4c O 28/19 – Netzwerkknoten mit Multicast-Quelle

Düsseldorfer Entscheidungsnummer: 3039

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 16. Juni 2020, Az. 4c O 28/19

  1. I. Die Beklagten werden verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1. an ihren Geschäftsführern und hinsichtlich der Beklagten zu 2. an ihrem Vorstand zu vollziehen ist, zu unterlassen,
    Netzwerkknoten,
    zur Verwendung mit einer Multicast-Quelle in einem paketvermittelten Netzwerk, wobei der Knoten Folgendes umfasst: drei oder mehrere physische Anschlüsse zur Kommunikation mit anderen Knoten in dem paketvermittelten Netzwerk, wobei die Anschlüsse in mehrere verschiedene Gruppen gruppiert sind, wobei jede Gruppe einen oder mehrere physische Anschlüsse umfasst, jeder Anschluss Teil einer einzigen Gruppe ist, und mindestens eine Gruppe zwei oder mehrere physische Anschlüsse umfasst; einen ersten Anschluss, der anders als die gruppierten physischen Anschlüsse ist und mit der Multicast-Quelle verbindbar ist, um von dieser ein Multicast-Paket zu empfangen, das eine Multicast-Zieladresse aufweist; und eine Vermittlungsstruktur, die zwischen dem ersten Anschluss und den gruppierten physischen Anschlüssen gekoppelt ist, um Pakete zu vermitteln, die an einem Anschluss empfangen werden, damit sie von einem oder mehreren anderen Anschlüssen ausgegeben werden, wobei der Knoten dem empfangenen Multicast-Paket eine Kennung zuweist, wobei die Vermittlungsstruktur einen einzigen Anschluss in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen als Reaktion auf die Kennung auswählt, und wobei das Multicast-Paket über die ausgewählten Anschlüsse in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen ausgegeben wird,
  3. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  4. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 4. Juli 2018 begangen haben, und zwar unter Angabe:
    a. der Namen und Anschriften der Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  5. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  6. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 bezeichneten Handlungen seit dem 4. August 2018 begangen haben und zwar unter Angabe:
    a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermenge,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  7. wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  8. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziff. I.1. bezeichneten, seit dem 4. August 2018 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  9. III. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
  10. IV. Das Urteil ist hinsichtlich Ziff. I.1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.060.000,-, hinsichtlich Ziff. I.2 und I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,- und hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  11. Tatbestand
  12. Die Klägerin verfolgt mit dem hiesigen Rechtsstreit gestützt auf den deutschen Teil des europäischen Patents EP 3 068 XXX B1 (Anlage K-B1; im Folgenden: Klagepatent) Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Verpflichtung zur Schadensersatzzahlung gegen die Beklagten.
  13. Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents. Dieses wurde unter Inanspruchnahme der Priorität der US-Schrift XXX vom 21. Dezember 2006 am 09. Dezember 2007 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 14. September 2016 und derjenige der Patenterteilung am 04. Juli 2018 veröffentlicht.
  14. Das Klagepatent betrifft das Weiterleiten von Multicast-Verkehr über Streckenaggregationsports und steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
  15. Anspruch 1 lautet in der originalen englischen Fassung:
  16. „A network node (20) for use with a multicast source (24) in a packet-switched network, the node comprising: three or more physical ports (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) for communicating with other nodes in the packet-switched network, the ports are grouped into multiple distinct groups (32a, 32b), where each group comprises one or more physical ports, each port is part of a single group, and at least one group comprises two or more physical ports; a first port different from the grouped physical ports connectable to the multicast source (24) for receiving a multicast packet therefrom having a multicast destination address; and a switching fabric (40) coupled between the first port and to the grouped physical ports for switching packets received at one port to be output by one or more other ports, wherein the node assigns (54) an identifier to the received multicast packet, wherein the switching fabric selects a single port in each of the multiple distinct groups in response to the identifier, and wherein the multicast packet is output (56) via the selected ports in each of the multiple distinct groups.“
  17. Übersetzt lautet Anspruch 1:
  18. „Netzwerkknoten (20) zur Verwendung mit einer Multicast-Quelle (24) in einem paketvermittelten Netzwerk, wobei der Knoten Folgendes umfasst: drei oder mehrere physische Anschlüsse (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) zur Kommunikation mit anderen Knoten in dem paketvermittelten Netzwerk, wobei die Anschlüsse in mehrere verschiedene Gruppen (32a, 32b) gruppiert sind, wobei jede Gruppe einen oder mehrere physische Anschlüsse umfasst, jeder Anschluss Teil einer einzigen Gruppe ist, und mindestens eine Gruppe zwei oder mehrere physische Anschlüsse umfasst;
    einen ersten Anschluss, der anders als die gruppierten physischen Anschlüsse ist und mit der Multicast-Quelle (24) verbindbar ist, um von dieser ein Multicast-Paket zu empfangen, das eine Multicast-Zieladresse aufweist; und eine Vermittlungsstruktur (40), die zwischen dem ersten Anschluss und den gruppierten physischen Anschlüssen gekoppelt ist, um Pakete zu vermitteln, die an einem Anschluss empfangen werden, damit sie von einem oder mehreren anderen Anschlüssen ausgegeben werden, wobei der Knoten dem empfangenen Multicast-Paket eine Kennung zuweist (54), wobei die Vermittlungsstruktur einen einzigen Anschluss in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen als Reaktion auf die Kennung auswählt,
    und wobei das Multicast-Paket über die ausgewählten Anschlüsse in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen ausgegeben (56) wird.“
  19. Wegen des Inhalts der „insbesondere“ geltend gemachten Unteransprüche 2 bis 6 sowie 9, 10, 12, 13 und 15 des Klagepatents wird vollumfänglich auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  20. Die nachfolgend eingeblendete Figur 1 und Figur 2 sind der Klagepatentschrift entnommen. Figur 1 ist ein Blockdiagramm, das einen Netzwerkknoten gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung darstellt. Figur 2 ist ein Flussdiagramm, das schematisch ein Verfahren zur Weiterleitung von Multicast-Verkehr gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung darstellt.
    Bei der Klägerin handelt es sich um eine nach dem Recht des Staates A gegründete Gesellschaft, deren Unternehmen sich mit dem Verkauf von Telekommunikationsprodukten an Service-Provider sowie der Forschung und Entwicklung auf diesem Feld befasst.
  21. Auch das Unternehmen der Beklagten ist auf dem Gebiet der Telekommunikations- und Netzwerkprodukte tätig. Bei der Beklagten zu 1. handelt es sich um ein deutsches Unternehmen, welches eine 100%-ige Tochtergesellschaft der (…) Beklagten zu 2. ist. Die Beklagte zu 2. unterhält die Website (…). Dort wird die Beklagte zu 1. als „…“ für die Bundesrepublik Deutschland angegeben (vgl. Anlage K-B5) bzw. als „…“ der B Gruppe bezeichnet. Außerdem wird die deutsche Telefonnummer mit (…) Vorwahl der Beklagten zu 1. als Kontaktmöglichkeit angegeben.
  22. Die Beklagten wurden von der Klägerin bereits in dem ebenfalls vor der Kammer anhängigen Parallelverfahren (Az. 4c O 29/18) aus dem europäischen Patent EP 1 974 XXX B1 in Anspruch genommen und mit Urteil vom 6. Juni 2019 zu Unterlassung, Auskunftserteilung sowie Rechnungslegung verurteilt; zudem hat die Kammer die Verpflichtung der Beklagten zur Schadensersatzzahlung festgestellt.
  23. Zu den Produkten der Beklagten zu 2. gehört ein Netzwerkknoten mit der Bezeichnung C (vgl. Produktdatenblatt Anlage K-B7; im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Das Produktdatenblatt wird nachstehend in deutscher Übersetzung eingeblendet:
  24. Nähere Informationen zu der angegriffenen Ausführungsform und ihren Konfigurationsmöglichkeiten sind der über ein Online-Portal der Beklagten abrufbaren Produktbroschüre der „D“-Produktlinie zu entnehmen (vgl. Anlage K-B5).
  25. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten passivlegitimiert seien. Sie behauptet dazu, dass die Beklagte zu 2. die angegriffene Ausführungsform auch mit Bestimmung für den Markt in der Bundesrepublik Deutschland anbiete und vertreibe. Die Beklagte zu 1. unterstütze sie dabei. In der Produktbroschüre sei für den Vertrieb in Deutschland als Kontaktmöglichkeit eine (…) Telefonnummer angegeben, welche der Beklagten zu 1. zuzuordnen sei. Ebenfalls sei deren E-Mail-Adresse dort aufgeführt. Durch das Aufrufen der Website der Beklagten zu 2. unter der Domain (…) könnten auch deutsche Kunden mit der Beklagten zu 1. in Kontakt treten und ein Produkt erwerben. Ferner werde die Beklagte zu 1. auf der Homepage der Beklagten zu 2. als Hauptquartier für die Region (…) angegeben. In diesem Zusammenhang werde auch auf der Website unter der Rubrik „…“ und dort in der Unterkategorie „…“ wiederum die (…) Telefonnummer angeführt.
  26. Die angegriffene Ausführungsform mache, so meint die Klägerin ferner, von der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen unmittelbaren Gebrauch. Die Lehre des Klagepatents betreffe die Behandlung eines Multicast-Pakets in einem Knoten. Die diesem zugeteilte Kennung führe mithilfe der Vermittlungsstruktur dazu, dass ein Multicast-Paket einem bestimmten Port einer LAG-Gruppe zugewiesen werde. Es erfolge eine gleichmäßige Verteilung der Datenpakete in einer Multi-LAG-Struktur und nicht nur innerhalb einer LAG-Gruppe. Wie außerdem nachfolgender Datenverkehr behandelt und auf die Ports verteilt werde, werde demgegenüber vom Klagepatentanspruch nicht in den Blick genommen.
  27. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform behauptet die Klägerin, dass diese einem empfangenen Multicast-Datenpaket eine Kennung zuweise, anhand derer die Zuteilung des Pakets an einen bestimmten Ausgangsport vorgenommen werde. Dazu mache die angegriffene Ausführungsform Gebrauch vom (…) Standard E (vgl. Anlage K-B8), welcher bei der Verwendung einer Link Aggregation – welche in der angegriffenen Ausführungsform unstreitig vorkommt – auch die Benutzung eines Frame Verteilers („frame distributor“) nebst einer dazugehörigen Frame Verteiler Funktion beschreibe. Diese beiden Elemente würden gerade dazu führen, dass einem Multicast-Paket mittels einer berechneten Portnummer, mithin einer Kennung, ein Ausgangsport einer LAG-Gruppe zugewiesen werden könne. Die Frame Verteiler Funktion könne auch eine Hash-Funktion sein. Die angegriffene Ausführungsform sei insgesamt so konfiguriert, dass sie einen Lastenausgleich herbeiführe und ankommende Pakete gleichmäßig auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen verteilt würden (Anlage K-B10).
    Weiterhin ist die Klägerin der Ansicht, dass es immer einer Zuweisung einer Kennung innerhalb des Netzwerkknotens bedürfe; dies gelte selbst dann, wenn in der angegriffenen Ausführungsform ein Port für die Ausgabe von Multicast-Paketen vorbestimmt worden sei. Für die Frage der Anspruchsverwirklichung sei dagegen unerheblich, ob mehrere aufeinander folgende Multicast-Pakete sodann über denselben Port ausgegeben würden. Denn der Anspruchswortlaut betreffe diesen Fall des nachfolgenden Datenverkehrs gar nicht. Entscheidend sei nur, dass ein eingehendes Multicast-Paket nur einem Port einer LAG-Gruppe zugewiesen würde. Jedenfalls aber bedeute auch die seitens der Beklagten behauptete Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform, dass immer nur ein Port innerhalb einer LAG-Gruppe für die Ausgabe eines Datenpakets verantwortlich sei, was für die Anspruchsverwirklichung ausreiche.
  28. Die Klägerin beantragt,
    wie erkannt.
  29. Die Beklagten beantragen,
    die Klage abzuweisen.
  30. Sie meinen, die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil sie nicht passivlegitimiert seien. Hierzu behaupten sie, dass die auf der Website der Beklagten zu 2. aufgeführten rund (…) Produkte für diverse Regionen der Welt ausgestaltet worden seien und so die angegriffene Ausführungsform nicht an Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sei. Eine Benutzungshandlung der Beklagten zu 1 liege überhaupt nicht vor; eine solche ergebe sich insbesondere nicht allein aus ihrer Erwähnung auf der Website der Beklagten zu 2. Die Herleitung eines Zusammenhangs zwischen der Benennung des Unternehmens der Beklagten zu 1. und dem Internetauftritt der Beklagten zu 2. missachte außerdem, so meinen die Beklagten, den Umstand, dass es sich bei ihnen um zwei selbständige und voneinander trennbare juristische Personen handele. Nichts anderes ergebe sich aus der angegebenen (…) Telefonnummer. Diese könne nicht eindeutig der Beklagten zu 1. zugewiesen werden; ausweislich der Produktbroschüre werde diese nämlich auch von der Beklagten zu 2. verwendet.
  31. Die angegriffene Ausführungsform würde die Lehre des Klagepatents nicht verletzen. Das Klagepatent habe es zum Ziel, die verschiedenen Anschlüsse einer Gruppe effizient zu nutzen, sodass ankommende Pakete auf die physischen Anschlüsse einer Gruppe verteilt würden. Im Stand der Technik sei demgegenüber noch vorgesehen gewesen, die Multicast-Pakete über denselben LAG-Gruppenanschluss weiterzuleiten. Von diesem Stand der Technik mache, so behaupten die Beklagten, die angegriffene Ausführungsform Gebrauch, weil alle Multicast-Pakete stets über denselben Anschluss einer Gruppe ausgegeben würden. Da immer derselbe Port benutzt werde, erfolge keine Lastverteilung innerhalb der LAG-Gruppe. Der Zuweisung einer Kennung bedürfe es außerdem nicht, weil der Ausgangsport für das Multicast-Paket dediziert sei. Es komme weder ein Frame-Verteiler noch eine Hashfunktion gemäß des IEEE-Standards E zur Anwendung.
  32. Hinsichtlich der zum Verletzungsnachweis von der Klägerin zur Akte gereichten Unterlagen meinen die Beklagten außerdem, dass sie nicht geeignet seien, die Verletzung zu belegen. Es gebe nämlich keinen Anlass, diese Dokumente miteinander kombiniert in den Blick zu nehmen. Insbesondere sei der Verweis auf das Standarddokument untauglich, weil sich das Klagepatent von diesem abgrenzen wolle. Sofern er berücksichtigt würde, nehme er jedenfalls die Zuweisung einer Kennung und darauf basierend die Zuteilung zu einem bestimmten Port einer LAG-Gruppe neuheitsschädlich vorweg.
  33. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
  34. Entscheidungsgründe
  35. A.
    Die zulässige Klage ist begründet.
    I.
    Das Klagepatent betrifft Kommunikationsnetze, insbesondere Verfahren und Systeme zur Weiterleitung von Multicast-Verkehr in Kommunikationsnetzwerken (Abs. [0001]).
  36. In Abs. [0002] beschreibt das Klagepatent im Stand der Technik bekannte Netzwerkstrukturen. So ist unter der Bezeichnung F (F) ein Punkt-zu-Mehrpunkt-Service bekannt, der die Funktionalität der Local Area Network (LAN) über Providernetzwerke nachahmt. Außerdem war, wie das Klagepatent in Abs. [0003] erläutert, eine Technik, die sog. Streckenaggregation (Link Aggregation, abgekürzt: LAG), vorhanden, mit der eine Gruppe von parallelen physikalischen Verbindungen zwischen zwei Endpunkten in einem Datennetzwerk zu einer einzigen logischen Verbindung zusammengefasst werden (sog. LAG-Gruppe). Der zwischen den Endpunkten übertragene Datenverkehr wird in einer Weise auf die physischen Verbindungen verteilt, die für die Clients, die Verkehr senden und empfangen, transparent ist. Für Ethernet Netzwerke wird die Streckenaggregation in Klausel 43 des IEEE-Standards G definiert.
  37. Unter Bezugnahme auf die US 6,XXX,XXX (B1) würdigt das Klagepatent in Abs. [0004] ein System und Verfahren zur Datenübertragung als vorbekannt, das über eine Streckenaggregation verfügt. Dabei wurde die Entscheidung, wie ein in einem Multi-Destination-Verkehr übertragener Frame verteilt wird, nicht von dem Eingangsport eines Host oder Switches getroffen, sondern von dem Ausgangsport der LAG-Gruppe. Gleichfalls die Streckenaggregationsgruppe und einen Verteilungsmechanismus betreffend stellt das Klagepatent die Lehre der EP 1 713 XXX A1 dar (Abs. [0005]). Danach ist vorgesehen, dass aufgrund einer in den übertragenen Frames enthaltenen Information eine Verteilungsfunktion die Zuweisung der Frames zu den einzelnen Ports bewirkt. Durch Änderung der Verteilungsfunktion ist es dem Netzwerkelement möglich, eine unterschiedliche Verteilung der Frames auf die Ports zu bewirken.
  38. Das Klagepatent kritisiert am vorbekannten Stand der Technik den Verteilungsmechanismus in den Multicast-Netzwerken als nachteilig. Ein bekanntes Verfahren sah dabei zum Beispiel vor, die Multicast-Pakete an alle Ausgangskarten, die eine LAG-Gruppe bedienen, weiterzuleiten. Da aber eine LAG-Gruppe insgesamt nur eine Kopie des Multicast-Paketes ausgeben sollte, wurden überzählige Pakete verworfen. Die zur Verfügung stehende Knotenbandbreite wurde nur ineffizient genutzt (vgl. Abs. [0033] bzw. Abs. [0021]).
  39. Zur Lösung der Aufgabe schlägt das Klagepatent daher einen Netzwerkknoten mit folgenden Merkmalen vor:
  40. Netzwerkknoten (20) zur Verwendung mit einer Multicast-Quelle (24) in einem paketvermittelten Netzwerk, wobei der Knoten Folgendes umfasst:
    1.1 drei oder mehrere physische Anschlüsse (28a, 28b, 28c, 28d, 28e) zur Kommunikation mit anderen Knoten in dem paketvermittelten Netzwerk,
    1.1.1 wobei die Anschlüsse in mehrere verschiedene Gruppen (32a, 32b) gruppiert sind,
    1.1.2 wobei jede Gruppe einen oder mehrere physische Anschlüsse umfasst, jeder Anschluss Teil einer einzigen Gruppe ist, und mindestens eine Gruppe zwei oder mehrere physische Anschlüsse umfasst;
    1.2 einen ersten Anschluss, der anders als die gruppierten physischen Anschlüsse ist und mit der Multicast-Quelle (24) verbindbar ist, um von dieser ein Multicast-Paket zu empfangen, das eine Multicast-Zieladresse aufweist;
    1.3 und eine Vermittlungsstruktur (40), die zwischen dem ersten Anschluss und den gruppierten physischen Anschlüssen gekoppelt ist, um Pakete zu vermitteln, die an einem Anschluss empfangen werden, damit sie von einem oder mehreren anderen Anschlüssen ausgegeben werden,
    1.4 wobei der Knoten dem empfangenen Multicast-Paket eine Kennung zuweist (54),
    1.4.1 wobei die Vermittlungsstruktur einen einzigen Anschluss in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen als Reaktion auf die Kennung auswählt,
    1.4.2 wobei das Multicast-Paket über die ausgewählten Anschlüsse in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen ausgegeben (56) wird.
  41. II.
    Die Parteien streiten zurecht nur über das Verständnis der Merkmalsgruppe 1.4, sodass sich darüberhinausgehende Ausführungen der Kammer zu den anderen Anspruchsmerkmalen erübrigen.
  42. Die Merkmalsgruppe 1.4 sieht einen Knoten vor, der dem empfangenden (englisch: received) Multicast-Paket eine Kennung zuweist, aufgrund derer die Vermittlungsstruktur einen einzigen Anschluss in jeder der mehreren LAG-Gruppen auswählt und das Multicast-Paket über die jeweils ausgewählten Anschlüsse in jeder der mehreren verschiedenen Gruppen ausgegeben wird.
  43. Unter der Zuweisung einer Kennung versteht das Klagepatent, dass ein eingegangenes Multicast-Paket von der Eingangskarte im Knoten derart mit einer Information behandelt wird, dass die Vermittlungsstruktur erkennt und weiß, an welchen bestimmten Ausgangsport einer LAG-Gruppe sie das Paket zuweisen kann. Wie die Kennung in technischer Hinsicht vorgenommen werden soll, gibt das Klagepatent nicht vor, sondern stellt es in das Belieben des Fachmanns. Dem Klagepatent kommt es insoweit nur darauf an, dass das Ziel, nämlich ein Multicast-Paket nur einmal an jede der vorhandenen LAG-Gruppe weiterzuleiten und daher nur über einen einzigen Port einer LAG-Gruppe auszugeben, erreicht wird.
  44. Dieses Verständnis folgt aus dem Anspruchswortlaut sowie dem weiteren Inhalt der Klagepatentschrift.
  45. Zunächst lässt der Anspruchswortlaut in Merkmal 1.4 erkennen, was durch den Wortlaut des Merkmals 1.2 bestätigt wird, dass Gegenstand der klagepatentgemäßen Lehre die Behandlung eines Multicast-Paketes ist, das im Netzwerkknoten eingegangen ist. Ausdrücklich spricht der Anspruch in Merkmal 1.4 nämlich von einem/dem empfangenden Multicast-Paket. Wie der Knoten für mehrere aufeinanderfolgende Multicast-Pakete verfahren soll, lässt der Anspruch dagegen offen. Hiergegen kann auch nicht der in Merkmal 1.3 benutzte Plural der „Pakete“ eingewendet werden. Denn dieses Merkmal betrifft die Vermittlungsstruktur und enthält Beschreibungen zu deren Aufgabe, die darin besteht, sämtliche eingehende Datenpakete zu vermitteln. Mit dem gewählten Plural bezweckt das Klagepatent daher eine allgemeingültige Beschreibung, ohne den Fokus des Anspruchs auf die Behandlung eines empfangenen Multicast-Paktes als solchen aufzugeben.
  46. Im Hinblick auf ein solches Multicast-Paket ist es – wie der Fachmann schon dem ausdrücklichen Anspruchswortlaut in Merkmal 1.4 entnimmt – die Aufgabe des Knotens, ein eingehendes Multicast-Pakete aktiv mit einer Kennung zu versehen. Dies geschieht, indem im Knoten bestimmte Arbeitsschritte ausgeführt werden, mittels derer auf das Multicast-Paket eingewirkt wird. Konkrete Vorgaben dazu, wie die Zuweisung der Kennung vorzunehmen ist, macht das Klagepatent im Anspruch nicht. In seinen Beschreibungsstellen gibt es indes Aufschluss über die erfindungsgemäße Vorgehensweise.
  47. Abs. [0011], welcher ebenso wie der folgende Abs. [0012] unter der Überschrift „Zusammenfassung der Erfindung“ stehen, lautet dazu:
  48. „In einigen Ausführungsformen ist die Paketverarbeitungslogistik so angeordnet, dass sie jedem der empfangenen Datenpakete einen Fabric Multicast Identification (FMID-) Wert zuordnet, der aus einer Reihe möglicher FMID-Werte ausgewählt ist, wobei jeder FMID einem der Ports in der Teilmenge zugeordnet ist, und die einzelne Kopie an den dem zugeordneten FMID-Wert zugeordneten Port weiterleitet.“
  49. Die in diesem Absatz beschriebene Zuordnung der FMID-Werte wird in Abs. [0012] wie folgt konkretisiert:
  50. „In einer Ausführungsform ist die Paketverarbeitungslogistik angeordnet, um den zugeordneten FMID-Wert für jedes der Datenpakete zu bestimmen, indem sie eine Hashing-Funktion auf Felder der Datenpakete anwendet, um die Verteilung auszugleichen. Hilfsweise ist die Paketverarbeitungslogik so angeordnet, dass der zugeordnete FMID-Wert für jedes Datenpaket basierend auf einer vorgegebenen Zuordnung von Header-Feldern der Datenpakete zu den FMID-Werten bestimmt wird, um die Verteilung auszugleichen.“
  51. Diesen Passagen der Klagepatentschrift entnimmt der Fachmann, dass die zuzuweisende Kennung in den FMID-Werten liegen kann. Diese Werte können ihrerseits mittels einer Hashing-Funktion eigens bestimmt werden oder aber der Knoten greift auf eine bereits bestehende Zuordnung zwischen Header-Feld des Datenpakets und FMID-Werten zurück, ohne vorher einen Berechnungsalgorithmus anwenden zu müssen. Das Klagepatent erachtet die erläuterte Zuweisung der Kennung anhand der Zuordnungen von FMID-Werten aufgrund ihres Charakters als bevorzugtes Ausführungsbeispiel aber nicht als die einzige Möglichkeit. Es ist weder erforderlich, dass dieser Wert benutzt wird, noch dass der Knoten selbst dessen Berechnung anhand eines Algorithmus vornimmt. Das Klagepatent überlässt es daher im Übrigen dem Wissen des Fachmanns, anhand welcher Parameter die Kennung zugeteilt wird.
  52. Entscheidend ist, was sich unmittelbar aus diesen zitierten Absätzen ergibt, dass in jedem Fall eine Verknüpfung zwischen einem bestimmten (FMID-) Wert und einem bestimmten Ausgangsport bestehen muss. Der Fachmann erkennt dazu aus Abs. [0020] und wiederholt in Abs. [0042], dass die Vermittlungsstruktur genau zu diesem Zweck, nämlich für diese gezielte Weiterleitung der Datenpakete an einen ausgewählten Port, eine Vorkonfiguration erfahren hat.
  53. Indem die Abs. [0040] ff. unter der Überschrift „Weiterleiten von Multicast-Paketen“ bei der Beschreibung, wie die Kennung vorzunehmen ist, die Eingangskarte in Bezug nehmen, gewinnt der Fachmann den Hinweis darauf, dass die Zuweisung der Kennung innerhalb des Knotens – insbesondere in Abgrenzung zum Stand der Technik, wo die Entscheidung über die Zuteilung vom Ausgangsport übernommen worden ist – nunmehr möglichst frühzeitig nach Eintritt des Multicast-Datenpakets in den Knoten stattfinden soll. Denn die Eingangskarte ist das erste Element, auf das ein empfangenes Multicast-Paket im Netzwerkknoten trifft.
  54. Unterstützung für dieses Verständnis bieten ferner die Abs. [0031] und [0032] der Klagepatentbeschreibung. Diese beschreiben den allgemeinen Aufbau eines Knotens wie folgt:
    Abs. [0031]
    „Der Knoten umfasst Leitungskarten, die die Datenpakete verarbeiten die in den Knoten ein- und ausgehen. In der Regel führt jede Leitungskarte sowohl Eingangs- als auch Ausgangsverarbeitung durch, d.h. sie verarbeitet sowohl eingehende als auch ausgehende Pakete. […] die im Folgenden als Eingangskarte bezeichnet wird, akzeptiert Multicast-Pakete von der Multicastquelle. […] die im Folgenden als Ausgangskarten bezeichnet werden, sind an die verschiedenen Ausgangsports angeschlossen.“
  55. Abs. [0032]
    „Knoten umfasst eine Vermittlungsstruktur, die Pakete von den Eingangskarten entgegennimmt und an die entsprechenden Ausgangskarten weiterleitet.“
  56. Diese Passagen der Klagepatentschrift offenbaren die lineare Struktur innerhalb des Knotens, deren einzelne Komponenten das Datenpaket nacheinander durchläuft.
  57. Bekräftigt in diesem Verständnis, wo und in welchem Zeitpunkt die Zuweisung der Kennung erfolgen soll, wird der Fachmann außerdem durch die die Figur 2 betreffenden Beschreibungsstellen in der Klagepatentschrift in Abs. [0054]ff. Darin wird schematisch das Verfahren zur Bereitstellung und Weiterleitung von Multicast-Verkehr dargestellt. Nachdem der Knoten Weiterleitungstabellen konfiguriert hat, welche die Basis für die folgende Zuweisung eines Datenpakets an einen bestimmten Ausgangsport sind, wird ein Datenpaket in einem ersten die eigentliche Datenweiterleitung betreffenden Schritt in die Eingangskarte geleitet, wo es mit einem FMID-Wert versehen wird, welcher sodann der Vermittlungsstruktur, unter Zuhilfenahme der Weiterleitungstabelle, den Hinweis auf den auszuwählenden Ausgangsport liefert. Die insoweit zunächst beschriebenen Schritte 50 und 52 beziehen sich demgegenüber noch nicht auf die Datenweiterleitung als solche, sondern bereiten mit dem Bereichsdefinitionsschritt und der Konfiguration der Weiterleitungstabelle lediglich deren Voraussetzungen vor.
  58. Durch diese frühzeitige Zuteilung der Kennung wird ein umfassender Lastenausgleich im Datenverkehr in einem erfindungsgemäßen Netzwerkknotens bewirkt. Es wird sowohl die Last innerhalb des Knotens, also zwischen den einzelnen LAG-Gruppen, als auch diejenige innerhalb einer LAG-Gruppe, also zwischen den einzelnen Ausgangsports, verbessert.
  59. Der Anspruchswortlaut besagt ausdrücklich, dass ein einziger Anschluss in jeder der mehreren LAG-Gruppen ausgewählt werden soll, an den ein mit einer Kennung versehenes Datenpaket zugeteilt werden kann. Im Hinblick auf den Lastenausgleich innerhalb einer LAG-Gruppe lehrt das Klagepatent daher im Anspruch die gezielte Auswahl eines einzelnen Anschlusses für ein Datenpaket. Da diese Auswahl in jeder LAG-Gruppe zu treffen ist, gewährleistet die erfindungsgemäße Lehre, dass grundsätzlich alle vorhandenen Anschlüsse bei der Verteilung der Datenpakete berücksichtigt werden. Wie darüber hinaus die Auswahl zwischen den einzelnen Ports einer LAG-Gruppe vorzunehmen ist, in welchem Verhältnis ein einzelner Port, etwa auch mit Blick auf nachfolgenden Datenverkehr, genutzt wird, besagt der Anspruch nicht. Diese Bedeutung der zugewiesenen Kennung für den Lastenausgleich innerhalb der LAG-Gruppe ist so auch in Abs. [0043] beinhaltet. Er lautet (Hervorhebung diesseits hinzugefügt):
  60. „Die Auswahl von N und die Zuordnung von FMIDs zu Ausgangskarten und Ausgangsports stellen sicher, dass jedes Multicast-Paket nur einmal an jede LAG-Gruppe weitergeleitet wird und dass Multicast-Pakete etwa gleichmäßig auf die Member jeder LAG-Gruppe verteilt werden.“
  61. Aus dem Abs. [0043] erhält der Fachmann zugleich Hinweise auf den angestrebten Lastenausgleich zwischen den LAG-Gruppen. Denn – wie schon im Anspruchswortlaut formuliert – darf dasselbe Datenpaket von vornherein nur ein einziges Mal in eine LAG-Gruppe geleitet werden, muss dabei aber auch jeweils einmal in alle der vorhandenen LAG-Gruppen geschickt werden („jede“). Auf diese Weise gibt das Klagepatent vor, dass für die Ausgabe eines Datenpaketes aus dem Knoten alle vorhandenen LAG-Gruppen in den Blick genommen werden sollen.
  62. Anhaltspunkte für den Lastenausgleich zwischen den LAG-Gruppen finden sich außerdem in Abs. [0023]. Auszugsweiße heißt es dort:
  63. „In den hierin beschriebenen Verfahren und Netzelementen wird das Multicast-Paket bei Bedarf (d.h. wenn das Paket an mehrere LAG-Gruppen weitergeleitet werden soll) und leitet eine einzelne Kopie des Pakets an jede LAG-Gruppe weiter. Auf diese Weise wird ein Lastausgleich erreicht, ohne unnötige Verkehrsbelastung innerhalb des Knotens durch Paketduplikation zu verursachen.“

    Durch die Zuweisung einer Kennung besteht kein Bedarf mehr, die mehreren und möglicherweise zu unterschiedlichen LAG-Gruppen gehörenden Ausgangskarten – und in der Folge die angeschlossenen LAG-Gruppen –, vorsorglich mit Paketreplikaten zu belasten. Denn die korrespondierend vorkonfigurierte Vermittlungsstruktur kann konkret absehen, ob die Vervielfachung eines Multicast-Pakets erforderlich ist, was von der Anzahl der LAG-Gruppen abhängt, an die es weiterzuleiten ist, und führt diese sodann nötigenfalls gezielt durch.

  64. Bestätigt in dem Verständnis, grundsätzlich nur eine Kopie des Datenpakets zu behandeln und nur nötigenfalls zu einem späteren Zeitpunkt in der Vermittlungsstruktur gezielt eine Duplizierung des Datenpakets vorzunehmen, wird der Fachmann durch Abs. [0038]:
  65. „Knoten 20 hingegen leitet nur eine einzige Kopie jedes Multicast-Pakets ohne Duplikation an die Vermittlungsstruktur weiter. Die Vermittlungsstruktur dupliziert das Multicast-Paket und leitet eine Kopie des Pakets an jede teilnehmende Ausgangskarte weiter. Auf diese Weise wird ein Lastausgleich erreicht, ohne unnötige Verkehrsbelastung innerhalb des Knotens durch Paketduplikation zu verursachen.“
  66. Dabei handelt es sich bei der Formulierung „an jede teilnehmende Ausgangskarte“ um eine missverständliche Beschreibung. Denn damit meint das Klagepatent nicht, dass eine Kopie eines Multicast-Pakets an alle im Knoten vorhandenen Ausgangskarten übermittelt wird; dies könnte nämlich zur Folge haben, dass eine LAG-Gruppe, die z.B. von zwei Ausgangskarten bedient wird, zweimal das Paket erhält – was nach der Lehre des Klagepatents gerade zu verhindern ist. Deshalb ist diese Formulierung dahingehend zu verstehen, dass das duplizierte Paket an die Ausgangskarte, die an einer Gruppe teilnimmt und den ausgewählten Ausgangsport bedient, gesendet wird. So wird sichergestellt, dass Ausgangskarten von vornherein nur diejenigen Pakete erhalten, die an mit diesen Karten verbundenen Ports weitergeleitet werden sollen. Dies erklärt sich auch aus dem Kontext mit Abs. [0031], der ausdrücklich die Möglichkeit beschreibt, dass zu einer LAG-Gruppe gehörende Ausgangsports von unterschiedlichen Leiterkarten bedient werden können. Von vornherein sollen diese Leiterkarten nur diejenigen Informationen erhalten, deren Ziel sie auch erreichen können (nämlich den Port gemäß der zugewiesenen Kennung).
  67. Mit dieser gezielten Weiterleitung eines (vervielfachten) Datenpakets an eine Ausgangskarte geht außerdem ein Ausgleich bei der Verteilung innerhalb der LAG-Gruppen einher. Denn für die Zuweisung eines Pakets zu einem Port muss der Knoten schon bei Eingang des Pakets in den Knoten wissen, welcher Gruppe dieser Port zugewiesen ist und von welcher Ausgangskarte die LAG-Gruppe bedient wird, der der ausgewählte Port angehört. Die Bedeutung dieses Informationszusammenhangs ist gerade für den Fall ersichtlich, wenn eine Ausgangskarte mehr als eine LAG-Gruppe bedient und daher mehrere potentielle Ausgangsports verbleiben (vgl. Abs. [0045]).
  68. Gestützt in dem Verständnis, dass nach der erfindungsgemäßen Lehre die empfangenen Multicast-Pakete sowohl gleichmäßig innerhalb einer LAG-Gruppe als auch mittelbar zwischen den jeweiligen LAG-Gruppen ausgeglichen verteilt werden sollen, wird der Fachmann durch die Figur 1 des Klagepatents. Diese zeigt schematisch die interne Zuweisung der Multicast-Pakete auf und insbesondere den Umstand, dass die Vermittlungsstruktur die erforderliche Aufteilung (und nötigenfalls Replizierung) vornimmt. Jedes Multicast-Paket (Base +0 bis Base +5) wird nur einem einzigen Ausgangsport und damit auch nur einmal einer LAG-Gruppe zugewiesen. Ferner ist die Anzahl der Multicast-Pakete gleichmäßig auf die einzelnen Ausgangsports verteilt, nämlich im Fall der LAG-Gruppe 32A jeweils 2 pro Port. Da die Ausgangskarte 36C zwei Ausgangsports bedient, werden ihr 4 Pakete zugesendet. Entsprechendes Gleichgewicht besteht innerhalb der zweiten LAG-Gruppe 32B. Dort sind lediglich zwei Ausgangsports enthalten, denen jeweils drei der Pakete zugewiesen werden.
  69. Durch die Figur 2 erfährt der Fachmann Bestätigung unter dem Gesichtspunkt, dass die Kennung an die Datenpakete möglichst frühzeitig vorgenommen werden soll. Denn die konfigurierten FMID-Werte sollen der Vermittlungsstruktur („fabric“) und den Ausgangskarten („egress cards“) übermittelt werden. Dies bedeutet aber, dass die Eingangskarte für die Zuteilung der Kennung verantwortlich ist, weil dies das erste (und einzige) Modul ist, das der Vermittlungsstruktur innerhalb des Knotens vorgelagert ist.
  70. Dieses Verständnis steht schließlich auch unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten mit der erfindungsgemäßen Lehre in Einklang. Der Fachmann erkennt, dass es dem Klagepatent auf einen umfänglichen Lastenausgleich ankommt, der dadurch bewerkstelligt werden soll, dass ein Multicast-Paket gezielt einem Ausgangsport zugewiesen wird. Dafür ist in technischer Hinsicht erforderlich, dass der Knoten dem Multicast-Paket die erforderlichen Informationen, aufgrund derer die Auswahl des Ports erfolgen kann, zuteilt, weil sie nicht von vornherein beinhaltet sind. Für die technische Umsetzung der Lehre des Klagepatents ist nur maßgeblich, dass ein Zusammenhang zwischen den Multicast-Paketen und den Ports hergestellt ist; ob dabei auf teils vorgegebene Parameter zurückgegriffen wird, wie etwa eine Zuordnung von Header-Feldern zu FMID-Werten, oder die Berechnung und Zuordnung vollständig vom/im Knoten durchgeführt wird, ist unerheblich. Insoweit weiß der Fachmann, dass technisch-funktional aber jedenfalls vorausgesetzt ist, dass die Vermittlungsstruktur, welche für die Verteilung der Multicast-Pakete sodann verantwortlich ist, so vorkonfiguriert ist, um die Bedeutung der Kennung verstehen zu können. Ohne eine entsprechende Konfiguration dürfte die Vermittlungsstruktur die Kennung unter technischen Gesichtspunkten nicht auswerten können. Durch die Zuweisung der Kennung besteht keine technische Notwendigkeit mehr, die Datenpakete frühzeitig zu replizieren oder sie allen Ports aller LAG-Gruppen zuzuweisen.
  71. III.
    Ausgehend von dem zuvor erläuterten Verständnis vermag die Kammer eine Verwirklichung der Merkmalsgruppe 1.4 durch die angegriffene Ausführungsform festzustellen. Die angegriffene Ausführungsform weist einem empfangenen Multicast-Datenpakt aufgrund einer zugeteilten Kennung einen bestimmten Ausgangsport einer LAG-Gruppe zu.
  72. 1.
    Die Darlegungs- und nötigenfalls Beweislast für die Funktionsweise und den Aufbau der angegriffenen Ausführungsform trifft hier gemäß der allgemeinen zivilprozessualen Regeln die Klägerin, weil sie aus diesen Tatsachen die Verletzung des Anspruchs, als für sie günstigen Umstand aufzeigen will. Sie muss daher entsprechenden Vortrag in schlüssiger Weise präsentieren. Die Beklagtenseite ist sodann gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen in der Klageschrift Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären. Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Er kann sich auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmals beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss im Rahmen seiner Erkenntnismöglichkeiten in der gleichen Weise substantiiert sein, wie es das Vorbringen des Klägers ist. Prinzipiell gilt der Grundsatz, dass je substantiierter der Sachvortrag des Klägers ist, desto strenger auch die Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten des Beklagten sind (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl., Kap. E, Rn. 147 m.w.N.). Dabei ist bei der Würdigung des jeweiligen Parteivortrags auf dem Gebiet des Patentrechts zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Detailliertheit umso gesteigerter sein können, je komplexer die technische Funktionsweise einer Vorrichtung oder eines Systems ist und diese aus sich heraus nicht eingängig und nachvollziehbar ist.
  73. 2.
    Ausgehend von diesen Anforderungen hat die Klägerin hier substantiiert die technische Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform aufgezeigt, ohne dass die Beklagten – einschließlich ihrer Erläuterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung – diesem Vorbringen auf beachtliche Weise entgegengetreten wären.
  74. Das tatsächliche Vorbringen der Klägerin ist dabei nicht schon von vornherein als unsubstantiiert zu betrachten, weil sie sich zum Nachweis der Funktionen der angegriffenen Ausführungsform auf eine Zusammenschau der Anlagen K-B5 bis K-B10 stützt. Denn im Rahmen des Verletzungsnachweises ist es nicht erforderlich, dass der Fachmann aus dem einen Schriftstück Anlass erhält, um ein weiteres Dokument heranzuziehen. Ausreichend ist vielmehr, wenn sich aus den in Bezug genommenen Dokumenten ein plausibler inhaltlicher Zusammenhang ergibt, der die Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform offenbart; das ist vorliegend der Fall. Ferner bestehen an der Richtigkeit des technischen Inhalts dieser überwiegend vom Unternehmen der Beklagten stammenden Dokumente selbst keine Bedenken, da die Beklagte diese nicht in Zweifel gezogen hat.
  75. Unter Verweis auf das als Anlage K-B7 zur Akte gereichte Produktdatenblatt der angegriffenen Ausführungsform hat die Klägerin zunächst aufgezeigt, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet ist, neben Broadcast und Unicast auch mit einer Multicast-Quelle verwendet, mithin in einer Mehrpunktverbindung, eingesetzt zu werden und daher auch Multicast-Pakete empfangen und weiterleiten kann. Dies haben die Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt und dazu lediglich einschränken wollen, dass der Schwerpunkt des Datenverkehrs in der angegriffenen Ausführungsform auf dem Unicast-Verkehr liege.
  76. Ferner verweist das Produktdatenblatt auf Seite 2, darstellend die Spezifikationen der angegriffenen Ausführungsform, ausdrücklich auf den IEEE-Standard E Link Aggregation (vgl. Anlage K-B8). Dieser Hinweis in den technischen Spezifikationen bedeutet, dass die angegriffene Ausführungsform von der standardgemäßen Lehre Gebrauch macht, welche – in dem hier in Bezug genommenen Ausschnitt des Kapitels 43 – vorsieht, ankommenden Datenpaketen eine Kennung zuzuweisen, um die Auslastung der zu LAG-Gruppen zusammengefassten Ports in einem Knoten zu steuern. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass in der angegriffenen Ausführungsform mehrere logische Ports zu einem logischen Port gebündelt werden.
  77. Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass die eigentliche Verteilung der Multicast-Datenpakete in der angegriffenen Ausführungsform standardgemäß erfolgt. Die Klägerin hat dazu die Modalitäten des Standards auf nachvollziehbare Weise erläutert. So umfasst die Link Aggregation im Sinne des Standards einen „Frame Distributor“, mithin eine Komponente, die dafür verantwortlich ist, eingegangene Frames unter Berücksichtigung eines Frame-Verteilungsalgorithmus auf den entsprechenden Port zu übermitteln. Dieser Verfahrensschritt dient demnach dazu, Datenpakete mit dem erhaltenen Ergebnis einer Berechnungsfunktion zu versehen, weil dieses es ermöglicht, eine Zuteilung zu einem bestimmten Port vorzunehmen. In Kap. 43.2.4 mit der Überschrift „Frame-Verteiler“ sowie in der Anlage 43A nimmt der Standard gesondert auf die Erhebungs- und Verteilungsfunktion Bezug. Explizit soll der Frame-Verteiler, mithilfe der Funktion, die Auswahl der Verbindung vorgeben. Vervielfältigungen von Frames soll es dabei gerade keine geben. Die genaue Funktionsweise des Frame-Verteilers wird dadurch konkretisiert, dass exemplarisch auf Erhebungs-/Verteilungsalgorithmen abgestellt wird, die herangezogen werden können. Benannt wird dabei auch die Hashfunktion als einfacher Ansatz, um für ausgewählte Informationen eine Portnummer zu erzeugen.
  78. Es bestehen nach Auffassung der Kammer keine Bedenken, auf dieses Standarddokument zum Nachweis der Verletzung des Klagepatents zurückzugreifen. In tatsächlicher Hinsicht haben die Beklagten nicht bestritten, dass die angegriffene Ausführungsform den Standard und die dort vorgesehene Zusammenfassung physischer Ports zu einer LAG unterstützen, weshalb der Anwendungsbereich des Standards für die angegriffene Ausführungsform zutreffend ist. Einem Rückgriff steht auch nicht die Auffassung der Beklagten entgegen, wonach sich das Klagepatent von diesem Standard abheben wolle und ein Verletzungsnachweis daher nicht unter dessen Zuhilfenahme begründet werden könnte. Denn aus Abs. [0003] der Klagepatentschrift, in dem das Klagepatent den vorbekannten Stand der Technik beschreibt, ergibt sich lediglich einen Verweis auf das Standarddokument G, indes kein Hinweis darauf, dass sich die erfindungsgemäße Lehre von dessen Inhalt abgrenzen wolle. Vielmehr zeigt die Gesamtschau des Klagepatents, dass dieser Standard weiterhin die Grundlage der Erfindung sein soll. Der Hinweis der Beklagten auf die vermeintliche Neuheitsschädlichkeit dieses Standarddokuments gegenüber der Merkmalsgruppe 1.4 ist für die Frage der Verletzung ohne Bedeutung.
  79. Dass die angegriffenen Ausführungsform genau das im Standard behandelte Ziel der Link Aggregation verfolgt, ergibt sich ferner aus den Ausführungen in der Anlage K-B9 zum LAG Control Protocol. Dieses erläutert die Funktionsweise der Link Aggregation mit Blick auf den Standard und stellt heraus, dass so ein Lastausgleich zwischen „multiple channel groups“ bewirkt wird, folglich im Multicast-Verkehr. Die Geltung dieses AOS-Protokolls selbst in der angegriffenen Ausführungsform folgt ihrerseits unmittelbar aus Seite 1 des Produktdatenblatts der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K-B7).
  80. Die Beklagten haben es dagegen nicht vermocht, ihrer Darlegungslast zu genügen und sich auf erhebliche Weise diesem klägerischen Vorbringen entgegenzusetzen.
    Sie haben weder schriftsätzlich noch im Termin zur mündlichen Verhandlung eine technisch nachvollziehbare, alternative Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform aufzuzeigen vermocht, die ohne die Inanspruchnahme der erfindungsgemäßen Lehre auskäme. Das wiederholte Vorbringen, dass der im Standard vorgesehene Frame-Verteiler nicht benutzt werde und die Multicast-Datenpakete stets demselben dedizierten Port zugewiesen würden, ist vor dem Hintergrund des detaillierten klägerischen Vorbringens zu pauschal. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die in der angegriffenen Ausführungsform eingehenden Datenpakete, selbst wenn der Knoten sie als Multicast-Paket erkennt, an den dedizierten Port weitergeleitet werden.
  81. Die Beklagten genügen ihrer Darlegungslast hinsichtlich einer plausiblen Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform auch nicht mit dem Verweis auf den vom Klagepatent als nachteilig gewürdigten Stand der Technik in Abs. [0022]. Ungeachtet dessen, dass diese Beschreibungspassage nacheinander in einen Knoten eingehende Datenpakete betrifft, werden darin jedenfalls keine technischen Hintergründe, wie es zu der Aussendung aller Datenpakte über denselben Port einer LAG-Gruppe kommt, erläutert. Derlei Vortrag haben auch die Beklagten nicht erbracht.
  82. IV.
    Die beiden Beklagten sind passivlegitimiert.
  83. 1.
    Die Beklagte zu 1. ist passivlegitimiert, weil sie jedenfalls das Angebot der angegriffenen Ausführungsform in der Bundesrepublik Deutschland unterstützt. Der aus der Website der Beklagten zu 2. ersichtliche Verweis auf das Unternehmen der Beklagten zu 1. ist zur Begründung einer Verletzungshandlung im Inland ausreichend.
  84. a.
    In der Darstellung der angegriffenen Ausführungsform auf der Website der Beklagten zu 2. liegt eine relevante Angebotshandlung für die Bundesrepublik Deutschland.
  85. Für die Schutzrechtsverletzung durch Internetangebote kommt es darauf an, dass ein wirtschaftlich relevanter Bezug zum Inland vorhanden ist, welcher anhand einer Gesamtabwägung aller Umstände zu ermitteln ist. Dass auch inländische Abnehmerkreise angesprochen sind, ist etwa dann anzunehmen, wenn bekanntermaßen im Inland potenzielle Abnehmer der beworbenen Vorrichtung ansässig sind und eine Direktbestellmöglichkeit nach Deutschland besteht. Dass das Internetangebot nicht auf deutscher Sprache abgefasst ist, ist dann unschädlich, wenn dessen Sprache jedenfalls vom potenziellen Abnehmerkreis verstanden wird (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. A, Rn. 316 m.w.N.).
  86. Danach steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die angegriffene Ausführungsform auf der Website der Beklagten zu 2. für potentielle Abnehmer in Deutschland bestimmt ist. Wenngleich den Beklagten zuzugeben ist, dass die B-Gruppe über eine Vielzahl von Produkten und Produktlinien verfügt, findet der die Website aufrufende Interessent keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kontaktmöglichkeiten nur im Hinblick auf ausgewählte Produkte und gerade nicht die angegriffene Ausführungsform bestehen bzw. diese nicht für den deutschen Markt bestimmt sein soll. Dazu wäre es erforderlich gewesen, seitens der Beklagten durch Einfügen eines Disclaimers den Zielort des Angebots lokal einzugrenzen (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. A, Rn. 316). Dies ist indes für die angegriffene Ausführungsform nicht erfolgt.
  87. b.
    Die Beklagte zu 1. ist dabei selbst als Verletzer zu betrachten.
    Tauglicher Schuldner sämtlicher Ansprüche wegen Patentverletzung ist, wer die Verwirklichung des Benutzungstatbestandes durch einen anderen objektiv ermöglicht oder fördert, obwohl er sich mit zumutbarem Aufwand die Kenntnis verschaffen kann, dass die von ihm unterstützte Handlung des absolute Recht des Pateninhabers verletzt (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 187 m.w.N.).
  88. Diese Voraussetzungen liegen bezüglich der Beklagten zu 1. vor. Denn sie wird als European Headquarter auf der Internetseite (…) der Beklagten zu 2. geführt. Unstreitig handelt es sich bei der angegebenen Telefonnummer um diejenige der Beklagten zu 1. Mithin besteht für Interessenten die Möglichkeit, einen Verkaufskontakt im Hinblick auf die Produkte der Beklagten zu 2. aufzunehmen. Dass der Angabe der deutschen Telefonnummer dieser Bedeutungsgehalt beizumessen ist, folgt insbesondere aus deren Listung unter der Kategorie „…“ für die Bereiche Europa und daneben auch gesondert für Deutschland. Indem in dieser Liste keine separaten Firmen genannt werden, erschließt sich für den Besucher der Website, dass es sich um zur B Gruppe gehörende Kontaktpunkte handelt. Einer separaten namentlichen Benennung der Firma der Beklagten zu 1. bedurfte es daher nicht. Schließlich steht einer Angebotshandlung durch die Beklagte zu 1. nicht entgegen, dass ihre Telefonnummer nicht in unmittelbarem Kontakt, etwa auf derselben Seite wie die angegriffenen Ausführungsformen, erscheint.
    Durch das Eröffnen von Kontaktmöglichkeiten erklärt die Beklagte zu 1. ihre Bereitschaft, für Interessenten aus der Bundesrepublik Deutschland tätig zu werden und diese beim Erwerb einer angegriffenen Ausführungsform zu unterstützen. Auf eine eigene Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1. für den Inhalt der Website oder der Produktbroschüre als solcher kommt es dafür nicht an. Die Kammer leitet die Haftung der Beklagten zu 1. nach alledem nicht lediglich aus einer „Konzernhaftung“ ab.
  89. 2.
    Die Beklagte zu 2. ist ebenfalls passivlegitimiert, weil sie die angegriffene Ausführungsform auf ihrer Website (…) zum Kauf anbietet. Wie zuvor dargestellt, scheitert die Passivlegitimation nicht daran, dass kein hinreichender Zusammenhang der angegriffenen Ausführungsform zu deutschen Abnehmern ersichtlich wäre.
  90. V.
    Aufgrund der Verwirklichung des Klagepatentanspruchs ergeben sich folgende Rechtsfolgen für die Beklagten:
  91. 1.
    Die Beklagte zu 1. muss gem. Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 PatG die Verletzungshandlungen unterlassen.
  92. 2.
    Der geltend gemachte Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung resultiert aus Art. 64 EPÜ, §§ 140b PatG, 242, 259 BGB.
  93. 3.
    Für den Schadensersatz gerichteten Feststellungsanspruch hat die Klägerin das gem. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Denn mangels näherer Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist es dem Kläger erst nach Erteilung der Auskunft möglich, diesen Anspruch der Höhe nach zu beziffern. Bis dahin besteht jedenfalls ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung dem Grunde nach (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. D, Rn. 417). Dem Grunde nach folgt der Anspruch auf Schadensersatz aus § 139 Abs. 2 PatG i.V.m. Art. 64 EPÜ.
  94. B.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
  95. Streitwert: 1.325.000,- Euro
  96. Der Streitwert teilt sich je hälftig auf die beiden Beklagten auf. Auf den Unterlassungsanspruch entfallen jeweils EUR 530.000,-, auf die Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche jeweils EUR 50.000,- sowie auf den Schadensersatzfeststellungsanspruch, für den die Beklagten gesamtschuldnerisch haften, jeweils EUR 165.000,-.

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