Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3295
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Dezember 2022, I-2 U 17/20
Vorinstanz: 4b O 103/15
- I. Die Berufung gegen das am 15. Dezember 2016 verkündete Urteil der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
- 1. sich die Verurteilung – nach Maßgabe der Fassung, die das Klagepatent durch die Einspruchsbeschwerdeentscheidung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes vom 25.03.2022 erhalten hat – auf solche lichtemittierenden Bauelemente bezieht, deren Leuchtstoff ein mit Cer aktivierter Granatleuchtstoff ist, welcher mindestens ein aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm ausgewähltes Element und mindestens ein aus Al, Ga und In ausgewähltes Element enthält;
- 2. mit Wirkung zum 30.07.2017 die Erledigung des Rechtsstreits im Umfang des Unterlassungsanspruchs festgestellt wird,
- 3. der zuerkannte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch sich auf Benutzungshandlungen bezieht, die von der Beklagten in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 begangen worden sind,
- 4. die Rückrufverpflichtung für solche Erzeugnisse besteht, die in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 in den Verkehr gelangt und im Besitz gewerblicher Abnehmer sind,
- 5. die Pflicht zur Vernichtung in Bezug auf solche Erzeugnisse besteht, die in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 in den Besitz oder das Eigentum der Beklagten gelangt sind und sich dort nach wie vor befinden,
- 6. die festgestellte Schadenersatzpflicht für solche Schäden besteht, die durch Benutzungshandlungen in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 begangen worden sind.
- II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
- III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- IV. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
- V. Die Revision wird nicht zugelassen.
- VI. Der Streitwert wird auf 2.000.000 € festgesetzt.
- Gründe
- I.
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents X XXX XXX, das aus einer europäischen Teilanmeldung der EP X XXX XXX A1 hervorgegangen ist und deren Anmeldetag vom 29.07.1997 sowie deren Prioritäten vom 29.07.1996 (JP XXXXXXXX), 17.09.1996 (JP XXXXXXXX), 18.09.1996 (JP XXXXXXXX), 27.12.1996 (JP XXXXXXXX) und 31.03.1997 (JP XXXXXXXX) in Anspruch nimmt. Die Verfahrenssprache des Klagepatents ist Englisch. Der Hinweis auf die Erteilung des – unter anderem für Deutschland geltenden und bis zum Ablauf seiner Schutzdauer am 29.07.2017 (während des Berufungsverfahrens) in Kraft stehenden – Klagepatents wurde am 08.07.2015 bekanntgemacht. - Das Klagepatent betrifft eine lichtemittierende Vorrichtung. Sein Anspruch 1 lautete in der erteilten und vom Landgericht seiner Beurteilung zugrunde gelegten Fassung in deutscher Übersetzung wie folgt:
- Lichtemittierendes Bauelement, das aufweist:
einen lichtemittierende Dioden (LED)-Chip, mit einem Verbindungshalbleiter auf Galliumnitridbasis und einer lichtemittierenden Schicht, die Licht mit einer Wellenlänge von 420 nm bis 490 nm emittieren kann und
einen Leuchtstoff, der durch das vom LED-Chip emittierte Licht angeregt wird und Licht emittiert, das in Beziehung von Komplementärfarben mit dem emittierten Licht steht,
wobei der Leuchtstoff in einem Beschichtungsmaterial enthalten ist, das den LED-Chip beschichtet, und
wobei das lichtemittierende Bauelement weißes Licht durch Mischen des durch den LED-Chip emittierten Lichts und des durch den Leuchtstoff emittierten Lichts emittiert, dadurch gekennzeichnet, dass
der LED-Chip eine Einquantentopfstruktur oder Mehrquantentopfstruktur hat, und der Leuchtstoff einen mit Cer aktivierten Granatleuchtstoff aufweist, der mindestens ein aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm ausgewähltes Element und mindestens ein aus Al, Ga und In ausgewähltes Element enthält, aufweist. - Nachfolgend wird Figur 2 der Klagepatentschrift wiedergegeben, die den schematischen Querschnitt einer lichtemittierenden Diode vom Chip-Typ zeigt.
- Die Beklagte bietet an und vertreibt bundesweit folgende Leuchten mit eingebauten LED:
- • „[…]“ (angegriffene Ausführungsform A)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform B)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform C)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform D)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform E)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform F)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform G)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform H)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform I)
• „[…]“ (angegriffene Ausführungsform J) - Die Klägerin behauptet, die angegriffenen Ausführungsformen untersucht und dabei festgestellt zu haben, dass die Leuchtmittel sämtlicher Ausführungsformen einen blaues Licht mit einer Wellenlänge von etwa 450 nm emittierenden LED-Chip mit einem Verbindungshalbleiter auf der Basis von Indiumgalliumnitrid (InGaN) enthielten. Der Überzug über dem LED-Chip enthalte Leuchtstoffpartikel. EDX-Untersuchungen hätten ergeben, dass in allen angegriffenen Ausführungsformen – neben anderen Leuchtstoffen – auch ein mit Cer aktivierter Granatleuchtstoff aus Yttrium (Y), Aluminium (Al), Gallium (Ga) und Sauerstoff (O) (in verschiedenen Mengenverhältnissen) vorhanden sei. Im Ergebnis emittierten sämtliche angegriffenen Ausführungsformen weißes Licht (LGU, Seite 8).
- Mit dem angefochtenen Urteil vom 15.12.2016 hat das Landgericht der Patentverletzungsklage der Klägerin stattgegeben und wie folgt gegen die Beklagte erkannt (Fettdruck hinzugefügt):
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, die an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollstrecken ist, zu unterlassen:
lichtemittierende Bauelemente, die aufweisen:
- – einen lichtemittierende Dioden (LED)-Chip, mit einem Verbindungshalbleiter auf Galliumnitridbasis und einer lichtemittierenden Schicht, die Licht mit einer Wellenlänge von 420 nm bis 490 nm emittieren kann, und
- – einen Leuchtstoff, der durch das vom LED-Chip emittierte Licht angeregt wird und Licht emittiert, das in Beziehung von Komplementärfarben mit dem emittierten Licht steht,
- – wobei der Leuchtstoff in einem Beschichtungsmaterial enthalten ist, das den LED-Chip beschichtet, und
- – wobei das lichtemittierende Bauelement weißes Licht durch Mischen des durch den LED-Chip emittierten Lichts und des durch den Leuchtstoff emittierten Lichts emittiert,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- – wenn der LED-Chip eine Einquantentopfstruktur oder Mehrquantentopfstruktur hat, und
– wobei der Leuchtstoff einen mit Cer aktivierten Granatleuchtstoff aufweist, der mindestens ein aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm ausgewähltes Element und mindestens ein aus Al, Ga und In ausgewähltes Element enthält, aufweist;
- 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 08.08.2015 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines chronologisch geordneten Verzeichnisses unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen und bestellten zu Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse, der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderen Vorbesitzer;
- b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und unter Angabe von Typenbezeichnungen sowie aufgeschlüsselt nach den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer;
- c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen -zeiten und -preisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger, wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in dem Verzeichnis enthalten ist;
- d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internetwerbung der jeweiligen Domain, Zugriffszahlen und Schaltungszeiträume;
- e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten, einschließlich Bezugspreisen, und des erzielten Gewinns;
- wobei hinsichtlich der Angaben zu lit. a) und lit. b) jeweils in Kopie die Einkaufs- oder Verkaufsbelege (Rechnungen) oder, falls keine Rechnungen ausgestellt wurden, Lieferpapiere vorzulegen sind;
- 3. die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 08.08.2015 in den Verkehr gelangten und im Besitz gewerblicher Abnehmer befindlichen Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, die sich im Besitz dieser Erzeugnisse befinden, schriftlich darüber informiert werden, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP X XXX XXX erkannt hat, und sie aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben, und den gewerblichen Abnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse die Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der durch die Rückgabe entstehenden Verpackungs- und Transport- bzw. Versandkosten zugesagt wird;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1 bezeichneten Erzeugnisse nach ihrer Wahl zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu beauftragenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 08.08.2015 begangenen Handlungen entstanden ist oder noch entstehen wird.
- Während des Berufungsverfahrens, das aus diesem Grunde auf Antrag der Klägerin vorübergehend ausgesetzt war, ist das Klagepatent von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes mit Entscheidung vom 23.10.2017 (Anl. HL 10) teilweise widerrufen und mit folgender – ins Deutsche übersetzten – Fassung des Hauptanspruchs 1 aufrechterhalten worden (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind durch Unter- und Durchstreichen gekennzeichnet):
- Lichtemittierendes Bauelement, das aufweist:
einen lichtemittierende Dioden (LED)-Chip mit einem Verbindungshalbleiter auf Galliumnitridbasis und einer lichtemittierenden Schicht, die Licht mit einer Wellenlänge von 420 nm bis 490 nm emittieren kann, und
einen Leuchtstoff, der durch das vom LED-Chip emittierte Licht angeregt wird und Licht emittiert, das in Beziehung von Komplementärfarben mit dem emittierten Licht steht,
wobei der Leuchtstoff in einem Beschichtungsmaterial enthalten ist, das den LED-Chip beschichtet, und
wobei das lichtemittierende Bauelement weißes Licht durch Mischen des durch den LED-Chip emittierten Lichts und des durch den Leuchtstoff emittierten Lichts emittiert, dadurch gekennzeichnet, dass
der LED-Chip eine Einquantentopfstruktur oder Mehrquantentopfstruktur hat, und der Leuchtstoff einen mit Cer aktivierter/n Granatleuchtstoff ist aufweist, der mindestens ein aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm ausgewähltes Element und mindestens ein aus Al, Ga und In ausgewähltes Element enthält, aufweist. - Mit Entscheidung vom 25.03.2022 (Anl. HL 9) hat die Technische Beschwerdekammer 3.4.03 des Europäischen Patentamtes die Einspruchsentscheidung bestätigt. Mittlerweile wurde eine den Teilwiderruf berücksichtigende Neue Europäische Patentschrift X XXX XXX B 2 bekanntgemacht (Anl. TW B 32).
- Die Beklagte ist der Auffassung, dass die angegriffenen Ausführungsformen schon von der erteilten, jedenfalls aber von der eingeschränkten Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch machen.
- Was die erteilte Anspruchsfassung betreffe, sei der Patentauslegung des Landgerichts insofern entgegenzutreten, als der Fachmann – mangels anderweitiger Anhaltspunkte in der Klagepatentschrift – als „weißes Licht“ nur ein solches verstehe, das nahe am „Weißpunkt“ des CIE-Normvalenzsystems mit den Koordinaten x = 0,33; y = 0,33 und z = 0,33 liege, was bei den angegriffenen Ausführungsformen nicht der Fall sei. Mit Blick auf die angegriffenen Ausführungsformen D bis J habe es die Klägerin überdies versäumt, schlüssig darzulegen, dass die verwendeten LED-Chips eine „Quantentopfstruktur“ besäßen. Die von ihr insoweit durchgeführten Untersuchungen mit einem Rasterelektronenmikroskop (statt mit einem Transmissionselektronenmikrospkop) ließen die dazu erforderlichen Einzelheiten der Schichtenstruktur nicht in einem Maße erkennen, dass ein eindeutiger Beleg erhalten werde. Dieser Mangel wiege umso schwerer, als nur ein einzelner Messpunkt berücksichtigt worden sei. Ebenfalls nicht schlüssig dargelegt sei, dass die angegriffenen Ausführungsformen einen mit Cer aktivierten Granatleuchtstoff im Sinne des Klagepatents enthielten. Die eingesetzten Methoden (EDX und XRPD) seien nicht geeignet, diesbezüglich zweifelsfreie Erkenntnisse zu liefern. Bestünden daher schon mangels eines schlüssigen Benutzungstatbestandes irgendwelche Ansprüche der Klägerin nicht, so scheiterten solche zumindest daran, dass die Verbietungsrechte aus dem Klagepatent erschöpft seien. Aus Presseberichten sei bekannt, dass die Klägerin ihre LED-Technologie einschließlich der Herstellung weißer LEDs und einschließlich des Klagepatents an diverse namhafte und international agierende Unternehmen „breit“ lizenziert habe. In Anbetracht dessen sei davon auszugehen, dass patentgemäße LEDs mit Zustimmung der Klägerin von ihren Lizenznehmern nicht nur an die chinesischen Hersteller der von der Beklagten vertriebenen Gesamtprodukte geliefert werden, sondern dass sich das Einverständnis der Klägerin mindestens konkludent auch darauf erstrecke, dass die betreffenden Gesamtprodukte von den Vertreibern (wie der Beklagten) in der EU in Verkehr gebracht werden. Im Bestreitensfall habe die Klägerin gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Lizenzverträge mit den (von der Beklagten namentlich benannten) Lizenznehmern vorzulegen.
- Von dem durch Teilwiderruf beschränkten Patentanspruch 1 machten die angegriffenen Ausführungsformen in jedem Fall keinen Gebrauch. Während es nach der erteilten Anspruchsfassung ausreichend gewesen sei, dass der Leuchtstoff einen mit Cer aktivierten Grantleuchtstoff bestimmter Zusammensetzung „aufweist“, was die Anwesenheit anders zusammengesetzter Leuchtstoffe erlaubt habe, sei nach der teilwiderrufenen Anspruchsfassung erforderlich, dass der Leuchtstoff ein mit Cer aktivierter Granatleuchtstoff bestimmter Zusammensetzung „ist“, was weitere Leuchtstoffe nicht patentgemäßer Zusammensetzung als Bestandteile ausschließe. Genau solche anderweitigen zusätzlichen Leuchtstoffe wiesen alle angegriffenen Ausführungsformen jedoch auf, wie die Klägerin selbst vorgetragen habe und sich im Detail aus der nachstehend eingeblendeten – zwischen den Parteien als solche unstreitig gebliebenen – Tabelle erschließe:
- Die Beklagte beantragt,
- das landgerichtliche Urteil vom 15.12.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
- Die Klägerin beantragt (unter Berücksichtigung der im Einspruchsverfahren geänderten Anspruchsfassung und des zwischenzeitlichen Schutzrechtsablaufs) sinngemäß (vgl. zum genauen Antragswortlaut den Schriftsatz vom 29.07.2022, GA 581 f. und das Sitzungsprotokoll vom 08.12.2022),
- die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass sich der Urteilsausspruch insgesamt auf die im Einspruchsverfahren aufrechterhaltene Anspruchsfassung bezieht und dass darüber hinaus
- – mit Wirkung zum 30.07.2017 die Erledigung des Unterlassungsanspruchs festgestellt wird,
– der zuerkannte Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch sich auf Benutzungshandlungen bezieht, die von der Beklagten in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 begangen worden sind und – was die Klägerin erstmals im Verhandlungstermin vom 08.12.2022 beantragt hat – die Auskünfte in elektronisch auswertbarer Form zu erteilen sind,
– die Rückrufverpflichtung für solche Erzeugnisse besteht, die in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 in den Verkehr gelangt und im Besitz gewerblicher Abnehmer sind,
– die Pflicht zur Vernichtung in Bezug auf solche Erzeugnisse besteht, die in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 in den Besitz oder das Eigentum der Beklagten gelangt sind und sich dort nach wie vor befinden,
– die Schadenersatzpflicht für solche Schäden besteht, die durch Benutzungshandlungen in der Zeit vom 08.08.2015 bis zum 29.07.2017 begangen worden sind. - Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend und vertritt in Bezug auf die Anspruchsbeschränkung die Auffassung, dass die angegriffenen Ausführungsformen mit ihr nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents entlassen seien. Auch in seiner geltenden Form enthalte Patentanspruch 1 keine Beschränkung auf die Verwendung eines mit Cer aktivierten Granatleuchtstoffes als einzigem Leuchtstoff in einem lichtemittierenden Bauelement. Verlangt sei nur, dass das weiße Licht durch den Einsatz eines oder mehrerer solcher erfindungsgemäß zusammengesetzter Granatleuchtstoffe erzeugt werde. Dies geschehe, weil bei den angegriffenen Ausführungsformen die Zusatzleuchtstoffe – wie unwidersprochen geblieben ist – lediglich eine graduelle Änderung der Lichttemperatur auf Grundlage des mit dem patentgemäßen Granatleuchtstoff erzeugten weißen Lichts – wie die Klägerin im Verhandlungstermin vom 08.12.2022 unwidersprochen vorgetragen hat – ins Orange bewirkten.
- Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache – ebenso wie die Anschlussberufung der Klägerin – keinen Erfolg. Die angegriffenen Ausführungsformen machen auch von der (nach erfolgtem Teilwiderruf) geltenden Fassung des Patentanspruchs 1 des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch. - A.
- Das Klagepatent betrifft ein lichtemittierendes Bauelement, bestehend aus einem lichtemittierenden Dioden-Chip (LED-Chip) sowie einem Leuchtstoff, der die Wellenlänge des Lichts, das von dem lichtemittierenden Bauteil ausgesendet wird, umwandelt und seinerseits Licht aussendet. Indem das durch den LED-Chip emittierte Licht und das durch den Leuchtstoff emittierte komplementäre Licht gemischt werden, strahlt das Bauelement das gewünschte weiße Licht ab.
- 1.
Im Einzelnen schlägt das Klagepatent nach seiner geltenden Anspruchsfassung ein lichtemittierendes Bauelement mit den folgenden Merkmalen vor: - 1. Lichtemittierendes Bauelement, das
a) einen lichtemittierenden Dioden-Chip (LED-Chip) und
b) einen Leuchtstoff aufweist.
2. Der lichtemittierende Dioden-Chip (LED-Chip) hat
a) einen Verbindungshalbleiter auf Galliumnitridbasis,
b) eine Ein- oder Mehrquantentopfstruktur und
c) eine lichtemittierende Schicht, die Licht mit einer Wellenlänge von 420 nm bis 490 nm emittieren kann.
3. Der Leuchtstoff
a) ist in einem Beschichtungsmaterial enthalten, das den LED-Chip beschichtet,
b) wird durch das vom LED-Chip emittierte Licht angeregt und emittiert Licht, das in Beziehung von Komplementärfarben mit dem emittierten Licht steht,
c) ist ein mit Cer aktivierter Granatleuchtstoff, der
– mindestens ein Element, ausgewählt aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm,
– und mindestens ein Element, ausgewählt aus Al, Ga und In,
enthält.
4. Das lichtemittierende Bauelement emittiert weißes Licht durch Mischen des durch den LED-Chip emittierten Lichts und des durch den Leuchtstoff emittierten Lichts.
Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landgerichts, die einen Rechtsfehler nicht erkennen lassen und hinsichtlich derer auch sonst kein Anlass für anderweitige Feststellungen erkennbar ist, weist das lichtemittierende Bauelement einen LED-Chip und einen Leuchtstoff auf. Der LED-Chip verwendet einen Verbindungshalbleiter auf Galliumnitridbasis, so dass er Licht mit einer Wellenlänge zwischen 420 nm und 490 nm, nämlich blaues Licht emittiert. Der Leuchtstoff dient dazu, Licht mit einer zum blauen Licht des LED-Chip komplementären Farbe zu emittieren, wenn er vom Licht des LED-Chip angeregt wird. Dafür soll der Leuchtstoff erfindungsgemäß ein mit Cer aktivierter Granatleuchtstoff sein, der mindestens zwei verschiedene Elemente, das erste ausgewählt aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm, und das zweite ausgewählt aus Al, Ga und In, enthält. Die Kombination von LED-Chip (der blaues Licht mit einer Wellenlänge von 420 bis 490 nm ausstrahlt) und Granatleuchtstoff (der – angeregt durch das vom LED-Chip emittierte blaue Licht – komplementärfarbenes Licht ausstrahlt) lässt weißes Licht entstehen. - 2.
Mit dem Teilwiderruf des Klagepatents durch die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes ist Patentanspruch 1 zwar dahingehend eingeschränkt worden, dass der vom Licht des LED-Chip angeregte Leuchtstoff nicht mehr nur einen mit Cer aktivierten Granatleuchtstoff der im Merkmal 3c) definierten chemischen Zusammensetzung „aufweisen“ muss (was anderweitige, nicht dem Merkmal 3c) entsprechende Leuchtstoffe in der Beschichtung zweifelsfrei zulassen würde), sondern dass nunmehr ausdrücklich gefordert ist, dass der Leuchtstoff ein mit Cer aktivierter Granatleuchtstoff patentgemäßer Zusammensetzung „ist“. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Klagepatent außer dem Granatleuchtstoff keinerlei nicht patentgemäße Leuchtstoffe duldet, sondern die Ausstattung des lichtemittierenden Bauelements hinsichtlich der Leuchtstoffe – endgültig und abschließend – dahingehend limitiert, dass entweder ein einziger Granatleuchtstoff nach Merkmal 3c) oder eine Mehrzahl von Granatleuchtstoffen nach Merkmal 3c), aber darüber hinaus kein Leuchtstoff anderer Konstitution in ihm vorhanden ist. - a)
Dies folgt zwar noch nicht aus den Absätzen 0044 und 0045 der im Anschluss an den Teilwiderruf veröffentlichten neuen Klagepatentschrift, auf die sich die Klägerin im Verhandlungstermin vom 08.12.2022 mit der Behauptung bezogen hat, dort seien weitere Leuchtstoffe nicht patentgemäßer Zusammensetzung und Beschaffenheit vorgesehen. Wäre dem so, müsste aus dem den teilwiderrufenen Patentanspruch erläuternden Beschreibungstext in der Tat im Zweifel geschlossen werden, dass Merkmal 3c) nicht als abschließende Benennung der für das lichtemittierende Bauelement zugelassenen Leuchtstoffe aufgefasst werden darf. Tatsächlich behandelt der herangezogene Beschreibungstext aber überhaupt nicht zusätzliche Leuchtstoffe nicht erfindungsgerechter Konstitution, sondern belehrt den Fachmann lediglich darüber, dass er die Lichtfarbe des weißen Lichts dadurch beeinflussen und verändern kann, dass er innerhalb der für die patentgemäßen Leuchtstoffe zugelassenen Variationsbreite ihrer chemischen Zusammensetzung (für die in jeder Gruppe verschiedene Grundelemente in nicht näher vorgegebenen Mengenverhältnissen zugelassen sind, nämlich einerseits Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm, und andererseits Al, Ga und In) sinnvoll auswählt. So heißt es im Absatz 0045 schlussfolgernd:
„Somit kann man die Wellenlänge des emittierten Lichts zu einer kürzeren Wellenlänge hin verschieben, indem man einen Teil des in der Zusammensetzung enthaltenen Al durch Ga ersetzt, und die Wellenlänge des emittierten Lichts kann man zu einer größeren Wellenlänge hin verschieben, indem man einen Teil des in der Zusammensetzung enthaltenen Y durch Gd ersetzt. Auf diese Weise kann man die Lichtfarbe der Emission durch Verändern der Zusammensetzung kontinuierlich ändern. …“
Aus der Tatsache, dass der Beschreibungstext selbst keine Ausführungsform erläutert, die außer dem patentgemäßen Granatleuchtstoff andere nicht erfindungsgerechte Leuchtstoffe in einer den angegriffenen Ausführungsformen entsprechenden Menge enthalten, folgt umgekehrt aber auch nicht zwingend, dass solche Zusatz-Leuchtstoffe nach dem Klagepatent verboten sind. Insbesondere stellt es zwei ganz verschiedene Dinge dar, wenn das Klagepatent nicht patentgemäße Leuchtstoffe als Vergleichsreferenz für die Leuchtstoffe der Erfindung heranzieht, um an ihnen zu zeigen, dass die Vorteile des Klagepatents, die mit den Referenz-Leuchtstoffen nicht erreichbar sind, sich bei und wegen der Verwendung eines Granatleuchtstoffes erfindungsgemäßer Konstitution einstellen, und es andererseits darum geht, ob, wenn solche Granatleuchtstoffe in ausreichender Menge verwendet werden, deren patentgemäße Wirkung dadurch beeinträchtigt wird, dass daneben (namentlich in geringer Menge) noch andere Leuchtstoffe zum Einsatz kommen. Die erste, in der Klagepatentschrift abgehandelte Konstellation belegt allein, dass die Verwendung eines patentgemäßen Granatleuchtstoffes das gewünschte weiße Licht entstehen lässt, womit für den Fachmann noch nichts darüber gesagt ist, ob dem nur dann so ist, wenn der Granatleuchtstoff der einzige Leuchtstoff in dem Überzugsmaterial des LED-Chip ist. Nachdem der Beschreibungstext derartiges nirgends ausdrücklich artikuliert, kommt es darauf an, welche technische Lehre das Klagepatent bei funktionsorientierter Betrachtung dem Fachmann vermittelt. Bei Beantwortung dieser Frage kann der Teilwiderruf des Klagepatents nicht unberücksichtigt bleiben. - b)
Da das Verletzungsgericht an den Erteilungsakt – und folglich auch an dessen weiteres Schicksal im Rechtsbestandsverfahren – gebunden ist, ist es ausgeschlossen, dass im Verletzungsprozess eine Patentauslegung und/oder eine Schutzbereichsbestimmung vorgenommen werden, mit denen solche Gegenstände, die dem Patentinhaber im Rechtsbestandsverfahren als Schutzgegenstand genommen worden sind, wieder in das Patent und seinen Schutz einbezogen werden. Soweit der Bundesgerichtshof (GRUR 2016, 921 – Pemetrexed) im Zusammenhang mit einer äquivalenten Patentbe-nutzung danach differenziert, aus welchen Gründen – formellen oder materiellen – im Rechtsbestandsverfahren Patentgegenstände fallen gelassen worden sind, und dann, wenn hierfür der (formelle) Widerrufsgrund der unzulässigen Erweiterung ausschlaggebend gewesen ist, keinen Anlass für eine Beschränkung des Schutzbereichs annimmt, sind diese Grundsätze auf den Bereich wortsinngemäßer Verletzung jedenfalls dann nicht übertragbar, wenn der Patentanspruch durch den Teilwiderruf – wie hier – eine abweichende Anspruchsfassung erhalten hat, die dem Fachmann deutlich macht, dass und in welcher Weise der Schutz des Klagepatents verkürzt worden ist. - c)
Vorliegend ist die erteilte Anspruchsfassung (wonach es genügte, dass das lichtemittierende Bauelement einen patentgemäßen Granatleuchtstoff bloß „aufweist“), deshalb teilwiderrufen worden, weil die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes in ihr eine unzulässige Erweiterung des Klagepatents über den prioritätsgestützten Gegenstand der Ursprungsanmeldung gesehen hat, der dem Fachmann unmittelbar und eindeutig lediglich vermittele, dass sich die Erfindungsvorteile bei Verwendung eines patentgemäßen Granatleuchtstoffes einstellen, aber nicht hergäben, dass dem auch bei einem anderen Leuchtstoff nicht erfindungsgemäßer Konstitution so sei. Dementsprechend hat auch die Technische Beschwerdekammer den aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 dahingehend verstanden, dass es nach der technischen Lehre des Klagepatents der Granatleuchtstoff ist, dem das Bauelement im Zusammenspiel mit dem LED-Chip seine vorteilhaften Wirkungen verdankt. Mit hinreichender Klarheit geht dies aus Ziffer 8.3 der Beschwerdekammerentscheidung hervor, die in deutscher Übersetzung wie folgt lautet: - Die Beschwerdekammer schließt sich der Aussage der Einspruchsabteilung auf Seite 9 der angefochtenen Entscheidung an, wonach die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart, dass der für die Erfindung verwendete Leuchtstoff entweder aus einem Granatleuchtstoff gemäß Merkmal 7 (Anm.: hier: Merkmal 3c) oder aus einer Vielzahl solcher Granatleuchtstoffe unterschiedlicher Zusammensetzung besteht (wobei jedoch jeder Leuchtstoff eine Zusammensetzung gemäß Merkmal 7 (Anm.: hier: Merkmal 3c) aufweist). Nach Ansicht der Kammer umfasst der Wortlaut von Anspruch 1 beide Möglichkeiten, so dass kein Widerspruch zwischen dem von der Einspruchsabteilung (Anm.: beschränkt) aufrechterhaltenen Anspruch 1 und der Beschreibung besteht.
- Die von der Beschwerdekammer zustimmend in Bezug genommene Textstelle der Einspruchsentscheidung lautet in deutscher Übersetzung:
- In Anbetracht des Vorstehenden ist die Einspruchsabteilung der Ansicht, dass die eingereichten Anmeldungsunterlagen klar und eindeutig offenbaren:
- i) einen Leuchtstoff, bestehend aus einem (einzelnen) Granat-Leuchtstoff;
- ii) einen Leuchtstoff, bestehend aus einer Vielzahl von (Yttrium-Aluminium)Granat-Leuchtstoffen unterschiedlicher Zusammensetzung.
- Keine Grundlage kann gefunden werden für einen Leuchtstoff, aufweisend einen Granatleuchtstoff mit irgendeinem anderen möglichen fluoreszierenden Material, das nicht notwendigerweise eine Granatstruktur hat.
- Angesichts dieser Äußerungen unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass infolge des Teilwiderrufs Ausführungsformen, die der erteilten Anspruchsfassung noch unterfallen sind, infolge der Einspruchsentscheidung von einem Patentschutz ausgeschlossen wurden. Die Frage ist allein, wie weit die im Rechtsbestandsverfahren vorgenommene Beschränkung des Patents und (als Folge dessen) seines Schutzes reicht, wobei prinzipiell zwei Möglichkeiten denkbar sind:
- Sollte es sich so verhalten, dass das lichtemittierende Bauelement mit einem Granatleuchtstoff ausgestattet sein muss und dessen Anwesenheit die angestrebten Erfindungsvorteile (Entstehung weißen Lichts durch Mischung mit dem Licht des LED-Chip) hervorbringt, so würde es dem Fachmann überlassen sein, daneben weitere Leuchtstoffe vorzusehen, solange sie die Wirkungen des patentgemäßen Granatleuchtstoffes nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigen oder gar zunichte machen, was der Fall wäre, wenn dank ihrer Anwesenheit von dem lichtemittierenden Bauelement (trotz Anwesenheit des Granatleuchtstoffs) kein weißes Licht abgestrahlt wird. Unter solchen Umständen würde es sich ähnlich verhalten wie in einem Fall, in dem der Patentanspruch zwischen zwei Vorrichtungsteilen eine gelenkige Verbindung fordert. Ist die angegriffene Ausführungsform mit einem Gelenk ausgerüstet, begründet dies grundsätzlich eine Patentbenutzung, wobei etwas anderes (im Sinne mangelnder Patentbenutzung) dann gilt, wenn zusätzlich zu dem Gelenk starre Streben montiert sind, die das Gelenk überbrücken, dadurch „versteifen“ und damit außer Funktion setzen. Bleibt die Wirkung des installierten Gelenks hingegen erhalten, würden zusätzliche Ausstattungen, die bei der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht sind, einer Patentbenutzung nicht entgegenstehen können.
- Anders läge die Sache, wenn die Lehre des Klagepatents dahingehend zu verstehen wäre, dass mit ihr (z.B. zur erforderlichen Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik, der bereits eine Mischung patentgemäßer und nicht patentgemäßer Leuchtstoffe offenbart hat, oder aus sonstigen für den Rechtsbestand beachtlichen Gründen) die Leuchtstoffe endgültig und abschließend auf solche patentgemäßer Konstitution festgelegt worden sind, weil bei einer solchen Sachlage Leuchtstoffe nicht patentgemäßer Beschaffenheit kategorisch ausgeschlossen wären.
- Die aufgezeigte Differenzierung entspricht im Übrigen auch der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12. Juli 2011 – X ZR 75/08 – Reifenabdichtmittel), der bereits entschieden hat, dass, wenn den ursprünglichen Unterlagen der Patentanmeldung zu entnehmen ist, dass ein Erzeugnis bestimmte Bestandteile „enthalten“ soll, damit nicht ohne wei- teres auch als zur Erfindung gehörend offenbart ist, dass ihm keine weiteren Bestandteile hinzugefügt werden dürfen, sondern dass es für die Annahme, dass das Erzeugnis ausschließlich aus den genannten Bestandteilen „besteht“, vielmehr in der Regel darüber hinausgehender Anhaltspunkte wie etwa des Hinweises, dass das ausschließliche Bestehen des Erzeugnisses aus den genannten Bestandteilen besondere Vorteile hat oder sonst erwünscht ist, bedarf.
- Für die letztgenannte, im Streitfall zur Nichtverletzung führende Alternative bestehen im Streitfall keine zureichenden Anhaltspunkte.
- d)
Nach der erteilten Anspruchsfassung war ausreichend, dass das lichtemittierende Bauelement einen blaues Licht abstrahlenden LED-Chip sowie einen eine Komplementärfarbe emittierenden Leuchtstoff besessen hat, so dass infolge des Mischens beider Lichtemissionen (der des LED-Chip und der des Leuchtstoffs) weißes Licht abgestrahlt wird. Der für das Komplementärlicht verantwortliche Leuchtstoff war nach der erteilten Anspruchsfassung lediglich dahingehend beschrieben, dass er einen Granatleuchtstoff bestimmter Zusammensetzung „aufzuweisen“ hat, was schon dann der Fall gewesen wäre, wenn ein patentgemäßer Granatleuchtstoff – egal in welcher Menge und egal mit welcher tatsächlichen Auswirkung auf das emittierte Licht des Bauelements – bloß vorhanden gewesen wäre, selbst wenn es nicht ihm, sondern einem daneben noch vorhandenen, gänzlich anderen Leuchtstoff zu verdanken wäre, dass Komplementärlicht zum blauen Licht des LED-Chip emittiert und insgesamt weißes Licht abgestrahlt wird. Von diesem Verständnis ist auch die Technische Beschwerdekammer in ihrem Vorbescheid vom 19.08.2021 ausgegangen, der sich wegen der damals noch anhängigen Einspruchsbeschwerde der Klägerin auch zur Frage der unzulässigen Erweiterung durch die erteilte Anspruchsfassung verhält. Unter den Ziffern 7.4 und 7.4.1 heißt es in deutscher Übersetzung (Anm.: Fettdruck hinzugefügt): - Die Kammer ist der vorläufigen Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 in der erteilten Fassung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht, da der Wortlaut „umfasst“ in Merkmal 7 (Anm.: hier: Merkmal 3c) einen Gegenstand einführt, der in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht offenbart wurde.
- Es scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass der Wortlaut von Anspruch 1 einen Leuchtstoff einschließt, der einen Granat-Leuchtstoff umfasst, der sich von den in Merkmal 7 beschriebenen Leuchtstoffen unterscheidet, oder sogar nicht Granat-basierte Leuchtstoffe zusätzlich zu dem Granat-Leuchtstoff gemäß Merkmal 7. Anspruch 1 umfasst beispielsweise einen Leuchtstoff, der beispielsweise hauptsächlich aus (ZnCd)S:Cu oder organischen fluoreszierenden Pigmenten (d.h. den Leuchtstoffen der Vergleichsbeispiele 1 und 2) … und nur einer kleinen Menge (beispielsweise 1 %) Granat-Leuchtstoff gemäß Merkmal 7 besteht.
- Nach dem gegenwärtigen Wortlaut von Anspruch 1 emittiert die lichtemittierende Vorrichtung weißes Licht durch Mischen des durch den LED-Chip (…) emittierten Lichts und des durch den Leuchtstoff emittierten Lichts, wobei der Leuchtstoff durch das von dem LED-Chip emittierte Licht angeregt wird und Licht in Beziehung von Komplementärfarben mit dem emittierten Licht des LED-Chips emittiert. Die Kammer ist der Auffassung, dass diese Funktion des Leuchtstoffs gemäß der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nur für einen Leuchtstoff offenbart wird, der ein mit Cer aktivierter Granat-Leuchtstoff ist und mindestens ein aus Y, Lu, Sc, La, Gd und Sm ausgewähltes Element und mindestens ein aus Al, Ga und In ausgewähltes Element enthält, und nicht für Leuchtstoffe, die beispielsweise hauptsächlich die Materialien entsprechend den Vergleichsbeispielen enthalten (…).
- Zieht man den zitierten Text heran, so verdeutlicht er dem Fachmann, dass die ursprungsoffenbarte Lehre des Klagepatents darin besteht, als Leuchtstoff einen Cer-aktivierten Granatleuchtstoff ganz bestimmter chemischer Zusammensetzung zu verwenden, weil es mit ihm (und nur mit ihm) – im Zusammenwirken mit einem blaues Licht emittierenden LED-Chip – gelingt, weißes Licht zu erzeugen. Wesentlich ist hiernach die hauptsächliche Anwesenheit des Granatleuchtstoffes, aber nicht dessen alleinige Anwesenheit im Überzugsmaterial des Led-Chip. Anders als die Beklagte meint, ändert an dieser Aussage der weitere, unmittelbar anschließende Text des Vorbescheides nichts. Er lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
- Im Verlauf der Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung würde der Fachmann verstehen, dass bei jeder Verwendung der Materialien gemäß Merkmal 7 der Leuchtstoff aus diesen Materialien besteht und keine anderen Granat- und nicht Granat-basierte Leuchtstoffe umfasst.
- Bei dem gebotenen sinngemäßem Verständnis der gesamten Textpassage reflektiert der letzte Satz lediglich die Tatsache, dass in der Ursprungsanmeldung ausnahmslos Cer aktivierte Granatleuchtstoffe – und nichts anderes – angesprochen werden. Der letzte Halbsatz, wonach „bei jeder Verwendung der Materialien gemäß Merkmal 7 der Leuchtstoff aus diesen Materialien besteht und keine anderen Granat- und nicht Granat-basierten Leuchtstoffe umfasst“, konstatiert bloß diejenigen Ausführungsbeispiele, die dem Fachmann in der Ursprungsanmeldung zur Erfindungserläuterung gegeben werden. Damit ist nicht gesagt, dass aus der Sicht des Fachmanns jede Beimengung eines anderen Leuchtstoffes, egal in welcher geringen Menge, erfindungsschädlich und daher untersagt ist. Für den Fachmann beschränkt sich der Offenbarungsgehalt der Urspungsanmeldung damit auf die Botschaft, dass die Verwendung eines patentgemäßen Granatleuchtstoffes im Überzugsmaterial des LED-Chip das gewünschte weiße Licht entstehen lässt, und verhält sich die Anmeldung nicht weiter dazu, dass hierzu die ausschließliche Anwesenheit eines Granatleuchtstoffes erforderlich oder wenigstens vorteilhaft ist, so dass andere Leuchtstoffe zu vermeiden sind.
- Eine wie oben erläuterte Ausführungsform, bei der ein Granatleuchtstoff patentgemäßer Konstitution zwar vorhanden ist, dieser aber weder für die Emission eines geeigneten Komplementärlichts noch für die Entstehung weißen Lichts beim Mischen mit dem Licht des LED-Chip verantwortlich ist, die – wie erläutert – der erteilten Anspruchsfassung genügt hat, haben die Rechtsbestandsinstanzen in der Ursprungsanmeldung nicht offenbart gesehen, weil in ihr unmittelbar und eindeutig lediglich gezeigt ist, dass es ein Granatleuchtstoff patentgemäßer Zusammensetzung ist, der im Zusammenspiel mit dem Licht des LED-Chip weißes Licht hervorbringen kann. Die Beschränkung des Anspruchswortlauts dahin, dass der Leuchtstoff, der das Komplementärlicht emittiert und infolge der Mischung mit dem blauen Licht des LED-Chip weißes Licht entstehen lässt, ein Granatleuchtstoff bestimmter chemischer Zusammensetzung sein muss, dient vor diesem Hintergrund dazu, den besagten Offenbarungsgehalt der Ursprungsanmeldung in der Formulierung des Hauptanspruchs zu verankern, indem der Patentanspruch auf solche Ausführungsformen zurückgeführt wird, bei denen der Leuchtstoff, der zum Licht des LED-Chip komplementäres Licht emittiert und durch Mischen mit dem Licht des LED-Chip insgesamt weißes Licht entstehen lässt, ein solcher mit Granatstruktur zu sein hat, der mit Cer aktiviert ist und eine bestimmte, im Merkmal 3c) beschriebene chemische Zusammensetzung hat.
- Geht es bei dem vorgenommenen Teilwiderruf damit allein darum, das Klagepatent auf solche Bauelemente zu beschränken, bei denen die Entstehung weißen Lichts durch die Bereitstellung komplementärfarbenen Lichts dem Granatleuchtstoff erfindungsgemäßer Konstitution zu verdanken ist, hat es keine Bedeutung, wenn neben dem patentgemäßen Leuchtstoff noch weitere Leuchtstoffe vorhanden sind, die dasjenige Lichtergebnis, welches mithilfe des LED-Chips und des Granatleuchtstoffs zustande gekommen ist, nicht zunichte machen.
B.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der technischen Lehre des Klagepatents wortsinngemäßen Gebrauch.
1.
In Bezug auf diejenigen streitigen Anspruchsmerkmale, die Gegenstand der erteilten Fassung des Klagepatents waren, kann insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden.
Es hat richtigerweise die Überlegung zurückgewiesen, mangels anderweitiger Anhaltspunkte in der Klagepatentschrift könne als „weißes Licht“ nur ein solches nahe am Weißpunkt mit den Koordinaten x = 0,33, y = 0,33 und z = 0,33 angesehen werden. Dafür, dass dem Klagepatent das CIE-Normvalenzsystem zugrunde liegt, gibt es nicht den geringsten Anhalt. Im Gegenteil machen bereits die eingangs der Patentschrift beispielhaft erwähnten Verwendungsbeispiele für ein patentgemäßes lichtemittierendes Bauelement (Hintergrundbeleuchtung, beleuchtete Verkehrszeichen oder Eisenbahnsignale, beleuchtete Schalter und dergleichen) dem Fachmann klar, dass es allein darum geht, ein Licht zu erzeugen, das innerhalb der üblichen Farbskala den Begriff „weiß“ verdient. Damit ist eine Farbbreite angesprochen und zugelassen, wie vollends daran deutlich wird, dass die Klagepatentschrift selbst – wie oben erläutert – die Möglichkeit erwähnt, die Lichtfarbe des weißen Lichts durch die Wahl der chemischen Zusammensetzung zu variieren.
Der Einwand der Beklagten, die von der Klägerin bei der Darlegung des Verletzungsvorwurfs betreffend das Merkmal 2b) in Bezug genommenen Untersuchungen der Schicht-struktur mit einem Rasterelektronenmikroskop seien nicht aussagekräftig genug, stellt schon kein beachtliches Bestreiten der klägerischen Behauptungen dar, das irgendeinen Beweis der bei den angegriffenen Ausführungsformen gegebenen Quantentopfstruktur durch die Klägerin (an dem es ggf. fehlen mag) erforderlich machen könnte. Mangels Bestreitens ist die Verletzungsbehauptung der Klägerin zur Quantentopfstruktur bei den angegriffenen Ausführungsformen vielmehr als unstreitig zu behandeln (§ 138 ZPO; vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Kapitel E Rdn. 172).
Gleiches gilt für die Kritik der Beklagten, die von der Klägerin zum Nachweis der Cer-Aktivierung des Granatleuchtstoffes angewandten Methoden (EDX, XRPD) seien ungeeignet. Auch darin liegt kein prozessual beachtliches Bestreiten, weswegen die Cer-Aktivierung als unstreitig zu behandeln ist.
2.
Soweit die angegriffenen Ausführungsformen neben dem patentgemäßen Granatleuchtstoff weitere Leuchtstoffe, wie sie sich aus der oben eingeblendeten Tabelle ergeben, enthalten, trägt die Klägerin vor, dass die Zusatzleuchtstoffe bloß eine graduelle Änderung der Lichttemperatur auf Grundlage des mit dem patentgemäßen Granatleuchtstoff erzeugten weißen Lichts bewirken, aber nicht dazu führen, dass das Bauelement kein „weißes Licht“ mehr abstrahlt. Dieses Vorbringen ist unbestritten geblieben und daher der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Soweit die Beklagte zuletzt (Schriftsatz vom 30.11.2022, S. 6) bemängelt, die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass das emittierte weiße Licht gerade auf dem Einsatz des erfindungsgemäßen Granatleuchtstoffes beruht, liegt hierin – aus den oben in anderem Zusammenhang bereits erörterten Gründen – kein beachtliches Bestreiten. Verfügen die angegriffenen Ausführungsformen aber über patentgemäß wirksame Granatleuchtstoffe, so schließt das Klagepatent – wie ausgeführt – weitere Leuchtstoffe nicht erfindungsgemäßer Konstitution, die an der erfindungsgemäßen Wirkung des Granatleuchtstoffes nichts ändern, nicht aus und stehen der Patentverletzung daher auch nicht entgegen.
C.
Die Benutzungshandlungen waren rechtswidrig; die Verbietungsrechte der Klägerin sind insbesondere nicht erschöpft.
Die Beklagte stellt lediglich vage Vermutungen dazu an, dass die von ihr verbauten LED aus lizenzierter Quelle stammen könnten. Dies reicht für einen schlüssigen Verteidigungsvortrag nicht aus, weil es zur Darlegungs- und Beweislast eines Verletzers, der sich auf den Gesichtspunkt der Erschöpfung beruft, steht, in einlassungsfähiger Weise darzutun, von wem er patentgemäße Gegenstände bezogen hat und aufgrund welcher Vereinbarungen mit dem Patentinhaber davon auszugehen sein soll, dass dieser mit dem erstmaligen Vertrieb der Gegenstände einverstanden gewesen ist. Solchen Sachvortrag leistet die Beklagte im Berufungsrechtszug nicht.
D.
1.
Aus dem festgestellten Verletzungstatbestand ergeben sich die vom Landgericht zuerkannten und im angefochtenen Urteil zutreffend begründeten Rechtsfolgen. Der Urteilsausspruch war lediglich an die teilwiderrufene Anspruchsfassung des Klagepatents und mit Rücksicht darauf anzupassen, dass das Klagepatent mittlerweile abgelaufen ist. Zwar mag – angesichts der seit dem Ablauf des Klagepatents verstrichenen geraumen Zeit – in Betracht kommen und ggf. sogar naheliegen, dass sich aktuell keine unter der Geltung des Patentschutzes in Verkehr gelangte Verletzungsgegenstände mehr in den Vertriebswegen befinden und solche Gegenstände sich auch nicht mehr im inländischen Besitz oder Eigentum der Beklagten befinden. Gerichtsbekannt ist derartiges jedoch nicht. Nachdem die Beklagte sich auch selbst nicht auf einen Erledigungssachverhalt beruft, besteht keine Veranlassung für einen Eingriff in den landgerichtlichen Rückruf- und Vernichtungsausspruch.
2.
Soweit die Klägerin erstmals im Verhandlungstermin vom 08.12.2022 eine besondere, nämlich elektronisch auswertbare Form der Auskunftserteilung und Rechnungslegung begehrt, verfolgt sie einen Anspruch, der ihr vom Landgericht – mangels Klageantrages (§ 308 ZPO) – nicht zuerkannt worden ist. Er kann deswegen nur im Wege der Anschlussberufung verfolgt werden, die in zulässiger Weise nur innerhalb der Berufungserwiderungsfrist erhoben werden kann. Diese war hier bereits am 28.07.2017 abgelaufen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. - Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen ersichtlich nicht vorliegen. Als reine Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).