Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3173
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 16. November 2021, Az. 4a O 68/20
- Die Beklagten werden verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzen-den Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft im Falle der Beklagten zu 1) an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist,
zu unterlassen,
Waffen, welche als Gasdrucklader ausgebildet sind,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
wenn diese mit einem Waffenverschlusssystem mit einem Verschlussträger und ei-nem wenigstens eine ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnung sowie einen Schließfeder-kolben aufweisenden Schließfedermechanismus ausgestattet sind,
wenn bei dem Waffenverschlusssystem der Verschlussträger und der Schließfeder-kolben derart zusammenwirkend ausgelegt sind, dass der Schließfederkolben bei zu-rücklaufendem Verschlussträger Flüssigkeit aus der wenigstens einen ventilfreien Flu-id-Durchtritts-Öffnung verdrängt;
wenn das Waffenverschlusssystem wenigstens einen Funktionshohlraum und wenigs-tens eine den Funktionshohlraum mit der Umgebung verbindende ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnung aufweist, und zwar derart, dass etwa in den Funktionshohlraum eingetretenes, die Funktion des Waffenverschlusssystems beeinträchtigendes Fluid durch die ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnung(en) einfach und schnell nach außen ab-leitbar ist;
und wenn bei der Waffe der Kolben ein kurzer Gaskolben, der Zylinder ein kurzer Gaszylinder und die Betätigungsstange eine Gasabnahmestange ist, die von einer Gasabnahme bis zum Verschlussträger reicht und derart mit dem Waffenverschluss-system zusammenwirkt, dass sie den Verschlussträger antreibt und so über den vom Verschlussträger angetriebenen Schließfederkolben Flüssigkeit aus der wenigstens einen ventilfreien Fluid-Durchtritts-Öffnung des Schließfedermechanismus verdrängt.2.
Der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 01.01.2017 begangen haben, und zwar unter Angabe
– der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesit-zer;
– der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufs-stellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
– der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen; - 3.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 03.08.2010 begangen haben, und zwar unter An-gabe:
– der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und An-schriften der Abnehmer,
– der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und An-schriften der Angebotsempfänger,
– der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagen-höhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume,
– der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
– im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schal-tungszeiträume, - und wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, verei-digten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Ange-botsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4.
nur die Beklagte zu 1): die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ih-rem Eigentum befindlichen, unter I. 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben; - 5.
nur die Beklagte zu 1): die unter I 1. Bezeichneten, seit dem 01.01.2017 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 16.11.21) festgestellten pa-tentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse an sich zu nehmen. - II.
Es wird festgestellt,
dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 03.08.2010 began-genen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird, wobei der Anspruch für Handlungen nach I. 1., die vor dem 01.01.2017 begangen worden sind, auf Heraus-gabe dessen, was die Beklagten durch diese Handlungen erlangt haben, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung beschränkt ist. - III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. -
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten. - V.
Das Urteil ist für die Klägerin vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,00. Darüber hinaus werden folgende Teilsicherheiten festgesetzt: Die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf und Vernichtung sind gemeinsam gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 750.000,00; ferner sind die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung gemeinsam gesondert vorläu-fig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 15.000,00. - Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen unmittelbarer Patentverletzung auf Unterlas-sen, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Entschädigung- und Schadenersatzfeststellung in Anspruch.
Die Klägerin ist als Inhaberin des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 018 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent, vorgelegt als Anlage K1) im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (vgl. Anlage K2) eingetragen.
Das in deutscher Verfahrenssprache erteilte Klagepatent wurde am 15.05.2007 an-gemeldet. Die Veröffentlichung der Patentanmeldung erfolgte am 28.01.2009. Das Europäische Patentamt veröffentlichte den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 20.01.2010. Das Klagepatent nimmt die Priorität der DEXXX U vom 17.05.2006 in Anspruch.
Das Klagepatent steht in Kraft. Die Beklagte zu 1) hat unter dem 09.12.2020 Nichtig-keitsklage beim Bundespatentgericht gegen den deutschen Teil des Klagepatents er-hoben, Az.: 7 Ni 29/20 (vorgelegt als Anlage B1). Eine Entscheidung ist bislang nicht ergangen. Das Klagepatent war ebenfalls Gegenstand eines weiteren Verfahrens zwi-schen der Klägerin und der Beklagten zu 1)(, das vor der Kammer geführt worden ist (Az. 4a O 85/20).
Die in Kombination geltend gemachten Ansprüche 1, 2, 21 und 23 des Klagepatents lauten wie folgt: - „1. Waffenverschlußsystem (8) mit
– einem Verschlussträger (16) und
– einem wenigstens eine Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 56, 58, 60) sowie einen Schließfederkolben (22) aufweisenden Schließfe-dermechanismus,
dadurch gekennzeichnet, dass der Verschlussträger (16) und der Schließfeder-kolben (22) derart zusammenwirkend ausgelegt sind, dass der Schließfeder-kolben (22) bei zurücklaufendem Verschlussträger (16) Flüssigkeit aus der we-nigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 56, 58, 60) verdrängt“. - „2. Waffenverschlusssystem (8) nach Anspruch 1, mit wenigstens einem Funk-tionshohlraum (38, 48) und wenigstens einer den Funktionshohlraum (38, 48) mit der Umgebung verbindenden Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 56, 58, 60) derart, dass etwa in den Funktionshohlraum (38, 48) eingetretenes, die Funktion des Waffenverschlusssystems (8) beeinträchtigendes Fluid durch die Fluid-Durchtritts-Öffnung(en) (50, 52, 54, 56, 58, 60) einfach und schnell nach außen ableitbar ist.“
- „21. Waffe, insbesondere Gasdrucklader, mit einem Waffenverschlusssystem (8) nach einem der vorstehenden Ansprüche.“
- „23. Waffe nach Anspruch 21 oder 22, bei der der Kolben (36) ein kurzer Gas-kolben (36), der Zylinder (34) ein kurzer Gaszylinder (34) und die Betätigungs-stange (30) eine Gasabnahmestange (30) ist, die von einer Gasabnahme (28) bis zum verschlussträger (16) reicht und derart mit dem Waffenverschlusssys-tem (8) zusammenwirkt, dass sie den Verschlussträger (16) antreibt und so über den vom Verschlussträger (16) angetriebenen Schließfederkolben (22) Flüssigkeit aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 58, 60) des Schließfedermechanismus verdrängt.“
- Hinsichtlich der nur in der Form von Insbesondere-Anträgen geltend gemachten Un-teransprüche 3-20 und 22 wird auf die Klagepatentschrift (Anlage K1) verwiesen.
- Die Klägerin beschränkt die geltend gemachten Ansprüche zudem dahingehend, dass es sich um ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnungen handelt.
- Zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre wird nachfolgend Figur 1 des Klage-patents verkleinert eingeblendet, welche ein Sturmgewehr zeigt. Es umfasst u.a. ein Gehäuse 2, ein Rohr 4 und ein Verschlusssystem 8. Am hinteren Ende des Rohres 4 befindet sich ein Patronenlager 14, welches durch einen Verschluss 16, 18 verschlos-sen wird. Dieser Verschluss ist zweiteilig und setzt sich aus einem Verschlussträger 16 und einen Verschlusskopf 18 zusammen (Abs. [0036] des Klagepatents).
Weiter wird Figur 2 des Klagepatents verkleinert eingeblendet. Figur 2 zeigt eine ver-größerte Querschnittsansicht eines Ausschnitts der Waffe aus Figur 1. Hierbei sind zwei Funktionshohlräume 38, 48, die Schlagbolzenführung 38 und der Schließfeder-mechanismus 48, abgebildet. Weiter sind mehrere Öffnungen (50, 52, 54, 58 und 60) gezeigt. - Nachstehend wird Figur 3 des Klagepatents verkleinert eingeblendet, welches einen vergrößerten vorderen Ausschnitt des Verschlusssystems 8 aus Figur 2 zeigt:
-
Schließlich wird Figur 5 des Klagepatents verkleinert eingeblendet, welche eine Quer-schnittsaufsicht auf die Schulterstütze 62 der Waffe aus Figur 1 von hinten zeigt:
Die Beklagte zu 1) ist in der Rüstungsindustrie tätig und stellt Waffen und Gewehre her. Der Beklagte zu 2) ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
Die Beklagte zu 1) bietet über ihre in deutscher Sprache abrufbare Internetseite XXX unter anderem das in Deutschland hergestellte Sturmgewehr „A“ (im Folgenden: die angegriffene Ausführungsform) an (Auszüge des Internetauftritts der Beklagten, vor-gelegt als Anlage K4). Dabei richtet sich das Angebot an Streitkräfte und Polizei (XXX) sowie in abgewandelter Form (halbautomatische Waffe) an Sportschützen (XXX). In dem Downloadbereich der Internetseite der Beklagten sind Flyer abrufbar (XXX vorgelegt als Anlage K5). Die Klägerin erwarb in Deutschland am 20.04.2020 über die in Deutschland ansässige Firma B GmbH ein Exemplar der angegriffenen Ausführungsform mit der Waffennummer C (Lieferschein vom XXX, vorgelegt als An-lage K6).
Zur Veranschaulichung werden nachfolgend von der Klägerin in der Klageschrift ge-zeigte Bilder der angegriffenen Ausführungsform bzw. Einzelteile hiervon eingeblen-det:
Die obige Abbildung zeigt die angegriffene Ausführungsform in der Ansicht von links (aus der Sicht des Waffenträgers), in der oberen Abbildung mit und in der unteren Abbildung ohne Schulterstütze.
Die vorstehende Abbildung zeigt den Schulterstützentubus der angegriffenen Ausfüh-rungsform. Die Markierungen stammen von der Klägerin.
Die vorstehende Abbildung zeigt die dem Waffenträger zugewandte Rückseite der angegriffenen Ausführungsform. Die Markierungen stammen von der Klägerin.
Die obige Abbildung zeigt den vorderen Teil des Verschlussträgers der angegriffenen Ausführungsform von der aus Sicht des Waffenträgers rechten Seite. Die Markierun-gen stammen von der Klägerin.
Die vorstehende Abbildung zeigt die Unterseite des vorderen Teils des Verschlussträ-gers, wobei der in dem Verschlussträger enthaltene Schlagbolzen demontiert wurde. Die dort ausgebildete Öffnung wurde durch die Klägerin rot markiert.
Die Klägerin mahnte die Beklagte außergerichtlich unter dem 06.02.2018 erfolglos ab (Mahnschreiben vorgelegt als Anlage B8). - Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die An-sprüche 1, 2, 21 und 23 in Kombination unmittelbar wortsinngemäß.
Insbesondere verwirkliche die angegriffene Ausführungsform das Merkmal, wonach der Schließfedermechanismus wenigstens eine Fluid-Durchtritts-Öffnung aufweise (Merkmal 1.2.1 des Anspruchs 1). Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Schließfedermechanismus so zu verstehen, dass das ein dessen Außenhülle bilden-des „Schließfederführungsrohr“ bzw. „Schließfedergehäuse“, auch „Schulterstützentu-bus“ genannt, hierzu gehöre. Demgemäß seien auch die sich in dem Schließfederfüh-rungsrohr befindlichen Öffnungen dem Schließfedermechanismus zuzuordnen und damit als „Fluid-Durchtritts-Öffnungen“ im Sinne des Klagepatents anzusehen.
Weiter liege ein Zusammenwirken von Verschlussträger und dem Schließfederkolben im Sinne des Klagepatents auch dann vor, wenn das Fluid nicht vom Schließfederkol-ben, sondern vom Verschlussträger aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung verdrängt werde (Merkmal 1.3 des Anspruchs 1).
Entsprechendes gelte für Anspruch 21, der u.a. Bezug auf Anspruch 1 nehme.
Aus der Formulierung in Anspruch 2 unter Verwendung eines unbestimmten Artikels ergebe sich nicht, dass es sich um eine von den in Anspruch 1 beanspruchten Fluid-Durchtritts-Öffnung unterscheidbare Öffnung handeln müsse. Das Merkmal „nach au-ßen“ beziehe sich zudem auf den Funktionshohlraum und nicht auf die frische Luft. Das Merkmal „einfach und schnell“ sei nicht zu unbestimmt, sondern beziehe sich auf das angestrebte Ziel, die Funktionsfähigkeit der Waffe in situationsbedingter Kürze wieder herzustellen.
Eine etwaige Verjährung betreffe nicht den Unterlassungsanspruch und wirke sich lediglich auf die Höhe des Schadenersatzanspruchs aus.
Das Klagepatent sei rechtsbeständig, so dass eine Aussetzung nicht geboten sei. Es liege keine unzulässige Erweiterung im Hinblick auf die ursprüngliche Offenbarung vor. Zudem sei die Lehre des Klagepatents neu im Hinblick auf die Entgegenhaltun-gen US 1 XXX 719 (vorgelegt als Anlage B4a), die Entgegenhaltung WO 2007/XXX (vorgelegt als Anlage B5a) und gegenüber der US 6 XXX 351 (vorgelegt als Anlage B7a).
Im Hinblick darauf, dass die Beklagte die Nichtigkeitsklage erst zwei Jahre nach der Abmahnung vom 06.02.2018 und vier Monate nach Erhebung der Verletzungsklage, erhoben habe, müsse im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung, die Aus-setzungsentscheidung zu Lasten der Beklagten ergehen. - Die Klägerin beantragt,
A.
I.
– wie erkannt –
II.
Der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagten die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 20. Januar 2010 begangen haben, und zwar unter Angabe - 1. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
3. der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnis-se, sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Da-ten geschwärzt werden dürfen;
III.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 28. Februar 2009 begangen haben, und zwar unter Angabe: - 1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen und der jeweiligen Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
3. der betriebenen Werbung aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schal-tungszeiträume,
4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs-kosten und des erzielten Gewinns,
5. im Falle von Internet-Werbung der Domain, der Zugriffszahlen und der Schaltungszeiträume, - wobei von der Beklagten zu 1) sämtliche Angaben und von beiden Beklag-ten die Angaben zu A. III. 4 nur für die Zeit seit dem 20. Februar 2010 zu machen sind;
und wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihre gegenüber zur Verschwie-genheit verpflichteten, vereidigten, in der Bundesrepublik Deutschland an-sässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete An-frage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist. - IV.
– wie erkannt – - V.
– wie erkannt – - B.
I.
festzustellen, dass - die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin für die unter zu A. I. bezeichneten, in der Zeit vom 28. Februar 2009 bis zum 19. Februar 2010 begangenen Handlun-gen eine angemessene Entschädigung zu zahlen; und
II.
die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu A. I. bezeichneten und seit dem 20. Februar 2010 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird. -
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die von der Beklagten zu 1) erhobene Nichtigkeitsklage gegen den deutschen Teil des Klagepatents EP 2 018 XXX, Az XXX auszusetzen. - Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung und tragen insoweit vor, dass der Prokurist der Klägerin bereits seit 2016 Kenntnis von der vermeintlichen Klagepatent-verletzung durch die angegriffene Ausführungsform habe.
Die Beklagten tragen vor, das Klagepatent werde von der angegriffenen Ausführungs-form nicht verletzt.
Die angegriffene Ausführungsform weise keine Fluid-Durchtritts-Öffnungen im Sinne von Anspruch 1 des Klagepatents auf. Die Bohrungen in den Rasten des Schulter-stützentubus unterfielen nicht der Lehre des Klagepatents, da der Schulterstützentu-bus nicht Bestandteil des Schließfedermechanismus sei. Die Bohrungen in der Rück-seite des Schulterstützentubus seien aus demselben Grund nicht klagepatentgemäß. Die Bohrungen im Verschlussträger unterfielen nicht der Lehre des Klagepatents, da der Verschlussträger nicht zum Schließfedermechanismus zu rechnen sei.
Weiter fehle es bei der angegriffenen Ausführungsform an einer klagepatentgemäßen Gestaltung im Sinne von Anspruch 1 von Verschlussträger und Schließfederkolben, die derart zusammenwirken, dass der Schließfederkolben bei zurücklaufenden Ver-schlussträger Flüssigkeit aus diesen Bohrungen verdränge. Insbesondere befänden sich die Bohrungen im Verschlussträger in Schussrichtung vor dem Schließfederkol-ben, so dass der Schließfederkolben bei zurücklaufendem Verschlussträger keine Flüssigkeit durch diese Bohrungen (nach außen) verdränge. Vielmehr werde beim Zurücklaufen des Verschlussträgers der Schließfederkolben ebenfalls in Schussrich-tung nach hinten bewegt, sodass er das hinter ihm liegende Volumen reduziere und somit nur dort vorhandene Flüssigkeit verdrängen könne. Entsprechendes gelte für Anspruch 21, welcher eine Waffe verlange, insbesondere einen Gasdrucklader, mit einem Waffenverschlusssystem nach einem der vorstehenden Ansprüche.
Anspruch 2 verlange eine weitere Fluid-Durchtritts-Öffnung, da insoweit erforderlich sei, dass der Funktionshohlraum eine mit der Umgebung verbindende Fluid-Durchtritts-Öffnung aufweise. Die Bohrungen im Verschlussträger bei der angegriffe-nen Ausführungsform führten nicht zum Ableiten des Fluids nach außen, sondern mündeten insoweit unstreitig – in einem Hohlraum innerhalb der Waffe. Zudem sei der Anspruch 2 offensichtlich unbestimmt. Es bleibe unklar, welche Menge oder welche Art von Fluid zu einer Beeinträchtigung des Waffenverschlusssystems führe und wann von schnellem und einfachem Ableiten eines Fluids ausgegangen werden könne.
Hinsichtlich Anspruch 23, der nach Merkmal 1 eine Waffe nach Anspruch 21 oder 22 verlange, scheide eine Verwirklichung des Anspruchs aus, da der in Merkmal 1 in Be-zug genommene Anspruch 21 bereits nicht verwirklicht sei.
Jedenfalls sei der Rechtsstreit bis zur Entscheidung über die parallel anhängige Nich-tigkeitsklage hilfsweise auszusetzen.
Das Klagepatent nehme die Priorität vom 17.05.XXX nicht wirksam in Anspruch und sei im Hinblick auf die Ursprungsoffenbarung WO 2007/XXX A1 (Anlage B3) unzuläs-sig erweitert. So finde in der ursprünglichen Patentanmeldung die Einwirkung eines Schließfederkolbens bei zurücklaufendem Verschlussträger auf die zu verdrängende Flüssigkeit keine Erwähnung. Auch der Funktionshohlraum aus Anspruch 1 der ur-sprünglichen Anmeldung finde im erteilten Anspruch 1 des Klagepatents keine Erwäh-nung mehr. Entsprechendes gelte für Anspruch 21, der den Anspruch 1 vollständig inkludiere. Gegenüber der ursprünglichen Patentanmeldung fehle es an einem Bezug zu einem Gasdrucklader und dem Gasdruckladesystem. Während in der ursprüngli-chen Patentanmeldung die Gasabnahmestange den Verschlussträger antreibe und so über den vom Verschlussträger angetriebenen Schließfederkolben Flüssigkeit aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung des Schließfedermechanismus verdrängt werde, verlange der Anspruch 1 des Klagepatents, nur ein unbestimmtes Zusam-menwirken zwischen Verschlußträger und Schließfederkolben.
Einer wirksamen Inanspruchnahme der Priorität stehe in der jetzigen Fassung des geltend gemachten Klagepatentanspruchs zudem die in Gestalt eines Disclaimers vorgenommene Beschränkung auf ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnungen entgegen. In der Ursprungsoffenbarung ergebe sich weder aus der Beschreibung noch den Zeich-nungen, dass Ventile auf die Öffnungen gesetzt werden könnten.
Da das Merkmal „ventilfrei“ in der ursprünglichen Offenbarung nirgends enthalten oder offenbart sei, sei die Hinzufügung dieses Disclaimers unzulässig. Hinzu komme, dass aufgrund der Beschränkung im hiesigen Verletzungsverfahren nunmehr eine Diver-genz zum Nichtigkeitsverfahren bestehe, indem die unbeschränkte Fassung weiter verteidigt werde.
Die Hinzufügung dieses Disclaimers führe zudem dazu, dass der Aussetzungsmaß-stab herabzusetzen sei gemäß einem ungeprüften Schutzrecht. So entfalte die Paten-terteilung für die neue beschränkte Fassung keine Vermutungswirkung der Schutzfä-higkeit der technischen Lehre. Mithin reichten als Aussetzungsmaßstab vernünftige Zweifel an der Schutzfähigkeit des beschränkten Anspruchs.
Weiter sei der Wortlaut des Klagepatentanspruchs 1 nicht geeignet, sich vom im Kla-gepatent selbst als nachteilig bezeichneten Stand der Technik abzugrenzen. Letztlich sei jede Waffe, die einen Schließfedertubus und einen Schließfederkolben besitze, bereits neuheitsschädlich für den Klagepatentanspruch 1. Bei jeder Waffe, insbeson-dere der D, drücke der rücklaufende Verschluss den Schließfederkolben gegen die Schließfeder nach hinten. Zwischen dem Schließfederkolben und dem Schließfeder-tubus gebe es immer einen Ringspalt, welche als Fluid-Durchtritts-Öffnung im Sinne des Klagepatents anzusehen sei.
Weiter sei das Klagepatent nicht neu im Hinblick auf die Entgegenhaltung US 1,XXX,XXX, welche bereits am 31.01.1933 veröffentlicht worden sei (vorgelegt als Anlage B4a/4b). Zwar setze sich diese nicht ausdrücklich mit der Verdrängung von Flüssigkeit auseinander, jedoch sei es eine zwingende Folge, dass eventuell in den Zylinder eingetretene Flüssigkeit beim Zurücklaufen des Schließfederkolbens eben-falls durch die dort gezeigten Öffnungen (22) verdrängt werde. Zudem könne es sich bei Fluiden auch um Gase handeln.
Das Klagepatent sei zudem nicht neu im Hinblick auf die WO 2007/XXX A2 (vorgelegt als Anlage B5a/5b). Diese Schrift offenbare insbesondere mehrere Fluid-Durchtritts-Öffnungen (port or aperture 62), durch die eingetretene Flüssigkeit nach außen abge-leitet werde.
Schließlich sei das Klagepatent nicht neu im Hinblick auf die US 6,XXX,XXX B1, wel-che am 01.02.2005 veröffentlicht worden sei (vorgelegt als Anlage B7a/7b). Insbe-sondere zeige Figur 18, dass sich an der hinteren Stirnseite der Aufnahmeverlänge-rung eine zentrale Fluid-Durchtritts-Öffnung befinde (Gasaustrittsöffnung). Sollte in die Aufnahmeverlängerung Flüssigkeit eingedrungen sein, werde diese Flüssigkeit bei zurücklaufendem Schließfederkolben (85) – veranlasst durch den Verschlussträger (22) – zwangsläufig aus dieser Öffnung verdrängt. Ein Flüssigkeitsaustritt erfolge zu-dem bei zurücklaufendem Verschlussträger aus dem Ringspalt zwischen Schließfe-dertubus und Schließfederkolben.
Ebenfalls fehle dem Klagepatent die Neuheit im Hinblick auf die Offenbarung US 6,XXX,XXX B2 (Anlage PBP09), welche am 31.07.2003 veröffentlicht worden sei. In der dortigen Figur 14 sei am Ende des Schließfedertubus eine Gasaustrittsöffnung als zentrale Bohrung zu erkennen. Diese stelle zusammen mit dem Ringspalt zwischen Schließfederkolben und Schließfedertubus eine Fluid-Durchtritts-Öffnung im Sinne des Klagepatents dar.
Weiter sei die Entgegenhaltung US 2006/XXX A1 (vorgelegt als Anlage PBP10), die auch als Europäische Patentanmeldung WO 2007/XXX A2 veröffentlicht worden sei, zu berücksichtigender Stand der Technik. Die US XXX sei unter dem 16.11.2006 ver-öffentlicht worden und zu berücksichtigen, da das Klagepatent seine Priorität nicht wirksam in Anspruch nehme. Diese offenbare insbesondere die Lösung des „Frei-schießens“ des Schließfedertubus, da das Wasser auch durch den rücklaufenden Verschluss aus dem Schließfedertubus verdrängt werde. Figur 7B offenbare unter dem Bezugszeichen 60 eine Gasaustrittsöffnung, durch die auch bei geschlossenen Abflussöffnungen mit dem Bezugszeichen 62, Fluid abfließen könne. Insoweit sei der Disclaimer „ventilfrei“ nicht geeignet, das Klagepatent vom Stand der Technik abzu-grenzen. Da es sich bei der US XXX – anders als bei der WO XXX – nicht um nach-veröffentlichten Stand der Technik handele, könne der Disclaimer, der nur zur Ab-grenzung von nachveröffentlichten Stand der Technik zulässig sei, die fehlende Neu-heit nicht überwinden.
Im Übrigen zeige die Entgegenhaltung kein Ventil, sondern einen Verschluss, der die Bohrungen (62) verschließen könne, was insbesondere in den Figuren 7A und 6A dargestellt werde. In der Figur 7B werde mit der Öffnung 60 eine ventilfreie Fluid-Austritts-Öffnung gezeigt. Ferner seien in der Figur 6A mehrere Fluid-Durchtritts-Öffnungen gezeigt, die unabhängig von der Dreh-Stellung des Verschlusses geöffnet seien.
Dem Klagepatent fehle die Neuheit im Hinblick auf die US 6,XXX,XXX B1 (vorgelegt als Anlage PBP11), welche am 07.06.2005 veröffentlicht worden sei. Diese offenbare insbesondere in Figur 17B eine Gasaustrittsöffnung am Ende des Schließfedertubus, welche zusammen mit dem Ringspalt zwischen Schliefederkolben und Schließfeder-tubus Fluid-Durchtritts-Öffnungen im Sinne des Klagepatents darstellten.
Weiter sei das Klagepatent nicht neu gegenüber einem Colt Karabiner E (Zeichnung vorgelegt als Anlage PBP04), dessen Zeichnungen jedenfalls auf das Jahr 19XX da-tierten und im Übrigen vom Klagepatent ausdrücklich in Bezug genommen würden. Dieser enthalte im Schließfedermechanismus auf der Seelenachse eine Gasaustritts-öffnung, welche zusammen mit dem Ringspalt zwischen Schließfederkolben und Schließfederführungsrohr zwei Fluidaustrittsöffnungen im Sinne des Klagepatents of-fenbare. Das Wasser werde dabei aus dem Hohlraum beim Zurückschnellen des Ver-schlusses und des Schließfederkolbens durch den Federraum verdrängt.
Entsprechendes gelte für das Gasdruckladesystem des Gewehrtyps D.
Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen ge-stattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfü-gung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben insbeson-dere die Prozessbevollmächtigten Gebrauch gemacht.
Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schrift- sätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2021 verwiesen. - Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Die angegriffene Ausfüh-rungsform verwirklicht die Lehre des Klagepatents (hierzu unter I.). Der Klägerin ste-hen gegen die Beklagten zu 1) wegen des Angebots und Vertriebs der angegriffenen Ausführungsform die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf zu sowie im Hinblick auf die Verjährung des Entschädigungs- und teilweisen Verjährung des Schadenersatzanspruchs, ein Anspruch auf Feststellung des Rest-Schadenersatzes bzw. Schadenersatz wegen unmittelbarer Verletzung des Klagepatents gem. Art. 64 Abs.1, 3 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 2; 140a Abs. 1, 3; 140b Abs. 1 und 3 PatG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu (hier-zu unter II.). Gegen den Beklagten zu 2) stehen ihr ebenfalls die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Rest-Schadenersatz- bzw. Schadenersatzfeststellung zu (hierzu unter II.).
Das Verfahren wird nicht nach § 148 ZPO bis zur Entscheidung über das Nichtigkeits-verfahren ausgesetzt, da eine Vernichtung des Klagepatents im Nichtigkeitsverfahren nicht hinreichend wahrscheinlich ist (hierzu unter III.). - I.
Eine Benutzung der Lehre des Klagepatents durch die angegriffene Ausführungsform lässt sich feststellen. - 1.
Das Klagepatent (nachfolgend zitierte Absätze ohne Quellenangabe entstammen dem Klagepatent) betrifft ein Waffenverschlusssystem, d.h. ein Verschlusssystem für Feu-erwaffen (Abs. [0001]).
In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent, dass derartige Syste-me im Stand der Technik in der Regel dazu dienten, eine Feuerwaffe mit einem Ver-schlussmechanismus zur Abgabe eines Schusses zu verschließen, danach wieder zu öffnen, mit einem Lademechanismus nachzuladen und erneut einen Schuss abzuge-ben (Abs. [0002]).
Im Stand der Technik seien Verschlusssysteme mit unterschiedlichen Lademecha-nismen, wie man sie bspw. bei Gasdruckladern oder Rückstoßladern finde, bekannt. Solche Systeme dienten dem automatischen Laden bzw. Nachladen einer automati-schen oder halbautomatischen Waffe, diese ließen sich aber auch manuell betätigen (Abs. [0004]).
Das Klagepatent führt weiter aus, dass Gasdrucklader allgemein selbstladende Feu-erwaffen seien, bei denen der Verschluss fest verriegelt sei. Bei einer Schussabgabe werde ein Teil des Treibgases durch eine oder mehrere Gasentnahme(n) aus dem Rohr abgeleitet und einem Selbstlademechanismus zugeführt, wobei die Energie die-ses unter hohem Druck stehenden Treibgases den Verschluss entriegele und öffne und damit den Nachladevorgang einleite (Abs. [0005]). Bei Gasdruckladern wirke das Treibgas erst auf den Selbstlademechanismus, wenn das Projektil die Gasentnahme passiert habe (Abs. [0006]). Die Kraftübertragung vom Treibgas auf den Verschluss könne nach dem Stand der Technik unterschiedlich erfolgen. Bei den meisten Syste-men würden die Treibgase nach Verlassen der Gasentnahme auf einen Gaskolben geleitet, der seinerseits den Gasdruck mittels einer Gasstange auf den Verschluss, genauer einen Verschlussträger, übertrage, wie dies etwa bei dem bekannten F der Fall sei (Abs. [0006]). Weiter seien aus dem Stand der Technik Gasdrucksysteme bekannt, bei denen die Treibgase durch ein Gasrohr in das Waffeninnere geleitet wür-den. Zunächst werde hier das Treibgas über eine Gasabnahme am Rohr entnommen, dann über ein Rohrsystem dem Verschluss, genauer dem Verschlussträger, zuge-führt. Dort wirke es unmittelbar auf den Verschlussträger, der durch den direkten Treibgasstrahl angetrieben werde. Dieses System werden etwa beim Standardgewehr der US Streitkräfte D und dem E Karabiner eingesetzt (Abs. [0007]).
Bei dem aus dem Stand der Technik ebenfalls bekannten Rückstoßladern hingegen wiesen diese überwiegend nicht-verriegelte Verschlusssysteme auf. Diese erhielten die Energie zum Auswerfen einer Patronenhülse und zum erneuten Nachladen direkt aus der Rückstoßenergie eines Schusses. Diese wirke direkt auf die Stirnseite des Verschlusskopfes. Dieser bewege den gesamten Verschlusskopf so weit nach hinten, dass die leere Patronenhülse ausgeworfen und erneut nachgeladen werde. Beispiele hierfür seien die G, die F oder die deutsche Maschinenpistole der Wehrmacht – MP40 (Abs. [0010]).
Das Klagepatent schildert weiter, dass die aus dem Stand der Technik bekannten Feuerwaffen, Gasdrucklader, Rückstoßlader oder auch manuelle Repetiersysteme den Nachteil aufwiesen, dass sie bei einem Einsatz aus einer Flüssigkeit heraus nicht funktionssicher, zumeist überhaupt nicht funktionsfähig seien. Bei Gasdruckladern ohne Gaskolben, wie dem D oder dem Colt Karabiner, dringe etwa die Flüssigkeit in die Gasrohre des Gasdruckladesystems ein und müssten dann vollständig zerlegt und gereinigt werden, um deren Funktionsfähigkeit und -sicherheit wieder herzustellen (Abs. [0011]). Dringe nämlich Flüssigkeit in das Waffeninnere, etwa das Verschluss-system ein, könne die Zündung einer Patrone verhindert werden, da die zur Zündung erforderlichen beweglichen Elemente, bspw. der Schlagbolzen, von der Flüssigkeit so stark abgebremst werden könnten, dass etwa der Schlagbolzen nur noch mit einer für die Schussauslösung unzureichenden Energie auf das Zündplättchen auftreffe (Abs. [0012]).
Das Klagepatent schildert, dass dieses Problem von in Waffen eindringender Flüssig-keit vom Stand der Technik her bekannt sei und zB in der US 4 XXX XXX A, US 2 XXX XXX und US 3 XX XXX behandelt werde (Abs. [0013]).
Das Klagepatent nennt es als seine Aufgabe, ein Waffenverschlusssystem bzw. eine damit ausgestattete Waffe gegen etwaige Funktionsstörungen, insbesondere Störun-gen aufgrund eines etwaigen Aufenthalts in Wasser oder anderen Flüssigkeiten, ro-buster zu machen (Abs. [0014]). - 2.
Zur Lösung schlägt das Klagepatent eine Waffe nach Maßgabe einer Kombination der Ansprüche 1, 2, 21 und 23 vor, bei der die Klägerin das Merkmal „ventilfrei“ zusätzlich aufgenommen hat, und die sich in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt darstellen lässt:
0. Waffe, die ein Waffenverschlusssystem aufweist.
1. Das Waffenverschlusssystem (8) weist
1.1. einen Verschlussträger (16) auf und
1.2. einen Schließfedermechanismus, welcher
1.2.1 wenigstens eine ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 56, 58, 60) sowie
1.2.2 einen Schließfederkolben (22) aufweist, wobei
1.3. der Verschlussträger (16) und der Schließfederkolben (22) derart zu-sammenwirkend ausgelegt sind, dass der Schließfederkolben (22) bei zurücklaufendem Verschlussträger (16) Flüssigkeit aus der wenigstens einen ventilfreien Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 56, 58, 60) ver-drängt,
1.4. das Waffenverschlusssystem weist wenigstens einen Funktionshohl-raum (38, 48) auf,
1.4.1. der durch wenigstens eine ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 56, 58, 60) mit der Umgebung derart verbunden ist,
1.4.1.1. dass etwa in den Funktionshohlraum (38, 48) eingetretenes Fluid, das die Funktion des Waffenverschlusssystems beein-trächtigt, durch die ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnung(en) (50, 52, 54, 56, 58, 60) einfach und schnell nach außen ab-leitbar ist. - 2. Die Waffe ist als Gasdrucklader ausgebildet.
3. Bei der Waffe ist der Kolben (36) ein kurzer Gaskolben (36).
4. Bei der Waffe ist der Zylinder (34) ein kurzer Gaszylinder (34).
5. Bei der Waffe ist die Betätigungsstange (30) eine Gasabnahmestange, die von der Gasabnahme bis zum Verschlussträger reicht.
5.1. Die Gasabnahmestange wirkt derart mit dem Waffenverschlusssystem (8) zusammen, dass sie den Verschlussträger antreibt und so über den vom Verschlussträger angetriebenen Schließfederkolben (22) Flüssig-keit aus der wenigstens einen ventilfreien Fluid-Durchtritts-Öffnung (50, 52, 54, 56, 58, 60) des Schließfedermechanismus verdrängt.
3.
Die angegriffene Ausführungsform macht von allen Merkmalen der Kombination aus den Ansprüchen 1, 2, 21 und 23 einschließlich des Merkmals „ventilfrei“ wortsinnge-mäß Gebrauch.
Die Parteien streiten hinsichtlich der Auslegung des Begriffs Fluid-Durchtritts-Öffnung, wie sich dieser in den Merkmalen 1.2.1 sowie 1.4.1 und 1.4.1.1 der Anspruchskombi-nation findet. Weiter streiten die Parteien über die Auslegung des Merkmals 1.3 sowie hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „einfach und schnell ableitbar“ aus Merkmal 1.4.1.1. Alle anderen Merkmale der geltend gemachten Anspruchskombination sind zu Recht zwischen den Parteien unstreitig, so dass es weiterer Ausführungen hierzu nicht bedarf. - a)
Die angegriffene Ausführungsform weist eine Fluid-Durchtritts-Öffnung im Sinne von Merkmal 1.2.1 sowie im Sinne von Merkmal 1.4.1 und 1.4.1.1 auf. - aa)
Merkmal 1.2.1 erfasst Öffnungen an Bauteilen, welche an dem Schließfedermecha-nismus nach Merkmal 1.2. beteiligt sind sowie auch Öffnungen an Bauteilen, die räumlich-körperlich mit dem erstgenannten Bauteil verbunden sind. Dabei verlangt das Klagepatent, dass die Öffnung so groß ist, dass Flüssigkeit durch diese hindurch lau-fen kann.
Merkmal 1.2.1 bezeichnet ein Bauteil eines klagepatentgemäßen Schließfedermecha-nismus im Sinne von Merkmal 1.2. Hiernach muss der Schließfedermechanismus we-nigstens eine Fluid-Durchtritts-Öffnung im Sinne von Merkmal 1.2.1. aufweisen.
Der Wortlaut von Merkmal 1.2.1 verlangt das Vorliegen von einer oder mehr Öffnun-gen, durch welche Flüssigkeit durchtreten kann. Weitere Einschränkungen ergeben sich nicht aus dem Wortlaut. Dies wird in Abs. [0020] bestätigt, der den Begriff der Fluid-Durchtritts-Öffnung in Bezug nimmt und insoweit klarstellt, dass diese beliebig ausgestaltet und angeordnet sein kann, solange sie einen Flüssigkeitsaustritt aus der Waffe garantiert. Demgemäß kann nach Abs. [0020] eine Fluid-Durchtritts-Öffnung auf jede beliebige Art in ein Waffenverschlusssystem integriert werden, d.h. etwa ge-bohrt oder gefräst.
Aus der Zusammenschau mit dem Merkmal 1.2. ergibt sich weiter, dass die mindes-tens eine Fluid-Durchtritts-Öffnung im Schließfedermechanismus angeordnet sein muss.
Der Schließfedermechanismus im Sinne des Klagepatents besteht ausweislich des Wortlauts des Merkmals 1.2. zumindest aus einem Schließfederkolben und einer Schließfeder, die bereits im Begriff des Schließfedermechanismus enthalten ist. Die Schließfeder ist mit dem Schließfederkolben gekoppelt, was sich aus dem Begriff „Mechanismus“ ergibt. Beispiele für die Ausgestaltung des Schließfedermechanismus geben Unteranspruch 14 und das Ausführungsbeispiel in Abs. [0037], wonach neben dem Schließfederrohr auch ein Schließfedergehäuse vorgesehen sein kann. - Aus der Merkmalsgruppe 1.4. ergibt sich, dass das Waffenverschlusssystem eben-falls einen Funktionshohlraum vorsieht, wobei dieser durch eine anspruchsgemäße Öffnung mit der Umgebung verbunden sein kann. Auch wenn hier von „einer“ Fluid-Durchtritts-Öffnung die Rede ist, kann es sich hierbei um eine weitere/andere Öffnung als die in Merkmal 1.2.1 und 1.3 genannten Öffnungen handeln, muss es aber nicht. Der Anspruch lässt die konkrete, räumlich-körperliche Verortung des Funktionshohl-raums offen.
Aus Unteranspruch 13 und dem Ausführungsbeispiel in Absatz [0037] ergibt sich da-neben, dass der Schließfedermechanismus ebenfalls in einem Funktionshohlraum angeordnet sein kann. Die Figuren 2 und 4 zeigen, dass in den Funktionshohlräumen Fluid-Durchtritts-Öffnungen angeordnet sein können. Die Fluid-Durchtritts-Öffnungen verbinden den hinteren Funktionshohlraum (48) mit dem Außenraum (vgl. Absatz [0042]). Dabei verbinden die Öffnungen den Funktionshohlraum sowohl radial als auch axial verlaufend nach außen. Die Angabe „außen“ kann auch den Bereich au-ßerhalb des Schließfedergehäuses bzw. der Schulterstütze bedeuten, wie Figur 5 zeigt.
Die Funktion der Öffnungen ist das zielgerichtete Abführen von Flüssigkeit aus dem Verschlusssystem, wie es sich aus Merkmal 1.3 ergibt, wonach Flüssigkeit durch das Zusammenwirken von Verschlussträger und Schließfederkolben verdrängt wird. Nicht genügend sind hingegen Öffnungen, die z.B. durch Fertigungstoleranzen baubedingt entstehen. Diese gewährleisten nicht ausreichend sicher, dass kein Wasser im Ver-schlusssystem zurückbleibt, das den Zündmechanismus behindert. - Öffnungen im Bereich des Verschlussträgers sind hingegen nicht solche nach Merk-mal 1.2.1. So gehört der Verschlussträger nicht zum Schließfedermechanismus, was sich aus dem Wortlaut von Anspruch 1 ergibt. Der Schließfedermechanismus bildet zusammen mit dem Verschlussträger das klagepatentgemäße Waffenverschlusssys-tem nach Merkmal 1. Es handelt sich also um voneinander unabhängige Bauteils-gruppen.
Das Merkmal 1.4.1 erfasst demgegenüber auch Öffnungen im Verschlussträger, da der Funktionshohlraum als eine selbstständige räumlich-körperliche Anordnung des Waffenverschlusssystems aufgeführt wird. Unteranspruch 7 präzisiert dies, weil sich danach ein Funktionshohlraum auch im Verschlussträger befinden kann. Dieses Ver-ständnis steht im Einklang mit dem Ausführungsbeispiel, wonach ein vorderer Funkti-onshohlraum (38) der Schlagbolzenführung durch eine Fluid-Durchtritts-Öffnung mit dem Außenraum verbunden ist (vgl. auch Absatz [0042], Figur 3). Funktional dienen nach Merkmal 1.4.1.1 die Öffnungen dazu, in den Funktionshohlraum eingetretenes Fluid einfach und schnell aus dem Raum (nach außen) abzuleiten. Das leichte und zügige Verlassen des Wassers ermöglicht einen schnellen Einsatz der Waffe. Aus Abs. [0030] gewinnt der Fachmann einen Eindruck von einer möglichen Zeitspanne des schnellen Ableitens – innerhalb von 1-3 Sekunden. Mit Blick auf den Stand der Technik, von dem sich das Klagepatent abgrenzen möchte, verlangt das einfache Ab-leiten jedenfalls keine aufwändige Reinigung vor dem Gebrauch der Waffe. - Nach der Einschränkung durch den sog. Disclaimer muss es sich um ventilfreie Öff-nungen handeln. Darunter versteht der Fachmann jede Öffnung, die nicht durch einen Regulierungsmechanismus mit einem anderen/zusätzlichen Bauteil verschlossen wer-den kann.
bb)
Nach Maßgaben des vorstehend erläuterten Verständnisses weist die angegriffene Ausführungsform sowohl ventilefreie Fluid-Durchtritts-Öffnungen im Sinne des Merk-mals 1.2.1. als auch nach Merkmalsgruppe 1.4.1 auf. - (1)
Ausweislich der von der Klägerin angefertigten Ablichtungen verfügt der Schulterstüt-zentubus der angegriffenen Ausführungsform, der das Schließfedergehäuse darstellt, über drei ventilfreie Bohrungen, durch die Flüssigkeit abgeleitet werden kann (Merk-mal 1.2.1.).
Auch bei den drei Öffnungen auf der dem Waffenträger zugewandten Rückseite der angegriffenen Ausführungsform, welche sich ebenfalls im Schulterstützentubus befin-den, handelt es sich um anspruchsgemäße Fluid-Durchtritts-Öffnungen: - (2)
Ferner verfügt die angegriffene Ausführungsform über einen Funktionshohlraum im vorderen Teil des Verschlussträgers. Die Öffnungen an der Unterseite sowie seitlich des Verschlussträgers sind Fluid-Durchtritts-Öffnungen im Sinne der Merkmalsgruppe 1.4.1.
Durch diese Öffnungen kann in den Funktionshohlraum eingetretene Flüssigkeit ein-fach und schnell nach außen abgeleitet werden (Merkmal 1.4.1.1.). Es ist weder er-sichtlich noch näher von den Beklagten vorgetragen, dass die Öffnungen/Bohrungen der angegriffenen Ausführungsform in einem Hohlraum der Waffe in deren Gehäuse münden. Selbst wenn dem so wäre, würde es nach dem Klagepatentanspruch genü-gen, wenn die Flüssigkeit aus dem Funktionshohlraum abgeleitet wird („in den Funkti-onshohlraum eingetretenes Fluid […] nach außen ableitbar ist“).
Bei dem pauschalen Vortrag der Beklagten, die Öffnungen im Verschlussträger dien-ten vor allem der Ableitung von Explosionsgasen, ist bereits fraglich, ob hierin ein konkretes Bestreiten zu sehen ist, dass die Öffnungen zu klein dimensioniert sind, um Flüssigkeit ableiten zu können. Aber selbst wenn man dies so verstehen wollte, so stellen die Öffnungen unter Ziffer a) bb) (1) nach obiger Auslegung anspruchsgemäße Öffnungen gemäß der Merkmale 1.4.1, 1.4.1.1. dar. Die angegriffene Ausführungs-form weist im Schulterstützentubus einen Funktionshohlraum zwischen Tubusgehäu-se, Schließfeder und Schließfederkolben auf, aus dem die drei ventilfreien Bohrungen Flüssigkeit einfach und schnell nach außen ableiten können. - b)
Merkmal 1.3., wonach der Verschlussträger und der Schließfederkolben derart zu-sammenwirkend ausgelegt sind, dass der Schließfederkolben bei zurücklaufendem Verschlussträger Flüssigkeit aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung ver-drängt, wird von der angegriffenen Ausführungsform verwirklicht. - aa)
Merkmal 1.3 erfasst solche Vorrichtungen, die so ausgestaltet sind, dass der Schließ-federkolben Flüssigkeit aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung nach Merkmal 1.2.1 verdrängt, sobald der Verschlussträger zurück läuft. Nicht erforderlich ist, dass die Flüssigkeit aus dem Waffengehäuse heraus gedrückt wird. Insoweit reicht es aus, wenn das Wasser aus dem Schließfederführungsrohr bzw. dem Schließfedergehäuse verdrängt wird.
Merkmal 1.3. erläutert das funktionale Zusammenwirken des Verschlussträgers und des Schließfederkolbens. Danach sollen diese Bauteile derart zusammen wirken, dass Wasser durch die Öffnungen nach Merkmal 1.2.1 verdrängt wird.
Der Wortlaut von Merkmal 1.3. verlangt, dass der Verschlussträger nach Merkmal 1.1. und der Schließfederkolben nach Merkmal 1.2.2. so angeordnet sind, dass die Bewegung des Schließfederkolbens an die des Verschlussträgers gekoppelt ist. Wenn letzterer zurückläuft, findet eine Bewegung des Schließfederkolbens dergestalt statt, dass Flüssigkeit verdrängt wird. Aus dem Wortlaut ergibt sich weiter, dass das Was-ser durch den Kolben verdrängt werden soll. Demnach führt es aus dem Anspruch heraus, wenn die Verdrängung des Wassers durch den Verschlussträger und nicht durch den Kolben erfolgt.
Weiter enthält der Wortlaut die Einschränkung, dass die Flüssigkeit aus der Fluid-Durchtritts-Öffnung nach Merkmal 1.2.1 verdrängt werden soll. Dies ergibt sich aus dem Zusatz: „aus der wenigstens einen […]“.
Aus der Bezugnahme auf Merkmal 1.2.1 ergeben sich weitere Anforderungen hin-sichtlich der Art und Weise des Zusammenwirkens im Sinne von Merkmal 1.3. Wie ausgeführt, können sich die Öffnungen nach Merkmal 1.2.1 im Schließfederführungs-rohr bzw. im Gehäuse befinden. Der Schließfederkolben wiederum ist ein Teil des Schließfedermechanismus und befindet sich damit im Schließfederführungsrohr und im Schließfedergehäuse (vgl. Abs. [0037]). Ein Verdrängen der Flüssigkeit durch die Öffnungen im Schließfederführungsrohr bzw. im Gehäuse ist demnach nur möglich, wenn der Schließfederkolben in Richtung der Öffnung(en) läuft, sobald der Ver-schlussträger zurückläuft. Demnach bewegen sich Verschlussträger und Schließfe-derkolben in dieselbe Richtung.
Dieses Verständnis wird gestützt durch Abs. [0045], der das Ausführungsbeispiel nach Figur 5 betrifft. Hiernach wird die im Schließfeder-Funktionsraum 48 befindliche Flüssigkeit durch den nach hinten laufenden Schließfederkolben 22 durch die drei axi-alen Fluid-Durchtritts-Öffnungen 56, 58, 60 nach außen verdrängt. - Merkmal 5.1 konkretisiert den Wirkzusammenhang zwischen Verschlussträger und Schließfederkolben insofern näher, als die Gasabnahmestange, die von der Gasab-nahme bis zum Verschlussträger reicht, die Bewegung für den Verschlussträger initi-iert, der wiederum den Schließfederkolben antreibt, in dem er zurückläuft. Ausweislich des Absatzes [0032] können der Verschlussträger und die Gasabnahmestange ge-koppelt sein oder nicht.
bb)
Nach Maßgabe des vorstehend erläuterten Verständnisses von Merkmal 1.3 lässt sich dessen Verwirklichung durch die angegriffene Ausführungsform feststellen.
Insoweit führt die Beklagte selbst aus, dass bei der angegriffenen Ausführungsform beim Zurücklaufen des Verschlussträgers der Schließfederkolben ebenfalls in Schuss-richtung nach hinten bewegt wird, sodass er das hinter ihm liegende Volumen redu-ziert und somit dort vorhandene Flüssigkeit verdrängt wird.
Diese Abbildung der angegriffenen Ausführungsform zeigt, dass der Schließfederkol-ben vor dem Schulterstützentubus angeordnet ist und damit vor den dort befindlichen Öffnungen. Läuft demnach der Schließfederkolben in Schussrichtung nach hinten, verdrängt er das Flüssigkeitsvolumen in Richtung der Öffnungen nach Merkmal 1.2.1, so dass durch diese die Flüssigkeit hindurchtreten kann. - c)
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch die weiteren Merkmale der gel-tend gemachten Anspruchskombination. Insbesondere sind die Beklagten dem Vor-trag der Klägerin, dass die angegriffene Ausführungsform alle weiteren Merkmale des beanspruchten Gasdruckladesystems mit kurzem Gaskolben und -zylinder verwirklicht ,nicht mehr erheblich entgegen getreten. - II.
Aufgrund des Anbietens der angegriffenen Ausführungsform über die in deutscher Sprache verfügbare Internetseite der Beklagten zu 1) XXX sowie das Inverkehrbrin-gen der angegriffenen Ausführungsform durch die Lieferung an das deutsche Unter-nehmen B GmbH, welche die angegriffene Ausführungsform an die Klägerin in Deutschland geliefert hat, ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen. Der Beklagte zu 2) haftet daneben als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) auf Unterlassung, Aus-kunft und Rechnungslegung sowie Schadensersatz bzw. Restschadenersatz. - 1.
Der Unterlassungsanspruch beruht auf Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt und eine Wieder-holungsgefahr gegeben ist.
Dieser Anspruch ist auch nicht verjährt. Das Unterlassen ist für die Frage der Verjäh-rung gedanklich in Einzelverhaltensweisen aufzuspalten, für die jeweils gesondert eine Verjährungsfrist läuft (vgl. BGH GRUR 2015, 780 – Motorradteile). Der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch wird daher auf Verletzungshandlungen aus noch nicht verjährter Zeit gestützt. - 2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, der aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG folgt. - Als Fachunternehmen hätte die Beklagte zu 1) die Patentverletzung bzw. die Nutzung der angemeldeten Lehre bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Entsprechendes gilt für den Beklag-ten zu 2) als Geschäftsführer. Geschäftsführer haben kraft ihrer Stellung im Unter-nehmen für die Beachtung absoluter Rechte Dritter Sorge zu tragen und das Handeln der Gesellschaft im Geschäftsverkehr zu bestimmen.
Kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produk-tion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft deshalb grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist (BGH, GRUR 2016, 257, 264 Rn. 117 – Glasfasern II). - Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens bzw. eine Nutzung des Gegenstands der Anmeldung hinreichend wahrscheinlich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO.
- a)
Die Schadenersatzpflicht beginnt – anders als von der Klägerin beantragt – jedoch erst mit dem 01.01.2017. Hinsichtlich der Ansprüche, die vor diesem Zeitpunkt ent-standen sind, greift die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung durch. Die Verjährung für Ansprüche wegen Patentverletzung nach § 141 PatG i.V.m. §§ 199 Abs. 1, 195 BGB beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstan-den ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Klägerin hat insoweit zugestanden, dass diese seit 2016 Kenntnis von der Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform hatte. Jedenfalls ist die Klägerin dem Vortrag der Beklagten, der Prokurist der Klägerin habe Feststellungen zur möglichen Patentverletzung intern aktenkundig gemacht und habe darauf hinge-wiesen, nicht mit anderslautendem Vortrag entgegen getreten. Insbesondere hat sie sich nicht auf fehlende Kenntnis der gesetzlichen Vertreter bzw. der Beklagte zu 1) berufen. Die Patentansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährungs-frist. Die Verjährung wurde erst mit Zustellung der Klage unter dem 25.09.2020 ge-hemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), so dass Schadenersatzansprüche, die bis zum 31.12.2016 entstanden sind, verjährt sind. -
b)
Für Handlungen zwischen dem 03.08.2010 und 31.12.2016 hat die Klägerin einen Restschadensersatzanspruch (§ 141 S. 2 PatG i.V.m. § 852 BGB) als Minus zum Schadensersatzanspruch, der auf die von der Klägerin beantragte Herausgabe des durch die Benutzung des Klagepatents Erlangtem gerichtet ist. - Dieser Anspruch verjährt 10 Jahren ab dessen Entstehung (§ 852 S. 2 BGB), wobei die Verjährung des ursprünglichen Schadenersatzanspruches keine Anspruchsvo-raussetzung ist (BeckOGK/Eichelberger, 1.9.2021, BGB § 852 Rdn. 21). Die Verjäh-rungsregel des § 852 S. 2 BGB entspricht inhaltlich der des § 199 Abs. 3 BGB (Pa-landt/Sprau, BGB, 79. Aufl. 202020 [sic], § 852 Rn. 2 a.E.). Für diese gilt die Ultimo-Regel von § 199 Abs. 1 BGB nicht, sondern eine taggenaue Verjährung (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, BGB § 852 Rdn. 3).
Die Klägerin macht Schadenersatz für Handlungen ab dem 20.02.2010 geltend. Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB wird die Verjährung durch Erhebung der Klage gehemmt. Er-hoben ist die Klage mit der Zustellung (§ 253 ZPO), wobei die verjährungshemmende Wirkung nach § 167 ZPO schon mit Einreichung der Klage eintritt, wenn die Zustel-lung demnächst erfolgt (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl. 2020, § 204 Rdn. 6 f.). Die Klage wurde am 03.08.2020 bei Gericht eingereicht und am 25.09.2020 – also demnächst – den Beklagten zugestellt. Das bedeutet eine Hemmung konnte erst ab diesem Zeitpunkt eintreten.
Demnach ist der Anspruch auf Rest-Schadensersatz, welche sich auf Handlungen in der Zeit vom 20.02.2010 bis 02.08.2010 bezieht, verjährt. - 3.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Entschädigung oder Rest-Entschädigung (Art. II § 1 Abs. 2 IntPatÜG) für den Offenlegungszeitraum (zuzüglich eines Karenzmonats) zu.
Für den Entschädigungsanspruch nach Art. II § 1 Abs. 2 IntPatÜG ist nach dessen Abs. 1 S. 2 für die Verjährung § 141 PatG entsprechend anzuwenden. Demgemäß sind die Ansprüche auf Entschädigung hinsichtlich der Handlungen vom 28.02.2009 bis 19.02.2010 mit Ablauf des 31.12.2019 verjährt. Diese wurden nicht durch die Er-hebung der Klage gehemmt. Insoweit kann auf die vorstehenden Ausführungen zum Schadenersatz Bezug genommen werden. Bei europäischen Patentanmeldungen mit Bestimmungsland Deutschland besteht zwar im Grundsatz ein Restentschädigungs-anspruch nach Art. II § 1 a Abs. 1 S. 2 IntPatÜG, § 141 S. 2 BGB, § 852 BGB (BeckOK PatR/Otten-Dünnweber, 21. Ed. 15.7.2021, PatG § 33 Rn. 15). Aus den ausgeführten Gründen sind diese aber ebenfalls bereits verjährt, da insoweit die Zehnjahresfrist noch bevor die Klage bei Gericht eingereicht wurde, abgelaufen ist, so verjährte der letzte Rest-Entschädigungsanspruch unter dem 19.02.2020. - 4.
Die Klägerin hat weiterhin Anspruch auf Auskunfts- und Rechnungslegung im tenorier-ten Umfang. - a)
Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, die Schadensersatz- und Restschadens-ersatzansprüche zu beziffern, steht ihr gegen die Beklagte ein Anspruch auf Rech-nungslegung im zuerkannten Umfang aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist auf die Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumut-bar belastet. - Insoweit kann die Klägerin auch hinsichtlich des Restschadenersatzanspruchs Aus-kunft über den Gewinn und die Gestehungskosten verlangen. Als durch die Verlet-zungshandlung auf Kosten des Berechtigten erlangt ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nunmehr auch ein Gewinn anzusehen, den der Verpflichtete gerade durch die Verletzung des Immaterialgüterrechts oder seine Mitwirkung an dieser Ver-letzung erzielt (BGH, GRUR 2019, 496 Rn. 17 – Spannungsvorrichtungen). So sieht der BGH aufgrund der Rechtsnatur des Restschadensersatzanspruchs einen Unter-schied zwischen dem Begriff des „Erlangten“ iSd § 812 S. 1 Alt. 2 BGB und dem des „Erlangten“ iSd § 141 S. 2 PatG. Die Vorschrift des § 141 PatG steht systematisch im Neunten Abschnitt des Patentgesetzes unter „Rechtsverletzungen“. Mit den Wörtern „auf Kosten erlangt“ wird in § 141 S. 2 PatG auf die Handlung abgestellt, durch die die Vermögensverschiebung bewirkt worden ist, also auf die Patentverletzung. Der auf die Herausgabe des Erlangten beschränkte Anspruch bleibt seiner Natur nach ein Schadensersatzanspruch. Die Vorschrift hat den Charakter einer Rechtsverteidigung gegenüber der Einrede der Verjährung. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als sol-cher bestehen und wird nur in seinem durchsetzbaren Umfang nach auf das durch die unerlaubte Handlung Erlangte beschränkt (BGH, GRUR 2019, 496 Rn. 17 – Span-nungsvorrichtungen). Dieser Ansicht schließt sich die Kammer an. Die Schadenskom-pensation durch Herausgabe des Verletzergewinns ist nach Ansicht des BGH, wie auch die Kompensation durch Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr und im Gegensatz zum Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns, gerade nicht auf Ersatz des konkret eingetretenen Schadens gerichtet. Vielmehr zielt die Herausgabe des Verletzergewinns in anderer Weise auf einen billigen Ausgleich des Vermögens-nachteils, den der verletzte Rechtsinhaber erlitten hat. So erscheint es auch der Kammer unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der schuldhaften unbefugten Benutzung des Schutzrechts beruht. Die Abschöpfung des Verletzerge-winns dient zudem der Sanktionierung des schädigenden Verhaltens und auf diese Weise der Prävention gegen eine Verletzung der besonders schutzbedürftigen Imma-terialgüterrechte. Gegen eine Beschränkung des Gegenstands der Herausgabepflicht auf Wertersatz für den Gebrauch des geschützten Gegenstands spricht schließlich, dass bei mittelbaren Patentverletzungen ein Anspruch nach § 141 S. 2 PatG iVm § 852 S. 1 BGB ausgeschlossen wäre. Denn eine mittelbare Patentverletzung verwirk-licht gerade nicht den Tatbestand einer Eingriffskondiktion, weil der mittelbare Patent-verletzer nicht in den Zuweisungsgehalt des fremden Patentrechts eingreift und damit sein Erwerb nicht auf Kosten des Patentinhabers iSd § 812 I 1 Alt. 2 BGB erfolgt. Der mittelbare Verletzer macht auch selbst von dem immateriellen Schutzgegenstand kei-nen Gebrauch und erlangt diesen Gebrauch mithin nicht, sondern fördert und ermög-licht ihn nur. Gleiches gilt für andere Fälle der Verursachung einer Schutzrechtsverlet-zung durch einen Anstifter oder Gehilfen oder einen Nebentäter, der bei fahrlässiger Tatbegehung nur einen Verursachungsbeitrag zur Schutzrechtsverletzung eines Drit-ten leistet. Ebenso wie im Fall der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung kann in diesen Fällen nur über die Herausgabe des Verletzergewinns verhindert werden, dass entgegen Sinn und Zweck des § 141 PatG dem Verletzer die Früchte seines rechts-widrigen Handelns belassen werden (vgl. BGH, GRUR 2019, 496 Rn. 18-20,24 – Spannungsvorrichtungen).
- Aufgrund der Verjährungseinrede war der Beginn des auskunftspflichtigen Zeitraums auf den Anfang des Zeitraums zu beschränken, ab dem die Klägerin einen Restscha-densersatzanspruch durchsetzen kann – also dem 03.08.2010. Eine weitergehende Verjährung des Anspruchs aus §§ 242, 259 BGB ist nicht eingetreten. Zwar verjährt der akzessorische Rechnungslegungsanspruch selbstständig vom Hauptanspruch, allerdings tritt eine Verjährung hier nicht ein, da ansonsten der gewährte Restscha-densanspruch nicht beziffert werden könnte und dieser Anspruch somit ins Leere lie-fe.
- b)
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsformen ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfin-dungsgegenstands unmittelbar aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 1 PatG, der Um-fang der Auskunftspflicht aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140b Abs. 3 PatG. - Die Angaben waren allerdings für Handlungen vor dem 01.01.2017 nicht zu machen und die Klage insoweit abzuweisen. Der Anspruch nach § 140b PatG verjährt selbst-ständig; er dient auch nicht der Bezifferung eines (ggf. noch nicht verjährten) (Rest-) Schadensersatzanspruchs. Die Verjährung bestimmt sich nach § 141 S.1 PatG i.V.m. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Für Handlungen ab dem 01.01.2017 ist aufgrund der Klage-erhebung keine Verjährung eingetreten (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Auf die obigen Aus-führungen wird Bezug genommen.
Für Handlungen vor dem 01.01.2017 ist der Anspruch aus § 140b PatG dagegen ver-jährt. Dies betrifft die genannten Auskünfte zu der Herkunft und den Vertriebswegen der angegriffenen Ausführungsformen, die nicht vom Anspruch nach §§ 242, 259 BGB umfasst sind. Insoweit ist auf die vorstehenden Ausführungen zum Schadener-satz zu verweisen. -
5.
Die Klägerin kann die Beklagte zu 1) aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1, Abs. 3 PatG auf Vernichtung und Rückruf patentverletzender Erzeugnisse in Anspruch neh-men. Eine Unverhältnismäßigkeit gemäß Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 4 PatG hat die Beklagte zu 1) nicht dargetan. Der Rückrufanspruch ist hinsichtlich der vor dem 01.01.2017 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse verjährt, § 141 S. 1 PatG i.V. m. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Auf die vorherigen Ausführungen wird Bezug genommen. - III.
Im Rahmen des der Kammer nach § 148 ZPO zustehenden Ermessens wird das Ver-fahren im Hinblick auf das Nichtigkeitsverfahren gegen das Klagepatent nicht ausge-setzt.
Nach § 148 ZPO kann das Gericht bei der Vorgreiflichkeit eines anderen Verfahrens einen Rechtsstreit aussetzen. Die Vorgreiflichkeit ist aufgrund der angenommenen Verletzung des Schutzrechtes hinsichtlich des anhängigen Nichtigkeitsverfahrens ge-geben (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 13. Auflage 2021, Abschnitt E Rn. 800). Die Erhebung einer Nichtigkeitsklage stellt ohne Weiteres noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen. Die Patenterteilung ist auch für die (Verletzungs-) Gerichte bindend. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die An-sprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die außerhalb der Zuständigkeit des Verletzungsgerichts fallende Rechtsbehelfe der Nichtigkeitsklage bzw. des Einspruchs zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent nicht als Einwand im Verletzungsverfahren geführt werden. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass die-sem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Ausset-zung des Verletzungsstreits im Rahmen der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermes-sensentscheidung ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobe-nen Nichtigkeitsklage oder dem erhobenen Einspruch nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – Az. 2 U 64/14, S. 29 f.). Eine Aussetzung kann aber regelmäßig nicht in Betracht kommen, wenn der dem Klageschutzrecht entgegen gehaltene Stand der Technik demjenigen entspricht, der bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist (Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 13. Auflage 2021, Abschnitt E Rn. 815).
Der Umstand, dass die Klägerin den hier im Verletzungsrechtsstreit zur Entscheidung gestellten Antrag im Rahmen des Nichtigkeitsverfahrens nur im Rahmen eines Hilfs-antrags verfolgt, führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu einem geänderten Aussetzungsmaßstab.
Indem die Klägerin die streitgegenständliche beschränkte Fassung des Klagepatents im Nichtigkeitsverfahren auch als Hilfsanspruch einführt, steht bereits fest, dass die Schutzfähigkeit des Klagepatents auch diesbezüglich geprüft wird, sofern das Bun-despatentgericht den erteilten Anspruch nicht für rechtsbeständig hält (vgl. Cepl/Voß/Cepl, ZPO, 2. Aufl., § 148 ZPO Rn. 155). Soweit die Entscheidung über die Aussetzung von den Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage abhängt, hat die Kam-mer dieser – notwendigerweise vorläufigen – Beurteilung das Klagepatent in der Fas-sung zu Grunde zu legen, in der es im hiesigen Verletzungsprozess geltend gemacht wird. Hierbei ist gegebenenfalls nicht nur die Patentfähigkeit zu berücksichtigen, son-dern auch die Frage, ob eine Beschränkung des Patents auf die im Verletzungspro-zess geltend gemachte Fassung im Nichtigkeitsverfahren zulässigerweise erfolgen kann (vgl. BGH, GRUR 2010, 904, Maschinensatz). Für die Beschränkung im Wege der Anspruchskombination, bei dem sich der Schutzbereich des Klagepatents verengt – wie hier durch die Ansprüche 1, 2, 21 und 23 – behält der Erteilungsakt tendenziell seine Aussagekraft (vgl. LG Düsseldorf, BeckRS 2013, 13305), so dass ein Abwei-chen vom Aussetzungsmaßstab nicht gerechtfertigt erscheint.
Der gleiche Gedanke ist aber fruchtbar zu machen, wenn die Beschränkung durch einen Disclaimer erfolgt, der gleichbedeutend mit der Aufnahme eines negativen tech-nischen Merkmals ist. Zwar mag es sich formal um ein neues Merkmal handeln, das im Rahmen des Erteilungsverfahrens in dieser Art und Weise noch nicht geprüft wur-de. Da dessen (zulässige) Aufnahme aber einer Verengung des Schutzbereiches des Klagepatents gleichkommt, behält der Erteilungsakt auch in diesem Fall tendenziell seine Aussagekraft. -
6.
Gemessen an dem danach jeweils anzuwendenden Maßstab ist eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO im Hinblick auf die nunmehr geltend gemachte Kombi-nation der Ansprüche 1, 2, 21 und 23 des Klagepatents und die Aufnahme des Disclaimers „ventilfrei“ nicht veranlasst. - a)
Eine Aussetzung des Rechtsstreits ist vorliegend aber nicht bereits aufgrund einer unzulässigen Erweiterung des Klagepatents im Vergleich zur Ursprungsoffenbarung geboten. - aa)
Soweit die Beklagte hierzu ausführt, in der ursprünglichen Patentanmeldung sei die Einwirkung eines Schließfederkolbens bei zurücklaufendem Verschlussträger auf die zu verdrängende Flüssigkeit sowie der Funktionshohlraum in der ursprünglichen Pa-tentanmeldung nicht offenbart, begründet dies keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Klagepatent aufgrund einer unzulässigen Erweiterung im Nichtigkeitsverfah-ren vernichtet werden wird. So vermag die Kammer die seitens der Beklagten gerüg-ten Mängel nicht zu erkennen. - (1)
Ob eine unzulässige Erweiterung vorliegt, ist mittels eines Vergleichs des Gegenstan-des des erteilten Schutzrechts mit dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung zu klären (Benkard/Rogge/Kober-Dehm, PatG, 11. Aufl. 2015, § 21 Rn. 30). Der Gegenstand des Patents ist dabei die durch die Patentansprüche bestimmte Lehre, wobei Be-schreibung und Zeichnungen zur Auslegung heranzuziehen sind (§ 14 PatG / Art. 69 EPÜ). Der Inhalt der Patentanmeldung ist hingegen der Gesamtheit der Unterlagen zu entnehmen, ohne dass den Patentansprüchen dabei eine gleich hervorgehobene Be-deutung zukommt (BGH, GRUR 2010, 509, 511 Rn. 25 – Hubgliedertor I). Der Inhalt der Anmeldung ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Pa-tentansprüche beschränkt, so dass im Erteilungsverfahren die Patentansprüche weiter gefasst werden können als in der Anmeldung, allerdings nur im Rahmen der ursprüng-lichen Offenbarung der Anmeldung (Benkard/Rogge/Kober-Dehm, PatG, 11. Aufl. 2015, § 21 Rn. 30). Für den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldungsun-terlagen kommt es darauf an, was aus ihnen aus fachmännischer Sicht unmittelbar und eindeutig als zur Erfindung gehörend hervorgeht (BGH, GRUR 2013, 1272, 1273 Rn. 14 – Tretkurbeleinheit; BGH, GRUR 2015, 573 Rn. 21 – Wundbehandlungsvor-richtung). Dabei muss die ursprüngliche Offenbarung für den Fachmann erkennen lassen, dass der geänderte Lösungsvorschlag von vornherein von dem Schutzbegeh-ren mit umfasst werden sollte (BGH, GRUR 2010, 509, 511 Rn. 25 – Hubgliedertor I). - (2)
Vorliegend ergibt sich die Flüssigkeitsverdrängung durch den Schließfederkolben aus der Beschreibung der Ursprungsanmeldung, insbesondere aus S. 9 der Anlage B3, Z. 6ff, in der es heißt: „[Die Gasabnahmestange] reicht bevorzugt von einer Gasabnah-me bis zum Verschlussträger und wirkt derart mit dem Verschlusssystem zusammen, dass sie den Verschlussträger antreibt und so über den vom Verschlussträger ange-triebenen Schließfederkolben Flüssigkeit aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung des Schließfedermechanismus verdrängt (Anspruch 23).“ Indem die Klägerin nunmehr den Anspruch 23 (Merkmale 2- 5.1.) in Kombination mit Anspruch 1, 2 und 21 geltend macht, bewegt sie sich jedenfalls im Rahmen der ursprünglichen Offenba-rung. Im Zusammenhang mit Merkmal 5.1 und der obigen Auslegung vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass der Fachmann dem Begriff des Zusammenwirkens nach Merkmal 1.3. eine weitreichendere Bedeutung zumisst als jene, die ihm das Merkmal 5.1. verleiht, welches wortgleich aus der Anmeldung übernommen wurde.
So konkretisiert der Begriff „antreiben“ bereits in der Ursprungsoffenbarung den Be-griff „Zusammenwirken“ von Verschlussträger und Schließfederkolben als den Me-chanismus, welcher dazu führen soll, dass der Schließfederkolben die Flüssigkeit aus der wenigstens einen Fluid-Durchtritts-Öffnung verdrängt. Ein weiterer Bedeutungs-gehalt kommt dem Merkmal „Zusammenwirken“ im Zusammenhang mit „Antreiben“ nicht zu. - bb)
Weiter entsprechen die in der Ursprungsoffenbarung enthaltenen Zeichnungen denen des Klagepatents, so dass insbesondere der Funktionshohlraum offenbart ist, der über ventilfreie Fluid-Durchtritts-Öffnung im Sinne der Merkmalsgruppe 1.4 verfügt.
Soweit die Beklagte zudem vortragen, Anspruch 23 der Anmeldung beziehe sich allein auf einen Gasdrucklader, der über ein sog. short stroke Gaskolbensystem verfüge und einen Wirkzusammenhang zwischen der Gasabnahmestange und dem Ver-schluss zeige, was sich in Anspruch 1 des Klagepatents nicht wieder finde, hat die Klägerin dem durch die Einschränkung auf eine Anspruchskombination der Ansprüche 1, 2, 21 und 23 Rechnung getragen, da diese die vorgenannten Merkmale ausdrück-lich enthalten. -
b)
Die Kammer kann nicht erkennen, dass die US XXX 719 (Anlage B4a/4b) die Merk-male von Anspruch 1 bzw. Anspruch 21 neuheitsschädlich vorwegnimmt.
Die Kammer vermag keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merkmals 1.3. zu erkennen, da sich die US 719 nicht mit der Verdrängung von Flüssigkeit be-fasst. Vielmehr hat diese die Verdrängung von Luft zum Gegenstand. Hieraus kann nicht ohne Weiteres auf die Eignung zur Verdrängung von Flüssigkeiten geschlossen werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Beklagten, wo-nach auch Gase zu den Fluiden gezählt werden könnten. Denn unabhängig davon, ob diese Aussage zutrifft, stellen die Merkmalsgruppen 1.3 und 5.1 explizit auf eine Flüs-sigkeit ab.
Entsprechendes gilt für die von den Beklagten angeführten Öffnungen (22). Eine un-mittelbare und eindeutige Offenbarung von Fluid-Durchtritts-Öffnungen ist darin nicht zu erkennen.
Zudem fehlt es an einer eindeutigen Offenbarung der Merkmale 3 und 4, da insbe-sondere die Zeichnungen weder einen kurzen Gaskolben noch einen kurzen Gaszy-linder zeigen.
c)
Entsprechendes gilt für die Entgegenhaltung US 6 XXX 351 (Anlage B7a/7b). Auch diese schweigt zu der Verdrängung von Flüssigkeit. Insbesondere lässt die Entgegen-haltung US XXX nicht erkennen, welche Ausgestaltung die seitens der Beklagten in Figur 18 als Öffnung identifizierte Aussparung hat. Ob diese daher für den Austritt von Flüssigkeit geeignet ist, bleibt unklar. Die Beklagte selbst bezeichnet diese als Gasaustrittsöffnung. Entsprechendes gilt für den Ringspalt zwischen Schließfeder-tubus und Schließfederkolben, welcher bauartbedingt bei jeder Waffe diesen Aufbaus aufgrund des geringeren Durchmessers des Schließfederkolbens gegenüber dem Schließfedertubus besteht. Rein fertigungsbedingte Öffnungen stellen keine an-spruchsgemäße Fluid-Durchtritts-Öffnung dar. Ringspalte, die aufgrund von Ferti-gungstoleranzen entstehen können, sind keine zusätzlichen Öffnungen, um einen schnellen Wasserabfluss zu gewährleisten. Weiter fehlt es an der Offenbarung der Verdrängung von Flüssigkeit durch den Schließfederkolben nach Merkmal 1.3. Soweit die Beklagte insoweit auf das Gewicht (weight, 85) abstellt, geht die Kammer mit der Klägerin davon aus, dass es sich hierbei um einen Bestandteil des Verschlussträgers handelt, der nach den obigen Ausführungen nicht Teil des Schließfedermechanismus im Sinne des Klagepatents ist. Dies ergibt sich insbesondere aus Sp. 6 Z. 26f der US 351, wonach das Gewicht 85 in einem hinteren Ende des Verschlussträgers 22 auf-genommen ist.
Schließlich befasst sich die US XXX mit dem modifizierten Waffentypen der M XX. Dieser Waffentypus verfügt über keinen kurzen Gaskolben, so dass es auch an der eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung des Merkmals 3 fehlt. Zu keiner anderen Bewertung führen die Ausführungen der Beklagten aus dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.10.2021, wonach die Figur 3 der Entgegenhaltung einen kurzen Gaskolben zeigt. So offenbart die US XXX einen Gaskolben („piston“), ohne nähere Erläuterung, ob es sich um einen kurzen oder langen Gaskolben handelt. Die Offen-barung eines kurzen Gaskolben ergibt sich hieraus demnach nicht unmittelbar und eindeutig. - d)
Auch die Entgegenhaltung US 2006/XXX A1 (vorgelegt als Anlage PBP10) rechtfertigt eine Aussetzung nicht.
Es handelt sich bei der dieser Entgegenhaltung bereits nicht um zu berücksichtigen-den Stand der Technik, da diese erst unter dem 16. November 2006 veröffentlicht wurde.
Entgegen der Ansicht der Beklagten nimmt das Klagepatent die Priorität vom 17.05.2006 wirksam in Anspruch.
Die Argumentation aus dem Nichtigkeitsverfahren, auf die die Beklagte Bezug nimmt, vermag nicht zu überzeugen (S. 9 der Nichtigkeitsklage, vorgelegt als Anlage B1). Die Beklagte führt insoweit aus, dass der Gegenstand des Klagepatents nicht in der ers-ten Anmeldung, d.h. dem Gebrauchsmuster DE 20 2006 XXX 925 U1 (welche der Kammer nicht vorgelegt wurde), klar und eindeutig offenbart werde. So könne Merk-mal 1.3. nur zusammen mit Anspruch 23 entnommen werde. Dieser beziehe sich aber allein auf die spezifische Ausführungsform eines Gasdruckladers, so dass der Fach-mann dem nicht entnehmen könne, dass dies auf beliebige Waffen übertragbar sei.
Die Argumentation stimmt damit im Wesentlichen überein mit der zur unzulässigen Erweiterung, so dass auf die Ausführungen Bezug genommen wird. Insbesondere ist die Klägerin durch die nunmehr geltend gemachte Anspruchskombination dem Ein-wand wirksam entgegen getreten, wonach lediglich ein Gasdrucklader gezeigt werde. - e)
Die Entgegenhaltung WO 2007/XXX A2 (Anlage B5a/5b) rechtfertigt eine Aussetzung ebenfalls nicht. Sie ist im Wesentlichen inhaltsgleich mit der US 414.
Die WO 801 offenbart jedenfalls nicht das Merkmal der ventilfreien Fluid-Durchtritts-Öffnungen. - aa)
Die Einfügung dieses den Anspruch beschränkenden Merkmals (im Folgenden: Disclaimer) durch die Klägerin ist zulässig.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Unzulässigkeit des Disclaimers nicht er-kennbar aufgrund einer unzulässigen Erweiterung der Anmeldung (WO 2007/XXX; Anlage B3). Denn eine unzulässige Erweiterung ist nicht ersichtlich. - (1)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes können einzelne Merkmale eines Unteranspruchs oder Ausführungsbeispiels dann in den Anspruch aufgenommen wer-den, wenn der Gegenstand des geänderten Anspruchs bereits in der Anmeldung als zur Erfindung gehörig offenbart ist (vgl. BGH, GRUR 2015, 573 – Wundbehandlungs-vorrichtung; Deichfuß, GRUR 2021, 168 ff.). Bei einer Änderung des Anspruchs durch eine Disclaimer – indem ein negatives technisches Merkmal aufgenommen wird – stellt sich letztlich die gleiche Frage (vgl. Deichfuß, GRUR 2021, 168, 169). Ausweis-lich des Beschlusses „Phosphatidylcholin“ (GRUR 2017, 1105) ist ein Disclaimer dann als zulässig anzusehen, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass mit der durch ihn bewirkten Beschränkung des Gegenstandes eine zusätzliche technische Wirkung einher geht oder erzielt werden soll oder der Fachmann dadurch eine neue technische Information erhält. - (2)
Die Anmeldung des Klagepatents offenbart Fluid-Durchtrittsöffnungen, die keinerlei Ventil aufweisen. Zwar lässt der Begriff der „Durchtrittsöffnung“ zwar grundsätzlich zu, dass diese Öffnungen verschlossen werden können. In der Anmeldung (Anlage B 3) wird insbesondere in den dazugehörigen Zeichnungen indes keine Öffnung gezeigt, die durch ein anderes Bauteil verschlossen oder anderweitig reguliert werden kann. Indem daher in den Anspruch aufgenommen wird, dass jede Fluid-Durchtrittsöffnung „ventilfrei“ zu sein hat, wird der erfindungsgemäße Gegenstand als solcher verengt: Neben Öffnungen, die grundsätzlich geschlossen werden können, sind nur noch sol-che beansprucht, die keine Schließung durch ein Ventil vorsehen. Dies gilt auch dann, wenn man mit den Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.10.2021 davon ausgeht, dass der Bolzen mit dem Bezugszeichen (66) in der An-meldung Öffnungen zu verschließen vermag, nämlich wenn dieser die Rastöffnung (64), die zugleich als Fluid-Durchtritts-Öffnung anzusehen ist, verschließt. Denn auch in diesem Fall zeigt die Anmeldung weiterhin Fluid-Durchtritts-Öffnungen, die offen bleiben und nicht mittels eines Ventils verschließbar sind. Der Disclaimer verengt mit-hin auch unter Berücksichtigung des Bolzens (66) den erfindungsgemäßen Gegen-stand.
In Öffnungen, die keine Schließung durch ein Ventil vorsehen, vermag der Fachmann aber keinen technischen Mehrwert zu erkennen bzw. eine zusätzliche Wirkung. Die Aufnahme des Begriffes „ventilfrei“ bewirkt lediglich, dass die Erfindung sich von sol-chen aus dem Stand der Technik bekannten Öffnungen abgrenzt, die über Ventile reguliert und/oder verschlossen werden können. Dass die Möglichkeit, die Fluid-Durchtrittsöffnungen zu verschließen, notwendiger Bestandteil des Waffenverschluss-systems ist, lässt sich der Anmeldung nicht entnehmen. Das Fluid soll vielmehr leicht und schnell nach außen abgeleitet werden, um die Funktion des Verschlusssystems nicht zu negativ zu beeinflussen.
Es handelt sich auch nicht deshalb um eine technisch relevante Erweiterung, wenn man mit den Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.10.2021 da-von ausgeht, dass es sich bei dem Bolzen (66) um ein Ventil handelt. So führen diese unter Verweis auf die Entscheidung „Phosphatidylcholin“ aus, dass der Disclaimer nur solche Bestandteile ausnehmen dürfe, bei denen es sich nicht um notwendige Be-standteile der Erfindung handele. Die Beschränkung auf ventilfreie Öffnungen führe aber dazu, dass die Rastnasen nicht mehr gleichzeitig als Fluid-Durchtritts-Öffnungen des Schließfedertubus dienen dürften und entsprechend ausgeformt sein dürften. Die Kammer vermag dieser Argumentation nicht beizutreten. Die Anmeldung offenbart, dass der Bolzen in eine der Rastöffnungen eingerastet wird. Bei den Rastöffnungen muss es sich ausweislich der Anmeldung nicht zwingend um Fluid-Durchtritts-Öffnungen handeln. Die Beschränkung auf ventilfreie Öffnungen lässt demnach Rast-Öffnungen, die nicht zugleich Fluid-Durchtritts-Öffnungen darstellen, unberührt. Ins-besondere ergibt sich für diese kein Erfordernis einer anderen Ausformung. Vor dem Hintergrund, dass die Anmeldung neben der durch den Bolzen verschließbaren Öff-nungen weitere Fluid-Durchtritts-Öffnungen offenbart, die nicht durch ein Ventil ver-schlossen werden können, betrifft der Wegfall einer Fluid-Durchtritts-Öffnung keinen notwendigen Bestandteil der Erfindung. - (3)
Der Einwand der Beklagten aus der mündlichen Verhandlung, der Disclaimer mag über die neuheitsschädliche Offenbarung in der WO 801 hinweghelfen, hingegen nicht bei der US XXX, vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen. Sofern die Be-klagten darauf abstellen, dass es sich wegen der vermeintlich nicht wirksamen Inan-spruchnahme der Priorität bei der US 414 nicht um nachveröffentlichten Stand der Technik handele, ist dem aus den oben genannten Gründen nicht beizutreten. - Damit ist der Disclaimer aber auch nach der Rechtsprechung des EPA zulässig, da er dazu dient, die Neuheit wiederherzustellen, in dem er einen Anspruch gegenüber be-stimmten nachveröffentlichten Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang abgrenzt (EPA (GBK), GRUR Int 2004, 959 Nr. 2.1 der Entscheidungsformel und 2.1.3 der Gründe -Disclaimer/PPG). Darüber hinaus verlangt auch das EPA, dass die durch den Disclaimer bewirkte Beschränkung sich nicht als technisch relevant erweisen darf (vgl. EPA aa.O). Dies ist wie gesehen nicht der Fall.
- bb)
Die WO 801 offenbart lediglich Fluid-Durchtritts-Öffnungen, welche ein Ventil aufwei-sen.
Insbesondere stellen die Bohrungen (58) und (60) keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung einer ventilfreien Fluid-Durchtritts-Öffnung dar, weil es sich bei dem Bau-teil 58 um eine Spindel handelt, die eine Bohrung 60 für ein Befestigungselement der Ventilbaugruppe ausgebildet haben können soll (Absatz [0027]). Auch wenn in der Zeichnung das Befestigungselement nicht gezeigt ist, erkennt der Fachmann, dass die Bohrung dafür vorgesehen sein kann (und nicht zwingend muss) und somit nicht einer schnellen Fluidabführung dient. Dies gilt auch soweit die Beklagten mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 20.10.2021 darauf verweisen, dass die Bohrung (6) kein Innengewinde habe, sondern die Baugruppe vielmehr über eine Spindel (58) ver-füge, welche sich durch ein Außengewinde auszeichne. Soweit die Beklagten zudem darauf verweisen, dass die Bohrung (60) jedenfalls dem Gasaustritt diene, ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen, wonach eine solche Öffnung nicht zwin-gend mit einer Fluid-Duchtritts-Öffnung gleichgesetzt werden kann.
Soweit die Beklagten auf die Öffnungen, welche in Figur 6A gezeigt werden, Bezug nehmen und insoweit ausführen, dass es sich bei dem „banenförmigen“ Bauteil ober-halb der Löcher um eine große Aussparung handelt, so dass bei jeder ihrer Position, Öffnungen dauerhaft geöffnet wären, vermag dem die Kammer nicht beizutreten. Dass es sich bereits nicht um eine Aussparung handelt, ergibt sich aus den Figuren 6B und 4B, wonach das bananenförmige Bauteil das Bezugszeichen (76) trägt und ein eigenständiges Bauteil darstellt, was insbesondere bei der Figur 4B erkennbar wird. Ausweislich Abs. [0029] handelt es sich bei dem Bauteil mit dem Bezugszeichen (76) um eine Dichtung („gasket“). Dies steht auch im Einklang mit der Überschrift der Figur 6A (system is open) und der von Figur 6B (system is lock).
Weiter betrifft die WO XXX den Waffentyp E, welcher keinen kurzen Gaskolben ent-hält, so dass es an einer Offenbarung des Merkmals 3 der Anspruchskombination mangelt. - f)
Soweit die Beklagte rügt, im Stand der Technik, insbesondere bei dem Gewehrtyp D, seien alle Merkmale bekannt, vermag das nicht zu überzeugen.
Insoweit fehlt es nach Auffassung der Kammer an der Voraussetzung, dass der vor-geblich offenkundig vorbenutzte Gegenstand sämtliche Merkmale des erteilten Pa-tentanspruchs 1 aufweist (vgl. BPatG, BeckRS 2011, 27757 – Voraussetzungen einer offenkundigen Vorbenutzung). Es fehlt an einer Fluid-Durchtritts-Öffnung im Sinne von Merkmal 1.2.1. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass ein Gewehr der D dafür konzipiert wurde, dass aus dieser Flüssigkeit ablaufen kann, etwa aus dem Ringspalt.
Weiter fehlt es an Merkmal 1.3. Allein der Umstand, dass nach dem Vortrag der Be-klagten jede Waffe und insbesondere die D, zwischen Schließfederkolben und Schließfedertubus einen Ringspalt aufweise, durch den Wasser ablaufen könne, of-fenbart nicht die Merkmale 1.2.1, 1.3, 1.4.1, 1.4.1.1 und 5.1, wonach Flüssigkeit so gezielt abgeführt werden soll, dass die Waffe zügig funktionssicher einsatzbereit ist.
Zudem weist das D keinen kurzen Gaskolben auf, so dass das Merkmal 3 nicht offen-bart ist. - g)
Die Entgegenhaltung US 6,779, XXX B2 (vorgelegt als Anlage PBP09) vermag eine Aussetzung nicht zu begründen. Insoweit liegt der Kammer bereits trotz eines ent-sprechenden Hinweises in der verfahrenseinleitenden Verfügung vom 01.09.2020 kei-ne Übersetzung vor, so dass es sich bereits nicht um ein berücksichtigungsfähige Schrift handelt.
Im Übrigen ist auch hier weder vorgetragen noch erkennbar, dass sich diese Entge-genhaltung mit dem Austritt von Flüssigkeit befasst. So trägt die Beklagte lediglich vor, dass sich im Schließfedertubus eine Gasaustrittsöffnung befinde, aus der auch Flüssigkeit auslaufen könne und – da in der Figur 14 eine D gezeigt werde – ein Ring-spalt existiere, aus dem ebenfalls Flüssigkeit auslaufen könne. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
Daneben befasst sich auch die US 289 mit dem Waffentypus D, so dass es an der Offenbarung eines kurzen Gaskolben im Sinne von Merkmal 3 fehlt. - h)
Die Entgegenhaltung Colt Karabiner E vermag ebenso wie die D keine Aussetzung zu begründen. Auch insoweit argumentiert die Beklagte mit der Gasaustrittsöffnung auf der Seelenachse im Schließfedermechanismus sowie mit einem Ringspalt. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Hinzu kommt, dass das Merkmal 3 (kurzer Gaskolben) nicht offenbart wird.
i)
Die US 6,901,XXX B1 (vorgelegt als Anlage PBP11), liegt nicht in übersetzter Fas-sung vor und stellt somit kein zu berücksichtigendes Dokument dar. Im Übrigen ist nicht erkennbar, das die US 691 Öffnungen zeigt, aus der Flüssigkeit aus dem Schließfedertubus verdrängt wird. Ein Ringspalt, der aufgrund Fertigungstoleranzen auftritt, vermag das aktive und gezielte Verdrängen der Flüssigkeit, welches das Kla-gepatent fordert, nicht zu leisten. - j)
Die Beklagten führen die mangelnde Erfindungshöhe im Rahmen ihrer Ausführungen zur Aussetzung nicht konkret aus, so dass diese eine Aussetzung erst recht nicht be-gründen kann. - IV.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 20.10.2021 gab – wie aufge-zeigt – weder Anlass zu einer abweichenden Entscheidung noch Anlass zur Wieder-eröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO. - Den Beklagten war kein Schriftsatznachlass im Hinblick auf den Schriftsatz der Kläge-rin vom 07.10.2021 bezogen auf die neue Antrags- und Anspruchsfassung zu gewäh-ren. Voraussetzung eines Schriftsatznachlasses gemäß § 283 ZPO ist neben dem nicht rechtzeitigen Vorbringen der gegnerischen Partei, dass sich die Partei auf dieses nicht rechtzeitige Vorbringen der Gegenpartei nicht erklären kann. Mit diesem Erfor-dernis ist klargestellt, dass die „überraschte“ Partei keinen unbedingten Anspruch auf die Gewährung einer Frist für die Einreichung einer Gegenerklärung hat. Vielmehr muss das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob eine Erklärung zB nicht doch noch im Termin möglich ist (MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO § 283 Rdn. 11). Insoweit war zu berücksichtigen, dass es sich bei der nunmehr durch die Klägerin geltend gemachten Anspruchskombination um solche Ansprüche handelt, die diese bereits in der Klageschrift als Hilfsanträge mit eingeführt hat und sich die Be-klagten auch insoweit bereits in der Klageerwiderung mit diesen auseinander gesetzt haben. Zwar wurde den Beklagten der geänderte Antrag erst unter dem 08.10.2021 (einem Freitag) zugestellt, so dass zwischen der Zustellung und der mündlichen Ver-handlung nur 3 Tage, wovon nur 1 Tag ein Werktag war, lagen. Auch der Disclaimer war bereits in der Replik der Klägerin angesprochen worden. Tatsächlich waren die Prozessbevollmächtigten der Beklagten, die Fachanwälte im gewerblichen Rechts-schutz und auf technische Schutzrechte spezialisiert sind, indes in der Lage, auf den neuen Antrag der Klägerin ihrerseits mit einem 17-seitigen Schriftsatz noch vor der mündlichen Verhandlung zu reagieren. Weiter hatten die Beklagten in der mündlichen Verhandlung umfassend Gelegenheit, sich zu der geänderten Antragsfassung zu äu-ßern. In der Zusammenschau war es den Beklagten daher nicht nur möglich, sich zu erklären, sondern sie haben dies auch umfangreich getan.
VI.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO. Soweit die Klägerin nicht mit ihrem Antrag auf Entschädigungsfeststellung, Schadenersatzfeststellung, Auskunft, Rech-nungslegung und Rückruf, voll durchdringen konnte, handelt es sich noch um ein ge-ringfügiges Unterliegen (§ 92 II Nr. 1 ZPO). So machen diese Anträge für sich ge-nommen einen geringeren Teil der Gesamtklage aus. Zudem unterliegt die Klägerin insoweit nur teilweise, da ihr jedenfalls ein Rest-Schadenersatzanspruch dem Grunde nach zusteht, soweit die Ersatzansprüche verjährt sind (s.o.).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten festzusetzen, §§ 709, 108 ZPO. - VII.
Der Streitwert wird auf 1.000.000,00 Euro festgesetzt.
(…)