gelangen.
- 5.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von EUR 3.456,59 aus § 139 Abs. 2 PatG für die rechtsanwaltliche Abmahnung der Klägerin mit Schreiben vom 07.01.2022 (Anlage K 22) hinsichtlich der Benutzungsform des Herstellens und der (ursprünglich) angegriffenen Ausführungsform.
a)
Die Verpflichtung des Patentverletzers, die im Zusammenhang mit der Abwehr seiner Verletzungshandlungen (in Form einer Abmahnung) entstehenden Rechtsverfolgungskosten zu tragen, besteht (neben den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag) aus den Rechtsgrundsätzen des Schadensersatzes (BGH, GRUR 1995, 338, 342 – Kleiderbügel; Mes, 5. Aufl. 2020, PatG § 139 Rn. 283). - Die aufgrund der Verletzung des Klagepatents durch die Herstellung der angegriffenen Ausführungsform erzeugte Wiederholungsgefahr bestand im Zeitpunkt der Abmahnung, da die Beklagten insoweit keine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Nur eine solche kann aber die einmal entstandene Wiederholungsgefahr wieder entfallen lassen. Hierfür reicht die von den Beklagten angeführte Einstellung der Herstellung nicht aus (vgl. Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl. 2022, § 139 Rn. 58).
- Weiterhin steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die Beklagten für die übrigen Benutzungsformen bereits zuvor eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Hiermit wird nicht jede Wahrscheinlichkeit einer Patentverletzung ausgeschlossen. Es hätte den Beklagten oblegen, diese so zu formulieren, dass sie auch die Benutzungsform des Herstellens abgedeckt, um so die weitere Abmahnung zu vermeiden.
- b)
Der Betrag von EUR 3.456,59 ergibt sich ausgehend von einem Gegenstandswert von EUR 200.000,00 und 1,3 Geschäftsgebühren zuzüglich Mehrwertsteuer und Auslagenpauschale. - IV.
Die zuerkannten Ansprüche der Klägerin sind auch durchsetzbar. Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift gegen die bestehenden Ansprüche nicht durch. Aufgrund der fehlenden Aktivlegitimation kann die Klägerin nur Ansprüche für Handlungen ab dem 27.12.2018 geltend machen. Diese wären nach §§ 199 Abs. 1, 195 BGB frühestens mit Ablauf des 31.12.2021 verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Verjährung durch die Erhebung der Klage im Jahre 2020 bereits nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. - V.
1.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2, 91a ZPO. - Die Kosten für den von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärten Unterlassungsanspruch aus dem Klagepatent trägt die Klägerin nach § 91a ZPO. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Zwar hätte die Klägerin hinsichtlich des für erledigt erklären Unterlassungsanspruchs obsiegt, da ihr wegen der Verletzung des Klagepatents ein Anspruch aus § 139 Abs. 1 PatG zustand. Jedoch ist bei der Entscheidung nach § 91a ZPO auch der Rechtsgedanken des § 93 ZPO zu berücksichtigen (vgl. BGH, NJW-RR 2006, 773; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2020, 252; Musielak/Voit/Flockenhaus, 19. Aufl. 2022, ZPO § 91a Rn. 23). Nach dieser Vorschrift trägt der Kläger die Prozesskosten, wenn der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat und der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt. Entsprechendes gilt bei der Entscheidung nach § 91a ZPO, wenn der Beklagte den eingeklagten Anspruch tatsächlich erfüllt, ohne dass er zuvor Anlass zur Klage gegeben hat und die Parteien den Rechtsstreit dann für erledigt erklären (OLG Düsseldorf, NJW-RR 2020, 252).
- So liegen die Dinge hier: Die Beklagten haben nach Klageerhebung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Dass die Beklagten Anlass zur Klage gegeben. haben, ist nicht ersichtlich, insbesondere ist keine vorherige Abmahnung erfolgt. Weiterhin wäre im Zeitpunkt der Abgabe der Unterlassungserklärung auch ein sofortiges Anerkenntnis noch möglich gewesen, da die Beklagten in der Verteidigungsanzeige vom 02.04.2020 (Bl. 46 f. GA) keine Anträge gestellt haben. Für die Kostenfolge nach § 91a ZPO macht es keinen Unterschied, ob die Beklagten den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennen oder ihn außergerichtlich erfüllen. Beides führt zur materiell-rechtlichen Befriedigung der Klägerin.
- 2.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin wurden Teilsicherheiten zur vorläufigen Vollstreckung der einzelnen zuerkannten Ansprüche festgesetzt. - VI.
Der nach dem Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, eingegangene Schriftsatz der Beklagten vom 12.10.2022 fand bei der Entscheidung keine Berücksichtigung, § 296a ZPO. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht geboten. - VII.
Der Streitwert wird auf bis zu EUR 2.500.000,00 festgesetzt, wovon EUR 200.000,00 auf den gesamtschuldnerisch geltend gemachten Schadensersatzanspruch entfallen.