I-2 U 58/22 – Elektrohydraulische Pressgeräte

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3294

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 03. November 2022, I-2 U 17/20

Vorinstanz: 4c O 76/20

  1. A.
    Auf die Berufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels – das am 01.02.2022 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 4c O 76/20) in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom „01.03.2021“ (richtig: 01.03.2022), soweit es die Beklagten zu 1) und 3) betrifft, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
  2. I. Die Beklagten zu 1) und 3) werden verurteilt,
  3. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf und hinsichtlich der Beklagten zu 1) an dem Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  4. elektrohydraulische Pressgeräte zum Verbinden von Werkstücken, mit einem Gehäuse zur Aufnahme eines Presswerkzeuges, mit einem Antrieb zum Bewegen des Presswerkzeuges sowie mit einer elektronischen Steuer- und Überwachungseinheit, der ein elektronischer Informationsspeicher zugeordnet ist, wobei die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit ein Interface zum Anschluss eines Computers aufweist,
  5. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  6. die dadurch gekennzeichnet sind, dass die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit einen Hubzahlzähler, einen Betriebsstundenzähler und eine Temperaturmesseinrichtung umfasst, und dass während des Betriebs des Antriebs eine dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher von folgenden Informationen vorgesehen ist:eine die Hubzahl des Pressgerätes repräsentierende Information,
    wenigstens eine Betriebsinformation pro Betriebssekunde des Antriebs,
    eine die Temperatur des Pressgerätes oder die Temperatur eines Teils des Pressgeräts repräsentierende Information,
    eine das Datum oder den Zeitpunkt des Betriebs des Antriebs repräsentierende Information;
  7. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie seit dem 06.05.2015 die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
  8. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  9. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  10. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  11. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  12. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen,
  13. die Beklagten zu 1) und 3): in welchem Umfang sie seit dem 06.06.2015 die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen haben, sowie
  14. nur die Beklagte zu 1): in welchem Umfang sie in der Zeit vom 18.03.2009 bis 05.06.2015 die zu 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, wobei sich die Rechnungslegungspflicht der Beklagten zu 1) insoweit nur auf das Produkt F bezieht,
  15. und zwar jeweils unter Angabe
  16. a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
  17. b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
  18. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  19. d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  20. e) sowie ab dem 06.06.2015: der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  21. wobei den Beklagten zu 1) und 3) vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten zu 1) und 3) dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  22. 4. nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) – Kosten herauszugeben;
  23. 5. nur die Beklagte zu 1): die unter 1. bezeichneten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des OLG Düsseldorf vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.
  24. II. Es wird festgestellt,
  25. 1. dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 18.03.2009 bis 05.06.2015 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen, wobei sich die Entschädigungspflicht nur auf das Produkt F bezieht;
  26. 2. dass die Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit seit dem 06.06.2015 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  27. B.
    Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
  28. C.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 1) und 3) dürfen die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 360.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  29. D.
    Die Revision wird nicht zugelassen.
  30. Gründe
  31. I.
  32. Die Klägerin nimmt, soweit die Sache zur Entscheidung steht, die Beklagten zu 1) und 3) wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP X XXX XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent) auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und dem Grunde nach auf Schadenersatz in Anspruch. Nur von der Beklagten zu 1) verlangt die Klägerin darüber hinaus Rückruf, Vernichtung und Zahlung einer Entschädigung dem Grunde nach.
  33. Der Beklagte zu 3) ist – ebenso wie es der während des Berufungsverfahrens verstorbene ehemalige Beklagte zu 2) war – Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 1). Soweit es die unbekannten Erben des ehemaligen Beklagten zu 2) betrifft, hat der Senat das Verfahren mit Beschluss vom 31.08.2022 ausgesetzt.
  34. Das Klagepatent, dessen eingetragene Inhaberin die Klägerin ist, wurde am 25.07.2008 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Anmeldung vom 25.07.2007 angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 18.02.2009. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 06.05.2015 veröffentlicht. Das Klagepatent ist in Kraft. Über eine von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage betreffend das Klagepatent hat das Bundespatentgericht bislang nicht entschieden.
  35. Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Elektrohydraulisches Pressgerät zum Verbinden von Werkstücken und Verfahren zur Durchführung einer technischen Diagnose des Pressgerätes“. Sein Patentanspruch 1 ist wie folgt gefasst:
  36. „Elektrohydraulisches Pressgerät (P) zum Verbinden von Werkstücken, mit einem Gehäuse (1) zur Aufnahme eines Presswerkzeuges, mit einem Antrieb zum Bewegen des Presswerkzeuges sowie mit einer elektronischen Steuer- und Überwachungseinheit, der ein elektronischer Informationsspeicher zugeordnet ist, wobei die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit ein Interface (7) zum Anschluss eines Computers (8) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit einen Hubzahlzähler, einen Betriebsstundenzähler und eine Temperaturmesseinrichtung umfasst,
    und dass während des Betriebs des Antriebs eine dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher von folgenden Informationen vorgesehen ist:
  37. — eine die Hubzahl des Pressgerätes repräsentierende Information,
    — wenigstens eine Betriebsinformation pro Betriebssekunde des Antriebs,
    — eine die Temperatur des Pressgerätes oder die Temperatur eines Teils des Pressgeräts repräsentierende Information,
    — eine das Datum oder den Zeitpunkt des Betriebs des Antriebs repräsentierende Information.“
  38. Hinsichtlich der Formulierung der lediglich im Wege von „insbesondere, wenn“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 4 bis 6 wird auf die Klagepatentschrift Bezug genommen.
  39. Die nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 1 der Klagepatentschrift erläutert die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels. Sie zeigt eine Diagnoseanordnung mit einem Pressgerät:
  40. Die Beklagte zu 1) produziert und vertreibt bundesweit unter anderem Pressgeräte mit den Bezeichnungen E, F, G und H (nachfolgend: angegriffene Ausführungsformen), wobei für die angegriffene Ausführungsform F unstreitig ist, dass diese bereits vor dem 05.06.2015 auf dem deutschen Markt angeboten und vertrieben wurde. Zur Veranschaulichung werden Abbildungen der angegriffenen Ausführungsformen eingeblendet:
    […]
  41. Die angegriffenen Ausführungsformen können akku- oder netzbetrieben sein und unterscheiden sich voneinander durch die aufgebrachte Kraft und die Dimensionen der zu verpressenden Fittings. Sie können sich mit der sogenannten „[…]-App“ verbinden, mittels derer gerätebezogene Daten nach einem Pressvorgang ausgewertet und bildlich dargestellt werden können.
  42. Die Klägerin hat in erster Instanz die Auffassung vertreten, in der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland liege eine unmittelbar wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents.
  43. Die Beklagten zu 1) und 3), die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung gebeten haben, haben bereits erstinstanzlich eine Patentverletzung durch die angegriffenen Ausführungsformen in Abrede gestellt und haben sich im Übrigen darauf berufen, das Klagepatent werde sich im Nichtigkeitsverfahren als nicht rechtsbeständig erweisen.
  44. Mit Urteil vom 01.02.2022 hat das Landgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
  45. Die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch, weil die dauerhafte Abspeicherung bestimmter Informationen in den elektronischen Informationsspeicher während des Betriebs des Antriebs nicht vorgesehen sei.
  46. Unter einer dauerhaften Abspeicherung verstehe das Klagepatent die verlässliche Ablage von Betriebsinformationen des Presswerkzeugs auf einem Speichermedium, sodass der Benutzer nachträglich sowie unabhängig vom Betrieb eines Motors und/oder einer Stromversorgung und ohne weitere Bearbeitungsschritte auf diese zugreifen und sie für eine Geräteanalyse auslesen könne. Für zumindest einen ersten nachträglichen Auslesevorgang müsse problemlos und verlässlich ein Rückgriff auf das gesammelte Datenmaterial möglich sein. Das Klagepatent strebe mit dem Erfordernis einer dauerhaften Abspeicherung eine Datensicherheit an.
  47. Durch die dauerhafte Abspeicherung müsse, weil sich an sie eine Datenanalyse anschließe, auswertbares Datenmaterial zur Verfügung gestellt werden. Andernfalls – bei einem nicht unmittelbar durch einen Computer auswertbaren Speicher – würde die Abspeicherung von Informationen den ihr erfindungsgemäß zugewiesenen Nutzen einer Fehlerdiagnose am Einsatzort verfehlen. Anhand von Abs. [0014] werde deutlich, dass es aufgrund des schon bei Betrieb des Pressgerätes angeschlossenen Computers unmittelbar nach Beendigung des Pressbetriebs zur Analyse der gespeicherten Informationen kommen solle. Eine Möglichkeit, vor der Datenauswertung eine Umspeicherung von zunächst nur flüchtig bzw. vorläufig gespeicherten Daten vorzunehmen, bestehe nicht.
  48. Das dargestellte Verständnis werde sowohl durch den Stand der Technik als auch durch Äußerungen der Klägerin im Erteilungsverfahren gestützt, welche indiziell herangezogen werden dürften. So habe die Klägerin im Erteilungsverfahren ausdrücklich formuliert, dass die Abgrenzung von der dortigen Entgegenhaltung D1, der Druckschrift EP 0 463 530 A2 (in englischer Sprache vorgelegt als Anlage HL 3; in deutscher Übersetzung des erteilten Patents EP 0 463 530 B1 in der Berufungsinstanz vorgelegt als Anlage HL 14; nachfolgend: EP ‘530), gerade über das – erst nach mehreren Nachbesserungen in den Anspruch 1 aufgenommene – Merkmal der dauerhaften Abspeicherung erfolgen solle. Aus der EP ‘530 sei aber als beschreibbarer Speicher ein Arbeitsspeicher (RAM) vorbekannt gewesen, wobei derartige Speicher nicht dem dauerhaften Abspeichern dienten und ihrer Art nach auch nicht dazu eingesetzt werden könnten, Daten für einen nachträglichen Zugriff bereitzuhalten. Der Zusammenhang zwischen Speichermedium und Dauer der Speicherung sei also als ein Hinweis auf ein Speichermedium zu verstehen, das grundsätzlich ohne zusätzliche Stromversorgung eine dauerhafte Speicherung von Daten zu deren späterer Analyse zulasse.
  49. Mit der weiteren Vorgabe, wonach die dauerhafte Abspeicherung während des Betriebs des Antriebs erfolge, spreche das Klagepatent die Dauer an, während der das Presswerkzeug elektrisch angetrieben werde und den Pressvorgang ausführe. Weil die nach dem Anspruch zu speichernden Informationen solche seien, die nur während des Betriebs bei einem Pressvorgang entstünden, könnten diese nicht mehr gewonnen und in einen Speicher überführt werden, wenn der elektronische Motor nicht mehr laufe. Von der erfindungsgemäßen Lehre nicht vorgesehen sei es, zwischen einer (ersten) Abspeicherung während des Betriebs des Antriebs und der nachträglichen Analyse weitere Bearbeitungsschritte zu implementieren, die erst nach der Beendigung des Antriebs zu einer dauerhaften Abspeicherung führten. Anhaltspunkte dafür, den Vorgang der Speicherung über den Betrieb des Antriebs hinaus zu verstehen, ergäben sich auch nicht daraus, dass die abzuspeichernden Informationen auch Datum oder Zeitpunkt des Betriebs umfassten. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass davon zwingend auch der Endzeitpunkt umfasst sein müsse. Gestützt werde die dargestellte Sichtweise durch eine technisch-funktionale Betrachtung. Schließlich sei eine vereinfachte technische Diagnose nur möglich, wenn Betriebsinformationen gewonnen und so verlässlich abgespeichert würden, dass ein späterer Rückgriff unproblematisch sei. Dies sei durch ein Speichermedium zu bewerkstelligen, welches Informationen sowohl über aktuelle wie auch über vergangene Pressvorgänge bereithalte, denn die Gesamtschau dieser Informationen ermögliche eine Aussage über die künftige Einsatzbereitschaft der Vorrichtung.
  50. Ausgehend von einem solchen Verständnis machten die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch.
  51. Zwar möge das bei den angegriffenen Ausführungsformen während des Betriebs erfolgende Zwischenspeichern von Daten in einen volatilen Zwischenspeicher einen Beitrag zur dauerhaften Abspeicherung leisten, weil ohne die vorläufige Sicherung keine spätere Umspeicherung auf einen nicht-volatilen Speicher erfolgen könne. Die Überleitung der Daten erfolge aber nicht, wie es jedoch nach der Lehre des Klagepatents erforderlich sei, während des Betriebs des Antriebs, sondern erst nach Betriebsende.
  52. Betrachte man demgegenüber allein die Abspeicherung in dem volatilen Speicher, so stelle dieser keine dauerhafte Abspeicherung zur Verfügung, weil er nicht in der Lage sei, Betriebsinformationen verlässlich vorzuhalten. Zum einen würden bei einem unvorhergesehenen Stromausfall während des Pressvorgangs sämtliche im Zwischenspeicher enthaltenen Daten gelöscht und stünden damit für eine nachträgliche Datenanalyse nicht mehr zur Verfügung. Zum anderen werde der Zwischenspeicher nach jedem Pressvorgang gelöscht und könne damit keine Informationen bereitstellen, die im Gesamtzusammenhang mit Daten vorheriger Pressvorgänge Aufschluss über die künftige Einsatzbereitschaft des Pressgerätes geben könnten.
  53. Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 01.02.2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am selben Tag bei Gericht eingegangenem anwaltlichem Schriftsatz vom 23.02.2022 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf Verurteilung der Beklagten weiterverfolgt.
  54. Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht geltend:
  55. Das Landgericht habe den Schutzbereich des Klagepatents nicht zutreffend bestimmt. Der technische Sinn der dauerhaften Abspeicherung liege darin, die Informationen für die angestrebte technische Diagnose bereitzuhalten. Somit sei die Abspeicherung dauerhaft im Sinne des Klagepatents, wenn die Informationen bis zu einer nachträglichen Analyse oder technischen Diagnose bzw. bis zur Übertragung der Informationen auf den Computer zum Zwecke der Analyse abgespeichert blieben. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei für eine dauerhafte Abspeicherung dagegen kein Speichermedium erforderlich, das ohne zusätzliche Stromversorgung auskomme.
  56. Unzutreffend habe das Landgericht in Bezug auf den Antrieb zudem nur auf den elektrischen Antrieb bzw. den „elektronischen Motor“ abgestellt. Erfindungsgemäß verfüge das beanspruchte Pressgerät über einen elektrohydraulischen Antrieb und werde somit durch dessen Gesamtheit – also auch durch das Getriebe, das Hydrauliksystem und den hydraulischen Presszylinder – bewegt. Dieses Verständnis werde dadurch bestätigt, dass zu den anspruchsgemäß abzuspeichernden Betriebsinformationen neben der von dem Elektromotor aufgenommenen Leistung auch der Druck im hydraulischen System oder die Kraft im Bereich des Presswerkzeugs gehöre (Abs. [0008], [0010], [0011]) und auch Verschleiß oder Verschmutzung erfindungsgemäß gerade nicht nur am Elektromotor, sondern auch am Presswerkzeug oder dem hydraulischen System festgestellt werden sollten (Abs. [0013]). Relevante Betriebsinformationen seien damit erst dann nicht mehr zu erwarten und der Betrieb des Antriebs somit bei zutreffender Auslegung beendet, wenn alle Teile des elektrohydraulischen Antriebs in eine Ruhestellung übergegangen seien. Dies sei zudem nicht schlagartig der Fall, sondern bedürfe einer gewissen Übergangsphase, in der beispielsweise der Elektromotor und das Getriebe im spannungslosen Zustand noch etwas nachdrehten. Auch in dieser Zeit könne es zu Funktionsstörungen kommen oder sich solche ankündigen.
  57. Unter einer dauerhaften Abspeicherung während des Betriebs des Antriebs verstehe der Fachmann eine solche, die jedenfalls im unmittelbaren Anschluss an die vollständige Erfassung aller Informationen und deren Zusammenstellung zu einem Satz an Informationen im Arbeitsspeicher erfolge. Denn technische Funktion dieser Vorgabe sei es, die Informationen gleich nach Beendigung des Pressvorgangs analysieren zu können, so dass der Bedienperson bei Bedarf nach jedem einzelnen Pressvorgang und jedenfalls vor Beginn des nächsten Pressvorgangs der aktuelle Stand möglicher Ausfallursachen und eine jeweils aktuelle Prognose über zukünftige Einsätze des Pressgerätes zur Verfügung stünden. Gleichzeitig wisse der Fachmann – hierauf beruft sich die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz –, dass die Abspeicherung eines Informationssatzes mit auch zeitlich aufeinander folgenden und zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfassten Informationen technisch sinnvoll nur in der Weise möglich sei, dass zunächst sämtliche Informationen in einem Arbeitsspeicher (volatiler Speicher) gesammelt würden und erst nach vollständigem Zusammentragen aller Informationen der gesamte Satz in einen nicht-volatilen Speicher umgespeichert werde. Zudem müsse die angestrebte Verlaufsanalyse auch und gerade den Fall umfassen, dass der letzte Datenpunkt mit dem Ende des Betriebs des Antriebs zusammenfalle. Um das Ende der Verlaufskurve in einem solchen Fall nicht abzuschneiden, müsse die Umspeicherung in den nicht-volatilen Speicher der Erfassung des letzten Datenpunkts und der Zusammenstellung des vollständigen Satzes an Informationen im Arbeitsspeicher zwangsläufig zeitlich nachfolgen.
  58. Von der so verstandenen technischen Lehre des Klagepatents machten die angegriffenen Ausführungsformen unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Insbesondere erfolge die dauerhafte Abspeicherung in dem nicht-volatilen Speicher Flash-ROM während des Betriebs des Antriebs. Dies gelte zum einen dann, wenn man mit dem Landgericht den Betrieb des Antriebs dann für beendet ansehe, wenn „der elektronische Motor nicht mehr läuft“. Denn das Abspeichern im Flash-ROM erfolge – wie die Klägerin unter Berufung auf ein von ihr eingeholtes Privatgutachten erstmals in der Berufungsinstanz geltend macht (dazu noch sogleich) – nur 0,03 Sekunden nach Abschalten der Spannungsversorgung des Elektromotors und sei damit abgeschlossen, bevor der Motor zum Stillstand komme. Zum anderen gelte dies auch dann, wenn man – zutreffend – den Betrieb des Antriebs so verstehe, dass er die Aktivitäten in allen Bereichen des Antriebs umfasse. Schließlich sei die Abspeicherung im Flash-ROM abgeschlossen, bevor der Elektromotor ausgelaufen, der Hydraulikkolben komplett zurückgelaufen und das vom Hydraulikkolben bewegte Presswerkzeug entlastet sei. Selbst wenn man aber den Betrieb des Antriebs mit dem Abschalten der Spannungsversorgung des Elektromotors gleichsetzen wollte, erfolge die dauerhafte Abspeicherung im Flash-ROM noch während des Betriebs des Antriebs, weil davon – um die gesamte Verlaufskurve erfassen zu können – auch eine Abspeicherung innerhalb eines kurzen Zeitraums nach dem so verstandenen Betriebsende erfasst sei.
  59. Erstmals in der Berufungsinstanz hat die Klägerin ein Privatgutachten nebst Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. I eingeholt (Anlagen HL 13, HL 15) und trägt hierzu vor: Der Sachverständige habe am 28.03.2022 ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform E und später jeweils ein Exemplar der Ausführungsformen E und F untersucht und Messungen durchgeführt, wobei letztere Untersuchungen in Reaktion auf den Vortrag der Beklagten in der Berufungserwiderung erfolgt seien und dazu führten, dass sie, die Klägerin, ihren Vortrag teilweise korrigieren müsse. Festzuhalten bleibe aber auch nach den neueren Messungen, dass die Abspeicherung im Flash-Speicher bei der angegriffenen Ausführungsform E zum Ende des Motorauslaufs und zudem bei allen Ausführungsformen jedenfalls deutlich vor dem Zeitpunkt erfolge, zu dem der Hydraulikkolben vollständig zurückgelaufen und das vom Hydraulikkolben bewegte Presswerkzeug entlastet sei.
  60. Erstmals in der Berufungsinstanz macht die Klägerin weiter geltend: Selbst wenn man zu Unrecht das Abschalten der Spannungsversorgung des Elektromotors als trennscharfes Ende des Antriebs ansehe, sei – worauf sie die geltend gemachten Ansprüche hilfsweise stütze – das streitige Merkmal, wonach die dauerhafte Abspeicherung während des Betriebs des Antriebs erfolge, mit äquivalenten Mitteln verwirklicht.
  61. Die Klägerin beantragt,
  62. zu erkennen wie geschehen,
  63. wobei sie den Rechnungslegungsanspruch (Tenor zu A.I.3.) für die Zeit vom 18.03.2009 bis 05.06.2015 auch gegenüber dem Beklagten zu 3) und auch hinsichtlich der Produkte E, G und H geltend macht,
  64. die Feststellung der Entschädigungspflicht (Tenor zu A.II.1.) auch hinsichtlich der Produkte E, G und H verlangt;
  65. hilfsweise:
    wie vor, mit der Maßgabe, dass im Antrag zu I.1. (Tenor zu A.I.1.) im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs die Worte „während des Betriebs des Antriebs“ ersetzt werden durch „unmittelbar nach Abschalten des Elektromotors des elektrohydraulischen Antriebs“, so dass das Kennzeichen auszugsweise wie folgt lautet:
  66. die dadurch gekennzeichnet sind, dass die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit einen Hubzahlzähler, einen Betriebsstundenzähler und eine Temperaturmesseinrichtung umfasst, und dass unmittelbar nach Abschalten des Elektromotors des elektrohydraulischen Antriebs eine dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher von folgenden Informationen vorgesehen ist: …“;
  67. und sich die Rückbezüge bei den übrigen Anträgen jeweils sowohl auf den Klageantrag zu I.1. als auch auf den Hilfsantrag zu I.1.a. beziehen.
  68. Hinsichtlich der auf die Unteransprüche 4 bis 6 gestützten „insbesondere, wenn“-Anträge wird auf die Berufungsbegründung vom 16.05.2022 Bezug genommen.
  69. Die Beklagten zu 1) und 3) beantragen,
  70. die Berufung zurückzuweisen,
  71. hilfsweise:
    das Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage vom 28.04.2021 gegen den deutschen Teil des europäischen Patents EP 2 025 475 (DE 50 2008 012 955.3) auszusetzen.Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten den Ausführungen der Klägerin unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
  72. Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei dem Betrieb des Antriebs um den Zeitraum handele, in dem der Antrieb – also der Motor – des Pressgerätes mit Strom versorgt werde. Dass das Klagepatent von einem solchen Verständnis ausgehe, werde etwa daran deutlich, dass nach dessen Abs. [0004] das „Abschalten des Antriebs“ dazu führe, dass das Pressgerät „nicht mehr betriebsbereit“ sei. Dies korrespondiere zudem mit der im Anspruch genannten Messung wenigstens einer Betriebsinformation pro Betriebssekunde des Antriebs, wobei es sich bei einer solchen Betriebsinformation nach Abs. [0008] um die von dem Elektromotor aufgenommene Leistung handele, die anhand einer Strom- und/oder Spannungsmessung ermittelt werde. Das Klagepatent lehre nicht, dass es vor oder nach dem Betrieb des Motors zu erfassende verpress-relevante Daten gebe und erwähne insbesondere den von der Klägerin herangezogenen Druckabbau im hydraulischen System nicht.
  73. Mit dem erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Privatgutachten versuche die Klägerin, ein angebliches allgemeines Fachwissen darzutun, wonach der Fachmann von der Verwendung eines nicht-volatilen Speichers absehen würde. Insoweit handele es sich um Tatsachenvortrag und sei dieser verspätet. Tatsächlich sei dem Fachmann zudem bekannt, dass das Abspeichern in einem nicht-volatilen Speicher den Vorteil aufweise, dass bei einem Energieausfall die Daten nicht verloren gingen. Soweit das Gutachten Ausführungen zur Ausgestaltung der untersuchten Ausführungsform enthalte, handele es sich ebenfalls um verspäteten Tatsachenvortrag. Das Privatgutachten weise zudem nicht nur Mängel in Aufbau und Fragestellung auf, sondern enthalte darüber hinaus Angaben, die mit dem tatsächlich verwendeten Speicher nicht in Einklang stünden:
  74. Der in den angegriffenen Ausführungsformen verwendete Speicherbaustein – ein NOR-Speicherbaustein des Herstellers J mit darauf verbauter Super-Flash-Technologie – weise eine um das zehnfache höhere Kapazität für Schreibvorgänge auf (mindestens 100.000 Arbeitszyklen) als in dem Privatgutachten angenommen. Dieses habe den Programmspeicher des verwendeten Mikrocontrollers untersucht, auf dem die Daten jedoch nicht dauerhaft gespeichert würden. Die gespeicherten Daten würden zudem frühestens nach 2.000 Speichervorgängen überschrieben und schließlich sei – entgegen der Behauptung in dem Privatgutachten – der in den angegriffenen Ausführungsformen verwendete Speicherbaustein nicht nur blockweise in sog. „Pages“ von 256 Bytes beschreibbar. Somit sei die Behauptung der Klägerin widerlegt, die einzig technisch sinnvolle Vorgehensweise sei ein Zwischenspeichern auf einem volatilen Speicher. Der Fachmann ziehe vielmehr, wenn es um die Verwendung eines nicht-volatilen Speichers gehe, auch einen Speicherblock mit Super-Flash-Technologie in Betracht.
  75. Soweit die Klägerin behaupte, in den angegriffenen Ausführungsformen erfolge die Datenübertragung an den externen Flash-ROM – und damit das Abspeichern auf dem nicht-volatilen Speicher – unmittelbar im Anschluss an das Abschalten des Motors, während sich dieser noch in Bewegung befinde, liefere sie für diese Behauptung keinen Beleg. Tatsächlich hätten ihre eigenen Messungen (Untersuchungsbericht vorgelegt als Anlage TW 19) ergeben, dass die dauerhafte Abspeicherung in der von ihnen untersuchten Ausführungsform nach etwa 3,73 Sekunden beginne, wobei zu diesem Zeitpunkt nicht nur die Motoransteuerung beendet, sondern der Motor auch längst zum Stilstand gekommen sei. Verpress-relevante Daten entstünden im Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen ohnehin nur bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Druckbegrenzungsventil (DBV) nach Erreichen der definierten (maximalen) Presskraft öffne und der Motor daraufhin stromlos geschaltet werde.
  76. Bei den angegriffenen Ausführungsformen stünden die erhobenen Messdaten – entgegen der Behauptung der Klägerin – ferner nicht schon bei der Beendigung des Abspeicherns für die nachträgliche Analyse zur Verfügung. Die […] App müsse zunächst per Bluetooth sämtliche Daten der zuvor komplett gespeicherten Daten einer Fahrt durch den Mikrocontroller aus dem Speicher auslesen und von diesem an die App übertragen lassen. Die Datenübertragung per Bluetooth stehe geräteseitig nicht unmittelbar nach dem Speichern der Messdaten zur Verfügung.
  77. Soweit sich die Klägerin erstmals in der Berufungsinstanz auch auf eine Verletzung der Lehre des Klagepatents mit äquivalenten Mitteln berufe, fehle es nicht nur an der Formulierung eines konkreten Antrags unter Benennung des angeblich äquivalent wirkenden Austauschmittels, sondern sei der entsprechende Vortrag auch verspätet. Abgesehen davon lägen die Voraussetzungen einer äquivalenten Benutzung nicht vor.
  78. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
  79. II.
  80. Soweit die Berufung der Klägerin zur Entscheidung steht, ist sie zulässig und hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stellen die Herstellung und der Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents dar, weswegen die Beklagten zu 1) und 3) wegen unmittelbarer Patentverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und zum Schadenersatz dem Grunde nach sowie – nur die Beklagte zu 1) – zum Rückruf, zur Vernichtung und zur Zahlung einer Entschädigung dem Grunde nach verpflichtet sind. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB, Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG zu, wobei die Ansprüche auf Rechnungslegung und auf Zahlung einer Entschädigung dem Grunde nach nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang bestehen. Für eine Aussetzung der Verhandlung bis zu einer Entscheidung in dem gegen das Klagepatent anhängigen Nichtigkeitsverfahren besteht keine Veranlassung.
  81. 1.
    Das Verfahren der Klägerin gegen die Beklagten zu 1) und 3) war fortzuführen und es konnte gemäß §§ 525 S. 1, 301 Abs. 1 S. 1 ZPO durch Teilurteil entschieden werden.
  82. a)
    Dass das Verfahren gemäß § 246 Abs. 1, 2. Hs. ZPO ausgesetzt ist, soweit es die Rechtsnachfolger des verstorbenen Beklagten zu 2) betrifft, steht seiner Fortsetzung im Übrigen nicht entgegen. Bei – wie hier – einfachen Streitgenossen hat ein nur einen Streitgenossen betreffender Aussetzungs- oder Unterbrechungsgrund auf das Verfahren im Übrigen keinen Einfluss (vgl. BGH, NJW 2001, 3125; NJW 2007, 156, 157; Zöller-Greger, ZPO, 34. Aufl., Vorbem. zu §§ 239–252 Rz. 5). Sowohl die Klägerin als auch die Beklagten zu 1) und 3) haben zudem ausdrücklich ihre Zustimmung zu einer Fortführung des Verfahrens erklärt.
  83. b)
    Es konnte, wie geschehen, durch Teilurteil (§ 301 Abs. 1 S. 1 ZPO) entschieden werden. Zwar darf – als ungeschriebene Voraussetzung – auch bei subjektiver oder objektiver Klagehäufung oder grundsätzlicher Teilbarkeit des Streitgegenstandes ein Teilurteil nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist (BGH, NJW 1989, 2821, 2822; NJW 1999, 1035; NJW 2002, 302, 303; NJW-RR 2003, 1002; NJW 2004, 1452; NJW 2007, 156, 157). Diese Einschränkung findet jedoch keine Anwendung, wenn über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Insolvenzverfahren eröffnet und deshalb gemäß § 240 ZPO das Verfahren insoweit unterbrochen ist (vgl. BGH, NJW 1987, 2367, 2368; NJW 1988, 2113; NJW 2001, 3125; NJW-RR 2003, 1002) oder wenn das Verfahren durch den Tod einer Partei unterbrochen oder deswegen die Aussetzung angeordnet ist (vgl. BGH, NJW 2007, 156, 158). Es wäre mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht; wobei eine andere Beurteilung geboten sein kann, wenn Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass das unterbrochene Verfahren alsbald fortgesetzt werden kann (BGH, NJW-RR 2003, 1002, 1003; NJW 2007, 156, 158). Demnach konnte vorliegend trotz der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen durch Teilurteil entschieden werden. Insbesondere liegen, nachdem die Erben des ehemaligen Beklagten zu 2) im Rechtsstreit noch nicht bekannt sind, keine Anhaltspunkte für eine baldige Fortsetzung vor.
  84. 2.
    Das Klagepatent betrifft ein elektrohydraulisches Pressgerät sowie ein Verfahren zur Durchführung einer technischen Diagnose des Pressgerätes.
  85. Ein derartiges Pressgerät ist aus der DE 199 46 380 A1 (Anlage HL 4; nachfolgend: DE ‘380) bekannt. Es handelt sich dabei um ein Pressgerät zum Verbinden von Werkstücken mit einem auswechselbaren Presswerkzeug, welches zwei Pressbacken, einen Backenantrieb sowie eine elektronische Steuer- und Überwachungseinrichtung aufweist. Im Presswerkzeug dieses vorbekannten Pressgerätes ist mindestens ein Funktionsteil mit Informationsübertragungs-, Steuer- bzw. Überwachungsfunktion vorhanden, das durch einen ebenfalls im Presswerkzeug untergebrachten elektrischen Energiespeicher gespeist wird. Bestimmte so überwachte Funktionen können durch ein Tableau mit optischen Anzeigemitteln – etwa Leuchtdioden in verschiedenen Farben – oder auch mittels akustischer Signalgeber signalisiert werden (Abs. [0002]).
  86. Das vorbekannte Pressgerät kann eine elektronische Sicherheitseinheit aufweisen, in welcher ein Überwachungselement den Antrieb überprüft und feststellt, ob ein Pressdruckwert innerhalb eines vordefinierten Toleranzbereiches erreicht worden ist und – sollte dies nicht der Fall sein – dies optisch und/oder akustisch anzeigt. Auch Fehlfunktionen und/oder die Einsatzbereitschaft des Pressgerätes können so angezeigt werden. Die Anzeige soll bevorzugt einen Rückschluss auf die Art des Fehlers erlauben, was sich beispielsweise durch verschiedenfarbige Leuchtdioden realisieren lässt, die – je nach Zustand – gemeinsam oder alternativ, konstant oder blinkend aufleuchten (Abs. [0003]).
  87. Als Nachteil der Ausstattung mit einer solchen Sicherheitseinrichtung benennt das Klagepatent den vermeidbaren Arbeitsausfall, wenn der Antrieb gesperrt und der Bedienperson angezeigt wird, dass sie ein Servicezentrum aufzusuchen hat, die Ursache – beispielsweise eine Verschmutzung an der Rückzugsfeder – jedoch auch am Einsatzort des Gerätes hätte behoben werden können (Abs. [0004]).
  88. Vor diesem Hintergrund benennt es das Klagepatent als seine Aufgabe, ein elektrohydraulisches Pressgerät der eingangs beschriebenen Art zu schaffen, an dem eine vereinfachte technische Diagnose möglich ist (Abs. [0005]).
  89. Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 eine Kombination der folgenden Merkmale vor:
  90. 1. Elektrohydraulisches Pressgerät (P) zum Verbinden von Werkstücken.
  91. 2. Das elektrohydraulische Pressgerät (P) weist auf
  92. 2.1 ein Gehäuse (1) zur Aufnahme eines Presswerkzeuges,
  93. 2.2 einen Antrieb zum Bewegen des Presswerkzeuges sowie
  94. 2.3 eine elektronische Steuer- und Überwachungseinheit.
  95. 2.3.1 Der elektronischen Steuer- und Überwachungseinheit ist ein elektronischer Informationsspeicher zugeordnet.
  96. 2.3.2 Die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit weist ein Interface (7) zum Anschluss eines Computers (8) auf.
  97. 2.3.3 Die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit umfasst einen Hubzahlzähler, einen Betriebsstundenzähler und eine Temperaturmesseinrichtung.
  98. 3. Während des Betriebs des Antriebs ist eine dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher von folgenden Informationen vorgesehen:
  99. 3.1 eine die Hubzahl des Pressgerätes repräsentierende Information,
  100. 3.2 wenigstens eine Betriebsinformation pro Betriebssekunde des Antriebs,
  101. 3.3 eine die Temperatur des Pressgerätes oder die Temperatur eines Teils des Pressgerätes repräsentierende Information,
  102. 3.4 eine das Datum oder den Zeitpunkt des Betriebs des Antriebs repräsentierende Information.
  103. 3.
    Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedarf Merkmal 3 der soeben dargestellten Merkmalsgliederung näherer Erläuterung.
  104. a)
    Das Klagepatent hat es sich zum Ziel gesetzt, am Einsatzort eines Pressgerätes eine umfassendere und detailliertere Diagnose, etwa zur Feststellung von Funktionsmängeln, zu ermöglichen (vgl. Abs. [0007]). Diese kann im Betrieb eines erfindungsgemäßen Pressgerätes wie folgt ablaufen (vgl. Abs. [0007], [0014], [0025]; siehe auch Abs. [0016]):
  105.  Abspeichern von Informationen,
  106.  Übertragung der Informationen auf einen Computer,
  107.  Auswertung der Informationen mittels Diagnosesoftware auf dem Computer.
  108. In Patentanspruch 1, einem Vorrichtungsanspruch, der nur das Pressgerät selbst beansprucht, haben die Übertragung und die Auswertung der Informationen nur insoweit Niederschlag gefunden, als die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit eines erfindungsgemäßen Pressgerätes ein Interface zum Anschluss eines Computers aufweist (Merkmal 2.3.2). Über dieses Interface, beispielsweise eine USB-Steckbuchse oder eine drahtlose Schnittstelle (vgl. Abs. [0014]), können abgespeicherte Informationen auf einen Computer übertragen und dort ausgewertet werden.
  109. Demgegenüber hat das Abspeichern der Informationen in Merkmal 3 Eingang gefunden, wonach während des Betriebs des Antriebs eine dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher von in den Merkmalen 3.1 bis 3.4 näher bestimmten Informationen vorgesehen ist. Auch bei der Betrachtung dieses Merkmals verliert der Fachmann jedoch nicht aus dem Blick, dass das Pressgerät als solches geschützt ist und es sich bei der Abspeicherung nicht etwa um einen Verfahrensschritt handelt. Die näher beschriebene Abspeicherung ist in einem erfindungsgemäßen Pressgerät vorgesehen. Das beanspruchte Pressgerät wird damit unabhängig davon geschützt, ob es tatsächlich in der beschriebenen Weise genutzt wird. Es muss jedoch dafür ausgebildet – und damit objektiv geeignet – sein, Informationen in der beschriebenen Art und Weise abzuspeichern (vgl. BGH, GRUR 2012, 475, 476 – Elektronenstrahltherapiesystem; GRUR 2018, 1128, 1129 – Gurtstraffer; GRUR 2021, 462, 465 – Fensterflügel; GRUR 2022, 982, 985 – SRS-Zuordnung).
  110. b)
    Der elektronische Informationsspeicher, in den nach Merkmal 3 die dauerhafte Abspeicherung von Informationen vorgesehen ist, ist ein nach Merkmal 2.3.1 der elektronischen Steuer- und Überwachungseinheit zugeordnetes Bauteil. Für die Feststellung und Identifizierung von Funktionsmängeln des Pressgerätes relevante technische Daten – im Patentanspruch 1 konkretisiert durch die Informationen nach den Merkmalen 3.1 bis 3.4 – können dort niedergelegt sein und so nach der Übertragung auf einen Computer ausgewertet werden (vgl. Abs. [0007]). Zu der Ausgestaltung des elektronischen Informationsspeichers lassen sich dem Anspruchswortlaut zunächst keine einschränkenden Vorgaben entnehmen. Weder verhält sich der Anspruch dazu, dass es sich um ein einziges Bauteil handeln müsste noch dazu, dass es sich nicht um einen sogenannten volatilen Speicher, bei dem die gespeicherten Daten bei einer Unterbrechung der Stromversorgung verloren gehen, handeln dürfte. Soweit es sich in einer bevorzugten Ausführungsform bei dem elektronischen Informationsspeicher um einen Chip handelt (vgl. Abs. [0007], [0020]), also – nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien – um einen nicht-volatilen Speicher, ist der Anspruch darauf nicht beschränkt.
  111. c)
    Entgegen der Auffassung des Landgerichts erfährt die Ausgestaltung des elektronischen Informationsspeichers auch keine Einschränkung dadurch, dass eine dauerhafte Abspeicherung von Informationen in ihn vorgesehen ist.
  112. Den – vom Klagepatent nicht definierten – Begriff der dauerhaften Abspeicherung versteht der Fachmann bei einer rein begrifflichen Betrachtung jedenfalls als ein eigenständiges Erfordernis – ein Mehr – gegenüber der bloßen Abspeicherung und erst recht der Erfassung von Daten. Ob mit der Dauerhaftigkeit ein bestimmter Zeitraum der Speicherung bzw. gar eine unbegrenzte Aufbewahrung von Daten oder eine Form der Datensicherheit angesprochen ist, lässt sich dem reinen Wortlaut demgegenüber nicht entnehmen.
  113. Bei Betrachtung der Patentschrift erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent neben den dauerhaft abgespeicherten Informationen (vgl. Abs. [0008], [0009], [0012], [0013]) auch die in einem Speicher niedergelegten Informationen (vgl. Abs. [0007], [0016], [0024], [0026]) kennt. Soweit sich das Klagepatent ausdrücklich zu den Vorteilen der erfindungsgemäßen Lehre verhält, verknüpft es diese allerdings jeweils mit dem Begriff der dauerhaft abgespeicherten Informationen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Abs. [0008] und Abs. [0013] zu nennen, in denen es heißt:
  114. „[0008] Es ist erfindungsgemäß vorgesehen, wenn ein bestimmter Satz an Informationen dauerhaft im elektronischen Informationsspeicher des Pressgeräts … gespeichert werden. Hierdurch ist es erfindungsgemäß möglich, dass beispielsweise jeder einzelne Betätigungsvorgang des Pressgeräts nachträglich analysiert werden kann. …“
  115. „[0013] Erfindungsgemäß ist es daher anhand der dauerhaft im Informationsspeicher abgespeicherten Informationen möglich, den Betrieb des Pressgeräts im nachhinein zu analysieren und auch Prognosen über den zukünftigen Einsatz des Pressgeräts zu machen. …“
  116. Dem entnimmt der Fachmann, dass es die technische Funktion gerade der dauerhaften Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher ist, die nachträgliche Analyse der Betätigungsvorgänge des Pressgerätes zu ermöglichen und so auch Prognosen über den zukünftigen Einsatz des Pressgerätes zu erlauben. Die in der elektronischen Steuer- und Überwachungseinheit niedergelegten Daten können nach der Übertragung auf einen Computer noch am Einsatzort mit einer Diagnosesoftware ausgewertet werden (vgl. Abs. [0007], [0025]). Mittels der Daten kann insbesondere ein allmählich auftretender Verschleiß oder eine allmählich auftretende Verschmutzung am Elektromotor, Pressgerät oder am hydraulischen System festgestellt werden und eine Prognose über die Anzahl der voraussichtlich noch erfolgreich durchführbaren Pressvorgänge gemacht werden (Abs. [0013]). Auf dieser Grundlage kann dann wiederum entschieden werden, ob die Arbeiten auf einer bestimmten Baustelle noch ohne zwischendurch erforderliche Wartung oder Reparatur durchführbar sind oder nicht (Abs. [0013]).
  117. Mit Blick auf diese technische Funktion erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent den Begriff der dauerhaften Abspeicherung jedenfalls in einem zeitlichen Sinne verwendet. Mit der dauerhaften Abspeicherung wird sichergestellt, dass die Daten so lange zur Verfügung stehen bis die Übertragung auf den Computer zum Zwecke der Analyse erfolgt ist. Eine darüber hinausgehende Abspeicherung auf dem Pressgerät wird demgegenüber in funktionaler Hinsicht gerade nicht benötigt, da die Daten mit der Übertragung auf den Computer dort zur Verfügung stehen. Auf dem Computer soll nach der Lehre des Klagepatents die Diagnosesoftware zum Einsatz gelangen und die Auswertung und Analyse erfolgen.
  118. Von einer solchen Funktion der dauerhaften Abspeicherung geht auch das Landgericht aus, legt aber in funktionaler Hinsicht zwei weitere Aspekte zugrunde: Zum einen strebe das Klagepatent mit dem Erfordernis einer dauerhaften Abspeicherung eine Datensicherheit an; ein Rückgriff auf das gesammelte Datenmaterial müsse problemlos und verlässlich sowie unabhängig vom Betrieb eines Motors und/oder einer Stromversorgung möglich sein (vgl. S. 12, 14 LGU). Zum anderen sollten Informationen nicht nur über den einzelnen Pressvorgang, sondern über mehrere Pressvorgänge gespeichert werden, weil nur durch eine Gegenüberstellung mehrerer Datensätze die in Abs. [0013] hervorgehobene Prognose über den zukünftigen Einsatz des Pressgerätes ermöglicht werde (S. 14, 18 LGU).
  119. Dieser Sichtweise vermag der Senat nicht beizutreten. Das Klagepatent thematisiert die Datensicherheit und den Schutz vor einem Ausfall der Stromversorgung nicht. An keiner Stelle befasst es sich damit, dass die im Pressgerät abgespeicherten Daten bis zu ihrer Übertragung auf den Computer gegen eine (unvorhergesehene) Unterbrechung der Stromversorgung geschützt werden müssten. Zwar kann, wenn es zu einem Datenverlust vor der Übertragung an den Computer kommen sollte, die Analyse dieser Daten nicht mehr erfolgen. Es ist aber nicht erkennbar, dass das Klagepatent diesem Problem mit dem Erfordernis einer dauerhaften Abspeicherung der Daten begegnen wollte. Nachdem die vom Klagepatent angestrebte Analyse insbesondere der Feststellung eines allmählich auftretenden Verschleißes oder einer allmählich auftretenden Verschmutzung dient (Abs. [0013]), scheint der Verlust einzelner Datensätze in Ausnahmefällen dem vom Klagepatent angestrebten Ziel auch nicht entgegenzustehen.
  120. Ob, wie das Landgericht annimmt, die in Abs. [0013] beschriebene Prognose über den zukünftigen Einsatz des Pressgerätes die Gegenüberstellung mehrerer Pressvorgänge voraussetzt, kann offen bleiben. Jedenfalls lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen, dass dies einen Verbleib der Datensätze mehrerer Pressvorgänge in dem elektronischen Informationsspeicher voraussetzt. Das Klagepatent geht vielmehr davon aus, dass „jeder einzelne Pressvorgang des Pressgerätes nachträglich analysiert werden kann“ (Abs. [0008]). Die Übertragung der Datensätze auf den Computer kann nach jedem Betätigungsvorgang erfolgen und muss nicht in dem Speicher bzw. dem Pressgerät, wo die Analyse mittels Diagnosesoftware ohnehin nicht erfolgen kann, bereitgehalten werden.
  121. Soweit das Landgericht aus Vorgängen im Erteilungsverfahren ableitet, dass der elektronische Informationsspeicher Daten auch ohne zusätzliche Stromversorgung bereithalten müsse, ist dem ebenfalls nicht zu folgen. Das Landgericht zieht diese Schlussfolgerung auf der Grundlage einer Äußerung der Klägerin im Erteilungsverfahren, wonach die Abgrenzung von der EP ‘530 gerade über das Merkmal der dauerhaften Abspeicherung erfolgen solle. Zwar trifft es zu, dass Äußerungen des Anmelders im Erteilungsverfahren (nicht anders als ein Fachbuch) indizielle Bedeutung dafür haben können, wie der Fachmann das betreffende Merkmal begreift (BGH, NJW 1997, 3377, 3380 – Weichvorrichtung II; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2018, Az.: I-2 U 33/15, BeckRS 2018, 11286 Rz. 86 – Polysiliziumschicht; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Abschn. A, Rz. 100). Die aus der Äußerung der Klägerin gezogenen Schlussfolgerungen des Landgerichts gehen hierüber aber hinaus. Sie laufen auf die Berücksichtigung von Vorgängen im der Patenterteilung vorausgegangenen Erteilungsverfahren hinaus, die grundsätzlich unzulässig ist. Art. 69 EPÜ knüpft für die Schutzbereichsbestimmung ausschließlich an die Patentansprüche, die Beschreibung und die Zeichnungen an. Bei der Erteilungsakte, die überdies nicht allgemein veröffentlich ist, handelt es sich demnach nicht um zulässiges Auslegungsmaterial (vgl. BGH, GRUR 2002, 511, 513 – Kunststoffrohrteil; GRUR 2010, 602, 605 f. – Gelenkanordnung; GRUR 2016, 257, 259 – Glasfasern II; OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.02.2018, Az.: I-2 U 33/15, BeckRS 2018, 11286 Rz. 86 – Polysiliziumschicht).
  122. Im Ergebnis erkennt der Fachmann, dass das Klagepatent den Begriff der dauerhaften Abspeicherung im Sinne einer zeitlichen Angabe verwendet, wobei die Daten so lange zur Verfügung stehen müssen, bis eine Übertragung auf den Computer zum Zwecke einer dort erfolgenden Analyse stattfinden kann. Einschränkende Vorgaben im Hinblick auf die Ausgestaltung des elektronischen Informationsspeichers, etwa eine Ausbildung als nicht-volatiler Speicher, ergeben sich aus dem Erfordernis der dauerhaften Abspeicherung nicht.
  123. d)
    Eine dauerhafte Abspeicherung von Informationen in den elektronischen Informationsspeicher ist nach Merkmal 3 während des Betriebs des Antriebs vorgesehen.
  124. aa)
    Der Antrieb ist ein Bestandteil des elektrohydraulischen Pressgerätes (vgl. Merkmale 2, 2.2) und kann beispielsweise in dessen Gehäuse untergebracht sein (Abs. [0020]). Der Fachmann erkennt bereits daran, dass der Patentanspruch mit dem Antrieb nicht – was rein begrifflich ebenfalls denkbar wäre – einen Vorgang anspricht, sondern die hierfür verwendeten (körperlichen) Mittel (vgl. ferner Abs. [0011]: „im Bereich des Antriebs“). Die Betätigung dieser Mittel, somit der Vorgang, wird sodann mit dem Betrieb des Antriebs in Bezug genommen.
  125. Zur näheren Ausgestaltung der den Antrieb bildenden Mittel lässt sich dem Anspruch zweierlei entnehmen: Zum einen ist ein elektrohydraulisches Pressgerät beansprucht (Merkmale 1 und 2), was Rückschlüsse auf die als Antrieb verwendeten Mittel zulassen kann. Zum anderen wird der Antrieb durch die Funktionsangabe in Merkmal 2.2 näher konkretisiert, wonach er zum Bewegen des Presswerkzeuges dient.
  126. (1)
    Auch wenn sich der Begriff „elektrohydraulischer Antrieb“ ausdrücklich nur in einem Ausführungsbeispiel findet (Abs. [0020]), entnimmt der Fachmann der Bezeichnung als „elektrohydraulisches Pressgerät“, dass dieses – wenn auch unter Umständen nicht ausschließlich – durch ein elektrohydraulisches System angetrieben wird. Dieses System umfasst nach dem Wissen des Fachmanns, insoweit besteht zwischen den Parteien Einigkeit, neben dem Elektromotor hydraulische Elemente wie eine Hydraulikflüssigkeit, eine Hydraulikpumpe und einen Hydraulikzylinder. Dass das Klagepatent von einer eben solchen Kombination eines Elektromotors mit einem Hydrauliksystem ausgeht, wird an verschiedenen Stellen der Patentbeschreibung deutlich, an denen Bauteile eines erfindungsgemäßen Pressgerätes Erwähnung finden. So benennt das Klagepatent neben dem Elektromotor (vgl. Abs. [0008] bis Abs. [0011], [0013]) allgemein das hydraulische System (Abs. [0010], [0011], [0013]), aber auch die Hydraulikflüssigkeit (Abs. [0023]), beispielsweise ein Hydrauliköl (Abs. [0027]), den Arbeitszylinder (vgl. Abs. [0010]), das Getriebe sowie Rückschlagventile (Abs. [0027]).
  127. (2)
    Die Bewegung des Presswerkzeuges durch das Pressgerät – also der Pressvorgang selbst – wird vom Klagepatent nicht näher beleuchtet. Der Würdigung des aus der DE ‘380 vorbekannten Pressgerätes in Abs. [0002] lässt sich entnehmen, dass bei dem Pressvorgang eine Bewegung der Pressbacken des Presswerkzeuges von einer Offenstellung in eine Endpressstellung erfolgt. Die Bewegung des Presswerkzeuges ist allerdings mit dem Erreichen der Endpressstellung der Pressbacken nicht beendet. Der Fachmann erkennt vielmehr ohne weiteres, dass das zu verpressende Werkstück wieder freigegeben und das Presswerkzeug wieder seine Ausgangsstellung einnehmen muss. Letzteres findet auch bei der Würdigung des aus dem Stand der Technik bekannten Pressgerätes indirekt Erwähnung, wenn nämlich im Zusammenhang mit möglichen Störungsursachen eine Rückzugsfeder genannt wird (vgl. Abs. [0004]). Eine solche Feder kommt als Rückholfeder 320 in einer Ausführungsform der EP ‘530 zur Anwendung, um den Schlitten wieder in seine Ausgangsposition zu ziehen (vgl. S. 31, 52 der Anlage HL 14). Es finden sich zudem keine Hinweise darauf, dass das Klagepatent unter der Bewegung des Presswerkzeuges nur das Erreichen der Endpressstellung verstanden wissen will. So werden beispielsweise die Daten „einer Kraftmessung im Bereich des Antriebs zum Bewegen des Presswerkzeugs“ als mögliche Betriebsinformationen benannt, ohne dass sich dem entnehmen ließe, dass die abnehmende Kraft nicht mehr von Belang wäre (vgl. Abs. [0011]).
  128. (3)
    Betrachtet man die erörterten Aspekte gemeinsam, sind dem Antrieb jedenfalls alle elektrohydraulischen Bauteile zuzuordnen, die die Bewegung des Presswerkzeuges bewirken, nämlich den gesamten Pressvorgang von der Offenstellung über die Endpressstellung bis zur erneuten Offenstellung. Der Betrieb des Antriebs umfasst damit die Betätigung und Aktivität dieser Bauteile, die der Bewegung des Presswerkzeuges im genannten Sinne dienen.
  129. bb)
    Der vom Landgericht vorgenommenen Beschränkung des Betriebs des Antriebs auf die Aktivität des – entweder mit Spannung versorgten oder jedenfalls (nach-) drehenden – Elektromotors vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht beizutreten. Der Fachmann entnimmt der Klagepatentschrift darüber hinaus eine Reihe von Hinweisen darauf, dass der Antrieb nicht auf den Elektromotor beschränkt ist und die ihn demzufolge in seiner Sichtweise bestärken, wonach auch die Aktivität aller darüber hinaus dem elektrohydraulischen System zuzuordnenden Bauteile von dem Betrieb des Antriebs umfasst sind.
  130. So können die nach Merkmal 3.2 zu erfassenden Informationen, die an den Betrieb des Antriebs anknüpfen („wenigstens eine Betriebsinformation pro Betriebssekunde des Antriebs“), Aktivitäten auch im Bereich des Hydrauliksystems umfassen. Denn als Beispiele dieser Betriebsinformationen nennt das Klagepatent gerade nicht nur die Strom- bzw. Spannungsversorgung des Elektromotors (Abs. [0008]), sondern auch die Daten einer Druckmessung im hydraulischen System. So heißt es in Abs. [0010]:
  131. „[0010] Alternativ oder kumulativ zur Verwendung der vom Elektromotor des Pressgeräts aufgenommenen Leistung als Betriebsinformation kann es auch vorgesehen sein, dass – für den Fall eines elektrohydraulischen Pressgeräts – die Daten einer Druckmessung im hydraulischen System (insbesondere im Arbeitszylinder) als Betriebsinformation herangezogen werden.“
  132. (Hervorhebung hinzugefügt)
  133. Ferner ist in diesem Zusammenhang Abs. [0011] zu nennen, wonach auch die Daten einer Kraftmessung als Betriebsinformation im Sinne von Merkmal 3.2 herangezogen werden können. Dort heißt es:
  134. „[0011] Ferner kann es alternativ oder kumulativ zur Verwendung der vom Elektromotor des Pressgeräts aufgenommenen Leistung und/oder der Druckmessung im hydraulischen System als Betriebsinformation auch vorgesehen sein, dass die Daten einer Kraftmessung im Bereich des Presswerkzeugs als Betriebsinformation herangezogen werden, beispielsweise eine Kraftmessung im Bereich des Antriebs zum Bewegen des Presswerkzeugs.“
  135. (Hervorhebung hinzugefügt)
  136. Die dort angesprochene Kraft, mit der – wie im gewürdigten Stand der Technik der DE ‘380 – die Pressbacken des Presswerkzeuges auf das zu verpressende Werkstück einwirken (vgl. Sp. 2, Z. 35 f. der DE ‘380; Abs. [0002] des Klagepatents) – wird erst durch das Zusammenwirken von Elektromotor und dem hydraulischen System erzeugt.
  137. Auch im Übrigen spricht der in der Klagepatentschrift gewürdigte Stand der Technik jedenfalls nicht für eine Beschränkung des Antriebs auf den Elektromotor. Mit seiner Würdigung in Abs. [0003], wonach bei dem vorbekannten Pressgerät der DE ‘380 ein Überwachungselement „den Antrieb überprüft und feststellt, ob ein Pressdruckwert innerhalb eines vordefinierten Toleranzbereiches erreicht worden ist“, nimmt das Klagepatent auf die Ausführungsform der Fig. 1 der DE ‘380 Bezug (vgl. Sp. 2 Z. 40–45 der DE ‘380). Diese Ausführungsform weist einen hydraulischen Antrieb auf (Sp. 2 Z. 64 f. der DE ‘380); dieser erzeugt den Pressdruck (vgl. Sp. 2 Z. 38 f. der DE ‘380). Auch in der in Abs. [0001] als vorbekannt gewürdigten EP ‘530 wird eine Einrichtung zum Bewegen des Stempels mit einem Hydrauliksystem offenbart (vgl. S. 3 der Anlage HL 14).
  138. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sowohl bei der Würdigung des Standes der Technik (vgl. Abs. [0003]) als auch in einem Ausführungsbeispiel des Klagepatents (vgl. Abs. [0027], [0028]) von einer Sperrung des Antriebs die Rede ist und es in Abs. [0004] zum vorbekannten Stand der Technik heißt, dass durch die Abschaltung des Antriebs das Gerät nicht mehr betriebsbereit ist (vgl. Abs. [0004]). Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) und 3) lässt sich daraus nicht ableiten, dass es sich bei dem Betrieb des Antriebs um denjenigen Zeitraum handelt, in dem das Pressgerät mit Spannung versorgt wird. Zwar mag bei einem elektrohydraulischen System die Abschaltung bzw. Sperrung durch eine Unterbrechung des Stromflusses zum Elektromotor erfolgen. Damit aber verlieren alle Teile des elektrohydraulischen Systems ihre Einsatzbereitschaft und werden in diesem Sinne gesperrt bzw. abgeschaltet.
  139. cc)
    Betrachtet man zunächst den Wortlaut, bezieht sich die weitere in Merkmal 3 genannte Vorgabe, wonach die dauerhafte Abspeicherung von Informationen in den elektronischen Informationsspeicher während des Betriebs des Antriebs vorgesehen ist, auf den Zeitraum nach Beginn und vor dem Ende der Aktivität jedenfalls aller der Bewegung des Presswerkzeuges dienenden elektrohydraulischen Bauteile.
  140. Die Ermittlung der technischen Funktion dieser Vorgabe wird zwar dadurch erschwert, dass die Klagepatentschrift diese in ihrer Beschreibung nicht erwähnt. Gleichwohl erkennt der Fachmann, dass durch die zeitliche Einschränkung die ausdrücklich angesprochenen Ziele der Lehre des Klagepatents erreicht werden, nämlich dass die Übertragung auf einen Computer mit Diagnosesoftware noch am Einsatzort des Pressgerätes, beispielsweise einer Baustelle, möglich ist (Abs. [0007]), und dass zudem jeder einzelne Betätigungsvorgang des Pressgerätes nachträglich analysiert werden kann (Abs. [0008]). Dies ist nur dann möglich, wenn die Informationen im Anschluss an den Betätigungsvorgang für eine Übertragung und anschließende Analyse zur Verfügung stehen. Um dies zu realisieren, ist nicht nur die Erfassung, sondern auch die dauerhafte Abspeicherung von Informationen während des Betriebs des Antriebs vorgesehen.
  141. Dass die dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher bereits im Zeitpunkt der Erfassung jeder einzelnen Information vorgesehen sein muss, lässt sich weder dem Wortlaut des Anspruchs entnehmen noch ist dies für die Erfüllung der dargestellten Funktion erforderlich. Das Klagepatent schließt insbesondere nicht aus, eine gemeinsame dauerhafte Abspeicherung des erfassten „Satzes an Informationen“ (Abs. [0008], vgl. auch Abs. [0012] Sp. 3 Z. 25 f.) vorzusehen. Mit der Übertragung und Analyse einzelner Informationen im Sinne der Merkmale 3.1 bis 3.4 noch während des Betätigungsvorgangs befasst sich das Klagepatent nicht. Vielmehr spricht es ausdrücklich von einer „im nachhinein“ (Abs. [0013]) bzw. „nachträglich“ (Abs. [0008]) erfolgenden Analyse der einzelnen Betätigungsvorgänge oder allgemein des Betriebs des Pressgerätes. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Abs. [0014], der nicht die Übertragung der in den Merkmalen 3.1 bis 3.4 genannten Informationen anspricht, sondern – im Zusammenhang mit der Auswahl eines USB-Anschlusses als Interface – die Verbindung des Pressgerätes mit einem Computer im laufenden Betrieb, beispielsweise einem Testlauf. Auch das in Abs. [0026] beschriebene Ausführungsbeispiel, das an Abs. [0014] anknüpft und die schon dort beschriebene Erkennung verschiedener Charakteristika im laufenden Betrieb als „dynamische Funktionsüberprüfung“ bezeichnet, differenziert zwischen den dabei erfassten Informationen (beispielsweise einer Strom-Spannungs- bzw. Leistungs-Charakteristik) und den aus dem elektronischen Informationsspeicher in den Computer übertragenen Informationen, die gegebenenfalls (zusätzlich) herangezogen werden können.
  142. Nach dem Wortlaut des Merkmals nicht zwingend ist weiterhin, ein erfindungsgemäßes Pressgerät so auszugestalten, dass die dauerhafte Abspeicherung von Informationen während des Betriebs des Antriebs nicht nur stattfindet, sondern auch vollständig abgeschlossen wird. Solches ergibt sich auch nicht mit Blick auf die technische Funktion der Vorgabe, wonach – wie dargestellt – die Informationen im Anschluss an den Betätigungsvorgang für eine Übertragung und anschließende Analyse zur Verfügung stehen sollen. Ob einzelne Schritte des Vorgangs der dauerhaften Abspeicherung in einem für die Bedienperson kaum wahrnehmbaren Zeitraum im Anschluss an die Bewegung des Presswerkzeuges erfolgen, ist für die Erfüllung dieses Zwecks nicht von Bedeutung. Dem Klagepatent lassen sich auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es das Ende des Betriebs des Antriebs als eine starre Grenze definieren wollte, bis zu dem der vorgesehene Speichervorgang abgeschlossen zu sein hat. Gegen ein derartiges Verständnis spricht zudem, dass die in den Merkmalen 3.1 bis 3.4 genannten Informationen einen gewissen zeitlichen Verlauf abdecken, was die vom Klagepatent auch angestrebte Verlaufsanalyse ermöglicht (vgl. Abs. [0008] a.E., [0030]). Dieser zeitliche Verlauf umfasst auch das Ende des Betriebs des Antriebs, was deutlich macht, dass das Klagepatent gewisse Überschneidungen mit der zeitlichen Vorgabe in Merkmal 3 nicht ausschließen wollte. Dass nach dem Patentanspruch auch das Ende des Betriebs des Antriebs einzubeziehen ist, zeigt beispielsweise Merkmal 3.2. Danach ist die dauerhafte Abspeicherung wenigstens einer Betriebsinformation pro Betriebssekunde des Antriebs vorgesehen, und damit auch pro letzter Betriebssekunde (vgl. außerdem Abs. [0012] Sp. 32 f., 34–41, wonach auch die Information nach Merkmal 3.4 vorteilhafterweise pro Betriebssekunde des Pressgerätes bzw. des Antriebs erfasst wird).
  143. Ob, wie die Klägerin in zweiter Instanz unter Vorlage der Privatgutachten des Herrn Dipl.-Ing. I (Anlagen HL 13, HL 15) vorträgt, der Fachmann weiß, dass die dauerhafte Abspeicherung eines Informationssatzes mit auch zeitlich aufeinander folgenden und zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfassten Informationen technisch sinnvoll nur in der Weise möglich sei, dass zunächst sämtliche Informationen in einem Arbeitsspeicher (volatiler Speicher) gesammelt und erst nach vollständigem Zusammentragen aller Informationen in einen nicht-volatilen Speicher „umgespeichert“ werden, kann an dieser Stelle ebenso offen bleiben wie die Frage, ob und in welchem Umfang die Klägerin mit diesem Vortrag in der Berufungsinstanz gehört werden kann. Unabhängig davon, ob es sich bei dem Sammeln der Informationen in einem Arbeitsspeicher und ihrer anschließenden Umspeicherung in einen nicht-volatilen Speicher um die technisch einzig sinnvolle Möglichkeit handelt, schließt das Klagepatent diese Vorgehensweise jedenfalls nicht aus. Dass die Abspeicherung der Informationen in dem Moment ihrer Erfassung vorgesehen sein muss, ist dem Patentanspruch, wie ausgeführt, nicht zu entnehmen. Nachdem der Anspruch auch zu der Ausgestaltung des elektronischen Informationsspeichers keine einschränkenden Vorgaben macht und eine Ausführung als volatiler Speicher ebenso wenig ausschließt wie einen zweiteiligen Aufbau, bestehend aus volatilem und nicht-volatilem Speicher, kommt es auch diesbezüglich auf das von der Klägerin behauptete allgemeine Fachverständnis nicht an.
  144. 4.
    Ausgehend von einem solchen Verständnis machen die angegriffenen Ausführungsformen auch von Merkmal 3 des Patentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, so dass es insoweit keiner Ausführungen bedarf.
  145. a)
    In tatsächlicher Hinsicht ist dabei von Folgendem auszugehen:
  146. aa)
    Das Landgericht hat zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen festgestellt (S. 19 LGU):
  147. „Hinsichtlich der Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen ist zwischen den Parteien unstreitig, dass Betriebsinformationen der angegriffenen Ausführungsformen während des Betriebs in einem volatilen Zwischenspeicher aufgenommen werden. Diese Daten werden aus dem volatilen Zwischenspeicher über Leiterbahnen auf der Platine und eine serielle Schnittstelle in den nicht-volatilen Speicher übertragen. Dies geschieht, unmittelbar nachdem der Betrieb des Antriebs beendet ist, wobei kurzfristig eine Stromversorgung aufrechterhalten bleibt. Nach der Umspeicherung der Informationen aus dem Zwischenspeicher wird der Zwischenspeicher gelöscht. Sofern es zu einer unvorhergesehenen Unterbrechung der Stromzufuhr kommt, gehen die Daten auf dem Zwischenspeicher verloren. Als nicht-volatilen Speicher verwenden die angegriffenen Ausführungsformen ein separates elektronisches Halbleiterspeicherbauteil (Chip).“
  148. Diese Feststellungen, die von den Parteien nicht angegriffen werden und an deren Richtigkeit und Vollständigkeit im Grundsatz kein Zweifel besteht, hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Dies gilt allerdings nicht für die Formulierung, wonach die Umspeicherung in den nicht-volatilen Speicher erfolgt, „unmittelbar nachdem der Betrieb des Antriebs beendet ist“, bei der es sich im Kern um eine rechtliche Wertung handelt und der die Auslegung des Landgerichts zugrunde liegt, wonach der Betrieb des Antriebs beendet ist, sobald der Motor nicht mehr läuft (vgl. S. 16 LGU).
  149. Uneingeschränkt zu berücksichtigen ist darüber hinaus das weitere Vorbringen der Parteien zu der Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsformen, soweit dies in der Berufungsinstanz unstreitig geblieben ist (vgl. BGH, NJW 1980, 945; OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.07.2018, Az.: I-2 U 51/17, BeckRS 2018, 23974 – Anschlussarmaturen; Urt. v. 22.03.2019, Az.: I-2 U 31/16, BeckRS 2019, 6087, Rz. 222 – improving handovers; Zöller-Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 531 Rz. 9).
  150. Soweit die Klägerin unter Vorlage der Privatgutachten den in erster Instanz unstreitigen Vortrag zu den Abläufen im Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen durch Messungen und darauf aufbauende Angabe von Zeitangaben ergänzt hat, handelt es sich um die Konkretisierung bereits schlüssigen Vorbringens, welches ebenfalls in der Berufungsinstanz berücksichtigungsfähig ist (vgl. BGH, NJW 2007, 1531, 1532; GRUR 2012, 1236, 1239 – Fahrzeugwechselstromgenerator). Ob dies auch für den – durch die Auslegung des Landgerichts veranlassten – Vortrag zu dem Nachdrehen des Elektromotors nach Abschalten der Spannungsversorgung gilt oder ob dieser Vortrag aus anderen prozessualen Gründen berücksichtigungsfähig ist, kann offen bleiben. Denn nach der unter 3. dargestellten Auslegung kommt es darauf für die Verletzungsfrage nicht an.
  151. bb)
    Darauf aufbauend lässt sich der Ablauf eines Pressvorgangs im Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen wie folgt feststellen:
  152. 1. Der Pressvorgang beginnt mit dem Einschalten der Spannungsversorgung des Elektromotors. Damit wird der Motorlauf in Gang gesetzt, der – über das Getriebe und die Hydraulikpumpe – zu einem Druckaufbau im hydraulischen System führt.
  153. Zugleich beginnt die Erfassung von Informationen und deren Speicherung in einem volatilen Arbeitsspeicher.
  154. 2. Das Presswerkzeug erreicht das zu verpressende Werkstück und presst dieses.
  155. Sobald der vorgesehene maximale Pressdruck erreicht ist, öffnet sich im hydraulischen System ein Ventil (Druckbegrenzungsventil, DBV). Ab diesem Zeitpunkt sinkt der Druck im hydraulischen System wieder.
  156. 3. Mit dem Öffnen des DBV wird die Spannungsversorgung im Elektromotor ausgeschaltet. Zugleich endet die Aufzeichnung der Informationen.
  157. 4. Die im Arbeitsspeicher gesammelten Informationen werden nach dem Ausschalten der Spannungsversorgung des Elektromotors von dort in den nicht-volatilen Speicher Flash-ROM umgespeichert.
  158. Zu diesem Zeitpunkt ist der Hydraulikkolben noch nicht vollständig zurückgelaufen und das Presswerkzeug noch nicht entlastet.
  159. 5. Schließlich wird das Presswerkzeug durch eine Rückzugsfeder wieder in seine Ausgangsposition zurückgezogen.
  160. b)
    Unter Berücksichtigung der unter 3. dargestellten Auslegung ergibt sich auf der Grundlage dieser Feststellungen die Verwirklichung von Merkmal 3 des Klagepatentanspruchs 1.
  161. aa)
    Der Antrieb der angegriffenen Ausführungsformen im Sinne der Lehre des Klagepatents besteht aus allen dem elektrohydraulischen System zuzuordnenden Bauteilen wie Elektromotor, Getriebe, Hydraulikpumpe und dem hydraulischen Presszylinder. Der Betrieb des Antriebs umfasst den Zeitraum der Aktivität dieser Bauteile, die der Bewegung des Presswerkzeuges – von der Offenstellung über die Endpressstellung bis zu der erneuten Offenstellung – dienen. Der elektronische Informationsspeicher der angegriffenen Ausführungsformen setzt sich aus einem volatilen Arbeits- bzw. Zwischenspeicher und einem nicht-volatilen Speicher Flash-ROM (Chip) zusammen.
  162. bb)
    Im Betrieb der angegriffenen Ausführungsformen findet eine dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher von Informationen im Sinne der Merkmale 3.1 bis 3.4 während des Betriebs des Antriebs statt, womit die für die Verwirklichung des Vorrichtungsanspruchs ausreichende objektive Eignung ebenfalls feststeht:
  163. (1)
    Eine dauerhafte Abspeicherung erfolgt bereits mit dem Speichern der Informationen in den volatilen Arbeits- bzw. Zwischenspeicher als einem Bestandteil des zweiteiligen elektronischen Informationsspeichers.
  164. Die Abspeicherung ist dauerhaft, weil die Informationen bis zu einer möglichen Übertragung auf einen Computer zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit des Datenverlusts infolge einer Unterbrechung der Spannungsversorgung bis zur Umspeicherung in den nicht-volatilen Speicher Flash-ROM führt nach obiger Auslegung nicht aus der Verletzung heraus.
  165. Die Abspeicherung erfolgt auch während des Betriebs des Antriebs. In zeitlicher Hinsicht ist dies – stellt man, wie hier, auf den Zeitpunkt der Abspeicherung in den volatilen Arbeitsspeicher ab – zwischen den Parteien unstreitig. Selbst wenn man nämlich nach der Auslegung der Beklagten zu 1) und 3) die spannungsversorgte Aktivität des Elektromotors für erforderlich hielte, wäre diese im Zeitpunkt der Abspeicherung gegeben.
  166. Der Sichtweise, wonach eine dauerhafte Abspeicherung in den elektronischen Informationsspeicher während des Betriebs des Antriebs mit dem Speichern der Informationen in den volatilen Arbeits- bzw. Zwischenspeicher erfolgt, steht auch nicht entgegen, dass diese mit dem dortigen (Zwischen-) Speichern der Informationen noch nicht vollständig abgeschlossen ist, sondern vor der Übertragung der Daten auf den Computer noch der Schritt einer Umspeicherung des gesammelten Satzes an Informationen in den Speicher Flash-ROM erfolgt. Ein vollständiger Abschluss des Speichervorgangs während des Betriebs des Antriebs ist, wie oben dargestellt, für die Merkmalsverwirklichung nicht erforderlich.
  167. (2)
    Aber auch wenn man dies anders sieht und für die dauerhafte Abspeicherung erst auf den Zeitpunkt der Umspeicherung der im Arbeitsspeicher gesammelten Informationen in den nicht-volatilen Speicher Flash-ROM abstellt, lässt sich die Merkmalsverwirklichung feststellen. Dass es sich spätestens in diesem Zeitpunkt um eine dauerhafte Abspeicherung handelt, wird von den Parteien zu Recht nicht in Abrede gestellt. Die Abspeicherung erfolgt auch bei dieser Sichtweise zudem während des Betriebs des Antriebs.
  168. (a)
    Der Antrieb ist zum Zeitpunkt der Umspeicherung bereits deshalb noch nicht beendet, weil der Hydraulikkolben noch nicht vollständig zurückgezogen und das Presswerkzeug noch nicht entlastet ist. Der Hydraulikkolben ist – unabhängig davon, ob man ihn als Teil des Presszylinders oder als eigenständiges Bauteil ansieht – Teil des elektrohydraulischen Systems und damit Bestandteil des Antriebs. Sein vollständiger Rückzug in die Ausgangsstellung dient der Bewegung des (noch nicht entlasteten) Presswerkzeugs und ist dem Betrieb des Antriebs zuzuordnen.
  169. (b)
    Selbst wenn man aber den Betrieb des Antriebs enger – etwa als spannungsversorgte Aktivität des Elektromotors – definieren und zum Zeitpunkt der Umspeicherung in den nicht-volatilen Speicher Flash-ROM als beendet ansehen wollte, ließe sich eine Abspeicherung während des Betriebs des Antriebs feststellen. Denn es handelt sich bei dem Ende des Antriebs jedenfalls, wie oben erläutert, nicht um eine starre Grenze und für die Bedienperson kaum wahrnehmbare Verzögerungen sind unerheblich. Um solche Verzögerungen kann es sich hier allenfalls handeln, weil auch nach dem Vortrag der Beklagten zu 1) und 3) zwischen dem Abschalten der Spannungsversorgung des Elektromotors und dem Beginn des Umspeicherns nur 0,354 Sekunden vergehen (S. 16 der Berufungserwiderung, Bl. 245 GA).
  170. Dem steht nicht der Vortrag der Beklagten zu 1) und 3) in der Berufungserwiderung entgegen, wonach die erfassten Daten in den angegriffenen Ausführungsformen nicht schon bei Beendigung des Abspeicherns für die nachträgliche Analyse zur Verfügung stünden (S. 18 der Berufungserwiderung, Bl. 247 GA). Die Beklagten zu 1) und 3) stellen auf den Zeitpunkt der Bereitstellung der Daten zur Analyse in der […] App ab und verweisen darauf, dass die App die Daten zunächst per Bluetooth durch den Mikrocontroller aus dem Speicher auslesen und von diesem an die App übertragen lassen müsse; die Datenübertragung per Bluetooth stehe geräteseitig nicht unmittelbar nach dem Speichern der Messdaten zur Verfügung. Ob die Beklagten zu 1) und 3) mit diesem Vorbringen in der Berufungsinstanz noch gehört werden können, kann offen bleiben, weil die Merkmalsverwirklichung dadurch jedenfalls nicht in Frage gestellt wird. Bei dem von der Klägerin geltend gemachten Anspruch 1 des Klagepatents handelt es sich, wie unter 3. a) erläutert, zum einen um einen Vorrichtungsanspruch, der nur die Ausgestaltung des Pressgerätes unter Schutz stellt. Zum anderen haben die von der unter Schutz gestellten Lehre im Betrieb eines erfindungsgemäßen Pressgerätes vorgesehenen Schritte einer Übertragung und Analyse der Daten, wie ebenfalls unter 3. a) erläutert, nur insoweit Niederschlag in der Ausgestaltung eines erfindungsgemäßen Pressgerätes gefunden, als ein solches nach Merkmal 2.3.2 ein Interface zum Anschluss eines Computers aufweist. Auf welche Art und Weise die Übertragung und Analyse der Daten über dieses Interface – im Fall der angegriffenen Ausführungsformen eine Bluetooth-Schnittstelle – tatsächlich vorgenommen wird, liegt auch aus diesem Grund außerhalb des Anspruchs.
  171. 5.
    Durch die Herstellung und den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen verletzt die Beklagte zu 1) das Klagepatent entgegen § 9 Abs. 2 Nr. 1 PatG.
  172. Die Haftung des Beklagten zu 3) folgt aus dessen Stellung als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten zu 1). Für die von einer Handelsgesellschaft begangene Schutzrechtsverletzung hat deren gesetzlicher Vertreter grundsätzlich persönlich einzustehen, weil er kraft seiner Stellung im Unternehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen hat (OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.06.2015, Az.: I-2 64/14, GRUR-RS 2015, 18679, Rz. 64 – Verbindungsstück; Urt. v. 18.03.2021, Az.: I-2 U 18/19, GRUR-RS 2021, 6714 Rz. 107 – Hubsäule; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Abschn. D Rz. 401). Dies entspricht jahrzehntelanger, vom für das Patentrecht zuständigen X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes gebilligter Rechtsprechung des erkennenden Senats und anderer Instanzgerichte (BGH, GRUR 2016, 257 – Glasfasern II). Diese Grundsätze sind auch auf den Geschäftsführer der – hier selbst nicht in Anspruch genommenen – Komplementärin einer GmbH & Co. KG anwendbar (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.01.1997, Az.: 20 U 230/95; KG, Urt. v. 15.11.1994, Az.: 5 U 6421/93, Juris (Ls.); Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Henze/Notz, Handelsgesetzbuch, 4. Aufl., Anhang 1 GmbH & Co. KG Rz. 269, jeweils zur Störerhaftung wegen Wettbewerbsverstößen). Ob sich der Geschäftsführer der Komplementärin mit dem Einwand entlasten könnte, die wesentliche Aufgabe der von ihm vertretenen GmbH bestehe nicht in der Führung der Geschäfte der KG (vgl. BGH, Urt. v. 22.09.2020, Az.: II ZR 141/19, BeckRS 2020, 26486 Rz. 18 m.w.N. zur Innenhaftung gegenüber der KG), kann offen bleiben. Entsprechendes hat der Beklagte zu 3) nicht geltend gemacht. Ebenso wenig hat sich der Beklagte zu 3), den als Geschäftsführer grundsätzlich die Gesamtverantwortlichkeit für das geschäftliche Handeln der GmbH trifft (BGH, WM 2019, 265, 267) und der daher für eine anderweitige Ressortabgrenzung darlegungsbelastet ist, darauf berufen, die patentverletzenden Handlungen fielen – bezogen auf die Aufgabenverteilung innerhalb der Geschäftsführung der GmbH – nicht in seinen Verantwortungsbereich.
  173. 6.
    Es ergeben sich im Einzelnen die folgenden Rechtsfolgen:
  174. a)
    Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes im Inland ohne Berechtigung erfolgt.
  175. b)
    Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 3) dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG. Als Fachunternehmen bzw. deren (mittelbarer) gesetzlicher Vertreter hätten die Beklagten zu 1) und 3) die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB.
  176. Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten zu 1) und 3) die Entstehung eines Schadens hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadenersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
  177. Die Beklagten zu 1) und 3) haften für die Patentverletzung als Gesamtschuldner, § 840 Abs. 1 BGB (vgl. Benkard-Grabinski/Zülch, Patentgesetz, 11. Aufl., § 139 PatG Rz. 21).
  178. c)
    Weiter hat die Klägerin gegen die Beklagte zu 1) dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer den Umständen nach angemessenen Entschädigung aus Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG. Die Beklagte zu 1) als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, dass die von ihr benutzte Erfindung Gegenstand der europäischen Patentanmeldung war.
  179. Der Anspruch besteht allerdings nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang. Für eine den gesamten Offenlegungszeitraum umfassende Verurteilung ist – wie beim Schadenersatzanspruch (vgl. dazu BGH, GRUR 1992, 612, 616 – Nicola; GRUR 2007, 877, 878 f. – Windsor Estate) – grundsätzlich die Feststellung einer anspruchsbegründenden Benutzungshandlung ausreichend. Einer solchen Feststellung bedarf es umgekehrt aber auch in jedem Fall, also auch dann, wenn unstreitig oder bewiesen ist, dass dem Beklagten schadenersatzbegründende Verletzungshandlungen nach Veröffentlichung der Patenterteilung zur Last fallen und der Beklagte bestreitet, das Klagepatent vorher (während des Offenlegungszeitraums) benutzt zu haben (Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Abschn. D Rz. 664). Solches lässt sich für die angegriffene Ausführungsform F feststellen, nicht dagegen für die übrigen Ausführungsformen.
  180. aa)
    Im Fall der angegriffenen Ausführungsform F ist für eine Verurteilung wegen des gesamten entschädigungspflichtigen Zeitraums ausreichend, dass es unstreitig vor dem 05.06.2015 – also vor Beginn der Geltendmachung des Schadenersatzanspruchs – zu Benutzungshandlungen gekommen ist. Dass sich auf der Grundlage des unstreitigen Vorbringens nicht auch feststellen lässt, dass die Benutzungshandlungen vor dem 06.05.2015 – dem Tag der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung – erfolgt sind, sondern auch Handlungen im sogenannten „Karenzmonat“ vor dem von der Klägerin beantragten Beginn der Schadenersatzpflicht in Betracht kommen, steht einer Verurteilung nicht entgegen. Denn auch bei Benutzungshandlungen in dem von der Klägerin bei ihrer Antragstellung zur Ausfüllung des Verschuldenserfordernisses beim Schadenersatzanspruch berücksichtigten Karenzmonat handelt es sich um entschädigungspflichtige Handlungen, die eine Verurteilung für den gesamten Offenlegungszeitraum – genauer: entschädigungspflichtigen Zeitraum – rechtfertigen.
  181. Der Entschädigungsanspruch, der in objektiver Hinsicht nicht mehr verlangt als die Benutzung einer Anmeldung, besteht im Grundsatz auch über den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung hinaus fort. Dass es sich in dem einen Fall – Benutzung vor Patenterteilung – um rechtmäßiges, in dem anderen Fall – Benutzung nach Patenterteilung – um rechtswidriges Verhalten handelt, steht dem nicht entgegen. Eine Einschränkung auf rechtmäßige Handlungen lässt sich Art. II § 1 IntPatÜG nicht entnehmen. Dass der Entschädigungsanspruch gleichwohl in aller Regel nicht neben dem Schadenersatzanspruch geltend gemacht werden kann, ist darin begründet, dass ab Eingreifen der Schadenersatzpflicht kein schutzwürdiges Interesse mehr an der Feststellung einer daneben bestehenden Entschädigungspflicht besteht (vgl. BGH, Urt. v. 28.07.2022, Az.: I ZR 141/20, GRUR-RS 2022, 19565 – Elektronischer Pressespiegel II: zum Verhältnis zwischen Schadenersatz und Bereicherungsausgleich). Davon ausgehend handelt es sich bei Benutzungen im Karenzmonat um entschädigungspflichtige Handlungen, wobei für die gerichtliche Feststellung der Entschädigungspflicht – weil ein Schadenersatzanspruch für diesen Zeitraum nicht geltend gemacht wird – auch ein Bedürfnis besteht. In der Folge lösen Benutzungshandlungen im Karenzmonat in gleicher Weise eine Entschädigungspflicht aus wie solche vor Patenterteilung.
  182. bb)
    Soweit es die übrigen angegriffenen Ausführungsformen angeht, lassen sich keine die Entschädigungspflicht begründenden Handlungen feststellen und fehlt es somit, wie oben dargestellt, an einer Grundlage für eine Verurteilung wegen des gesamten entschädigungspflichtigen Zeitraums. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat zwar Benutzungshandlungen vor dem 05.06.2015 behauptet. Beweis hierfür hat sie jedoch – nachdem die Beklagte zu 1) diese bestritten hat – nicht angeboten.d)
    Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG; der Umfang der Auskunftspflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG.
  183. e)
    Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, ihre Schadenersatz- und Entschädigungsansprüche zu beziffern, steht ihr im tenorierten Umfang ein Anspruch auf weitergehende Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagten zu 1) und 3) werden durch die ihnen abverlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  184. Nachdem der Rechnungslegungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs aber nur dann und nur soweit geltend gemacht werden kann, wie ein solcher Zahlungsanspruch auch besteht, kann die Klägerin Rechnungslegung von dem Beklagten zu 3) nicht bereits ab dem 18.03.2009 verlangen. Denn ab diesem Zeitpunkt (Offenlegung zuzüglich Karenzmonat) kommt nur die Vorbereitung des Entschädigungsanspruchs in Betracht, den die Klägerin zu Recht nur gegenüber der Beklagten zu 1) geltend macht. Aus dem gleichen Grund ist der Rechnungslegungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1) in dem die Vorbereitung des Entschädigungsanspruchs betreffenden Zeitraum auf die angegriffene Ausführungsform F zu beschränken.
  185. f)
    Schließlich kann die Klägerin die Beklagte zu 1) aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG auf Rückruf und Vernichtung patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch nehmen.
  186. 7.
    Zu einer Aussetzung der Verhandlung im vorliegenden Verletzungsstreit (§ 148 ZPO) bis zu einer Entscheidung über die von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage besteht kein Anlass.
  187. a)
    Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237 Rz. 4 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Rückruf und Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch bzw. der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 Rz. 4 – Kurznachrichten; st. Rspr. des Senats, siehe nur Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, GRUR-RS 2018, 34555 Rz. 109 – Papierrollensäge).
  188. b)
    Davon ausgehend bietet der durch die Beklagten zu 1) und 3) zur Begründung ihres Aussetzungsbegehrens herangezogene Stand der Technik, die DE 203 17 912 U1 (Anlage TW 5; nachfolgend: D1), für eine Aussetzung der Verhandlung keinen Anlass.
  189. aa)
    Bei der D1 handelt es sich um bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigten Stand der Technik. In einem solchen Fall kommt eine Aussetzung regelmäßig nicht in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.10.2021, Az.: I-2 U 5/21, GRUR-RS 2021, 34296 – Laufsohle; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 14. Aufl., Abschn. E, Rz. 868).
  190. bb)
    Abgesehen davon lässt sich dem Vorbringen der Beklagten zu 1) und 3) die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme der Lehre des Klagepatents (Art. 54 EPÜ) durch die D1 nicht entnehmen.
  191. (1)
    Die D1 offenbart ein handgeführtes Pressgerät mit einem Presswerkzeug zur Herstellung von Pressverbindungen. Nach dem Schutzanspruch 1 der D1 ist ein solches Pressgerät dadurch gekennzeichnet, dass es eine Erfassungseinrichtung für gerätespezifische und/oder verpressungsspezifische und/oder bedienerspezifische Daten aufweist und dass die Erfassungseinrichtung mit zumindest einer Dokumentationseinrichtung derart verbunden ist, dass nach Erfassung der Daten für jeden Verpressvorgang automatisch ein Dokument mit diesen Daten in lesbarer Form angefertigt wird. Als den Grundgedanken der Erfindung bezeichnet es die D1, dass von jeder Pressverbindung automatisch eine individuelle Dokumentation angefertigt wird, die bestimmte Daten festhält und in lesbarer Form darstellt (Abs. [0008] der D1). So kann später nachvollzogen werden, wie im Einzelnen die Verpressung stattgefunden hat, was die Ermittlung der Verantwortlichkeit in Garantiefällen und/oder die Nachkontrolle der Pressverbindung beispielsweise als Basis für eine Abnahme verbessert (Abs. [0008] der D1).
  192. (2)
    Es fehlt jedenfalls an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung von Merkmal 2.3.3, wonach die elektronische Steuer- und Überwachungseinheit des Pressgerätes – neben einem Hubzahlzähler und einem Betriebsstundenzähler – eine Temperaturmesseinrichtung aufweist.
  193. (a)
    Die Beklagten zu 1) und 3) leiten die Offenbarung einer – in der D1 nicht erwähnten – Temperaturmesseinrichtung daraus ab, dass das dort offenbarte Pressgerät eine „Erfassungseinrichtung für gerätespezifische und/oder verpressungsspezifische und/oder bedienerspezifische Daten“ aufweist (Schutzanspruch 1, vgl. auch Abs. [0008] der D1). Bei der Temperatur handele es sich, so die Beklagten zu 1) und 3), um ein geräte-/verpressungspezifisches Datum, da gerade die Temperatur beispielsweise zur Vermeidung von Überhitzungen des Akkus relevant sei. Die für eine neuheitsschädliche Vorwegnahme erforderliche unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merkmals zeigen die Beklagten zu 1) und 3) damit indes nicht auf. Der Hinweis darauf, dass es sich bei der Temperatur um ein geräte- oder verpressungsspezifisches Datum im Sinne der D1 handele, reicht schon deshalb nicht aus, weil Schutzbereich und Offenbarung nicht gleichzusetzen sind. Maßgeblich ist nicht, ob die Temperatur als mögliches geräte- oder verpressungsspezifisches Datum dem Schutzanspruch 1 der D1 unterfällt, sondern ob sie (nebst einer Einrichtung zu ihrer Erfassung) selbst in der D1 offenbart ist (vgl. BGH, GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin). Ein allgemeiner Begriff offenbart grundsätzlich auch nicht alle diesem unterfallenden speziellen Begriffe (vgl. BGH, GRUR 2000, 296, 297 – Schmierfettzusammensetzung; BeckOK Patentrecht-Fitzner/Metzger, 24. Ed., § 3 Rz. 121; Rogge, GRUR 1996, 931, 937).
  194. (b)
    Aber auch das Argument der Beklagten zu 1) und 3), die Temperaturerfassung sei für den Fachmann, der insbesondere beim Pressen von Kunststoffsystemen um die Relevanz der Verarbeitungstemperatur wisse, selbstverständlich, lässt nicht erkennen, dass eine Temperaturerfassungseinrichtung vom Offenbarungsgehalt der D1 umfasst ist. Um festzustellen, was aus fachmännischer Sicht einer Schrift unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, bedarf es einer Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung (vgl. BGH, GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin; GRUR 2014, 758, 761 – Proteintrennung). Erfasst ist dabei auch dasjenige, was in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich oder unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf (BGH, GRUR 1995, 330, 332 – Elektrische Steckverbindung; GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin). Dass dies der Fall ist, lässt sich auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten zu 1) und 3) nicht mit dem nach den oben dargestellten Maßstäben erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit feststellen.
  195. Die D1 definiert selbst, was sie unter geräte- und verpressungsspezifischen Daten versteht, erläutert deren Funktion und nennt jeweils Beispiele: So handelt es sich bei gerätespezifischen Daten im Sinne der D1 um solche, die das bei der Herstellung der Verpressung jeweils eingesetzte Pressgerät betreffen (Abs. [0009]). Ziel ist die Identifizierung des Pressgerätes und des zugehörigen Presswerkzeuges; es soll rückverfolgt werden können, welches Pressgerät bzw. Presswerkzeug verwendet worden ist (Abs. [0009], [0015]). Beispiele sind Typ und Seriennummer des Pressgerätes bzw. Typ, Seriennummer und Nenngröße des Presswerkzeuges sowie Kontrolldaten über das Pressgerät bzw. -werkzeug (Abs. [0015]). Verpressungsspezifische Daten sind demgegenüber solche, die im Zusammenhang mit dem jeweiligen Pressvorgang stehen und ihn gegenüber anderen Pressvorgängen individualisieren (Abs. [0009]). Diese Daten sollen Informationen darüber liefern, ob ein Pressvorgang ordnungsgemäß war (Abs. [0009]). Sie sind von erheblicher Wichtigkeit, um eine Aufklärung von späteren Garantiefällen zu ermöglichen oder auch bei der Nachkontrolle der Verpressungen Informationen darüber zu erhalten, ob die Verpressung in Ordnung ist oder nicht (Abs. [0015]). Es kann sich beispielsweise um Datum und Uhrzeit der Verpressung, Verpressweg, maximale Verpresskraft, Verlauf der Verpresskraft über den Verpressweg, Anzahl der Verpressungen sowie Daten darüber handeln, ob eine Verpressung ordnungsgemäß war oder nicht (Abs. [0015]).
  196. Die – mittels einer Temperaturmesseinrichtung zu erfassende – Temperatur des Pressgerätes als relevantes Datum lässt sich dem nicht – auch nicht implizit – entnehmen. Der Bewertung der Funktionsfähigkeit des Pressgerätes misst die D1, anders als das Klagepatent, keine Bedeutung bei. Während mit den gerätespezifischen Daten nach der Lehre der D1 das Pressgerät bzw. -werkzeug nachträglich identifiziert werden kann, sollen mit den verpressungsspezifischen Daten einerseits Garantiefälle aufgeklärt werden können und andererseits die Ordnungsmäßigkeit des Pressvorgangs, die sich in der geschaffenen Pressverbindung widerspiegelt (vgl. Abs. [0008]), überprüfbar werden. Dass für diese Zwecke die Temperatur des Pressgerätes während des Pressvorgangs so eindeutig von Bedeutung ist, dass ihre Erfassung (mittels Temperaturmesseinrichtung) für den Fachmann bei Lektüre der D1 selbstverständlich und unerlässlich ist, ist nicht erkennbar. Soweit die Beklagten zu 1) und 3) mit ihrem Hinweis, Verpressungen erfolgten gegebenenfalls in Umgebungen mit hohen Temperaturen, eine Temperaturmesseinrichtung zur Erfassung der Außentemperatur ansprechen, gilt Entsprechendes. Auch insoweit ist die Bedeutung ihrer Erfassung jedenfalls nicht so eindeutig von Bedeutung, dass sich der Offenbarungsgehalt der D1 trotz fehlender Erwähnung hierauf erstreckt.
  197. (c)
    Soweit die Beklagten zu 1) und 3) im Zusammenhang mit Merkmal 3.3 argumentieren, die Temperaturerfassung sei für den Fachmann selbstverständlich und aufgrund seines Fachwissens nicht nur naheliegend, sondern beispielsweise auch in der DE 102 12 064 B4 (Anlage TW 6; nachfolgend: D2) genannt, kommt es darauf im Rahmen der Neuheitsprüfung nicht an. Denn die Prüfung, ob die geschützte Lehre durch eine Entgegenhaltung neuheitsschädlich vorweggenommen ist, ist grundsätzlich durch einen Einzelvergleich vorzunehmen. Weitere Unterlagen sind zur Bestimmung des Offenbarungsgehalts nur dann heranzuziehen, wenn in der zu prüfenden Entgegenhaltung darauf Bezug genommen wird, wenn hinreichend deutlich gemacht wird, welche daraus ersichtlichen Informationen in Bezug genommen und zur Grundlage der Entgegenhaltung gemacht werden und wenn sie dem Leser zum jeweils maßgeblichen Datum zugänglich sind (BGH, Urt. v. 04.11.2008, Az.: X ZR 154/05, BeckRS 2009, 2615 Rz. 26; Urt. v. 25.02.2010, Az.: Xa ZR 34/08, BeckRS 2010, 8686 Rz. 48). Dies ist – anderes machen auch die Beklagten zu 1) und 3) nicht geltend – nicht der Fall.
  198. cc)
    Sollte man den Hinweis der Beklagten zu 1) und 3) auf die D2 als Begründung einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit begreifen wollen, wäre jedenfalls ein Anlass für den Fachmann, auf die genannte Druckschrift zurückzugreifen, nicht aufgezeigt.
  199. III.
  200. Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Eine Teilkostenentscheidung war nicht veranlasst.
  201. Ein Teilurteil, das hinsichtlich eines Streitgenossen den Prozess abschließend entscheidet, kann eine Teilkostenentscheidung treffen (BGH, NJW-RR 2001, 642). Voraussetzung ist aber grundsätzlich, dass die im Schlussurteil zu treffende Kostenentscheidung hiervon nicht mehr berührt wird (MüKo ZPO-Schulz, 6. Aufl., § 100 Rz. 56). Obsiegt der Kläger gegen einen von mehreren Streitgenossen – oder wie hier gegen mehrere von mehreren Streitgenossen –, die mit Rechtskraft der Entscheidung aus dem Verfahren ausscheiden, kann den vorab durch Teilurteil verurteilten Beklagten grundsätzlich keine Quote der Gesamtkosten auferlegt werden. Denn der Umfang des Obsiegens des Klägers steht – nach Maßgabe der Kostenformel nach Baumbach –erst fest, wenn der Rechtsstreit auch gegen die übrigen Streitgenossen entschieden ist. Dem Ausscheidenden könnte hier nur die Quote der bis zum Teilurteil entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt werden. Dies entspräche jedoch einer Unterteilung nach Zeitabschnitten, was dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung zuwiderliefe (MüKo ZPO-Schulz, 5. Aufl., § 100 Rz. 59). Zwar kann hiervon ausnahmsweise abgewichen werden, wenn ein – von diesem darzulegendes – berechtigtes Interesse des Klägers an einer ausnahmsweise vorgezogenen Teilkostenentscheidung besteht (BGH, NJW-RR 2001, 642; KG, Beschl. v. 24.02.2003, Az.: 5 W 326/02, BeckRS 2003, 30308425; vgl. auch MüKo ZPO-Schulz, 5. Aufl., § 100 Rz. 59: wenn ein Zuwarten bis zum Schlussurteil unzumutbar ist). Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn die Realisierung des Kostenerstattungsanspruchs aufgrund konkreter Umstände, z.B. wegen des glaubhaft dargestellten Umfangs der in Rede stehenden Kostenmasse oder wegen drohender Verarmung des Zahlungspflichtigen, gefährdet erscheint (MüKo ZPO-Schulz, 5. Aufl., § 100 Rz. 59; zu einzelnen Anwendungsfällen vgl. BGH, NJW-RR 2001, 642; KG, Beschl. v. 24.02.2003, Az.: 5 W 326/02, BeckRS 2003, 30308425; Beschl. v. 21.08.2013, Az.: 5 W 170/13, BeckRS 2016, 9838). Für das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalles hat die Klägerin indes nichts dargetan. Allein der Umstand einer angesichts des Streitwerts erheblichen Kostenbelastung reicht hierfür nicht aus.
  202. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
  203. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).
  204. Eine (endgültige) Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG hatte zu unterbleiben, da noch keine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergangen oder sich das Verfahren anderweitig erledigt hat (vgl. Binz/Dörndörfer/Zimmermann-Dörndörfer, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl., § 63 GKG Rz. 4).

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