I–2 U 17/21 – Beutelabgabekassette

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3301

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 16. März 2023, I–2 U 17/21

Vorinstanz: 4c O 35/20

  1. I. Auf die Berufung wird das am 17. Juni 2021 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – dahingehend abgeändert, dass es unter Ziffer I.2. statt
    „Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
  2. ohne
  3. im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die langgestreckte Verhülsung nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des EP 2 818 XXA B1 mit Kassetten verwendet werden dürfen, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind;
  4. im Falle des Lieferns den Abnehmern unter Auferlegung einer an den Patentinhaber zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von fünftausend Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch fünfhundert Euro pro langgestreckte Verhülsung, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die langgestreckte Verhülsung nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für Kassetten zu verwenden, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind;“
  5. nunmehr heißt:
  6. „Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
  7. ohne
  8. im Fall des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Nachfüllfolie nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des EP 2 818 XXA B1 mit Kassetten, die mit den unter Ziff. I.1. bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind, und insbesondere mit Kassetten, die in den Eimern „B“, „C“, „D“, „E“, „F“ und „G“ zum Einsatz kommen, verwendet werden darf;
  9. im Fall der Lieferung auf der Vorderseite der Verpackung deutlich und ohne Weiteres ersichtlich darauf hinzuweisen, dass die Nachfüllfolie nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des EP 2 818 XXA B1 mit Kassetten, die mit den unter Ziff. I.1. bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind, und insbesondere mit Kassetten, die in den Eimern „B“, „C“, „D“, „E“, „F“ und G“ zum Einsatz kommen, verwendet werden darf.“
  10. II. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Klägerin zu 25 % und die Beklagten zu 75 % zu tragen.
  11. III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
  12. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
  13. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  14. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
  15. V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 400.000,- € festgesetzt.
  16. Gründe
  17. I.
  18. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 2 818 XXA B2 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf sowie auf Feststellung der Schadenersatzpflicht dem Grunde nach in Anspruch.
  19. Das Klagepatent, dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, wurde am 5. Oktober 2007 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 21. Dezember 2014. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 6. Mai 2020 veröffentlicht. Das Klagepatent ist in Kraft. Einen durch die Beklagte zu 1) am 28. September 2020 eingelegten Einspruch (vgl. Anlagen B 3 und B 4) hat das Europäische Patentamt mit Entscheidung vom 27. September 2022 – während des laufenden Berufungsverfahrens, das deswegen vorübergehend ausgesetzt war – zurückgewiesen. Die Einspruchsentscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
  20. Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „H“ („I“). Sein Patentanspruch 1 ist wie folgt gefasst:
  21. „A cassette (30) for dispensing bags from an elongated tubing (32) and for use with an apparatus (10) comprising:
  22. a bin (12) having a top portion (14) and a bottom portion, the top portion (14) defining an opening (22) for receiving disposable objects therethrough;
  23. a holder (26) for holding the cassette (30), the holder (26) being located within the top portion (14) proximate the opening (22); and
  24. a closing mechanism (50) located below the holder (26) and comprising a fixed portion (52’) including an upper end (54’) extending upwardly in the opening (22) of the bin (12);
  25. the cassette (30) comprising:
  26. an annular receptacle (38) accommodating a length of the elongated tubing (32) in an accumulated condition,
  27. an annular opening at an upper end of the annular receptacle (38) for dispensing the elongated tubing (32), the annular receptacle (38) defining a central opening (34) through which a knotted end (40) of the elongated tubing (32) passes to form a bag supported by the annular eceptacle (38) with the disposable objects passing through the central opening (34) to be received in the bag, and
  28. the cassette (30) being characterized by a chamfer clearance (41) at the bottom of the central opening (34), the chamfer clearance (41) arranged to allow the upper end (54’) of the closing mechanism (50) to extend upwardly in the opening (22) of the bin (12) and into the central opening (34) of the cassette (30) when the cassette (30) is positioned in the holder (26) so as to ensure that the cassette (30) is properly oriented when installed in the holder (26) when the apparatus (10) is in use.“
  29. Folgende deutsche Übersetzung ist in der Patentschrift enthalten:
  30. „Kassette (30) zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung (32) und zur Verwendung mit einer Einrichtung (10), umfassend:
  31. einen Behälter (12), der ein Oberteil (14) und ein Unterteil aufweist, wobei das Oberteil (14) eine Öffnung (22) zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert;
  32. eine Halterung (26) zum Halten der Kassette (30), wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils (14) nächstliegend zur Öffnung (22) befindet; und
  33. einen Schließmechanismus (50), der sich unter der Halterung (26) befindet und einen fixen Abschnitt (52’) umfasst, der ein oberes Ende (54’) beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) erstreckt;
  34. wobei die Kassette (30) Folgendes umfasst:
  35. eine ringförmige Aufnahme (38), die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung (32) in einem akkumulierten Zustand aufnimmt,
  36. eine ringförmige Öffnung an einem oberen Ende der ringförmigen Aufnahme (38) zum Abgeben der verlängerten Verhülsung (32), wobei die ringförmige Aufnahme (38) eine zentrale Öffnung (34) definiert, durch welche ein verknotetes Ende (40) der langgestreckten Verhülsung (32) hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme (38) gestützt ist, wobei die Einwegartikel durch die zentrale Öffnung (34) durchgeführt werden, um in dem Beutel aufgenommen zu werden
  37. und die Kassette (30) gekennzeichnet ist durch einen abgefasten Freiraum (41) an der Unterseite der zentralen Öffnung (34), wobei der abgefaste Freiraum (41) angeordnet ist, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende (54’) des Schließmechanismus (50) nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) und in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstreckt, wenn die Kassette (30) in der Halterung (26) derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette (30) ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung (26) installiert ist, wenn die Einrichtung (10) in Betrieb ist.“
  38. Die nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 1 bis 2b der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Bei Figur 1 handelt es sich um eine Querschnittsansicht einer Einrichtung:
  39. In Figur 2A ist die Kassette in einer Ansicht von unten und in Figur 2B in einer Draufsicht zu sehen:
  40. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts vertreibt die zur internationalen J-Firmengruppe gehörende Klägerin über die in Ratingen ansässigen Unternehmen K GmbH & Co. KG und L GmbH & Co. KG unter den Marken „J“ und „M“ Windel- und Katzenstreueimer.
  41. Nach den weiteren, ebenfalls unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts handelt es sich bei der Beklagten zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, um ein italienisches Unternehmen, das auf den Vertrieb von Nachfüllkassetten und Folie für Windel- bzw. Katzenstreueimer spezialisiert ist. Sie betreibt unter der Domain www.N.com eine Internetseite, in deren Datenschutzbestimmungen der Beklagte zu 2) als Inhaber angeführt wird (Anlage KA 3). Auch für Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland bieten die Beklagten unter der Produktbezeichnung „N“ auf der Homepage Nachfüllkassetten an (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen). Eines dieser Produkte ist kreisrund (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform 1), ein anderes oktogonal (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform 2) gestaltet.
  42. Die angegriffenen Ausführungsformen werden zusammen mit einem Windeleimer zur Entsorgung von Windeln verwendet; sie können insbesondere mit „J“-Windeleimern der Klägerin benutzt werden. Parallel zu den vorstehend beschriebenen Ausführungsformen bieten die Beklagten ferner Nachfüllkassetten für Eimer, die der Katzenstreuentsorgung dienen, an. Auch diese sind einmal kreisrund und einmal oktogonal gestaltet (Anlage KA 9; im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform 3 bzw. 4) und auch im Übrigen baugleich zu den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 (deshalb alle zusammen: Verletzungsprodukte I).
  43. Auf ihrer Website bieten die Beklagten außerdem Nachfüllfolie (im Folgenden auch: Verletzungsprodukt II) für die angegriffenen Ausführungsformen an.
  44. Diese Folie kann insbesondere in Kassetten, verwendet auf den Eimern „B“, „C“, „D“ sowie den Modellen „E“, „F“ und „O“, nachgefüllt werden. Eine Anleitung zur Nachbefüllung der angegriffenen Ausführungsformen steht sowohl auf der Unternehmenswebsite als auch auf www.P.de (vgl. Anlage KA 7) bereit. Dort findet sich ferner eine grafische Anleitung zum Auswechseln der Folie in den Kassetten (Anlage KA 8).
  45. Das Nachfüllen der Kassetten wird von den Beklagten sowohl auf der Internetseite www.N.com als auch unter www.P.de wie folgt erläutert:
  46. Die Klägerin sieht im Angebot und im Vertrieb der Verletzungsprodukte in der Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare (Verletzungsprodukte I) und mittelbare (Verletzungsprodukte II) Verletzung des Klagepatents.
  47. Die Beklagte, die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung gebeten hat, hat bereits erstinstanzlich eine Patentverletzung durch die Verletzungsprodukte in Abrede gestellt.
  48. Mit Urteil vom 17. Juni 2021 hat das Landgericht Düsseldorf eine unmittelbare und eine mittelbare Verletzung des Klagepatents bejaht und wie folgt erkannt:
  49. I. Die Beklagten werden verurteilt,
  50. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) am gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  51. eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung und zur Verwendung mit einer Einrichtung, umfassend:
  52. einen Behälter, der ein Oberteil und ein Unterteil aufweist, wobei das Oberteil eine Öffnung zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert; eine Halterung zum Halten der Kassette, wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils nächstliegend zur Öffnung befindet; und einen Schließmechanismus, der sich unter der Halterung befindet und einen fixen Abschnitt umfasst, der ein oberes Ende beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung des Behälters erstreckt; wobei die Kassette Folgendes umfasst: eine ringförmige Aufnahme, die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung in einem akkumulierten Zustand aufnimmt, eine ringförmige Öffnung an einem oberen Ende der ringförmigen Aufnahme zum Abgeben der verlängerten Verhülsung, wobei die ringförmige Aufnahme eine zentrale Öffnung definiert, durch welche ein verknotetes Ende der langgestreckten Verhülsung hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme gestützt ist, wobei die Einwegartikel durch die zentrale Öffnung durchgeführt werden, um in dem Beutel aufgenommen zu werden und die Kassette gekennzeichnet ist durch einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung, wobei der abgefaste Freiraum angeordnet ist, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende des Schließmechanismus nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstreckt, wenn die Kassette in der Halterung derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung installiert ist, wenn die Einrichtung in Betrieb ist,
  53. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  54. 2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) am gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  55. eine langgestreckte Verhülsung zum Abgeben von Beuteln, welche geeignet ist für eine Kassette zur Verwendung mit einer Einrichtung, die Einrichtung umfassend:
  56. einen Behälter, der ein Oberteil und ein Unterteil aufweist, wobei das Oberteil eine Öffnung zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert; eine Halterung zum Halten der Kassette, wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils nächstliegend zur Öffnung befindet; und einen Schließmechanismus, der sich unter der Halterung befindet und einen fixen Abschnitt umfasst, der ein oberes Ende beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung des Behälters erstreckt;
  57. wobei die Kassette Folgendes umfasst: eine ringförmige Aufnahme, die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung in einem akkumulierten Zustand aufnimmt, eine ringförmige Öffnung an einem oberen Ende der ringförmigen Aufnahme zum Abgeben der verlängerten Verhülsung, wobei die ringförmige Aufnahme eine zentrale Öffnung definiert, durch welche ein verknotetes Ende der langgestreckten Verhülsung hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme gestützt ist, wobei die Einwegartikel durch die zentrale Öffnung durchgeführt werden, um in dem Beutel aufgenommen zu werden und die Kassette gekennzeichnet ist durch einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung, wobei der abgefaste Freiraum angeordnet ist, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende des Schließmechanismus nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstreckt, wenn die Kassette in der Halterung derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung installiert ist, wenn die Einrichtung in Betrieb ist,
  58. Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
  59. ohne
  60. im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die langgestreckte Verhülsung nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des EP 2 818 XXA B1 mit Kassetten verwendet werden dürfen, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind;
  61. im Falle des Lieferns den Abnehmern unter Auferlegung einer an den Patentinhaber zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von fünftausend Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch fünfhundert Euro pro langgestreckte Verhülsung, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die langgestreckte Verhülsung nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für Kassetten zu verwenden, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind;
  62. 3. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 und Ziff. 2 bezeichneten Handlungen seit dem 6. Mai 2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
  63. a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  64. b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  65. c. der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  66. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  67. 4. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 und Ziff. 2 bezeichneten Handlungen seit dem 6. Juni 2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
  68. a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  69. b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  70. c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  71. d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  72. wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind.
  73. II. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die unter Ziff. I.1. bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  74. III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziff. I.1. und Ziff. I.2 bezeichneten in der Zeit seit dem 6. Juni 2020 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  75. IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  76. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
  77. Patentanspruch 1 stelle eine Kassette zur Verwendung mit einem näher beschriebenen Behälter unter Schutz, wobei Letzterer kein Gegenstand des Anspruchs sei. Die erfindungsgemäße Kassette müsse lediglich mit dem Behälter zusammenwirken können. Daraus folge zwangsläufig, dass beide Komponenten komplementär zueinander ausgestaltet seien.
  78. Unter einer ringförmigen Aufnahme im Sinne des Klagepatents verstehe der Fachmann einen in sich geschlossenen Vorrichtungsbestandteil, der rings um die zentrale Öffnung bzw. innerhalb des Oberteils des Behälters herum verlaufe und zugleich so ausgebildet sei, dass er Platz für die akkumulierte, langgestreckte Verhülsung biete. Ihrer Form nach müsse die ringförmige Aufnahme weitestgehend an einen Kreis erinnern. Nicht zwingend erforderlich, aber auch nicht ausgeschlossen sei, dass die in sich geschlossene und um die zentrale Öffnung herum verlaufende Aufnahme durch eine Kreisform im geometrischen Sinn ausgebildet werde. Das Klagepatent biete weder im Anspruchswortlaut noch in der Beschreibung Hinweise, dass „ringförmig“ zwingend eine kreisrunde Ausgestaltung meine. Die ringförmige Öffnung beschreibe den unverschlossenen oberen Abschluss der ringförmigen Aufnahme. Dieser sei in sich geschlossen und müsse dem Formverlauf der ringförmigen Aufnahme entsprechen. Daher sei es konsequent, auch diesen Teil der Vorrichtung in derselben Weise wie die eigentliche ringförmige Aufnahme zu beschreiben. Technisch-funktional biete die Ringform den Vorteil, dass sich der Schlauch gleichmäßig an allen Seiten verteile und stabil von den Seiten der ringförmigen Aufnahme gestützt werden könne. Für das Erreichen dieser technischen Funktion sei die Kreisform nicht zwingend erforderlich. Maßgeblich sei eine Ringform als in sich geschlossene Ausgestaltung, um die langestreckte Verhülsung in einem akkumulierten Zustand gleichmäßig aufnehmen zu können. Ein einfaches Herausziehen des Beutels gelinge nur in einer einfachen Bedienweise, wenn sich das Schlauchmaterial von Anfang an gleichmäßig verteilt in der Aufnahme befinde.
  79. Da sich erfindungsgemäß an der Unterseite der zentralen Öffnung ein abgefaster Freiraum finde, müsse der untere Bereich an der Innenseite der Kassette zumindest eine abgeschrägte Teilfläche aufweisen. Dieser Bereich müsse sich nicht zwingend über den gesamten Umfang der zentralen Öffnung erstrecken. Für die Abfasung sei erforderlich, dass die Innenseite (Öffnung) der Kassette im Bereich der unteren Hälfte wenigstens über zwei Flächen mit unterschiedlichen Winkeln verfüge. Der Freiraum müsse räumlich-körperlich über eine gewisse Größe verfügen, um als Zurücknehmung gegenüber der eigentlichen Öffnung wahrgenommen zu werden und so dem oberen Ende des Schließmechanismus Raum für dessen Erstreckung zu bieten. Zugleich solle der abgefaste Freiraum eine gute Ausrichtung der Kassette auf einem Behälter sicherstellen.
  80. Ausgehend von einem solchen Verständnis machten die Verletzungsprodukte I wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Diese stellten aufgrund ihrer einer Kreisform angenäherten vieleckigen Ausgestaltung eine ringförmige Aufnahme für die akkumulierte langestreckte Verhülsung bereit, die in sich geschlossen sei und rings um die zentrale Öffnung verlaufe. Dass die angegriffenen Ausführungsformen ihrer körperlichen Ausgestaltung nach einen abgefasten Freiraum aufweisen, hätten die Beklagten nicht in Abrede gestellt. Sie wendeten sich nur dagegen, dass die Merkmalsverwirklichung unabhängig von einem Behälter erfolgen könne. Dies sei jedoch nicht zutreffend. Die Konstruierbarkeit eines solchen Behälters sei ausreichend.
  81. In Bezug auf die Verletzungsform II lägen die weiteren Voraussetzungen von § 10 PatG vor. Bei der angegriffenen Nachfüllfolie handele es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehe. Die langgestreckte Folie trage entscheidend zum Erfolg der erfindungsgemäßen Lehre bei. Ohne sie sei eine Entsorgung von Einwegartikeln in der gewünschten Art und Weise nicht denkbar. Sie wirke unmittelbar mit der beanspruchten Kassette zusammen. Des Weiteren böten die Beklagten sowohl die Kassetten als auch die Verletzungsprodukte II unstreitig in der Bundesrepublik Deutschland an und vertrieben sie dort, weshalb auch der für die mittelbare Patentverletzung notwendige doppelte Inlandsbezug gegeben sei. Darüber hinaus würden die Beklagten auch wissen und wollen, dass die angebotenen Verletzungsprodukte II in Kassetten eingesetzt werden könnten, welche ihrerseits wiederum auf einen Behälter, wie einem Windel- oder Katzenstreueimer, aufgesetzt werden könnten, um Einwegartikel zu entsorgen. Sie würden in ihrer Internetpräsenz dazu anleiten, wie die nachgekauften Folien zu haben seien, um sie ordnungsgemäß und einsatzbereit in eine Kassette nachfüllen zu können. Die Abnehmer beabsichtigten, die Folie in den angegriffenen Kassetten zu verwenden, und würden daher zur Zeit des Erwerbs wissen, dass es sich um einen Nachfüllartikel handele. Der Kritik, dass die angegriffene Folie der Verletzungsprodukte II auch anderweitig und patentfrei eingesetzt werden könnte, trage die Klägerin durch die entsprechend eingeschränkte Antragsformulierung hinreichend Rechnung.
  82. Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am Tag seiner Verkündung zugestellte Urteil haben die Beklagten mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19. Juli 2021 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf Klageabweisung weiterverfolgen.
  83. Sie wiederholen und ergänzen ihr erstinstanzliches Vorbringen und machen insbesondere geltend:
  84. Über die den Behälter betreffenden Merkmale werde in Patentanspruch 1 – wie auch die Einspruchsentscheidung belege – die räumlich-körperliche Gestaltung der Kassette näher beschrieben. Eine komplementäre Gestaltung von Kassette und Behälter sei dabei weder Gegenstand des Anspruchs noch entscheidend. Vielmehr müsse die Kassette so ausgestaltet sein, dass der abgefaste Freiraum einerseits so ausgebildet sei, dass das vorstehende Ende des Schließmechanismus nach oben in die Öffnung des Behälters ragen könne, und dass andererseits der abgefaste Freiraum zusätzlich so an der Kassette vorzusehen sei, dass sich dieses Ende zusätzlich in die zentrale Öffnung der Kassette erstrecke. Damit werde aber durch die Zweckangabe im Anspruch 1 auch eine besondere Gestaltung der Kassette beansprucht, die sich allein aus den angegebenen konstruktiven Merkmalen der Kassette nicht ergebe. Durch die Zweckangabe werde die Kassette weiter gekennzeichnet. Es komme nicht nur darauf an, dass überhaupt ein abgefaster Freiraum an der Kassette vorgesehen sei. Die patentgemäße Lösung fordere vielmehr, dass dieser Freiraum so gestaltet sein müsse, dass die Doppelfunktion – Ermöglichung, dass sich das obere Ende des Schließmechanismus nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstreckt – erfüllt werde. Darüber hinaus müsse der Freiraum so gestaltet sein, dass der bewegliche Abschnitt des Schließmechanismus dicht an der Wand vorbeiführe, die den abgefasten Freiraum definiere. Die räumlich-körperliche Gestaltung der Kassette hänge daher von der Gestaltung des Schließmechanismus ab. Behälter mit einer solchen Ausgestaltung des Schließmechanismus seien derzeit jedoch nicht auf dem Markt erhältlich. Vor diesem Hintergrund müsse ein Schutzrechtseingriff ausscheiden, da die im Patentanspruch angegebene Wirkung erst dann eintrete, wenn der Behälter eine entsprechende Gestaltung aufweise.
  85. Darüber hinaus offenbare das Klagepatent keinen synonymen Gebrauch der Begriffe „Ringform“ und „Kreisform“. Die Klagepatentschrift zeige in ihrer Gesamtheit lediglich Kassetten, die mit einer ringförmigen Aufnahme versehen seien. Die zentrale Öffnung der Kassette sei nicht deren ringförmige Aufnahme. Wenn daher in Bezug auf die zentrale Öffnung angegeben sei, dass sie kreisförmig sein könne, beziehe sich dieser Hinweis lediglich auf die Umrissgestaltung der Innenwand und der zentralen Öffnung. In Bezug auf die Aufnahme sei in der Patentschrift demgegenüber stets von einer Ringform die Rede. Der zuständige Fachmann entnehme der Klagepatentschrift daher ausschließlich, dass unter der Ringform eine Kreisform der Aufnahme zu verstehen sei. Während bei der zentralen Öffnung ausdrücklich von einer Kreisform bei einer bevorzugten Ausbildung die Rede sei, fehlten solche Hinweise in Bezug auf die Gestaltung der Aufnahme. Die zentrale Öffnung könne daher auch eine von der Kreisform abweichende Form haben. Soweit die angegriffene Ausführungsform eine achteckige Kontur aufweise, habe die Aufnahme daher keine Kreisform im Sinne des Klagepatents.
  86. Erfindungsgemäß müsse sich der abgefaste Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung befinden. Ob die diesen betreffenden Merkmale verwirklicht seien, hänge von der Gestaltung des oberen Endes des Schließmechanismus ab. Jedoch existierten auf dem Markt keine Behälter, die mit einem oberen Ende eines Schließmechanismus versehen seien, der in die Öffnung des Behälters rage und sich in die zentrale Öffnung der Kassette erstrecke. Dann könne jedoch auch kein Schutzrechtseingriff vorliegen.
  87. In Bezug auf die Nachfüllfolie lägen die Voraussetzungen einer mittelbaren Verletzung des Klagepatents nicht vor. Die Nachfüllfolie trage zur erfindungsgemäßen Lösung des dem Klagepatent zugrundeliegenden technischen Problems nichts bei, wobei ein Beitrag ohne praktische Bedeutung außer Betracht zu bleiben habe. Die technischen Wirkungen der Erfindung träten nicht in der Nachfüllfolie in Erscheinung. Diese sei bloßes Objekt der Kassette. Deren geschützter Erfindungsgedanke finde seine gegenständliche Verkörperung allein in der konstruktiven Gestaltung des Freiraums. Die Abnehmer der Klägerin könnten und dürften daher die Nachfüllfolie auch von Dritten wie der Beklagten beziehen. Soweit die Kammer die Beklagte zur Auferlegung einer Vertragsstrafe an ihre Abnehmer verurteilt habe, fehle es an einer Differenzierung zwischen gewerblichen und nicht gewerblichen Kunden. Der Vertrieb der Verletzungsprodukte II finde seitens der Beklagten in Deutschland ausschließlich an private Endabnehmer (und nicht an gewerbliche Zwischenhändler) statt. Mit diesen könnten die Beklagten schon aus Rechtsgründen keine wirksame Vereinbarung treffen, wonach der Kunde zur Zahlung einer exorbitanten Vertragsstrafe verpflichtet werde, falls er die Folie mit Produkten der Klägerin verwende. Die klägerseits beantragte und vom Landgericht ausgesprochene Formulierung eines etwa erforderlichen Warn- bzw. Verwendungshinweises begegne unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit Bedenken.
  88. Schließlich habe das Landgericht das Klagepatent unter den Gesichtspunkten der unzulässigen Erweiterung sowie der fehlenden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zu Unrecht für rechtsbeständig erachtet.
  89. Die Beklagten beantragen,
  90. das am 17. Juni 2021 zum Az.: 4c O 35/20 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf abzuändern und die Klage abzuweisen.
  91. Die Klägerin beantragt, vorab die Unzulässigkeit der Berufung des Beklagten zu 2) rügend,
  92. die Berufung zurückzuweisen.
  93. Nach ihrer Auffassung ist die Berufung des Beklagten zu 2) in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Begründung bereits unzulässig. Die von Beklagtenseite eingereichte Berufungsbegründung beziehe sich nur auf die Beklagte zu 1).
  94. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
  95. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
  96. II.
  97. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache nur im tenorierten Umfang Erfolg.
  98. Zu Recht hat das Landgericht in dem Angebot und dem Vertrieb der Verletzungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents gesehen und die Beklagten wegen unmittelbarer (Verletzungsformen I) und mittelbarer (Verletzungsformen II) Patentverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, zum Schadenersatz sowie – nur in Bezug auf die Verletzungsformen I – zum Rückruf verurteilt. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Soweit das Landgericht die Beklagten in Bezug auf die mittelbare Patentverletzung zur Auferlegung einer Vertragsstrafe an ihre Abnehmer verurteilt hat, liegen die Voraussetzungen hierfür allerdings nicht vor, so dass es auch insoweit bei einem Warnhinweis verbleiben muss. Im Übrigen war der durch das Landgericht hinsichtlich des Angebots der Verletzungsform II geforderte Warnhinweis aus Bestimmtheitsgründen zu konkretisieren. Das Angebot und die Lieferung von Nachfüllfolie für solche Kassetten, die nicht von den Beklagten, sondern aus berechtigter Quelle stammen, ist – mangels rechtzeitiger Anschlussberufung der Klägerin – nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden und steht daher nicht zur Entscheidung.
  99. A.
  100. Neben der Berufung der Beklagten zu 1) ist auch diejenige des Beklagten zu 2) ordnungsgemäß innerhalb der in § 520 Abs. 2 ZPO normierten Frist begründet worden und damit zulässig.
  101. Wie jeder Schriftsatz ist auch die Berufungsbegründung auslegungsfähig (vgl. hierzu: BGH, NJW-RR 2004, 862; NJW-RR 2007, 1565, 1566; NJW-RR 2018, 497, 498; BeckOK Vorwerk/Wolf, 42. Edition, Stand: 01.09.2021, § 520 Rz. 15; Rimmelspacher in MüKo ZPO, 6. Aufl., § 520 Rz. 77). Eine solche Auslegung kann vorliegend zu keinem anderen Ergebnis führen, als dass die Berufungsbegründung beide Beklagten erfassen soll. Auch wenn in den einleitenden Bemerkungen des Schriftsatzes aufgrund eines offenkundigen Schreibversehens von „der Beklagten/Berufungsklägerin“ die Rede ist, findet sich in der Berufungsbegründung trotz der zuvor im Namen beider Beklagten eingelegten Berufung kein darüber hinausgehender Hinweis, dass das landgerichtliche Urteil nur durch die Beklagte zu 1) angegriffen und im Übrigen durch den Beklagten zu 2), dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1), akzeptiert werden soll. Im Gegenteil geht bereits aus dem Rubrum des Berufungsbegründungsschriftsatzes („Q. ./. R.“) klar hervor, dass die Berufungsbegründung für beide Beklagten eingereicht werden soll. Dass dem so ist, bestätigen auch die formulierten Anträge, wonach – undifferenziert – das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage (insgesamt) abgewiesen werden soll. Die durch die Klägerin erhobene Zulässigkeitsrüge geht daher ins Leere.
  102. B.
  103. Die Berufung bleibt im Wesentlichen ohne Erfolg.
  104. 1.
    Das Klagepatent betrifft eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung und zur Verwendung mit einer Einrichtung zur Verpackung von Einwegmaterialien oder -artikeln in einem Schlauch aus flexibler Kunststofffolie.
  105. Wie der Fachmann den einleitenden Bemerkungen in der Klagepatentbeschreibung entnimmt, bestehen derartige Vorrichtungen normalerweise aus einem Behälter mit einem offenen oder zu öffnenden Ober- und einem Unterteil, wobei der zu entsorgende Abfall in das Oberteil eingelegt und sodann im Unterteil gelagert wird. Dabei ist in dem Oberteil des Behälters eine ringförmige Kassette montiert, die einen langgestreckten Schlauch aus einer zusammengefalteten flexiblen Kunststofffolie enthält, der an einem Ende verknotet ist. In diesen Schlauch wird das Abfallprodukt eingeführt und kann dort temporär aufbewahrt werden. Um zu verhindern, dass während der Aufbewahrung des Abfalls unangenehme Gerüche aus dem Schlauch austreten, ist ein Schließmechanismus vorgesehen, der den Schlauch unterhalb der Kassette verschließt (Abs. [0002] f.).
  106. Ein solcher Schließmechanismus ist unter anderem aus dem kanadischen Patent 1,298,XXB bekannt. Dabei ist der Verschlussmechanismus als drehbarer Kern ausgestaltet, der sich mithilfe einer Kappe über einen Zylinder drehen lässt, um den Schlauch in regelmäßigen Abständen in fortlaufende „Beutel“ zu formen, die während der Aufbewahrung versiegelt bleiben (Abs. [0004]).
  107. Bei der in der kanadischen Patentanmeldung 2,383,XXC offenbarten Lösung ist im Behälter unter der Kassette eine Quetschvorrichtung montiert, um den Schlauch aus der Kassette zu ziehen und mit den in den Behälter eingelegten Objekten nach unten zu ziehen. Diese Quetschvorrichtung enthält ein Paar gegenüberliegender drehbarer Elemente, zwischen denen der Schlauch eingeführt wird. Die drehbaren Elemente haben eine Vielzahl von gegenüberliegenden Stangen, die quer zum Schlauch verlaufen, um den Schlauch zusammenzudrücken, das Oberteil bis zum Einlegen weiterer zu entsorgender Gegenstände verschlossen zu halten und nach unten zu ziehen, um die den Schlauch formende Kunststofffolie und die darin enthaltenen Gegenstände zur Aufbewahrung in Richtung des Unterteils des Behälters zu ziehen. Um das gewünschte Zusammendrücken, Schließen und Herunterziehen des Kunststoffschlauchs durch eine Betätigung der drehbaren Elemente in entgegen gesetzter Richtung zu erreichen, wird vorzugsweise ein Hebel betätigt, der Teil des Behälters ist (Abs. [0005]).
  108. In der kanadischen Patentanmeldung 2,441,XXD ist eine Versenkvorrichtung vorgesehen, um den zu entsorgenden Gegenstand zusammenzudrücken und in den Schlauch und das Unterteil des Behälters zu drücken. Die Versenkvorrichtung beinhaltet zwei Arme, an denen Schwenklappen befestigt sind, und gegenüberliegende schwenkbare Schieber (Abs. [0006]).
  109. Die aus dem Stand der Technik bekannten Lösungen sind mit einer Reihe von Nachteilen verbunden. So bestehen ihre Mechanismen aus vielen Teilen und sind anfällig für Bruchschäden. Zudem sind die Geräte nicht benutzerfreundlich. Darüber hinaus sind sie nicht nur in der Herstellung, sondern auch in der Nutzung teuer, da sie übermäßig viel Folie aus den Kassetten ziehen. Außerdem schließen einige Lösungen die Gerüche der entsorgten Produkte nicht effektiv ein. Schließlich sind einige Gestaltungen verwirrend im Aufbau, so dass die Kassetten nicht richtig ausgerichtet und die Kassettenwände verschmutzt werden (Abs. [0007]).
  110. Weitere Kassetten sind laut der Klagepatentbeschreibung aus der USA-2003 121 XXE, der WO-A-2007 071 XXF sowie der EP-A-0 XXG bekannt, auf denen die Einleitung zu Patentanspruch 1 basiert (Abs. [0008]).
  111. Der Erfindung liegt ausgehend davon unter anderem die Aufgabe zu Grunde, eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung bereitzustellen, welche die Probleme aus dem Stand der Technik behebt (Abs. [0009]).
  112. Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
  113. 1. Kassette (30)
  114. 1.1. zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung (32)
  115. und
  116. 1.2. zur Verwendung mit einer Einrichtung (10).
  117. 2. Die Einrichtung (10) umfasst:
  118. 2.1. einen Behälter (12),
  119. 2.1.1. Der Behälter (12) weist ein Oberteil (14) und ein Unterteil auf.
  120. 2.1.1.1. Das Oberteil (14) definiert eine Öffnung (22) zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch.

    2.2. eine Halterung (26) zum Halten der Kassette (30),

  121. 2.2.1. Die Halterung (26) befindet sich innerhalb des Oberteils (14) nächstliegend zur Öffnung (22).
  122. 2.3. und einen Schließmechanismus (50).
  123. 2.3.1. Der Schließmechanismus (50)
  124. 2.3.1.1. befindet sich unter der Halterung (26)
  125. und
  126. 2.3.1.2. umfasst einen fixen Abschnitt (52’).
  127. a) Der fixe Abschnitt (52‘) beinhaltet ein oberes Ende (54’), das sich nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) erstreckt.
  128. 3. Die Kassette (30) umfasst:
  129. 3.1. eine ringförmige Aufnahme (38)
  130. und
  131. 3.2. einen abgefasten Freiraum (41) an der Unterseite der zentralen Öffnung.
  132. 4. Die ringförmige Aufnahme (38)
  133. 4.1. nimmt eine Länge einer langgestreckten Verhülsung (32) in einem akkumulierten Zustand auf;
  134. 4.2. weist an einem oberen Ende zum Abgeben der verlängerten Verhülsung (32) eine ringförmige Öffnung auf;
  135. 4.3. definiert eine zentrale Öffnung (34).
  136. 4.3.1. Durch die zentrale Öffnung (34) wird ein verknotetes Ende (40) der langgestreckten Verhülsung (32) hindurchgeführt, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme (38) gestützt ist.
  137. 4.3.2. Die Einwegartikel werden durch die zentrale Öffnung (34) durchgeführt, um in dem Beutel aufgenommen zu werden.
  138. 5. Der abgefaste Freiraum (41)
  139. 5.2. ist angeordnet, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende (54’) des Schließmechanismus (50) nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) und in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstreckt,
  140. 5.2.1. wenn die Kassette (30) in der Halterung (26) derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette (30) ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung (26) installiert ist, wenn die Einrichtung (10) in Betrieb ist.
  141. 2.
    Vor dem Hintergrund des Vorbringens der Parteien bedarf die technische Lehre des Klagepatents näherer Erläuterung.
  142. a)
    Patentanspruch 1 stellt eine Kassette und damit ein Erzeugnis unter Schutz, die eine ringförmige Aufnahme (38) und einen abgefasten Freiraum (42) umfasst (Merkmalsgruppe 3.). Erstere ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die Länge einer langgestreckten Verhülsung (32) – z.B. in Gestalt einer flexiblen Kunststofffolie – in einem akkumulierten Zustand aufnimmt und an einem oberen Ende eine ringförmige Öffnung zum Abgeben dieser Verhülsung (32) aufweist (Merkmale 4.1. und 4.2.). Schließlich definiert die ringförmige Aufnahme (38) eine zentrale Öffnung, durch die ein verknotetes Ende (40) der langestreckten Verhülsung hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme (38) gestützt wird (Merkmal 4.3.). Die Einwegartikel werden durch die zentrale Öffnung (34) durchgeführt, um in dem Beutel aufgenommen zu werden.
  143. Soweit Patentanspruch 1 in diesem Zusammenhang sowohl in Bezug auf die Aufnahme (38) als auch hinsichtlich der Öffnung von einer Ringform spricht, besteht kein Grund, dies enger zu verstehen, als der natürliche Sprachgebrauch suggeriert: Verlangt ist damit eine geschlossene, nicht aber zwingend eine Kreis(ring)form. Beide Begrifflichkeiten sind dem Klagepatent, welches hinsichtlich der dort verwendeten Begriffe sein eigenes Lexikon darstellt (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; GRUR 2015, 875, 876 – Rotorelemente; GRUR 2016, 361, 362 – Fugenband; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.11.2021, Az.: I-2 U 18/21, Rz. 24 – Zahnimplantat), bekannt. So kann die zentrale Öffnung – optional – kreisförmig ausgestaltet sein (Abs. [0014]; vgl. auch Abs. [0018]). In dem für die Reichweite des Schutzbereichs maßgeblichen Patentanspruch (Art. 69 EPÜ) hat jedoch nur der inhaltlich weiter gefasste, übergeordnete Begriff der „Ringform“ Niederschlag gefunden. Sowohl die Aufnahme (38) als auch die Öffnung zur Abgabe der Verhülsung können daher kreisringförmig sein. Ebenso vom Schutzbereich umfasst ist jedoch auch eine Gestaltung, die nur eine Ring-, nicht aber gleichzeitig auch eine Kreisform aufweist.
  144. Daraus, dass die Kreisform in der Klagepatentbeschreibung nur im Zusammenhang mit der Öffnung (22), nicht aber in Bezug auf die Aufnahme (38) Erwähnung findet, folgt nichts anderes: Dass gleichen Begriffen im Rahmen der Auslegung eines Patentanspruchs in unterschiedlichen Zusammenhängen eine unterschiedliche Bedeutung zukommt, ist möglich, aber nur dann anzunehmen, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit ein solches unterschiedliches Verständnis ergibt (BGH, GRUR 2017, 152 Rz. 17 – Zungenbett; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.11.2021, Az.: I-2 U 18/21, GRUR-RS 2021, 37455 – Zahnimplantat). Dafür fehlt es jedoch an Anhaltspunkten. Erfindungsgemäß stellt die Ringform der Aufnahme (38) und damit korrespondierend der oberen Öffnung sicher, dass die Verhülsung den zu entsorgenden Abfall umschließt, wenn dieser in die Öffnung (22) der Einrichtung (10) eingelegt wird (Abs. [0034]). Ein solches Umschließen wird nicht nur mit einer Kreis-, sondern mit jeder Ringform gewährleistet. Sowohl die Aufnahme (38) als auch die Öffnung können daher kreisförmig sein. Notwendig ist dies jedoch nicht.
  145. Auch die in den Figuren nebst der zugehörigen Beschreibung gezeigte Kreisform bietet für ein einschränkendes Verständnis keinen Anlass. Hierbei handelt es sich lediglich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel. Es dient der Beschreibung von Möglichkeiten der Verwirklichung des Erfindungsgedankens und erlaubt mit diesem Inhalt grundsätzlich keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; GRUR 2007, 778, 779, 780 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2008, 779, 783 – Mehrgangnabe; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.08.2020, Az.: I-2 U 25/19, GRUR-RS 2020, 21040 – Schnellspannvorrichtung; Urt. v. 08.04.2021, Az.: I-2 U 13/20, GRUR-RS 2021, 8206 – Halterahmen II; Urt. v. 22.07.2021, Az.: I-2 U 58/20, GRUR-RS 2021, 21448 – Schwellenelement).
  146. b)
    Damit sich das obere Ende (54‘) des Schließmechanismus (50) nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstrecken kann, wenn sich die Kassette (30) in der Halterung (26) befindet (Merkmale 5.2. und 5.2.1.), weist die Kassette (30) an der Unterseite der zentralen Öffnung einen abgefasten Freiraum (42) auf so dass die Kassette an der Unterseite der zentralen Öffnung angeschrägt ist. Dies gewährleistet nicht nur die in Merkmal 5.2.1. angesprochene Sicherstellung der ordnungsgemäßen Positionierung der Kassette in der Halterung, sondern gibt dem Schließmechanismus zugleich auch den notwendigen Freiraum (Merkmal 5.2.).
  147. c)
    Wie der Fachmann der Merkmalsgruppe 1. entnimmt, ist die den Gegenstand des Anspruchs bildende Kassette eine solche zum Abgeben von Beuteln aus einer lange-streckten Verhülsung (Merkmal 1.1.). Hierbei handelt es sich um eine bloße Zweckangabe. Derartige Zweckangaben in einem Sachanspruch beschränken als solche dessen Gegenstand regelmäßig nicht. Die Zweckangabe ist damit aber nicht bedeutungslos. Sie hat vielmehr regelmäßig die Aufgabe, den durch das Patent geschützten Gegenstand dahin zu definieren, dass er nicht nur die räumlich-körperlichen Merkmale des Anspruchs erfüllen, sondern auch so ausgebildet sein muss, dass er für den im Patentanspruch angegebenen Zweck verwendbar ist (vgl. BGH, GRUR 1991, 436, 441 f. – Befestigungsvorrichtung II; GRUR 2006, 923 – Luftabscheider für Milchsammelanlage; GRUR 2008, 896 – Tintenpatrone; GRUR 2009, 837 – Bauschalungsstütze, GRUR 2012, 475 – Elektronenstrahltherapiesystem; GRUR 2018, 1128 – Gurtstraffer; Urt. v. 07.09.2021, Az.: X ZR 77/19, GRUR-RS 2021, 30741 – Laserablationsvorrichtung; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.01.2021, Az.: I-15 U 98/19, GRUR-RS 2021, 14825 – Polyproplyenfolie). Dies bedeutet im Streitfall, dass die Kassette so gestaltet sein muss, dass sie zur Abgabe von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung geeignet ist.
  148. d)
    Nichts anderes gilt, soweit es sich nach Merkmal 1.2. um eine „Kassette zur Verwendung mit einer Einrichtung (10)“ handeln soll. Mit anderen Worten soll die Kassette so ausgestaltet sein, dass sie in einer Einrichtung, wie sie in der Merkmalsgruppe 2. im Einzelnen beschrieben ist, eingesetzt werden kann.
  149. Die Einrichtung und damit insbesondere der Behälter selbst liegt jedoch außerhalb des Erfindungsgegenstandes, was sich schon aus dem Anspruchswortlaut zweifelsfrei dadurch ergibt, dass die Kassette als Schutzgegenstand des Patents ausgewiesen ist, was nicht zuletzt daran deutlich wird, dass die Kassette lediglich „zur Verwendung mit einer (näher beschriebenen) Einrichtung“ vorgesehen ist. Soweit die Kassette und die Einrichtung in Rede stehen, liegt deshalb kein Kombinationspatent vor, bei dem sich der Patentschutz auf die Kombination von Kassette und Einrichtung beziehen würde, sondern lediglich ein scheinbares Kombinationspatent, bei dem die Einrichtung lediglich deshalb Erwähnung im Patentanspruch findet, weil aus ihrer Beschaffenheit auf Anforderungen zurückzuschließen ist, wie die Kassette (die mit der Einrichtung in bestimmter Weise zusammenwirken soll) zu sein hat. Die die Einrichtung betreffenden Anspruchsmerkmale sind daher im Rahmen von Patentanspruch 1 nur insofern rechtlich bedeutsam, als die im Patentanspruch vorausgesetzte Beschaffenheit der Einrichtung Rückschlüsse auf die notwendige Ausgestaltung der isoliert unter Patentschutz stehenden Kassette zulässt. Bei dieser Sachlage stellt es keine Bedingung für den Benutzungstatbestand dar, dass eine solche Einrichtung (mit der die angegriffenen Kassetten verwendet werden können) tatsächlich existiert oder dass die im Markt erhältlichen Behälter den Anforderungen des Patentanspruchs 1 an die Einrichtung genügen. Für die Benutzungsfrage kommt es deswegen allein darauf an, dass die streitbefangenen Kassetten für sich betrachtet sämtliche auf die Kassette als Erfindungsgegenstand bezogenen Anspruchsmerkmale verwirklichen und dass sich darüber hinaus eine zu ihnen funktionstauglich passende Einrichtung technisch und wirtschaftlich sinnvoll denken lässt, die mit den angegriffenen Kassetten in der vom Klagepatent vorgesehenen Weise zusammenarbeiten kann (vgl. OLG Düsseldorf, NJOZ 2016, 1014; Urt. v. 19.12.2019, Az.: I-2 U 62/16, Rz. 114 – Befestigungszwischenstück; Urt. v. 27.01.2022, Az.: I-2 U 45/19; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Abschn. A, Rz. 84). Dass sich ein solcher Behälter, wie er in der Merkmalsgruppe 2. im Einzelnen beschrieben ist, ohne Weiteres konstruieren lässt, wird durch die Beklagten nicht erheblich in Abrede gestellt und erschließt sich auch ohne Weiteres mit Blick auf Figur 1 des Klagepatents.
  150. Vor diesem Hintergrund sieht sich der Fachmann mit der Frage konfrontiert, welche Anforderungen sich an die technische Gestaltung der beanspruchten Kassette aus der in Patentanspruch 1 im Einzelnen beschriebenen Beschaffenheit der Einrichtung (10) ergeben. Erfindungsgemäß soll die Kassette in der Halterung ordnungsgemäß positioniert sein (Merkmal 5.2.1.). Nachdem Patentanspruch 1 die Halterung allerdings nur funktional („…zum Halten der Kassette“) und hinsichtlich ihrer Anordnung innerhalb des Behälters („…innerhalb des Oberteils nächstliegend zur Öffnung“) umschreibt, kommt im Hinblick auf die technische Gestaltung der Kassette vor allem dem in der Merkmalsgruppe 2.3. beschriebenen Schließmechanismus Bedeutung zu. Dessen fixer Abschnitt (52‘) beinhaltet ein oberes Ende (54‘), das sich nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (Merkmal 2.3.1.2. a)) und in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstreckt. Auf die Kassette gewendet muss der abgefaste Freiraum daher so ausgestaltet sein, dass er eine solche – ggf. auch hypothetische – Anordnung des Schließmechanismus erlaubt. Soweit sich die Klagepatentbeschreibung im Zusammenhang mit der Gestaltung des abgefasten Freiraums auch mit dem flexiblen Abschnitt des Schließmechanismus beschäftigt (vgl. Abs. [0029]), findet dieser in Patentanspruch 1 keine Erwähnung. Er ist somit kein notwendiger Bestandteil der Einrichtung (10). Aus seiner technischen Gestaltung und Funktionsweise lassen sich daher keine Anforderungen an die technische Gestaltung der Kassette herleiten.
  151. 3.
    Unter Zugrundelegung eines solchen Verständnisses ist das Landgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verletzungsformen I unmittelbar wortsinngemäß von der technischen Lehre von Patentanspruch 1 des Klagepatents Gebrauch machen. Insbesondere verfügen sie auch dann über eine ringförmige Aufnahme i.S.v. Merkmal 3.1., wenn sie oktogonal ausgestaltet sind. Erfindungsgemäß bedarf es einer ringförmigen, nicht aber notwendigerweise einer kreis(ring)förmigen Aufnahme. Wie die nachfolgend eingeblendete Abbildung verdeutlicht, verfügen die angegriffenen Verletzungsformen I auch über einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung (Merkmale 3.2. sowie 5. bis 5.2.1.).
  152. Dass die angegriffenen Verletzungsformen I darüber hinaus in der Lage sind, in einer Einrichtung mit den in der Merkmalsgruppe 2. aufgeführten Merkmalen Verwendung zu finden, haben die Beklagten nicht erheblich in Abrede gestellt. Die Einrichtung selbst ist – wie ausgeführt – kein Gegenstand der Erfindung. Bei der Beantwortung der Verletzungsfrage ist es daher unerheblich, ob eine mit den angegriffenen Kassetten verwendungstaugliche Einrichtung tatsächlich auf dem Markt existiert oder ob die Verletzungsformen I in einer solchen tatsächlich zum Einsatz kommen. An der Konstruierbarkeit einer entsprechenden, funktionstauglichen Einrichtung kann im Lichte von Figur 1 des Klagepatents kein Zweifel bestehen.
  153. 4.
    Ausgehend von diesen Überlegungen hat das Landgericht im Angebot und im Vertrieb der Verletzungsprodukte I in der Bundesrepublik Deutschland zutreffend eine unmittelbare wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents i.S.v. § 9 Nr. 1 PatG gesehen. Dass die Beklagten im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung sowie zum Rückruf verpflichtet sind, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Ebenso richtig und mit tragfähiger Begründung ist das Landgericht von einer Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz sowie zur Rechnungslegung ausgegangen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen kann zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden.
  154. 5.
    Daneben haben die Beklagten den deutschen Teil des Klagepatents dadurch mittelbar verletzt, dass sie die Verletzungsprodukte II in der Bundesrepublik Deutschland Abnehmern zur Benutzung der Erfindung angeboten und geliefert haben (Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 10, 9 Nr. 1 PatG).
  155. a)
    Nach § 10 PatG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers in der Bundesrepublik Deutschland anderen als zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder wenn es aufgrund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, hat bereits die Kammer im Einzelnen dargelegt. Nachdem die Beklagten die diesbezüglichen Feststellungen auf Tatbestandsebene lediglich mit der Begründung angegriffen haben, die streitgegenständliche Nachfüllfolie beziehe sich nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung, nimmt der Senat im Hinblick auf die übrigen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug.
  156. b)
    Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der streitgegenständlichen Nachfüllfolie (Verletzungsprodukte II) um ein Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht.
  157. aa)
    Letzteres ist der Fall, wenn das Mittel geeignet ist, mit einem oder mehreren Merkmalen des Patentanspruchs bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammenzuwirken (BGH GRUR 2004, 758, 760 f. – Flügelradzähler; GRUR 2006, 570, 571 – extracoronales Geschiebe; GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Vidosignalcodierung; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 337, 341 – Filtervorrichtung). Was in diesem Sinne zu den wesentlichen Elementen der Erfindung gehört, ist vom Gegenstand der Erfindung her zu beantworten (BGH, GRUR 2015, 467, Rz. 57 – Audiosignalcodierung). Da der Patentanspruch maßgeblich dafür ist, welcher Gegenstand durch das Patent geschützt ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung i.S.v. § 10 Abs. 1 PatG (GRUR 2004, 758, 761 – Flügelradzähler; GRUR 2007, 769, Rz. 18 – Pipettensystem; GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren; GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung). Etwas anderes gilt nur für Mittel, die zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden können, aber von völlig untergeordneter Bedeutung sind (GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 337, 341 – Filtervorrichtung) und zur Verwirklichung der geschützten Lehre nichts beitragen (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren; GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Vidosignalcodierung; GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung). Leistet ein Mittel dagegen einen solchen Beitrag, handelt es sich grundsätzlich um ein wesentliches Element der Erfindung. Darauf, ob das betreffende Merkmal den „Kern“ der Erfindung betrifft, kommt es hierbei nicht an (vgl. BGH GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; BGH GRUR 2015, 467 – Audiosignalcodierung; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 337, 342 – Filtervorrichtung).
  158. bb)
    Dies vorausgeschickt, bezieht sich die angegriffene Nachfüllfolie auf ein wesentliches Element der durch Patentanspruch 1 geschützten Erfindung.
  159. Anspruchsgemäß ist die Verhülsung nicht nur im akkumulierten Zustand in die ringförmige Aufnahme aufgenommen (vgl. Merkmal 4.1.). Sie findet vielmehr auch an weiteren Stellen des Patentanspruchs Erwähnung (vgl. Merkmale 1.1., 4.2., 4.3.1., 4.3.2.) und wirkt mit der unter Schutz gestellten Kassette bei der Verwirklichung des geschützten Erfindungsgedankens funktional zusammen.
  160. Davon, dass die Verhülsung – wie von den Beklagten behauptet – zum Leistungsergebnis nichts beiträgt (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; GRUR 2007, 773, 775 – Rohrschweißverfahren), kann keine Rede sein. Es handelt sich bei den Verletzungsprodukten II nicht um eine beliebig gestaltete Nachfüllfolie, sondern um einen Folienschlauch und damit um eine langgestreckte Verhülsung im Sinne des Klagepatents.
  161. Ohne einen solchen Folienschlauch ist die Kassette nicht in der Lage, Beutel aus einer langgestreckten Verhülsung abzugeben (Merkmal 1.1.). Wie die durch die Klägerin als Anlage KA 8 zur Akte gereichte und nachfolgend nochmals eingeblendete Abbildung verdeutlicht, ist die streitgegenständliche Nachfüllfolie so ausgestaltet, dass sie nicht nur exakt in die Aufnahme der Kassette passt (Merkmal 4.1.). Sie kann vielmehr auch – mit einem Knoten versehen – durch die zentrale Öffnung geführt werden (Merkmale 4.3. und 4.3.1.):
  162. Erfindungsgemäß ist es die durch die Nachfüllfolie gebildete Verhülsung, die den Einwegartikel umschließt und dadurch zusammen mit dem (nicht vom Erfindungsgegenstand erfassten) Schließmechanismus das Austreten von Gerüchen verhindert (vgl. Abs. [0034]).
  163. Eine ggf. bestehende anderweitige Verwendungsmöglichkeit der Nachfüllfolie steht ihrer Einordnung als wesentliches Element der Erfindung nicht entgegen. Einer solchen patentfreien Nutzungsmöglichkeit käme lediglich auf Rechtsfolgenseite Bedeutung zu, indem sie ggf. eine Verurteilung zu einem (vorliegend ohnehin nicht in Rede stehenden) Schlechthinverbot verhindert und lediglich zu einem eingeschränkten Verbot führt (dazu sogleich).
  164. Rechtlich unerheblich ist der Hinweis der Beklagten auf die BGH-Entscheidung „Scheibenbremse II“ (X ZR 10/20 vom 08.11.2022). Der dort erörterte Gesichtspunkt der Erschöpfung (der zu einer etwaigen Berechtigung zur Erfindungsbenutzung auf Seiten der Abnehmer der angegriffenen Nachfüllfolien iSv § 10 PatG führen würde) könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn und soweit die Nachfüllfolie solchen Abnehmern angeboten und geliefert wird, die im Besitz erfindungsgemäßer Kassetten der Klägerin oder ihrer Lizenznehmer sind. Dass es solche Lieferungen gibt und dass sie zum Gegenstand des Klageangriffs gemacht worden sind, ergibt sich jedoch aus den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts – auf die sogleich noch näher einzugehen sein wird – nicht.
  165. 6.
    Dass die Beklagten im Hinblick auf die vorstehend dargelegte mittelbare Patentverletzung durch die Verletzungsprodukte II zur Unterlassung und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt haben, auch zum Schadenersatz verpflichtet sind und der Klägerin, um ihr die Berechnung ihres Anspruchs auf Schadenersatz zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen haben, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil ebenfalls zutreffend dargelegt. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen, soweit sich nachfolgend nichts Abweichendes ergibt.
  166. a)
    Kommt – wie hier – eine patentfreie Nutzungsmöglichkeit in Betracht, sind nur eingeschränkte Verbote gerechtfertigt, die sicherstellen, dass einerseits der wirtschaftliche Verkehr mit dem angegriffenen Gegenstand außerhalb des Schutzrechtes unbeeinträchtigt bleibt und andererseits der unmittelbar patentverletzende Gebrauch durch den Abnehmer mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen wird (BGHZ 168, 124 = GRUR 2006, 839 – Deckenheizung; BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Als geeignete Maßnahmen kommen grundsätzlich Warnhinweise an die Abnehmer in Betracht, nicht ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers im Sinne der patentgemäßen Lehre zu handeln, sowie eine vertragliche Unterlassungsverpflichtungsvereinbarung mit dem Abnehmer, die gegebenenfalls mit der Zahlung einer Vertragsstrafe an den Schutzrechtsinhaber für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsvereinbarung verbunden ist (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat).
  167. b)
    Welche Vorsorgemaßnahmen der Anbieter oder Lieferant eines Mittels, das sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet werden kann, zu treffen hat, bestimmt sich nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, und andererseits den Vertrieb des Mittels zum patentfreien Gebrauch nicht in unzumutbarer Weise behindern dürfen (BGHZ 168, 124 = GRUR 2006, 839 – Deckenheizung; BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat). Von Bedeutung ist insbesondere, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer patentgemäßen Benutzung ist (BGH, GRUR 2007, 679 – Haubenstretchautomat), aber auch, welche Vorteile mit ihr verbunden und wie die Beweismöglichkeiten für den Patentinhaber einzuschätzen sind.
  168. c)
    Ausgehend von diesen Grundsätzen war der die mittelbare Patentverletzung betreffende Urteilsausspruch wie aus dem Tenor ersichtlich anzupassen.
  169. aa)
    Was den vom Landgericht in Bezug auf das Angebot ausgeurteilten, auf das Klagepatent bezogenen Warnhinweis anbelangt, hat der Senat den Urteilsausspruch zur Gewährleistung einer hinreichenden Bestimmtheit konkretisiert und die Ausgestaltung des Warnhinweises näher umschrieben.
  170. bb)
    Soweit das Landgericht den Beklagten in Bezug auf den Vertrieb – ohne nähere Begründung – die Verpflichtung auferlegt hat, den Abnehmern der fraglichen Mittel eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzuverlangen, kann das erstinstanzliche Urteil keinen Bestand haben.
  171. Zum einen dürfen private Endverbraucher das Mittel gemäß § 11 PatG patentgemäß gebrauchen, weshalb es ausgeschlossen ist, diese für den Fall einer solchen Verwendung zur Zahlung einer Vertragsstrafe an den Patentinhaber zu verpflichten (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. A, Rz. 647; Schulte/Rinken, PatG, 10. Aufl., § 10 Rz. 47). Zum anderen kann eine Verpflichtung zur Einholung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zugunsten der Klägerin auch unabhängig davon wegen der absehbaren Reaktionen der potentiellen Abnehmer wirtschaftlich einem uneingeschränkten Verbot des Vertriebs der Nachfüllfolie gleichkommen. Daher kann sie im Rahmen des § 10 PatG nur eingefordert werden, wenn ein Warnhinweis nach den konkreten Umständen des Einzelfalls unzureichend ist, weitere unmittelbare Verletzungshandlungen mit dem bereitgestellten Mittel zu begehen (BGH, GRUR 1964, 496, 498 – Formsand II; GRUR 1961, 627, 628 – Metallspritzverfahren; GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat). Da die Schutzrechtslage im Kreis gewerblicher Abnehmer bekannt ist, ist davon auszugehen, dass diese schon im eigenen Interesse regelmäßig bemüht sein werden, Patentverletzungen zu vermeiden (BGH, GRUR 1964, 496, 498 – Formsand II). Der Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs von Mitteln, die von den Abnehmern oder Belieferten patentverletzend benutzt werden können, solange sich die Abnehmer nicht auf das Klagepatent bezogen strafbewehrt zur Unterlassung verpflichtet haben, setzt deshalb die Feststellung besonderer Umstände voraus (BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat). Solche sind vorliegend durch die insoweit darlegungsbelastete Klägerin weder vorgetragen noch ersichtlich, so dass es auch in Bezug auf den Vertrieb bei einem bloßen Warnhinweis verbleiben muss.
  172. 7.
    Soweit sich die Klägerin für ihr Klagebegehren auf Lieferungen der Nachfüllfolie an solche Abnehmer bezieht, die im Besitz einer (Nachfüll-)Kassette der Klägerin sind, bedarf es keiner Entscheidung, ob solche Abnehmer aus dem Gesichtspunkt der Erschöpfung als zur Benutzung der Erfindung „Berechtigte“ anzusehen sind. Verkäufe an Besitzer einer aus rechtmäßiger Quelle bezogenen Kassetten sind nämlich nicht Gegenstand des Rechtsstreits und sie sind es auch nicht nachträglich im Berufungsverfahren geworden. Wie sich aus den tatbestandlichen Feststellungen im landgerichtlichen Urteil (S. 9 f.) ergibt, richtete sich der Klageangriff lediglich gegen Nachfüllfolie, die für die angegriffenen Kassetten, d.h. solche der Beklagten, vorgesehen war. Dementsprechend erörtert das Landgericht bei der Wiedergabe des streitigen klägerischen Vorbringens auch allein die Einlassung der Klägerin, dass die Nachfüllfolie deshalb mittelbar patentverletzend sei, weil sie zum Einsatz in den in der Bundesrepublik Deutschland erhältlichen Verletzungsformen 1 und 3 (= angegriffene Kassetten der Beklagten) geeignet sei (S. 12). In den Begründungserwägungen zu § 10 PatG (S. 28/29) stellt das Landgericht im Zusammenhang mit den subjektiven Erfordernissen einer mittelbaren Patentverletzung gleichfalls allein darauf ab, dass die von den Beklagten belieferten Abnehmer beabsichtigen, die Nachfüllfolie in den angegriffenen Kassetten zu verwenden. Angebote und Lieferungen der Nachfüllfolie für Kassetten aus der Quelle der Klägerin waren damit nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Rechtsstreits.
  173. Sie sind auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden, was – nachdem die Klägerin beim Landgericht weder einen Tatbestandsberichtigungsantrag noch einen Urteilsergänzungsantrag gestellt hat – eine Anschlussberufung innerhalb der am 22.12.2021 abgelaufenen Berufungserwiderungsfrist vorausgesetzt hätte. Daran fehlt es, weswegen die Rechtshängigkeit eines Klageangriffs, der auch auf die Lieferung der Nachfüllfolie für Kassetten aus der Quelle der Klägerin gerichtet gewesen wäre, mit Ablauf des 22.12.2021 endgültig entfallen ist. Die Klägerin ist infolge dessen darauf angewiesen, etwaige Verbietungsansprüche unter diesem Gesichtspunkt neu beim Landgericht einzuklagen.
  174. 8.
    Der durch die Beklagte zu 1) gegen die Erteilung des Klagepatents eingelegte Einspruch bietet für eine Aussetzung der Verhandlung schon deshalb keinen Anlass, weil die technisch fachkundige Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes das Klagepatent inzwischen im erteilten Umfang aufrechterhalten hat (§ 148 ZPO). Dass und inwiefern diese Entscheidung ersichtlich fehlerhaft sein sollte, legen die Beklagten nicht dar.
  175. III.
  176. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
  177. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
  178. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
  179. Der festgesetzte Streitwert entspricht der ursprünglichen Angabe der Klägerin, die erstinstanzlich unbeanstandet geblieben sind. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass diese Angabe ersichtlich zu hoch oder zu niedrig wäre, sind nicht ersichtlich (vgl. hierzu: Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Abschn. J, Rz. 190), weshalb der Streitwert des Berufungsverfahrens demjenigen der ersten Instanz entspricht.

Schreibe einen Kommentar