Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3340
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Dezember 2023, Az. 4a O 102/17
- 1. Die Klage wird abgewiesen.
- 2. Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe auferlegt.
- 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf patentverletzender Erzeugnisse sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
- Die Klägerin ist die im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragene Inhaberin (vgl. den in Anlage K2 vorgelegten Registerauszug) des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 313 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent; vorgelegt als Anlage K1 und in deutscher Übersetzung als Anlage K1a). Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 14.05.2009 unter Inanspruchnahme des Prioritätsdatums 16.05.2008 der SE XXX angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 07.12.2016 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents.
- Das Klagepatent steht in Kraft. Das zwischen den Parteien geführte Rechtsbestandsverfahren ist beendet. Das Bundespatentgericht (nachfolgend: BPatG) hatte das Klagepatent zunächst mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt (Az.: 5 Ni 2/18 (EP), Anlage K14). Der Bundesgerichtshof (nachfolgend: BGH) hat die Nichtigkeitsklage auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 07.12.2021 rechtskräftig abgewiesen und das Klagepatent in unverändertem Umfang aufrechterhalten (Az.: X ZR 111/19, Anlage K13).
- Der geltend gemacht Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der englischen Verfahrenssprache des Klagepatents wie folgt:
- “1. Dispenser housing comprising a dispenser part (20, 90, XXX, 110), the dispenser part comprising at least two component parts (17, 18; 31, 32; 41 a, 42a; 41 b, 42b; 41 c, 42c; 41 d, 42d, 51, 61, 71; 91, 92; 101, 102; 111, 112a, 112b; 121 a, 121 b, 122) each joined by a seam (21; 33; 43a, 43b, 43c, 43d, 93, 103, 113a, 113b, 123a, 123b), said dispenser part (20, 90, XXX, 110) comprising a first injection moulded plastic component part (17; 31; 41 a, 41 b, 41 c, 41 d, 51, 61, 71, 91, 101, 111, 121 a, 121 b) with an associated first mating surface; a second injection moulded plastic component part (18; 32; 42a, 42b, 42c, 42d, 92, 102, 112a, 112b, 122) having an associated second mating surface; a seam (21; 43a, 43b, 43c, 43d, 93, 103, 113a, 113b, 123a, 123b) is formed by said first mating surface and said second mating surface during injection moulding for joining said first component part (17; 31; 41 a, 41b, 41c, 41d, 51, 61, 71, 91, 101, 111, 121 a, 121 b) and said second component part (18; 32; 42a, 42b, 42c, 42d, 92, 102, 112a, 112b, 122) to define the dispenser part (20, 90, XXX, 110), each component part (17, 18; 31, 32; 41 a, 42a; 41 b, 42b; 41 c, 42c; 41d, 42d, 51, 61, 71; 91, 92; 101, 102; 111, 112a, 112b; 121 a, 121 b, 122) comprising a front surface, a first and a second side surface each having an edge facing away from the front surface, wherein the resulting seam (21; 33; 43a, 43b, 43c, 43d, 93, 103, 113a, 113b, 123a, 123b) extends from a side edge of a first side surface of the dispenser part to a side edge of a second side surface of the dispenser part,
- characterised in that the dispenser part (20;90;XXX;110) is detachably joined to a rear dispenser section (96; 106; 116), in order to form the dispenser housing (97; 107; 117), wherein the rear dispenser section (96, 106, 116) is arranged to be mounted on a vertical wall, and wherein the dispenser housing (97, 107, 117) is for a dispenser for a stack of paper towels or a roll of paper.”
- In deutscher Übersetzung gemäß dem Klagepatent lautet Anspruch 1:
- „1. Spendergehäuse mit einem Spenderteil (20, 90, XXX, 110), wobei der Spenderteil mindestens zwei Komponententeile (17, 18; 31, 32; 41a, 42a; 41b, 42b; 41c, 42c; 41d, 42d, 51, 61, 71; 91, 92; 101, 102; 111, 112a, 112b; 121a, 121b, 122) aufweist, die jeweils durch eine Fuge (21; 33; 43a, 43b, 43c, 43d, 93, 103, 113a, 113b, 123a, 123b) verbunden sind, jedes Spenderteil (20, 90, XXX, 110) ein erstes spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil (17; 31; 41a, 41b, 41c, 41d, 51, 61, 71, 91, 101, 111, 121a, 121b) mit einer zugehörigen ersten Verbindungsfläche und ein zweites spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil (18; 32; 42a, 42b, 42c, 42d, 92, 102, 112a, 112b, 122) mit einer zugehörigen zweiten Verbindungsfläche aufweist, wobei durch die erste Verbindungsfläche und die zweite Verbindungsfläche während des Spritzgießens zum Verbinden des ersten Komponententeils (17; 31; 41a, 41b, 41c, 41d, 51, 61, 71, 91, 101, 111, 121a, 121b) und des zweiten Komponententeils (18; 32; 42a, 42b, 42c, 42d, 92, 102, 112a, 112b, 122) eine Fuge (21; 43a, 43b, 43c, 43d, 93, 103, 113a, 113b, 123a, 123b) ausgebildet wird, um das Spenderteil (20, 90, XXX, 110) zu definieren, wobei jedes Komponententeil (17, 18; 31, 32; 41a, 42a; 41b, 42b; 41c, 42c; 41d, 42d, 51, 61, 71; 91, 92; 101, 102; 111, 112a, 112b; 121a, 121b, 122) eine vordere Fläche aufweist, wobei eine erste und eine zweite Seitenfläche jeweils eine von der vorderen Fläche abgewandte Kante aufweisen, wobei sich die resultierende Fuge (21; 33; 43a, 43b, 43c, 43d, 93, 103, 113a, 113b, 123a, 123b) von einer Seitenkante einer ersten Seitenfläche des Spenderteils zu einer Seitenkante einer zweiten Seitenfläche des Spenderteils erstreckt,
- dadurch gekennzeichnet, dass das Spenderteil (20; 90; XXX; 110) abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt (96; 106; 116) verbunden ist, um das Spendergehäuse (97; 107; 117) auszubilden, wobei der hintere Spenderabschnitt (96, 106, 116) eingerichtet ist, um an einer vertikalen Wand montiert zu sein, und das Spendergehäuse (97, 107, 117) für einen Spender ist, der für einen Stapel von Papiertüchern oder eine Papierrolle vorgesehen ist.
- Hinsichtlich der nur in der Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 2, 4, 5, 6 und 7 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre wird nachfolgend Fig. 13 des Klagepatents verkleinert eingeblendet:
- Fig. 13 ist nach den Abs. [0055], [0083] der Beschreibung des Klagepatents ein erstes Beispiel eines Spendergehäuses, der ein erfindungsgemäßes Spenderteil (Bezugsziffer 90) umfasst. Dieses wird nach Abs. [0083] von einem transparenten ersten Komponententeil 91 und einem opaken zweiten Komponententeil 92 gebildet, die durch eine Fuge 93 verbunden sind. Diese Fuge 93 erstreckt sich von einer ersten Seitenkante 94 zu einer zweiten Seitenkante 95. Das Spenderteil 90 ist mit einem hinteren Spenderabschnitt 96 lösbar verbunden, um ein Spendergehäuse 97 zu bilden, etwa für einen Stapel Papierhandtücher.
- Gemäß Abs. [0055], [0084] der Klagepatentbeschreibung zeigt Fig. 14 ein zweites Beispiel eines Spendergehäuses, der ein erfindungsgemäßes Spenderteil XXX umfasst. Das erste Komponententeil 101 des Spenderteils und dessen zweites Komponententeil 102 sind durch eine Fuge 103 verbunden, die sich von einer ersten Seitenkante 104 zu einer zweiten Seitenkante 105 erstreckt. Das Spenderteil XXX ist gem. Abs. [0084] der Klagepatentbeschreibung lösbar mit einem hinteren Spenderabschnitt 106 verbunden, um ein Spendergehäuse 107 zu bilden, z.B. für eine Rolle Papier.
- Die Klägerin ist ein schwedisches Unternehmen, das u.a. Hygienepapierprodukte und -spender weltweit vertreibt. Die Beklagte ist eine in X ansässige Wettbewerberin der Klägerin auf diesem Markt. Sie vertreibt unter der Marke „A“ Spender für Toilettenpapier und Papierhandtücher, etwa … (nachfolgend zusammenfassend: angegriffene Ausführungsformen) in Deutschland.
- Im Hinblick auf die Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen wird auf die Abbildungen in Anlage B2 sowie Anlage K15 verwiesen Die angegriffenen Ausführungsformen zeigte bzw. zeigt die Beklagte etwa auf der Messe C X in D sowie in ihrem Online-Katalog. Die angegriffenen Ausführungsformen gehören derselben Serien der Beklagten an und werden trotz zwischenzeitlichen Erscheinens einer neuen Serie weiterhin vertrieben, etwa in einem online abrufbaren Produktkatalog der Beklagten (Anlage K15). Die angegriffenen Ausführungsformen 4a bis 12a hat die Klägerin erst im Laufe des Verfahrens in dieses eingeführt. Beispielhaft werden nachfolgend aus der Anlage B2 stammende Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform 1 eingeblendet:
- (Vorder- und Rückseite der angegriffenen Ausführungsform 1)
- (Unterseite und Innenansicht der Verbindung von Bauteilen der angegriffenen Ausführungsform 1)
- Der Kammer wurden von der Klägerin Muster der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 (Anlagen K7.1, K 7.2, K 7.3) sowie von der Beklagten Muster der angegriffenen Ausführungsformen 2, 3, 4a, 7a, 9a, 11a (Anlage B45, B46, B44, B47, B48 und B49) zur Verfügung gestellt.
- Alle angegriffenen Ausführungsformen weisen jedenfalls eine durchsichtige und eine schwarze oder weiße Komponente auf, die durch eine jeweils geschwungene Fuge miteinander verbunden sind. Zum Befüllen kann das vordere Spenderteil der angegriffenen Ausführungsformen jeweils nach vorne zum Nutzer hin aufgeklappt werden, wobei es am Gehäuse mit zwei Scharnieren verbunden ist und um diese verschwenkt wird.
- Die Beklagte bezieht die angegriffene Ausführungsformen 1 und 2 von der Streithelferin zu 1). Die angegriffene Ausführungsform 3 bezieht sie von der Streithelferin zu 2).
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten die Lehre des Klagepatents hinsichtlich aller Merkmale wortsinngemäß.
- Bereits aus der Zusammenschau der Merkmale ergebe sich, dass der Begriff der „Seitenfläche“ des Spenderteils allein zur Abgrenzung gegenüber dem Begriff der „vorderen Fläche“ zu verstehen sei und dazu diene, den Verlauf der Fuge zu definieren. Entscheidend sei der Verlauf der Fuge zwischen zwei freien Seitenkanten, die jeweils einer der die vordere Fläche begrenzenden Seitenfläche zugeordnet sind. Der Anspruchswortlaut beschränke den Begriff der Seitenfläche nicht auf die rechte oder linke Seitenfläche (ausgehend von der Frontalansicht). Auch zeige Abs. [0102] der Klagepatentschrift, dass auch ein vertikaler Verlauf der Fuge – d.h. zwischen einer oberen und einer unteren Seitenfläche – vom Klagepatent erfasst wird. Entsprechend mit der Auslegung der Klägerin sei auch in den Urteilen des BPatG und des BGH festgestellt worden, dass die obere und damit auch die untere Deckfläche als klagepatentgemäße Seitenfläche anzusehen sei.
- Alle angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten demnach das Merkmal, wonach die Fuge sich von einer Seitenkante einer ersten Seitenfläche des Spenderteils zu einer Seitenkante einer zweiten Seitenfläche des Spenderteils erstreckt. Bei allen verliefen die Fugen zwischen den Komponententeilen von einer ersten Seitenkante der unteren Deckfläche bis zu einer zweiten Seitenkante der oberen Deckfläche des Spenderteils.
- Insbesondere sei das Merkmal, wonach das Spenderteil abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht.
- Der Anspruchswortlaut verdeutliche, dass die Abnehmbarkeit des Spenderteils und dessen weitere Verbindung sich nicht gegenseitig ausschließen; beansprucht sei eine „abnehmbare Verbindung“. Dem Anspruchswortlaut werde der Fachmann entnehmen, dass Spenderteil und hinterer Spenderabschnitt verbunden sein sollen und damit eine gemeinsame Einheit bilden. Diese Verbindung werde durch das Adjektiv „abnehmbar“ („detachable“) konkretisiert. Demnach sei die Verbindung der beiden Bauteile nicht notwendigerweise permanent, sondern es sei möglich („able“), dass Spenderteil vom hinteren Spenderabschnitt zu lösen. Mehr besage der Zusatz „abnehmbar“ nicht. Insbesondere indiziere er nicht, dass das Spender teil vollständig abgenommen werden müsse. Funktional bezwecke dieses Merkmal, dass sich der Spender einfach befüllen lasse. Dem Klagepatent komme es nicht auf eine vollständige Trennung der beiden Teile an. Eine solche sei für das Befüllen nicht erforderlich und auch in den Figuren oder der Beschreibung des Klagepatents nicht vorgegeben. Dass keine Trennbarkeit gefordert werde, ergebe sich auch aus dem Urteil der Kammer im Parallelverfahren zum Az. 4a O 61/18.
- Auch die Darstellung des Standes der Technik durch das Klagepatent erfordere kein engeres Verständnis des Begriffes „abnehmbar“ im Klagepatent. Aus Abs. [0005] des Klagepatents, der sich mit den Schriften US XXX A1 (nachfolgend auch: US‘868) sowie US XXX A1 (nachfolgend auch: US‘XXX) beschäftige, ergebe sich nicht, dass der Schutzbereich des Anspruchs 1 in einer Weise einzuschränken sei, dass nur vollständig trennbare Ausführungsformen erfasst würden, sondern sie bestätigten gerade das Gegenteil. Durch die begriffliche Unterscheidung von „pivotably joined“ (US‘868) und „detachably joined“ (US‘XXX) werde kein technischer Nachteil von Verschwenkbarkeit bzw. „pivotably joined“ gegenüber „detachably joined“ gezeigt. Die US‘868 („pivotably joined“) befasse sich zudem gerade mit einem Papierspender, während die US‘XXX („detachably joined“) einen Flüssigkeitsspender betreffe. Dem Abs. [0005] des Klagepatents entnehme der Fachmann, dass im Stand der Technik eine verschwenkbare Verbindung bereits als funktionierende Lösung bekannt gewesen sei und „Abnehmbarkeit“ im Sinne des Klagepatents auch eine Verschwenkbarkeit einschließe. Entsprechend seien die Feststellungen aus dem von der Klägerin vorgelegten Sachverständigengutachten aus dem italienischen Parallelverfahren unzutreffend.
- Das BPatG und der BGH hätten in ihren Urteilen festgestellt, dass auch verschwenkbare Anordnungen der klagepatentgemäßen „Abnehmbarkeit“ unterfallen können. Es sei im Rechtsbestandsverfahren alleine darum gegangen, dass die Entgegenhaltung Ni3 in jedem Fall das die „abnehmbare Verbindung“ betreffende Merkmal offenbare, da es sich um eine verschwenkbare und abnehmbare Ausführung gehandelt habe.
- Bei allen angegriffenen Ausführungsformen sei eine klagepatentgemäße Abnehmbarkeit gegeben. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 3 habe die Beklagte selbst vorgetragen, wie dies erfolgen kann; bei den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 müsse lediglich der das Scharnier zusammenhaltende Pin herausgezogen werden. Dies sei ohne Beschädigung mit Werkzeug möglich, wie die Klägerin getestet habe. Die angegriffenen Ausführungsformen seien alle dahingehend aufklappbar, dass das Spenderteil und der hintere Spenderabschnitt nicht mehr so aneinander liegen, dass sie ein Gehäuse bilden. Eine „abnehmbare Verbindung“ sei aber selbst bei der Auslegung der Beklagten verwirklicht, da eine vollständige Trennbarkeit bei den angegriffenen Ausführungsformen gegeben sei. Dies gelte auch für die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2, bei denen sich der Pin im jeweiligen Scharnier herausschieben lasse, so dass beide Teile ohne Beschädigung voneinander gelöst werden könnten. Die Ausführungen zu den angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 sollen hinsichtlich dieses Merkmals auch in Bezug auf die angegriffenen Ausführungsformen 4a bis 12a gelten.
- Die Klägerin meint, ihr stehe ein Anspruch auf Auskunft, Rechnungslegung sowie Schadensersatz gegen die Beklagte auch hinsichtlich derjenigen Verbrauchsmaterialien, insbesondere Toilettenpapier und Handtücher, zu, deren Vertrieb ursächlich auf den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen zurückzuführen sei. Es genüge für die insofern erforderliche Kausalität bereits, wenn durch den Verkauf des verletzenden Produktes eine Nachfrage nach den Verbrauchsmaterialien geschaffen werde, was bei der Beklagten der Fall sei. Der Umsatz der Beklagten durch den Vertrieb der für die angegriffenen Ausführungsformen speziell vorgesehenen Verbrauchsmaterialien sei unmittelbar und ausschlaggebend auf den Vertrieb der patentverletzenden Vorrichtungen zurückzuführen. Der Geschäftsbetrieb der Beklagten sei in erster Linie auf die Herstellung und den Vertrieb von Hygieneprodukten und Papierprodukten ausgerichtet. Die angegriffenen Ausführungsformen seien nur ein Vehikel für die Erzielung des Umsatzes mit Verbrauchsmaterialien.
- Die Beklagte gebe darüber hinaus durch verschiedene Maßnahmen und Mechanismen vor, dass die angegriffenen Ausführungsformen ausschließlich mit den von ihr angebotenen Papierutensilien zu benutzen seien, sodass aus Sicht der Kunden der Eindruck entstehe, die Materialien zur Beschickung der Spender ausschließlich bei der Beklagten erwerben zu müssen.
- So biete die Beklagte die Papierutensilien, welche die Klägerin im Einzelnen auflistet, sowohl in ihrem Katalog, auf ihrer eigenen Website, als auch über verschiedene Vertriebsseiten Dritter für die Benutzung mit den angegriffenen Ausführungsformen an, wobei Verbrauchsmaterialien explizit als kompatibel mit den angegriffenen Ausführungsformen beworben oder unter der Rubrik „ähnliche Produkte“ oder „passendes Zubehör“ angeboten würden. Es handele sich um faktisch bindende Kompatibilitätshinweise. Die Beklagte präsentiere die angegriffenen Spender und die zugehörigen Papiermaterialien stets als Einheit. Sie bewerbe, dass das System aus Papier und Spender zu einem reduzierten Papierverbrauch führe und damit zur Nachhaltigkeit beitrage. Es werde impliziert, dass eine Kompatibilität der angegriffenen Ausführungsformen ausschließlich mit den A-Papiermaterialien der Beklagten gegeben sei, so dass der Erwerber diese zu beziehen habe.
- Zudem stelle die Beklagte durch technische Maßnahmen sicher, dass die eigenen Verbrauchsmaterialien mit den angegriffenen Ausführungsformen in besonderer Weise kompatibel sein, nämlich spezifische Steck- und Haltemechanismen der angegriffenen Ausführungsformen 1, 2, 4a und 5a. Etwa wiesen Stäbe, auf welche die Papierrollen der Beklagten gerollt seien und welche fester Bestandteil der Papierrollen seien, eine wabenartige Öffnung im Inneren auf, welche auf die passende Erhebung („Plug“) im Inneren des Toilettenpapierspenders gesteckt werde. Es werde hierdurch sichergestellt, dass der jeweilige Spender, d. h. die angegriffene Ausführungsform, faktisch nur mit den Verbrauchsmaterialien der Beklagten befüllt werden könne. Dass der Stab der Papierrolle oder andere Bestandteile aufgebrauchter Papierrollen seitens der Abnehmer eine Zweitverwendung erfahren, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen
- Weiterhin stelle die Beklagte mit entsprechenden Angaben auf der Verpackung der angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 sicher, dass der Spender ausschließlich mit Verbrauchsmaterialien der Beklagten zu nutzen sei und Erwerber der angegriffenen Ausführungsformen Papiermaterial ausschließlich von ihr bezögen. Der Hinweis auf der Verpackung laute „To be used only with Lucart Professional ‚Identiy‘ jumbo toilet rolls“ bzw. „ausschließlich mit Lucart Professional ‚A‘ Handtuchrollen zu benutzen“.
- Jedenfalls entfalle die im Rahmen der Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz dem Grunde nach für Verbrauchsmaterialien erforderliche Kausalität nicht dadurch, dass sich bei der Auskunftserteilung – etwa aufgrund des Dazwischenschaltens von Handelsvertretern – sowie bei der späteren Berechnung des Schadensersatzes Praktibilitätsprobleme ergeben können.
- Der Hilfsantrag der Beklagten auf Anordnung von Geheimnisschutz sei unzulässig sowie unbegründet. Der Gegenstand, auf den sich der Schutz beziehen solle, sei nicht absehbar. Die Klägerin bestreitet, dass es sich bei den von der Beklagten nur pauschal umschriebenen Informationen um Geschäftsgeheimnisse handeln soll.
- Die Beklagte hat der Streithelferin zu 1) mit Schriftsatz vom 27.12.2017 den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 15.02.2018, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ist die Streithelferin zu 1) dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten (Bl. 217 f. GA). Die Beklagte hat weiterhin der Streithelferin zu 2) mit Schriftsatz vom 15.01.2018 den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 15.05.2018, bei Gericht am 16.05.2018 eingegangen, ist die Streithelferin zu 2) dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten ebenfalls beigetreten (Bl. 247 ff. GA).
- Ursprünglich hat die Klägerin Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz lediglich zu Benutzungshandlungen nach Ziff. A.I. bezüglich der angegriffenen Ausführungsformen selbst beantragt. Nunmehr macht sie Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz auch in Bezug auf Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in Vorrichtungen nach Ziffer A.I. geltend.
- Die Klägerin beantragt nunmehr,
- A. die Beklagte zu verurteilen,
- I. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- 1. Spendergehäuse mit einem Spenderteil, wobei der Spenderteil mindestens zwei Komponententeile aufweist, die jeweils durch eine Fuge verbunden sind, jedes Spenderteil ein erstes spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil mit einer zugehörigen ersten Verbindungsfläche und ein zweites spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil mit einer zugehörigen zweiten Verbindungsfläche aufweist, wobei durch die erste Verbindungsfläche und die zweite Verbindungsfläche während des Spritzgießens zum Verbinden des ersten Komponententeils und des zweiten Komponententeils eine Fuge ausgebildet wird, um das Spenderteil zu definieren, wobei jedes Komponententeil eine vordere Fläche aufweist, wobei eine erste und eine zweite Seitenfläche jeweils eine von der vorderen Fläche abgewandte Kante aufweisen, wobei sich die resultierende Fuge von einer Seitenkante einer ersten Seitenfläche des Spenderteils zu einer Seitenkante einer zweiten Seitenfläche des Spenderteils erstreckt,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
-
wobei das Spenderteil abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, wobei der hintere Spenderabschnitt eingerichtet ist, um an einer vertikalen Wand montiert zu sein, und das Spendergehäuse für einen Spender ist, der für einen Stapel von Papiertüchern oder eine Papierrolle vorgesehen ist;
– Klagepatent EP 2 313 XXX B1 (Anspruch 1) – -
2. insbesondere, wenn die erste Verbindungsfläche und die zweite Verbindungsfläche im Allgemeinen nicht planar sind
– Klagepatent EP 2 313 XXX B1 (Anspruch 2) – -
3. und/oder wenn das erste Komponententeil aus einem ABS-Kunststoffmaterial ist und das zweite Komponententeil aus einem MABS-Kunststoffmaterial ist
– Klagepatent EP 2 313 XXX B1 (Anspruch 4) – -
4. und/oder, für das Spendergehäuse nach Ziff. 3, das erste Komponententeil ein undurchsichtiges ABS- Kunststoffmaterial ist
– Klagepatent EP 2 313 XXX B1 (Anspruch 5) – -
5. und/oder, für das Spendergehäuse nach Ziff. 3, das zweite Komponententeil ein transparentes MABS- Kunststoffmaterial ist
– Klagepatent EP 2 313 XXX 81 (Anspruch 6) – -
6. und/oder wenn die Querschnittsdicke in Querrichtung bei der Fuge zwischen 1 und 6 mm und vorzugsweise zwischen 2,5 und 4,5 mm ist.
– Klagepatent EP 2 313 XXX B1 (Anspruch 7) – - II. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 7. Januar 2017 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- II.1. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in Vorrichtungen nach Ziffer A.I. an die unter Ziffer A.II.b) genannten gewerblichen Abnehmer seit dem 7. Januar 2017 geliefert hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
- c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
- wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- III. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 7. Januar 2017 begangen hat, und zwar unter Angabe:
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten, in Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- III.1. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in Vorrichtungen nach Ziffer A.I. an die unter Ziffer A.II.b) genannten gewerblichen Abnehmer seit dem 7. Januar 2017 geliefert hat, und zwar unter Angabe:
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- IV. die unter A. I. bezeichneten, seit dem 07.12.2016 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des … vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
- B. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu A.l. bezeichneten und seit dem 7. Januar 2017 begangenen Handlungen sowie durch den Vertrieb von Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in Vorrichtungen nach Ziff. A.I., welche sie an die unter Ziffer A.II.b) genannten gewerblichen Abnehmer seit dem 7. Januar 2017 geliefert hat entstanden ist und noch entstehen wird;
- Zudem beantragt die Klägerin die Festsetzung von Teilsicherheiten.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Die Streithelferinnen schließen sich dem Klageabweisungsantrag der Beklagten an.
- Hilfsweise beantragt die Beklagte, wobei sie zunächst auch begehrt hatte, Geschäftsgeheimnisse bei Akteneinsicht unkenntlich zu machen,
- I. die von
- 1. den Anträgen A II 1 und A III 1 aus dem Schriftsatz vom 16.03.2022
- 2. den Anträgen A II und A III aus der Klageschrift vom 19.09.2017 umfassten Auskünfte und Rechnungslegung über die Vorrichtungen gemäß Antrag Ziff. A I und über Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in Vorrichtungen gemäß Antrag Ziff. A I inklusive der entsprechenden geforderten Belege als geheimhaltungsbedürftig einzustufen, somit die in den genannten Anträgen geforderten Auskünfte und Rechnungslegungen über
- a. die Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
- b. die Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie die Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c. die Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie die Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden
- d. die einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und den jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie die Namen und Anschriften der Abnehmer;
- e. die einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und die jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie die Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
- f. die betriebene Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeit und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung die Domain, die Zugriffszeiten und die Schaltungszeiträume;
- g. die nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und den erzielten Gewinn.
- II. Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass die Einstufung als geheimhaltungsbedürftig zur Folge hat, dass die Parteien, ihre Prozessvertreter, Zeugen, Sachverständige, sonstige Vertreter und alle sonstigen Personen, die an dem Verfahren beteiligt sind oder Zugang zu Dokumenten aus dem Verfahren haben, die als geheimhaltungsbedürftig eingestuften, im Rahmen der aufgrund Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom … zum Az. 4a O 102/17 geschuldeten Auskunft und Rechnungslegung offengelegten Informationen vertraulich behandeln müssen und diese außerhalb etwaiger Vollstreckungsverfahren zu dem Verfahren 4a O 102/17, außerhalb der Bemessung einer eventuell dort festgestellten Verpflichtung der Beklagten zur Leistung von Schadensersatz und außerhalb eines sich gegebenenfalls anschließenden Betragsverfahrens nicht nutzen oder offenlegen dürfen, es sei denn, dass sie nachweislich von diesen außerhalb des hiesigen Verfahrens und eines möglichen Zwangsmittelverfahren[s] rechtmäßig Kenntnis erlangt haben und sich im Rahmen der gegebenenfalls mit dieser anderen Kenntniserlangung verbundenen Beschränkung halten. Diese Verpflichtung besteht auch nach Abschluss des Verfahrens und eines etwaigen Zwangsmittelverfahrens fort. Dies gilt nicht, wenn und soweit das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses hinsichtlich der Informationen aus vorstehender Ziff. I durch rechtskräftiges Urteil verneint wird oder sobald die betroffenen Informationen für Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit solchen Informationen umgehen, bekannt wurden oder ohne weiteres zugänglich werden, ohne dass dies auf einem Verstoß gegen die Geheimhaltungsverpflichtungen beruht. Bei schuldhafter Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Verpflichtungen kann das Gericht auf Antrag einer Partei ein Ordnungsgeld bis zu EUR XXX.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monate festsetzen und sofort vollstrecken.
- III. Der Zugang zu den unter I genannten Informationen, soweit sie im Verfahren vorgelegt werden, wird auf Seiten der Klägerin beschränkt auf
- den Präsidenten A und den Vizepräsidenten B;
- die innerhalb des erteilten Mandats mitwirkenden anwaltlichen, patentanwaltlichen und sonstigen Vertreter der Klagepartei, inklusive Sekretariatsmitarbeiter, Rechtsreferendare, Patentanwaltskandidaten und Werkstudenten, soweit sie innerhalb des erteilten Mandats mitwirken und vergleichbar einem Rechtsanwalt oder Patentanwalt zur Verschwiegenheit und Vertraulichkeit verpflichtet sind, werden von dieser Beschränkung nicht erfasst. Für sie gelten die in Ziff. II klargestellten Rechtsfolgen der Einstufung als geheimhaltungsbedürftig gemäß § 16 I Geschäftsgeheimnisgesetz.
- Die Klägerin beantragt,
- 1. den Antrag der Beklagten auf Geheimnisschutz zurückzuweisen;
- 2. hilfsweise: den von der Beklagten im Schriftsatz vom 30. September 2022 hilfsweise geltend gemachten Antrag zu IV., dass zusätzlich zu den dort genannten Personen den folgenden Mitarbeitern der Klägerin Zugang zu den unter Hilfsantrag I. genannten Informationen gewährt wird: C, D.
- Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 3 und 4a bis 12a verwirklichten allesamt nicht die Lehre des Klagepatents.
- Die Beklagte ist der Ansicht, Seitenflächen könnten im Anspruch nur auf die linke und rechte Seite des anspruchsgemäßen Spenderteils bezogen sein. Bei der Bestimmung der einzelnen Flächen des Spendergehäuses und des nach vorne gerichteten Spenderteils sei auf den Betrachtungswinkel des Nutzers abzustellen. Dies zeigten die Abs. [0030], [0084] und [0086] der Klagepatentbeschreibung. Insbesondere setzte Abs. [0030] Seitenfläche mit Seitenwand gleich. Von den Seitenflächen, die links und rechts der Vorderflächen – gesehen aus dem Betrachtungswinkel des Nutzers – angrenzen, seien die untere Fläche und die Oberfläche zu unterscheiden, die nach dem Klagepatent keine Rolle spielten. Wie Abs. [0034] des Klagepatents belege, weise jedes Komponententeil nur zwei Seitenflächen auf. Oberfläche und Unterfläche könnten patentgemäß nicht Seitenflächen sein, da das Spenderteil sonst vier Seitenflächen aufwiese. Die von der Klägerin angeführte Fig. 14 des Klagepatents stehe in Widerspruch zum Anspruch 1, da die Fuge hier nicht zwischen abgewandten Kanten verlaufe. In Abs. [0084] des Klagepatents werde eine „untere Fläche“ und nicht eine (untere) Seitenfläche angesprochen.
- Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichten damit nicht das Merkmal des Fugenverlaufs von einer Seitenkante einer ersten Seitenfläche des Spenderteils zu einer Seitenkante der zweiten Seitenfläche des Spenderteils. Bei den angegriffenen Ausführungsformen verlaufe die Fuge jeweils zwischen den beiden Komponententeilen von der Seitenkante der Unterfläche gebogen über die Vorderfläche bis zur Seitenkante der Oberfläche; bei diesen Flächen handele es sich nicht um patentgemäße Seitenflächen.
- Mit „Abnehmbarkeit“ („detachability“) bezeichne das Klagepatent die vollständige Trennbarkeit des vorderen Spenderteils vom hinteren Spenderabschnitt, der an der Wand montierbar ist. Das Klagepatent differenziere zwischen den Begriffen „Abnehmbarkeit“ (detachability) und „Schwenkbarkeit“ (pivotability), wie schon die Schilderung des Standes der Technik durch das Klagepatent zeige. In Abs. [0005] unterscheide das Klagepatent die US XXX A1 (nachfolgend US ‘868) und die US XXX A1 (nachfolgend US ‘XXX, vorgelegt als Anlage B3) alleine durch die Art und Weise der Befestigung eines entsprechenden Unterteils an dem rückwärtigen Dispenserteil, „pivotably joined“ und „detachably joined“. Auf diesen Wortlaut aus der Beschreibung greife das Klagepatent bei der Formulierung des Merkmals „abnehmbar verbunden“ zurück. Durch die abnehmbare Verbindung des Spenderteils von einem hinteren Spenderabschnitt grenze sich das Klagepatent von dem Stand der Technik US ‘868 (verschwenkbare Verbindung) ab. Hierin bleiben in der verschwenkten Position beide Teile durch ein Verbindungsmittel miteinander verbunden. Auch der englische Begriff „detachability“ setze eine vollständige Abtrennbarkeit voraus. Im Erteilungsverfahren habe die Anmelderin des Klagepatents eine „abnehmbare Verbindung“ von einer „verschwenkbaren Verbindung“ abgegrenzt (Anlage B15).
- Auch unter funktionalen Gesichtspunkten lasse sich nicht rechtfertigen, dass eine nur verschwenkbare Abdeckung unter den Begriff der Abnehmbarkeit falle. In tatsächlichen Anwendungsfällen, z.B. in Toiletten oder Waschräumen eines Hotels, bestehe häufig nicht ausreichend Platz nach unten, um eine volle Aufschwenkung vorzunehmen. Das Gehäuse solle auch in beengten Räumen nach vorne vollständig gelöst und abgenommen werden können.
- Dies werde auch durch die Auslegung des BGH gestützt, der ebenfalls zwischen „verschwenkbar“ und „abnehmbar“ unterscheide. So sei das die Abnehmbarkeit betreffende Merkmal in der Entgegenhaltung Ni3 nur offenbart, weil dort solche Scharniere offenbart seien, bei denen das schwenkbare Teil zusätzlich leicht vollständig entfernt werden könne.
- Das Merkmal, wonach das Spenderteil abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, werde durch keine der angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 12a verwirklicht. Die vorderen Spenderteile seien mit den hinteren Spenderteilen nicht abnehmbar, sondern nur schwenkbar verbunden.
- Eine Abnehmbarkeit des Spenderteils sei bei den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 nicht möglich, ohne die Verbindung zwischen Spenderteil und hinterem Spenderabschnitt in Form der Scharniere dauerhaft zu beschädigen. Es sei zudem nicht nur Werkzeug, sondern Kraft und Geschick für das Herauspressen der Scharniere erforderlich. Der vom Klagepatent angesprochene Benutzer verfüge nicht über spezielle Werkzeuge und handwerkliches Geschick und Wissen, um bei den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 das Spenderteil abnehmen zu können.
- Auch bei der angegriffenen Ausführungsform 3 sei keine Abnehmbarkeit des Spenderteils vom hinteren Spenderabschnitt verwirklicht. Vielmehr seien Spenderteil und hinterer Spenderabschnitt durch zwei Scharniere dauerhaft verbunden. Bei der angegriffenen Ausführungsform 3 sei zunächst eine millimetergenaue Klappposition einzustellen, in der dann die starren Kunststoffwände nach außen zu biegen wären. Ein zum Abnehmen erforderliches Auseinanderbiegen der unteren Abschnitte der Seitenflächen führe in vielen Fällen zum Bruch in diesem Bereich.
- Der Vortrag hinsichtlich der nicht gegebenen Abnehmbarkeit gelte wegen des gleichen Mechanismus auch für die im Laufe des Verfahrens neu eingeführten Ausführungsformen 4a bis 12a. Auch bei den angegriffenen Ausführungsformen 4a bis 12a seien die Abdeckungen mit einem Scharnier mit der Rückwand verbunden, sodass die Verbindung nur unter Zerstörung oder zumindest deutlicher Beschädigung dieses Scharnier vervollständigt gelöst werden könne, wenngleich sie teils ggfs. mit Kraftaufwand und Werkzeugen von der Rückwand lösbar seien.
- In einem parallelen italienischen Verletzungsverfahren der Klägerin aus dem italienischen Teil des Klagepatents gegen die Beklagte sei der vom italienischen Gericht beauftragte Sachverständige für die angegriffenen Ausführungsformen 1 und 3 zu dem Ergebnis gekommen, dass diese das Klagepatent nicht verletzten, da das Spenderteil nicht abnehmbar, d.h. vollständig voneinander trennbar, sondern nur schwenkbar ausgestaltet sei.
- Weiterhin bestünden Ansprüche der Klägerin hinsichtlich Verbrauchsmaterialien des Beklagten nicht.
- Soweit in den Klageanträgen zu Ziff. A.II.1, A.III.1 und B der Begriff „Verbrauchsmaterialien zur Verwendung in Vorrichtungen nach Ziff. A I“ verwendet wird, sei die Formulierung unbestimmt. Nicht ersichtlich sei, ob nur tatsächlich ausgelieferte oder grundsätzlich geeignete Verbrauchsmaterialien erfasst seien.
- Eine Kausalität zwischen dem Verkauf der Vorrichtung und dem Verkauf des Zusatzproduktes sei hier nicht gegeben. Diese sei nur anzunehmen, wenn keine weiteren Ursachen neben dem Verkauf der patentverletzenden Vorrichtung die Kaufentscheidung des Kunden beeinflussten und der Kauf der patentverletzenden Vorrichtung ausschließlich ausschlaggebend sei. Es sei eine ausschließliche Kausalität erforderlich. Andere Ursachen müssten auszuschließen sein. Sei dies nicht der Fall, seien auch Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung von vorneherein ausgeschlossen. Die Spender der Beklagten seien jedoch auch mit Papiermaterialien von Wettbewerbern verwendbar sowie umgekehrt.
- Das Klagepatent beziehe sich auf die Abdeckung des Spenders und habe keinerlei Bezug zu den einzulegenden Verbrauchsmaterialien oder Bedeutung für deren Verkauf. Die patentgemäße Lehre betreffe nicht den Abrollmechanismus im Dispenser. Die patentgemäße Ausgestaltung sei für die Kaufentscheidung des Kunden irrelevant.
- Die in den angegriffenen Ausführungsformen verwendbaren Papiermaterialien der Beklagten – jedenfalls die in Anlagen B30 und B41 aufgelisteten – seien ebenso gut auch in einer Vielzahl anderer Dispenser (Spender) von Wettbewerbern sowie in nicht-patentverletzenden Dispensern der Beklagten verwendbar, wie die als Anlage B31 und Anlage B32 überreichten Videos, auf denen von der Beklagten durchgeführte Tests aufgezeichnet sind, in verschiedensten Konstellationen zeigten. Entsprechend würden die Verbrauchsmaterialien tatsächlich auch mit Spendern der Wettbewerber benutzt und umgekehrt. Anders herum seien auch viele Papiermaterialien von Wettbewerbern zur Verwendung in den angegriffenen Ausführungsformen geeignet, etwa die in Anlagen B33 und B42 gelisteten Papiermaterialien. Aus den als Anlage B34 und B43 vorgelegten Videos ergebe sich, dass eine Reihe von Papieren der Wettbewerber einwandfrei in den angegriffenen Ausführungsformen verwendet werden können. Für die Kaufentscheidung der Kunden bezüglich der Papiermaterialien seien andere Kriterien mitentscheidend, z.B. Reputation des Papierherstellers, Papierqualität, Preis etc.. Der Kunde sei in seiner Entscheidung frei.
- Der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen und der Papiermaterialien der Beklagten erfolge ausschließlich über Handelsunternehmen, nicht direkt an mögliche Verwender von Dispensern und Verbrauchsmaterialien. Die Handelsunternehmen seien jedoch nicht die Abnehmer im Sinne des Klageantrags. Die Handelsunternehmen vertrieben üblicherweise die Produkte mehrerer Hersteller und seien in ihren geschäftlichen Entscheidungen völlig frei. Bei der Beklagten handele es sich insbesondere um einen bekannten Papierhersteller, mit dem Kunden nicht in besonderer Art und Weise auch Dispenser verbinden würden. Kunden, welche nur Dispenser der Beklagten über die Handelsunternehmen bestellten, würde nicht automatisch auch das passende Papier empfohlen (Anlagenkonvolut B35). Zudem folge der Vertrieb der Dispenser bei der Beklagten aufgrund ihres überragenden Rufs für Papiermaterial erst dem Kauf des Papiermaterials. Da der Verkauf in der Realität in umgekehrter Reihenfolge geschehe, könne keine Kausalität zwischen Spenderverkauf und Papierverkauf bestehen. Der Dispenser stelle eher das Zubehör zum Papiermaterial der Beklagten dar, nicht umgekehrt.
- Die Handelsunternehmen würden die Papiermaterialien der Beklagten häufig ohne Hinweis auf die Dispenser bewerben. Selbst wenn, würde keinesfalls der Eindruck erweckt, es könnten nur die Dispenser der Beklagten oder gar die angegriffenen Ausführungsformen verwendet werden. Eine ausschließliche Verwendbarkeit werde an keiner Stelle suggeriert.
- Die von der Klägerin vorgestellten Steck- und Haltemechanismen der angegriffenen Ausführungsformen verlangten nicht die Verwendung von speziellen Papierrollen der Beklagten und begründeten damit keine Kausalität. Im Inneren des Spenders werde die Toilettenpapierrolle durch einen Aufsatz an der Rückseite und einen Gegenhalt gewährenden Bügel gehalten, der nur einen marginal geringeren Durchmesser als die üblichen inneren Rollen solcher Toilettenpapierrollen habe. Zwischen dem Aufsatz und dem Bügel werde ein Stab eingefügt, den die Papierrolle umschließe. Dieser Stab könne ohne weiteres in die Papierrollen von Wettbewerbern eingefügt werden, so dass auch diese in den betreffenden angegriffenen Ausführungsformen Verwendung finden könnten (Video 12 in Anlage B36). Soweit auf einem der beiden Bügel ein wabenähnlicher Aufsatz aufgebracht sei, sei dieser zum Halten einer Papierrolle und zum Abrollen nicht erforderlich; er könne mit jeder üblichen Papierrolle verwendet werden (Anlagen B33 und B34). Dabei müsse nicht mehr Kraft aufgewendet werden und der Abriss einzelner Blätter erfolge ebenso gleichmäßig an den vorgesehenen Linien. Es könnten auch Materialien von Wettbewerbern ohne diesen Stab verwendet werden (Video 1 in Anlage B34).
- Der von der Klägerin angeführte Hinweis „…“ auf der Verpackung der angegriffenen Ausführungsform 1 trete dem Kunden nicht in dem Augenblick entgegen, indem er über Papierbestellungen entscheide. Seine Kaufentscheidungen treffe der Kunde nicht auf Basis von Angaben auf den Verpackungen, sondern auf Basis von Erfahrungen. Auf den Verpackungen der angegriffenen Ausführungsformen 7a bis 12a befänden sich zudem keine Angaben, die auf eine ausschließliche Verwendung dieser angegriffenen Ausführungsformen mit bestimmten Papiermaterialien schließen ließen (Anlage B40). Es bestünde für die Kunden auch keine ausschließliche Bezugsverpflichtung im Sinne einer vertraglichen Bindung.
- Der Antrag auf Geheimnisschutz für die von der Klägerin beanspruchte Auskunft und Rechnungslegung und die dabei möglicherweise zu übergebenen Informationen und Dokumente sei gem. §§ 145a S. 2 PatG, 16 GeschGehG begründet.
- Die Anordnung verfahrensrechtlichen Geheimnisschutzes komme auch hinsichtlich solcher Geschäftsgeheimnisse in Betracht, die im Rahmen einer durch Urteil angeordneten Rechnungslegung zu übergeben seien. Andernfalls erhielte der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch einen Sanktionscharakter, der nicht beabsichtigt sei. Es bestehe kein Grund, einen verfahrensrechtlichen Geheimnisschutz, der nicht im Widerspruch zur Zweckbindung stehe, zu versagen. Die Konsequenz einer Rechnungslegung ohne Geheimhaltungsanordnung sei, dass der Schutz der betreffenden Informationen als Geschäftsgeheimnis insgesamt verloren ginge. Eine Verpflichtung zu Auskunft und Rechnungslegung ohne die Möglichkeit zur Anordnung von Geheimhaltungsmaßnahmen gem. § 145a PatG sei mit der Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG nicht vereinbar. Ebenso sprächen die Erwägungen der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie EU 2016/943 dagegen.
- Der Geheimnisschutzantrag der Beklagten sei hinreichend bestimmt. Im Rahmen der Ausführungen der Klägerin bleibe unklar, wie die Informationen überhaupt genauer konkretisiert werden sollen, ohne sie vorliegend zu offenbaren.
- Es handele sich um wichtige Geschäftsgeheimnisse der Beklagten. Die im Rahmen einer Rechnungslegung und Auskunft zu übergebenen Informationen seien nicht allgemein bekannt oder Dritten ohne weiteres zugänglich, sondern vorliegend ausschließlich der Beklagten oder den jeweils betreffenden Vertragspartnern, dann jedoch nur bezüglich der betreffenden Vertragsbeziehung, bekannt. Es handele sich um Geschäftsinterna, die einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellten, insbesondere über Absatzzahlen, Preise, Gestehungskosten und Gewinn. Ihre Kenntnis würde Wettbewerbern erlauben, gezielte Preise der Beklagten zu unterbieten. Bezüglich der betriebenen Werbung seien Werbeträger, Auflagenhöhe, Verbreitung Zeitraum und Verbreitungsgebiet, welche relevant für die interne Werbestrategie seien, nicht bekannt. Jedenfalls in ihrer Gesamtheit seien all diese Angaben Dritten nicht ohne weiteres zugänglich.
- Die Beklagte habe zur Wahrung der antragsgegenständlichen Geschäftsgeheimnisse sowohl im Außenverhältnis als auch innerhalb des Unternehmens umfassende organisatorische, technische und vertragliche Maßnahmen getroffen. Mitarbeiter der Beklagten seien durch Arbeitsverträge zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten verpflichtet. Auch mit externen IT-Dienstleistern bestünden Geheimhaltungsvereinbarungen. Die Daten würden nicht außerhalb der Unternehmensgruppe der Beklagten weitergegeben. Die Betriebsgebäude und die einzelnen Funktionsbereiche der Beklagten seien durch beschränkte Zutrittsberechtigung gesichert. Der Zugriff auf Computersysteme, in denen genannte Daten gespeichert seien, sei passwortgeschützt, wobei die Passwörter alle drei Monate aktualisiert würden. Zudem hätten Mitarbeiter nur Zugriff auf diejenigen Daten, die für die Ausübung ihrer konkreten Tätigkeit relevant seien. Für die streitgegenständlichen Daten würden „Real Time Checks“ von Datenexperten vorgenommen. Insbesondere Informationen über Einkaufsmenge und Konditionen, Ein- und Verkaufspreise, über Lieferungen und Angebote an Kunden nebst jeweiligen Kontaktdaten und Informationen über Werbung würden derart geschützt, dass nur ein begrenzter Kreis an Personen Zugriff auf die Informationen hat. Mit Lieferanten und Abnehmern schließe die Beklagte grundsätzlich Geheimhaltungsvereinbarungen über den Inhalt der Geschäftsabschlüsse und Verhandlungen.
- Die Beklagte ist der Ansicht, es bestehe zu ihren Gunsten ein überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung der Informationen. Eine Offenlegung gegenüber Dritten würde ihr erhebliche wirtschaftliche Nachteile zufügen.
- Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das jeweilige Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.05.2019 und 14.11.2023 Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1, Abs. 3 PatG, §§ 242, 259 BGB mangels Verletzung des Klagepatents nicht zu (hierzu unter II.).
-
I.
Die Klage ist zulässig. -
1.
Das Einführen weiterer neun angegriffener Ausführungsformen (4a bis 12a) im Laufe des Verfahrens stellt eine gem. § 263 ZPO zulässige Klageänderung dar. Nach dieser Norm ist nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. - Zunächst ist die behauptete Verletzung neuer angegriffener Ausführungsformen als ein neuer Streitgegenstand und damit als Klageänderung anzusehen (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 9.6.2022 – 15 U 50/21, GRUR-RS 2022, 14773 Rn. 53). Der Streitgegenstand bzw. der prozessuale Anspruch wird durch den Klageantrag bestimmt, in dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge konkretisiert und durch den Lebenssachverhalt (Klagegrund), aus dem der Kläger diese Rechtsfolge herleitet. Zur sachlichen Eingrenzung der vom Klagebegehren umfassten Handlungen kommt es typischerweise in erster Linie darauf an, aus welcher tatsächlichen Ausgestaltung eines angegriffenen Erzeugnisses sich nach dem Klagevortrag ergeben soll, dass das Erzeugnis unter den mit der Klage geltend gemachten Patentanspruch subsumiert werden kann. Der Streitgegenstand der Patentverletzungsklage wird insoweit regelmäßig im Wesentlichen durch die üblicherweise als angegriffene Ausführungsform bezeichnete tatsächliche Ausgestaltung eines bestimmten Produkts im Hinblick auf die Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs bestimmt (BGH, GRUR 2012, 485 Rn. 18 – Rohrreinigungsdüse II; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.6.2022 – 15 U 50/21, GRUR-RS 2022, 14773 Rn. 54).
- Die auf einer Erweiterung um neun angegriffene Ausführungsformen basierende Klageänderung war hier sachdienlich. Die Einführung einer weiteren Ausführungsform ist dann sachdienlich, wenn ihre Mitbehandlung einen sonst drohenden weiteren Rechtsstreit vermeidet und der bisherige Streitstoff verwendet werden kann, was insbesondere dann zu bejahen sein wird, wenn aus demselben Schutzrecht eine abgewandelte Ausführungsform angegriffen wird und es bei der Beurteilung der Unterschiede zwischen beiden Ausführungsformen im Wesentlichen darum geht, aus der Ermittlung des Sinngehalts der Anspruchsmerkmale im Hinblick auf die abgewandelte Ausführungsform die gebotenen Schlussfolgerungen zu ziehen (Haedicke/Timmann PatR-HdB, 2. Aufl. 2020, § 15, Rn. 285). Sachdienlichkeit ist vorliegend gegeben, da die hinzugefügten angegriffenen Ausführungsformen in ihren für die Verletzung relevanten Eigenschaften überwiegend baugleich sind und damit einheitlich in einem Rechtsstreit über diese entschieden werden konnte.
-
2.
Die Klageanträge auf Auskunft, Schadensersatz und Rechnungslegung hinsichtlich Verbrauchsmaterialien gem. Ziff. A.II.1., A.III.1. und B. sind auch jedenfalls in der in der mündlichen Verhandlung gestellten Fassung hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 ZPO. Hierfür ist es ausreichend, wenn aus den Anträgen hervorgeht, dass es um Lieferungen zur Verwendung in den hier in Rede stehenden Vorrichtungen geht (vgl. OLG Düsseldorf, I-2 U 82/02, BeckRS 2010, 22910). Aus der vorliegenden Formulierung der Anträge wird hinreichend deutlich, dass lediglich die Verbrauchsmaterialien, die an die gewerblichen Abnehmer der gem. Antrag zu Ziff. A.I. angeblich verletzenden angegriffenen Ausführungsformen zur Verwendung in diesen tatsächlich geliefert wurden und nicht auch Verbrauchsmaterialien, die generell zur Verwendung in den angegriffenen Ausführungsformen geeignet sind. -
II.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen die Lehre des Klagepatents jedoch nicht. -
1.
Das Klagepatent (nachfolgend nach Abs. der deutschen Übersetzung in Anlage K1a zitiert, ohne das Klagepatent ausdrücklich zu nennen) betrifft Spenderteile, insbesondere Spender oder Teile von Spendern, welche mindestens zwei Komponenten umfassen (Abs. [0001]). Solche Spender werden etwa in Restaurants oder Toiletten für Verbrauchsmaterialien wie Rollen oder Stapel aus Papier verwendet (Abs. [0008]). - In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass es bei vielen Arten von Spendern wünschenswert sei, ein Spenderteil vorzusehen, bei dem mindestens eine äußere Fläche, eine Schale oder ein ähnliches Spenderteil aus zwei ähnlichen oder unterschiedlichen Kunststoffmaterialien hergestellt ist. Beispielsweise ist es möglich, einen Abschnitt des Spenderteils transparent zu gestalten, um die Überprüfung des Füllstands eines in dem Spender enthaltenen Verbrauchsartikels zu erleichtern. Ein zweiter Abschnitt kann opak gestaltet werden, um einen Ausgabemechanismus zu verbergen, eine Überprüfung des Füllstands zu erlauben und einem Spender eine ästhetisch ansprechende Erscheinung zu verleihen (Abs. [0002]).
- Bei der Herstellung eines solchen Spenderteils wird die erste Komponente in der Regel in einer ersten Form spritzgegossen und in eine zweite Form überführt, um dorthin von einer anschließend eingespritzten Komponente gefolgt zu werden. Bei einem auf diese Weise gefertigten Spenderteil können Probleme mit einem Verzug mindestens der ersten Komponente sowie der Fuge auftreten, insbesondere in oder nahe den Bereichen der Seitenkanten. Die Komponententeile werden in der Regel an ihren Enden miteinander zusammengefügt. Allerdings kann es selbst mit lokalen Verstärkungen sein, dass es der Fuge an ausreichender Festigkeit mangelt, um den Kräften standzuhalten, denen sie möglicherweise bestimmungsgemäß widerstehen muss. Beispielsweise kann eine Aufprallkraft durch einen Stoß gegen den Spender wirken. Eine schwache Fuge kann dazu führen, dass das die Abdeckung bildende Spenderteil entlang mindestens eines Teils der vorderen Fläche reißt (Abs. [0003]).
-
Das Klagepatent erläutert weiter, dass verschiedene Verfahren zum Herstellen von spritzgegossenen Produkten im Stand der Technik bekannt seien. Die WO 98/XXX (nachfolgend: WO‘XXX) betrifft einen bekannten Überspritzprozess, bei dem eine erste Komponente (Vorformling) in eine erste Form eingespritzt wird. Der Vorformling wird dann in eine zweite Form überführt, wobei ein zweites Material über den Vorformling eingespritzt wird, um das Endprodukt herzustellen, wobei die Materialien entlang einer kontinuierlichen, kreisförmigen Fuge verbunden werden.
Die JP 03-XXX zeigt einen herkömmlichen Überspritzprozess, bei dem zwei Komponenten in einer Form platziert und durch Spritzgießen eines zusätzlichen Materials in einen Spalt zwischen den Komponenten verbunden werden (Abs. [0004]).
- Das Klagepatent erläutert weiter, dass solche Spender an einer Wand angebracht werden können, um die Benutzerfreundlichkeit während der Handhabung zu verbessern. Die US 2007/XXX A1 (Anlage B4) betrifft ein Spendergehäuse für einen Stapel Papierhandtücher oder eine Papierrolle, bei dem ein Spenderteil verschwenkbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, wobei der hintere Spenderabschnitt zum Anbringen an einer vertikalen Wand ausgestaltet ist. Andererseits betrifft die US 2007/114XXX A1 (Anlage B3) ein Spendergehäuse zum Ausgeben eines Fluid zur Verwendung in einer Dusche, wobei ein Spenderteil lösbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, und wobei der hintere Spenderabschnitt zur Anbringung an einer vertikalen Wand ausgestaltet ist (Abs. [0005]).
- Das Klagepatent bezeichnet es vor diesem Hintergrund in Abs. [0006] als seine Aufgabe, ein Spendergehäuse bereitzustellen, das die obigen Probleme hinsichtlich des Verzugs des Spenderteils und der Festigkeit der Fuge löst.
-
2.
Zur Lösung schlägt das Klagepatent ein Spendergehäuse nach Anspruch 1 vor, der in Form einer Merkmalsgliederung (mit Bezugszeichen nur zu den Fig. 2, 13 und 14) wie folgt dargestellt werden kann: - 1 Spendergehäuse mit einem Spenderteil (20, 90, XXX),
- 2 Das Spenderteil weist mindestens zwei Komponententeile (17, 18; 91, 92; 101, 102) auf;
- 2.1 nämlich: Ein erstes spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil (17; 91, 101) mit einer zugehörigen ersten Verbindungsfläche und ein zweites spritzgegossenes Kunststoffkomponententeil (18; 92, 102) mit einer zugehörigen zweiten Verbindungsfläche.
- 2.2 Jedes Komponententeil (17, 18; 91, 92; 101, 102) weist eine vordere Fläche auf.
- 2.3 Eine erste und eine zweite Seitenfläche weisen jeweils eine von der vorderen Fläche abgewandte Kante auf.
- 3 Die mindestens zwei Komponententeile sind jeweils durch eine Fuge (21; 93, 103) verbunden.
- 3.1 Durch die erste Verbindungsfläche und die zweite Verbindungsfläche wird während des Spritzgießens zum Verbinden des ersten Komponententeils (17; 91; 101) und des zweiten Komponententeils (18; 92; 102) eine Fuge (21; 93; 103) ausgebildet, um das Spenderteil (20, 90, XXX) zu definieren.
- 3.2 Die resultierende Fuge (21; 93, 103) erstreckt sich von einer Seitenkante einer ersten Seitenfläche des Spenderteils zu einer Seitenkante einer zweiten Seitenfläche des Spenderteils.
- 4 Das Spenderteil (20; 90; XXX) ist abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt (96; 106) verbunden, um das Spendergehäuse (97; 107) auszubilden.
- 4.1 Der hintere Spenderabschnitt (96, 106) ist eingerichtet, um an einer vertikalen Wand montiert zu sein.
- 5 Das Spendergehäuse (97, 107) ist für einen Spender, der für einen Stapel von Papiertüchern oder eine Papierrolle vorgesehen ist.
-
3.
Der geltend gemachte Anspruch betrifft ein Spendergehäuse für einen Papier-Spender, der aus einem Spenderteil und einem hinteren Spenderabschnitt besteht (Merkmale 1, 4 und 5). Der hintere Spenderabschnitt ermöglicht die Montage des Spenders an der Wand (Merkmal 4.1). Der Spenderteil besteht aus mindestens zwei mittels einer Fuge verbundenen Kunststoffkomponententeile (Merkmale 2, 2.1, 3, 3.2). - Um eine ausreichend feste Verbindung zwischen den beiden Komponententeilen zu erreichen, weisen die beiden Komponententeile jeweils eine Verbindungsfläche auf. Aus diesen Verbindungsflächen wird patentgemäß beim Spritzgießen eine Fuge hergestellt (Merkmal 3.1). Hierdurch sollen die beiden Komponententeile fest verbunden werden, so dass das vom Klagepatent kritisierte Beschädigungsrisiko bei einem Stoß gegen den Spender verringert wird.
-
4.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagepatents keinen wortsinngemäßen Gebrauch. Das Merkmal 4, wonach das Spenderteil abnehmbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, wird durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verwirklicht. -
a)
Merkmal 4 enthält zwei Aspekte: - Zunächst sollen Spenderteil und hinterer Spenderabschnitt verbunden sein und so das Spendergehäuse ausbilden. Wie der Fachmann Merkmal 4.1 entnimmt, muss der hintere Spenderabschnitt es ermöglichen, das Spendergehäuse an einer Wand o.ä. anzubringen. Der hintere Spenderabschnitt kann dabei die Rückwand des Spendergehäuses bilden, so dass das Spenderteil nur eine vordere Abdeckung darstellt; der hintere Spenderabschnitt kann aber auch eine zusätzliche Rückwand sein (vgl. Abs. [0010]).
- Als zweiter Aspekt sollen Spenderteil und hinterer Spenderabschnitt „abnehmbar“ verbunden sein. In der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ maßgeblichen englischen Verfahrenssprache benutzt das Klagepatent hierfür die Begrifflichkeit „detachably joined“. Zwischen den Parteien ist streitig, ob hiermit gemeint ist, dass man das Spenderteil vollständig vom hinteren Spenderabschnitt trennen können muss.
-
Nach zutreffender Auslegung des Klagepatents sollen das Spenderteil und der hintere Spenderabschnitt ohne Einsatz von Werkzeug oder von erheblichem Geschick oder Aufwand vollständig voneinander zu trennen sein, damit ersteres Teil „abnehmbar“ ist. Eine Verschwenkbarkeit im Sinne eines Aufklappens an nur einer Seite ohne die vorgesehene Möglichkeit einer vollständigen Trennung sieht das Klagepatent nicht als ausreichend an. Unter „abnehmbar“ versteht das Klagepatent darüber hinaus nicht bloß eine einmalige Trennbarkeit, sondern, dass der Vorgang des Abnehmens wiederholt und bestimmungsgemäß ohne Einsatz speziellen Werkzeugs durchgeführt werden kann.
aa)
Der Wortlaut „abnehmbar“ („detachable“ in der nach Art. 70 Abs. 1 EPÜ verbindlichen Verfahrenssprache) deutet nach dem allgemeinen Sprachverständnis bereits eher auf eine vollständige Trennung hin. Das englische Wort „detachable“ lässt sich neben „lösbar“ auch mit „abtrennbar“ oder „heraustrennbar“ übersetzen, mithin mit Wörtern, die ein vollständiges Trennen beschreiben . Der allgemeine Sprachgebrauch hat zwar für die Ermittlung des maßgeblichen technischen Sinngehalts (vgl. BGH, GRUR 1999, 902, 912 – Spannschraube) des Anspruchs / Merkmals keine abschließende Bedeutung; auf ihn darf bei der Patentauslegung nichts desto trotz zurückgegriffen werden, weil in der Regel Begriffe mit ihrem (auf dem betroffenen Fachgebiet) üblichen Inhalt verwendet werden (vgl. BGH, GRUR, 2016, 169 Rn. 17 – Luftkappensystem). Hier findet sich keine Definition von „abnehmbar verbunden“ in der Klagepatentschrift, so dass jedenfalls im Ausgangspunkt auch der allgemeine Sprachgebrauch berücksichtigt werden kann. -
bb)
Aus der Darstellung des Standes der Technik in Abs. [0005] erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent die Begriffe „lösbar verbunden“ („detachably joined“) und „verschwenkbar verbunden“ („pivotably joined“) voneinander unterscheidet und ihnen eine unterschiedliche Bedeutung zumisst. Der Fachmann versteht, dass das Klagepatent in Abs. [0005] im Rahmen seiner Beschreibung des Stands der Technik mit dem im Anspruch 1 verwendeten Begriff „detachably joined“, insbesondere in Abgrenzung zu „pivotably joined“, die Verbindung zwischen Spenderteil und hinterem Spenderabschnitt als vollständig voneinander trennbare Verbindung lehrt. Die Klagepatentschrift stellt hinsichtlich „detachably joined“ ihr eigenes Lexikon dar. -
(1)
Das Klagepatent enthält zwar weder im Anspruch, noch in seiner Beschreibung eine konkrete Definition einer „abnehmbaren Verbindung“. Allerdings wird dieser Begriff in der Beschreibung des Standes der Technik in Abs. [0005] vom Klagepatent in der maßgeblichen englischen Originalsprache exakt so verwendet, wie er auch in im Anspruchswortlaut verwendet wird (Fettdruck diesseits): - „XXX A1 relates to a dispenser housing for a stack of paper towels or a roll of paper, wherein a dispenser part is pivotably joined to a rear dispenser section, in order to form the dispenser housing, wherein the rear dispenser section is arranged to be mounted on a vertical wall. On the other hand US2007114XXX A1 relates to a dispenser housing for dispensing a fluid for use in a shower, wherein a dispenser part is detachably joined to a rear dispenser section, in order to form the dispenser housing, wherein the rear dispenser section is arranged to be mounted on a vertical wall.“
- In der als Anlage K1a überreichten deutschen Übersetzung ist „detachably joined“ – anders als im Anspruchswortlaut – in Abs. [0005] mit „lösbar verbunden“ übersetzt (Fettdruck diesseits):
- „Die US 2007234868 A1 betrifft ein Spendergehäuse für einen Stapel Papierhandtücher oder eine Papierrolle, wobei ein Spenderteil verschwenkbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, wobei der hintere Spenderabschnitt zum Anbringen ein [sic] einer vertikalen Wand ausgestaltet ist. Andererseits betrifft die US 2007114XXX A1 ein Spendergehäuse zum Ausgeben eines Fluid zur Verwendung in einer Dusche, wobei ein Spenderteil lösbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, und wobei der hintere Spenderabschnitt zur Anbringung an einer vertikalen Wand ausgestaltet ist.“
-
(2)
Der Fachmann erkennt hieraus, dass die Lehre des Klagepatents einen Unterschied zwischen einer verschwenkbaren Verbindung und einer abnehmbaren Verbindung vorsieht und sich für die abnehmbare, vollständig trennbare Verbindung entschieden hat. - Anhaltspunkte für das Verständnis eines Merkmals können sich auch daraus ergeben, dass das Patent von einer bestimmten, vorbekannten Konstruktion ausgeht, diese als vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will. Hier ist im Zweifel die Annahme gerechtfertigt, dass sich das Patent in diesem Punkt den Stand der Technik zu eigen macht. Infolgedessen ist es regelmäßig zulässig und geboten, für die Auslegung auf den betreffenden Stand der Technik zurückzugreifen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. I-15 U 106/14, S. 45). Für das Verständnis eines Merkmals kann grundsätzlich dann auf einen Stand der Technik zurückgegriffen werden, wenn sich das Patent im Hinblick auf die Ausgestaltung eines bestimmten Merkmals den Stand der Technik zu eigen macht, indem es von einer vorbekannten Konstruktion ausgeht, diese als durchaus vorteilhaft ansieht und für die Erfindung beibehalten will (OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2014 – Az. I-15 U 30/14 – Rn. 99 bei Juris).
- Dies ist vorliegend mit Blick auf die US‘ XXX der Fall. Der vom Klagepatent hier zum Ausdruck gebrachte Gegensatz zwischen den beiden Dokumenten aus dem Stand der Technik („on the other hand“ / „andererseits“) könnte sich zwar grundsätzlich auch darauf beziehen, dass die US‘ 868 Papier spendet, während die US‘ XXX ein Fluid ausgibt. Zum Stand der Technik erörtert das Klagepatent jedoch Probleme hinsichtlich instabiler Verbindungen zwischen den beiden Komponenten eines Spenders und beschäftigt sich gerade mit der Fuge bzw. der Stelle, an der die Komponententeile zusammengefügt werden, nicht mit dem vom Spender auszugebenden Produkt. Daher spricht angesichts der vom Klagepatent beschriebenen Gesamtfunktion und der im Stand der Technik erörterten Nachteile mehr dafür , dass das Klagepatent in Abs. [0005] die verschiedenen Arten der Verbindungen („verschwenkbar verbunden“ gegenüber „lösbar verbunden“) gegeneinander abgrenzen will, die aber beide zum gleichen Ergebnis – die Ausbildung eines Spendergehäuses – führen. Aufgrund dessen nimmt der Fachmann eine Abgrenzung einer Abnehmbarkeit – im Sinne einer vollständigen Trennung – von einer Verschwenkbarkeit an, die wortlautidentisch („detachably joined“) auch für den Anspruch gilt.
- Vor diesem Hintergrund versteht der Fachmann, dass das Klagepatent von der Lösung der US‘ XXX ausgeht und sich von einer Gestaltung wie in der US‘ 868 abgrenzen will. Bei der US‘ XXX ist gerade eine vollständige Trennung offenbart, wie nachfolgend eingeblendete Fig. 1 US‘ XXX (vorgelegt als Anlage B3) zeigt:
-
(3)
Die Kammer übersieht nicht, dass das Klagepatent in Abs. [0005] keine direkte Kritik an dem in der US‘ XXX offenbarten Papierspendergehäuse samt seiner verschwenkbaren Verbindung („pivotably joined“) übt. Jedoch ist vorliegend zu beachten, dass das Klagepatent die exakte Begrifflichkeit „detachably joined“ gerade übereinstimmend hinsichtlich der von US‘ XXX offenbarten vollständigen Trennbarkeit und sodann im maßgeblichen Patentanspruch verwendet, und zwar ohne jegliche Ausführung zu einer etwaig abweichenden Ausgestaltung der Abnehmbarkeit im Vergleich zu der US‘ XXX bzw. ohne in der Klagepatentbeschreibung überhaupt Ausführungen zur Ausgestaltung der abnehmbaren Verbindung zu machen. Hingegen verwendet das Klagepatent den Begriff „pivotably joined“ lediglich an einer einzigen Stelle, nämlich in Abs. [0005], in welcher es den vorbekannten Papierspender mit verschwenkbarer Verbindung („pivotably joined“), US‘ 868, und den vorbekannten Flüssigkeitsspender („detachably joined“), US‘ XXX, vor- bzw. gegenüberstellt. An keiner anderen Stelle erwähnt das Klagepatent eine verschwenkbare („pivotable“) Verbindung. Eine verschwenkbare Verbindung sieht das Klagepatent demnach nicht als erfindungsgemäß an. Definiert die Patentschrift – so wie hier – einen im Anspruch verwendeten Begriff in bestimmter und ggf. eigenständiger Weise ist dieses Begriffsverständnis den fachmännischen Überlegungen zugrundezulegen, da die Beschreibung des Patents insoweit ein „patenteigenes Lexikon“ darstellt (vgl. BGH, GRUR 2015, 972 – Kreuzgestänge; BGH, GRUR 2015, 875 – Rotorelemente; BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.2016 – I-15 U 136/14 – Rn. 84 bei Juris). Das Klagepatent hat sich daher in der vorliegenden Konstellation durch seine Beschreibung des Stands der Technik in Abs. [0005] hinsichtlich des Verständnisses von „detachably joined“ in Abgrenzung zu „pivotably joined“ insoweit festgelegt . -
(4)
Es spricht auch nicht gegen die Auslegung der Kammer, dass das Klagepatent den Begriff „detachably joined“ in Abs. [0005] nicht in Zusammenhang mit einem Papierspender, sondern einem Spender zum Ausgeben eines Fluids erwähnt. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die einen Flüssigkeitsspender betreffende US‘ XXX weise einen Haken und kein klagepatentgemäßes Spendergehäuse mit einem klagepatentgemäßen hinteren Teil auf, woraus zu folgen sein könnte, dass die US‘ XXX für das Klagepatent nicht relevant sei, vermag die Kammer dem nicht näherzutreten. Denn die Aufhängung durch Haken findet in Abs. [0005] gerade keine Erwähnung. Vielmehr geht das Klagepatent in Abs. [0005] davon aus, dass die US‘ XXX jedenfalls einen klagepatentgemäßen hinteren Spenderabschnitt zeigt, welcher gemeinsam mit dem lösbar verbundenen (vorderen) Spenderteil das Spendergehäuse ausbildet („Andererseits betrifft die US 2007114XXX A1 ein Spendergehäuse zum Ausgeben eines Fluid zur Verwendung in einer Dusche, wobei ein Spenderteil lösbar mit einem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, um das Spendergehäuse auszubilden, und wobei der hintere Spenderabschnitt zur Anbringung an einer vertikalen Wand ausgestaltet ist.“). Da das Klagepatent bei der US‘ XXX insoweit von einem Vorhandensein der relevanten Bauteile und im Zusammenhang mit ihnen von einer in der Originalsprache mit „detachably joined“ bezeichneten lösbaren bzw. abnehmbaren Verbindung ausgeht, vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass sich das Klagepatent abgesehen von dem zu spendenden Material (Fluid oder ein Papier) von der US‘ XXX abgrenzen möchte. -
cc)
Gegen dieses Verständnis spricht auch nicht die Funktion von Merkmal 4. Die abnehmbare Verbindung zwischen Spenderteil und hinterem Spenderabschnitt soll das einfache Nachfüllen der Papiertücher oder der Papierrollen ermöglichen, vgl. Merkmal 5. Für den Fachmann ist es durchaus plausibel, dass der durch die Abnehmbarkeit bezweckte Nachfüllvorgang in einem beengten Raum wie beispielsweise in einer Toilettenkabine eines Restaurants stattzufinden hat, in der sich die Toilette zu nah an dem Spender befindet, um deren Spenderteil vollständig nach vorne zu verschwenken bzw. aufzuklappen. - Während der hintere Spenderabschnitt montiert bleiben kann (etwa an einer Wand), kann das Spenderteil abgenommen und das Spenderteil oder das Spendergehäuse insgesamt (vgl. Abs. [0010]) mit Papier befüllt werden. Die Funktion der einfachen Befüllbarkeit mag grundsätzlich sowohl in einer Ausführung, bei der das Spenderteil nur verschwenkbar mit dem hinteren Spenderabschnitt verbunden ist, als auch in einer Ausführung, in der die Bauteile voneinander vollständig trennbar sind, je nach Situation erfüllt werden. Rein funktional könnte für den Fachmann vorstellbar sein, dass die beiden Teile des Spendergehäuses bei der Befüllung verbunden bleiben, da dann das (vordere) Spenderteil nicht abgelegt zu werden braucht. Dieses Verständnis ist indes nicht zwingend. Das Klagepatent lehrt in Abs. [0008], dass die Erfindung Spender für Verbrauchsmaterialien in Restaurants, Toiletten oder Ähnlichem für Rollen oder Stapel aus Papier betrifft. Der Fachmann erkennt hieran, , dass der durch die Abnehmbarkeit bezweckte Nachfüllvorgang bei bestimmungsgemäßen Gebrauch insbesondere in einem beengten Raum wie beispielsweise in einer Toilettenkabine (z.B. eines Restaurants) stattfindet , in der sich die Toilette zu nah an dem Spender befindet, um deren Spenderteil vollständig nach vorne zu verschwenken bzw. aufzuklappen. In einem solchen Fall ist funktional die freie und einfache Zugänglichkeit entscheidend, indem das Spenderteil komplett trennbar von dem hinteren Spenderteil ist und nach vorne abgenommen werden kann.
- Mit Blick auf die Funktion und den Zweck der Abnehmbarkeit, ein Nachfüllen des Papiers zu ermöglichen, versteht der Fachmann daher, dass – der Vorgang des Nachfüllens in regelmäßig Abständen stattzufinden hat. So wird in Abs. [0008] gerade gelehrt, dass erfindungsgemäß insbesondere „Spender für Verbrauchsmaterialien in Restaurants, Toiletten oder Ähnlichem“ betroffen sind, mithin solche, die sich an Stätten mit einem hohen Verbrauch und Durchlauf des Papiers befinden. Der Fachmann erkennt , dass eine erfindungsgemäße Vorrichtung so ausgestaltet sein muss , dass der Vorgang des Abnehmens wiederholt und ohne größeren Einsatz von Zeit, technischem Geschick oder Kraft sowie ohne Einsatz von speziellem Werkzeug und insbesondere ohne Beschädigungen der Verbindung durch technisch weniger versiertes Personal erfolgen kann. Wie genau die Verbindung ausgestaltet sein soll, damit ein Vorgang des Abnehmens regelmäßig erfolgen kann, überlasst das Klagepatent dem Fachmann.
-
dd)
Das Klagepatent verwendet den Ausdruck „detachable“ in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele nach Fig. 13 bis 15, ohne ihn hierbei näher zu erläutern. Insofern sprechen die Ausführungsbeispiele nicht gegen das dargelegte, fachmännische Verständnis. -
ee)
Soweit die Parteien auf Äußerungen im Erteilungsverfahren abstellen, kann dies ein anderes Verständnis von „abnehmbar“ nicht begründen. Diese Äußerungen sind kein relevantes Auslegungsmaterial. - Für die Auslegung ist weiterhin nicht relevant, dass das Merkmal der Abnehmbarkeit erst während des Erteilungsverfahrens in den Anspruch aufgenommen wurde. Insofern ist auch unerheblich, ob sich das Klagepatent nach Ansicht der Anmelderin im Erteilungsverfahren mit Merkmal 4 von der WO ‘XXX abgrenzen soll. Eine solche Absicht ist dem Klagepatent nicht zwingend zu entnehmen. Die hierin anklingende Annahme, das Klagepatent müsse in einer bestimmten Weise ausgelegt werden, weil es ihm ansonsten an der Rechtsbeständigkeit mangele, ist aus rechtlichen Gründen unbeachtlich. Es existiert kein Auslegungsgrundsatz, dass man einen Anspruch so auszulegen hat, dass er nach Möglichkeit rechtsbeständig bleibt (BGH, GRUR 2012, 1124 – Polymerschaum; BGH, GRUR 2004, 47 – blasenfreie Gummibahn I, OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.11.2015, I-2 U 74/14 Rn. 72 bei Juris)..
-
ff)
Das Ergebnis des Sachverständigen im parallelen italienischen Verletzungsverfahren entfaltet keine direkten Auswirkungen oder zwingenden Vorgaben für die Auslegung der Kammer. Seine Ansicht ist als sachverständige Meinung eines Fachmanns auf dem entsprechenden Gebiet sicherlich nicht unbeachtlich. Hierzu bedarf es indes keiner vertieften Ausführungen, da die Kammer aufgrund ihrer Auslegung zu dem gleichen Ergebnis kommt. -
gg)
Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf eine etwaig abweichende Auslegung der Kammer zur Abnehmbarkeit im Parallelverfahren 4a O 61/18 (dortiges Klagepatent: EP 2 310 XXX B1, nachfolgend: EP‘XXX) hingewiesen hat, vermag dies die Auslegung vom vorliegenden Fall nicht zu beeinflussen. Insoweit handelte es sich um ein anderes Klagepatent. Andere Schutzrechte sind kein zulässiges Auslegungsmaterial für das Klagepatent, selbst wenn diese auf demselben Prioritätsdokument beruhen. Ungeachtet einer Ähnlichkeiten zwischen EP‘ XXX und dem Klagepatent ist Letzteres aus sich heraus auszulegen. Es handelt sich bei „abnehmbar“ auch nicht um einen Fachbegriff des hier relevanten technischen Gebiets – dem sowohl das Klagepatent als auch EP‘ XXX angehörten – so dass keine Anhaltspunkte für ein einheitliches Begriffsverständnis bestehen. Insbesondere enthält die Beschreibung der EP‘ XXX im Vergleich gerade keinen Hinweis auf die US‘XXX und US‘ 868 oder eine Abgrenzung zwischen „pivotably“ und „detachably“. -
hh)
Die Kammer sieht sich damit in einer Linie mit der Auslegung des BGH und des BPatG. Wenngleich die Kammer zu den vorstehenden Ausführungen aufgrund ihrer eigener Auslegung gelangt, versteht die Kammer das Urteil des BGH vom 07.12.2021 (X ZR 111/19, dort insb. Rn. 59) dahingehend, dass auch der BGH eine vollständige Trennbarkeit für erforderlich hält und in einer bloßen Verschwenkbarkeit keine klagepatentgemäße, abnehmbare Verbindung sieht. Die Kammer versteht aus den Ausführungen des BGH, dass die dortige Entgegenhaltung Ni3 nur deshalb das Merkmal 4 offenbart, weil für den Fachmann erkennbar ist, dass mit der Ni3 auch (verschwenkbare) Scharnierstrukturen in Betracht kommen, die vollständig abgenommen werden können, da etwa Vorsprünge in Vertiefungen greifen, wodurch dem Fachmann die Möglichkeit einer vollständigen Trennung offenbart wird. -
b)
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Auslegung wird Merkmal 4 von allen angegriffenen Ausführungsformen wortsinngemäß verwirklicht. Das Spenderteil lässt sich von dem hinteren Spenderabschnitt bei keiner der angegriffenen Ausführungsformen ohne größeren Aufwand und ohne Werkzeug oder den Einsatz von technischem Geschick und Kraft abnehmen. Die Scharniere aller angegriffener Ausführungsformen sind auf eine dauerhafte, nicht einfach zu lösende Verbindung zwischen Spenderteil und Gehäuse ausgelegt. Selbst nach dem Vortrag der Klägerin sind die Scharnierverbindungen nur unter Einsatz von Werkzeug und mit gewissem Aufwand zu trennen. Eine so durchzuführende Trennung der beiden Teile lässt sich nicht im bestimmungsgemäßen Gebrauch des erfindungsgemäßen Spenders realisieren. Auch besteht die Gefahr, dass die Scharnierverbindungen dabei beschädigt werden und mehr als nur übliche Gebrauchsspuren an den angegriffenen Ausführungsformen verbleiben, wie die Beklagte aufgezeigt hat. Nur ein nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch mit Hilfe von Werkzeug führt allenfalls zur Trennung von Spenderteil und Gehäuse. - Auch die angegriffene Ausführungsform 3 – neben der auch die angegriffene Ausführungsform 7a nach Durchsicht der Kammer eine identische Scharnierverbindung aufweist –, bei der das Spenderteil auch nach dem Vortrag der Beklagten ohne Einsatz von Werkzeug, jedoch mit technischem Geschick und dem Einsatz von Kraft, vom restlichen Gehäuse gelöst werden kann, verwirklicht das Merkmal 4 nicht. Einer Verwirklichung steht entgegen, dass für eine Trennung der Scharniere auch hier erforderlich wäre, dass man mit Geschick die Verbindung in eine bestimmte millimetergenaue Klappposition bzw. einen Winkel bringt und dann Kraft auf die Seitenwände des Gehäuses ausübt. Zur Überzeugung der Kammer ist , eine Trennung von vorderem Spenderteil und hinterem Spenderabschnitt dennoch nicht ohne Weiteres durchführbar . Die so beschriebene Trennung ist jedenfalls nicht für wiederholte Vorgänge im üblichen Anwendungsfall der erfindungsgemäßen Lehre geeignet. Auch die Scharniere der angegriffenen Ausführungsformen 3 und 7a sind auf eine dauerhafte Verbindung für einen Klappmechanismus ausgelegt und nicht für eine etwaige regelmäßige Abnahme geeignet.
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 101 Abs. 1 ZPO. - Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.