4c O 35/20 – Beutelabgabekassette

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3120

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 17. Juni 2021, Az. 4c O 35/20

  1. I. Die Beklagten werden verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) am gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung und zur Verwendung mit einer Einrichtung, umfassend:
    einen Behälter, der ein Oberteil und ein Unterteil aufweist, wobei das Oberteil eine Öffnung zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert; eine Halterung zum Halten der Kassette, wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils nächstliegend zur Öffnung befindet; und einen Schließmechanismus, der sich unter der Halterung befindet und einen fixen Abschnitt umfasst, der ein oberes Ende beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung des Behälters erstreckt; wobei die Kassette Folgendes umfasst: eine ringförmige Aufnahme, die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung in einem akkumulierten Zustand aufnimmt, eine ringförmige Öffnung an einem oberen Ende der ringförmigen Aufnahme zum Abgeben der verlängerten Verhülsung, wobei die ringförmige Aufnahme eine zentrale Öffnung definiert, durch welche ein verknotetes Ende der langgestreckten Verhülsung hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme gestützt ist, wobei die Einwegartikel durch die zentrale Öffnung durchgeführt werden, um in dem Beutel aufgenommen zu werden und die Kassette gekennzeichnet ist durch einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung, wobei der abgefaste Freiraum angeordnet ist, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende des Schließmechanismus nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstreckt, wenn die Kassette in der Halterung derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung installiert ist, wenn die Einrichtung in Betrieb ist,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen, oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  5. 2. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die Beklagte zu 1) am gesetzlichen Vertreter der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  6. eine langgestreckte Verhülsung zum Abgeben von Beuteln, welche geeignet ist für eine Kassette zur Verwendung mit einer Einrichtung, die Einrichtung umfassend:
    einen Behälter, der ein Oberteil und ein Unterteil aufweist, wobei das Oberteil eine Öffnung zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert; eine Halterung zum Halten der Kassette, wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils nächstliegend zur Öffnung befindet; und einen Schließmechanismus, der sich unter der Halterung befindet und einen fixen Abschnitt umfasst, der ein oberes Ende beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung des Behälters erstreckt;
    wobei die Kassette Folgendes umfasst: eine ringförmige Aufnahme, die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung in einem akkumulierten Zustand aufnimmt, eine ringförmige Öffnung an einem oberen Ende der ringförmigen Aufnahme zum Abgeben der verlängerten Verhülsung, wobei die ringförmige Aufnahme eine zentrale Öffnung definiert, durch welche ein verknotetes Ende der langgestreckten Verhülsung hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme gestützt ist, wobei die Einwegartikel durch die zentrale Öffnung durchgeführt werden, um in dem Beutel aufgenommen zu werden und die Kassette gekennzeichnet ist durch einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung, wobei der abgefaste Freiraum angeordnet ist, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende des Schließmechanismus nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstreckt, wenn die Kassette in der Halterung derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung installiert ist, wenn die Einrichtung in Betrieb ist,
  7. Abnehmern in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
  8. ohne
  9. im Falle des Anbietens im Angebot ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die langgestreckte Verhülsung nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin des EP 2 818 XXX B1 mit Kassetten verwendet werden dürfen, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind;
  10. im Falle des Lieferns den Abnehmern unter Auferlegung einer an den Patentinhaber zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von fünftausend Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung, mindestens jedoch fünfhundert Euro pro langgestreckte Verhülsung, die schriftliche Verpflichtung aufzuerlegen, die langgestreckte Verhülsung nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers für Kassetten zu verwenden, die mit den vorstehend bezeichneten Merkmalen ausgestattet sind;
  11. 3. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 und Ziff. 2 bezeichneten Handlungen seit dem 06.05.2020 begangen haben, und zwar unter Angabe:
    a. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c. der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellen Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  12. – wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  13. 4. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1 und Ziff. 2 bezeichneten Handlungen seit dem 06.06.2020 begangen haben und zwar unter Angabe:
    a. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
    b. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
    c. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    d. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  14. wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob bestimmte Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten sind.
  15. II. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die unter Ziff. I.1. bezeichneten, in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache (Urteil des.. vom..) und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  16. III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin durch die zu Ziff. I.1. und Ziff. I.2 bezeichneten in der Zeit seit dem 06.06.2020 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  17. IV. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  18. V. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
  19. VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,- Euro vorläufig vollstreckbar.
  20. Tatbestand
  21. Die Klägerin verfolgt aus Patentrecht gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, dem Grunde nach.
    Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Europäischen Patents EP 2 818 XXX B1 (Anlage K7; im Folgenden: Klagepatent). Es wurde am 05.10.2007 in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Der Hinweis auf die Anmeldung wurde am 21.12.2014 offengelegt und der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 06.05.2020. Das Klagepatent steht auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Über den seitens der Beklagten zu 1) unter dem 28.09.2020 gegen das Klagepatent eingelegten Einspruch zum Europäischen Patentamt ist bisher nicht entschieden worden (vgl. Anlage B3, B4).
  22. Das Klagepatent betrifft eine Kassette zur Abgabe von Beuteln aus einem Folienschlauch.
  23. Anspruch 1 des Klagepatents lautet in englischer Verfahrenssprache:
  24. XXXX
  25. Die Übersetzung des Anspruchs 1 hat nachfolgenden Wortlaut:
  26. „Kassette (30) zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung (32) und zur Verwendung mit einer Einrichtung (10), umfassend: einen Behälter (12), der ein Oberteil (14) und ein Unterteil aufweist, wobei das Oberteil (14) eine Öffnung (22) zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert; eine Halterung (26) zum Halten der Kassette (30), wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils (14) nächstliegend zur Öffnung (22) befindet; und einen Schließmechanismus (50), der sich unter der Halterung (26) befindet und einen fixen Abschnitt (52’) umfasst, der ein oberes Ende (54’) beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) erstreckt; wobei die Kassette (30) Folgendes umfasst: eine ringförmige Aufnahme (38), die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung (32) in einem akkumulierten Zustand aufnimmt, eine ringförmige Öffnung an einem oberen Ende der ringförmigen Aufnahme (38) zum Abgeben der verlängerten Verhülsung (32), wobei die ringförmige Aufnahme (38) eine zentrale Öffnung (34) definiert, durch welche ein verknotetes Ende (40) der langgestreckten Verhülsung (32) hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme (38) gestützt ist, wobei die Einwegartikel durch die zentrale Öffnung (34) durchgeführt werden, um in dem Beutel aufgenommen zu werden und die Kassette (30) gekennzeichnet ist durch einen abgefasten Freiraum (41) an der Unterseite der zentralen Öffnung (34), wobei der abgefaste Freiraum (41) angeordnet ist, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende (54’) des Schließmechanismus (50) nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) und in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstreckt, wenn die Kassette (30) in der Halterung (26) derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette (30) ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung (26) installiert ist, wenn die Einrichtung (10) in Betrieb ist.“
  27. Wegen des Inhalts der „insbesondere“ geltend gemachten Ansprüche 3 und 4 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  28. Folgende Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen und veranschaulichen die erfindungsgemäße Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:
  29. Das Unternehmen der Klägerin ist in B ansässig und gehört zur internationalen C-Firmengruppe. Über die Unternehmen D & Co. KG und E GmbH & Co. KG, beide in F ansässig, vertreibt sie ihre Produkte, insbesondere Windeleimer und Katzenstreueimer unter den Bezeichnungen C bzw. G.
  30. Die Beklagte zu 1) ist ein italienisches Unternehmen, das auf den Vertrieb von Nachfüllkassetten und Folie für Windeleimer bzw. Katzenstreueimer spezialisiert ist. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 1) betreibt unter der Domain XXX eine Website, in deren Datenschutzbestimmungen der Beklagte zu 2) als Inhaber angeführt wird (Anlage KA 3). Auch für Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland bieten die Beklagten auf der Homepage Nachfüllkassetten unter der Produktbezeichnung „H“ an (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen). Ein Produkt ist dabei kreisrund (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform 1) gestaltet und ein anderes oktogonal (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform 2). Die angegriffenen Ausführungsformen werden zusammen mit einem Windeleimer zur Entsorgung von Windeln verwendet; sie können insbesondere mit „C“-Windeleimern der Klägerin benutzt werden. Parallel zu den vorstehend beschriebenen Ausführungsformen bieten die Beklagten ferner Nachfüllkassetten für Eimer, die der Katzenstreuentsorgung dienen, an. Auch diese sind einmal kreisrund und einmal oktogonal ausgestaltet (Anlage KA 9; im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform 3 bzw. 4) und auch im Übrigen baugleich zu den angegriffenen Ausführungsformen 1 und 2 (deshalb alle zusammen: Verletzungsprodukte I).
  31. Auf ihrer Website bieten die Beklagten außerdem Nachfüllfolie (im Folgenden auch: Verletzungsprodukt II) für die angegriffenen Ausführungsformen an. Diese Folie kann insbesondere in Kassetten, verwendet auf Eimern „I“, „J“, „I XXX“ sowie den Modellen „G I“, „G II“ und „G XXX“, nachgefüllt werden. Eine Anleitung zur Nachbefüllung der angegriffenen Ausführungsformen steht sowohl auf der Unternehmenswebsite als auch auf XXX (vgl. Anlage KA 7) bereit. Dort findet sich ferner eine grafische Anleitung zum Auswechseln der Folie in den Kassetten (Anlage KA 8).
  32. Zur Veranschaulichung werden nachfolgend Abbildungen, der Klageschrift entnommen, der angegriffenen Ausführungsformen eingeblendet:
  33. Zwischen den Parteien ist unter dem Az. 4c O 52/20 ein Parallelverfahren anhängig, welches das EP 2 045 XXX B1 zum Gegenstand hat.
  34. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten das Klagepatent ausgehend von der Gruppe der Verletzungsprodukte I unmittelbar und ausgehend von der Gruppe der Verletzungsprodukte II mittelbar verletzen würden. Die angegriffenen Ausführungsformen, insbesondere auch die oktogonal ausgestalteten, würden eine ringförmige Aufnahme aufweisen. Die erfindungsgemäße Lehre verlange keine kreisrunde Form, sondern lasse jede geschlossene Form für die Aufnahme ausreichen. Dieses Verständnis leite sich insbesondere daraus ab, dass das Klagepatent erst im Zusammenhang mit der zentralen Öffnung gezielt eine kreisrunde Form beschreibe. Ringförmig sei weiter zu verstehen. Die angegriffenen Ausführungsformen hätten ferner in Gestalt einer schrägen Kante, die den Abschluss der Kassetten nach unten bilde, einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung. Das Klagepatent wolle auf diese Weise eine Aussparung bereitstellen, sodass sich das obere Element des Schließmechanismus der Einrichtung in die Öffnung erstrecken könne.
    Für die Einrichtung, mit welcher eine anspruchsgemäße Kassette gemeinsam benutzt werden soll, genüge es, dass eine solche konstruierbar ist. Dass eine solche schon tatsächlich existiere, würden im Übrigen aber auch die eigenen Produkte der Klägerin (Windeleimer) belegen, mit denen die angegriffenen Ausführungsformen vollständig kompatibel seien.
    Die Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung lägen vor. Die Verletzungsprodukte II seien ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehe. Sie seien zum Einsatz in den in der Bundesrepublik Deutschland erhältlichen Verletzungsformen 1 und 3 geeignet. Die Beklagten könnten nicht den Einwand der Erschöpfung geltend machen, weil die Kassette nach Aufbrauchen der Folie ihre Funktionstauglichkeit verliere; es handele sich um einen Einwegartikel, sodass mit der neuen Folie eine Neuherstellung vorgenommen werde.
  35. Der Rechtsstreit sei schließlich auch nicht auszusetzen, weil sich das Klagepatent im Einspruchsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
  36. Die Klägerin beantragt, nachdem sie in der mündlichen Verhandlung den Antrag zu Ziff. I.6 (Vernichtungsanspruch) zurückgenommen hat,

    zu erkennen, wie geschehen und außerdem bezüglich Ziff. I.3 Auskunftserteilung auch über die Menge der hergestellten Erzeugnisse und bezüglich Ziff. I.4 auch Rechnungslegung zu Herstellungsmengen und -zeiten.

  37. Die Beklagten beantragen,
  38. die Klage abzuweisen,
    hilfsweise den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung im Einspruchsverfahren auszusetzen.
  39. Sie sind der Ansicht, dass keine der angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents machen würde. Zu berücksichtigen sei schon, dass es sich bei dem Klagepatent nicht um ein Sachpatent, sondern um ein Verfahrens-/ Verwendungspatent handele. Dies sei daran zu erkennen, dass ein verknotetes Ende sowie der Einwegartikel aktiv durch die Öffnung geführt werden müssten. Zudem müsse die Kassette in der Halterung positioniert werden. Ferner ergebe sich dies aus der Beanspruchung eine erfindungsgemäße Kassette zusammen mit einer Einrichtung zu verwenden. Die erfindungsgemäße Funktion könne die Kassette erst im Zusammenspiel mit dem Schließmechanismus erreichen. Die Beklagten behaupten hierzu außerdem, dass derlei Behälter überhaupt nicht existieren würden.
    Zumindest den oktogonalen angegriffenen Ausführungsformen würde es an einer ringförmigen Aufnahme fehlen. Denn ringförmig könne nicht anders als kreisförmig verstanden werden. So zeigten auch die Figuren des Klagepatents durchgehend kreisförmige Kassetten. Ebenso hätte es in der Stammanmeldung zunächst „kreisförmige zentrale Öffnung“ geheißen; genau diese werde aber von dem Aufnahmebehälter definiert. Sofern im Zusammenhang mit der zentralen Öffnung von kreisförmig gesprochen werde, könne daraus für das Verständnis der ringförmigen Aufnahme nichts hergeleitet werden, da es ein anderes Vorrichtungselement sei.
    Auch der abgefaste Freiraum an der Kassette verlange ein konkretes Zusammenwirken mit einem Behälter; darin liege das wesentliche Element der Erfindung. Denn lediglich abgefaste Unterseiten seien im Stand der Technik hinlänglich bekannt gewesen. Das Entscheidende sei mithin, dass ein Zusammenwirken gerade mit einem Teil des Behälters, nämlich dessen Schließmechanismus, herbeigeführt werden solle.
  40. Für die Verletzungsprodukte II scheide eine Verletzungshandlung aus, weil sie keinen Bezug zu einem wesentlichen Element der Erfindung aufweisen würden. Es handele sich bloß um aufgerollte Plastikfolie, die auch außerhalb der Bestückung von Windeleimern zur Anwendung kommen könne. Insoweit stelle das Klagepatent keine bestimmten Anforderungen an die Beschaffenheit einer zu verwendenden Folie, dass auch jede andere eingesetzt werden könne.
  41. Der Rechtsstreit sei mangels Rechtsbestandes des Klagepatents auszusetzen. Gegenüber der Stammanmeldung sei es unzulässig erweitert worden, indem die zentrale Öffnung in der erteilten Fassung eben nicht mehr als kreisförmig beschrieben werde. Zudem sei der abgefaste Freiraum nicht mehr „nur“ an der Unterseite der zentralen Öffnung vorgesehen. Auch dies sei in der Anmeldeschrift noch anders gewesen. Gegenüber der Druckschrift US 2003/XXX A1 (Anlage B2; im Folgenden: B2) fehle es dem Klagepatent an Neuheit; zugleich würde die erfindungsgemäße Lehre durch die B2 nahe gelegt.
  42. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlage Bezug genommen.
  43. Entscheidungsgründe
  44. A.
    Die zulässige Klage ist begründet.
  45. I.
    Das Klagepatent betrifft eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung und zur Verwendung mit einer Einrichtung zur Verpackung von Einwegmaterial in einen Schlauch aus flexibler Kunststofffolie (vgl. Abs. [0001]). Durch eine solche Verpackung von Abfällen, wie z.B. Wegwerfwindeln, soll eine hygienische Lagerung des Abfalls ermöglicht werden, die zudem weitgehend geruchlos bis zur Entsorgung ist.
  46. Aus dem Stand der Technik sind, wie das Klagepatent in Abs. [0002] erläutert, schon ähnliche Vorrichtungen bekannt, die einen Behälter mit einem offenen/zu öffnenden Oberteil, in das der zu entsorgend Abfall eingelegt wird, und einem Unterteil, in dem der Abfall gelagert wird, aufweisen. Das Oberteil sah zudem eine ringförmige Kassette mit einem Schlauch aus zusammengefalteter flexibler Kunststofffolie vor, der an einem Ende verknotet ist und in welchen das Abfallprodukt eingeführt und temporär aufbewahrt werden kann. Die vorbekannten Vorrichtungen sahen ferner einen Schließmechanismus vor, um den Schlauch, in welchen der Abfall eingebracht wurde und der sodann durch die Öffnung der Kassette in Richtung des Unterteils des Behälters geschoben wurde, unterhalb der Kassette zu verschließen und zu verhindern, dass unangenehme Gerüche aus dem Schlauch austreten (Abs. [0003]).
  47. Das Klagepatent führt in Abs. [0004] das kanadische Patent Nr. 1,XXX,XXX insoweit an, um einen vorbekannten Verschließmechanismus zu beschreiben; dort war er als drehbarer Kern ausgestaltet. Mithilfe einer Kappe über einen Zylinder konnte eine Drehbewegung ausgeführt werden, um den Schlauch in regelmäßigen Abständen in fortlaufende Beutel zu formen, die während der Aufbewahrung versiegelt bleiben. Als weitere vorbekannte Vorrichtungen würdigt das Klagepatent in den Abs. [0005] und [0006] die kanadischen Druckschriften Nr. 2,XXX,XXX und 2,XXX,XXX. Auch diese wiesen eine Kassette mit einem Schlauch auf und eine Quetschvorrichtung innerhalb des Behälters, welche den den zu entsorgenden Artikel enthaltenden Schlauch zusammendrückt und in das Unterteil des Behälters zu befördern und dort zu verwahren.
  48. Hieran kritisiert das Klagepatent in Abs. [0007] als nachteilig, dass die vorbekannten Vorrichtungen aus vielen Teilen bestehen und anfällig für Bruchschäden sind. Sie sind nicht benutzerfreundlich und in der Erstbenutzung schwer verständlich. Hinzukamen hohe Herstellungskosten sowie hohe Nutzungskosten, weil übermäßig viel Folie aus den Kassetten gezogen wurde. Weiterhin als nachteilig beschreibt das Klagepatent, dass die Kassetten nicht immer richtig ausgerichtet waren und zudem die Kassettenwände verschmutzt wurden.
  49. Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, eine Kassette zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung bereitzustellen (Abs. [0009]). Insbesondere sollte die Kassette einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung der ringförmigen Aufnahme, die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung aufnimmt, haben (Abs. [0010]).
  50. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent deshalb eine Vorrichtung mit den nachfolgenden Merkmalen vor:
  51. 1. Kassette (30)
    2. zur Verwendung mit einer Einrichtung (10), umfassend:
    2.1 einen Behälter (12), der ein Oberteil (14) und ein Unterteil aufweist, wobei das Oberteil (14) eine Öffnung (22) zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert;
    2.2 eine Halterung (26) zum Halten der Kassette (30), wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils (14) nächstliegend zur Öffnung (22) befindet; und
    2.3 einen Schließmechanismus (50), der sich unter der Halterung (26) befindet und einen fixen Abschnitt (52’) umfasst, der ein oberes Ende (54’) beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) erstreckt;
    3. zum Abgeben von Beuteln aus einer langgestreckten Verhülsung (32) umfassend
    3.1 eine ringförmige Aufnahme
    3.1.1 die eine Länge einer langgestreckten Verhülsung (32) in einem akkumulierten Zustand aufnimmt,
    3.1.2 die an einem oberen Ende zum Abgeben der verlängerten Verhülsung (32) eine ringförmige Öffnung (38) aufweist
    3.1.3 die eine zentrale Öffnung (34) definiert
    3.1.3.1 durch welche ein verknotetes Ende (40) der langgestreckten Verhülsung (32) hindurchgeführt wird, um einen Beutel zu bilden, der durch die ringförmige Aufnahme (38) gestützt ist,
    3.1.3.2 wobei die Einwegartikel durch die zentrale Öffnung (34) durchgeführt werden, um in dem Beutel aufgenommen zu werden
    3.2 einen abgefasten Freiraum (41) an der Unterseite der zentralen Öffnung (34),
    3.2.1 wobei der abgefaste Freiraum (41) angeordnet ist, um zu ermöglichen, dass sich das obere Ende (54’) des Schließmechanismus (50) nach oben in die Öffnung (22) des Behälters (12) und
    3.2.2 in die zentrale Öffnung (34) der Kassette (30) erstreckt,
    3.2.3 wenn die Kassette (30) in der Halterung (26) derart positioniert wird, um sicherzustellen, dass die Kassette (30) ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung (26) installiert ist, wenn die Einrichtung (10) in Betrieb ist.
  52. II.
    Zwischen den Parteien stehen zu Recht nur das Verständnis der Merkmalsgruppe 2, des Merkmals 3.1 sowie der Merkmalsgruppe 3.2 in Streit. Ausführungen der Kammer zu den weiteren Merkmalen sind daher entbehrlich.
  53. 1.
    Die Merkmalsgruppe 2 bestimmt, dass die Kassette (Merkmal 1) zur Verwendung mit einer Einrichtung dient, wobei die Einrichtung umfasst: einen Behälter mit einem Oberteil und einem Unterteil, wobei das Oberteil eine Öffnung zum Aufnehmen von Einwegartikeln durch diese hindurch definiert, eine Halterung zum Halten der Kassette, wobei sich die Halterung innerhalb des Oberteils nächstliegend zur Öffnung befindet und einen Schließmechanismus, der sich unter der Halterung befindet und einen fixen Abschnitt umfasst, der ein oberes Ende beinhaltet, das sich nach oben in die Öffnung des Behälters erstreckt.
  54. Durch diese Merkmalsgruppe konkretisiert das Klagepatent den Einsatzzweck einer anspruchsgemäßen Kassette. Es stellt dadurch keine weiteren Vorrichtungsmerkmale auf, wodurch der beschriebene Behälter selbst zum Gegenstand des Anspruchs würde.
  55. Sach- bzw. Vorrichtungsansprüche können Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben enthalten, die nur unter besonderen Voraussetzungen als Bestandteile des Patentanspruchs an dessen Aufgabe teilnehmen, den geschützten Gegenstand zu bestimmen und damit zugleich zu begrenzen etwa im Hinblick auf dessen vorausgesetzte Eignung. Im Allgemeinen wird die Sache oder Vorrichtung aber unabhängig von dem Zweck, zu dem sie nach den Angaben im Patentanspruch verwendet werden soll, durch räumlich-körperlich umschriebene Merkmale als Schutzgegenstand definiert. In solchen Fällen benennen Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben keine Merkmale des unter Schutz gestellten Gegenstands. Ob die einzelnen Angaben in einem formulierten Patentanspruch als Merkmale definierend oder beispielsweise als Zweck-, Wirkungs- oder Funktionsangaben den Erfindungsgegenstand im zuletzt dargestellten Sinne charakterisierende Daten zu verstehen sind, ist daher als Teil der Auslegung des Patentanspruchs nach den hierfür geltenden Grundsätzen zu bestimmen (BGH, GRUR 2010, 1081 – Bildunterstützung bei Katheternavigation). Denn es kann sich ergeben, dass die in den Patentanspruch aufgenommenen Sachmerkmale bereits alle Bedingungen umschreiben, die aus technischer Sicht zur Erzielung der angegebenen Wirkung notwendig sind (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 13. Aufl., Kap. A, Rn. 75).
  56. Danach kommt der Verwendungsangabe vorliegend keine schutzbereichsrelevante Bedeutung zu, weil sie keine über die für die Kassette ausdrücklich aufgestellten räumlich-körperlichen Anforderungen hinausgehenden Bedingungen aufstellt. Sie betrifft die Ausgestaltung einer Einrichtung, nämlich des Behälters, mit dem die Kassette zusammenwirken können muss. Das bedeutet zwangsläufig, dass diese beiden Komponenten komplementär zueinander ausgestaltet sind. Dies weiß der Fachmann, sodass er bei einer vorgegebenen Ausgestaltung einer Kassette diese als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines entsprechenden Behälters in den Blick nimmt und so alle Informationen erhält, die für ein erfolgreiches Zusammenspiel von Behälter und Kassette notwendig sind. Hierzu offenbart die Merkmalsgruppe 2 für einen Behälter zwar einzelne Komponenten, das sind aber keine derart spezifischen Vorgaben, die sich dem Fachmann nicht aus seinem Fachwissen heraus als selbstverständlich aufdrängen würden (Halterung, Schließmechanismus). Der Anspruch verlangt deshalb nur, dass eine solche Einrichtung konstruierbar ist, um mit der Kassette zusammen benutzt werden zu können (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11. Februar 2016 – I-2 U 19/15 –, juris, Rn. 94; Kühnen, a.a.O., Kap. A, Rn. 80).
  57. 2.
    In Merkmal 3.1. stellt das Klagepatent eine ringförmige Aufnahme unter Schutz. Die ringförmige Aufnahme soll eine Länge einer langgestreckten Verhülsung in einem akkumulierten Zustand aufnehmen (Merkmal 3.1.1), an einem oberen Ende zum Abgeben der verlängerten Verhülsung eine ringförmige Öffnung aufweisen (Merkmal (3.1.2) und schließlich eine zentrale Öffnung definieren (Merkmal 3.1.3).
  58. Unter einer ringförmigen Aufnahme versteht das Klagepatent einen in sich geschlossenen Vorrichtungsbestandteil, der rings um die zentrale Öffnung/innerhalb des Oberteils des Behälters herumverläuft und zugleich so ausgebildet ist, dass er Platz für die akkumulierte, langgestreckte Verhülsung bietet. Ihrer Form nach muss die ringförmige Aufnahme weitestgehend an einen Kreis erinnern. Nicht zwingend erforderlich, aber auch nicht ausgeschlossen, ist, dass die in sich geschlossene und um die zentrale Öffnung herumverlaufende Aufnahme durch eine Kreisform im geometrischen Sinn ausgebildet wird.
  59. Seinem rein-philologischen Verständnis nach meint ringförmig bzw. „Ring“ einen gleichmäßig runden, in sich geschlossenen Gegenstand. Eine spezifische geometrische Ausgestaltung folgt aus diesem Begriffsverständnis jedoch nicht. Danach kann alles als „Ring“ bezeichnet werden, das seiner äußeren Form nach einer Ringform angenähert ist, so dass auch ein Vieleck als ringförmig beschrieben werden kann. Das Klagepatent bietet weder im Anspruchswortlaut noch in der Beschreibung Hinweise, dass „ringförmig“ zwingend eine kreisrunde Ausgestaltung meint. Vielmehr bekräftigen die Beschreibungsstellen das Verständnis der Ringform als in sich geschlossene und weitgehend runde Form.
  60. Das Klagepatent kennt sowohl kreisförmige als auch ringförmige Ausgestaltungen von Vorrichtungsbestandteilen. Dies kommt schon in der allgemeinen Beschreibung zum Ausdruck. Beispielsweise in Abs. [0011] wird ein abnehmbarer Deckel erläutert, der die ringförmige Öffnung am oberen Ende der ringförmigen Aufnahme verschließt. In Abs. [0014] heißt es: „Die zentrale Öffnung kann kreisförmig sein.“ Für einen synonymen Gebrauch der Begriffe Ringform und Kreisform offenbart das Klagepatent keine Anhaltspunkte. Es bedürfte dieser begrifflichen Differenzierung nicht, wenn nach der erfindungsgemäßen Lehre eine identische Ausgestaltung gemeint ist. Demnach ist für die Ringform, insbesondere die ringförmige Aufnahme, nicht erforderlich, dass sie die Form eines Kreises aufweist; sie kann dieser auch nur angenähert sein. Die Beschreibungsstellen der Klagepatentschrift lehren hierzu kein einengendes Verständnis auf eine bestimmte räumlich-körperliche Ausgestaltung.
  61. Das Klagepatent beschreibt im Hinblick auf den grundlegenden Aufbau, dass die Kassette einen ringförmigen Körper hat, der eine zentrale Öffnung definiert, die im Allgemeinen mit der Öffnung des Behälters ausgerichtet ist, wenn die Kassette in der Halterung aufgenommen ist (Abs. [0019]). Damit erläutert das Klagepatent die maßgebliche Formgebung der Kassette, deren (Haupt-)Bestandteil die ringförmige Aufnahme ist und somit ihrer Form nach derjenigen der Kassette folgt.
  62. Abgesehen von der ringförmigen Aufnahme selbst benutzt das Klagepatent ringförmig auch zur Erläuterung des oberen Abschlusses der Aufnahme. Abs. [0011] der allgemeinen Beschreibung formuliert:
    „Ein abnehmbarer Deckel, der die ringförmige Öffnung am oberen Ende der ringförmigen Aufnahme verschließt, kann vorgesehen werden.“
  63. Im folgenden Abs. [0012] heißt es in ähnlicher Weise:
    „Die ringförmige Öffnung kann sich neben einem äußeren Umfang der ringförmigen Aufnahme befinden.“
  64. Die ringförmige Öffnung beschreibt den unverschlossenen oberen Abschluss der ringförmigen Aufnahme; er ist in sich geschlossen und muss dem Formverlauf der ringförmigen Aufnahme entsprechen, weil er andernfalls nicht deren Abschluss bilden könnte und nicht passend wäre. Daher ist es konsequent auch diesen Teil der Vorrichtung in derselben Weise wie die eigentliche ringförmige Aufnahme zu beschreiben. Ein weiterer Aufschluss über die Bedeutung der Ringform, wonach eine bestimmte geometrische Form verlangt würde, kann dem nicht entnommen werden.
  65. In diesem Verständnis eines Rings als eines jedenfalls geschlossenen, umlaufenden Vorrichtungsbestandteils bekräftigt wird der Fachmann durch die Beschreibungsstelle in Abs. [0018]. Auszugsweise heißt es dort:
  66. „Der Behälter enthält außerdem einen Deckel, der gelenkig mit einem Ring verbunden ist, z.B. in Form eines Trichters […] solange der Ring eine Öffnungsführung formt.“
  67. Bei der durch den Trichter bereitgestellten Öffnungsführung handelt es sich um eine Ausbildung, die die gesamte Öffnung umgibt und daher eine in sich geschlossene Führung ist. Zugleich lehrt das Klagepatent an dieser Stelle, dass ein in sich geschlossener Bestandteil (bei der Draufsicht) die Gestalt eines Rings haben soll, jedenfalls an eine Kreisform angenähert sein soll.
  68. Für das Verständnis des Ausdrucks ringförmig als ein umlaufender und geschlossener Vorrichtungsbestandteil kann zudem auf Abs. [0021] verwiesen werden. Es heißt dort auszugsweise:
    „[…] enthält die Halterung einen ringförmigen Flansch 42, der sich von dem Oberteil des Behälters nach innen erstreckt.“
  69. Auch dieses Vorrichtungselement verläuft um die gesamte Vorrichtung herum und ist ein in sich geschlossenes Bauteil.
  70. Abs. [0018] enthält sodann zur Formgebung den weiteren Hinweis:
    „[…] Obwohl die Einrichtung in dem gezeigten Beispiel im Allgemeinen eine
    kreisförmige Öffnung hat, ist der Behälter nicht auf kreisförmige Öffnungen
    beschränkt und kann mit Öffnungen anderer Form funktionieren.“
  71. Daraus ist zu ersehen, dass wiederum die Kreisform ausdrücklich anderen Formen gegenübergestellt wird. Das Klagepatent unterscheidet damit stringent zwischen verschiedenen Ausgestaltungen und erlaubt bewusst die Wahl anderer Formgebungen.
  72. Die zuletzt genannten Beschreibungsstellen dürfen für die Ermittlung des Verständnisses der Ringform herangezogen werden, obwohl sie sich auf andere Bestandteile der Vorrichtung beziehen. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass gleichen Begriffen im Rahmen der Auslegung eines Patentanspruchs in unterschiedlichen Zusammenhängen keine unterschiedliche Bedeutungen zukommt. Dies ist nur dann anzunehmen, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung auch der Beschreibung und der Kennzeichnungen ein solches Verständnis ergibt. Dabei ist es für die Auslegung ohne Bedeutung, ob die gleichen Begriffe im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs verwendet werden, da der äußere Aufbau des Patentanspruchs als solcher für die Ermittlung des Gegenstands des Patents außer Betracht zu bleiben hat. Entscheidend sind vielmehr der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern, wobei im Zweifel gleichen Begriffen im Rahmen eines Patentanspruchs auch die gleiche Bedeutung zuzumessen ist (vgl. BGH, GRUR 2017, 152 – Zungenbett).
  73. Die begriffliche Differenzierung zwischen kreis- und ringförmig wird zudem durch den abhängigen Anspruch 5 belegt, welcher – zumindest in der maßgeblichen englischen Fassung – eine zentrale Öffnung unter Schutz stellt, die kreisförmig („circular“) ist. Mit Blick auf das Verständnis des allgemeineren Anspruchs 1 bedeutet dies, dass die von der ringförmigen Aufnahme definierte zentrale Öffnung eine bestimmte geometrische Form aufweisen kann. Aber auch eine andere Formgebung ist, solange sie einem Kreis angenähert ist, nicht ausgeschlossen.
    Die Figuren der Klagepatentschrift bestärken das dargestellte Verständnis, weil sie als die ringförmige Aufnahme mit dem Bezugszeichen 38 ein Element zeigen, welches geschlossen ausgestaltet ist und um das Oberteil des Behälters herumverläuft. Die Darstellung der ringförmigen Aufnahme zugleich in der exakten Form eines Kreises führt nicht zu einem anderen Verständnis, weil es sich um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel handelt.
  74. Technisch-funktionale Erwägungen stützen ferner das aufgezeigte Verständnis. Die langgestreckte Verhülsung soll aus der ringförmigen Aufnahme herausgezogen werden und – versehen mit einem Knoten – ein Behältnis für zu entsorgende Einwegartikel bereitstellen. Bei der Entsorgung solcher Artikel soll eine Verschmutzung der Vorrichtung vermieden werden. Dies kann dadurch erfolgen, dass der Schlauch mittig durch die Öffnung in der Kassette gezogen wird und so die Umrandung vollständig abgedeckt. Die Ringform bietet dabei den Vorteil, dass sich der Schlauch gleichmäßig an allen Seiten verteilt und stabil von den Seiten der ringförmigen Aufnahme gestützt werden kann. Für das Erreichen dieser technischen Funktion ist die Kreisform nicht zwingend erforderlich. Maßgeblich ist eine Ringform als in sich geschlossene Ausgestaltung, um die langgestreckte Verhülsung in einem akkumulierten Zustand gleichmäßig aufnehmen zu können. Die Schläuche sollen nämlich ringsum in der Aufnahme verteilt werden, damit durch einfaches Herausziehen ein Beutels gebildet werden kann. Dies gelingt nur dann in einer einfachen Bedienweise, wenn sich das Schlauchmaterial von Anfang an gleichmäßig verteilt in der Aufnahme befindet.
  75. 3.
    Merkmal 3.2 stellt einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung unter Schutz.
  76. Das Klagepatent versteht unter einem „abgefasten Freiraum an der Unterseite“, dass der untere Bereich an der Innenseite der Kassette zumindest eine abgeschrägte Teilfläche aufweist. Dieser kann, muss sich aber nicht über den gesamten Umfang der zentralen Öffnung erstrecken. Für die Abfasung ist es daher erforderlich, dass die Innenseite (Öffnung) der Kassette im Bereich der unteren Hälfte wenigstens zwei Flächen mit unterschiedlichen Winkeln aufweist. Nicht ausreichend ist eine durchgehend schräge Innenseite der Kassette jedenfalls dann, wenn im unteren Bereich nicht wie vordefiniert zumindest auch eine Teilfläche mit einem anderen Winkel vorhanden ist. Zudem muss der Freiraum räumlich-körperlich über eine gewisse Größe verfügen, um als Zurücknehmung gegenüber der eigentlichen Öffnung wahrgenommen zu werden und so dem oberen Ende des Schließmechanismus Raum für dessen Erstreckung zu bieten. Zugleich soll der abgefaste Freiraum eine gute Ausrichtung der Kassette auf einem Behälter bereitstellen.
  77. Seinem rein-philologischen Verständnis nach, was mangels gegenteiliger Angaben mit dem fachmännischen Verständnis identisch ist, besagt „abgefast“, dass etwas abgekantet oder abgeschrägt verläuft. Diese Bedeutung entspricht dem in englischer Verfahrenssprache benutzten Begriff „chamfer“, der wörtlich mit Fase oder auch Schrägkante übersetzt werden kann.
  78. Wie konkret der so geformte Freiraum ausgestaltet sein soll, etwa in welchem Verhältnis zur Größe der zentralen Öffnung, besagt der Anspruchswortlaut nicht. Diesem ist im Hinblick auf die Anordnung des abgefasten Freiraums nur dessen Lage „an der Unterseite der zentralen Öffnung“ zu entnehmen. Dies ist als Bereichsangabe zu verstehen und adressiert denjenigen Teil der zentralen Öffnung, der auf den oberen Teil des Behälters ausgerichtet ist und deshalb mit dem Schließmechanismus in Kontakt kommen könnte. Zugleich wird durch die Zuordnung der Unterseite zur zentralen Öffnung verdeutlicht, dass eine Ausnehmung nur an der Bodenseite der ringförmigen Aufnahme, die sich nicht bis an/in die zentrale Öffnung erstreckt, von der erfindungsgemäßen Lehre – gerade auch in Abgrenzung zu vorbekannten Vorrichtungen – nicht als Abfasung vorgesehen ist.
  79. Das aufgezeigte Verständnis wird durch die Anspruchssystematik in den Merkmalen 3.2.1 bis 3.2.3 bekräftigt. Zunächst werden in Merkmal 3.2.1 und in Zusammenschau mit Merkmal 3.2.2 die Einsatzzwecke des abgefasten Freiraums („um zu ermöglichen“) damit beschrieben, dass sich das obere Ende eines Schließmechanismus eines Behälters nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstrecken können soll. Auch dies spricht für die Anordnung der Abfasung in Richtung auf die zentrale Öffnung und nicht nur im Bodenbereich der ringförmigen Aufnahme. Ausdrücklich lehrt das Klagepatent also, was das abgefaste Ende bewirken soll. Es wird das Zusammenspiel mit einem Behälter in den Blick genommen. Auf dieselbe Weise ist Merkmal 3.2.3 zu verstehen, welches den weiteren Zweck des abgefasten Freiraums formuliert, der in der ordnungsgemäße Positionierung auf dem Behälter liegt. Das Klagepatent betrachtet dabei den Moment, in dem die Kassette in den Behälter eingesetzt ist, wie Merkmal 3.2.3. mit der Formulierung „wenn die Kassette in der Halterung derart positioniert wird […]“ zeigt.
  80. Konkrete Anforderungen an die räumlich-körperliche Ausgestaltung der Kassette gehen mit diesen die Zweckmäßigkeit betreffenden Merkmalen nicht einher. Ebenso wenig bieten die Beschreibungsstellen des Klagepatents weitere konkrete Hinweise auf das Verständnis des abgefasten Freiraums, da sie sich nur auf eine bevorzugte Ausführungsform beziehen, die einen abgefasten Freiraum entsprechend dem vorstehenden Verständnis lehrt, und daher grundsätzlich auch andere Ausführungen denkbar sind. Gleichwohl unterstützt die Klagepatentschrift den Fachmann aber in dem Verständnis, wonach der abgefaste Freiraum im unteren Bereich der Kassette angeordnet sein und auch hinreichend groß ausfallen muss, um seine technische Funktion erreichen zu können.
  81. Abs. [0015] der allgemeinen Beschreibung heißt:
    „[…] wobei der Freiraum der Kassette so angeordnet ist, dass sich das obere Ende des Schließmechanismus nach oben in die Öffnung des Behälters und in die zentrale Öffnung der Kassette erstreckt, wenn die Kassette in der Halterung so positioniert wird, dass die Kassette ordnungsgemäß orientiert ist, wenn diese in der Halterung installiert ist, wenn die Einrichtung in Betrieb ist.“
  82. Mit dieser Passage geht noch kein detaillierterer Hinweis auf den Freiraum einher. Weitergehenden Aufschluss kann dagegen Abs. [0038] geben, welcher ein alternatives nicht erfindungsgemäßes Beispiel einer Kassette mit einem kegelförmigen Freiraum beschreibt. Es heißt:
    „In einem alternativen Beispiel, das in den nachfolgenden Patentansprüchen nicht genannt wird und in den Abb. 4, 5A und 5B dargestellt ist, ist die Kassette 30 mit einem kegelförmigen Freiraum (der eine kegelstumpfförmige Geometrie an dem äußeren Umfang des Bodens der Kassette bildet) im Gegensatz zu einem abgefasten Freiraum versehen. Der kegelförmige Freiraum wird mit einem kegelförmigen Flansch in der Halterung der Einrichtung verwendet […].“
  83. Hierin stellt das Klagepatent klar, welche Ausgestaltung des abgefasten Freiraums nicht als patentgemäß anzusehen ist und verlangt danach, dass die abgeschrägte Fläche (Abfasung) an der Innenseite der ringförmigen Aufnahme, mithin im Bereich der zentralen Öffnung mit Kontakt zu dieser platziert wird.
  84. Für diese Ausrichtung findet der Fachmann in Abs. [0028] Unterstützung, welcher entsprechend dem Merkmalswortlaut zur Ausrichtung des abgefasten Freiraums besagt:
  85. „[…] der abgefaste Freiraum ist nach unten gerichtet. Eine Bewegungsbahn des beweglichen Abschnitts ist unter B dargestellt.“
  86. Diese Beschreibung betrifft zwar nicht den in der Merkmalsgruppe 3.2 erörterten Zweck der Abfasung und den dort genannten Teilabschnitt des Schließmechanismus.
    Er verdeutlicht gleichwohl das Erfordernis, den abgefasten Freiraum am unteren Ende der zentralen Öffnung vorzusehen. Durch den Verweis auf die Bewegungsbahn des beweglichen Abschnitts 58 betont das Klagepatent außerdem den funktionellen Zweck der Abfasung. Die Bewegungsbahn B in der Figur 1 zeigt, dass es auf einen abgefasten Freiraum ankommt, der maßgeblich den die zentrale Öffnung bildenden Teil der ringförmigen Aufnahme betrifft und mithin unmittelbar die zentrale Öffnung mitgestaltet. Einer solchen Bewegungsbahn könnte eine Abschrägung bloß im Bereich des horizontalen Flansches (Bezugsziffer 45), mithin am äußeren Rand der ringförmigen Aufnahme, nicht gerecht werden. Die ringförmige Aufnahme würde dann zwar in einem unteren Bereich über eine Ausnehmung verfügen, die auch noch einer ordnungsgemäßen Positionierung auf dem Behälter dienlich sein könnte (vgl. Abs. [0020]), hinreichend Bewegungsraum für den Schließmechanismus würde dadurch jedenfalls nicht bereitgestellt. Das beschreibt auch schon Abs. [0029] am Ende:
    „Würde die Kassette anders herum installiert, würde der bewegliche Abschnitt 58 demnach daran gehindert, sich entlang seiner Bahn zu bewegen. Daher muss die Kassette 30 richtig ausgerichtet sein, wenn die Benutzerperson die Kassette 30 richtig verwenden möchte.“
  87. Das falsche Installieren einer Kassette, sodass nicht der abgefaste Freiraum auf den Behälter gerichtet ist, dürfte insoweit einer nur kleinen Abschrägung am Außenbereich der ringförmigen Aufnahme nahekommen und zeigen, dass eine solche technisch ungeeignet wäre für eine Abfasung im Sinne des Klagepatents. Denn ähnlich wie die Oberseite einer Kassette, welche sodann auf dem Oberteil des Behälters zum Liegen käme, keinerlei Schrägfläche (Abfasung) aufweist, sodass der Schließmechanismus des Behälters keinerlei Spielraum hätte, wäre es auch bei einer nur geringen Abfasung am untere Bereich.
  88. Dieses Verständnis wird durch die Figuren der Klagepatentschrift unterstützt. Sie zeigen für die Kassette und die zentrale Öffnung alle einen abgeschrägten Freiraum.
    Insbesondere die Figur 6 veranschaulicht das aufgezeigte Verständnis, indem sie eine Kassette positioniert auf einem Behälter zeigt, jedenfalls mit einem Schließmechanismus. Dessen oberes Ende 54‘ weist einen fixen Abschnitt 52 auf, der in die Öffnung der Kassette hineinragt und auf das richtige Einsetzen der Kassette angewiesen ist. Zugleich dürfte die Figur 6 offenbaren, dass der fixe Abschnitte 52 gerade mit dem abgefasten Freiraum 41 zusammenwirkt.
  89. Technisch-funktional erschließt sich das Erfordernis nach einer abgeschrägten Fläche aus dem notwendigen Zusammenwirken mit dem Schließmechanismus des Behälters, wenn sich die Kassette im eingesetzten Zustand in dem Behälter und der korrespondierenden Halterung befindet. Ohne die abgefasten Bereiche hätte der Schließmechanismus keine genügenden Anlehnungspunkte zur Interaktion mit der ringförmigen Aufnahme, um eine richtige Installation zu gewährleisten und um sich zugleich in die zentrale Öffnung nach oben erstrecken zu können. Der abgefaste Freiraum soll dazu führen, dass sich die zentrale Öffnung in diesem Bereich zurücknimmt, um das Erstrecken des oberen Endes des Schließmechanismus zu erlauben.
  90. Schließlich findet das aufgezeigte Verständnis in Abgrenzung zum Stand der Technik Unterstützung. Denn bereits vor dem Erteilungsverfahren waren Vorrichtungen bekannt, die eine kleine Abschrägung im äußeren Bereich der Kassette aufwiesen (vgl. Anlage AUS2). In Kenntnis dieser Lehre ist das Klagepatent erteilt worden. Der hier unter Schutz gestellte abgefaste Freiraum stellt demgegenüber einen deutlich größeren Freiraum bereit, gerade in Richtung auf die zentrale Öffnung, und kann so Platz für den Schließmechanismus bieten.
  91. III.
    Die Kammer vermochte für alle Verletzungsprodukte I eine Verletzung des Klagepatents festzustellen. Bezüglich der Verletzungsprodukte II liegen die Voraussetzungen der mittelbaren Verletzung vor.
  92. 1.
    Das erläuterte Verständnis zugrunde legend verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen 1 bis 4 alle Merkmale des Klagepatentanspruchs.
  93. a.
    Bezüglich der Verletzungsprodukte I stand nur Merkmal(sgruppe) 3.1 hinsichtlich der oktogonal ausgestalteten Modelle in Streit. Für diese Produkte liegt eine Verletzung des Klagepatents vor. Diese Ausführungsformen stellen aufgrund ihrer einer Kreisform angenäherten vieleckigen Ausgestaltung eine ringförmige Aufnahme für die akkumulierte langgestreckte Verhülsung bereit, die in sich geschlossen und ringsum die zentrale Öffnung verläuft.
  94. b.
    Die angegriffenen Ausführungsformen gebrauchen auch Merkmal 3.2 des Klagepatents. Dass sie ihrer körperlichen Ausgestaltung nach einen abgefasten Freiraum aufweisen, hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Sie wendet sich nur dagegen, dass die Merkmalsverwirklichung durch eine angegriffene Kassette in Alleinstellung unabhängig von einem Behälter erfolgen könnte. Dies ist aber aufgrund des erläuterten Verständnisses, wonach die Konstruierbarkeit eines solchen Behälters ausreichend ist, nicht zutreffend.
  95. 2.
    Die weiteren Voraussetzungen des § 10 PatG sind für die Verletzungsprodukte II erfüllt.
  96. a.
    In objektiver Hinsicht sind vermag die Kammer die Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung festzustellen. Bei der angegriffenen Nachfüllfolie handelt es sich um ein Mittel, das sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht.
  97. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für die Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung nicht darauf an, ob das Mittel einen Beitrag zur Lösung des technischen Problems, welches das Patent beschreibt, leistet. Dieses Mittel müsste selbst nicht einmal Anspruchsmerkmal sein. Wesentlich ist, dass es dank seiner Ausgestaltung oder infolge seiner Eigenschaften geeignet ist, im Zusammenwirken mit anderen Mitteln die Erfindung unmittelbar auszuführen (Mes, 5. Aufl., PatG, § 10, Rn. 14). Eine funktionelle Wirkverbindung zwischen dem Mittel und dem Patent (im Übrigen) ist daher erforderlich, aber auch ausreichend.
  98. Dies kann die Kammer für die Verletzungsprodukte II feststellen. Die langgestreckte Verhülsung trägt insoweit entscheidend zum Erfolg der erfindungsgemäßen Lehre bei, als dass ohne sie eine Entsorgung von Einwegartikeln in der gewünschten Art und Weise nicht denkbar wäre. Sie wirkt unmittelbar mit der beanspruchten Kassette, also einem wesentlichen Element der Erfindung, zusammen. Nicht vorausgesetzt für die mittelbare Verletzung ist dagegen, dass das Mittel auch zur Erreichung des Zecks eines wesentlichen Elements der Erfindung beiträgt. Denn betrachtet wird das Leistungsergebnis der Vorrichtung insgesamt.
  99. b.
    Der erforderliche doppelte Inlandsbezug ist gegeben. Die Beklagten bieten an und liefern die angegriffenen Kassetten unstreitig auch in der/die Bundesrepublik Deutschland, gleichermaßen wie die Verletzungsprodukte II (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. A, Rn. 498).
  100. c.
    Auch die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung sind erfüllt.
    Die mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG setzt neben der objektiven Eignung des Mittels als subjektives Tatbestandsmerkmal voraus, dass das Mittel durch den Dritten dazu bestimmt ist, zur Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, und dass der Lieferant weiß oder auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass dieses Mittel dazu geeignet und auch dazu bestimmt ist, für die patentierte Erfindung benutzt zu werden. Es wird demnach ein positives Wissen von der Eignung und Bestimmung des Mittels seitens des Lieferanten verlangt, wobei aber eine Beweiserleichterung in der Weise vorgesehen ist, dass dieses schwer zu beweisende Wissen durch den Nachweis der auf Grund der Umstände offensichtlichen Eignung und Bestimmung der Mittel ersetzt werden kann. Die Bestimmung zur Benutzung der Erfindung setzt damit einen Handlungswillen des Belieferten voraus. Der Abnehmer muss die Benutzung des Gegenstands wollen, d.h. er muss die ihm gelieferte Vorrichtung so zusammenfügen und herrichten wollen, dass sie patentverletzend verwendet werden kann. Über die Bestimmung zur patentverletzenden Benutzung entscheidet demnach der Angebotsempfänger oder Abnehmer; er besitzt die alleinige Verfügungsmacht über den gelieferten Gegenstand (BGH, GRUR 2001, 228, Luftheizgerät; Schulte/Mes, PatG, 10. Aufl., § 10, Rn. 17 f.).
  101. Die Beklagten wissen und wollen, dass die angebotenen Verletzungsprodukte II in Kassetten eingesetzt werden können, welche ihrerseits wiederum auf einen Behälter wie einen Windeleimer oder Katzenstreueimer aufgesetzt werden können, um Einwegartikel zu entsorgen. Sie leiten in ihrer Internetpräsenz dazu an, wie die nachgekauften Folien zu händeln sind, um sie ordnungsgemäß und einsatzbereit in eine Kassette nachfüllen zu können (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. A, Rn. 513). Die Abnehmer beabsichtigen, die Folie in den angegriffenen Kassetten zu verwenden, und wissen daher zur Zeit des Erwerbs, dass es sich um einen Nachfüllartikel handelt.
  102. d.
    Der Kritik der Beklagten, dass die angegriffene Folie der Verletzungsprodukte II auch anderweitig und patentfrei eingesetzt werden könnte, trägt die Klägerin durch die entsprechend eingeschränkte Antragsformulierung hinreichend Rechnung (Schulte/Mes, a.a.O., § 10, Rn. 57).
  103. IV.
    Es ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen:
  104. 1.
    Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie gemäß § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.
  105. 2.
    Die Beklagten trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagte zu 1) als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents schuldet die Beklagten daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, § 139 Abs. 2 PatG.
  106. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagten hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
  107. 3.
    Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, sind die Beklagten verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen, und außerdem Auskunft zu erteilen, § 140b PatG i.V.m. § 242 BGB sowie § 140b Abs. 3 PatG. Im Rahmen der Auskunftserteilung und Rechnungslegung waren indes keine Angaben zur Herstellung der angegriffenen Ausführungsformen geschuldet, weil insoweit seitens der Klägerin nicht vorgetragen wurde, dass derlei dem Anspruch zugrunde liegende Handlungen im Bundesgebiet erfolgen.
  108. 4.
    Die Beklagte zu 1) ist nach § 140a Abs. 3 PatG in der zuerkannten Weise zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände der Verletzungsprodukte I verpflichtet.
  109. V.
    Der Rechtsstreit war nicht auszusetzen. Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass die im Wege des Einspruchs vorgebrachten Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents überwiegend wahrscheinlich erfolgreich verlaufen würden.
    Nach Auffassung der Kammern (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR XXX9, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen.
  110. Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungs-vollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung führen zu können auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten).
  111. 1.
    Das Klagepatent ist gegenüber der Stammanmeldung (Anlage B1) nicht in unzulässiger Weise erweitert worden.
    Eine unzulässige Erweiterung ist gegeben bei einer Änderung des Gegenstandes der Patentanmeldung, so dass dieser über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Eine Änderung der Ansprüche ist nur dann eine unzulässige Erweiterung, wenn dadurch der Gegenstand der Anmeldung erweitert wird. Dies ist der Fall, wenn mit der Anspruchsänderung erstmals ein Gegenstand offenbart wird, der nicht Inhalt der ursprünglichen Anmeldung war (Schulte/Moufang, a.a.O., § 38 PatG, Rn. 13 ff.).
  112. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
  113. a.
    Das Klagepatent ist nicht deshalb gegenüber der Stammanmeldung unzulässig erweitert worden, weil es nur noch „zentrale Öffnung“ und nicht mehr „kreisförmige zentrale Öffnung“ heißt.
  114. Es handelt sich um eine Änderung der Anspruchsfassung, die die Klägerin noch während des Erteilungsverfahrens vorgenommen hat (Art. 123 Abs. 2 EPÜ). Dass das Klagepatent in dieser Fassung erteilt wurde, zeigt, dass die zuständige fachkundige Stelle keine Bedenken an dieser Änderung hatte.
  115. Auch im Übrigen hat die Kammer keine Bedenken an der Streichung des Wortes kreisförmig. Zwar vermag die Kammer nicht festzustellen, dass es sich bei einer kreisförmigen zentralen Öffnung um ein Merkmal handelt, das für den Erfindungsgedanken unerlässlich ist und daher aus der ursprünglichen Anspruchsformulierung nicht hätte entfernt werden dürfen (vgl. Art. 123 Abs. 2 EPÜ). Allerdings ist schon der Stammanmeldung in verschiedenen Beschreibungsabsätzen zu entnehmen, dass sie nicht nur kreisförmige zentrale Öffnungen kennt, sondern auch allgemeinhin zentrale Öffnungen, ohne eine Formvorgabe (vgl. S. 3, Z. 12; S. 5, Z. 3, 36). Zum Offenbarungsgehalt der Stammanmeldung gehören daher auch zentrale Öffnungen ohne den Zusatz „kreisförmig“. Die Streichung dieses Wortes aus dem Anspruch führt daher nicht zu einer unzulässigen Erweiterung.
  116. b.
    Gegenüber der Stammanmeldung auch liegt in Merkmal 3.2 keine unzulässige Erweiterung, wenn es dort heißt „einen abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung“. In der Anmeldeschrift hieß es ursprünglich (Hervorhebungen diesseits): „und einen Freiraum nur am unteren Ende der zentralen Öffnung“. Zunächst war bei Würdigung dieser Änderung am ursprünglich angemeldeten Anspruchswortlaut zu berücksichtigen, dass diese auf Kritik der Prüfungsabteilung hin erfolgte. Demnach hat die fachkundig besetzte Stelle keine Bedenken an einer dadurch herbeigeführten unzulässigen Erweiterung gesehen.
  117. Im Übrigen offenbart auch die Klagepatentschrift keinen Anhaltspunkt, wonach ein abgefaster Freiraum auch an anderer Stelle als der Unterseite der zentralen Öffnung vorgesehen werden könnte. Gerade aus dem Zusammenspiel, dass die zentrale Öffnung durch die ringförmige Öffnung definiert wird und der abgefaste Freiraum nach der erfindungsgemäßen Lehre dazu dient, die Kassette bestmöglich auf einen Behälter aufsetzen zu können, ergibt sich, dass der abgefaste Freiraum nur (auch ohne dies explizit so zu beanspruchen) am unteren Ende der zentralen Öffnung positioniert werden kann. Denn andernfalls könnte er seinen funktionalen Zweck nicht erfüllen.
    Auch die Beklagten haben nicht erläutert, wodurch die Lehre dem Fachmann einen weitergehenden Hinweis auf einen anderweitig zu verortenden Freiraum geben könnte.
  118. c.
    Schließlich liegt eine unzulässige Erweiterung nicht darin, dass nach Ansicht der Beklagten in der B1 die Verwendung der Kassette nur in Kombination mit einer Vorrichtung, aufweisend spezifische Merkmale, offenbart worden wäre. Unbeschadet dessen, dass die Beklagten hierzu nicht substantiiert schriftsätzlich vortragen, sondern pauschal auf die Ausführungen in der Einspruchsbegründung verweist, sodass unklar bleibt, welche Merkmal der Einrichtung im Klagepatentanspruch fehlen sollten, weist dieser jedenfalls Bezug zu einer Einrichtung mit bestimmten Merkmalen auf. Dies ist eindeutig der Merkmalsgruppe 2 zu entnehmen.
  119. 2.
    Das Klagepatent ist gegenüber der B2 neu.
  120. Eine Entgegenhaltung ist dann neuheitsschädlich, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann am Prioritätstag in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart. Dabei beschränkt sich die technische Lehre der Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildungen entnehmen kann (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
  121. Die Lehre der B2 kann anhand der nachfolgend eingeblendeten Figur 2 näher erläutert werden:
  122. Die B2 stellt eine Kassette unter Schutz, die in gefalteter Form aufbewahrte Folie abgeben soll, um Entsorgungsmaterial aufzusammeln, und dabei einen ringförmigen Körper aufweist, dessen Querschnittsprofil u-förmig sein kann.
  123. Formell ist bei dieser Druckschrift bereits zu beachten, dass sie geprüfter Stand der Technik ist, der in der Klagepatentschrift in Abs. [0008] Erwähnung gefunden hat und damit im Erteilungsverfahren gewürdigt worden ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kap. E, Rn. 815). Sie ist zudem auf dem Deckblatt der Klagepatentschrift unter dem Stichwort „Entgegenhaltungen“ aufgeführt.
    Die Beklagten bringen auch nichts vor, das eine nicht ausreichende Behandlung durch die Prüfungsabteilung erkennen lässt.
  124. Es fehlt jedenfalls an der neuheitsschädlichen Vorwegnahme der Merkmalsgruppe 3.2, an einem abgefasten Freiraum an der Unterseite der zentralen Öffnung.
    Lediglich den Figuren in der B2 könnte zu entnehmen sein, dass an der Unterseite der zentralen Öffnung, Bereiche mit unterschiedlich schrägen Flächen vorhanden sein sollen. Denn in den Beschreibungsabsätzen der B2 werden zwar die einzelnen Bestandteile einer Kassette erläutert und es wird auch die zentrale Öffnung einerseits sowie ein Gehäuse zur Aufnahme des Schlauchs andererseits dargestellt. Der rechts und links zu erkennende „Absatz“ findet dagegen keine Erläuterungen. Indes genügt auch der in den Figuren dargestellte Versprung nicht, um einen abgefasten Freiraum im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre neuheitsschädlich vorwegzunehmen. Er ist nicht an der unteren Seite der zentralen Öffnung und mit Ausrichtung auf diese hin ausgestaltet.
  125. 3.
    Das Klagepatent beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit. Gegenteiliges vermochte die Beklagte nicht anhand der B2 aufzuzeigen.
  126. Nach § 4 PatG gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH, GRUR 2010, 407 – einteilige Öse). Daraus kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst.
  127. Diese Voraussetzungen sind auf Grundlage des vorgetragenen Sach- und Streitstandes im vorliegenden Fall nicht feststellbar. Es lassen sich weiterhin Argumente finden, dass das Klagepatent über einen erfinderischen Schritt verfügt.
  128. Wie bereits zum Neuheitsangriff ausgeführt, gilt auch hier, dass das Klagepatent im Lichte der B 2 erteilt wurde. Die Erteilungsabteilung dürfte insoweit auch etwaiges Fachwissen berücksichtigt haben, wenn dieses nahegelegen und zur Lehre des Klagepatents geführt haben sollte. Dass es dennoch zur Erteilung des Klagepatents kam dürfte zeigen, dass die fachkundig besetzte Stelle keine Bedenken an der Erfindungshöhe hatte.
  129. Jedenfalls nachdem die Klägerin in Abrede gestellt hat, dass der Fachmann ausgehend von der B 2 einen Anlass gehabt hätte, diese Vorrichtung in Richtung auf die Erfindung weiterzudenken, vermag die Kammer eine Naheliegen der erfindungsgemäßen Lehre nicht mehr festzustellen. Denn die Beklagten haben daraufhin ihr Vorbringen in der Duplik nicht mehr ergänzt und erläutert, weshalb sich ein abgefaster Freiraum wie in Merkmal 3. 2 geschützt, aufgedrängt haben sollte.
  130. B.
    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 269 Abs. 3, 709 ZPO.

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