Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3322
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 19. Januar 2023, I-2 U 28/20
Vorinstanz: 4c O 28/19
I. Auf die Berufung wird das am 16. Juni 2020 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist für die Beklagten wegen ihrer Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 1.325.000,- EUR festgesetzt.
- Gründe
- I.
Nach den – nicht mit einem Berichtigungs- oder Ergänzungsantrag angefochtenen – Feststellungen des Landgerichts ist von folgendem Sach- und Streitstand auszugehen:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents 3 068 XXA B1 (Klagepatents), das am 9. Dezember 2007 – unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 21. Dezember 2006 – in englischer Verfahrenssprache angemeldet wurde und in Kraft steht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 4. Juli 2018 veröffentlicht.
Das Klagepatent betrifft das Weiterleiten von Multicast-Verkehr über Streckenaggregationsports, wobei der im Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patentanspruch 1 in englischer Verfahrenssprache wie folgt gefasst ist:
A network node (20) for use with a multicast source (24) in a packet-switched network, the node comprising: three or more physical ports (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) for communicating with other nodes in the packet-switched network, the ports are grouped into multiple distinct groups (32a, 32b), where each group comprises one or more physical ports, each port is part of a single group, and at least one group comprises two or more physical ports; a first port different from the grouped physical ports connectable to the multicast source (24) for receiving a multicast packet therefrom having a multicast destination address; and a switching fabric (40) coupled between the first port and to the grouped physical ports for switching packets received at one port to be output by one or more other ports, wherein the node assigns (54) an identifier to the received multicast packet, wherein the switching fabric selects a single port in each of the multiple distinct groups in response to the identifier, and wherein the multicast packet is output (56) via the selected ports in each of the multiple distinct groups.
Die Klagepatentschrift gibt hierzu folgende deutsche Übersetzung:
Netzwerkknoten (20) zur Verwendung mit einer Multicast-Quelle (24) in einem paketvermittelten Netzwerk, wobei der Knoten Folgendes umfasst: drei oder mehrere physische Anschlüsse (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) zur Kommunikation mit anderen Knoten in dem paketvermittelten Netzwerk, wobei die Anschlüsse in mehrere verschiedene Gruppen (32a, 32b) gruppiert sind, wobei jede Gruppe einen oder mehrere physische Anschlüsse umfasst, jeder Anschluss Teil einer einzigen Gruppe ist, und mindestens eine Gruppe zwei oder mehrere physische Anschlüsse umfasst; - einen ersten Anschluss, der anders als die gruppierten physischen Anschlüsse ist und mit der Multicast-Quelle (24) verbindbar ist, um von dieser ein Multicast-Paket zu empfangen, das eine Multicast-Zieladresse aufweist; und eine Vermittlungsstruktur (40), die zwischen dem ersten Anschluss und den gruppierten physischen Anschlüssen gekoppelt ist, um Pakete zu vermitteln, die an einem Anschluss empfangen werden, damit sie von einem oder mehreren anderen Anschlüssen ausgegeben werden, wobei der Knoten dem empfangenen Multicast-Paket eine Kennung zuweist (54), wobei die Vermittlungsstruktur einen einzigen Anschluss in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen als Reaktion auf die Kennung auswählt,
- und wobei das Multicast-Paket über die ausgewählten Anschlüsse in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen ausgegeben (56) wird.
- Die nachfolgenden Figuren 1 und 2 zeigen zu einer bevorzugten Ausführungsform ein Blockdiagramm (Figur 1) sowie ein Flussdiagramm (Figur 2).
- Auf eine von dritter Seite erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht [5 Ni 26/19 (EP)] den deutschen Teil des Klagepatents – während des laufenden Berufungsverfahrens – mit an Verkündungs Statt zugestelltem Urteil teilweise für nichtig erklärt und mit dem Hilfsantrag 6, wegen dessen genauen Wortlauts auf das Nichtigkeitsurteil verwiesen wird, aufrechterhalten. Über die Berufungen beider Nichtigkeitsparteien gegen diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof noch nicht entschieden (X ZR 128/22).
Die Beklagten sind auf dem Gebiet der Telekommunikations- und Netzwerkprodukte tätig. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um eine 100%-ige deutsche Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Beklagten zu 2), welche die Website www.B.com unterhält, auf der die Beklagte zu 1) als „Global Sales Contact“ für die Bundesrepublik Deutschland angegeben (vgl. Anlage K-B5) bzw. als „European Regional Headquarter“ der B Gruppe bezeichnet ist.
Zum Produktsortiment der Beklagten zu 2) gehört ein Netzwerkknoten mit der Bezeichnung „C“ (vgl. das Produktdatenblatt in Anlage K-B7; im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Das genannte Produktdatenblatt wird nachstehend in deutscher Übersetzung eingeblendet: - Nähere Informationen zu der angegriffenen Ausführungsform und ihren Konfigurationsmöglichkeiten sind der über ein Online-Portal der Beklagten abrufbaren Produktbroschüre „D“-Produktlinie zu entnehmen (vgl. Anlage K-B5).
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung sowie Feststellung der Verpflichtung zum Schadenersatz in Anspruch.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass beide Beklagten passivlegitimiert seien. Sie behauptet dazu, dass die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform auch mit Bestimmung für den Markt in der Bundesrepublik Deutschland anbiete und vertreibe. Die Beklagte zu 1) unterstütze sie dabei. In der Produktbroschüre sei für den Vertrieb in Deutschland als Kontaktmöglichkeit eine deutsche Telefonnummer angegeben, welche der Beklagten zu 1) zuzuordnen sei. Ebenfalls sei deren E-Mail-Adresse dort aufgeführt. Durch das Aufrufen der Website der Beklagten zu 2) unter der Domain www.B.com könnten auch deutsche Kunden mit der Beklagten zu 1) in Kontakt treten und die angegriffene Ausführungsform erwerben. Dementsprechend werde die Beklagte zu 1) auf der Homepage der Beklagten zu 2) als Hauptquartier für die Region EMEA (Europe/Middle East/Africa) angegeben. In diesem Zusammenhang werde auf der Website unter der Rubrik „Corporate Overview“ und dort in der Unterkategorie „Call into your region“ wiederum die deutsche Telefonnummer angeführt.
Die angegriffene Ausführungsform mache von der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. Denn sie weise einem empfangenen Multicast-Datenpaket eine Kennung zu, anhand derer die Zuteilung des Pakets an einen bestimmten Ausgangsport vorgenommen werde. Zu diesem Zweck bediene sich die angegriffene Ausführungsform des IEEE-Standards 802.3ad (vgl. Anlage K-B8), welcher bei der Verwendung einer Link Aggregation – die in der angegriffenen Ausführungsform unstreitig vorkommt – auch die Benutzung eines Frame-Verteilers („frame distributor“) nebst einer dazugehörigen Frame-Verteiler-Funktion beschreibe. Die Frame-Verteiler-Funktion könne auch eine Hash-Funktion sein. Beide genannten Elemente würden dazu führen, dass einem Multicast-Paket mittels einer berechneten Portnummer (Kennung) ein Ausgangsport einer LAG-Gruppe zugewiesen werden könne. Insgesamt sei die angegriffene Ausführungsform so konfiguriert, dass sie einen Lastenausgleich herbeiführe und ankommende Pakete gleichmäßig auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen verteile (Anlage K-B10).
Die Beklagten bestreiten ihre Passivlegitimation. Auf der Website der Beklagten zu 2) seien rund 1.200 Produkte für diverse Regionen der Welt aufgeführt, ohne dass die angegriffene Ausführungsform an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei. Eine Benutzungshandlung der Beklagten zu 1 ergebe sich nicht allein aus ihrer Erwähnung auf der Website der Beklagten zu 2).
Die angegriffene Ausführungsform benutze die technische Lehre des Klagepatents nicht. Sie verwende keine Kennung, sondern mache vielmehr von dem vorbekannten Stand der Technik Gebrauch, bei dem die Multicast-Pakete stets über denselben, fest vorgegebenen LAG-Gruppenanschluss weitergeleitet werden. Dieser – eine – Ausgangsport pro LAG werde bei der Einrichtung der LAG festgelegt. Weil immer derselbe Port benutzt werde, erfolge keine Lastverteilung innerhalb der LAG-Gruppe. Es komme für die Verteilung von Multicast-Paketen weder ein Frame-Verteiler noch eine Hashfunktion gemäß dem IEEE-Standard 802.3ad zur Anwendung. Es gebe auch keine konstruktiven Mittel, um für wenigstens zwei LAG-Gruppen die gleichen Hashfunktionen zu konfigurieren, so dass für die betreffenden zwei LAG-Gruppen dieselbe Kennung berechnet wird.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht der Klage – nach den damals noch geltenden erteilten Patentansprüchen – stattgegeben und im Einzelnen wie folgt gegen die Beklagten erkannt:
I. Die Beklagten werden verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1. an ihren Geschäftsführern und hinsichtlich der Beklagten zu 2. an ihrem Vorstand zu vollziehen ist, zu unterlassen, - Netzwerkknoten,
zur Verwendung mit einer Multicast-Quelle in einem paketvermittelten Netzwerk, wobei der Knoten Folgendes umfasst: drei oder mehrere physische Anschlüsse zur Kommunikation mit anderen Knoten in dem paketvermittelten Netzwerk, wobei die Anschlüsse in mehrere verschiedene Gruppen gruppiert sind, wobei jede Gruppe einen oder mehrere physische Anschlüsse umfasst, jeder Anschluss Teil einer einzigen Gruppe ist, und mindestens eine Gruppe zwei oder mehrere physische Anschlüsse umfasst; einen ersten Anschluss, der anders als die gruppierten physischen Anschlüsse ist und mit der Multicast-Quelle verbindbar ist, um von dieser ein Multicast-Paket zu empfangen, das eine Multicast-Zieladresse aufweist; und eine Vermittlungsstruktur, die zwischen dem ersten Anschluss und den gruppierten physischen Anschlüssen gekoppelt ist, um Pakete zu vermitteln, die an einem Anschluss empfangen werden, damit sie von einem oder mehreren anderen Anschlüssen ausgegeben werden, wobei der Knoten dem empfangenen Multicast-Paket eine Kennung zuweist, wobei die Vermittlungsstruktur einen einzigen Anschluss in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen als Reaktion auf die Kennung auswählt, und wobei das Multicast-Paket über die ausgewählten Anschlüsse in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen ausgegeben wird,
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 4. Juli 2018 begangen haben, und zwar unter Angabe: - a. der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
- b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
- c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
- wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 4. August 2018 begangen haben und zwar unter Angabe: - a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge,
-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer, - b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
-zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger, - c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 4. August 2018 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Klageabweisungsbegehren weiterverfolgen.
Die Beklagten halten am Bestreiten einer Passivlegitimation der Beklagten zu 1) fest und rügen die Patentauslegung des Landgerichts als rechtsfehlerhaft. Dem Klagepatent gehe es nicht nur um die Handhabung eines einzelnen Muliticast-Datenpakets, sondern habe einen ganzen Multicast-Datenverkehr im Blick, der so organisiert werden solle, dass sich eine möglichst gleichmäßige Auslastung aller Ausgangsports einer LAG-Gruppe ergebe. Die Kennungsvergabe und die dadurch präjudizierte Wahl eines Ausgangsports hätten diesem Ziel zu dienen, was das Landgericht bei seiner Interpretation des Klagepatents nicht zureichend in den Blick genommen habe. Letztlich komme es auf das Fehlverständnis des Klagepatents aber nicht einmal an, weil die angegriffene Ausführungsform dem Multicast-Paket keine Kennung zuweise. Das Datenpaket erreiche den Netzwerkknoten vielmehr ausgestattet mit einer Multicast-Zieladresse, die im Knoten identifiziert werde und zur Folge habe, dass das Datenpaket an den (einen) in jeder LAG-Gruppe für Multicast-Verkehr dediziert festgelegten Anschluss weitergeleitet werde. Irgendeine Lastverteilung zwischen den Anschlüssen einer Gruppe stelle sich folglich nicht ein. Gegenteiliges habe die Klägerin im Rechtsstreit nicht dargelegt. Unter Hinweis auf das anhängige Nichtigkeitsverfahren, von dem sie – die Beklagten – erst nach der Schlussverhandlung vor dem Landgericht Kenntnis erlangt hätten, sind die Beklagten darüber hinaus der Auffassung, dass das Klagepatent nicht rechtsbeständig sei, was zumindest eine Aussetzung des Berufungsverfahrens rechtfertige.
Die Beklagten beantragen,
das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen;
hilfsweise, den Verletzungsprozess bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;
hilfsweise, den Verletzungsprozess bis zum rechtskräftigen Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens (in dem sich die erteilte Anspruchsfassung als rechtsbeständig erweisen werde) auszusetzen.
Sie verteidigt – unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages – das landgerichtliche Urteil als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens erhoben, das Patentanwalt Dipl.-Ing. E unter dem 31.05.2022 erstattet hat (nachfolgend: SV-GutA). Im Verhandlungstermin vom 19. Januar 2023 hat der Sachverständige sein Gutachten außerdem mündlich erläutert.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg.
Dass die angegriffene Ausführungsform die technische Lehre des Klagepatents in seiner erteilten Fassung benutzt, lässt sich nicht feststellen. Die Verletzungsklage ist deshalb, ohne dass es noch auf den weiteren Fort- und Ausgang des Nichtigkeitsberufungsverfahrens ankommt, als unbegründet abzuweisen.
1.
Das Klagepatent betrifft Kommunikationsnetze, über die Multicast-Datenpakete vermittelt werden. Die Besonderheit dieser Art der Nachrichtenübertragung liegt darin, dass das Datenpaket (welches üblicherweise schon in seinem Kopffeld als Multicast-Paket ausgewiesen und erkennbar ist; SV-GutA S. 4) von einem einzigen Punkt (der Multicast-Quelle) gleichzeitig zu einer Mehrzahl von Teilnehmern übermittelt wird. Mit der sogenannten Link-Aggregation (LAG) werden hierbei auf der Ausgangsseite mehrere physische, d.h. real existierende und mit einer regulierten Übertragungsbandbreite versehene Datenleitungen, zu einem einzigen logischen Datenkanal (Link) zwischen zwei Netzwerkgeräten verbunden. Auf diese Weise gelingt es, die mögliche Bandbreite der Datenverbindung entsprechend der Anzahl der gebündelten physischen Kanäle zu steigern (SV-GutA S. 2/3). Da bei der Link-Aggregation das an die mehreren Teilnehmer – identisch und möglichst gleichzeitig – zu übertragende Datenpaket nur einmal und deswegen auch nur über einen physischen Datenkanal übertragen wird, ist es erforderlich, dass alle zu einem logischen Kanal aggregierten physischen Kanäle denselben Endpunkt aufweisen, so dass die gebündelten Kanäle mit gleichem Endpunkt untereinander eine Gruppe bilden (SV-GutA S. 3). Am Beginn und am Ende des Kommunikationsstreckenabschnitts, entlang dessen eine Link-Aggregation stattfinden soll, sind Netzwerkknoten vorgesehen, welche die Datenpakete am Beginn des Streckenabschnitts über ihre Anschlüsse auf die physischen Kanäle verteilen, und am Ende des Streckenabschnitts die Datenpakete aus den gebündelten physischen Kanälen wieder zu einem vereinten Strom von Datenpaketen zusammenführen. Jeder physische Kanal ist zu diesem Zweck sowohl auf der Sendeseite als auch auf der Empfangsseite mit dem zugehörigen Netzwerkknoten über eine eigene Schnittstelle (Anschluss) verbunden, so dass es auf der Eingangs- wie auf der Ausgangsseite eine der Zahl der physischen Kanäle entsprechende Zahl von Eingangs- und Ausgangsanschlüssen gibt (SV-GutA S. 3).
Wie die Klagepatentschrift erläutert (Abs. [0004]), war es im Stand der Technik (US 6,510,749) bekannt, Multicast-Datenpakete für alle Ausgangsports einer bestimmten LAG-Gruppe zu vervielfältigen und Kopien an alle Ausgangsports weiterzuleiten. Da von jeder LAG-Gruppe erwartet wird, dass sie nur eine einzige Kopie jedes Multicast-Pakets ausgibt, verwerfen alle bis auf einen der Ausgangsports in der jeweiligen LAG-Gruppe das ihnen übermittelte Multicast-Paket (Abs. [0021], [0033]). Folge dieser Vorgehensweise ist, dass die Knotenbandbreite zwischen Multicast-Quelle und den gruppierten Ausgängen ineffizient ausgenutzt wird (Abs. [0033]).
Nach einem anderen Vorschlag wird der gesamte Multicast-Datenverkehr – unabhängig von seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konversation – an einen einzigen (immer gleichen) Port der LAG-Gruppe weitergeleitet, während die übrigen Anschlüsse der LAG-Gruppe nicht involviert werden. Dies führt zu einer nachteilig unausgewogenen Gesamtverteilung des Datenverkehrs und zu der Schwierigkeit, eine Multicast-Verkehrsbandbreite zu verarbeiten, die höher ist als die Kapazität eines einzelnen Mitglieds der LAG-Gruppe (Abs. [0022], [0034]).
Nach einem dritten Vorschlag (EP 1 713 XXB) kommen bereits Verteilungsalgorithmen zum Einsatz, die beispielsweise auf die Zieladresse zurückgreifen, um den Datenverkehr an einen Port der LAG-Gruppe weiterzuleiten, wobei der Algorithmus im Bedarfsfall geändert werden kann (Abs. [0005]).
Ausgehend von diesem Stand der Technik schlägt das Klagepatent vor,
– dass der erfindungsgemäße Netzwerkknoten dem Multicast-Datenpaket (zusätzlich zu seiner Multicast-Zieladresse) eine Kennung zuweist,
– wobei die Kennung im Weiteren dazu führt, dass innerhalb jeder LAG-Gruppe ein einziger physischer Ausgangsport ausgewählt wird, über den das Multicast-Paket für die betreffende LAG-Gruppe ausgegeben wird. Die Auswahl kann beispielsweise anhand hinterlegter Tabellen (vgl. Seite 6 der Klagepatentschrift) vorgenommen werden, die für jede LAG einer bestimmten Kennung einen bestimmten Ausgangsport der Gruppe zuordnet.
In Merkmale gegliedert sieht Patentanspruch 1 in seiner erteilten Fassung demgemäß die Kombination folgender Merkmale vor:
1. Netzwerkknoten (20) zur Verwendung mit einer Multicast-Quelle (24) in einem paketvermittelten Netzwerk. - 2. Der Knoten (20) umfasst drei oder mehrere physische Anschlüsse (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) zur Kommunikation mit anderen Knoten in dem paketvermittelten Netzwerk.
- a) Die physischen Anschlüsse (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) sind in mehrere verschiedene Gruppen (32a, 32b) gruppiert (LAG-Gruppen),b) wobei
- aa) jede Gruppe einen oder mehrere physische Anschlüsse umfasst,
bb) jeder Anschluss Teil einer einzigen Gruppe ist
cc) und mindestens eine Gruppe zwei oder mehrere physische Anschlüsse umfasst. - 3. Der Knoten (20) umfasst des Weiteren einen ersten Anschluss,
- a) der anders als die gruppierten physischen Anschlüsse ist
- b) und der mit der Multicast-Quelle (24) verbindbar ist, um von dieser ein Multicast-Paket zu empfangen, das eine Multicast-Zieladresse aufweist.
- 4. Der Knoten (20) umfasst ferner eine Vermittlungsstruktur (40), die
- a) zwischen dem ersten Anschluss und den gruppierten (32a, 32b) physischen Anschlüssen (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) gekoppelt ist,
- b) um Pakete zu vermitteln, die an einem Anschluss empfangen werden, damit sie von einem oder mehreren anderen Anschlüssen ausgegeben werden.
- 5. Der Knoten (20) weist dem empfangenen Multicast-Paket eine Kennung zu (54).
- 6. Als Reaktion auf die Kennung wählt die Vermittlungsstruktur (40) einen einzigen Anschluss in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen (32a, 32b) physischer Anschlüsse (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) aus.
- 7. Das Multicast-Paket wird über die ausgewählten Anschlüsse in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen (32a, 32b) ausgegeben (56).
- Die Vorteile dieser Anordnung und des mit ihr ermöglichten Prozedere – wie sie beispielhaft in der nachstehend nochmals eingeblendeten Figur 1 der Klagepatentschrift veranschaulicht sind –
- liegen für den Durchschnittsfachmann – einen universitär ausgebildeten und beruflich erfahrenen Ingenieur der Nachrichtentechnik – auf der Hand. Dadurch, dass nicht jedes LAG-Gruppenmitglied das Multicast-Datenpaket erhält, wird die Verkehrsbelastung innerhalb des Netzwerkknotens reduziert und somit die Ressource effizient genutzt. Dadurch, dass als Empfänger eines Multicast-Pakets nicht vorherbestimmt stets derselbe Ausgangsport der LAG-Gruppe herangezogen wird, sondern nach Maßgabe der dem Paket beigegebenen Kennung eine Auswahl erfolgt (was einen Wechsel zwischen den Ausgangsports möglich macht), lässt sich eine ausgewogene (gleichmäßige) Verteilung des Gesamtdatenverkehrs erreichen. Ob das Klagepatent fordert, dass der Ausgangsport in jeder LAG-Gruppe anhand derselben (und nicht von Gruppe zu Gruppe unterschiedlicher) Kennung(en) geschieht, braucht für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht abschließend geklärt zu werden.
Wenn das Klagepatent in Reaktion auf die (ggf. eine) vergebene Kennung von der Vermittlungsstruktur verlangt, dass sie innerhalb jeder Anschlussgruppe einen Anschluss auswählt, über den das Multicast-Datenpaket von der betreffenden Gruppe ausgegeben wird, so besagt dies nicht, dass die Vermittlungsstruktur, gestützt auf die Kennung, selbst „kreativ auswählend“ tätig werden müsste. Eine „Auswahl“ in Reaktion auf die vergebene Kennung findet auch dann statt, wenn die Vermittlungsstruktur bloß der Kennung gehorcht und das Datenpaket – unter Rückgriff auf hinterlegte Kennungstabellen (vgl. Unteranspruch 3) – an denjenigen Anschluss innerhalb jeder Gruppe ausgibt, der durch die Kennung bestimmt ist. Damit unter solchen Bedingungen die vom Klagepatent beabsichtigte ausgewogene Belastung der einzelnen Ausgangsports möglich ist, muss die Vergabe der Kennung allerdings auf eine Weise geschehen, dass tendenziell jeder Ausgangsport jeder Gruppe für die Ausgabe herangezogen werden kann. Das verlangt keine qualitativ ausgewogene Lastverteilung, weil darauf kein Anspruchsmerkmal gerichtet ist, sondern nur die Möglichkeit, überhaupt – auswählend – verschiedene Ausgangsports heranzuziehen. Es würde deshalb außerhalb der patentgemäßen Lehre bleiben, wenn die Kennung den Ausgangsport endgültig festlegen würde und die Vergabe der – von der Vermittlungsstruktur bloß zu befolgenden – Kennung derart geschehen würde, dass – über den gesamten Multicast-Datenverkehr hinweg betrachtet – keine verschiedenen Ausgangsports jeder Gruppe als Empfänger und Ausgabestelle bestimmt werden könnten, indem bei der Vergabe der Kennung beispielsweise immer ein- und derselbe Port jeder Gruppe als Empfänger festgelegt wird.
Speziell mit Blick auf den Aspekt der Auswahl ist allerdings zu beachten, dass Anspruch 1 als Sachanspruch bloß die konstruktiven Mittel benennt und vorgibt, die eine Wahl des Ausgangsports jeder LAG-Gruppe ermöglichen. Um eine variierende (und bevorzugt gleichmäßige) Auslastung der Ausgangsports erreichen zu lassen, liegt das Lösungsmittel in der Wählbarkeit desjenigen (einen) physischen Ausgangs jeder LAG-Gruppe, der mit dem bestimmten Multicast-Datenpaket angesprochen werden soll. Außerhalb der Merkmalsverwirklichung bleibt demgegenüber, ob der – wie geschildert – tauglich konstruierte Knoten bei seiner konkreten Verwendung im Betrieb tatsächlich in einer Weise (d.h. derart auswählend) zum Einsatz gebracht wird, dass sämtliche Ausgangsports der LAG-Gruppe variierend herangezogen werden. Auch wenn es auf die subjektive Verwendung im einzelnen Gebrauchsfall nicht ankommt, steht es allerdings zur vollen Darlegungs- und (im Bestreitensfall) Beweislast des Klägers, dass die angegriffene Ausführungsform dank ihrer Konstitution die patentgemäß vorausgesetzte technische Eignung und Befähigung zur Auswahl eines Ausgangsports einer LAG-Gruppe hat. Daran würde es nicht nur dann fehlen, wenn eine lastenverteilende Auswahlmöglichkeit in konstruktiver Hinsicht überhaupt nicht angelegt wäre, sondern genauso dann, wenn die Möglichkeit zur Auswahl eines Ausgangsports zwar von der Grundkonzeption der getroffenen Anordnung her vorgesehen wäre, die betreffende Auswahlfunktionalität jedoch durch die Auswahlmöglichkeit überlagernde technische Maßnahmen in einer Weise außer Kraft gesetzt wäre, dass sie von einem gewöhnlichen Anwender und Nutzer nicht mehr aufgerufen werden kann. Besteht bei Benutzung der angegriffenen Ausführungsform die tatsächliche Möglichkeit verschiedener Betriebseinstellungen und realisiert eine dem Anwender mit seinen Einflussnahmemöglichkeiten verfügbare Einstellung eine patentgemäße Auswahl eines Ausgangs-ports, so kommt es lediglich nicht mehr darauf an, ob im praktischen Gebrauch der angegriffenen Ausführungsform (mindestens einmal) dieser Betriebsmodus eingestellt und angewendet wird, weil eine für die Merkmalsverwirklichung ausreichende Eignung zur Auswahl auch dann besteht, wenn von ihr während der Nutzungsdauer nicht ein einziges Mal Gebrauch gemacht wird.
2.
Im Berufungsrechtszug greifen die Beklagten das landgerichtliche Urteil, soweit die festgestellte Patentverletzung in Rede steht, nur insoweit an, als es um die Zuweisung einer Kennung geht, anhand der die Vermittlungsstruktur denjenigen Ausgangsport der LAG-Gruppe auswählt, an den das Multicast-Datenpaket weitergeleitet wird (Merkmale 5 bis 7). Nach der Einlassung der Beklagten soll es bei der angegriffenen Ausführungsform keine zu der Multicast-Zieladresse hinzutretende Kennung geben und das Datenpaket stattdessen – ohne Auswahl – an einen fest vorbestimmten, immer gleichen Port jeder LAG-Gruppe übermittelt werden, der innerhalb der LAG-Gruppe für den Multicast-Datenverkehr zuständig ist. Eine Erörterung der übrigen Anspruchsmerkmale, welche die Beklagten selbst nicht in Zweifel ziehen, erübrigt sich deswegen.
a)
Indem Patentanspruch 1 verlangt, dass „der Netzwerkknoten“ dem Multicast-Datenpaket eine „Kennung zuweist“, steht es – wie das Landgericht zutreffend erkannt hat – im Belieben des Fachmanns, welches konkrete Bauteil des Knotens die Zuweisung vornimmt und auf welche Weise die Kennung generiert und dem Datenpaket zugeordnet wird. Wesentlich ist nur, dass das Multicast-Paket – wie und wodurch im Einzelnen auch immer – über seine Zieladresse hinaus eine für die Vermittlungsstruktur „lesbare“ Kennzeichnung erhält, anhand derer aus den mehreren physischen Ausgangsports einer LAG-Gruppe ein einzelner Ausgang ausgewählt werden kann, über den das Datenpaket für die betreffende Gruppe ausgegeben wird.
b)
Dass die angegriffene Ausführungsform eine dahingehende Eignung besitzt, gibt der Sachvortrag der Klägerin nicht her.
aa)
Maßgeblich für die anzustellende rechtliche Beurteilung ist das schriftsätzlich aufbereitete Vorbringen der Klägerin. Ihm und den begleitend überreichten Unterlagen hat der gerichtliche Sachverständige keine Anhaltspunkte für eine Patentbenutzung entnehmen können.
Zugunsten der Klägerin kann dabei unterstellt werden, dass im Multicast-Datenverkehr aus der MAC-Adresse unter Anwendung einer Hashfunktion ein Hashwert berechnet wird, der sich als „Kennung“ eignet.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen (SV-GutA S. 22) bleibt nach Auswertung der von der Klägerin herangezogenen Anlagen K-B 9 bis K-B 11 in jedem Fall aber offen und damit ungeklärt, ob die – unterstellt – im Sinne einer „Kennung“ berechneten Hashwerte zu einer Auswahl eines der Ausgangsports einer LAG-Gruppe führen. A.a.O. bemerkt der Sachverständige wörtlich:
„Allerdings bleibt offen, ob auch für Multicast-Datenpakete, welche regelmäßig besondere Eigenschaften hinsichtlich ihrer MAC-Adresse haben, die Hashfunktion zu Hashwerten führt, die nicht stets – und damit für alle Multicast-Datenpakete unabhängig von der jeweiligen Kommunikation – zu der Auswahl desselben Ausgangsanschlusses innerhalb einer LAG-Gruppe führen.
Gemäß den genannten Anlagen findet also bei der angegriffenen Ausführungsform zwar die Zuweisung einer Kennung statt, nämlich die Berechnung eines Hashwertes ausgehend von einer MAC-Adresse, es bleibt jedoch offen, ob diese Kennung auch für Multicast-Datenpakete eine variable Auswahl unter den Anschlüssen einer LAG-Gruppe bedeutet oder ob bei Multicast-Datenpaketen in einer jeweiligen LAG-Gruppe stets derselbe Anschluss verwendet wird, in welchem Fall es an einer echten Auswahl gemäß Merkmal 6 fehlen würde.“
Trotz dieses der Klägerin ungünstigen Ergebnisses der schriftlichen sachverständigen Begutachtung hat die Klägerin weder Anlageninhalte benannt, die der Sachverständige ggf. übersehen haben könnte und aus denen sich die vom Sachverständigen vermissten Auswahl-Umstände ergeben, noch hat sie konkrete technische Maßnahmen bezeichnet, mit denen die vom Klagepatent geforderte Auswahl unter Benutzung der – unterstellt generierten – Kennung bewerkstelligt wird.
Die Klägerin zieht sich vielmehr auf eine offensichtlich rechtsfehlerhafte Patentauslegung zurück, für die weder der Beweisbeschluss des Senats noch das Gutachten des Sachverständigen einen tragfähigen Anhalt bieten. Sie meint nämlich, dass eine objektive Eignung der angegriffenen Ausführungsform zur Auswahl eines Ausgangsports schon dadurch gegeben sei, dass anhand der MAC-Adresse ein Hashwert berechnet werde, weil mit ihm die Grundlage dafür gelegt sei, dass es im Multicast-Datenverkehr zu einer lastenverteilenden Wahl eines Ausgangsports kommt (Schriftsatz vom 30.11.2022, S. 6). Dieses Verständnis missachtet Grundregeln der Patentauslegung und zu ihm gibt insbesondere der Beweisbeschluss des Senats, auf den die Klägerin sich stützt, keinen Anlass. In ihm hat der Senat sein eigenes Verständnis vom Inhalt des Klagepatents, soweit im vorliegenden Zusammenhang von Interesse, wie folgt dargelegt:
„Speziell mit Blick auf den letztgenannten Aspekt ist zu beachten, dass Anspruch 1 als Sachanspruch bloß die konstruktiven Mittel benennt, die eine Wahl des Ausgangsports jeder LAG-Gruppe ermöglichen. Um eine gleichmäßige Auslastung der Ausgangsports erreichen zu lassen, liegt das Lösungsmittel in der kennungsbedingten Wählbarkeit desjenigen (einen) physischen Ausgangs der LAG-Gruppe, der mit dem bestimmten Multicast-Datenpaket angesprochen werden soll. Außerhalb der Merkmalsverwirklichung bleibt demgegenüber, ob der – wie geschildert – tauglich konstruierte Knoten bei seiner Verwendung tatsächlich in einer Weise (d.h. derart auswählend) zum Einsatz kommt, dass sämtliche Ausgangsports der LAG-Gruppe ausgewogen herangezogen werden.“
Die zitierte Bemerkung erklärt sich vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung „Rangierkatze“ (BGH, GRUR 2006, 399, 401), die für den Bereich der Sachansprüche als Leitentscheidung zur Patentauslegung und Schutzbereichsbestimmung angesehen werden und deren Kenntnis bei den Prozessvertretern daher grundsätzlich als bekannt vorausgesetzt werden kann. Nach ihr ist es für die Benutzung eines Sachpatents wegen seines absoluten Schutzes unerheblich, ob die Lehre des Patentanspruchs planmäßig oder nur zufällig verwirklicht wird, und es ist gleichfalls unbeachtlich, wenn der patentgemäßen Vorrichtung eine Bedienungsanleitung oder dergleichen beigefügt ist, die einen anderen als den zur Merkmalsverwirklichung führenden Gebrauch empfiehlt. Eine Patentbenutzung liegt in Fällen eines Sachanspruchs vielmehr so lange vor, wie die angegriffene Ausführungsform aufgrund ihrer Beschaffenheit und Verwendungstauglichkeit objektiv in der Lage ist, die Merkmale des Patentanspruchs zu erfüllen. Die objektive Eignung ist – wie der BGH (GRUR 2022, 982 – SRS-Zuordnung) in einer Folgeentscheidung klargestellt hat – allerdings auch erforderlich und unverzichtbar. Soll ein Bauteil einer geschützten Vorrichtung einen bestimmten Zweck erfüllen, genügt es deshalb nicht, wenn es hierzu erst durch das Aufspielen geeigneter Software oder sonstige Konfigurationsmaßnahmen in die Lage versetzt werden kann. Vielmehr muss das Bauteil bereits im Vertriebszustand entsprechend konfiguriert sein, d.h. eine geeignete Software oder sonstige Mittel umfassen, die in entsprechenden Betriebssituationen die Verwirklichung dieser Funktionen ermöglichen.
Exakt in diesem Sinne hält der Beweisbeschluss in seinem oben zitierten Auslegungsteil fest, dass es für die Frage der Patentbenutzung nicht darauf ankommt, ob der Benutzer der angegriffenen Ausführungsform, wenn er die Wahl zwischen verschiedenen Betriebsmodi haben sollte, mindestens einmal einen Betriebsmodus wählt, der zur Merkmalsverwirklichung (d.h. zur patentgemäßen Auswahl eines Ausgangsports innerhalb der LAG-Gruppe) führt. Sehr wohl bedarf es aber, um die objektive Eignung der angegriffenen Ausführungsform für einen eben solchen Betrieb bejahen zu können, der Feststellung, dass innerhalb der angegriffenen Ausführungsform die konstruktiven Voraussetzungen dafür getroffen sind, dass der Benutzer bei ihrer Verwendung einen Auswahlmodus nutzen kann, wie er das Klagepatent lehrt. Das Generieren einer Kennung stellt hierzu eine, aber eben keine für sich genommen hinreichende Bedingung dar. Darüber hinaus bedürfte es eines Mechanismus, der Vorsorge dafür trifft, dass anhand des Hashwertes innerhalb einer LAG-Gruppe (lastenverteilend) ein Ausgangsport ausgewählt werden kann, wobei der Mechanismus, wenn er nicht ständig und unabänderlich zur Anwendung kommt, vom Benutzer der angegriffenen Ausführungsform mindestens im Falle eines etwaigen Bedarfs in Funktion gesetzt werden kann. Für die Anwesenheit solcher die Auswahl erlaubender oder ermöglichender Mittel gibt der Sachvortrag der Klägerin nichts her. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass es bei der angegriffenen Ausführungsform Kennungstabellen gibt, auf die die Vermittlungseinheit zurückgreifen kann.
Der Umstand, dass die angegriffene Ausführungsform einen – unterstellt – als „Kennung“ tauglichen Hashwert generieren mag und zu ihr mit Bezug zum gesamten Datenverkehr, von dem der Multicast-Verkehr nur einen Teil ausmacht, werbend ein „load balancing“ behauptet wird, mögen es in gewisser Weise plausibel erscheinen lassen, dass der Hashwert patentgemäß auswählend genutzt wird. Zwingend ist diese Schlussfolgerung jedoch keinesfalls, weil der Hashwert auch für andere Zwecke generiert und eingesetzt sein kann und sich das „load balancing“ nur auf den Gesamtdatenverkehr und nicht jeden Teil von ihm beziehen kann. Tatrichterliche Feststellungen, die jeden anderen Geschehensablauf als rein theoretisch erscheinen lassen würden, tragen sie nicht.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als reine Einzelfallentscheidung zur Patentauslegung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Streitfall kann vielmehr auf der Grundlage gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung entschieden werden.