Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Oktober 2001, Az. 4a O 194/01
I.
Der Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die Kostenentscheidung der Kammer vom 22. März 2001 wird zurückgewiesen.
II.
Die weiteren Verfahrenskosten werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Tatbestand:
Die Antragstellerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents 0 042 544, das am 11.6.1981 angemeldet, dessen Erteilung am 3.10.1984 veröffentlicht wurde und das durch Zeitablauf am 11.6.2001 erloschen ist (Verfügungspatent). Das Verfügungspatent betrifft neue Antihystamine, Verfahren zu ihrer Herstellung und sie enthaltende pharmazeutische Zusammensetzungen. In Anspruch 10 des Verfügungspatents ist folgende Verbindung unter Schutz gestellt:
„11-(N-Carboethoxy-4-piperidyliden)-8-chloro-6,11-dhydro-5H-benzo[5,6]cyclohepta[1,2-b]pyridin“
Dabei handelt es sich um die chemische Formel für den Wirkstoff Loratadin.
Mit Fax-Schreiben vom 17. Mai 2001 wandte sich die Antragstellerin durch ihre Verfahrensbevollmächtigten an die Antragsgegnerin und führte unter anderem aus, dass ihr – der Antragstellerin – nunmehr gesicherte Informationen vorlägen, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin zur Zeit unter Verletzung der Patentrechte der Antragstellerin gegenüber Apothekern für den Bezug Loratadin-haltiger Zusammensetzugen abgäben und insbesondere Sonderkonditionen anböten. Unter Fristsetzung bis „Freitag, 18.5.2001, 18.00 Uhr (hier eingehend)“ forderten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Abgabe einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung betreffend Loratadin und die Benutzungshandlung des Anbietens auf.
Die Antragsgegnerin antwortete mit Fax-Schreiben vom 18.5.2001. Darin führte sie unter anderem aus, dass es die prinzipielle Politik ihres Hauses sei, bestehende Schutzrechte zu beachten. Dies gelte auch für die Mitarbeiter des Außendienstes, die entsprechend angewiesen seien. Bevor die Antragsgegnerin daher die von der Antragstellerin gewünschte Unterlassungserklärung abgeben könne, bitte sie um Benennung der Mitarbeiter ihres Hauses, die angeblich Loratadin Angebote abgegeben hätten.
Mit bei Gericht am 22. Mai 2001 eingegangenem auf den 21. Mai 2001 datierten Schriftsatz hat die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, eine chemische Verbindung der genannten Formel anzubieten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass sie habe feststellen müssen, dass die Antragsgegnerin unter Missachtung des Verfügungspatents ein Loratadin-Fertigarzneimittel angeboten habe. Einer ihrer Mitarbeiter, Herr M4, habe am 10.5.20001 in der B4-Apotheke in W2 und am 11.5.2001 in der L2-Apotheke in B2-W4 erfahren, dass die Antragsgegnerin (mindestens) bereits seit dem 10.5.2001 (W2) bzw. seit dem 11.5.2001 (B2) Loratadin zu Sonderkonditionen angeboten habe. Auf die vorgerichtliche Abmahnung der Antragstellerin vom 17.5.2001 habe die Antragsgegnerin lediglich mit Schreiben vom 18.5.2001 reagiert und ausgeführt, Schutzrechte Dritter zu beachten.
Die Kammer hat daraufhin durch Beschluss vom 22.5.2001 die beantragte einstweilige Verfügung erlassen.
Mit bei Gericht am 8.6.2001 eingegangenem Schriftsatz vom 5.6.2001 hat die Antragsgegnerin Kostenwiderspruch gegen die Beschlussverfügung vom 22.5.2001 eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, die Antragstellerin habe sie zwar mit Schreiben vom 17.5.2001 abgemahnt, in dem Schreiben jedoch keine konkreten Angaben zur angeblichen Verletzung des Verfügungspatents gemacht. Deshalb habe sie – die Antragsgegnerin – die Gelegenheit zur Stellungnahme mit Schreiben vom 18.5.2001 genutzt und um konkrete Benennung gebeten. Hätte die Antragstellerin ihr – der Antragsgegnerin – daraufhin kurzfristig die angegriffenen Handlungen so mitgeteilt, wie sie es in der Antragsbegründung getan habe, so hätte sie – die Antragsgegnerin – die strafbewehrte Unterlassungserklärung umgehend abgegeben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Aufhebung des Kostenausspruchs in der Beschlussverfügung vom 22.5.2001 die Verfahrenskosten der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragstellerin beantragt,
den Widerspruch der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Sie weist zur Begründung ihres Antrags darauf hin, dass – unstreitig – ihr Verfahrensbevollmächtigter Rechtsanwalt Dr. A1 v2 F2 das Fax-Schreiben der Antragsgegnerin vom 18.5.2001 zum Anlass genommen habe, den dort angegebenen Prokuristen R1 anzurufen. Ihm sei jedoch mitgeteilt worden, dass Herr R1 nicht mehr im Hause sei. Seine Mitarbeiterin, die sich selbst als mit der Angelegenheit vertraut bezeichnet habe, habe erklärt, dass man darauf bestehen müsse, die Namen der Mitarbeiter zu erfahren. Dr. v2 F2 habe geantwortet, dass hierauf kein Anspruch bestehe; die Innenorganisation der Antragsgegnerin sei ihre Angelegenheit. Gleichwohl habe ihr Verfahrensbevollmächtigter mitgeteilt, dass es sich um Verstöße in den Orten W2 und B2-W3 handele. Nachdem am Montag, den 21.5.2001, keine Rückäußerung der Antragsgegnerin erfolgt sei, habe sie – die Antragstellerin – alsdann am 22.5.2001 den vorbereiteten Verfügungsantrag gestellt.
Dem hält die Antragsgegnerin entgegen, dass, nachdem der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin ihr im Verlaufe des Telefonats, das – unstreitig – zwischen 14.30 und 15.00 Uhr stattgefunden habe, deutlich gemacht habe, dass er – wenn nicht noch am gleichen Tage die Unterlassungserklärung abgegeben werde, unverzüglich den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht einreichen werde, sie am Freitagnachmittag keine Überprüfung mehr habe vornehmen können. Am darauffolgenden Montag habe sie nichts weiter unternommen, weil sie davon ausgegangen sei, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits bei Gericht eingegangen sei und somit ohnehin nichts mehr zu ändern gewesen wäre. Sie, die Antragsgegnerin, wäre nach Überprüfung der ihr am Freitagnachmittag mitgeteilten Information, am darauffolgenden Montag bereit gewesen, eine Unterlassungserklärung abzugeben.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der allein gegen den Kostenausspruch der Beschlussverfügung der Kammer vom 22.5.2001 gerichtete Widerspruch der Antragsgegnerin ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Wie im Klageverfahren hat auch im Verfahren auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich die unterliegende Partei – hier die Antragsgegnerin – die Verfahrenskosten zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschrift ist jedoch dann nicht anwendbar, wenn der Beklagte durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage keine Veranlassung gegeben hat und er den Klageanspruch sofort anerkennt, § 93 ZPO. Entsprechendes gilt im Verfahren auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung, wenn sich der Antragsgegner nach Erlass der Verfügung allein gegen die Kostenentscheidung wendet und damit auf einen Widerspruch gegen die Sachentscheidung im Verfügungsverfahren verzichtet, vorausgesetzt, der Antragsgegner hat durch sein Verhalten dem Antragsteller keine Veranlassung gegeben, den Erlass der einstweiligen Verfügung zu beantragen (vgl. zu alledem: Baumbach/Hefermehl, UWG, 21. Aufl., § 25 UWG, Rn. 73 f., m.w.N.). Letzteres ist hier jedoch nicht der Fall gewesen.
Allerdings rügt die Antragsgegnerin zu Recht, dass das Schreiben der Antragstellerin vom 17.5.2001 den inhaltlichen Anforderungen an ein Abmahnschreiben nicht genügt hat, weil die Angaben über die Verletzungshandlung betreffend das Verfügungspatent nicht hinreichend konkret gewesen sind. Denn eine Abmahnung, die allein die konkrete Verletzungsform bezeichnet, ohne die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Beanstandung zu kennzeichnen, ist in der Regel als unzureichend anzusehen (vgl. OLG Hamburg, WRP 1996, 773; Deutsch in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozeß, 4. Aufl., 1999, Kap. 5, Rn. 5). Demgegenüber hat die Antragstellerin in dem Schreiben vom 17.5.2001 lediglich allgemein ausgeführt, dass ihr gesicherte Informationen vorlägen, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin zur Zeit unter Verletzung der Patentrechte der Antragstellerin gegenüber Apothekern Angebote für den Bezug Loratadin-haltiger Zusammensetzungen abgäben. Für die Antragsgegnerin war es aufgrund dieser allgemeinen Angaben nicht nachvollziehbar, auf welche konkreten Handlungen die Antragstellerin den von ihr erhobenen Verletzungsvorwurf gestützt hat. Entsprechend hatte sie auch keine Möglichkeit zu überprüfen, ob Verletzungshandlungen durch ihre Mitarbeiter überhaupt stattgefunden haben.
Die Antragstellerin hat die Verletzungshandlung jedoch durch ihren Verfahrensbevollmächtigten in einem Telefonat gegenüber der Assistentin des Leiters der Rechtsabteilung der Antragsgegnerin, Frau M3 S3, das unstreitig zwischen 14.30 und 15.00 Uhr am 18.5.2001 geführt wurde, durch Angabe der Orte, an denen Loratadin-haltige Zusammensetzungen gegenüber Apothekern angeboten worden sein sollen – nämlich in W2 und B2-W3 – so hinreichend konkretisiert, dass der Antragsgegnerin eine Überprüfung des Verletzungsvorwurfes möglich geworden ist. Denn dem Vorbringen der Antragstellerin ist zu entnehmen, dass sie nach Überprüfung der ihr am Freitagnachmittag gegebenen Informationen am darauffolgenden Montag bereit gewesen wäre, eine Unterlassungserklärung abzugeben.
Die Antragsgegnerin meint dennoch, dass ihr die Abgabe der Unterlassungserklärung am Montag, den 21.5.2001, – im Hinblick auf die Kostenfolge des § 93 ZPO analog – nicht mehr oblegen habe, weil sie habe annehmen müssen, dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits bei Gericht eingereicht worden sei und somit ohnehin nichts mehr zu ändern gewesen wäre. Zur Begründung führt die Antragsgegnerin aus, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in dem Telefonat vom 18.5.2001 gegenüber der Assistentin des Leiters der Rechtsabteilung der Antragsgegnerin deutlich gemacht habe, dass er – wenn nicht noch am gleichen Tage die Unterlassungserklärung abgegeben werde – unverzüglich den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht einreichen werde, und nimmt zur Glaubhaftmachung auf die als Anlage 1 vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Frau M3 S3 vom 21.6.2001 Bezug. Dieser eidesstattlichen Versicherung ist zu entnehmen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin sich in seinem am Nachmittag des 18.5.2001 geführten Telefonat vom 18.5.2001 auf ein Fax der Rechtsabteilung der Antragsgegnerin vom 18.5.2001 bezogen und mitgeteilt habe, die fraglichen Vorgänge hätten sich in W2 zugetragen. Weitere Auskünfte müsse und werde er nicht geben. Wenn jetzt die Unterlassungserklärung nicht abgegeben werde, werde er zu Gericht gehen.
Aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau S3 geht damit nicht hervor, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin in dem Telefonat vom 18.5.2001 angekündigt hat, den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung auf jeden Fall am Montag, den 21.5.2001, zu stellen, wenn nicht noch am Freitag, den 18.5.2001, die vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung von der Antragsgegnerin abgegeben werde. Vielmehr hat er sich nicht festgelegt, wann er „zu Gericht gehen“ werde, wenn die Antragsgegnerin die Unterlassungserklärung nicht abgeben werde. Der Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin der Antragsgegnerin in dem Telefonat die Orte der Verletzungshandlungen mitgeteilt hatte, musste bei verständiger Auslegung aus Sicht der Antragsgegnerin ebenfalls dafür sprechen, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin bis Montag, den 21.5.2001, Zeit lassen würde, anhand dieser Informationen den Verletzungsvorwurf zu überprüfen. Dass der Verfahrensbevollmächtigte gegenüber Frau S3 deutlich gemacht hat, dass er – wenn nicht noch am gleichen Tage die Unterlassungserklärung abgegeben werde – er unverzüglich den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bei Gericht einreichen werde, ist entgegen dem Verständnis der Antragsgegnerin, das diese von der eidesststattlichen Versicherung der Frau S3 vom 21.6.2001 gewonnen hat, nicht zu entnehmen. Für die Antragsgegnerin konnte es daher bei verständiger Würdigung aller ihr bekannten Umstände des Falles jedenfalls nicht ausgeschlossen sein, dass die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung – wie tatsächlich auch geschehen – noch nicht am Montag, den 21.5.2001, sondern erst am Dienstag, den 22.5.2001, bei Gericht einreichen werde. Auch die Fristsetzung in dem Schreiben der Antragstellerin vom 17. Mai 2001, dass die Unterlassungserklärung bis zum 18.5.2001, 18.00 Uhr, abgegeben werden sollte, steht dem nicht entgegen, weil darin das erst später am 18.5.2001 geführte Telefonat und die dort von dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegebenen zusätzlichen Informationen noch nicht berücksichtigt worden ist.
Um keine Veranlassung zur Antragstellung zu geben, hat es der Antragsgegnerin demzufolge oblegen, noch am Montag, den 21.5.2001, die geforderte vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Da sie dies nicht getan hat, kann sie sich nicht mit Erfolg auf die ihr günstige Kostenfolge des § 93 ZPO analog berufen.
Die weitere Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO analog.
Das Urteil ist – auch wegen der weiteren Verfahrenskosten – ohne weiteres vollstreckbar.
Streitwert für das Widerspruchsverfahren:
Die bis zur Einlegung des Widerspruchs entstandenen Kosten.
Dr. G1 F1 Dr. W1