Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3186
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 25. März 2021, Az. 4c O 23/19
- I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an ihrem Geschäftsführer zu vollziehen ist, in der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,
- 1. ein Deckenrandschalungselement, das dazu ausgelegt ist, als verlorene Schalung bei der Herstellung von Gebäuden verwendet zu werden, mit einer Platte und einem mit der Platte verbundenen Wärmedämmelement,
- herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn die Platte an ihrer dem Wärmedämmelement zugewandten Seite Erhebungen und/oder Vertiefungen aufweist, die mit am Wärmedämmelement vorgesehenen komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen formschlüssig in Eingriff bringbar sind, wobei die Erhebungen durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen gebildet werden, wobei die Rippen bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements im Gebäude horizontal verlaufen, wobei die Rippen sich über die gesamte Länge der Platte bzw. des Wärmedämmelements erstrecken und wobei an der von der Platte abgewandten Seite des Wärmedämmelements ein zweites Wärmedämmelement vorgesehen ist und wobei das erste Wärmedämmelement und das zweite Wärmedämmelement relativ zueinander bewegbar sind;
- 2. ein Deckenrandschalungselement, das dazu ausgelegt ist, als verlorene Schalung bei der Herstellung von Gebäuden verwendet zu werden,
- herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn das Deckenrandschalungselement zwei benachbart zueinander angeordnete Komponenten enthält, die relativ zueinander bewegbar sind, wobei die erste der zwei relativ zueinander bewegbaren Komponenten ein erstes Wärmedämmelement ist, und die zweite Komponente ein zweites Wärmedämmelement ist, wobei die erste Komponente an ihrer der zweiten Komponente zugewandten Seite Erhebungen und/oder Vertiefungen aufweist, die mit an der zweiten Komponente vorgesehenen komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen in Eingriff bringbar sind, wobei die zweite Komponente so auf die erste Komponente aufgesetzt ist, dass an der ersten Komponente vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen der zweiten Komponente zu liegen kommen und/oder an der zweiten Komponente vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen der ersten Komponente zu liegen kommen, wobei die an der ersten Komponente und/oder an der zweiten Komponente vorgesehenen Erhebungen zumindest teilweise durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen gebildet werden, wobei die Rippen bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements im Gebäude horizontal verlaufen und wobei sich die Rippen über die gesamte Länge der sie tragenden Komponentenerstrecken und wobei die erste Komponente und die zweite Komponente längs der Rippen relativ zueinander bewegbar sind.
- II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin für alle Handlungen gemäß Ziffer I.1. und 2. seit dem XXX all denjenigen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird.
- III. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen und unter Vorlage eines geordneten Verzeichnisses Rechnung zu legen über Handlungen gemäß Ziffer I. seit dem XXX und zwar über
- a) Name und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie die Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren, hierbei insbesondere Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen und bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
d) der Herstellungsmengen und -zeiten,
e) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
f) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
g) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
h) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger nicht der Klägerin mitzuteilen, sondern einem zur Verschwiegenheit gegenüber der Klägerin verpflichteten öffentlich bestellten Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, sofern die Beklagten dessen Kosten übernehmen und ihn beauftragen und ermächtigen, auf konkrete Fragen der Klägerin dieser Auskunft zu geben, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Auskunft enthalten ist
- und wobei die Beklagten der Klägerin zum Nachweis der Angaben gemäß Ziffern III.b) und c) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen) in gut lesbaren Kopien vorzulegen haben.
- IV. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. und 2. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten und der Klägerin die Vernichtung durch Vorlage geeigneter Belege nachweisen.
- V. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, die vorstehend zu Ziffer I.1. und 2. bezeichneten, seit dem XXX im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse zurückzurufen und aus den Vertriebswegen zu entfernen, indem diejenigen Dritten, denen durch die Beklagte zu 1) oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung der Gebrauchsmuster erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zu 1) zurückzugeben, und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.
- VI. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin einen Betrag von EUR XXX zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem XXX zu zahlen.
- VII. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- VIII. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.
- IX. Das Urteil ist im Hinblick auf Ziff. I.1. und I.2 jeweils in Verbindung mit Ziff. IV. und V. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils EUR 100.000,00, im Hinblick auf Ziff. III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 30.000,00 und im Hinblick auf Ziff. VI. und VIII. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- X. Der Streitwert wird insgesamt auf EUR XXX festgesetzt und verteilt sich auf die einzelnen Anträge wie folgt:
- XXX
- Im Hinblick auf den Antrag zu II. haften die Beklagten als Gesamtschuldner.
- Tatbestand
- Die Klägerin macht als ausschließliche Lizenznehmerin gegenüber den Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach und Ersatz von Abmahnkosten wegen Verletzung der beiden deutschen Gebrauchsmuster DE 20 2012 103 XXX U1 (Anlage K 3; im Folgenden: Klagegebrauchsmuster I oder DE‘XXX) und DE 20 2012 103 XXX U9 (Anlage K 5; im Folgenden: Klagegebrauchsmuster II oder DE‘XXX) geltend. Das Klagegebrauchsmuster I wurde am 16. September 2012 angemeldet und am 1. Oktober 2012 eingetragen. Der Hinweis auf die Eintragung wurde am 22. November 2015 bekanntgemacht. Für das Klagegebrauchsmuster II gelten die gleichen bibliografischen Daten, wobei am 24. Januar 2019 noch eine Berichtigung der Nummerierung der Ansprüche bekanntgemacht wurde. Als Inhaber der Klagegebrauchsmuster eingetragen im Register sind die Herren X, X und X C. Die Klagegebrauchsmuster stehen in Kraft.
- Mit Schriftsatz vom 9. August 2019 (Anlagenkonvolute HE 05 und HE 06) hat die Beklagte zu 1) Löschungsanträge gegen die Klagegebrauchsmuster zum Deutschen Patent- und Markenamt erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.
- Das Klagegebrauchsmuster I betrifft ein Deckrandschalungselement. Die hier maßgeblichen Ansprüche 1, 3, 4, 5, 14 und 15 des Klagegebrauchsmusters I lauten:
- „1. Deckenrandschalungselement, das dazu ausgelegt ist, als verlorene Schalung bei der Herstellung von Gebäuden verwendet zu werden, mit einer Platte (7) und einem mit der Platte verbundenen Wärmedämmelement (8, 108), dadurch gekennzeichnet, dass die Platte (7) an ihrer dem Wärmedämmelement (8, 108) zugewandten Seite Erhebungen und/oder Vertiefungen aufweist, die mit am Wärmedämmelement (8, 108) vorgesehenen komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen formschlüssig in Eingriff bringbar sind.
- 3. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Erhebungen durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen (71, 81) gebildet werden.
- 4. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Rippen (71, 81) bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements (6, 106) im Gebäude horizontal verlaufen.
- 5. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 3 oder 4, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Rippen (71, 81) über die gesamte Länge der Platte (7) bzw. des Wärmedämmelementes (8, 108) erstrecken.
- 14. Deckenrandschalungselement nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass an der von der Platte (7) abgewandten Seite des Wärmedämmelements (8, 108) ein zweites Wärmedämmelement (9, 109) vorgesehen ist.
- 15. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass das Wärmedämmelement (8, 108) und das zweite Wärmedämmelement (9, 109) relativ zueinander bewegbar sind.“
- Das Klagegebrauchsmuster II betrifft ebenfalls ein Deckrandschalungselement. Die hier maßgeblichen Ansprüche 1, 2, 4, 5, 11, 12, 13 und 14 des Klagegebrauchsmusters II lauten:
- „1. Deckenrandschalungselement, das dazu ausgelegt ist, als verlorene Schalung bei der Herstellung von Gebäuden verwendet zu werden, dadurch gekennzeichnet, dass das Deckenrandschalungselement (6, 106) zwei benachbart zueinander angeordnete Komponenten enthält, die relativ zueinander bewegbar sind.
- 2. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das erste der zwei relativ zueinander bewegbaren Komponenten ein erstes Wärmedämmelement (8, 108) ist, und die zweite Komponente ein zweites Wärmedämmelement (9, 109) ist.
- 4. Deckenrandschalungselement nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Komponente an seiner der zweiten Komponente zugewandten Seite Erhebungen und/oder Vertiefungen aufweist, die mit an der zweiten Komponente vorgesehenen komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen in Eingriff bringbar sind.
- 5. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Komponente so auf die erste Komponente aufgesetzt ist, dass an der ersten Komponente vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen der zweiten Komponente zu liegen kommen und/oder an der zweiten Komponente vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen der ersten Komponente zu liegen kommen.
- 11. Deckenrandschalungselement nach einem der Ansprüche 4 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass die an der ersten und/oder an der zweiten Komponente vorgesehenen Erhebungen zumindest teilweise durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen (82, 91, 1081, 1082, 1091) gebildet werden.
- 12. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet, dass die Rippen (82, 91, 1081, 1082, 1091) bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements (6, 106) im Gebäude horizontal verlaufen.
- 13. Deckenrandschalungselement nach Anspruch 11 oder 12, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Rippen (82, 91, 1081, 1082, 1091) über die gesamte Länge der sie tragenden Komponenten erstrecken.
- 14. Deckenrandschalungselement nach einem der Ansprüche 11 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Komponente und die zweite Komponente längs der Rippen relativ zueinander bewegbar sind.“
- Wegen des Wortlautes der hilfsweise noch geltend gemachten Ansprüche der Klagegebrauchsmuster wird auf die Klageschrift verwiesen.
- Die nachstehend verkleinert wiedergegebenen Figuren sind den Klagegebrauchsmustern entnommen und erläutern deren technische Lehre anhand bevorzugter Ausführungsbeispiele:
- Figur 1 zeigt den Querschnitt einer Mauer (1) mit einer teilweise aufliegenden Geschossdecke (2) und mit einem erfindungsgemäßen Deckenrandschalungselement (3), welches seinerseits aus einer Platte (4) und einer Wärmedämmung (5) besteht. Die Figuren 2 und 3 zeigen Seitenansichten zweier bevorzugter Ausgestaltungen eines erfindungsgemäßen Deckenrandschalungselementes.
- Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der Herstellung und des Vertriebes von Schalungselementen. Sie waren in der Vergangenheit wirtschaftlich und personell miteinander verflochten. So hatte die Beklagte zu 1) auch Produkte der Klägerin vertrieben und die Klägerin Produkte für die Beklagte zu 1) produziert. Auch war einer der Geschäftsführer der Beklagten zu 1), Herrn D, bis in das Jahr 2017 zeitgleich auch bei der Klägerin angestellt, wobei ihm arbeitsvertraglich eine Konkurrenztätigkeit zur Klägerin untersagt war. Der Beklagte zu 2) ist, neben Herrn D, Geschäftsführer der Beklagten zu 1).
- Die Beklagte zu 1) stellt u.a. her und vertreibt unter der Bezeichnung „E“ Deckenrandschalungselemente (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen), welche auch in dem aus Januar 2017 datierenden und als Anlage K9 zur Akte gereichten Prospekt mit dem Titel „F“ gezeigt sind. Nachfolgende Abbildungen sind der Titelseite bzw. Seite X des Prospektes entnommen, wobei sich die gezeigten Elemente nur durch eine zusätzliche, für den hiesigen Rechtsstreit nicht erhebliche Lagerfugendämmung des vorderen Dämmelementes (vgl. rechte Abbildung) unterscheiden:
- Nachfolgende Ablichtungen sind ebenfalls der Klageschrift entnommen und zeigen ein von der Klägerin erworbenes Muster eines G-Stecksystems bzw. Teile davon aus verschiedenen Perspektiven:
- Weitere Ablichtungen sind von der Klägerin als Anlagenkonvolut K 10 zur Akte gereicht worden. Die Klägerin hat zudem in der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2021 ein Anschauungsmodell zur Akte gereicht, wie es auch in den Ablichtungen im Anlagenkonvolut K 10 zu sehen ist. Die Beklagten haben ebenfalls ein Anschauungsmodell überreicht, wobei es sich um ein anderes Typenmodell als das von der Klägerin überreichte Schalungselement handelt.
- Zwischen den Parteien bzw. zwischen der Klägerin und Herrn D kam es im Zeitraum von August 2XXX bis September 2016 zu verschiedener (E-Mail-)Korrespondenz. So teilte der Beklagte zu 2) einem der Geschäftsführer der Klägerin mit E-Mail vom 19. August 2XXX (Anlage HE-01) Folgendes mit:
- Insoweit steht zwischen den Parteien in Streit, ob auch die beiden vorstehend wiedergegebenen Zeichnungen der Anlage HE-01 der damaligen E-Mail als Anhang beigefügt waren.
- Mit E-Mail vom 3. Juni 2015 wandte sich einer der Geschäftsführer der Klägerin, Herr J C, an Herrn D, da die Klägerin im Zuge einer Internetrecherche entdeckt hatte, dass die Beklagte zu 1) die angegriffenen Ausführungsformen produzierte und vermarktete. Nachdem Herr D mit E-Mail vom gleichen Tage geantwortet hatte und dabei u.a. darauf verwiesen hatte, dass er in dieser Sache „komplett außen vor“ stehe, schrieb Herr C zurück, dass er sich wieder melden werde. Mit einer an Herrn D gerichteten E-Mail vom 7. September 2016 griff Herr J C eine Besprechung vom Vortag auf und schrieb:
- Wegen des weiteren Inhalts dieser Korrespondenz wird auf die Anlagen HE-01 bis HE-03 Bezug genommen.
- Mit Schreiben vom 19. November 2018 (Anlage K 11) hatte sich die Klägerin zunächst mit einer Berechtigungsanfrage an die Beklagte zu 1) gewandt, woraufhin die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 28. November 2018 (Anlage K 12) eine Schutzrechtsverletzung in Abrede und die Rechtsbeständigkeit der Klagegebrauchsmuster in Frage stellte. Nachdem die Klägerin die Beklagte zu 1) am 18. Dezember 2018 erneut fruchtlos angeschrieben hatte, mahnte sie die Beklagten mit Schreiben vom 12.02.2019 ab und forderte sie zugleich zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung sowie zur Übernahme der durch die Abmahnung entstanden Kosten auf (vgl. Anlage K 14). Dieses Ansinnen wies die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 11. März 2019 (Anlage K 15) zurück.
- Die Klägerin behauptet mit Blick auf die gerügte Aktivlegitimation, dass sie von den Schutzrechtsinhaberin, den Herren J, H und L C, eine – nicht schriftlich fixierte – ausschließliche Lizenz erhalten habe. Entsprechendes ließe sich der als Anlage K 16 zur Akte gereichten Bestätigung der Klagegebrauchsmusterinhaber entnehmen. Zugleich könne man dieser Bestätigung auch entnehmen, dass die Schutzrechtsinhaber die Klägerin auch zur Durchsetzung der Ansprüche im eigenen Namen ermächtigt hätten.
- Die angegriffenen Ausführungsformen würden von der technischen Lehre der Klagegebrauchsmuster wortsinngemäß Gebrauch machen.
- Die Klagegebrauchsmuster setzten nicht voraus, dass die Wärmedämmelemente zwingend quaderförmig ausgestaltet sein müssten, vielmehr ließe es der jeweilige Anspruch offen, welche Gestaltung der Fachmann wählt.
- Das Klagegebrauchsmuster I fordere eine relative Bewegbarkeit der beiden Wärmedämmelemente, wobei – wie sich insbesondere aus Abs. [XXX6] ergebe – darunter sowohl eine seitliche Bewegbarkeit wie auch eine Bewegbarkeit aufeinander zu, um etwa Kräfte zu absorbieren, zu verstehen sei. Insoweit genüge es, wenn die angegriffenen Ausführungsformen von einer dieser beiden Arten der Bewegbarkeit Gebrauch machten, wobei sogar beide Arten verwirklicht würden. Dem Klageanspruch käme es auch nicht darauf an, dass die Elemente nur mit einer geringen Kraft seitlich verschoben werden können. Selbst wenn, so hätten Versuche der Klägerin mit Testmustern ergeben, dass sich die Wärmelemente der angegriffenen Ausführungsformen mit nur einem oder zwei Fingern leicht seitlich verschieben ließen. Soweit die Beklagten noch argumentierten, die Elemente in ihren Schalungen würden bei der Montage nur ineinander gesteckt und gerade nicht verschoben, so sei diese Art der Montage nicht zwingend, da ein Verschieben jedenfalls noch zum Herstellen eines schlüssigen Verbundes erforderlich sei. Die relative Bewegbarkeit nach der klagegebrauchsmustergemäßen Lehre ergebe sich daraus, dass die Beklagten in ihrem Schreiben vom 28. November 2018 (Anlage K 12) selbst ausgeführt hätten, dass die angegriffenen Produkte exakt wie in der DE 20 2XXX 102 920 U1 (Anlage K 13; nachfolgend: DE‘920) ausgestaltet seien.
- Soweit das Klagegebrauchsmuster II Rippen voraussetzen würde, so seien darunter längliche oder leistenförmige Erhebung zu verstehen. Etwaige einschränkende Vorgaben mit Blick auf die Ausrichtung der Rippen senkrecht zur Oberfläche mache der Anspruch nicht, wobei auch die Ausführungsbeispiele eine solche Beschränkung des Anspruchs nicht zu begründen vermochten.
- Sie behauptet, erst im Juni 2015 überhaupt davon Kenntnis erlangt zu haben, dass die Beklagte zu 1) die angegriffenen Ausführungsformen produziere und vertreibe. Soweit die Beklagten mit der Anlage HE-01 auch Zeichnungen vorgelegt hätten, seien diese der originalen E-Mail nicht beigefügt gewesen, was sich auch dem Kopf der E-Mail unmittelbar entnehmen ließe, da dort keine Anlagen aufgeführt seien. Im Übrigen ließe sich der E-Mail auch nur die Anfrage bezüglich der Möglichkeit einer Schäumung entnehmen und keine Ankündigung des Vertriebes der angegriffenen Deckenrandschalung durch die Beklagten. Weder aus dieser E-Mail, noch aus dem weiteren E-Mail-Verkehr der Anlagen HE-02 und HE-03, ließe sich schließen, dass die Klägerin den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen durch die Beklagten gestatten und/oder jedenfalls dulden wollte. Auch seien hierdurch keine berechtigten Erwartungen auf der Beklagtenseite begründet worden, dass die Klägerin nicht gegen die Beklagten vorgehen werde. Zudem handele es sich bei der E-Mail vom 7. September 2016 (HE-03) um eine interne E-Mail der Klägerin an ihren damaligen Mitarbeiter Herrn D, die zudem von den Beklagten aus dem Zusammenhang gerissen werde.
- Sie ist der Ansicht, die für die Abmahnkosten in Ansatz gebrachte Geschäftsgebühr in Höhe von 2,0 sei angemessen, da eine umfangreiche Prüfung, auch mit seitens der Beklagten ins Spiel gebrachten Stand der Technik, erforderlich gewesen sei und es sich zudem um zwei Schutzrechte gehandelt habe.
- Ferner ist die Klägerin der Auffassung, die Klagegebrauchsmuster seien schutzfähig und werden sich daher auch in der Entscheidung über den Löschungsantrag der Beklagten als rechtsbeständig erweisen. Insbesondere sei für die Beurteilung der Schutzfähigkeit die jeweils geltend gemachte Anspruchskombination maßgeblich und nicht – wie die Beklagten meinen – die eingetragenen unabhängigen Hauptansprüche. Die geltend gemachten Ansprüche seien neu und erfinderisch. Eine offenkundige Vorbenutzung sei durch die Beklagten ebenfalls nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden.
- Die Klägerin beantragt,
- wie beantragt, wobei sie in Ziff. VI. Ersatz von außergerichtlichen Kosten in einer Höhe von EUR 5.275,30 zuzüglich Zinsen begehrt.
- Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen; - hilfsweise
- den Rechtsstreit bis zu einer rechtskräftigen, weiter hilfsweise bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung in den Löschungsverfahren gegen beide Klagegebrauchsmuster auszusetzen.
- Die Beklagten rügen die Aktivlegitimation der Klägerin, da der Vortrag der Klägerin zu einer vermeintlichen ausschließlichen Lizenz und der ihr vermeintlich erteilten Ermächtigung zur Geltendmachung der Ansprüche der Inhaber der Klagegebrauchsmuster unsubstantiiert sei, wobei die Beklagten entsprechenden Vortrag mit Nichtwissen bestreiten.
- Die Beklagte meinen, die angegriffenen Ausführungsformen machten von der technischen Lehre der Klagegebrauchsmusters keinen Gebrauch.
- Soweit das Klagegebrauchsmuster I ein erstes und ein zweites Wärmedämmelement voraussetzen würde, bedürfe der Begriff des Wärmdämmelementes der konkretisierenden Auslegung. Das Klagegebrauchsmuster I verstehe darunter ein quaderförmiges Element, wie sich insbesondere aus den Absätzen [0035] und [0045] ergebe. Demgegenüber seien die beiden Wärmedämmelemente der angegriffenen Ausführungsformen stufenförmig, mit Hinterschneidungen an den Stufen ausgebildet.
- Soweit die Klägerin mit Blick auf die vorausgesetzte relative Bewegbarkeit der beiden Wärmedämmelemente zueinander zwischen einer Bewegbarkeit durch ein Ineinanderdrücken und der Bewegbarkeit durch Verschieben gegeneinander unterscheide, würden die angegriffenen Ausführungsformen von keiner der beiden Varianten Gebrauch machen. So werde bei den angegriffenen Elementen kein Material durch ein Ineinanderdrücken komprimiert, da die durch das Einbringen des Betons entstehenden Kräfte horizontal verliefen, sodass die von der Klägerin angenommene vertikale Komprimierung der Wärmedämmelemente zueinander nicht stattfinden könne. Auch ließen sich die beiden Wärmelemente nicht gegeneinander verschieben, jedenfalls erfordere ein solches Verschieben eine Kraft, die über den normalen Kraftaufwand, der bei der Montage von solchen Elementen üblicherweise aufgewendet werden müssen, hinausgehe. In Tests der Beklagten hätte sich ein erforderlicher Kraftaufwand von ca. 290 N (28,8 kg) ergeben, wobei die Aufwendung einer solchen Kraft auch zu einem unerwünschten Verschieben der Gesamtelemente führe und zudem die Elemente beschädigt würden. Ein Verschieben der beiden Wärmedämmelemente sei auch – anders als bei den Produkten der Klägerin – für die Montage nicht erforderlich, da das innere Element in das äußere Elemente von oben passend hineingesteckt/eingesetzt würde. Soweit das von der Klägerin als Anlage K 17 vorgelegte Video eine horizontale Verschiebbarkeit suggeriere, habe die Klägerin kein Originalprodukt getestet, jedenfalls sei nicht zu erkennen, dass die im originalen Auslieferzustand vorhandenen Lichtschutzfolien vorhanden seien, die einer Veränderung des Materials entgegenwirken sollen. Auch sei nicht auszuschließen, dass das Material der gezeigten Elemente durch mehrere Versuche (vor-)beschädigt worden sei, sodass eine im Auslieferzustand nicht bestehende Verschiebbarkeit nachträglich durch unsachgemäßen Gebrauch erst entstanden sei. Daher sei auch das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überreichte Anschauungsmodell ungeeignet, die Verschiebbarkeit zu belegen. Demgegenüber würde das von den Beklagten überreichte, sich im Auslieferungszustand befindliche Modell zeigen, dass eine Verschiebbarkeit nach dem Einstecken des zweiten Dämmelementes nicht mehr vorliege.
- Eine Verletzung der Klagegebrauchsmuster lasse sich auch nicht mit dem Gebrauchsmuster DE‘920 der Beklagten begründen, da bei diesem die relative Verschiebbarkeit der Wärmedämmelemente ausgeschlossen sei, was u.a. auch den Abs. [0039] und [0058] der DE‘920 entnommen werden könne.
- Auch mit Blick auf das Klagegebrauchsmuster II fehle es den angegriffenen Ausführungsformen bereits an anspruchsgemäßen Wärmedämmelementen sowie an deren relativen Bewegbarkeit zueinander. Zudem fehle es den angegriffenen Ausführungsformen an anspruchsgemäßen Rippen. Der Fachmann verstehe unter einer Rippe eine Leiste zur Verstärkung/Versteifung von flächigen Bauteilen. Ein entsprechendes Verständnis des Klagegebrauchsmusters folge aus Absatz [0035]. Die angegriffenen Ausführungsformen würden demgegenüber über vorstehende Elemente verfügen, die parallel zur Oberfläche der beiden Wärmedämmelemente und die zudem treppenförmig versetzt angeordnet seien. Dies sei indes eine andere Anordnung, als sie das Klagegebrauchsmuster II lehre. Schließlich fehle es auch an der Bewegbarkeit längs der Rippen.
- Die Beklagten meinen, die geltend gemachten Abmahnkosten seien jedenfalls überhöht, da die in Ansatz gebrachte 2,0-Gebühr den üblichen Rahmen überschreite und auch keine substantiierte Begründung für die Überschreitung vorgebracht worden sei.
- Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung für solche Ansprüche, die den Zeitraum vor dem Jahr 2016 betreffen. Insoweit behaupten sie, die Klägerin habe seit August 2XXX Kenntnis von der Herstellung und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen gehabt, da der Beklagte zu 2) dem Geschäftsführer der Klägerin in seiner E-Mail vom 19. August 2XXX (Anlage HE 01) unter Bezugnahme auf detaillierte Zeichnungen auf diese hingewiesen habe. Im Übrigen hätten E-Mails des Geschäftsführers der Klägerin an den weiteren Geschäftsführer der Beklagten, Herrn O, ein Vertrauen bei den Beklagten daraufhin entstehen lassen, nicht in Anspruch genommen zu werden. Insoweit habe die Klägerin auf eine Klage verzichtet, jedenfalls seien dadurch aber die Voraussetzungen für eine Verwirkung erfüllt.
- Die Beklagten sind der Auffassung, die Klagegebrauchsmuster seien nicht schutzfähig, würden sich jedenfalls aber in der Entscheidung über die beiden Löschungsanträge als nicht rechtsbeständig erweisen.
- Die Klägerin mache jeweils nur stark eingeschränkte Fassungen ihrer Gebrauchsmustern geltend, teilweise auch nur auf Stellen der Beschreibung gestützt, womit sie selbst zum Ausdruck bringe, dass der Rechtsbestand fragwürdig sei. Das Klagegebrauchsmuster I in Form seines Anspruchs 1 sei mit Blick auf die DE 27 14 XXX A1 (Anlage HE-LA1 1) nicht neu, jedenfalls würde es sich – auch die eingeschränkte verfolgte Fassung – auch aus einer offenkundigen Vorbenutzung durch das Deckenschalungselement der Firma M (Anlagen HE-LA1 9.1 bis HE-LA1 9.3) ergeben. Das Klagegebrauchsmuster II werde durch die DE 299 13 XXX U1 (Anlage HE-LA2 1), die EP 1 380 XXX A2 (Anlage HE-LA2 2), die DE 20 2006 XXX 435 U1 (Anlage HE-LA2 3) sowie DE 20 2010 XXX 021 U1 (Anlage HE-LA2 12) neuheitsschädlich vorweggenommen. Gleiches gelte auch für die offenkundige Vorbenutzung durch das vorgenannte Element der Firma M.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird darüber hinaus auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten gereichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist zulässig und hat auch in der Sache weitestgehend Erfolg.
- I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere sind die Klageanträge hinreichend bestimmt genug sind im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. - Es ist in der Rechtsprechung und Literatur grundsätzlich anerkannt, dass ein Kläger mit Blick auf etwaige Einreden des Beklagten (Vorbenutzungsrecht, Formsteineinwand usw.) und/oder etwaigen abzusehenden bzw. laufenden Angriffen auf den Rechtsbestand des Klageschutzrechts zur Konkretisierungen seines Rechtsschutzbegehrens bzw. in Vorbereitung einer ggf. erforderlichen Beschränkung seines Klagebegehrens Hilfsanträge in Form von „insbesondere“-Konkretisierungen stellen kann, ohne gegen das Bestimmtheitserfordernis des § § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu verstoßen (vgl. bspw. Grabinski/Zülch in Benkard, Kommentar zum PatG, 11. Auflage 2015, § 139, Rz. 104). Um indes zu verhindern, dass der Kläger wahllos mögliche Kombinationen von Haupt- und Unteransprüchen zur Überprüfung stellt und sich das Gericht selbst herauszusuchen hat, welche Kombination in welcher Reihenfolge zunächst zu prüfen ist, hat der Kläger die genaue Reihenfolge der (Hilfs-)Anträge anzugeben. Entsprechendes ist vom BGH auch bereits mit Blick auf die Geltendmachung mehrerer Schutzrechte (nebeneinander) festgestellt (vgl. BGH GRUR 2011, XXXff. – TÜV), wobei diese Grundsätze auch auf die Fälle der Geltendmachung eines gewerblichen Schutzrechtes, aber mit verschiedenen Hilfsansprüchen anzuwenden ist.
- Eine entsprechende Klarstellung ihrer Anträge hat die Klägerin auf Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vorgenommen.
- II.
Die Klage ist mit Ausnahme eines Teils der begehrten Abmahnkosten auch begründet. - 1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. - Inhaber der beiden Klagegebrauchsmuster sind – insoweit unstreitig – die Herren J, L und H C, wobei Herr J C zugleich auch einer der Geschäftsführer der Klägerin ist. Klageberechtigt ist – nach der insoweit vorherrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur – neben dem Schutzrechtsinhaber grundsätzlich jedenfalls auch der ausschließliche Lizenznehmer (Bühring in Kommentar zum GebrMG, 8. Auflage 2011, § 22, Rz. 35; Benkard/Grabinski/Zülch, a.a.O.5, § 139 PatG, Rz. 17 m.w.N.).
- Auf Vorhalt der Beklagten, die bloße Behauptung einer bestehenden ausschließlichen Lizenz zu Gunsten der Klägerin sowie der Erteilung der Ermächtigung zur Geltendmachung der Ansprüche im eigenen Namen stelle keinen substantiierten Vortrag dar, hat die Klägerin mit der Re- und zuletzt auch mit ihrer Triplik umfangreich zu den Umständen der von ihr behaupteten Lizenzvergabe vorgetragen und vorgebracht, dass es zwar keinen schriftlichen Lizenzvertrag gäbe, dies hat sie aber auch mit der familiären Verflechtung der Klagegebrauchsmusterinhaber zur Klägerin begründet. Dieser Vortrag wurde seitens der Klägerin zudem mit der von ihr als Anlage K 16 zur Akte gereichten Bestätigung der Schutzrechtsinhaber unterlegt, in der diese bestätigten, der Klägerin eine ausschließliche Lizenz an den Klagegebrauchsmustern „erteilt zu haben“.
- Vor dem Hintergrund der engen personellen Beziehungen der Klägerin zu den Schutzrechtsinhabern vermochte die Kammer den Vortrag der Klägerin auch ohne weiteres nachzuvollziehen. Soweit die Beklagten das Bestehen einer ausschließlichen Lizenz auch nach Vorlage der Anlage K 16 weiter in Abrede stellen, so haben sie bislang keine Umstände aufzuzeigen vermocht, die den schlüssigen Vortrag der Klägerin widerlegen oder jedenfalls hinreichend in Zweifel ziehen können. Zwar mag aus Sicht eines Dritten der Abschluss eines schriftlichen Lizenzvertrages der Rechtssicherheit in der Regel dienlich sein indes besteht mit Blick auf einen Lizenzvertrag nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln weder ein Schriftformerfordernis, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Unterzeichner der Erklärung K 16 wissentlich oder unwissentlich die Unwahrheit bekundet haben. Schließlich vermochte die Kammer nicht nachzuvollziehen, was die Beklagten mit ihrem Hinweis, aus dem Umstand, dass eine einfache Lizenz nicht rückwirkend in eine ausschließliche Lizenz umgewandelt werden könne, folge erst Recht, dass auch der rückwirkende Abschluss einer ausschließlichen Lizenz unmöglich sei, bewirken wollen. Denn die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt behauptet, die ausschließliche Lizenz sei ihr erst nachträglich erteilt worden. Vielmehr hat sie vorgetragen – gestützt durch die Bestätigung K 16 – von Anfang an eine ausschließliche Lizenz erteilt bekommen zu haben.
- 2.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen Gebrauch von der Lehre des Klagegebrauchsmusters I. - 2.1.
Das Klagegebrauchsmuster I betrifft ein Deckenrandschalungselement. - Zu dem Hintergrund der Erfindung führt das Klagegebrauchsmuster I einleitend in dem Absatz [0002] aus, dass Deckenrandschalungselemente bei der Herstellung von Geschossdecken von Gebäuden zum Einsatz kommen und unter anderem als eine im Gebäude verbleibende, also als eine sogenannte verlorene (Rand-)Schalung für die Geschossdecke, dienen. Die Elemente werden dabei auf die Ziegel der (äußeren) Mauer aufgesetzt und in der Regel mittels eines Klebers oder durch Mörtel befestigt. Danach wird die Geschossdecke hergestellt, indem beispielweise Flüssigbeton eingegossen wird, wobei dadurch die Deckenrandschalungselemente mit der Geschossdecke untrennbar verbunden werden und daher als verlorenes Bauelement nicht wiederverwendet werden können. Anschließend kann die Mauer dann weiter hochgezogen werden.
- In den Absätzen [0004]ff. beschreibt das Klagegebrauchsmuster I sodann die Anforderungen, die an solche Deckenrandschalungselemente gestellt werden. So ist es in Anbetracht der Tatsache, dass die in die Mauer hineinragende Geschossdecke grundsätzlich schlechte Wärmedämmeigenschaften aufweist, von großer Bedeutung, dass die Deckenrandschalungselemente sehr gute Wärmedämmeigenschaften haben. Unabhängig davon müssen die Deckenrandschalungselemente so beschaffen sein, dass sie (beispielsweise durch unterschiedliche Wärmeausdehnung und/oder Schwingungen verursachte) Relativbewegungen zwischen der Geschossdecke und der Mauer absorbieren können, um etwaigen Rissen in der Mauer oder einer darauf aufgebrachten Putzschicht vorbeugen zu können. Schließlich müssen die Deckenrandschalungselemente so stabil und belastbar sein, dass sie die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch darauf wirkende Kräfte aufnehmen können, und sollten zudem möglichst einfach herstellbar und einfach zu verarbeiten sein.
- Das Klagegebrauchsmuster I nimmt in Absatz [0007] noch Bezug auf die DE 159 16 XXX B4, die ein Deckenrandschalungselement zeigt, welches den vorgenannten Anforderungen gerecht wird. Als nachteilig an diesem Element kritisiert das Klagegebrauchsmuster I in Absatz [0XXX], dass es den seit 2XXX in Deutschland geltenden gesetzlichen Vorgaben nicht mehr genügt, die es zudem erschweren, die vorgenannten Anforderungen an die Wärmedämmung zu erfüllen.
- Vor dem Hintergrund dieses Standes der Technik formuliert das Klagegebrauchsmuster I in Absatz [0010] die (technische) Aufgabe, ein Deckenrandschalungselement zu finden, welches trotz geringerer Tiefe gleich gute oder noch bessere Wärmedämmeigenschaften als herkömmliche Deckenrandschalungselemente aufweist, aber dennoch einfach herstellbar und handhabbar ist.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster I in der Kombination der Ansprüche 1, 3, 4, 5, 14 und 15 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Deckenrandschalungselement, das dazu ausgelegt ist, als verlorene Schalung bei der Herstellung von Gebäuden verwendet zu werden.
2. Das Deckenrandschalungselement weist auf:
a) eine Platte,
b) ein mit der Platte verbundenes Wärmedämmelement,
c) und ein zweites Wärmedämmelement, das an der von der Platte abgewandten Seite des Wärmedämmelements vorgesehen ist (Anspruch 14).
3. Die Platte weist an der Seite, die dem Wärmedämmelement zugewandt ist, Erhebungen und/oder Vertiefungen auf.
a) Die Erhebungen und/oder Vertiefungen sind mit komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen, die am Wärmedämmelement vorgesehen sind, formschlüssig in Eingriff bringbar.
b) Die Erhebungen werden durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen gebildet (Anspruch 3).
c) Die Rippen verlaufen bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements im Gebäude horizontal (Anspruch 4).
d) Die Rippen erstrecken sich über die gesamte Länge der Platte bzw. des Wärmedämmelements (Anspruch 5).
4. Das Wärmdämmelement und das zweite Wärmedämmelement sind relativ zueinander bewegbar (Anspruch 15). - 2.2.
Zwischen den Parteien steht – zu Recht – nur die Verwirklichung der Merkmale 2.b), 2.c) und 4 in Streit. Diese sind indes sämtlich durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht. - 2.2.1.
Die Kammer vermochte festzustellen, dass die angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch von der Merkmalsgruppe 2. machen, insbesondere über anspruchsgemäße Wärmedämmelemente im Sinne der Merkmale 2.b) und 2.c) verfügen. - 2.2.1.1.
Gemäß Merkmal 1 der von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemachten Anspruchskombination wird vom Klagegebrauchsmuster I ein Deckenrandschalungselement beansprucht, das dazu ausgelegt ist, als verlorene Schalung bei der Herstellung von Gebäuden verwendet zu werden. Die nähere Ausgestaltung eines erfindungsgemäßen Schalungselements wird sodann in nachfolgenden Merkmalen bzw. Merkmalsgruppen 2 bis 4 beschrieben. Gemäß der Merkmalsgruppe 2 weist ein solches Deckenrandschalungselement eine Platte (Merkmal 2.a)), ein mit der Platte verbundenes (erstes) Wärmedämmelement (Merkmal 2.b)) und ein zweites Wärmedämmelement auf, das an der von der Platte abgewandten Seite des Wärmedämmelements vorgesehen ist (Merkmal 2.c)). Die Ausgestaltung der Platte wird durch die Merkmalsgruppe 3 näher beschrieben. Danach weist die Platte an der Seite, die dem Wärmedämmelement zugewandt ist, Erhebungen und/oder Vertiefungen auf, wobei die Erhebungen und/oder Vertiefungen mit komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen, die am Wärmedämmelement vorgesehen sind, formschlüssig in Eingriff bringbar sind (Merkmal 3.a)). Ferner sollen die Erhebungen durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen gebildet werden (Merkmal 3.b)), wobei die Rippen bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements im Gebäude horizontal verlaufen (Merkmal 3.c) und sich über die gesamte Länge der Platte bzw. des Wärmedämmelements erstrecken (Merkmal 3.d)). Schließlich sollen das (erste) Wärmdämmelement und das zweite Wärmedämmelement relativ zueinander bewegbar sein (Merkmal 4). - Danach setzt das Klagegebrauchsmuster I voraus, dass ein erfindungsgemäßes Schalungselement (mindestens) aus einer Platte und zwei Wärmedämmelementen besteht, ohne jedoch bestimmte einschränkende Vorgaben zur geometrischen Ausgestaltung der beiden Wärmedämmelemente zu machen. Vielmehr stellt es das Klagegebrauchsmuster I in das Belieben des Fachmanns, welche Form er den Wärmedämmelementen gibt. Die einzigen beiden konkreten Vorgaben, die der Fachmann der Merkmalsgruppe 2 entnehmen kann, sind zum einen die Anordnung der drei genannten Elemente zueinander, nämlich dergestalt, dass das erste Wärmedämmelement zwischen der Platte und dem zweiten Wärmedämmelement liegt. Zum anderen entnimmt der Fachmann dieser Merkmalsgruppe eine konkrete Anforderung an das Material, aus dem die Dämmelemente beschaffen sein müssen. Dieses muss geeignet sein, als Wärmedämmung zu fungieren.
- Das entsprechende Verständnis folgt zunächst unmittelbar aus dem Wortlaut der Merkmalsgruppe 2 selbst. Die Teilmerkmale 2.b) und 2.c) sprechen beide von „Wärmedämmelementen“, so dass dem Fachmann bereits durch die Wortwahl eindeutig mitgeteilt wird, über welche Eigenschaften die Elemente verfügen bzw. welchen Zweck sie erfüllen müssen. Demgegenüber fehlt es dem Anspruchswortlaut – wie auch den übrigen Merkmalen der geltend gemachten Anspruchskombination – an einer expliziten oder jedenfalls mittelbaren Vorgabe dahingehend, dass die Wärmedämmelemente über eine bestimmte geometrische Form, insbesondere über eine Quaderform, verfügen müssen.
- Anders als die Beklagten meinen, ergibt sich eine Vorgabe zur quaderförmigen Ausgestaltung der Wärmedämmelemente auch nicht unter Berücksichtigung der Beschreibung und der Ausführungsbeispiele des Klagegebrauchsmusters I. Gemäß § 12a S. 1 GebrMG wird der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters durch die Schutzansprüche bestimmt, wobei auch die Beschreibung und die Zeichnungen mit heranzuziehen sind (§ 12a S. 2 GebrMG). Der Schutzbereich eines Gebrauchsmusters wird dabei nach den gleichen Grundsätzen wir der eines Patents bestimmt (vgl. Scharen in Benkard, Kommentar zum Patentgesetz, 11. Auflage, § 12a GebrMG, Rn. 3; Braitmayer in Bühring, Kommentar zum Gebrauchsmustergesetz, 8. Auflage, § 12a, Rn. 2 jeweils m.w.N.) Insoweit ist bei der für die Bestimmung des Schutzbereichs gebotenen Auslegung des Anspruchs nicht die sprachliche oder logisch-wissenschaftliche Bedeutung der im Anspruch verwendeten Begriffe maßgeblich, sondern deren technischer Sinn, der unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung, wie sie sich objektiv für den von dem Gebrauchsmuster angesprochenen Fachmann aus dem Gebrauchsmuster ergeben (vgl. Braitmayer/Bühring, a.a.O., § 12a, Rn. 9; BGH, GRUR 2004, 845ff. – Drehzahlermittlung; GRUR 1975, 422, 424 – Streckwalze). Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang der Sinngehalt des Anspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der geschützten Erfindung beitragen (BGH, GRUR 2007, 410, 413 – Kettenradanordnung). Unerheblich ist grundsätzlich, ob sich aus anderen, außerhalb des zulässigen Auslegungsmaterials liegenden Unterlagen ein anderes Verständnis von einem in der Gebrauchsmusterschrift verwendeten Begriff ergibt, solange sich nicht in der Gebrauchsmusterschrift Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass ein solches Verständnis auch im Zusammenhang mit der geschützten Lehre zugrundezulegen ist. Denn das Gebrauchsmuster stellt gleichsam sein eigenes Lexikon dar (BGH, GRUR 2002, 515ff. – Schneidmesser I; GRUR 1999, 909ff. – Spannschraube). Die Gebrauchsmusterschrift ist insoweit in einem sinnvollen Zusammenhang zu lesen und der Anspruch im Zweifel so zu verstehen, dass sich keine Widersprüche zu den Ausführungen in der Beschreibung und den bildlichen Darstellungen in den Zeichnungen ergeben, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Gebrauchsmuster zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen verstanden werden (Braitmayer/Bühring, a.a.O., § 12a, Rn. 40ff.; BGH, GRUR 2009, 653, 654 – Straßenbaumaschine; OLG Düsseldorf, Mitt. 1998, 179 – Mehrpoliger Steckverbinder). Dabei erlaubt ein Ausführungsbeispiel regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Anspruchs (BGH, GRUR 2004, 1023, 1024f. – bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).
- Der Fachmann kann der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters I, die sich im Wesentlichen in der ausführlichen Erläuterung der Ausführungsbeispiele erschöpft, keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Wärmedämmelemente nur quaderförmig ausgestalten sein dürfen. Die Beklagten nehmen zur Stützung ihres Verständnisses Bezug auf die beiden Abätze [0035] und [0045], die beide in Bezug zur nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figur 2 stehen:
- In den beiden Absätzen spricht das Klagegebrauchsmuster zwar im jeweils ersten Satz davon, dass das erste bzw. das zweite Wärmedämmelement ein „im Wesentlichen quaderförmiges Element“ sei. Der Fachmann erkennt aber, dass sich die Aussage zur Quaderform allein durch den Bezug zum Ausführungsbeispiel der Figur 2 ergibt und insoweit daher nicht als allgemeine einschränkende Vorgabe zu verstehen ist, welche überdies keinen Eingang in den Schutzanspruch gefunden hat.
- Entsprechendes ergibt sich insbesondere nicht unter Berücksichtigung eines technisch-funktionalen Verständnisses. Es sind weder Gründe vorgetragen, noch sind solche ersichtlich, wieso der Fachmann bei der Konstruktion eines Schalungselementes nach den Vorgaben des Klagegebrauchsmusters I zwingend auf eine im Wesentlichen quaderförmige Ausgestaltung der beiden Wärmedämmelemente angewiesen sein sollte. Zum einen ist nicht zu erkennen, welche besonderen bzw. einzigartigen Vorteile mit der Quaderform verbunden sein sollten bzw. wieso der Fachmann andere geometrische Ausgestaltungen ausschließen sollte. Dem Klagegebrauchsmuster I kommt es neben der kompakteren Form der Deckenrandschalung auch auf eine besonders effektive Wärmedämmung an, wobei der Fachmann erkennt, dass es zur Erreichung dieser Ziele auf ein Abstimmung der drei Elemente eines solchen Schalungselementes, der Platte und der beiden Wärmedämmungen, insgesamt ankommt.
- 2.2.1.2.
Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses machen die angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch von der Merkmalsgruppe 2, da sie neben einer Platte auch über zwei zur Wärmedämmung geeignete Elemente verfügen. Wie nachfolgend wiedergegebener Abbildung der Klageschrift entnommen werden kann, bestehen die angegriffenen Schalungselemente aus einer (orangenen) Platte und zwei (grauen) Dämmelementen aus einem styroporähnlichen Material. - Da es auf die Quaderförmigkeit nicht ankommt, spielt es auch keine Rolle, dass die beiden Elemente jeweils über eine (komplementär zueinander ausgestaltet) Stufenform verfügen.
- Soweit die Beklagten mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2020 erstmals behauptet haben, die oben abgebildeten und von der Klägerin zur Darlegung der Verletzung herangezogenen Elemente seien seit Mitte 2015 nicht mehr in der Form produziert und vertrieben worden, so haben sie in erster Linie darauf abgestellt, dass die auf dem inneren (rechten) Dämmelement oben zu erkennenden drei Schlitze nicht mehr in den neuen Elementen vorhanden seien. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag sehr spät erfolgte, steht er einer Gebrauchsmusterverletzung auch nicht entgegen, da die drei Schlitze für die Verwirklichung der Merkmale nicht relevant sind. Dass sich die neuen Schalungselemente der Beklagten von dem abgebildeten Element noch in anderen Punkten unterscheiden, haben die Beklagten ebenfalls nicht behauptet.
- 2.2.2.
Die Kammer vermochte zudem weiter festzustellen, dass die angegriffenen Ausführungsformen auch Merkmal 4 verwirklichen, das die relative Bewegbarkeit der beiden Wärmedämmelemente zueinander umfasst. - 2.2.2.1.
Nach Merkmal 4, welches sich in der vorliegend geltend gemachten Anspruchskombination aus dem ursprünglichen abhängigen Anspruch 15 ergibt, setzt das Klagegebrauchsmuster I voraus, dass die beiden von der Merkmalsgruppe 2 umfassten Wärmedämmelemente zueinander relativ bewegbar sein sollen. - Die vom Klagegebrauchsmuster I in Merkmal 4 vorausgesetzte Relativbewegbarkeit der beiden Wärmedämmelemente zueinander ist – insoweit zwischen den Parteien noch unstreitig – nicht auf die Bewegbarkeit auf nur einer Achse limitiert. Vielmehr ist unter der Relativbewegbarkeit im Sinne des Klagegebrauchsmusters I sowohl eine Bewegbarkeit der beiden Dämmelemente in Form des Ineinanderdrückens zu verstehen, bei der die von außen (bspw. durch den Beton) auf sie einwirkenden Kräfte absorbiert werden und bei der es ggf. auch zu einer Komprimierung des Materials kommt. Daneben ist von der relativen Bewegbarkeit aber auch ein Verschieben der beiden Dämmelemente gegeneinander umfasst, welches etwa im Rahmen der Montage der Schalung bzw. deren Ausrichtung erforderlich sein kann. Mangels konkreter An- bzw. Vorgaben ist es indes ausreichend, wenn mindestens eine der beiden Varianten der Beweglichkeit vorliegt. Das Klagegebrauchsmuster I macht auch keine weiteren Vor- bzw. Angaben dazu, welchen Kräften standzuhalten ist bzw. welche Kraft konkret aufzuwenden ist, um ein Verschieben zu ermöglichen.
- Ein entsprechendes Verständnis ergibt sich für den Fachmann dabei zunächst unmittelbar aus dem Wortlaut, der nur von „relativ zueinander bewegbar“ spricht, ohne eine Richtung/Ebene und/oder andere Anforderungen an die Bewegbarkeit zu statuieren. Auch schließt der Fachmann aus der Vorgabe „bewegbar“, dass die beiden Teile nicht über den gesamten Zeitraum ihres Einsatzes stets beweglich sein müssen, sondern dass sie es zu irgendeinem Zeitpunkt sind oder waren. Sofern eine dauerhafte Bewegbarkeit gemeint gewesen wäre, so hätte sich etwa die Wahl des Adjektivs „beweglich“ statt „bewegbar“ angeboten.
- Dieses Verständnis ergibt sich für den Fachmann auch aus der Funktion des Schalungselementes als verlorene Form. Es ist technisch zwingend, dass die Elemente bei der Montage (noch) nicht so fest miteinander verbunden sein dürfen, dass keine Bewegung mehr zugelassen wird. Denn die Deckenrandschalungselemente werden von den Nutzern nach und nach zu einer dem Grundriss der Geschossdecke folgenden Schalung zusammengesetzt, wobei die einzelnen Teilelemente ggf. zurechtgeschnitten und gegeneinander versetzt angeordnet werden müssen. Auch besteht zur besseren Wärmedämmung der Bedarf, durch die einzelnen Teile entstehende Nuten besser abzudichten, was durch einen Versatz der Nuten der jeweiligen Wärmedämmelemente gewährleistet werden kann. Dabei ist es – wie der Fachmann erkennt – von Vorteil, wenn sich die beiden Wärmedämmelemente dann auch gegeneinander verschieben lassen, um mögliche Überschneidungen der Fugen zu beseitigen. Demgegenüber kommt es auf eine relative Bewegbarkeit der beiden Dämmelemente durch ein Ineinanderdrücken erst dann erheblich an, wenn der Beton in die Schalung gegossen wird bzw. nachdem dieser ausgehärtet ist; dann nämlich sollen die auftretenden (Spannungs-)Kräfte auch von der verlorenen Schalung mit kompensiert werden.
- Unterstützung in diesem Verständnis erfährt der Fachmann insbesondere auch mit Blick auf die Absätze [0071]ff. der Erfindungsbeschreibung, wo mit Blick auf die beiden Ausführungsbeispiele der Figuren 2 und 3 ausgeführt wird (Hervorhebung hinzugefügt):
- „[0071] Dabei können unter anderem das erste Wärmedämmungselement 108 und das zweite Wärmedämmungselement 109 über den Anschlag der Rippen 1081 und 1091 an Teilen der zugeordneten Zwischenräume hinaus weiter ineinandergedrückt werden. Dies ist deshalb möglich, weil erstens das erste und/oder das zweite Wärmedämmelement zumindest geringfügig komprimierbar sind, und zweitens kein vollflächiger Kontakt zwischen den Rippen und den zugeordneten Zwischenräumen existiert und somit nur ein kleiner Bereich des ersten Wärmedämmelements 108 und/oder des zweiten Wärmedämmelements 109 komprimiert werden muss, um die Wärmedämmelemente weiter ineinanderdrücken zu können.
- [0072] Das erste und/oder das zweite Wärmedämmelement sind dadurch in der Lage, auf das zweite Wärmedämmelement 109 in Richtung erstes Wärmedämmelement 108 wirkende Kräfte zu absorbieren. Zu diesen durch das Deckenrandschalungselement absorbierbaren Kräften gehören auch diejenigen Kräfte, die aufgrund von Schwingungen, Wärmeausdehnung, oder sonstigen Ursachen von der Geschoßdecke auf das Deckenrandschalungselement 106 ausgeübt werden.
- [0073] Unabhängig hiervon ist es auch möglich, das erste Wärmedämmelement 108 und das zweite Wärmedämmelement 109 in Längsrichtung der Rippen gegeneinander zu verschieben. […]“
- Der Fachmann kann diesen Beschreibungsstellen die beiden vorbeschriebenen Arten der relativen Bewegbarkeit entnehmen, wobei er der Angabe „Unabhängig davon“ zu Beginn des Absatzes [0073] zugleich entnimmt, dass die beiden Varianten nach dem Klagegebrauchsmuster I sowohl kumulativ wie auch alternativ vorliegen können.
- Noch deutlicher wird dies unter Berücksichtigung des Absatzes [XXX6], wo ausgeführt wird (Hervorhebungen hinzugefügt):
- „Ein weiterer Vorteil des hier vorgestellten Deckenrandschalungselements besteht darin, dass das Deckenrandschalungselement 6 bzw. 106 aus mindestens zwei benachbart zueinander angeordneten Einzelteilen zusammengesetzt ist, die relativ zueinander bewegbar sind. Dies ermöglicht es beispielsweise, dass das Deckenrandschalungselement von der Geschoßdecke auf das Deckenrandschalungselement ausgeübte Kräfte absorbieren kann. Zum anderen können das erste Wärmedämmelement 8 bzw. 108 und das zweite Wärmedämmelement 9 bzw. 109 auch seitlich gegeneinander verschoben werden, so dass dadurch zwischen benachbarten Deckenrandschalungselementen 6 vorhandene Fugen bedeckt werden können. Die Realisierung dieser relativen Bewegbarkeit unter Verwendung von zwei entsprechend ausgebildeten Einzelteilen ermöglicht eine besonders einfache Herstellung, eine besonders zuverlässige Funktion und eine besonders gute Anpassbarkeit an die gestellten Anforderungen.“
- Das Klagegebrauchsmuster I differenziert in diesem Absatz ausdrücklich zwischen den beiden Arten der relativen Beweglichkeit, ohne indes die kumulative Verwirklichung vorauszusetzen.
- 2.2.2.2.
Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses machen die angegriffenen Ausführungsformen auch Gebrauch von Merkmal 4. - Die Parteien streiten zunächst darüber, ob bzw. mit welchem Kraftaufwand die beiden Wärmedämmelemente in den angegriffenen Ausführungsformen gegeneinander verschoben werden können. Während die Klägerin behauptet, die beiden Elemente ließen sich mit nur ein oder zwei Fingern, d.h. ohne merklichen Kraftaufwand, relativ leicht gegeneinander verschieben, behauptet die Beklagten unter Verweis auf eigene Tests, dass ein erheblicher Kraftwand auf das zweite Dämmelement ausgeübt werden müsse, was indes zu Beschädigung (Brechen) der Teile führe und daher einen unsachgemäßen Gebrauch darstelle. Die Wärmedammelemente würden vielmehr einfach nur ineinandergesteckt, ohne dass es eines Verschiebens bedürfe. Darlegungs- und beweisbelastet für die Verletzung ist nach allgemeinen Grundsätzen die Klägerin.
- Die Kammer vermochte durch Betrachtung des seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überreichten Anschauungsmodells festzustellen, dass sich die beiden Wärmedämmelemente ohne weiteren Kraftaufwand gegeneinander verschieben lassen und zwar auch in einem zusammengesteckten Zustand. Demgegenüber ließ sich eine entsprechende Verschiebbarkeit zwar nicht auch bei dem von der Beklagten überreichten Anschauungsmodell feststellen. Die Beklagten gaben aber auf Nachfrage des Gerichts an, dass es sich bei dem von ihnen überreichten Modell um einen anderen, größeren Modelltyp ihrer Schalungselemente handelt als bei dem Modell der Klägerin. Zudem haben die Beklagten auf die explizite Nachfrage der Kammer auch nicht bestritten, dass es sich bei dem von der Klägerin überreichten Anschauungsmodell um ein Schalungselement aus dem Hause der Beklagten handelt. Soweit die Beklagten noch behauptet haben, das Wärmedämmelement in dem von der Klägerin in Bezug genommenen Anschauungsmodell ließen sich nur deswegen verschieben, weil es unsachgemäßen Behandlungen unterzogen bzw. unsachgemäß gelagert worden sei, so vermochte sie indes schon nicht substantiiert aufzuzeigen, woraus sich dies ergeben sollte. Insbesondere vermochte die Kammer bei der Inaugenscheinnahme auch keine hinreichenden Indizien erkennen, die darauf hindeuten könnten, dass das überreichte Anschauungsmodell abgenutzt ist.
- Unabhängig davon ergibt sich eine Verwirklichung des Merkmals 4 aber jedenfalls daraus, dass die beiden Wärmedämmelemente der angegriffenen Schalungen jedenfalls ineinandergedrückt werden können, mithin eine der beiden Varianten der relativen Bewegbarkeit vorliegt.
- Insoweit hat die Klägerin zum Nachweis der Verletzung Bezug genommen auf die DE‘920, welches ein Schutzrecht des Beklagten zu 2) und des Herrn D ist. Die Beklagten haben gegenüber der Klägerin in ihrem Schreiben vom 28. November 2018 (Anlage K 12), mit dem sie auf die Berechtigungsanfrage reagierten, im zweiten Absatz auf Seite 3 explizit ausgeführt, dass das DiHa-Produkt „exakt wie in der DE 20 2XXX 102 920 U1 gezeigt“ ausgebildet sei. Vor dem Hintergrund dieser Aussage genügt es nicht, wenn die Beklagten nunmehr innerhalb des Prozesses pauschal in Abrede stellen, dass die angegriffenen Ausführungsformen mit der Lehre nach der DE‘920 übereinstimmen. Auf Grund ihrer vorprozessualen Angaben hätte es den Beklagten im Rahmen der ihnen obliegenden sekundären Darlegungslast oblegen aufzuzeigen, wie sich die angegriffenen Ausführungsformen von der DE‘920 unterscheiden.
- In der DE‘920 ist an mehreren Stellen davon die Rede, dass im zusammengebauten Schalungselement Hohlräume entstehen, in welchen sich das Deckenrandschalungselement besonders stark komprimieren lässt. So heißt es etwa in Absatz [0055] der DE‘920 (Hervorhebungen hinzugefügt):
- „[…] In den Bereichen der Vertiefungen entstehen Hohlräume 13 bis 17. In den Bereichen des Deckrandschalungselements 1, in welchen sich die Hohlräume 13 bis 17 befinden, ist das Deckrandschalungselement besonders stark komprimierbar. Dadurch kann das Deckenrandschalungselement 1 in Richtung erstes Deckrandschalungselement-Teil 11 wirkende Kräfte absorbieren.[…]“.
- Die DE‘920 beschreibt also ein Deckrandschalungselement bestehend aus zwei Wärmedämmelementen mit exakt derjenigen relativen Bewegbarkeit (Komprimierbarkeit), die auch das Klagegebrauchsmuster fordert. Gemäß Absatz [0067] sollen die Hohlräume 13 bis 17 sogar mit weichem Material gefüllt sein können, um die auftretenden Kräfte besser zu absorbieren.
- Soweit die Beklagten mit der Duplik zuletzt noch vorgebracht haben, das Klagegebrauchsmuster I würde ein Ineinanderdrücken in einer bestimmten Richtung (vertikal) voraussetzen, wohingegen eine Kompression in den angegriffenen Ausführungsformen allenfalls in horizontaler Richter erfolge, so gibt die geltend gemachte Anspruchskombination keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes enges Verständnis des Anspruchs. Vielmehr lässt das Klagegebrauchsmuster – wie zuvor ausgeführt – jede Relativbewegung ausreichen.
- 3.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen auch Gebrauch von der Lehre des Klagegebrauchsmusters II. - 3.1.
Das Klagegebrauchsmuster II betrifft ebenfalls ein Deckenrandschalungselement. - Das Klagegebrauchsmuster II ist – mit Ausnahme redaktioneller Anpassungen der Absatznummerierung – identisch mit dem Klagegebrauchsmuster I, so dass zur Darstellungen des grundlegenden Gegenstandes des Klagegebrauchsmusters II auf die oben unter Ziff. 2.1. gemachten Ausführungen verwiesen werden kann.
- Auch das Klagegebrauchsmuster II stellt es sich in Absatz [0010] als (technische) Aufgabe, ein Deckenrandschalungselement zu finden, welches trotz geringerer Tiefe gleich gute oder noch bessere Wärmedämmeigenschaften als herkömmliche Deckenrandschalungselemente aufweist, aber dennoch einfach herstellbar und handhabbar ist.
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster II in der Kombination der Ansprüche 1, 2, 4, 5, 11, 12, 13, 14 und 15 eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
- 1. Deckenrandschalungselement, das dazu ausgelegt ist, als verlorene Schalung bei der Herstellung von Gebäuden verwendet zu werden.
2. Das Deckenrandschalungselement enthält zwei benachbart zueinander angeordnete Komponenten.
a) Die beiden Komponenten sind relativ zueinander bewegbar.
b) Die erste Komponente ist ein erstes Wärmedämmelement (Anspruch 2).
c) Die zweite Komponente ist ein zweites Wärmedämmelement (Anspruch 2).
3. Die erste Komponente weist an der Seite, die der zweiten Komponente zugewandt ist, Erhebungen und/oder Vertiefungen auf, die mit komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen, die an der zweiten Komponente vorgesehen sind, in Eingriff bringbar sind (Anspruch 4).
4. Die zweite Komponente ist so auf die erste Komponente aufgesetzt, dass an der ersten Komponente vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen der zweiten Komponente zu liegen kommen und/oder an der zweiten Komponente vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen der ersten Komponente zu liegen kommen (Anspruch 5).
5. Die Erhebungen, die an der ersten und/oder an der zweiten Komponente vorgesehen sind, sind zumindest teilweise durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen gebildet (Anspruch 11).
a) Die Rippen verlaufen horizontal, bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements im Gebäude (Anspruch 12).
b) Die Rippen erstrecken sich über die gesamte Länge der sie tragenden Komponenten (Anspruch 13).
c) Längs der Rippen sind die erste Komponente und die zweite Komponente relativ zueinander bewegbar (Anspruch 14). - 3.2.
Zwischen den Parteien steht mit Blick auf das Klagegebrauchsmuster II die Verwirklichung der Merkmalsgruppen 2 und 5 in Streit. Diese sind indes ebenfalls sämtlich durch die angegriffenen Ausführungsformen verwirklicht. - 3.2.1.
Die Kammer vermochte festzustellen, dass die angegriffenen Ausführungsformen Gebrauch von der Merkmalsgruppe 2. macht, welche die beiden Wärmedämmelemente umfasst. - 3.2.1.1.
Auch das Klagegebrauchsmuster II schützt – wie das zuvor beschriebene Klagegebrauchsmuster I – ein Deckrandschalungselement, wobei dieses Element nach Merkmal 1 der vorliegend im Hauptantrag geltend gemachten Anspruchskombination als verlorene Schalung verwendet werden soll. Gemäß der Merkmalsgruppe 2 soll ein anspruchsgemäßes Deckenrandschalungselement zwei benachbart zueinander angeordnete Komponenten, nämlich ein erstes und ein zweites Wärmedämmelement (Merkmale 2.b) und 2.c)) aufweisen, wobei diese beiden Komponenten relativ zueinander bewegbar sein sollen (Merkmal 2.a)). - Da die beiden Klagegebrauchsmuster die gleiche Erfindung bzw. zwei unterschiedliche Aspekte einer Erfindung betreffen und im Übrigen über die (inhaltlich) identische Beschreibung nebst ebenfalls identischen Ausführungsbeispielen verfügen, kann mit Blick auf die Auslegung der Merkmalsgruppe 2 auf die Ausführungen zu den inhaltsgleichen Merkmalen des Klagegebrauchsmuster I in Ziff. 2.2.1.1. und 2.2.2.1. verwiesen werden. Daraus folgt zum einen, dass die Merkmale 2.b) und 2.c) des Klagegebrauchsmusters II keine weiteren Vorgaben zur geometrischen Ausgestaltung der beiden Wärmedämmelemente machen, insbesondere keine Vorgaben zu einer Quaderform. Ferner sind von Merkmal 2.a) sowohl die relative Bewegbarkeit im Sinne eines Verschiebens wie auch im Sinne einer Komprimierung (Ineinanderdrücken) umfasst.
- 3.2.1.2.
Da die Klägerin beide Klagegebrauchsmuster gegenüber den gleichen angegriffenen Ausführungsformen geltend macht, kann auch für die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 2 auf die Ausführungen zum Klagegebrauchsmuster I (Ziff. 2.2.1.2. und 2.2.2.2.) Bezug genommen werden. - 3.2.2.
Darüber hinaus verwirklichen die angegriffenen Ausführungsformen auch die Merkmalsgruppe 5, die nähere Vorgaben zu den Rippen enthält. - 3.2.2.1.
Das Klagegebrauchsmuster II macht in den Merkmalen bzw. Merkmalsgruppe 3 bis 5 weitere Vorgaben zur räumlich-körperlichen Ausgestaltung der beiden Wärmedämmelemente. Nach Merkmal 3 soll die erste Komponente (das erste Wärmedämmelement) an der Seite, die der zweiten Komponente (dem zweiten Wärmedämmelement) zugewandt ist, Erhebungen und/oder Vertiefungen aufweisen, die mit komplementären Vertiefungen und/oder Erhebungen, die an der zweiten Komponente vorgesehen sind, in Eingriff bringbar sind. Gemäß Merkmal 4 soll das zweite Wärmedämmelement so auf das erste Wärmedämmelement aufgesetzt werden können, dass an dem ersten Wärmedämmelement vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen des zweiten Wärmedämmelementes zu liegen kommen und/oder an dem zweiten Wärmedämmelement vorgesehene Erhebungen in zugeordneten Vertiefungen des ersten Wärmedämmelementes zu liegen kommen. Schließlich macht die Merkmalsgruppe 5 weitere Vorgaben zu den von den Merkmals 3 und 4 umfassten Erhebungen, wobei diese Vorgaben aus den ursprünglichen abhängigen Ansprüchen 11 bis 14 stammen. Danach sollen die Erhebungen, die an dem ersten und/oder an dem zweiten Wärmedämmelement vorgesehen sind, zumindest teilweise durch mit Abstand parallel zueinander verlaufende Rippen gebildet werden. Die Rippen sollen horizontal verlaufen, bezogen auf die bestimmungsgemäße Lage des Deckenrandschalungselements im Gebäude (Merkmal 5.a)) und sich über die gesamte Länge der sie tragenden Komponenten erstrecken (Merkmal 5.b)). Längs der Rippen sind das erste Wärmedämmelement und das zweite Wärmedämmelement relativ zueinander bewegbar (Merkmal 5.c)). - Danach setzt das Klagegebrauchsmuster II nach der Merkmalsgruppe 5 voraus, dass jedenfalls ein Teil der komplementär zueinander auszugestaltenden Erhebungen der beiden Wärmedämmelemente aus parallel und mit Abstand zueinander verlaufenden Rippen gebildet werden, mithin aus solchen Erhebungen, die eine bestimmte räumlich-körperliche Ausgestaltung besitzen. Bei den Rippen muss es sich um längliche bzw. leistenförmige Erhebungen handeln, die mit Blick auf die bestimmungsgemäße Einbaulage des Schalungselementes horizontal verlaufen und die sich über die gesamte Länge des Dämmelementes erstrecken. Weitere Einschränkungen bzw. Vorgaben betreffend die räumlich-körperliche Ausgestaltung dieser Rippen macht das Klagegebrauchsmuster II nicht, insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die freien Enden/Spitzen der Rippen konvex gekrümmt sind und/oder deren Flanken senkrecht zur Oberflache stehen müssen.
- Das Klagegebrauchsmuster II enthält selbst keine eigene Definition des Begriffs Rippe. Indes entnimmt der Fachmann – auch auf Grund seiner allgemeinen Kenntnisse auf dem Gebiet der Konstruktion und Herstellung von Schalungselementen – dem gewählten Begriff der Rippe, dass es sich um längliches, leistenförmiges Element handelt, welches unter anderem der Stabilität einer Konstruktion dienen soll. So nehmen auch die Beklagten für das Verständnis des Begriffs Rippe Bezug auf den allgemeinen und technischen Sprachgebrauch, wobei es Rippen im anatomischen Sinn, Kühlrippen oder Rippen zur Verstärkung gebe. Insoweit deckt sich dieser Gebrauch des Begriffs Rippe mit dem zuvor dargestellten Verständnis des Begriffs der Rippe im Sinne der Merkmalsgruppe 5.
- Bestätigung in diesem Verständnis erfährt der Fachmann auch durch Einbeziehung der Ausführungsbeispiele der nachfolgend verkleinert wiedergegebenen Figuren 2 und 3 nebst den zugehörigen Beschreibungsstellen der Absätze [0024]ff.
- Das Klagegebrauchsmuster II bezeichnet sowohl die mit der Bezugsziffer 71 wie auch die mit den Bezugsziffern 82 bzw. 1081 gezeigten Abschnitte jeweils als „Rippen“, woraus der Fachmann zum einen schließt, dass es sich bei einer Rippe um ein horizontal verlaufendes Verstärkungselement bzw. Element zum Anschluss der einzelnen Teile aneinander handelt. Darüber hinaus erkennt der Fachmann, dass die Enden der jeweiligen Rippen frei gestaltet werden können, da die mit der Bezugsziffer 82 gekennzeichnet Rippen über konvexe Wölbungen verfügen, während die mit 71 und 1081 gekennzeichneten Rippen über eine Schwalbenschwanzform verfügen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist daher auch der Absatz [0035], der sich auf die Rippen mit der Bezugsziffer 82 bezieht, keinesfalls derart auszulegen, dass vom Klagegebrauchsmuster II nur solche Rippen gemeint sind, deren Ende konvex gestaltet ist.
- Soweit die Beklagten darüber hinaus noch meinen, der Anspruch gebe vor, dass die zwischen den Rippen gebildeten Flanken senkrecht zur Oberfläche angeordnet sein müssten, so findet sich dafür weder in dem Anspruch, noch in der Beschreibung ein entsprechender Hinweis. Zwar mögen die „Flanken“ in den oben gezeigten Ausführungsbeispielen senkrecht verlaufen, allerdings ist nach den allgemeinen Auslegungsregeln ein Ausführungsbeispiel bereits dem Grunde nach nicht geeignet, den Anspruch zu beschränken, jedenfalls solange der Anspruch nichts entsprechendes vorgibt. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die von der Beklagten vorgenommene Gegenüberstellung der Figur 2 mit den angegriffenen Ausführungsformen vermeintlich konstruktive Unterschiede erkennen lässt.
- 3.2.2.2.
Unter Berücksichtigung dieses Verständnisses machen die angegriffenen Ausführungsformen auch Gebrauch von der Merkmalsgruppe 5. - Wie den beiden von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten, nachfolgend wiedergegebenen Abbildungen eines Testmusters entnommen werden kann, verfügen die beiden Wärmedämmelemente der angegriffenen Ausführungsformen über komplementär zueinander ausgestaltete Erhebungen und Vertiefungen, wobei die Erhebungen über die gesamte horizontale Länge der Dämmelemente verlaufen:
- Unschädlich ist dabei, dass die Wärmedämmelemente über eine Stufenform verfügen und so auch die Rippen nicht allesamt in einer Ebene verlaufen, da das Klagegebrauchsmuster II insoweit keine Vorgaben macht.
- Die relative Bewegbarkeit der beiden Wärmedämmelemente zueinander, insbesondere längs der Rippen, wurde zuvor bereits mit Blick auf das Klagegebrauchsmuster I festgestellt.
- 4.
Die Kammer vermochte auch mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass das Klagegebrauchsmuster I schutzfähig ist. - 4.1.
Die mangelnde Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmusters kann von den Beklagten – anders als bei einem Patent – unmittelbar zur Begründung des Klageabweisungsantrags geltend gemacht werden, da es sich bei einem Gebrauchsmuster um ein ungeprüftes Schutzrecht handelt. Denn gemäß § 13 Abs. 1 GebrMG wird Gebrauchsmusterschutz durch die Eintragung dann nicht begründet, soweit gegen den als Inhaber Eingetragenen für jedermann ein Anspruch auf Löschung besteht. Insoweit verfügt daher auch das Verletzungsgericht über die Kompetenz, die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters in dem vom Kläger geltend gemachten Umfang zu überprüfen. - Nach § 19 S. 1 GebrMG steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Verletzungsgerichts, ob es den Rechtsstreit aussetzt, wenn ein Löschungsverfahren anhängig ist. Erforderlich – aber für eine Aussetzung auch hinreichend – ist es, wenn begründete Zweifel an der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters bestehen (vgl. Goebel/Engler in Benkard, Kommentar zum Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 19 GebrMG, Rn 6 m.w.N.). Das Verletzungsgericht hat den Rechtsstreit gemäß § 19 S. 2 GebrMG auszusetzen, falls es das Gebrauchsmuster für unwirksam hält. Daraus folgt, dass das Gericht eine Verurteilung nur aussprechen darf, wenn es positiv von der Schutzfähigkeit überzeugt ist (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 13. Auflage 2021, Kapitel E., Rn. 885 m.w.N.).
- Gegenstand der gerichtlichen Prüfung bildet regelmäßig die eingetragene Fassung des Gebrauchsmusters, wobei es dem Kläger grundsätzlich zuzugestehen ist, seinen Bedenken an der hinreichenden Schutzfähigkeit des eingetragenen Schutzanspruchs dadurch Rechnung zu tragen, dass nur eine eingeschränkte Anspruchsfassung zur Entscheidung stellt. Ist ein Löschungsverfahren anhängig, verhindert dies, wenn das Verletzungsgericht die eingetragene Fassung für nicht bestandskräftig hält, eine Aussetzung allerdings nur dann, wenn die beschränkte Fassung – wie vorliegend – unbedingt und nicht lediglich hilfsweise geltend gemacht wird (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rz. 889).
- 4.2.
Mit Blick darauf, dass die Klägerin im vorliegenden Verletzungsverfahren im Hauptantrag (wie auch in den Hilfsanträgen) nur eine eingeschränkte Anspruchsfassung durch die Kombination der Ansprüche 1, 3, 4, 5, 14 und 15 des Klagegebrauchsmusters I geltend macht, kommt es für die Frage der Schutzfähigkeit und einer etwaigen Aussetzung auch nur auf diese Fassung an. Entgegen der Ansicht der Beklagten rechtfertigt der Umstand allein, dass die Klägerin die Klagegebrauchsmuster in den Löschungsverfahren zwar ebenfalls eingeschränkt, aber auch in weiteren Fassungen und nur hilfsweise in der hier geltend gemachten Fassungen verteidigt, keine Aussetzung. - 4.3.
Die Kammer vermochte zunächst nicht zu erkennen, dass es dem Klagegebrauchsmuster I an der erforderlichen Neuheit mit Blick auf eine offenkundige Vorbenutzung fehlt. - 4.3.1.
Eine der Neuheit eines Gebrauchsmusters entgegenstehende offenkundige Vorbenutzung liegt vor, wenn die Benutzung vor dem Prioritätszeitpunkt der Anmeldung des Schutzrechts erfolgt ist, der benutzte Gegenstand so beschaffen ist, dass er der Aufrechterhaltung des Schutzrechts in vollem Umfang entgegensteht und die Umstände der Benutzung den betreffenden Gegenstand der Öffentlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zugänglich gemacht haben (vgl. Braitmayer/Bühring, a.a.O., § 3, Rz. 23ff., 38f.). Dabei ist grundsätzlich ein einzelner Benutzungsfall für die neuheitsschädliche Wirkung ausreichend (vgl. Moufang in Schulte, Kommentar zum Patentgesetz, 10. Aufl. 2017, § 3, Rn. 21 m.w.N.). Wird eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht, müssen der genaue Gegenstand der Benutzung und die Umstände, unter denen die Benutzung erfolgte, z.B. der Ort der Benutzung, substantiiert und gegebenenfalls bewiesen werden (Braitmayer/Bühring, a.a.O., § 3, Rz. 37 m.w.N.). - 4.3.2.
Diese vorstehenden Voraussetzungen an den Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung haben die Beklagten nicht erfüllt. - 4.3.2.1.
Zunächst haben die Beklagten als Anlagen HE-LA1 9.2 und 9.3 sowie HE-LA1 9.5 und 9.6 mehrere Preislisten der Firmen M bzw. Wöhrl vorgelegt, in denen u.a. auch Deckenrandelemente angeboten wurden. Unabhängig davon, dass die Preislisten teilweise aus den Jahren 2012 und 2013 stammen, mithin einen Zeitraum betreffen, der nach dem Anmeldetag liegt, vermögen den unscharfen Abbildungen der angebotenen Deckenrandelemente keinerlei Details entnommen werden, die eine Offenbarung der streitgegenständlichen Merkmale hinreichend sicher belegen könnten. Die als Anlage HE-LA1 9.3 vorgelegte Präsentation der Firma Wöhrl zeigt zwar auf der Seite 9 ein Deckenrand-Element, wie es auch der nachfolgend dargestellten aus der Anlage HE-LA1 9.1 entnommenen Abbildung entspricht, indes wurde diese Präsentation nach dem eigenem Vortrag der Beklagten auch erst im Jahr 2013 veröffentlicht und stellt daher keinen Beleg für eine Offenbarung vor dem Anmeldetag dar. - Soweit sich die Beklagten noch auf nachfolgenden wiedergegebenen Prospekt der Firma M aus dem Jahr 2009 stützen, vermochte die Kammer diesem nicht alle Merkmale der geltend gemachten Anspruchskombination zu entnehmen:
Der Fachmann mag dem im Querschnitt gezeigten Element auf der oberen linken Ecke der ersten Seite zwar ein Deckenrandelement entnehmen, welches über eine Ziegelplatte und ein Dämmelement aus Schaumstoff verfügt. Die Kammer vermochte aber bereits nicht zu erkennen, dass das gezeigte Deckenrandelement über ein zweites, d.h. vom ersten Wärmedämmelement unabhängiges Wärmedämmelement im Sinne von Merkmal 2.c) des Klagegebrauchsmusters I verfügt. Zwar lässt sich der Abbildung ein grünes Schaumstoffelement entnehmen, an dessen der Ziegelplatte abgewandten Seite noch ein graues Element vorhanden zu sein scheint. Indes lässt sich nicht erkennen, inwieweit es sich dabei wirklich um ein eigenständiges Element oder ob es sich nur die (anders gefärbte) Rückseite des grünen Elementes handelt.
Unabhängig davon fehlt es aber jedenfalls an einer eindeutigen Offenbarung der Merkmalsgruppe 3, da weder den Abbildungen der HE-LA1 9.1, noch einer etwaigen Zusammenschau mit den Abbildungen aus den Anlagen HE-LA1 9.2 bis 9.6. entnommen werden kann, dass die Ziegelplatte der gezeigten Deckenrandelemente über Rippen verfügt, die sich über die gesamte Länge der Platte erstrecken. - Schließlich ist auch nicht zu erkennen, woraus sich in den Anlagen HE-LA1 9.1, bis 9.6 die nach Merkmal 4 erforderliche relative Bewegbarkeit für den Fachmann ergeben sollte. Allein aus dem Umstand, dass in der Anlage HE-LA1 9.4, die zudem nachveröffentlicht ist, von Polystrol (PS)-Dämmung und Faserdämmung die Rede ist, schließt der Fachmann nicht unmittelbar auf eine etwaige Komprimierbarkeit nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters I. Denn die Komprimierbarkeit in Form eines Ineinanderdrückens wird – worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat – nicht nur durch ein entsprechend nachgiebiges Material, sondern nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters I vielmehr auch durch das Vorsehen von Lücken und Hohlräumen realisiert. Das Vorhandensein entsprechender Hohlräume bei den Deckenrandelementen nach der Anlage HE-LA1 9.1 ist nicht vorgetragen.
- 4.3.2.2.
Soweit sich die Beklagten mit ihrem Schriftsatz vom 7. Dezember 2020 (Bl. 229ff. d.A.) auf eine weitere Vorbenutzung durch die Klägerin sowie der Firma P durch das Schalungselement „Q“ (Anlagen D15.A1 und 2; D19 A2 und 3 zum Anlagenkonvolut HE 11) berufen haben, vermag auch dies eine offenkundige Vorbenutzung nicht zu stützen. - Unabhängig davon, dass sich die Beklagten zur Darlegung der konkreten Ausgestaltungen der vorgenannten Elemente im Zeitraum ab dem Jahr 2006 sowie deren Präsentation auf Messen nur auf Zeugenbeweis berufen (nebst Vorlage von drei eidesstattlichen Versicherungen als Anlagen D15.1, D15.2 und D16 zum Anlagenkonvolut HE 11), erschöpft sich die Darlegung der Neuheitsschädlichkeit auf einen Anspruch des Klagegebrauchsmusters I (Schutzanspruch 1), der nicht dem vorliegend geltend gemachten eingeschränkteren Anspruch 1 entspricht. Mit Blick auf die geltend gemachte Merkmalskombination behaupten die Beklagten in Ziff. 3.1.7 auf Seite 29 ihrer Eingabe nur ganz pauschal, auch die geltend gemachte Anspruchskombination sei durch die DRS-Elemente vorweggenommen.
In jedem Fall dürfte den Fotos zu entnehmen sein, dass die beiden Wärmedämmelemente miteinander verklebt wurden, was auch von der Klägerin auf Seite 11 ihres Schriftsatzes vom 25. Januar 2021 so vorgetragen wurde. Daher fehlt es jedenfalls an einer Offenbarung der relativen Bewegbarkeit dieser Elemente zueinander. Die Verklebung soll nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin auch bereits während des Produktionsprozesses erfolgt sein, so dass die Elemente nicht mehr auf der Baustelle ausgerichtet werden konnten. - 4.4.
Die Kammer vermochte auch nicht zu erkennen, dass es dem Klagegebrauchsmuster I an der erforderlichen Neuheit nach § 3 GebrMG gegenüber der HE-LA1 1 (DE‘XXX) fehlt. - 4.4.1.
Der Gegenstand eines Gebrauchsmusters gilt gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 GebrMG als neu, wenn er nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfasst dabei nach § 3 Abs. 1 S. 2 GebrMG alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche Beschreibung oder durch eine im Geltungsbereich dieses Gesetzes erfolgte Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Entgegen dem absoluten Neuheitsbegriff im Patentgesetz fallen damit Benutzungen im Ausland sowie mündliche Beschreibungen nicht unter den zu berücksichtigenden Stand der Technik (vgl. Braitmayer/Bühring, a.a.O., § 3, Rn. 8). - Für die Beurteilung der Neuheit gelten indes die gleichen Grundsätze wie im Patentrecht (vgl. Goebel/Engel/Benkard, a.a.O., § 3 GebrMG, Rn. 5). Danach ist eine Entgegenhaltung dann neuheitsschädlich, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Schutzrechts aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann am Prioritätstag in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart. Dabei beschränkt sich die technische Lehre der Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildungen entnehmen kann (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin).
- 4.4.2.
Die Beklagten haben in der Klageerwiderung die DE‘XXX als neuheitsschädlich nur mit Blick auf den eingetragenen Hauptanspruch 1 des Klagegebrauchsmusters I geltend gemacht und insoweit vorgetragen, die DE‘XXX als Neuheitsangriff im weiteren Verlauf des Verfahrens aber nicht weiter aufgegriffen. Daher vermochte die Kammer nicht zu erkennen, dass die DE‘XXX auch die Merkmale 2.c), 3.b) bis 3.d) und 4 unmittelbar und eindeutig offenbart. - 4.5.
Schließlich vermochte die Kammer auch nicht zu erkennen, dass es dem Klagegebrauchsmuster I in der geltend gemachten Anspruchskombination an der Erfindungshöhe fehlt. - 4.5.1.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Lehre eines Gebrauchsmusters auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs. 1 GebrMG beruht, sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei einem Patent (vgl. BGH GRUR 2006, 842ff – Demonstrationsschrank). Daher bedarf die Beantwortung der Frage, ob eine erfinderische Tätigkeit zu bejahen ist, einer wertenden Entscheidung (BGH, GRUR 1995, 330 – Elektrische Steckverbindung) unter Berücksichtigung der Kriterien des Standes der Technik als Ausgangspunkt für die Beurteilung sowie des Fachwissens des Durchschnittsfachmanns in der Frage des Nichtnaheliegens. Die Beurteilung stützt sich auf tatsächliche Umstände, nämlich die Feststellung der Erfindung, des Standes der Technik sowie des dem maßgeblichen Fachmann eigenen Wissens und Könnens. Eine erfinderische Tätigkeit liegt erst in derjenigen Leistung, die sich über die Norm dessen erhebt, was ein Fachmann mit durchschnittlicher Ausbildung, Kenntnissen und Fähigkeiten bei herkömmlicher Arbeitsweise erreichen kann. - Eine Maßnahme kann als „naheliegend“ angesehen werden, wenn der Fachmann sie in der Erwartung einer gewissen Verbesserung oder eines Vorteils vorgenommen hätte. Maßgeblich ist eine angemessene (= realistische) Erfolgserwartung, so dass es nicht auf eine absolute Gewissheit im Hinblick auf das Eintreten vorteilhafter Effekte ankommt, andererseits aber auch nicht genügt, dass auf Seiten des Fachmanns die bloße Hoffnung auf ein gutes Gelingen besteht. Die angemessene Erfolgserwartung erfordert über den bloßen Wunsch nach Verbesserung hinaus eine vernünftige wissenschaftliche Bewertung der vorliegenden Tatsachen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 14.12.2017 – I-2 U 18/17 –, Rn. 44 ff., zitiert nach juris m.w.N.).
- 4.5.2.
Unabhängig davon, dass die Beklagten schon nicht hinreichend dargetan haben, welchen Anlass der Fachmann gehabt haben sollte, zu der HE-LA1 1 (DE‘XXX) die HE-LA1 2 (CN 2012 131704) und die HE-LA1 7 (DE 299 13 XXX U1) zu kombinieren, so ergibt sich die relative Bewegbarkeit zweier Wärmedämmelemente auch nicht hinreichend eindeutig aus der Kombination der vorgenannten Schriften. - Es erschließt sich bereits schon nicht, wieso der Fachmann die HE-LA1 1 überhaupt als Ausgangpunkt für seine Betrachtungen wählen sollte. Wie der nachfolgend wiedergegebenen Figur 1 der DE‘XXX entnommen werden kann, beansprucht diese ein eigenes System, bei der eine Steinplatte (9) und ein Wärmedämmelement (12) über eine Schwalbenschwanzverbindung (13) miteinander verbunden sind.
- Das ganze Element wird – wie der Fachmann der DE‘XXX entnehmen kann – über ein bzw. mehrere Winkeleisen (7) mit der Betonplatte verbunden, so dass es sich um ein in sich geschlossenes Konzept handelt, bei dem das Wärmeelement gerade nicht relativ bewegbar ist. Insoweit reicht es auch nicht aus, wenn der Fachmann mehrere Wärmedämmelemente und dazu noch deren Bewegbarkeit in anderen Schriften findet, er muss auch umfangreiche Änderungen an dem Gesamtsystem der DE‘XXX vornehmen, wobei es dafür eines besonderen Anlasses bedarf, der indes nicht vorgetragen wurde.
- 5.
Auch mit Blick auf das Klagegebrauchsmuster II vermochte die Kammer die Schutzfähigkeit festzustellen. - 5.1.
Während die Beklagten mit der Klageerwiderung noch die Neuheit des Klagegebrauchsmusters II mit Blick auf die vermeintliche offenkundige Vorbenutzung nach der Anlage HE-LA2 13.1 (HE-LA1 9.1) sowie die Schriften HE-LA2 1 (DE 299 13 XXX U1), HE-LA2 2 (EP 1 380 XXX A2), HE-LA2 3 (DE 20 2006 XXX 435 U1) und HE-LA2 12 (DE 20 2010 XXX 021 U1) beanstandet hatten, betraf dies nur die eingetragene Fassung des unabhängigen Hauptanspruchs 1, so dass auf Grundlage dieses Vortrages jedenfalls nicht auf die Schutzunfähigkeit der vorliegend geltend gemachten Anspruchskombination geschlossen werden konnte. - Auch mit Blick auf das Klagegebrauchsmuster II hier haben die Beklagten mit ihrem letzten Schriftsatz vom 7. Dezember 2020 die „Q“-Elemente als offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht, wobei die oben bereits genannten Bedenken gegen die Annahme einer offenkundigen Vorbenutzung auch hier gelten. Soweit die Beklagten in der mündlichen Verhandlung mit Blick auf das Klagegebrauchsmuster II erstmalig noch darauf abstellen wollten, dass auch die Ziegelplatte des DRS-Elements als eigenes, erstes Wärmedämmelement fungieren könne, vermag auch dies eine Vorbenutzung nicht zu begründen. Denn selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass auch die rot-braune Ziegelplatte über gewisse Dämmeigenschaften verfügt und das Klagegebrauchsmuster II – anders als das Klagegebrauchsmuster I – nur zwei Wärmedämmelemente voraussetzt und nicht auch noch eine davon getrennte Platte, so fehlt es immer noch an der relativen Bewegbarkeit, da das DRS-Element ab Werk verklebt war.
- 5.2.
Die Kammer vermochte auch nicht zu erkennen, dass es der geltend gemachten Anspruchskombination an der erfinderischen Tätigkeit fehlt. - Soweit die Beklagten zunächst mit der Klageerwiderung unter Bezugnahme auf die Schriften HE-LA2 1, HE-LA2 2, HE-LA2 4, HE-LA2 2 5, HE-LA2 8, HE-LA2 9 und die HE-LA2 12 versucht haben darzulegen, dass sich auch die geltend gemachte Anspruchskombination für den Fachmann in naheliegender Art und Weise aus diesen Schriften ergibt, so erschöpft sich der Vortrag der Beklagten aber darin darzulegen, wieso die einzelnen Merkmale (bzw. Schutzansprüche) für sich genommen nahegelegen haben sollten. Die Beklagten haben auch schon nicht aufgezeigt, welchen Anlass der Fachmann gehabt haben sollte, diese Vielzahl an Dokumenten zu kombinieren, um zu der geltend gemachten Anspruchskombination in ihrer Gesamtheit zu gelangen.
- Die Kammer konnte auch nicht feststellen, dass die geltend gemachte Anspruchskombination – wie von den Beklagten mit der Duplik vorgebracht – für den Fachmann ausgehend von der HE-LA2 12 (DE‘021) nahegelegen haben sollte bzw. dass der Fachmann Anlass hatte, die DE‘021 als Ausgangspunkt für etwaige weitere Überlegungen zu wählen.
- Die DE‘021 offenbart ebenfalls ein Schalungselement, wie es insbesondere den nachstehenden Figuren 1 und 2 der DE‘021, auf die auch die Parteien Bezug nehmen, gezeigt ist:
- Zwar spricht Absatz [0001] davon, dass die DE‘021 eine „verlorene Bodenplattenrandschalung“ offenbare, indes genügt es für die Vorwegnahme der Merkmale des Klagegebrauchsmusters II in der geltend gemachten Fassung nicht, wenn nur Teile der Schalung verloren sind. Soweit die DE‘021 in den vorstehenden Figuren eine Schalung offenbart, die über zwei Schalungselemente verfügt (8, 10), so ergibt sich aus der Figur 2, dass nur das untere Element (8) ein verlorenes Element ist, da das obere Element, nachdem die Decken gegossen wurden, wieder entfernt werden kann, um etwa eine Dichtungsbahn (14) zu verlegen.
- Unabhängig davon ist der DE‘021 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass die beiden Schalungselemente (8, 10) über mehrere Erhebungen und/oder Vertiefungen im Sinne der Merkmale 3 und 4 verfügen, die komplementär zueinander ausgestaltet sind. Vielmehr lassen sich der DE‘021 und ihren Ausführungsbeispielen nur solche Ausgestaltungen der Elemente entnehmen, die über eine Nut/Erhebung verfügen. Insoweit fehlt es dann auch an der Merkmalsgruppe 5.
- Schließlich lag die geltend gemachte Lehre des Klagegebrauchsmusters II für den Fachmann – wie von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung zuletzt noch vorgebracht – auch nicht ausgehend von dem „Q“-Element in Verbindung mit der HE-LA2 5 (vgl. Anlage HE 13, nachfolgend: D 5) nahe. Zwar lehrt die D 5 u.a. ein Verfahren zur Herstellung eines Isolationsbauelements, wobei der Fachmann nachfolgend verkleinert wiedergegebener Figur 4 ein solches Bauelement entnehmen kann:
- Dieses Bauelement (24) besteht – wie der Fachmann dem zweiten Absatz auf Seite 6 der D 5 entnehmen kann – aus Ziegelstein und an einer der Seiten dieses Elementes kann über schwalbenschwanzförmige Nuten eine Isolierplatte (28) mit entsprechend komplementär ausgebildeten schwalbenschwanzförmigen Zapfen eingeschoben und befestigt werden. Wie der Fachmann dem letzten Absatz auf Seite 6 bzw. dem ersten Absatz auf Seite 7 der D 5 weiter entnehmen kann, soll die Isolierplatte auch erst nachträglich an dem Bauelement angeklebt werden, so dass jedenfalls eine temporäre Verschiebbarkeit im Sinne der Lehre des Klagegebrauchsmusters II vorliegt. Indes haben die Beklagten nicht aufzuzeigen vermocht, welchen Anlass der Fachmann gehabt haben sollte, dass in sich geschlossene Konzept der D 5 auf das DRS-Element zu übertragen.
- 6.
Anders als bei einem Patentverletzungsprozess, in dem sich die Frage einer Aussetzung der Verletzungsstreits nach § 148 ZPO richtet, umfasst das GebrMG mit § 19 eine Spezialregelung zur Frage der Aussetzung. Gemäß § 19 S. 1 GebrMG kann das Gericht im Rahmen seines Ermessens anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung eines anhängigen Löschungsverfahrens ausgesetzt wird, wenn der Rechtsstreit von dessen Rechtsbestand abhängt. Es hat die Aussetzung anzuordnen, wenn es die Gebrauchsmustereintragung für unwirksam hält, § 19 S. 2 GebrMG. Sollte das Gericht gemäß § 19 S. 1 GebrMG einen Ermessenspielraum haben, da es das Gebrauchsmuster nicht für unwirksam hält, kommt eine Aussetzung nur in Betracht, wenn berechtigte Zweifel am Rechtsbestand bestehen (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 888). - Aufgrund obiger Ausführungen zur Schutzfähigkeit, bestehen auch keine ausreichenden Zweifel am Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters, so dass eine Aussetzung nicht geboten war.
- 7.
Aus der Verletzung der Klagegebrauchsmuster ergeben sich nachfolgende Rechtsfolgen: - 7.1.
Die Klägerin kann von den Beklagten Unterlassung aus § 24 Abs. 1 GebrMG, Schadensersatzfeststellung aus § 24 Abs. 2 GebrMG, Auskunft und Rechnungslegung aus § 24b GebrMG i.V.m. § 242 BGB sowie Vernichtung und Rückruf aus § 24a Abs. 1, 2 GebrMG verlangen. - 7.2.
Soweit die Klägerin darüber hinaus noch Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von EUR 5.275,30 zzgl. Zinsen verlangt, steht ihr nur ein Betrag in Höhe von EUR 4.771,40 zu. - Die Klägerin kann von den Beklagten als Gesamtschuldner grundsätzlich auch Ersatz der Abmahnkosten aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel C., Rn. 42) verlangen. Indes haben sich die Beklagten zu Recht gegen die von der Klägerin in Ansatz gebrachte Gebühr in Höhe von 2,0 gewandt, da diese übersetzt ist.
- Welche Gebühr der Anwalt für seine Tätigkeit im Einzelfall verdient, ist gemäß § 14 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei zu Gunsten des Anwalts ein Toleranzbereich zu berücksichtigen ist (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel C., Rz. 58). Die Festsetzung durch den Anwalt ist im Allgemeinen hinzunehmen, soweit sie einen Toleranzbereich von 20% des an sich angemessenen Satzes nicht überschreitet (BGH, NJW-RR 2012, 887 – Spielraum des Anwalts bei der Bemessung von Rahmengebühren) und die Tätigkeit des Anwalts umfangreich und/oder besonders schwierig, mithin insgesamt überdurchschnittlich war, und dadurch die Voraussetzungen eines Satzes oberhalb der üblichen 1,3 Regelgebühr vorliegen. Auch die häufig zwischen einem Patent- und einem Rechtsanwalt aufgeteilte Arbeit ändert nichts daran, dass die angemessene Gebühr regelmäßig oberhalb der 1,3 Gebühr nach Ziffer 2300 VV liegt, da es sich bei Streitigkeiten im Bereich der Patent- und Gebrauchsmuster typischerweise um schwierige Sachverhalte handelt (vgl. Kühnen, a.a.O.). Die Ermessensausübung verlangt allerdings vom Anwalt mehr als bloße Allgemeinplätze, nämlich auf die konkrete Angelegenheit bezogene Erwägungen, von denen nur dann abgesehen werden kann, wenn der besondere Umfang oder die besondere Schwierigkeit offen zu Tage liegen, weil sie sich aus der Natur der Sache ergeben (vgl. Kühnen, a.a.O.). Geht man von einer im Bereich der technischen Schutzrechte anzusetzenden und von der gefestigten Rechtsprechung als angemessen anerkannten 1,5 Gebühr aus und berücksichtigt zusätzlich den Toleranzrahmen, so ergibt sich ohne besondere Rechtfertigung eine angemessene Höchstgebühr von 1,8.
- Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin nicht hinreichend darzulegen vermocht, wieso ihr eine über diesen Rahmen hinausgehende 2,0 Gebühr zustehen sollte. Allein der pauschale Vortrag, es seien zwei Gebrauchsmuster geltend gemacht worden und die Beklagten hätten auf die Berechtigungsanfrage hin Stand der Technik präsentiert, der der weiteren Prüfung bedurft habe, rechtfertigen eine solche hohe Gebühr nicht. Denn die beiden Klagegebrauchsmuster betreffen im Wesentlichen die gleiche Erfindung und zudem weisen sie auch nur eine im Vergleich zu anderen Streitigkeiten allenfalls durchschnittliche Komplexität auf. Schließlich ist es auch nicht unüblich, dass vorprozessual Stand der Technik zu würdigen ist.
- Ausgehend von einer angemessenen 1,8 Gebühr ergibt sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von EUR 4.771,40.
- 7.3.
Die Beklagten können sich vorliegend nicht mit Erfolg auf eine teilweise Verjährung der geltend gemachten Ansprüche berufen, soweit sie einen Zeitraum vor dem 1. Januar 2015 betreffen. Denn die Voraussetzungen der Verjährung sind nicht dargelegt. - 7.3.1.
Gemäß § 24f GebrMG finden auf die Ansprüche wegen der Verletzung eines Gebrauchsmusters die allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB Anwendung. Danach beginnt die dreijährige Regelverjährungsfrist mit Schluss des Jahres, in dem die Ansprüche entstanden sind und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rz. 751). Der positiven Kenntnis des Gläubigers steht seine grob fahrlässige Unkenntnis gleich. Diese liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder naheliegende Erkenntnis- oder Informationsquellen nicht genutzt und unbeachtet gelassen hat, was jedem hätte einleuchten müssen, so dass ihm persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß bei der Verfolgung seiner Ansprüche vorzuwerfen ist (BGH GRUR 2012, 1279, 1284 – Das große Rätselheft). Dazu genügt noch nicht eine bloß fehlende Marktbeobachtung, vielmehr müssen Umstände vorgebracht und festgestellt werden, aus denen sich ergibt, dass sich der Gläubiger der Kenntnisnahme regelrecht verschlossen hat (BGH GRUR 2012, 1248, 1250 – Fluch der Karibik; Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 754). Die haftungsbegründenden Tatsachen zu „Tat“ und „Täter“ müssen so vollständig und sicher bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sein, dass sie einen zwar nicht risikolosen, aber doch einigermaßen aussichtsreichen Erfolg einer Klage versprechen und dem Verletzten daher bei verständiger Würdigung der Sachlage eine Klage zuzumuten ist (BGH GRUR 2012, 1279, 1284 – Das große Rätselheft). Unabhängig von der Kenntnis verjähren die Ansprüche aus Gebrauchsmusterverletzung regelmäßig nach 10 Jahren ab ihrer Entstehung. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Verjährungsvoraussetzung liegt auf Seiten des Schuldners (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rn. 748). - 7.3.2.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vermochte die Kammer nicht festzustellen, dass die Voraussetzungen für eine teilweise Verjährung der Ansprüche vorliegen. Voraussetzung für eine erfolgreichen Verjährungseinwand wäre, dass die Klägerin schon im Jahr 2XXX Kenntnis von dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform durch die Beklagten gehabt hat, da die Parteien jedenfalls seit dem Jahr 2018 über die Gebrauchsmusterverletzung streiten. - Entsprechendes ergibt sich indes zunächst nicht schon aus der von der Beklagten in Bezug genommenen E-Mail-Korrespondenz der Anlagen HE 01 bis HE 03.
- Soweit der dem Gericht übermittelten Anlage HE 01 als Anlage zwei Zeichnungen beigefügt sind, so hat die Klägerin bestritten, dass diese beiden Anlagen, die technische Zeichnungen betreffend die angegriffenen Ausführungsformen enthalten, der originalen E-Mail des Beklagten zu 2) an den Geschäftsführer der Klägerin ebenfalls beigefügt waren. Dagegen spricht bereits, dass sich dem E-Mail-Kopf kein Hinweis auf etwaige Anlagen entnehmen lässt. Im gleichen E-Mail-Thread findet sich zudem nachfolgende E-Mail des Beklagten zu 2) an Herrn D, wobei sich diesem E-Mail-Kopf die Beifügung der Anlagen zwanglos entnehmen lässt.
- Der E-Mail des Geschäftsführer der Klägerin an Herrn D vom 3. Juni 2015 (Anlage HE 02) lässt sich nur entnehmen, dass die Klägerin im Jahr 2015 Kenntnis von Deckrandschalungen der Beklagten zu 1) erlangt hat, wobei sich aus dieser Anlage nicht ergibt, dass die Klägerin auch über die konkrete Ausgestaltung dieser Produkte Bescheid wusste, was für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblich ist.
- Entsprechendes gilt auch für die E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin an Herrn D vom 7. September 2016 (Anlage HE 03), in der u.a. ausgeführt wird: „1. Ist die Schalung DiHa bereits Mitte 2XXX im Programm […]“. Diese E-Mail mag zwar als Beleg dafür herangezogen werden können, das die Klägerin ggf. schon vor dem Jahr 2015 Kenntnisse von Schalungen der Beklagten zu 1) hatte, indes ist diese E-Mail kein Beleg dafür, dass die Klägerin auch Kenntnisse über die konkrete Ausgestaltung hatte.
- 7.4.
Auch die Voraussetzungen der Verwirkung liegen nicht vor. - 7.4.1.
Unabhängig von der Frage, ob Verwirkung vor Ablauf der Verjährungsfrist überhaupt angenommen kann, sind vorliegend keine Umstände dargelegt, die die Verwirkung begründen können. Der Verwirkungseinwand leitet sich aus dem allgemeinen Gedanken von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ab und setzt neben einem gewissen Zeitmoment kumulativ auch ein Umstandsmoment voraus. Der Schutzrechtsinhaber muss trotz Kenntnis der Verletzungshandlung bzw. fahrlässiger Unkenntnis über einen längeren Zeitraum das Handeln des Verletzers geduldet haben. Aus den Umständen einhergehend mit dem Zeitmoment muss sich darüber hinaus zum einen bei objektiver Beurteilung ergeben, dass sich der Verletzer darauf einrichten durfte, dass die Rechte nicht mehr gegen ihn geltend gemacht werden, zum anderen muss der Verletzer sich tatsächlich darauf eingerichtet haben (vgl. Kühnen, a.a.O., Kapitel E., Rz. 780 m.w.N.). - 7.4.2.
Die Beklagten stützen den Einwand der Verwirkung in erster Linie auf die als Anlage HE 03 zur Akte gereichte E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin an Herrn D, in der u.a. ausgeführt wird: „So, und das alles ist Schnee von gestern. Wir schauen nach vorne!“ - Mit Blick auf diese Aussage ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich um eine E-Mail der Klägerin an ihren – zum damaligen Zeitpunkt noch bei ihr beschäftigten –Mitarbeiter Herrn D handelt, mithin die Klägerin bzw. ihr Geschäftsführer sich nicht unmittelbar an die Beklagten gewandt haben. Daraus folgt, dass die in Bezug genommene Aussage auch nicht, jedenfalls nicht hinreichend eindeutig, auch gegenüber den Beklagten getätigt wurde, so dass sie schon aus diesem Grunde nicht geeignet war, ein etwaiges schützenswertes Vertrauen bei den Beklagten zu wecken.
- Zudem darf der Kontext der E-Mail nicht außer Acht gelassen werden. Wie der vergangenen E-Mail-Korrespondenz der Anlage HE 02 zwischen der Klägerin und Herrn D entnommen werden kann, haben sich die Klägerin und Herr D darüber ausgetauscht, dass die Aufnahme von eigenen Deckenrandschalungen in das Programm der Beklagten zu 1) vor dem Hintergrund des zu Lasten des Herrn D bestehenden Wettbewerbsverbotes problematisch sein könnte. Insoweit erscheint es nicht unwahrscheinlich, dass die o.g. Aussage, die nur an Herrn D gerichtet war, auch nur auf den Punkt des Wettbewerbsverbotes bezogen war.
- 7.5.
Soweit die Beklagten schließlich noch einen Klageverzicht geltend machen, so sind an eine entsprechende Verzichtserklärung des Schutzrechtsinhabers strenge formale und inhaltliche Anforderungen zu stellen. Da es sich um eine grundsätzlich empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, mit der der Schutzrechtsinhaber unwiderruflich seinen Rechtsverzicht erklärt, muss die entsprechende Erklärung jedenfalls eindeutig und zielgerichtet abgegeben werden. Mit anderen Worten muss der Schutzrechtsinhaber gegenüber dem Empfänger der Verzichtserklärung zweifelsfrei zu verstehen gegeben haben, dass er gegenüber dem Empfänger auf seine Rechte aus dem Schutzrecht bzw. deren Geltendmachung verzichten will. Dies schließt es insbesondere aus, dass eine solche Erklärung regelmäßig auch konkludent abgegeben werden kann. - Aus dem Satz „So, und das alles ist Schnee von gestern. Wir schauen nach vorne!“ lässt sich jedenfalls der Verzicht auf die Durchsetzung der Klageschutzrechte nicht entnehmen, zumal diese Aussage auch nicht unmittelbar an die Beklagten gerichtet war.
- III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.