Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3189
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 08. April 2021, Az. 4c O 65/19
- 1. Die Beklagten werden jeweils verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- Halterahmen für einen Steckverbinder zur Aufnahme gleichartiger und/oder unterschiedlicher Module, mit einem Grundabschnitt zur Fixierung eines aufgenommenen Moduls in einer Ebene und einem Verformungsabschnitt, der einen Einführzustand und einen Haltezustand annehmen kann, wobei der Einführzustand ein Einführen wenigstens eines Moduls in einer Richtung quer zur Ebene in den Halterahmen erlaubt und ein aufgenommenes Modul im Haltezustand fixiert ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen oder – nur in Bezug auf die Beklagte zu 1) – herzustellen, wenn
- der Grundabschnitt als Grundrahmen und der Verformungsabschnitt als wenigstens zwei einander gegenüberliegende Wangenteile am Grundrahmen ausgeführt sind,
- wobei die Wangenteile jeweils federelastische Laschen aufweisen, die sich in der Richtung quer zur Ebene über einen umlaufenden Abschnitt des Grundrahmens hinaus erstrecken und in denen jeweils ein Rastfenster als Rastelement zur Aufnahme einer Rastnase eines Moduls angeordnet ist,
- wobei benachbarte Laschen durch einen in das jeweilige Wangenteil hinein verlaufenden Schlitz gebildet sind.
- 2. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten und geordneten Aufstellung, hinsichtlich der Angaben a) und b) unter Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie die in vorstehender Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. November 2016 begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
- 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in vorstehender Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 20. November 2016 entstanden ist und noch entstehen wird.
- 4. Die Beklagten zu 1) und zu 2) werden verurteilt,
- a) die in der vorstehenden Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Endabnehmer befindlichen und seit dem 20. November 2016 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Endabnehmer, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 10 2013 113 XXX B4 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und den gewerblichen Endabnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagten diese Erzeugnisse wieder an sich nehmen oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlassen;
- b) die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) und 2) – Kosten herauszugeben.
- 5. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
- 6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 750.000,- vorläufig vollstreckbar.
- 7. Der Streitwert wird auf EUR 750.000,- festgesetzt, wobei die Beklagten in Höhe von EUR 125.000,- des Streitwertes, entfallend auf Ziff. 3 des Tenors, als Gesamtschuldner haften.
- Tatbestand
- Die Klägerin macht im vorliegenden Rechtsstreit Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach geltend. Sie stützt sich auf das deutsche Patent DE 10 2013 113 XXX B4 (Anlage KE 3; im Folgenden: Klagepatent E). Die Klägerin ist eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Klagepatents E, welches am 12. Dezember 2013 angemeldet und am 18. Juni 2015 offengelegt wurde. Der Hinweis auf die Erteilung wurde am 20. Oktober 2016 veröffentlicht.
- Das Klagepatent E ist auf einen Einspruch der Beklagten zu 1) hin vom Deutschen Patent- und Markenamt (im Folgenden: DPMA) mit Entscheidung vom 7. Mai 2019 in Gestalt des Hilfsantrags C aufrechterhalten worden. (vgl. Anlagen KE 4f und KE 4g). Über die gegen diese Entscheidung zum Bundespatentgericht eingelegte Beschwerde ist bislang noch nicht entschieden.
- Der Anspruch 1 des Klagepatents E in der aufrechterhaltenen und hier geltend gemachten Fassung lautet:
Halterahmen für einen Steckverbinder zur Aufnahme gleichartiger und/oder unterschiedlicher Module (3, 3′), mit einem Grundabschnitt zur Fixierung eines aufgenommenen Moduls (3, 3′) in einer Ebene und einem Verformungsabschnitt, der einen Einführzustand und einen Haltezustand annehmen kann, wobei der Einführzustand ein Einführen wenigstens eines Moduls (3, 3′) in einer Richtung quer zur Ebene in den Halterahmen erlaubt und ein aufgenommenes Modul (3, 3′) im Haltezustand fixiert ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Grundabschnitt und der Verformungsabschnitt wenigstens teilweise aus unterschiedlichen Werkstoffen gebildet sind, wobei der Grundabschnitt als Grundrahmen (1) und der Verformungsabschnitt als wenigstens zwei einander gegenüberliegende Wangenteile (2, 2′) am Grundrahmen (1) ausgeführt sind, wobei die Wangenteile (2, 2′) jeweils federelastische Laschen (22, 22′) aufweisen, die sich in der Richtung quer zur Ebene über einen umlaufenden Abschnitt das Grundrahmens (1) hinaus erstrecken und in denen jeweils ein Rastfenster (23, 23′) als Rastelement zur Aufnahme einer Rastnase (31, 31′) eines Moduls (3, 3′) angeordnet ist, wobei benachbarte Laschen durch einen in das jeweilige Wangenteil hinein verlaufenden Schlitz gebildet sind. - Nachfolgende verkleinert wiedergegebene Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen und beziehen sich auf ein Ausführungsbeispiel. Die Figur 1 zeigt einen Grundrahmen, die Figuren 2a und 2b ein erstes Wangenteil aus zwei verschiedenen Perspektiven und die Figuren 4a und 4b einen Halterahmen mit einem eingefügten PE-Modul aus zwei verschiedenen Perspektiven.
- Das Klagepatent E ist das Stammschutzrecht zu dem von der Klägerin im hiesigen Klagekomplex ebenfalls geltend gemachten europäischen Patent EP 3 080 XXX (im Folgenden: Patent A), wobei Anspruch 1 des Klagepatents A – mit Ausnahme der die Laschen bildenden Schlitze – inhaltsgleich zu dem eingeschränkt aufrechterhaltenen Anspruch 1 des Klagepatentes E ist. Das Klagepatent A ist durch Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamtes in der Einspruchsverhandlung vom 8. November 2019 (Anlage CBH 1) ebenfalls nur eingeschränkt in der Fassung des Hilfsantrages 19 aufrechterhalten worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf die als Anlage CBH 2 zur Akte gereichten Entscheidungsgründe vom 9. Januar 2020 Bezug genommen.
- Die Beklagten gehören zur A-Gruppe. Die Beklagte zu 1) ist ein deutsches Unternehmen, das Komponenten, Systeme und Lösungen auf den Gebieten Elektrotechnik, Elektronik und Automation anbietet und herstellt. Der Beklagte zu 3) ist einer der Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Er ist dort seit dem Jahr 2001 für Marketing und Produktentwicklung sowie Innovations- und Technologie-Management zuständig. Zu seinen Aufgabenbereichen zählen insbesondere die Leitung der internationalen Forschungs- und Entwicklungszentren des Unternehmensgruppe sowie in der Position des Chief Technology Officer auch die Technologie- und Prozessverantwortung (vgl. Anlage KE 3d).
- Bei der Beklagten zu 2) handelt es sich um die deutsche Vertriebstochter der A-Gruppe, welche ausweislich ihrer Homepage für den Vertrieb an deutsche Kunden zuständig ist (Anlage KE 3b). Alleiniger Geschäftsführer der Beklagten zu 2) ist der Beklagte zu 4) (vgl. Anlage KE 3c).
- Bei Aufrufen der Website der Beklagten zu 1) unter der Domain www.A.com, welche dort im Impressum erscheint (vgl. Anlage KE 5a), und auswählen der Kategorie „Unser Angebot“ sowie der weiteren Unterkategorie „Produktbereich anzeigen“ und der Landeswahl „Deutschland“ erscheint die Kategorie Produkte/Steckverbinder etc., wobei unter dieser Rubrik u.a. auch Halterahmen angeboten werden. In den Baugrößen B6, B10, B16 sowie B24 werden verschiedene Modelle solcher Halterahmen angeboten, mittlerweile in einer abgewandelten Fassung mit verkleinerten Rastfenstern, welche auch unmittelbar über diese Website zu bestellen sind. Die Beklagte zu 2) wird im Impressum gehörend zu dieser Website genannt (Anlage KE 5c); sie ist Ansprechpartnerin für den Vertrieb dieser angegriffenen Ausführungsformen und liefert die bestellten Produkte an deutsche Kunden aus.
- Außerdem bewerben die Beklagten diese Produkte in ihrem Produktkatalog „Produktkatalog 2: Sensor-/Aktor-Verkabelung und Steckverbinder“, welcher auch online auf der Website der Beklagten zu 2) unter der Kategorie „Produkte/Produktkataloge“ abrufbar ist (Anlage KE 5d). Gleichermaßen werden in dem Produktkatalog mögliche Module, die in die angegriffenen Ausführungsformen eingebracht werden können, abgebildet (vgl. S. 585).
- Die einzelnen Modelle der angegriffenen Ausführungsformen sind im Wesentlichen baugleich ausgestaltet; sie unterscheiden sich in der jeweiligen Größe. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sie mit der vorliegenden Klage nur die „alten“ Rahmen mit den größeren Fenstern angreift (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen).
- Die Klägerin führte über einen deutschen Elektronikhändler Testkäufe der angegriffenen Ausführungsformen durch. Die unter dem 17. September 2018 im Online-Shop der Beklagten bestellten Produkte wiesen die Beklagte zu 1) als Herstellerin aus und wurden von der Beklagten zu 2) an den Elektronikhändler ausgeliefert (Anlage KE 5e).
- Zwischen den Parteien des hiesigen Verfahrens sind bzw. waren vor der Kammer noch vier weitere Klagen anhängig, wobei das Verfahren zum Az. 4c O 68/18 das Klagepatent A, das Verfahren zum Az. 4c O 76/18 das Klageschutzrecht DE 20 2014 011 XXX U1 (Klageschutzrecht B), das Verfahren zum Az. 4c O 77/17 das Klageschutzrecht DE 20 2014 011 XXX U1 (Klageschutzrecht C) und das Verfahren zum Az. 4c O 77/17 das Klageschutzrecht DE 20 2014 011 XXX U1 (Klageschutzrecht D) betrifft. Das Verfahren betreffend das Klageschutzrecht B ist von der Kammer mit Blick auf den Rechtsbestand ausgesetzt worden, während die Verfahren betreffend die Schutzrechte C und D jeweils mit einer bislang nicht rechtskräftigen Verurteilung der Beklagten endeten.
- Außerdem hatte die Kammer die Beklagten zu 1) und 2) bereits mit Urteil vom 5. September 2019 im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens beruhend auf dem Klagepatent zur Unterlassung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hin hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 26. Juni 2020 (Az. I-2 U 51/19) das Verfügungsurteil aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, da es die Klägerin versäumt hatte, das Verfügungsurteil der Kammer ordnungsgemäß zu vollziehen.
- Die Klägerin ist der Meinung, dass die Klageerweiterung um den Gegenstand des Streitpatents E zulässig sei, da diese sachdienlich und der Anwendungsbereich von § 145 PatG zudem nicht eröffnet sei.
- Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten wortsinngemäß Gebrauch von der erfindungsgemäßen Lehre machen würden. Die angegriffenen Ausführungsformen würden insbesondere über einen umlaufenden Abschnitt verfügen, der sich an dem geschlossenen Grundrahmen orientiere, wobei die Stege des Grundrahmens nicht einzubeziehen seien. Selbst wenn die Stege jedoch in den umlaufenden Abschnitt einbezogen würden, würden die angegriffenen Ausführungsformen von der erfindungsgemäßen Lehre Gebrauch machen. Für ein Hinauserstrecken über den Grundrahmen sei ein Überragen der Stege nicht erforderlich. Auch würden die angegriffenen Ausführungsformen Rastfenster als Rastelemente aufweisen. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Rastfensters sei nicht erforderlich, dass eine Rastnase mit allen Außenkanten des Rastfensters in Eingriff komme und jegliche Bewegung der Rastnase verhindere. Für ein anspruchsgemäßes Rastfenster genüge bereits das Verhindern einer Relativbewegung in nur eine Richtung.
- Die Klägerin ist zudem der Auffassung, dass das Klagepatent rechtsbeständig sei. Mit Blick auf Entscheidung des DPMA im Einspruchsverfahren bestünden keine Zweifel mehr daran, dass das Klagepatent in der nunmehr eingeschränkten Fassung neu und erfinderisch sowie nicht unzulässig erweitert sei. Insoweit liege eine fachkundige erstinstanzliche Entscheidung vor, an der auch die Entscheidung im Einspruchsverfahren des Parallelpatents durch das Europäische Patentamt keine hinreichenden Zweifel zu begründen vermag.
- Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen;hilfsweise
den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Einspruchsbeschwerde der Beklagten gegen die DE 10 2013 113 XXX auszusetzen. - Die Beklagten erheben die Einrede der Klagekonzentration des § 145 PatG. Bei der von der Klägerin als „Klageerweiterung“ betitelten Einführung des Klagepatents E handele es sich bereits nicht um eine Klageerweiterung, sondern um eine gesonderte Hauptsachenklage. Für das lange Zuwarten mit der Klageerhebung sei kein Grund ersichtlich; ferner mangele es an der Sachdienlichkeit. Die Klägerin unterwandere mit der zeitversetzten Geltendmachung des Klagepatents E gerade den Zweck des §145 PatG.
- Die angegriffenen Ausführungsformen machten zudem keinen Gebrauch von der Lehre des Klagepatents. Ein umlaufender Abschnitt müsse sich vollständig um den Grundabschnitt erstrecken und dabei auch die Stege mit einbeziehen. Die Stege würden indes bei den angegriffenen Ausführungsformen mit der Oberkante der Wangenteile fluchten, was zwischen den Parteien auch unstrittig sei. Ein Hinauserstrecken der Laschen der Wangenteile über den umlaufenden Abschnitt sei bei einem Einbeziehen der Stege in den umlaufenden Abschnitt damit nicht gegeben. Die Klägerin würde zudem den umlaufenden Abschnitt im Vergleich zu dem parallelen des Patent A betreffende Verfahren sowie dem vorangegangen einstweiligen Verfügungsverfahren zu dem vorliegenden Klagepatent E jeweils unterschiedlich verorten.
- Das Klagepatent unterscheide nach seiner Lehre zudem zwischen Rastarmen und Rastfenstern als Rastmittel zum Verrasten. Dies ergebe sich insbesondere aus einem Vergleich mit dem Stand der Technik, insbesondere der EP 1 801 XXX B1 (im Folgenden: EP‘XXX), welche zur Fixierung im Halterahmen sowohl Rastarme als auch Rastfenster vorsehe. Zur Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen, behaupten die Beklagten, dass deren Wangenteile an der Oberseite der Fenster jeweils eine Ausbiegung aufwiesen, welche dazu diene, einzusetzende Module zu halten und zu fixieren. Daher würden die angegriffenen Ausführungsformen als Rastelement einen Rastarm bzw. einen Rasthaken vorsehen. Die Rastnasen der in den Halterahmen einzubringenden Module lägen an ihren Seiten und der Unterseite zudem nicht an dem Wangenteil an und würden zudem bereits nicht über den Grundrahmen vorstehen, sodass die Rastnasen auch nicht durch das Fenster aufgenommen würden.
- Das Klagepatent sei zudem nicht schutzfähig. So stünden mit der Einspruchsentscheidung des DPMA zu dem vorliegenden Klagepatent E und der Einspruchsentscheidung des EPA zu dem parallelen Patent A widersprechende Entscheidungen sachkundiger Instanzen im Raum. Insoweit habe die Einspruchsabteilung des EPA bei der ursprünglichen Fassung des Patentes A, die im Wesentlichen mit dem Klagepatent E übereinstimmt, mehrere unzulässige Erweiterungen und eine mangelnde Patentierbarkeit festgestellt. Wie schon im Einspruchsverfahren vor dem DPMA müsse sich das vorliegende Klagepatent den Einwand unzulässiger Erweiterung gegenüber der Stammanmeldung (DE 10 2013 113 XXX A1), mangelnder Neuheit ausgehend von der US-amerikanischen Patentschrift US 4,032,XXX (im Folgenden: E1) sowie mangelnder erfinderischer Tätigkeit basierend auf der US 5,352,XXX (im Folgenden: E5) in Kombination mit der E1, der DE 38 51 XXX T2 (Anlage CBH 10; im Folgenden: E15) oder dem Fachwissen entgegenhalten lassen.
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die Klage ist zulässig und begründet, da der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagten zustehen. - I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere steht ihr nicht die prozesshindernde Einrede des § 145 PatG entgegen. - Danach kann, wer eine Klage nach § 139 PatG erhoben hat, gegen den Beklagten wegen derselben oder einer gleichartigen Handlung auf Grund eines anderen Patents nur dann eine weitere Klage erheben, wenn er ohne sein Verschulden nicht in der Lage war, auch dieses Patent in dem früheren Rechtsstreit geltend zu machen. Soweit die Einrede des § 145 PatG tatbestandlich ein Verschulden des Patentinhabers voraussetzt, genügt grundsätzlich leichte Fahrlässigkeit. Daran fehlt es indes, wenn der Kläger während des Erstprozesses noch nicht Inhaber des später geltend gemachten Schutzrechts war oder dieses noch nicht erteilt oder noch Gegenstand eines Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens war, dessen Ausgang der Kläger zunächst abwarten durfte (vgl. Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 13. Auflage 2021, Kapitel E., Rz. 67). So auch im vorliegenden Fall, da die ursprüngliche Klage, umfassend die Schutzreche A bis D aus Oktober 2018 datiert, während die Einspruchsentscheidung des DPMA aus Mai 2019 stammt, mithin zu einem Zeitpunkt erging, als der Erstprozess bereits lief.
- Unabhängig davon findet § 145 PatG im vorliegenden Fall aber auch bereits keine Anwendung, da die Klägerin das Klagepatent E – anders als die Beklagten meinen – nicht als eigenständige Klage geltend machen, sondern im Rahmen einer zivilprozessual nach §§ 263f. ZPO zulässigen Klageerweiterung. Denn durch § 145 PatG ist der Patentinhaber nicht gehindert, ein weiteres Schutzecht im Wege der Klageerweiterung noch nachträglich in dem ersten Prozess geltend zu machen (vgl. Grabinski/Zülch in Benkard, Kommentar zum PatG, 11. Aufl. 2015, PatG, § 145, Rz. 2; Kühnen a.a.O., Rz. 72). Voraussetzung für die Klageerweiterung ist nach § 263 ZPO indes, dass die beklagte Partei ihr zustimmt oder Sachdienlichkeit vorliegt.
- Die Kammer vermochte – da es vorliegend an der Einwilligung durch die Beklagten fehlt – die erforderliche Sachdienlichkeit festzustellen. Im Hinblick auf die Präklusionswirkung des § 145 ist eine solche Klageerweiterung regelmäßig als sachdienlich zuzulassen, da es der einzig mögliche Weg ist, die Ansprüche aus einem weiteren Patent noch zur Geltung zu bringen (ebenso: OLG Düsseldorf, GRUR 2007, 223,224 – Melkvorrichtung). Hierbei war zudem zu berücksichtigen, dass der Streitstoff des mit der ursprünglichen Klage geltend gemachten Patents A und des vorliegenden Klagepatentes E sich in weiten Teilen überschneidet, zumal es sich bei dem Klagepatent E um das Prioritätsdokument zu dem Patent A handelt und die gleichen Produkte angegriffen werden. Die Zulassung der Klageerweiterung entspricht daher den Erfordernissen der Prozessökonomie.
- Ebenso war zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Klageeinreichung der ursprünglichen Klage das Klagepatent E vor dem DPMA noch in einem Einspruchsverfahren anhängig war. Nach der Entscheidung hat die Klägerin ihre Rechte aus dem Klagepatent E unmittelbar geltend gemacht, zunächst durch eine Abmahnung und ein sich anschließendes einstweiliges Verfügungsverfahren. Das Vorgehen der Klägerin kann daher auch nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.
- Entgegen der Ansicht der Beklagten ist auch unschädlich, dass die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 teilweise selbst von einer Klage spricht oder bereits vorab hilfsweise ein Versäumnisurteil nach §331 Abs. 3 S. 1 ZPO beantragt hat. Der Schriftsatz der Klägerin wird an mehreren Stellen, insbesondere einleitend, mit „Klageänderung“ bzw. „Klageaenderung“ beschrieben bzw. betitelt. Ferner war in der vorliegenden Konstellation nach der üblichen Praxis der Kammer mit einer Abtrennung der Klageerweiterung zu rechnen, sodass ein vorab gestellter Antrag auf ein Versäumnisurteil nicht als ein Hinweis auf eine separate Hauptsachenklage anzusehen ist.
- II.
Die Klage ist auch begründet. - 1.
Das Klagepatent E betrifft Halterahmen für einen Steckverbinder. - Im Stand der Technik waren bereits Halterahmen, welche benötigt werden, um mehrere gleichartige oder unterschiedliche Module aufzunehmen und außerdem gemäß der Steckverbinder-Norm eine Schutzerdung insbesondere für das Einbringen des bestückten Halterahmens in metallische Steckverbindergehäuse aufweisen (Abs. [0002]), bekannt.
- In Abs. [0003] beschreibt das Klagepatent die aus der DE 27 36 XXX A1 bekannte Lehre, die eine Befestigung von Reihenklemmen oder Anschlussmodulen aus starrem Isoliermaterial durch Einrasten und Befestigung auf ihrem Platz auf einer metallischen Trägerschiene betrifft. Die Trägerschiene kann durch ein U-förmiges Profil mit zwei nach innen vorspringenden Vorsprüngen gebildet sein, die in ihrer Höhe gegeneinander und gegenüber dem mittleren Teil des Profils versetzt sein können. Die einrastbare Reihenklemme weist an ihren beiden Endkanten zum Zusammenbau Nuten auf, die ihrerseits mit innen liegenden horizontalen Vorsprüngen zusammenwirken, die in der Nähe der freien Enden der beiden Schenkel eines metallischen U-förmigen Trägerprofils vorgesehen sind. Außerdem weist der untere Teil der vorderen Endkante der Reihenklemme eine Abschrägung auf, die das Einrasten dieser Reihenklemmen erleichtert und das Einrasten durch einfache Druckausübung auf die Reihenklemmen in Richtung auf den Boden des Profils der Trägerschiene ermöglicht, im Zusammenspiel mit einer eingesetzten Blattfeder (vgl. Abs. [0004] f.).
- Auch die vorbekannte DE 295 080 XX U1 betrifft einen Moduleinsetzrahmen zur Aufnahme von Kontaktmodulen zum Einsetzen in Steckerverbindergehäusen mit einem Rahmenkörper, bestehend aus sich jeweils gegenüberliegenden zwei Wangenteilen und zwei Kopfstücken und gemeinsam bildend eine Aufnahmeöffnung für die Kontaktmodule. Dabei sind an den Wangenteilen Haltemittel vorgesehen, die der Fixierung und Haltung der Kontaktmodule dienen (vgl. Abs. [0005]).
- Das Klagepatent nimmt in Abs. [0006] ferner Bezug auf die EP 0 860 XXX B1, welche einen Halterahmen zur Halterung von Steckverbindermodulen und zum Einbau in Steckverbindergehäuse bzw. zum Anschrauben an Wandflächen offenbart. Die Steckverbindermodule werden in den Halterahmen eingesetzt und wirken mit Halterungsmitteln an den Steckverbindermodulen mit an gegenüberliegenden Wandteilen das Halterahmens vorgesehenen Ausnehmungen zusammen. Dabei sind die Ausnehmungen als allseitig geschlossene Öffnungen in den Seitenteilen des Halterahmens ausgebildet.
- Ausgehend von der EP 2 581 XXX A1 beschreibt das Klagepatent E in Abs. [0007] einen Halterahmen für Steckverbindermodule, der zwei Rahmenhälften aufweist, die durch Linearverschieben der einen relativ zur anderen Rahmenhälfte miteinander verrastbar sind. An den Rahmenhälften sind jeweils zueinander korrespondierende Rastmittel vorgesehen, die aufgrund des Linearverschiebens die Rahmenhälften in zwei verschiedene Raststellungen verbringen werden können. Dies bewirkt eine Beabstandung der Rahmenhälften zueinander.
- Hieran kritisiert das Klagepatent insbesondere, dass solche Halterahmen bei der Montage eine sehr aufwändige Bedienung erfordern. Denn der gesamte Rahmen muss zur Lösung/Entrastung auch nur eines Moduls aus dem Steckverbinder gelöst werden. Dabei ist möglich, dass weitere Module herausfallen, obwohl deren Entnahme nicht erwünscht war (Abs. [0008]).
- Als weiteren Stand der Technik würdigt das Klagepatent E das EP XXX als vorbekannt, welches einen Halterahmen, bestehend aus einem einteiligen Kunststoffspritzteil, offenbart. Der Rahmen ist als umlaufender Kragen ausgebildet und verfügt an seiner Steckseite über mehrere durch Schlitze getrennte Wandsegmente. Je zwei gegenüberliegende Wandsegmente bilden einen Einfügebereich für ein Steckermodul. Dabei weisen die Wandsegmente fensterartige Öffnungen auf, um an den Schmalseiten der Module vorgesehene Vorsprünge aufzunehmen. Außerdem ist an den Wandsegmenten eine Führungsnut vorgesehen, oberhalb der Öffnungen und geformt mittels eines nach außen versetzten Fenstersteges, der seinerseits an der Innenseite abgeschrägt ist. An den Schmalseiten der Steckermodule sind zudem Rastarme ausgestaltet, die unterhalb der seitlichen Krangenwand verrasten. Es existieren somit zwei unabhängige Rastmittel, die die Steckermodule im Halterahmen fixieren.
- An diesem Stand der Technik kritisiert es das Klagepatent als nachteilig, dass der gattungsmäßig aus Kunststoff gebildete Halterahmen nicht zur Schutzerdung und damit nicht zum Einbau in metallische Gehäuse geeignet ist. Außerdem ist die Herstellung von Kunststoffrahmen im Spritzgussverfahren schwierig und erfordert hohen Aufwand. Ebenfalls aufgrund der Materialbeschaffenheit ist die Hitzebeständigkeit nicht immer ausreichend, z.B. bei einer speziellen Anwendung in der Nähe eines Hochofens (vgl. Abs. [0010]).
- Das Klagepatent stellt sich daher, wie es in Abs. [0012] ausführt, die Aufgabe, eine Bauform für einen Halterahmen anzugeben, die eine gute Hitzebeständigkeit und eine hohe mechanische Robustheit aufweist und die insbesondere auch beim Einbau in ein metallisches Steckverbindergehäuse eine entsprechende Schutzerdung, insbesondere Protection Earth („PE“), ermöglicht. Außerdem soll eine komfortable Bedienbarkeit, insbesondere beim Auswechseln einzelner Module, gewährleistet werden.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung vor, die folgende Merkmale aufweist:
- 1.1. Halterahmen für einen Steckverbinder zur Aufnahme gleichartiger und/oder unterschiedlicher Module (3, 3‘),
1.1.1. mit einem Grundabschnitt zur Fixierung eines aufgenommenen Moduls (3, 3′) in einer Ebene und
1.1.2. einem Verformungsabschnitt, der einen Einführzustand und einen Haltezustand annehmen kann, wobei
1.2. der Einführzustand ein Einführen wenigstens eines Moduls (3, 3‘) in einer Richtung quer zur Ebene in den Halterahmen erlaubt und
1.3. ein aufgenommenes Modul (3, 3‘) im Haltezustand fixiert ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.4. der Grundabschnitt und der Verformungsabschnitt wenigstens teilweise aus unterschiedlichen Werkstoffen gebildet sind, wobei
1.5. der Grundabschnitt als Grundrahmen (1) und der Verformungsabschnitt als wenigstens zwei einander gegenüberliegende Wangenteile (2, 2‘) am Grundrahmen (1) ausgeführt sind, wobei
1.6. die Wangenteile (2, 2‘) jeweils federelastische Laschen (22, 22‘) aufweisen,
1.6.1. die sich in der Richtung quer zur Ebene über einen umlaufenden Abschnitt des Grundrahmens (1) hinaus erstrecken und
1.6.2. in denen jeweils ein Rastfenster (23, 23‘) als Rastelement zur Aufnahme einer Rastnase (31, 31 ‚) eines Moduls (3, 3‘) angeordnet ist, wobei
1.6.3. benachbarte Laschen durch einen in das jeweilige Wangenteil hinein verlaufenden Schlitz gebildet sind. - 2.
Die Parteien streiten nur über die Verwirklichung der Merkmal 1.6.1. und 1.6.2., weshalb sich Ausführungen zu den weiteren Merkmalen erübrigen. Die Kammer vermochte indes auch die Verwirklichung dieser Merkmale festzustellen. - 2.1.
Der Anspruch 1 des Klagepatents stellt gemäß Merkmal 1.1. einen Halterahmen für einen Steckverbinder zur Aufnahme gleichartiger und/oder unterschiedlicher Module unter Schutz. Der Halterahmen soll dabei einen Grundabschnitt zur Fixierung eines aufgenommenen Moduls in einer Ebene (Merkmal 1.1.1.) und einen Verformungsabschnitt, der einen Einführzustand und einen Haltezustand annehmen kann (Merkmal 1.1.2.), aufweisen. Der Einführzustand soll ein Einführen wenigstens eines Moduls in einer Richtung quer zur Ebene in den Halterahmen erlauben (Merkmal 1.2.), so dass ein aufgenommenes Modul im Haltezustand fixiert wird (Merkmal 1.3.). Nach dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs sollen der Grundabschnitt und der Verformungsabschnitt wenigstens teilweise aus unterschiedlichen Werkstoffen gebildet sein (Merkmal 1.4.). Gemäß Merkmal 1.5. sind dabei der Grundabschnitt als Grundrahmen und der Verformungsabschnitt als wenigstens zwei einander gegenüberliegende Wangenteile am Grundrahmen ausgeführt. Nach Merkmal 1.6. sollen die Wangenteile jeweils federelastische Laschen aufweisen, die von den Merkmalen 1.6.1. bis 1.6.3. näher beschrieben sind. Danach erstrecken sich die Laschen in der Richtung quer zur Ebene über einen umlaufenden Abschnitt des Grundrahmens hinaus (Merkmal 1.6.1.) und in den Laschen soll nach Merkmal 1.6.2. jeweils ein Rastfenster als Rastelement zur Aufnahme einer Rastnase eines Moduls angeordnet sein, wobei benachbarte Laschen nach Merkmal 1.6.3. schließlich durch einen in das jeweilige Wangenteil hinein verlaufenden Schlitz gebildet sein sollen. - 2.1.1.
Merkmal 1.6.1. des Anspruchs 1 gibt vor, dass sich die federelastischen Laschen in der Richtung quer zur Ebene über einen umlaufenden Abschnitt des Grundrahmens hinaus erstrecken. - Unter einem „umlaufenden Abschnitt des Grundrahmens“ versteht der Fachmann – wie die Kammer auch bereits in seinem Verfügungsurteil zum hiesigen Klagepatent E ausgeführt hat – einen Bereich des Grundrahmens, der im Wesentlichen durchgängig und geschlossen verläuft, nämlich um den Grundrahmen herum. Nicht erforderlich ist, dass dieser umlaufende Abschnitt konstant dieselbe Höhe aufweist.
- Eine ausdrückliche Definition, was unter dem Begriff eines umlaufenden Abschnitts zu verstehen ist, beinhaltet die Klagepatentschrift nicht. Dieser Ausdruck wird nur im Anspruchswortlaut, darüber hinaus in der Klagepatentschrift aber nicht verwendet. Das Verständnis folgt indes aus der Systematik des Anspruchs sowie aus den Beschreibungsstellen der Klagepatentschrift.
- Im Wortlaut des Merkmals 1.6.1. erfolgt durch die Benutzung des Genitivs „des Grundrahmens“ grammatikalisch die eindeutige Zuordnung eines umlaufenden Abschnitts zum Grundrahmen bzw. als Teil(bereich) des Grundrahmens. Durch das vom „genitivus possessivus“ erzeugte Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen dem Grundrahmen und dem umlaufenden Abschnitt erfolgt wenigstens implizit eine Aufteilung des Grundrahmens in den „einen umlaufenden Abschnitt“ des Grundrahmens und Abschnitte des Grundrahmens, die nicht zum umlaufenden Abschnitt gehören.
- Bei dem Abschnitt handelt sich um einen Teilbereich des Grundrahmens. Dies er-kennt der Fachmann schon anhand der begrifflichen Abgrenzung im Merkmalswortlaut, welche im Klagepatent insgesamt konstant erfolgt. Denn durchgängig wird zwischen den Begriffen Grundrahmen und Grundabschnitt differenziert. Dem entnimmt der Fachmann den Hinweis, dass es sich um verschiedene Gegenstände/Bereiche handelt und den Begriffen daher keine identische Bedeutung zukommt. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb an einer solchen Differenzierung, zwar in anderem Kontext, aber bei einheitlich zu betrachtender Klagepatentschrift, nicht mehr festgehalten werden sollte.
- Das Klagepatent weist dem Begriff des Abschnitts die einheitliche Bedeutung als Bereichsangabe zu, was insbesondere in Gesamtschau mit dem „Grundabschnitt“ offenbar wird. Anhand des Begriffs „Grundabschnitt“ erfolgt eine Untergliederung eines Halterahmens in zwei Bereiche. So stellt das Klagespatent durchgängig einen Grundabschnitt und einen Verformungsabschnitt gegenüber (vgl. Merkmale 1.1.1. und 1.1.2.). In diesen Merkmalen werden den beiden Abschnitten insoweit Anforderungen an ihre räumlich-körperliche Ausgestaltung, einhergehend mit Funktionsbeschreibungen, zugewiesen. Diesen Angaben entnimmt der Fachmann schon erste Hinweise für die Ausgestaltung der Vorrichtung, welche sodann in den folgenden Merkmalen präzisiert werden.
- In dem Verständnis als Bereichsangabe wird der Fachmann zumindest indiziell auch durch die ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel betreffenden Absätze [0028] und [0029] gestützt. Denn darin werden ein erster und ein zweiter Bereich beschrieben, wobei der Grundabschnitt dem ersten und der Verformungsabschnitt dem zweiten Bereich entsprechen soll. Die Abgrenzung der Bereiche erfolgt über die Materialauswahl.
- Für das Verständnis, dass Grundrahmen und Grundabschnitt daher nicht (zwingend) synonym zu verstehen sind, spricht schließlich auch die Systematik in Abs. [0025]. Dort beschreibt das Klagepatent die Materialbeschaffenheit der unterschiedlichen Bestandteile eines Halterahmens und differenziert dabei zwischen einem Grundabschnitt und dem Verformungsabschnitt. Wörtlich heißt es: „…sowohl für den Grundabschnitt, insbesondere den Grundrahmen, als auch für den Verformungsabschnitt, insbesondere die Wangenteile,…“. Dieser Beschreibungsstelle entnimmt der Fachmann, dass Grundabschnitt und Grundrahmen gleichermaßen wie der Verformungsabschnitt und die ihm gegenüber spezielleren Wangenteile in einem Über-/Unterordnungsverhältnis zueinander stehen. Die als „insbesondere“ Zusätze geführten Elemente sind jeweils konkrete Möglichkeiten, die Oberbegriffe auszugestalten.
- Der Grundrahmen als solcher beschreibt seinerseits eine konkrete körperliche Ausgestaltungsmöglichkeit eines Grundabschnitts. Dies geht aus Merkmal 1.5. hervor, wenn es heißt „Grundabschnitt als Grundrahmen“. Ein Grundrahmen ist immer ein Grundabschnitt, wohingegen ein Grundabschnitt nicht immer ein Grundrahmen sein muss.
- Bestärkt in diesem Verständnis wird der Fachmann weiterhin durch die allgemeinen und besonderen Beschreibungsabsätze der Klagepatentschrift. So formuliert Abs. [0031] beispielsweise eine mögliche Ausgestaltungsform eines Grundrahmens und beschreibt dazu auch einen umlaufenden und im Querschnitt im Wesentlichen rechteckig ausgestalteten Grundrahmen.
- Auch technisch-funktional betrachtet ist der Grundabschnitt als Bereichsangabe zu begreifen. Denn der Lehre des Klagepatents kommt es darauf an, einen Halterahmen aus unterschiedlichen Materialien, aufweisend unterschiedliche Eigenschaften für einen verschiedenen Einsatzzweck, aufzuzeigen. Um diesen Aspekt darzustellen, ist es ausreichend, die Vorrichtung aufzuteilen und anhand ihrer Bereiche das jeweils vorzusehende Material zu erläutern. Auf eine konkrete körperliche Ausformung kommt es dazu noch nicht an.
- Ausgehend von der Verwendung der unterschiedlichen Ausdrücke erkennt der Fachmann, dass der umlaufende Abschnitt nicht identisch mit Grundrahmen oder Grundabschnitt sein kann.
- Das Klagepatent erfordert es ferner nicht, dass ein umlaufender Abschnitt durchgängig dieselbe Höhe aufweist. Entscheidend ist nur, dass ein als zusammenhängend erkennbarer Bereich eines Grundrahmens vorhanden ist, über den die federelastischen Laschen hinausragen. Zur näheren Ausgestaltung dieses Teilbereichs macht es keinerlei Vorgaben; insbesondere nicht dahingehend, dass Stege Teil des umlaufenden Abschnitts sein können. So folgt auch aus der Beschreibung, dass die Seitenteile des Halterahmens Stege aufweisen können (vgl. Abs. [0053] „besitzen“), nur, dass diese Elemente dem Grundabschnitt/Grundrahmen zuzuordnen sind. Zum umlaufenden Abschnitt gehören sie dagegen nicht. Denn der Grundrahmen als solcher erstreckt sich denknotwendig über den umlaufenden Abschnitt und kann bspw. Stege aufweisen. Gegen die Einbeziehung der Stege in den Abschnitt spricht auch, dass kein durch-gängiger und geschlossener Bereich mehr vorläge.
- Gestützt in dem Verständnis wird der Fachmann ferner durch die Figuren 1 und 4 der Klagepatentschrift. Sie weisen einen durchgängig ausgestalteten Grundrahmen auf, gekennzeichnet mit der Bezugsziffer 1. Der umlaufende Abschnitt wurde dabei aber nicht explizit dargestellt/hervorgehoben. Gleichzeitig ist den Figuren jeweils eine kurze Seite zu entnehmen, die im Vergleich zu den Seitenteilen niedriger ist. Dies steht dem Verständnis des umlaufenden Abschnitts deshalb nicht entgegen, weil es sich um die Darstellung eines bevorzugten Ausführungsbeispiels handelt, das den Anspruchsgehalt nicht einzuschränken vermag. Im Übrigen ist grundsätzlich von der Anspruchsgemäßheit aller bevorzugter Ausführungsbeispiele auszugehen, sodass auch diese Figuren vom Gegenstand der erfindungsgemäßen Lehre umfasst sind und einen umlaufenden Abschnitt aufweisen.
- In diesem Verständnis wird der Fachmann auch unter technisch-funktionaler Betrachtung gestärkt. Wie dem Merkmal 1.6.1. schon selbst zu entnehmen ist, ist der umlaufende Abschnitt zusammen mit den Laschen zu betrachten, welche sich über ihn hinaus erstrecken sollen. Dies beruht technisch-funktional darauf, dass sich die Laschen beim Einführen und Herauslösen eines Moduls auseinander biegen sollen. Dies ist nur zu erreichen, wenn die Laschen über einen biegbaren Endbereich verfügen sollen, mithin einen Bereich, der frei über den umlaufenden Abschnitt hinaus steht. Diese Funktion kann aber auch dann erfüllt werden, wenn der umlaufende Abschnitt unterschiedlich hoch ausgestaltet ist. Denn maßgeblich ist das Verhältnis der Höhe des Abschnitts und der Länge der Laschen, was aufeinander abgestimmt werden kann. Es liegt demnach keine den Umlauf beeinträchtigende Stelle vor, wenn ein Bereich ein geringeres Höhenniveau aufweist, solange jedenfalls überhaupt eine durchgängige Verbindung der Elemente, bildend den Grundrahmen, vorhanden ist.
- Das Klagepatent macht schließlich keine Vorgaben dazu, dass die sich über den umlaufenden Abschnitt hinaus erstreckenden Laschen nicht an (weiteren) Teilen des Halterahmens anliegen dürfen. Eine ausdrückliche Definition, was unter „darüber hinaus erstrecken“ zu verstehen ist, beinhaltet die Klagepatentschrift nicht. Dieser Ausdruck wird nur im Anspruchswortlaut, darüber hinaus in dem Klagepatent aber nicht benutzt. Das Verständnis folgt indes ebenfalls aus der Systematik des Anspruchs sowie aus den Beschreibungsstellen der Klagepatentschrift.
- Der Patentanspruch fordert dabei, dass die Laschen sich über den umlaufenden Abschnitt des Grundrahmens hinaus erstrecken. Die Beschreibung der Klagepatentschrift definiert dabei nicht explizit, ob die verschiedenen im Klagepatent aufgeführten Abschnitte durch die Begrenzungen bzw. die Ränder der die jeweiligen Abschnitte bildenden Bestandteile begrenzt wird oder nicht. Eine explizite Erläuterung, ab wann ein Hinauserstrecken gegeben ist liegt somit nicht vor.
- Der Fachmann kann jedoch zum einen aus dem Merkmal 1.5 und den Formulierungen „Grundabschnitt als Grundrahmen“ sowie „Verformungsabschnitt als wenigstens zwei einander gegenüberliegende Wangenteile“ erkennen, dass zumindest für Ausführungsformen gemäß des Patentanspruchs 1 eine Gleichsetzung des Grundrahmens mit dem Grundabschnitt und der Wangenteile mit dem Verformungsabschnitt vorliegt, auch wenn das Klagepatent grundsätzlich kein synonymes Verständnis von Grundrahmen und Grundabschnitt erfordert. Der Grundrahmen sowie die Wangenteile weisen aufgrund ihrer exakt bestimmbaren räumlich körperlichen Ausgestaltungen auch exakt bestimmbare Begrenzungen auf. Der Grundabschnitt und der Verformungsabschnitt gemäß dem Klagepatentanspruch werden somit ebenfalls durch die exakt bestimmbaren Begrenzungen des Grundrahmens und der Wangenteile begrenzt. Der Fachmann erkennt daher, dass die Abschnitte bei den Ausführungsformen des Klagepatentanspruchs durch die räumlich körperlichen Begrenzungen des Halterahmens begrenzt bzw. definiert werden und somit bei einem Übertreten dieser Begrenzungen ein Hinauserstrecken vorliegt.
- Dem Klagepatent kann vorliegend zudem nicht entnommen werden, dass ein Hinauserstrecken der Laschen erfordert, dass sich die Laschen über ihre gesamte Breite über das zu überragende Objekt hinauserstrecken müssen. Ebenso wenig ist dem Klagepatent zu entnehmen, dass bei einem Hinauserstrecken die Laschen nicht abschnittsweise von Teilen des Halterahmens, insbesondere des umlaufenden Abschnitts selbst, überdeckt werden dürfen. Es ist daher ausreichend, wenn sich die Laschen wenigstens abschnittsweise über die Begrenzung des umlaufenden Abschnitts, beispielsweise lediglich im Bereich der Ausnehmungen zwischen den Stegen, hinauserstrecken.
- Auch aufgrund der technisch-funktionalen Auslegung ergibt sich kein anderes Bild. Technisch-funktional soll durch das Hinauserstrecken, wie zuvor erläutert, ein Einführen und Herauslösen eines Moduls aus dem Halterahmen ermöglicht werden. Hierfür ist es jedoch unerheblich, ob die Laschen wenigstens abschnittsweise von den Stegen überdeckt werden. Maßgeblich ist, dass die Laschen nach außen gebogen werden können, vorzugsweise durch die Rastnase des einzuführenden Moduls. Es ist daher ausreichend, wenn sich die Laschen über ihre Breite lediglich abschnittsweise über einen Teil des umlaufenden Abschnitts erstrecken.
- Unschädlich demgegenüber sind die im Klagepatent beschriebenen frei stehenden Endbereiche (vgl. Absatz [0039]). Diese Ausgestaltung der Laschen wird lediglich als vorteilhafte Ausführungsform beschrieben und hat keinen Niederschlag im Klagepatentanspruch gefunden. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass derartig ausgestaltete Laschen, selbst wenn die Stege wenigstens dieselbe Höhe aufweisen wie die Laschen, einen freistehenden Endbereich aufweisen. Durch das Biegen der Laschenenden vom Halterahmen weg wird ein Freiraum zwischen den Laschen und dem Halterahmen gebildet. Die Enden der Laschen sind aufgrund dieses Freiraums bereits als frei stehend anzusehen. Die Beschreibung steht somit nicht im Widerspruch zum Klagepatentanspruch.
- Das vorbezeichnete Verständnis steht auch mit der Auffassung der Einspruchsabteilung des DPMA (vgl. Anlage KE 7) in Einklang. Diese versteht unter einem umlaufenden Abschnitt gleichermaßen einen Bereich/Teil des Grundrahmens. Unerheblich ist, dass die vom DPMA zu Abgrenzung angeführte/angenommene Referenzlinie in Höhe der Ausnehmungen 123, 123‘ der Figur 1 an den jeweils kurzen Enden ins Leere liefe, da dort eine Ausnehmung vorhanden ist. Denn wie oben aufgezeigt, ist ein unterschiedliches Höhenniveau unschädlich.
- Soweit die Beklagten noch Bezug nehmen auf das Verständnis bzw. die Auslegung der Einspruchsabteilung des EPA (vgl. Anlage CHB 2) zum parallelen Klagepatent A, so vermögen den Aussagen des EPA auf Grund der fachmännischen Besetzung der Einspruchsabteilung zwar ein gewisse indizielle Bedeutung für das Verständnis des Fachmanns zukommen, die auch im Verletzungsverfahren gewürdigt werden können. Indes darf nicht außer Acht gelassen werden, dass sich die Aussagen des EPA zu einem anderen – wenn auch parallelen – Schutzrecht verhalten und es zum hiesigen Klagepatent bereits eine, die Auslegung der Kammer stützende Auslegung des ebenfalls fachkundig und zur Entscheidung über den Rechtsbestand des Klagepatents berufene DPMA gibt.
- 2.1.2.
Gemäß 1.6.2. des Patentanspruchs 1 soll in den federelastischen Laschen der Wangenteile jeweils ein Rastfenster als Rastelement zur Aufnahme einer Rastnase eines Moduls angeordnet sein. - Das Klagepatent versteht unter einem Rastfenster eine (Durchtritts-)Öffnung in einer Lasche, die dazu dient, mit einem Gegenstück zusammenzuarbeiten und auf diese Weise eine Befestigungsmöglichkeit des einzubringenden Moduls im Halterahmen zu bewirken.
- Der Formulierung des Anspruchswortlauts, welche das Rastfenster „als Rastelement“ beschreibt, entnimmt der Fachmann, dass ein solcher Mechanismus vorliegen muss, der zu einem Verrasten des einen Elements (Rastnase) mit einem anderen Element (Rastfenster) führt. Eine konkrete Ausgestaltung der Fenster und seiner Ränder/Stege und wie dadurch das Verrasten konkret zu bewirken ist, gibt das Klagepatent indes nicht vor.
- Der Begriff des Fensters besagt seinem philologischen Verständnis nach nur, dass eine umrandete Öffnung vorhanden ist, in die eine Rastnase mehr oder weniger tief eingebracht werden kann. Dies geht indes nicht einher mit bestimmten Vorgaben, wie die Randbereiche der Fenster ausgestaltet sein müssen/dürfen. Denkbar als eine mögliche Ausgestaltungsform der Rastfenster sind daher Stege, die nach innen oder außen gewölbt sind.
- Auch unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten ist lediglich erforderlich, dass die Rastfenster so ausgebildet sind, dass sie mit Rastnasen an den Modulen als Gegenstück korrespondieren und zusammenwirken können. Dies besagt der Anspruchswortlaut mit dem Begriff „Aufnahme“. Darüber hinausgehende Informationen/Vorgaben zur konkreten Ausformung der zusammenwirkenden Elemente sind ihm nicht zu entnehmen; ebenso wenig beinhaltet er Informationen dazu, wie die Verrastung im Einzelnen zu erfolgen hat. Durch diese Begriffswahl des Fensters als solche nimmt das Klagepatent auch keine aktive Abgrenzung verschiedener Rastmittel, insbesondere Rastfenster von Rastarmen, vor. Ebenso wenig schreibt das Klagepatent vor, dass es sich bei der Verrastung einer Rastnase in einem Rastfenster um das ausschließliche und einzige Rastmittel einer Vorrichtung gemäß der erfindungsgemäßen Lehre des Klagepatents handeln muss.
- Das Klagepatent beschreibt den Vorgang des Verrastens nur pauschal und gibt nicht vor, wie Fenster und Nasen dafür zusammenwirken müssen. Der Fachmann weiß insoweit zwar, dass mit „Verrasten“ eine Befestigungsart adressiert ist, bei welcher die Fixierung eines Elements dadurch hergestellt wird, dass es mit einem anderen Element in Eingriff steht. Das Klagepatent lässt indes offen, welche und vor allem wie viele Seiten des Rastfensters tatsächlich mit der Nase verrasten, insbesondere enthält es – anders als die Beklagten meinen – keine Vorgaben dahingehend, dass die Rastnase an mindestens zwei Seiten anliegen muss. So spricht auch der Abs. [0039] nur davon, dass die Rastnasen von dem dazugehörigen Rastfenster der jeweiligen Lasche aufgenommen werden und darin verrasten. Auch darin liegt nur eine allgemeine Beschreibung der Funktionsweise dieser Vorrichtungselemente. Auf eine formschlüssige Aufnahme kommt es nach dem Klagespatent jedenfalls nicht an, weil diese lediglich als bevorzugte Ausführungsform in Abs. [0037] beschrieben wird.
- In dem Verständnis, dass die Rastfenster der Fixierung der Module dienen, wird der Fachmann durch Abs. [0038] bestärkt. Wörtlich heißt es: „[…], dass dadurch die Orientierung jedes Moduls im Halterahmen festgelegt ist. Mit anderen Worten können die Rastfenster und die Rastnasen durch ihre Form und/oder Größe als Kodiermittel, insbesondere als Polarisationsmittel, zur Orientierung der Module im Halterahmen verwendet werden.“ Dieser Beschreibungsstelle entnimmt der Fachmann daher, dass die Steckermodule ein bestimmtes Verhältnis zum Grundrahmen aufweisen sollen, welches über die Anordnung der Rastfenster und Rastnasen hergestellt wird.
- Bekräftigt wird der Fachmann durch die Figur 4a in Kombination mit der Figur 3a/3b in diesem Verständnis. So zeigt die Figur 4a einen Halterahmen mit einem eingesetzten Modul, welches seinerseits in der Figur 3a näher dargestellt wird. Es ist zu erkennen, dass die Rastnase an ihrer unteren Seite zwei abgeschrägte Flächen aufweist, wohingegen das Rastfenster, ausweislich der Figur 4a (4b) rechteckig ausgestaltet ist. Demnach liegt kein (vollständiger) Formschluss vor.
- Auch durch die Bezugnahme auf den Stand der Technik, wie er von der EP‘XXX offenbart wird, ergibt sich kein anderes Verständnis des Klagepatentes. Allein daraus, dass in der EP‘XXX neben Rastfenster auch Rastarme Gegenstand der erfindungsgemäßen Lehre waren und das Klagepatent nur noch Rastfenster lehrt, folgt keine bewusste Entscheidung für einen bestimmten und gegen einen anderen Fixierungsmechanismus. In Abs. [0009] der Klagepatentschrift werden nur allgemein die aus der EP‘XXX bekannten Rastmittel dargestellt, ohne eine konkrete Wertung vorzunehmen. Hinzukommt, dass die Rastarme gemäß der EP‘XXX an den Steckermodulen vorgesehen waren, wohingegen vorliegend – nach Ansicht der Beklagten – solche allenfalls unmittelbar von den Rastfenstern ausgehen würden. Im Übrigen offenbart auch die EP‘XXX Ausbiegungen an der Oberseite der Rastfenster (gekennzeichnet mit der Bezugsziffer 6). Allenfalls auf diese müsste vorliegend für die Frage der Ausgestaltung der Rastfenster abgestellt werden und insoweit spricht auch die EP‘XXX nur von „Einführschrägen“, gebildet aus einem nach außen versetzten Fenstersteg. Sie behandelt diesen Teil der Rastfenster nicht als gesonderten Rastarm. Außerdem offenbart auch die EP‘XXX nicht, dass neben den fensterartigen Öffnungen auch die Rastarme zwingend erforderlich sind, um die Fixierung und Halterung der Steckermodule zu bewerkstelligen.
- Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem als Anlage CBH 11 von den Beklagten zuletzt zur Akte gereichten Zwischenbescheid des DPMA vom 12. August 2020. Dieser betrifft mit dem Schutzrecht B bereits ein anderes Schutzecht mit anderen Merkmalen, so dass sich eine Übertragung etwaiger Aussagen des DPMA auf das hiesige Schutzrecht verbieten. Zudem handelt es sich auch nur um einen Zwischenbescheid, der noch nicht zwingend die abschließende Bewertung/Entscheidung der Löschungsabteilung beinhaltet.
- Das von den Beklagten als Anlage CBH 5 vorgelegte Parteigutachten von Prof. Dr. A ist gleichfalls unbehelflich, ein anderes Verständnis zu begründen. Zum einen handelt es sich um ein Parteigutachten, so dass etwaige Aussagen als Parteivortrag zu werten sind. Im Übrigen enthält das Gutachten keinerlei Bezugnahmen auf andere Quellen, aus denen sich das von Herrn Prof. Dr. A vertretene fachmännische Verständnis ergeben soll.
- 2.2.
Die Kammer vermochte unter Zugrundelegung des vorgenannten Verständnisses eine Verwirklichung der streitgegenständlichen Merkmale durch die angegriffenen Ausführungsformen festzustellen. - Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen ist unstreitig, dass sie einen in sich geschlossenen metallenen Grundrahmen sowie federelastische Laschen, fluchtend mit der Oberkante der am Grundrahmen herausragenden Stege, aufweisen, die mit gleichgroßen Ausnahmen ausgebildet sind. Da die Stege aber nicht zum umlaufenden Abschnitt im Sinne des Klagepatents gehören, ragen die Laschen über diesen Abschnitt hinaus.
- Die angegriffenen Ausführungsformen weisen auch patentgemäße Rastfenster auf. Der Vortrag der Beklagten, dass bei den angegriffenen Ausführungsformen die Module nicht bis in die Rastfenster reichen würden und den Grundrahmen bereits nicht seitlich überragen, vermochte die Kammer nicht nachzuvollziehen. Soweit die Beklagten auf Seite 33 ihrer Klageerwiderung Bezug nehmen auf eine Abbildung eines der angegriffenen Halterahmens mit einem eingesetzten Modul, so reicht die Rastnase des Moduls zwar nicht in das Fenster der gezeigten Lasche hinein, allerdings scheint die Lasche insgesamt nach außen hin gebogen zu sein, mithin einen Zustand aufzuweisen, der nicht dem ordnungsgemäßen Gebrauch entspricht. Demgegenüber lässt sich der unteren Abbildung auf Seite 19 der Replik entnehmen, dass sich die Nase eine Moduls sehr wohl – jedenfalls zu einem nicht unerheblichen Teil – auch in das in der Lasche ausgebildete Fenster hineinerstreckt, wenngleich drei von vier Seiten der Nase keinen Kontakt zu den Fensterrändern haben, worauf es aber auch nicht ankommt. Entsprechendes lässt sich auch dem vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung überreichten Muster entnehmen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den auf Seite 29 der Duplik in Bezug genommenen Ablichtungen, da dort schon auf Grund der gewählten Perspektive nicht eindeutig bestimmt werden kann, ob und wie weit die Nase in das Fenster hineinragt. Da es für die Verrastung nicht darauf ankommt, ob alle bzw. mehr als eine Seite der Nase vom Fenster in Eingriff genommen wird, spielt es – anders als die Beklagten meinen – auch keine Rolle, dass das Fenster so groß ausgebildet ist, dass es auch einen Teil des Grundrahmens erkennen lässt, mithin ein Kontakt der unteren Seite des Fensters mit der Nase ausgeschlossen ist.
- Hinzu kommt, dass die Module selbst gemäß dem Klagepatentanspruch nicht Bestandteil des Halterahmens sind und auch vom Anspruch nicht näher beschrieben werden. Module werden im Klagepatentanspruch jeweils nur im Rahmen von Zweckangaben beschrieben. Ein Halterahmen nach dem Klagepatent muss daher lediglich für die im Klagepatentanspruch beschriebene Wechselwirkung mit einem Modul geeignet sein. Zur Verwirklichung des Merkmals 1.6.2 reicht es daher aus, dass die Laschen grundsätzlich ein Fenster aufweisen, durch welches sich potenziell eine Rastnase eines Moduls erstrecken kann und welches ein Verrasten in wenigstens eine Richtung ermöglicht.
- 3.
Aufgrund rechtswidriger Benutzungshandlung ergeben sich nachstehende Rechtsfolgen. - Da die Beklagten das Klagepatent widerrechtlich benutzt haben, sind sie gem. § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet.
- Die Beklagten trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagten zu 1) und 2) als Fachunternehmen hätten bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents schulden die Beklagten daher Ersatz des Schadens, welcher der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, § 139 Abs. 2 PatG. Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagten hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
- Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, sind die Beklagten verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen, § 140b PatG i.V.m. § 242 BGB.
- Die Haftung des Beklagten zu 4) ergibt sich aus seiner Stellung als Alleingeschäftsführer der Beklagten zu 2). Denn als Geschäftsführer und damit gesetzlicher Vertreter hat er bereits dann für die Verletzung absoluter Rechte durch die Gesellschaft einzustehen, wenn er in irgendeiner Weise adäquat kausal zur Schutzrechtsverletzung beigetragen und dabei zumutbare Verhaltenspflichten verletzt hat (Kühnen, a.a.O., Kapitel D., Rn. 376). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil er unstreitig der alleinige Geschäftsführer der Beklagten zu 2) ist, sodass er über alle Vorgänge in dem Unternehmen informiert war und für sie verantwortlich ist. Die Beklagten haben demgegenüber auch nichts zu seiner Entlastung vorgetragen.
- Die Beklagten zu 1) und 2) sind nach § 140a Abs. 1 und 3 PatG schließlich in der zuerkannten Weise auch zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände verpflichtet.
- 4.
Mit Blick auf die von den Beklagten gegen das Klageschutzrecht eingewandten Entgegenhaltungen war eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung der Beschwerdekammer des BPatG über den gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung des DPMA gerichtete Beschwerde nicht geboten. - a)
Nach Auffassung der Kammern (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. - Wenn das Klagepatent mit einem Einspruch oder mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (hinreichend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zur Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung, zum Rückruf sowie zur Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff auf den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch/der anhängigen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014 1238 – Kurznachrichten).
- Wurde das Klagepatent bereits in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren bestätigt, so hat das Verletzungsgericht grundsätzlich die von der zuständigen Fachinstanz (DPMA, EPA, BPatG) nach technisch sachkundiger Prüfung getroffene Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Klagepatents hinzunehmen.
- Grund, die parallele Rechtsbestandsentscheidung in Zweifel zu ziehen und von einer Verurteilung vorerst abzusehen, besteht nur dann, wenn das Verletzungsgericht die Argumentation der Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz für nicht vertretbar hält oder wenn der Angriff auf den Rechtsbestand nunmehr auf (z. B. neue) erfolgversprechende Gesichtspunkte gestützt wird, die die bisher mit der Sache befassten Stellen noch nicht berücksichtigt und beschieden haben (OLG Düsseldorf, Urt. v. 6. Dezember 2012, Az.: I-2 U 46/12, BeckRS 2013, 13744; Kühnen, a.a.O. Kap. E, Rn. 720). Im Regelfall ist es nicht angängig, den Verletzungsrechtsstreit trotz der erstinstanzlichen Aufrechterhaltung des Schutzrechts auszusetzen und von einer Verurteilung (vorerst) abzusehen, indem das Verletzungsgericht seine eigene Bewertung des technischen Sachverhaltes an die Stelle der ebenso gut vertretbaren Beurteilung durch die zuständige Einspruchs- oder Nichtigkeitsinstanz setzt (zum Verfügungsverfahren: OLG Düsseldorf, Urt. v. 19. Februar 2016, Az.: I-2 U 55/15, BeckRS 2016, 06345; Urt. v. 18. Dezember 2014, Az.: I-2 U 60/14, BeckRS 2015, 01029; Urt. v. 10. November 2011, Az.: I-2 U 41/11; Urt. v. 31. August 2017, Az.: I-2 U 71/16, BeckRS 2017,129336; Urt. v. 05. Juli 2018, Az.: I-2 U 41/17). Geht es nicht darum, dass z.B. Passagen einer Entgegenhaltung von der Einspruchsabteilung oder dem Bundespatentgericht übersehen und deshalb bei seiner Entscheidungsfindung überhaupt nicht in Erwägung gezogen worden sind, sondern dreht sich der Streit der Parteien darum, welche technische Information dem im Bestandsverfahren gewürdigten Text aus fachmännischer Sicht zu entnehmen ist und welche Schlussfolgerungen der Durchschnittsfachmann hieraus aufgrund seines allgemeinen Wissens zu ziehen imstande gewesen ist, sind die Rechtsbestandsinstanzen aufgrund der technischen Vorbildung und der auf dem speziellen Fachgebiet gegebenen beruflichen Erfahrung ihrer Mitglieder eindeutig in der besseren Position, um hierüber ein Urteil abzugeben. Es ist daher prinzipiell ausgeschlossen, dass sich das Verletzungsgericht mit (notwendigerweise laienhaften) eigenen Erwägungen über das Votum der technischen Fachleute hinwegsetzt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 22. März 2019, Az.: I-2 U 31/16, BeckRS 2019, 6087).
- b)
Ausgehend von diesen Grundsätzen vermochte die Kammer den maßgeblichen Erfolg der Einspruchsbeschwerde nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. - Da die Beklagte zu 1) im Rahmen der Einspruchsbeschwerde keine neuen Entgegenhaltungen vorgebracht hat, kommt es nach den zuvor dargestellten Maßstäben darauf an, ob die Kammer die Entscheidung des DPMA vorliegend als unvertretbar erachtet und deswegen den Erfolg der Einspruchsbeschwerde als hinreichend sicher feststellen kann. Entsprechendes vermochte die Kammer indes nicht festzustellen.
- Die Beklagten stützen sich zur Begründung der Unvertretbarkeit der Entscheidung des DPMA in erster Linie auf die – zum Zeitpunkt der Verkündung des Verfügungsurteils noch nicht ergangene – Entscheidung des EPA im Einspruchsverfahren zu dem parallelen Patent A, mit welchem das Patent A, das weitestgehend mit dem Klagepatent E identisch ist, in erheblichem Umfang eingeschränkt wurde. Die Einspruchsabteilung des EPA war der Ansicht, dass das Patent A in der ursprünglich erteilten Fassung unzulässig erweitert sei und zudem neuheitsschädlich vorweggenommen wurde. Demgegenüber hat die Einspruchsabteilung des DPMA das Klagepatent mit Entscheidung vom 7. Mai 2019 in der hier geltend gemachten Fassung aufrechterhalten.
- (1)
Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass das Klagepatent über die ursprünglich eingereichte Fassung der Anmeldung (DE 10 2013 113 XXX A1) hinausgeht. - (a)
Eine unzulässige Erweiterung ist gegeben bei einer Änderung des Gegenstandes der Patentanmeldung, so dass dieser über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Eine Änderung der Ansprüche ist nur dann eine unzulässige Erweiterung, wenn dadurch nicht nur der Schutzbereich entsprechend der ursprünglichen Offenbarung, sondern auch der Gegenstand der Anmeldung erweitert wird. Dies ist der Fall, wenn mit der Anspruchsänderung erstmals ein Gegenstand offenbart wird, der nicht Inhalt der ursprünglichen Anmeldung war (Schulte/Moufang, PatG, 10. Auflage 2017, § 38, PatG, Rn. 14ff.). Eine identische Offenbarung liegt nach der Rechtsprechung des BGH dagegen vor, wenn die mit der Nachanmeldung beanspruchte Merkmalskombination in der Voranmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist. Der Gegenstand der beanspruchten Erfindung muss im Prioritätsdokument identisch offenbart sein; es muss sich um dieselbe Erfindung handeln. Dabei ist die Offenbarung des Gegenstands der ersten Anmeldung nicht auf die dort formulierten Ansprüche beschränkt, vielmehr ist dieser aus der Gesamtheit der Anmeldeunterlagen zu ermitteln. - Für die Beurteilung der identischen Offenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH, GRUR 2014, 542 – Kommunikationskanal, Rn. 20 ff., mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen) ist danach erforderlich, dass der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen „unmittelbar und eindeutig“ als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen kann. Zu ermitteln ist mithin, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der gegebenen allgemeinen Lehre entnimmt. Maßgeblich ist dabei das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Einreichung der prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung. Das Erfordernis einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung muss dabei in einer Weise angewendet werden, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts der Voranmeldung vermeidet. Insoweit ist zugrunde zu legen, dass das Interesse des Anmelders regelmäßig erkennbar darauf gerichtet ist, möglichst breiten Schutz zu erlangen, also die Erfindung in möglichst allgemeiner Weise vorzustellen und nicht auf aufgezeigte Anwendungsbeispiele zu beschränken. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands. Dieser Gesichtspunkt liegt der Rechtsprechung des Senats zugrunde, wonach bei der Ausschöpfung des Offenbarungsgehalts auch Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele zugelassen werden.
- Danach ist ein „breit“ formulierter Anspruch unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung – sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen – als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist. Solche Verallgemeinerungen sind vornehmlich dann zugelassen worden, wenn von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels, die zusammengenommen, aber auch für sich betrachtet dem erfindungsgemäßen Erfolg förderlich sind, nur eines oder nur einzelne in den Anspruch aufgenommen worden sind. Nach vergleichbaren Maßgaben ist die Prüfung vorzunehmen, ob der Gegenstand der Erfindung im Prioritätsdokument identisch offenbart ist. Die Priorität einer Voranmeldung kann in Anspruch genommen werden, wenn sich die dort anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist (BGH, a.a.O., Rn. 23f.).
- (b)
Merkmal 1.5 des Klagepatents in seiner Formulierung „wenigstens zwei einander gegenüberliegende Wangenteile“ ist gegenüber der Ursprungsanmeldung nicht unzulässig erweitert. - Die Ursprungsoffenbarung lehrt in Unteranspruch 2 einen als wenigstens ein Wangenteil ausgeformten Verformungsabschnitt und betrachtet zwei Wangenteile als bevorzugte Ausführungsform (vgl. z.B. Abs. [0031], [0054]). Damit geht keinerlei zahlenmäßige Beschränkung einher. Eine zahlenmäßige Abgrenzung findet weder nach unten im Sinne von Mindest- noch nach oben als Maximalvorgaben statt. Die Bezugnahme der Beschreibungsstellen auf durchgängig zwei Wangenteile, folgt nur daraus, dass dies eine bevorzugte Ausführungsform ist, anhand derer das Dokument die erfindungsgemäße Lehre darstellt.
- Eine limitierende Vorgabe hinsichtlich der Mindest-/Maximalzahl an Wangenteilen ist ebenso wenig den Figuren zu entnehmen, da auch sie nur bevorzugte Ausführungsbeispiele darstellen. Insoweit bedingen sich der Inhalt der (besonderen) Beschreibungsstellen und die Abbildungen, wenn in den überwiegenden Absätzen Ausführungen zu zwei Wangenteilen erfolgen und diese sodann den Zeichnungen zu entnehmen sind.
- Mit der Formulierung „wenigstens zwei einander gegenüberliegende Wangenteile“ hat das Klagepatent eine Auswahl aus einem von der Ursprungsoffenbarung bereitgestellten Zahlenraum getroffen.
- Hinsichtlich dieses Merkmals wird auch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlungen vor dem DPMA nicht ersichtlich, dass dort ein Problem gelegen hätte.
- (c)
Die Merkmale 1.6 und 1.6.3 enthaltenen ebenfalls keine unzulässige Erweiterung. - Kern bei der Beurteilung einer unzulässigen Erweiterung ist bei den Merkmalen 1.6 und 1.6.3, ob ein einzelner Schlitz und somit zwei Laschen pro Wangenteile ursprungsoffenbart sind.
- In der Beschreibung der Ursprungsanmeldung wird fast durchweg die Pluralform von „Laschen“ und durchweg die Pluralform von „Schlitzen“ verwendet. Der Verwendung der Pluralform grundsätzlich keinen Bedeutungsgehalt zuzugestehen, widerspricht der Tatsache, dass die deutsche Sprache keinen generischen Plural kennt. Aus der Ursprungsanmeldung selbst kann sich diesbezüglich etwas anderes ergeben, eine konkrete Erläuterung oder ein Hinweis in diese Richtung sind jedoch nicht erkennbar.
- Der Anmelder darf jedoch gewisse Verallgemeinerungen vornehmen, sofern dies dem berechtigten Anliegen Rechnung trägt, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen (BGH GRUR 13, 1210 – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; GRUR 15, 573 – Wundbehandlungsvorrichtung; GRUR 15, XXX – Fahrzeugscheibe II). Lässt sich das Bestreben, die Erfindung in allgemeiner Form zu schützen, aus der Anmeldung unmittelbar und eindeutig erkennen, ist es unschädlich, dass sich die Ausführungsbeispiele nur mit einer bestimmten Ausgestaltung der Erfindung befassen, mit der das angegebene technische Problem gelöst wird (BGH GRUR 14, 970 – Stent).
- Entscheidend ist daher, ob sich ein derartiges Bestreben aus der Ursprungsoffenbarung ergibt. In der Ursprungsoffenbarung wird lediglich einmal der Begriff „Schlitze“ (siehe Absatz [0032]) verwendet und einmal auf drei Schlitze (siehe Absatz [0055]) abgestellt, sodass sich hieraus jedenfalls keine unmittelbare und eindeutige Offenbarung für nur einen Schlitz ergibt. Ein Bestreben in diese Richtung lässt sich, jedenfalls direkt auf die Schlitze bezogen, nicht erkennen. Es könnte sich jedoch anderes implizit ergeben, beispielsweise aus den Offenbarungsstellen zu den Laschen oder den Ausnehmungen.
- Der Ursprungsoffenbarung kann bei der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsformen (siehe Absatz [0052]) entnommen werden, dass neben den vier dargestellten Ausnehmungen, welche jeweils einer Lasche zugeordnet sind und somit der Anzahl von Laschen entsprechen, „auch eine andere Zahl von Ausnehmungen denkbar“ ist. Zwar beginnt die nachfolgende Aufzählung erst mit drei Ausnehmungen, jedoch ergibt sich für den Fachmann aus der Formulierung „beispielsweise“, dass eine Begrenzung auf den angegebenen Wertebereich nicht angestrebt ist. Der Fachmann erkennt somit unmittelbar das Bestreben die Erfindung auch in einer allgemeineren Ausführungsform zu schützen. Es ergibt sich für den Fachmann somit unmittelbar und eindeutig, dass die Ursprungsoffenbarung auch lediglich zwei Ausnehmungen und somit zwei Laschen und einen Schlitz offenbart.
- (d)
Schließlich liegt in dem in Merkmal 1.6.1 enthaltenen umlaufenden Abschnitt keine unzulässige Erweiterung. - Wenngleich dieser Ausdruck nicht wörtlich in der Ursprungsoffenbarung gelehrt ist, ergibt sich dessen Vorhandensein dennoch aus diesem Dokument. Unstreitig offenbart die Ursprungsanmeldung einen Grundrahmen, der im Grundaufbau mit demjenigen des Klagepatents identisch ist und auch demselben Zweck dient – der Halterung der Module – und dazu vollständig geschlossen (umlaufend) ist. Deshalb war auch nach dieser Lehre, auch ohne ihn als solchen zu benennen, ein umlaufender Grundabschnitt vorhanden. Mit dessen Aufnahme in den Patentanspruch 1 liegt daher nur eine zulässige Konkretisierung und kein Aliud vor.
- Auch die Einspruchsabteilung des DPMA wertet auf nachvollziehbare Weise den umlaufenden Abschnitt als ursprungsoffenbart. Sie sieht den umlaufenden Abschnitt in der Linie liegend in der Höhe der Ausnehmungen 123 und 123´; dabei handele es sich um die Referenzhöhe für die Verrastung der in den Grundrahmen eingeführten Module (vgl. Anlage Ast 3e, S. 3). Andere Probleme werden in diesem Kontext nicht erörtert. Die Beklagten haben demgegenüber auch unter technisch-funktionalen Gesichtspunkten hier keine neuen Argumente mehr angeführt.
- Im Übrigen ist in der Ursprungsanmeldung in Abs. [0037] beschrieben, dass die Laschen über freistehende Endbereiche verfügen sollen. Dies ist nur zu realisieren, wenn sie jeweils über einen bestimmten Bereich des Grundrahmens hinausreichen. Damit war auch schon die technische Funktion des umlaufenden Abschnitts offenbart.
- (2)
Die Kammer vermochte auch nicht festzustellen, dass die Entscheidung des DPMA mit Blick auf den Neuheitsangriff der Beklagten zu 1) unvertretbar ist. - (a)
Neuheitsschädlichkeit liegt vor, wenn die Entgegenhaltung objektiv den Stand der Technik offenbart; unrichtige Annahmen oder Festlegungen des Anmelders in der Patentschrift selbst sind unerheblich (BGH GRUR 1999, 914, 917 li. Sp. – Kontaktfederblock). Die Beurteilung, ob der Gegenstand eines Patents durch eine Vorveröffentlichung neuheitsschädlich getroffen ist, erfordert die Ermittlung des Gesamtinhalts der Vorveröffentlichung. Maßgeblich ist, welche technische Information dem Fachmann offenbart wird. Der Offenbarungsbegriff ist dabei kein anderer als er auch sonst im Patentrecht zu Grunde gelegt wird (BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin; GRUR 2004, 407, 411 – Fahrzeugleitsystem). Zu ermitteln ist deshalb nicht, in welcher Form der Fachmann etwa mit Hilfe seines Fachwissens eine gegebene allgemeine Lehre ausführen oder wie er diese Lehre gegebenenfalls abwandeln kann, sondern ausschließlich, was der Fachmann der Vorveröffentlichung als den Inhalt der von ihr gegebenen (allgemeinen) Lehre „unmittelbar und eindeutig“ entnimmt (BGH, GRUR 2002, 146 – Luftverteiler; GRUR 2004, XXX, 135 – Elektronische Funktionseinheit; GRUR 2008, 597 – Betonstraßenfertiger; GRUR 2011, 999, 1001 – Mementain). - (b)
Dahingestellt bleiben kann, ob die vorveröffentlichte US-Schrift 4 032 XXX A (nachfolgend: E 1) das Merkmal 1.1 des Klagepatents, namentlich einen Halterahmen, hinreichend unmittelbar und eindeutig offenbart, da es wenigstens an einer entsprechenden Offenbarung des Merkmals 1.6.1, hierbei insbesondere des umlaufenden Abschnitts, fehlt. - Das Klagepatent versteht unter einem umlaufenden Abschnitt einen Bereich der im Wesentlichen durchgängig und geschlossen herum verläuft. Es handelt sich bei der in der E 1 offenbarten Vorrichtung jedoch um ein Schienensystem. Diesem ist eigen, dass die kurzen Seiten nicht geschlossen und miteinander verbunden sind, sodass es dem Schienensystem jedenfalls am Umlaufen fehlt.
- (3)
Die Kammer vermochte schließlich auch nicht festzustellen, dass keine vernünftigen Gründe mehr verbleiben, dem Klagepatent E die Erfindungshöhe zuzusprechen. - (a)
Die Beantwortung der Frage, ob eine erfinderische Tätigkeit zu bejahen ist, bedarf einer wertenden Entscheidung (BGH, GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung) unter Berücksichtigung der Kriterien des Standes der Technik als Ausgangspunkt für die Beurteilung sowie des Fachwissens des Durchschnittsfachmanns in der Frage des Nichtnaheliegens. Die Beurteilung stützt sich auf tatsächliche Umstände, nämlich die Feststellung der Erfindung, des Standes der Technik sowie des dem maßgeblichen Fachmann eigenen Wissens und Könnens. Eine erfinderische Tätigkeit liegt erst in derjenigen Leistung, die sich über die Norm dessen erhebt, was ein Fachmann mit durchschnittlicher Ausbildung, Kenntnissen und Fähigkeiten bei herkömmlicher Arbeitsweise erreichen kann. - Eine Maßnahme kann als „naheliegend“ angesehen werden, wenn der Fachmann sie in der Erwartung einer gewissen Verbesserung oder eines Vorteils vorgenommen hätte. Maßgeblich ist eine angemessene (= realistische) Erfolgserwartung, so dass es nicht auf eine absolute Gewissheit im Hinblick auf das Eintreten vorteilhafter Effekte ankommt, andererseits aber auch nicht genügt, dass auf Seiten des Fachmanns die bloße Hoffnung auf ein gutes Gelingen besteht. Die angemessene Erfolgserwartung erfordert über den bloßen Wunsch nach Verbesserung hinaus eine vernünftige wissenschaftliche Bewertung der vorliegenden Tatsachen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.12.2017 – I-2 U 18/17 –, Rn. 44 ff., zitiert nach juris m.w.N.).
- (b)
Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass es dem Klagepatent deshalb an erfinderischer Tätigkeit gefehlt habe, weil die Dokumente E 5 (US 5,352,XXX A) und E 15 (DE 38 51 XXX T1) dessen erfindungsgemäße Lehre nahegelegt haben. - Die Kammer vermag keinen Anlass festzustellen, aufgrund dessen der Fachmann die Laschen der E 15 auf die E 5 übertragen würde. Dies ist dadurch bedingt, dass bei der E 15 die Wangenteile nicht am Halterahmen ausgeführt sind, sondern an die in den Halterahmen einzusteckenden Module. Der Halterahmen wird bei der E 15 dabei durch den sogenannten Aufnahmeverbinder (siehe Bezugszeichen 10 und 150) gebildet, in die die Module eingesetzt (siehe Bezugszeichen 22) werden (Siehe S. 7, Z. 37 bis S. 8 Z. 3).
- Die E 5 und E 15 weisen somit zueinander gegensätzliche Fixierungssysteme auf, die E 5 mit Laschen am Halterahmen und die E 15 mit Laschen an den Modulen. Ein Anlass, lediglich einzelne Bestandteile des Fixierungssystems der E 15 auf das gegensätzliche Fixierungssystem der E 5 zu übertragen, ist nicht ersichtlich. Vielmehr dürfte mit der Veränderung der Laschen eine Veränderung der gesamten von der E 5 offenbarten Konstruktion einhergehen.
- Die Kammer vermochte daher auch nicht zu erkennen, dass keine vernünftigen Argumente für die Ansicht der Einspruchsabteilung des DPMA verbleiben würden oder dass das DPMA sogar die E 15 einfach übergangen hat. Es dürfte nicht nahegelegen haben, die E 15 heranzuziehen, um zu Merkmal 1.6.3 zu gelangen. Denn die in der E 15 offenbarten Module und Halterahmen unterscheiden sich grundlegend von denjenigen der E 5 und können nicht gegeneinander ausgetauscht werden. Daher ist auch die Anordnung der Laschen nicht übertragbar. Für eine Kombination dieser Druckschriften bestand kein Anlass.
- (c)
Schließlich fehlt es dem Klagepatent auch nicht deshalb an erfinderischer Tätigkeit, weil die Dokumente E 5 und E 1 bzw. in Verbindung mit Fachwissen, dessen erfindungsgemäße Lehre nahegelegt haben. - Zunächst ist schon zu berücksichtigen, dass es sich – wie schon zuvor bei der E 5 und der E 15 – um jeweils vollständige und funktionstüchtige Halterahmensysteme handelt.
Die Kammer vermochte auch keinen Anlass festzustellen, aufgrund dessen der Fachmann ausgehend von der E 5 durch einen in das Wangenteil hineinverlaufenden Schlitz gebildete Laschen vorsehen sollte. Zwar mag der Fachmann immer gehalten sein, einen einfacheren (Grund-)Aufbau mit weniger Teilen zu entwickeln, vorliegend würde dies aber mit einem erhöhten Materialverbrauch einhergehen, um die bisherigen Lücken zwischen den einzelnen Laschen weitgehend zu schließen. Selbst wenn eine Reduzierung der Bauteile dadurch erreicht würde, und nur noch ein Wangenteil benötigt würde, gibt das in der E 5 vorgesehene Modul keinen Anlass für andersartige Laschen. Vielmehr dürfte mit der Veränderung der Laschen eine Veränderung der gesamten von der E 5 offenbarten Konstruktion einhergehen. - Ferner kann die Kammer nicht feststellen, dass keine Argumente für die Ansicht der Einspruchsabteilung des DPMA verbleiben würden. Es dürfte nicht nahegelegen haben, die E 1 heranzuziehen, um zu Merkmal 1.6.3 zu führen. Denn die in der E 1 offenbarten Module unterscheiden sich grundlegend von denjenigen der E 5 und können nicht gegeneinander ausgetauscht werden. Daher ist auch die Anordnung der Laschen nicht übertragbar. Für eine Kombination dieser Druckschriften bestand kein Anlass.
- Schließlich resultiert die erfindungsgemäße Lehre aus einer Kombination der E 1 mit der E 5 nicht als nahegelegt. Ausgehend von der E 1 hat der Fachmann keinen Anlass, die Enden der Trägerschiene zu schließen, sodass ein Rahmen entstehen könnte. Vielmehr zeigt die Figur 1 der E 1, dass die offenen Enden gerade beabsichtigt sind, weil sie dazu benötigt werden, Kabel hindurchzuführen. Diese Möglichkeit würde aufgegeben, wenn ein geschlossener Unterbau hergestellt würde.
- B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.