Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3152
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 23. März 2021, Az. 4a O 61/20
- I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
- Die Klägerin begehrt die Feststellung der Nichtberechtigung der Beklagten zur Gewährung bestimmter Lizenzrechte sowie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten.
- Die Klägerin (noch als A UG firmierend) und die Beklagte sowie mehrere weitere Vertragspartner schlossen unter dem 13.09.2016 einen Kauf- und Abtretungsvertrag (vorgelegt in Anlage K 3) betreffend diverse Schutzrechte im Bereich der Ablufttechnik für Dunstabzugshauben (Auflistung in Anlage K 1). Die Beklagte übertrug mit dieser Vereinbarung der Klägerin die entsprechenden Schutzrechte. Es handelte sich hierbei ursprünglich um Miterfindungen des Geschäftsführers der Klägerin, Herrn B, der seine Rechte an die B GmbH übertragen hatte. Die Beklagte erwarb die Schutzrechte über ein Drittunternehmen aus der Insolvenzmasse der B GmbH.
- Unter demselben Datum schlossen die Parteien den ebenfalls in Anlage K 3 vorgelegten Lizenzvertrag, mit welchem der Beklagten im Wege der Lizenz sowohl das Recht der Eigennutzung als auch das Recht zur Vergabe von Unterlizenzen in einem bestimmten Umfang eingeräumt wurde. Ebenfalls dort vereinbart war, dass die Lizenznehmerin, also die Beklagte, insoweit keine Lizenzgebühren zahlt.
- Unter dem 20.11.2017 kam es zu einer weiteren Vereinbarung zwischen der Klägerin als Lizenzgeberin und der Beklagten als Lizenznehmerin, nämlich dem ebenfalls in Anlage K 2 vorgelegten „Vertragsannex zum Kauf- und Abtretungsvertrag vom 13.09.2016 sowie zum Lizenzvertrag vom 13.09.2016“ (nachfolgend als Annex bezeichnet). Auf Seiten der Klägerin ebenfalls als Vertragspartei genannt ist die C GmbH. In § 1 dieser Vereinbarung wird vereinbart, dass die Beklagte von der Klägerin und der C GmbH Lizenzgebühren in Form einer Umsatzlizenz auf verkaufte Dunstabzugshauben erhält. In § 3 wird die Befugnis der Beklagten, die Rechte selbst zu nutzen bzw. Lizenzen zu erteilen, ausgesetzt. Außerdem ist dort vereinbart, dass die Befugnis der Beklagten, Lizenzen zu erteilen, vollständig erlischt nach Erhalt von 150.000,00 EUR an den unter § 1 vereinbarten Lizenzgebühren sowie nach vollständigem Erhalt des vereinbarten Kaufpreises, von dem zu diesem Zeitpunkt noch Raten ausstanden.
- In § 4 des Annexes heißt es:
- Im Fall der Insolvenz der Lizenzgeberin [Klägerin] und/oder der C vor Zahlung des Betrags in Höhe von 150.000,00 EUR […] sowie der Zahlung der letzen Kaufpreisrate […] leben die Lizenzrechte der Lizenznehmer entsprechend des Lizenzvertrags vom 13.09.2016 wieder vollständig auf.
- Über das Vermögen der C GmbH wurde nach Zahlung der oben genannten Kaufpreisraten das Insolvenzverfahren eröffnet. Bisher erhielt die Beklagte weder von der C GmbH noch von der Klägerin die im Annex geregelten Lizenzzahlungen.
- Die Beklagte schrieb unter dem 20.04.2020 und dem 28.05.2020 (Schreiben vorgelegt in Anlage K 4) die D GmbH, eine Lizenznehmerin der Klägerin, an und verlangte Auskunftserteilung bezüglich getätigter Umsätze mit den streitgegenständlichen Lüfteranlagen. Außerdem wird in beiden Schreiben darauf hingewiesen, dass die Beklagte nach § 4 des Annexes unter bestimmten Voraussezungen wieder berechtigt sei, Unterlizenzen an andere Unternehmen zu vergeben.
- Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Rechte der Beklagten nicht nach § 4 des Annexes wieder aufgelebt seien. Voraussetzung hierfür sei kumulativ, dass die Insolvenz der C GmbH vor Zahlung der 150.000,00 EUR und Zahlung des Gesamtkaufpreises erfolgt wäre. Die Befugnisse der Beklagten aus dem Lizenzvertrag seien weiterhin nach § 3 des Annexes ausgesetzt.
- Ein Feststellungsinteresse liege vor, da die Beklagte sich in den Schreiben an die D GmbH auf das Wiederaufleben der Rechte berufen habe.
- Als faktisch Betroffene von der Ankündigung der Möglichkeit der Lizenzvergabe stehe der Klägerin ferner ein Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu.
- Sie beantragt,
- 1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, Lizenz- oder Unterlizenzrechte an Dritte aus den in der Alage K1 aufgeführten gewerblichen Schutzrechten zu vergeben oder Lizenzrechte selbst auszuüben;
2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.879,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen. - Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. - Sie ist der Ansicht, die Voraussetzungen des § 4 des Annexes seien erfüllt. Primärer Zweck der entsprechenden Regelung sei die Insolvenzsicherung gewesen, was ihr, der Beklagten, mit Blick auf die Vorgeschichte wichtig gewesen sei. Sie habe immer darauf bestanden und in den Verhandlungen als oberstes Ziel vertreten, dass im Falle der Insolvenz der beteiligten Unternehmen der Annex hinfällig sein solle, da in diesem Fall schließlich die Geschäftsgrundlage für die Aufgabe der eigenen Rechte aus dem Lizenzvertrag entfallen wäre.
- Das Gericht hat nach Zustimmung beider Parteien (Schriftsätze vom 21.01.2021 bzw. 22.01.2021) mit Beschluss vom 29.01.2021 das schriftliche Verfahren angeordnet und den Parteien eine Schriftsatzfrist bis zum 09.03.2021 gewährt.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die wechselseitig zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Feststellung der Nichtberechtigung der Beklagten zur Nutzung von Schutzrechten bzw. zur Vergabe von Unterlizenzen noch einen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Geldbetrags.
- I.
Es kann offenbleiben, ob die Klägerin ein Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 ZPO hinreichend dargelegt hat. Denn es fehlt schon an dem von der Klägerin geltend gemachten Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. - 1.
Das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Nutzungs- bzw. Unterlizenzierungsrechten stellt zwar grundsätzlich ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO dar. Feststellungsfähig sind grundsätzlich subjektive Rechte aller Art. Hierzu zählt auch das Bestehen bzw. Nichtbestehen von Lizenzrechten (Becker-Eberhard in MüKo, ZPO, 6. Auflage 2020, § 256 Rn 11). Hierunter fällt ohne weiteres der von der Klägerin begehrte Nichtbestand der entsprechenden Rechte der Beklagten. - 2.
Allerdings sind die Nutzungs- und Unterlizenzierungsrechte der Beklagten aus dem am 13.09.2016 abgeschlossenen Lizenzvertrag nach § 4 des Annexes wieder vollständig aufgelebt. - a)
Wie die entsprechende Vertragsklausel zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Verträge sind dabei nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erlauben. - Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen zunächst der objektive Empfängerhorizont maßgeblich (Busche in MüKo, BGB, 8. Auflage 2018, § 133, Rn 12). Dies konkretisiert § 157 BGB in seiner Bezugnahme auf Treu und Glauben und die Verkehrssitte für Vertragsklauseln dahingehend, dass diese so auszulegen sind, dass Widersprüche vermieden werden. Verfehlt wäre daher eine Interpretation, die den Sinn des Vertragswerks in Frage stellt oder gar ins Gegenteil verkehrt (Busche in MüKo, BGB, 8. Auflage 2018, § 157 Rn 6). Vertragsbestimmungen und andere rechtsgeschäftliche Regelungen sind so zu verstehen, dass sie sich nicht als einseitige Interessendurchsetzung darstellen, sondern eine angemessene Berücksichtigung der Interessen der jeweiligen Gegenseite ermöglichen. Insoweit ist eine umfassende Abwägung der Parteiinteressen erforderlich (BGH, NJW-RR 2003, 1053).
- b)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die entsprechende Klausel derart zu verstehen, dass sowohl im Fall einer Insolvenz einer der beiden genannten Gesellschaften vor Zahlung von 150.000,00 EUR als auch im Fall der Insolvenz vor Zahlung der ausstehenden Kaufpreisraten die Lizenzrechte wieder vollständig aufleben. - Der Wortlaut der Klausel ist insoweit nicht eindeutig. Die Voraussetzungen für das Wiederaufleben der Lizenzrechte lassen sich sowohl als kumulative als auch als alternative Voraussetzungen lesen.
- Das Wiederaufleben erst in dem Fall anzunehmen, dass die Insolvenz vor der vollständigen Zahlung der 150.000,00 EUR und kumulativ der nicht vollständigen Zahlung der ausstehenden Kaufpreisraten eintritt, läuft aber dem Sinn und Zweck dieser Regelung zuwider und stellt darüber hinaus den Sinn des gesamten Annexvertrags in Frage.
- Die §§ 1 bis 3 des Annexvertrags regeln gleichsam einen „Abkauf“ der der Beklagten im Lizenzvertrag vom 13.09.2016 eingeräumten Nutzungsrechte. Sie wird nach § 1 des Annexes an den Umsätzen der Klägerin und der C GmbH mit den streitgegenständlichen Lüftern, gedeckelt auf einen Betrag in Höhe von 150.000,00 EUR, beteiligt. Nach vollständiger Zahlung dieses Betrags sowie der offenen Kaufpreisraten erlöschen nach § 3 ihre Rechte, Unterlizenzen zu vergeben, vollständig. Im Zeitraum bis zur vollständigen Zahlung der betreffenden Beträge bleiben ihr eigenes Nutzungsrecht und ihr Recht zu Vergabe von Unterlizenzen ausgesetzt (§ 3 des Annexes). Bei der Aussetzung der betreffenden Rechte handelt es sich nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont um eine wesentliche Verschlechterung der Rechtsposition der Beklagten, die diese seit dem Abschluss des Lizenzvertrags im Jahr 2016 innehatte. Gleiches gilt für ihre Zustimmung zur vorzeitigen Schutzrechteumschreibung nach § 5 des Annexes bereits vor vollständiger Kaufpreiszahlung. Beide Verschlechterungen der Rechtsposition sollen zwar in der Zukunft durch die Klägerin finanziell kompensiert werden (Zahlung der ausstehenden Raten und Zahlung der 150.000,00 EUR). Insoweit bestand allerdings ein Insolvenzrisiko, welches nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung der Vertragsvorgeschichte als nicht gänzlich unerheblich anzusehen war.
- Sinn und Zweck von § 4 des Annexes war es daher, dieses Insolvenzrisiko der Klägerin und/oder der C GmbH derart abzusichern, dass der Beklagten im Fall der Insolvenz wenigstens die Möglichkeit gegeben wird, eine finanzielle Kompensation durch Eigennutzung der Rechte bzw. durch Unterlizenzvergabe zu erreichen.
- Hierbei ist es unerheblich, dass, wie die Klägerin richtig vorträgt, durchaus die Möglichkeit besteht, dass Umsätze durch die C GmbH generiert wurden und dass sie, die Klägerin, der Beklagten gegenüber insoweit gesamtschuldnerisch hafte. Denn durch die und/oder-Formulierung in § 4 wird deutlich, dass die Vertragsparteien bereits die Insolvenz einer der beiden Gesellschaften als derart schwerwiegend in Bezug auf die Erreichung des Vertragsziels – Zahlung von insgesamt 150.000,00 EUR an die Beklagte – angesehen haben, dass die Insolvenz einer der Gesellschaften hinreichend ist, um das Wiederaufleben der Rechte der Beklagten auszulösen.
- Insoweit wird entgegen der Auffassung der Klägerin durch eine derartige Vertragsauslegung auch nicht das weitere Vertragsziel – die enggültige Beendigung etwaiger Rechteinhaberschaften der Beklagten in Bezug auf die streitgegenständlichen Schutzrechte – unterlaufen. Denn das in § 3 vereinbarte endgültige Erlöschen der dort genannten Rechte der Beklagten nach Zahlung der vereinbarten 150.000,00 EUR ist weiterhin objektiv möglich.
- Mithin führt die oben dargestellte Auslegung der streitgegenständlichen Klausel zu einem stimmigen Gesamtkonstrukt der drei zwischen den Parteien geschlossenen Vertragswerke, die die Interessen beider Vertragsparteien hinreichend berücksichtigt.
- II.
Angesichts dessen, dass die Rechte der Beklagten zur Vergabe von Unterlizenzen mit der Insolvenz der C GmbH wieder vollständig aufgelebt sind, lässt sich in der Ankündigung der Möglichkeit zur Vergabe von Lizenzen durch die Beklagte keine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 des Annexes feststellen. Insoweit steht der Klägerin ebenfalls kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nach §§ 280 Abs. 1, 249 BGB zu. - III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.