I – 2 U 54/20 – Honoraransprüche

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3148

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 10. Juni 2021, Az. I-2 U 54/20

Vorinstanz: Az. 4a O 37/19

  1. I. Die Berufung gegen das am 30. Juli 2020 verkündete Urteil der 4a Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
  2. II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
  4. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
  5. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
  6. V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 43.768,11 € festgesetzt.
  7.  Gründe
  8. I.
  9. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen offener Honorarforderungen nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz auf Zahlung sowie wegen der Feststellung des Nichtbestehens eines Zahlungsanspruchs seitens der Beklagten in Höhe von 14.583,46 € in Anspruch. Hiergegen rechnet die Beklagte mit Schadenersatzansprüchen wegen angeblicher Falschberatung auf und macht den überschießenden Betrag widerklagend geltend.
  10. Die Parteien waren über ein Mandatsverhältnis miteinander verbunden. Seit 2017 beauftragte die Beklagte die Klägerin mehrmals mit der Wahrnehmung verschiedener patent- und wettbewerbsrechtlicher Angelegenheiten, die ihren Ursprung in der Auffassung der Beklagten haben, verschiedene Unternehmen verletzten ein ihr zustehendes Patent.
  11. Mitte Januar 2018 beauftragte die Beklagte die Klägerin, im Wege eines selbstständigen Beweisverfahrens einen Besichtigungsanspruch gegen die „A“ GmbH geltend zu machen. Auf Grundlage des RVG rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten die für die Vertretung in diesem Verfahren entstandenen Gebühren und Auslagen mit Kostenrechnung vom 3. Dezember 2018 ab. Den sich auf 12.575,74 € belaufenden Rechnungsbetrag glich die Beklagte nicht aus.
  12. Anfang 2018 stellte die Beklagte fest, dass in einem Newsletter des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung („F“) über einen Prallzerkleinerer „„G““ der „B“ GmbH berichtet wurde. Die Beklagte war der Ansicht, dass sämtliche der in dem Newsletter genannten Merkmale aus ihrer Entwicklungsarbeit stammten und der „B“ GmbH im Rahmen einer Zusammenarbeit in den Jahren 2013 bis 2015 anvertraut worden seien. Die Beklagte beauftragte die Klägerin, wegen unbefugter Verwendung von Vorlagen nach § 18 UWG gegen die „B“ GmbH vorzugehen. Auftragsgemäß mahnte die Klägerin die „B“ GmbH ab. Nachdem sich die „B“ GmbH weigerte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, beantragte die Klägerin beim Landgericht „C“ auftragsgemäß den Erlass einer einstweiligen Verfügung, welche die Kammer mit Beschluss vom 26. Juni 2018 erließ. Die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Kosten der Beauftragung der Klägerin und die des Verfügungsverfahrens in Höhe von insgesamt 3.554,06 € rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten ab, die den entsprechenden Betrag auch ausglich. Nach der Einlegung eines Widerspruchs durch die „B“ GmbH fand am 11. September 2018 eine mündliche Verhandlung vor dem Landgericht „C“ statt. Die hierfür angefallene Termingebühr rechnete die Klägerin mit Rechnung vom 16. November 2018 (Anlage K 6) gegenüber der Beklagten mit 2.146,28 € ab, ohne dass dieser Betrag durch die Beklagte beglichen wurde.
  13. Einer der das Mandat betreuenden Rechtsanwälte erläuterte dem Geschäftsführer der Beklagten im Vorfeld der vorgenannten Abmahnung die kostenrechtlichen Implikationen, insbesondere das Bestehen von Kostenerstattungsansprüchen der obsiegenden gegen die unterliegende Partei. Noch vor Abmahnung der „B“ GmbH nahm der Rechtsanwalt zur Vermeidung von Missverständnissen nochmals Kontakt mit dem Geschäftsführer der Beklagten auf und stellte ausdrücklich klar, dass die „B“ GmbH nur dann die Kosten tragen müsse, wenn sie im Verfahren unterliege. Auch nach der Antwort der „B“ GmbH auf die Abmahnung gab es ein ausführliches Telefonat zu den weiteren Optionen, eventuellen Unwägbarkeiten und möglichen Risiken. Der Geschäftsführer der Beklagten war allerdings fest entschlossen, die Angelegenheit weiter zu verfolgen.
  14. Mit E-Mail vom 7. Oktober 2018 wandte sich der Geschäftsführer der Beklagten erneut an die Klägerin und teilte dieser mit, dass er zwei Tage zuvor auf die Offenlegungsschrift zu einer Patentanmeldung der „B“ GmbH gestoßen sei. Er war der Ansicht, dass die den Gegenstand der betreffenden Patentanmeldung bildende Erfindung auf den Vorlagen beruhe, die die Beklagte der „B“ GmbH im Rahmen der vorgenannten Zusammenarbeit überlassen hatte. Er bat die Klägerin unter anderem um die Prüfung der Möglichkeiten eines Vorgehens gegen die „B“ GmbH. Mit E-Mail vom 23. Oktober 2018 (in Anlage K 8 enthalten) beauftragte die Beklagte die Klägerin, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung einer in einem späteren Hauptsacheverfahren durchzusetzenden Patentvindikation vorzubereiten. Konkret führte der Geschäftsführer der Beklagten aus:
  15. „Sofern Sie mir den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung noch in dieser Woche zur Freigabe vorlegen können, bin ich einverstanden.“
  16. In der Sache reagierte die Beklagte nicht auf diesen Entwurf. Stattdessen teilte sie am darauffolgenden Montag mit, dass sie nunmehr von einem anderen Rechtsanwalt vertreten werde. In der nachfolgenden Korrespondenz übermittelte die Klägerin der Beklagten mit E-Mail vom gleichen Tag ihre Kostennote für die Erstellung des Entwurfs der einstweiligen Verfügung, die einen Betrag in Höhe von 1.454,66 € ausweist (Anlage K 11). Eine darauf bezogene Zahlung der Beklagten steht aus.
  17. Die Beklagte übersandte der Klägerin im Laufe des Dezembers 2018 insgesamt vier Rechnungen und machte gegen die Klägerin dort Beträge für die Bearbeitung des selbstständigen Beweisverfahrens und für die Bearbeitung des Verfahrens vor dem Landgericht „D“ (Anlagenkonvolut K 23) in Höhe von insgesamt 14.583,46 € geltend. Dieser Betrag setzt sich ausweislich der vorgelegten Rechnungen aus insgesamt 57 Stunden à 215,- € (netto) zzgl. Umsatzsteuer zusammen.
  18. Nach Auffassung der Klägerin stehen ihr gegen die Beklagte die von ihr geltend gemachten Vergütungsansprüche zu.
  19. Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich die Auffassung vertreten, sie könne von der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Falschberatung Schadenersatz in Höhe von mindestens 29.544,59 € verlangen. Sie hat daher Widerklage erhoben und dort zuletzt beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an sie 13.007,97 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Hinsichtlich des die Widerklage übersteigenden Betrages hat die Klägerin die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung erklärt.
  20. Die Beklagte ist der Ansicht, ihr stehe in Bezug auf die von ihr bereits gezahlten Kosten in Höhe von 3.554,06 € (Verfahrenskosten Newsletter) ein Rückzahlungsanspruch aufgrund eines schwerwiegenden Beratungsfehlers zu, den sie im Wege der Aufrechnung geltend macht. Die in dem Newsletter abgebildete und beschriebene Maschine verwirkliche nur nach dem äußeren Anschein die Merkmale des Patents der Beklagten. Dort werde lediglich die Wirkung, nicht aber die Funktionsweise der Maschine beschrieben. Es sei daher von vornherein unmöglich gewesen, die in das Verfahren eingebrachten Vorlagen mit der Maschine zu vergleichen. Folgerichtig habe die Beklagte den Prozess in erster Instanz verloren und ihre Berufung in zweiter Instanz kurz vor dem Termin nach einem dringenden Hinweis des Vorsitzenden zurückgenommen. In Bezug auf den klageweise geltend gemachten Betrag in Höhe von 2.146,28 € (Termingebühr Verfügungsverfahren Newsletter) bestehe auf Grund dieses Beratungsfehlers ein Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe, den die Beklagte zur Aufrechnung stellt.
  21. Die Beklagte macht ferner im Wege der Aufrechnung sowie, soweit die Gegenforderung die Klageforderung übersteigt, im Wege der Widerklage die Kosten der Vertretung durch ihren neuen Prozessbevollmächtigen in dem Verfügungsverfahren zum Komplex „Vindikation“ vor dem Landgericht Düsseldorf in Höhe von 4.598,99 € (Verfahren, Termin und notwendige Auslagen), Gerichtskosten in Höhe von 3.078,- € sowie die Rechtsverfolgungskosten der Verfügungsbeklagten in Höhe von 4.621,36 € geltend.
  22. Für die letztlich erfolglose Berufung in dem Verfahren betreffend den „„F“-Newsletter“ seien Kosten in Höhe von 2.885,51 € (eigene Anwaltskosten), 4.793,79 € (fremde Anwaltskosten) sowie 2.052,- € (Gerichtskosten) angefallen. Diese macht die Beklagte widerklagend geltend.
  23. Durch Urteil vom 30. Juli 2020 hat das Landgericht wie folgt erkannt:
  24. I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.176,68 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Teilbetrag in Höhe von 1.454,66 € seit dem 29. November 2018, aus einem Teilbetrag in Höhe von 2.146,28 € seit dem 17. Dezember 2018 und aus einem Teilbetrag 12.575,74 € seit dem 3. Januar 2019 zu zahlen.
  25. II. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen die Klägerin keine Ansprüche auf Zahlung von 14.583,46 € zustehen.
  26. III. Die Widerklage wird abgewiesen.
  27. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
  28. Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen fälligen Zahlungsanspruch in beantragter Höhe aus §§ 2, 13 RVG. Weder habe die Beklagte den Umfang der Tätigkeit der Klägerin noch die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung nach dem RVG in Abrede gestellt.
  29. Der Zahlungsanspruch der Klägerin sei in Ermanglung einer aufrechenbaren Forderung der Beklagten nicht nach § 387 ZPO erloschen. Insbesondere stehe der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Falschberatung kein Schadenersatzanspruch nach §§ 611, 675, 276, 280 BGB zu. In Bezug auf die den „„F“-Newsletter“ betreffende Verfahrensführung sei keine Pflichtverletzung der Klägerin erkennbar. Die Klägerin habe die Beklagte vor der Abmahnung der „B“ GmbH über die Kostenrisiken einer Verfahrenseinleitung informiert. Nachdem die „B“ GmbH der Abmahnung widersprochen hatte, sei nochmals eine Erläuterung der Risiken durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Klägerin erfolgt. Dass die Klägerin die Beklagte auf mögliche Unwägbarkeiten bei der Sachverhaltsermittlung und Beweisführung aufmerksam gemacht habe, der Geschäftsführer der Beklagten aber dennoch fest entschlossen gewesen sei, das Verfahren weiter zu führen, verdeutliche eine E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 6. Juni 2018. Abgesehen davon habe das Landgericht „C“ die einstweilige Verfügung zunächst erlassen.
  30. In Bezug auf die durch die kurzfristige Vertretung vor dem Landgericht Düsseldorf entstandenen Kosten im Verfügungsverfahren zur Sicherung von Vindikationsansprüchen ließe sich weder eine Pflichtverletzung noch die Kausalität feststellen. Des Weiteren sei der Verfügungsentwurf auch nicht verspätet bei der Beklagten eingegangen. Nach dem insoweit maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont habe die Klägerin den Auftrag dahingehend verstehen dürfen, dass eine Zuleitung des Entwurfs an die Beklagte bis Sonntagabend hinreichend gewesen sei. Selbst wenn man die Zuleitung des Entwurfs als verspätet ansehe, fehle es jedenfalls an der Kausalität einer entsprechenden Pflichtverletzung für die zur Aufrechnung gestellten Schadenspositionen. Nach Erhalt des Entwurfs habe die Beklagte das Mandatsverhältnis gekündigt und das Verfügungsverfahren durch ihren nunmehrigen Prozessbevollmächtigten betreiben lassen. Inwieweit die Kosten eines nicht durch die Klägerin eingeleiteten Verfahrens kausal auf ihrer angeblichen Pflichtverletzung beruhen sollen, erschließe sich nicht.
  31. Der Feststellungsantrag der Klägerin sei ebenfalls begründet. Die Beklagte habe in Bezug auf die vor den Landgerichten Düsseldorf und „D“ geführten Verfahren gegen den Kläger keinen Anspruch auf Erstattung eines eigenen Aufwands in Höhe von insgesamt 57 Stunden à 215,- € (netto). Es sei keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, die einen solchen Zahlungsanspruch der Beklagten stütze. Die Beklagte habe hierzu auch auf entsprechenden Hinweis der Kammer in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen. Abgesehen davon fehle es auch an einem besonderen Feststellungsinteresse der Klägerin.
  32. Die zulässige Widerklage sei mangels bestehender Schadenersatzansprüche der Beklagten unbegründet. In Bezug auf die Kosten für die kurzfristige Vertretung der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf fehle es ebenfalls an einer Pflichtverletzung der Klägerin. Hinsichtlich der weiteren, im Wege der Widerklage geltend gemachten Kosten für das Berufungsverfahren im Komplex „„F“-Newsletter“ scheide eine Pflichtverletzung der Klägerin ebenfalls aus. Darüber hinaus fehle es in Bezug auf den Schaden selbst bei Annahme einer Pflichtverletzung an einer entsprechenden Kausalität. Der Entschluss der Beklagten, ein Rechtsmittel einzulegen, beruhe nicht mehr auf einer etwaigen Handlung bzw. Unterlassung der Klägerin. Im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung sei die Beklagte bereits anderweitig anwaltlich vertreten worden. Im Übrigen fehle es auch in Bezug auf die Kosten für den Entwurf des Verfügungsantrags an einer Pflichtverletzung der Klägerin.
  33. Gegen dieses, ihrem Prozessbevollmächtigten am 25. August 2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 25. September 2020 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie Folgendes ausgeführt:
  34. Unwidersprochen, aber im erstinstanzlichen Urteil nicht berücksichtigt habe die Klägerin die Beklagte zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass im „„F“-Newsletter“ beinahe alle wesentlichen Merkmale der Erfindung der Beklagten fehlen. Aus diesem Grund seien die Erfolgsaussichten des einstweiligen Verfügungsverfahrens allenfalls gering gewesen. Eine entsprechende und nachdrückliche Warnung hätte absehbar dazu geführt, dass das Verfahren nicht geführt worden wäre. Auf eine solche Warnung habe die Klägerin bewusst verzichtet, um das stundenweise vergütete Mandat nicht im Keim zu ersticken. Folgerichtig sei der Verfügungsantrag zurückgewiesen worden. Die Kosten dieses Rechtsstreits seien daher durch die Klägerin als Schaden zu begleichen. Dies gelte auch für die Kosten der Berufung. Die hierfür erforderliche Kausalität zum Vorverhalten der Klägerin sei zu bejahen.
  35. Die Beklagte beantragt,
  36. das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Juli 2020 zum Az.: 4a O 37/19 aufzuheben und wie von der Beklagten beantragt zu entscheiden.
  37. Die Klägerin beantragt,
  38. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
  39. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt aus:
  40. Bereits erstinstanzlich habe sie vorgetragen, dass die Beklagte ausführlich zu den verschiedenen Optionen, eventuellen Unwägbarkeiten und möglichen Risiken eines Vorgehens gegen die „B“ GmbH und den „„F“-Newsletter“ hingewiesen worden sei. Gleichwohl sei der Geschäftsführer der Beklagten auch in Anbetracht der Erörterungen fest entschlossen gewesen, die Angelegenheit weiterzuverfolgen. Beides sei unstreitig geblieben. Zudem gehe aus der E-Mail des Geschäftsführers der Beklagten vom 6. Juni 2018 hervor, dass im Vorfeld des einstweiligen Verfügungsverfahrens ausführlich darüber gesprochen worden sei, welche Merkmale der beworbenen Maschine dem Newsletter zu entnehmen seien und welche nicht. Schließlich beruhten die Kosten des Berufungsverfahrens nicht kausal auf einem Beratungsfehler der Klägerin. Hätten wie von der Beklagten behauptet von vornherein keine Erfolgsaussichten bestanden, sei die Durchführung eines Berufungsverfahrens bereits im Ansatz nicht geeignet, die erstinstanzlichen Verfahrenskosten „zu retten“.
  41. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
  42. II.
    Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
  43. Nachdem sich die Beklagte im Berufungsverfahren auf die im Zusammenhang mit dem „„F“-Newsletter“ durch die Klägerin erbrachte Beratungstätigkeit konzentriert, wird im Hinblick auf die erstinstanzlich diskutierten weiteren Fragen auf die zutreffenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen, die sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich zu eigen macht. Im Übrigen vermag auch der Senat eine fehlerhafte oder unzureichende Belehrung der Beklagten über die mit einem auf der Grundlage des „„F“-Newsletters“ angestrengten einstweiligen Verfügungsverfahren verbundenen Risiken nicht festzustellen.
  44. 1.
    Der Rechtsanwalt muss die Erfolgsaussichten des Begehrens seines Mandanten umfassend prüfen und den Mandanten hierüber belehren. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH, NJW 2012, 2435, 2438; NJW 2008, 2041; NJW 2007, 2485, 2486). Die mit der Erhebung einer Klage verbundenen Risiken muss der Rechtsanwalt nicht nur benennen, sondern auch deren ungefähres Ausmaß abschätzen (BGH, NJW 2012, 2435, 2438; NJW 2008, 2041; NJW 1992, 1159; GRUR 1984, 382 – Anwaltsberatung II). Ist eine Klage praktisch aussichtslos, muss der Rechtsanwalt dies klar herausstellen und darf sich nicht mit dem Hinweis begnügen, die Erfolgsaussichten seien offen (BGH, NJW 2012, 2435, 2438; DStR 2012, 1202; NJW 1997, 2168). Wünscht der Mandant dennoch die Klage, so muss der Anwalt das Prozessrisiko klar herausstellen. Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Platzierung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Auch dann, wenn das Begehren des Mandanten aufgrund einer gut vertretbaren Rechtsauffassung zwar Erfolg haben kann, die Rechtslage aber dennoch zweifelhaft ist, weil sich etwa eine gefestigte Rechtsprechung noch nicht gebildet hat, muss der Anwalt gegenüber seinem Mandanten Zweifel und Bedenken, zu denen die Rechtslage Anlass gibt, darlegen und erörtern und die weiteren Schritte von der nach dieser Belehrung zu treffenden Entscheidung des Mandanten abhängig machen (BGH, NJW 1986, 2043, 2045; NJW 1985, 264). Allerdings verstößt ein Anwalt dann nicht gegen seine Mandatspflicht, wenn er nach genügender Belehrung dem Wunsch seines Mandanten nachkommt, die Rechtsverfolgung auf eine juristische Meinung zu stützen, die allenfalls noch vertretbar erscheint (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1971, Az.: VI ZR 10/72, BeckRS 1973, 30381041, Rz. 19). Die Erklärungen des rechtlichen Beraters müssen dem Mandanten, der verlässlich über bestimmte Rechtsfolgen unterrichtet werden will, um darauf seine Entscheidung gründen zu können, eine annähernd zutreffende Vorstellung von den Handlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteilen vermitteln (BGH, NJW 2008, 2041; NJW 2007, 2485; NJW-RR 2003, 1064). Bleibt der Mandant nach einer solchen Belehrung bei seinem Entschluss, die Klage oder das einstweilige Verfügungsverfahren durchzuführen, so kann der Anwalt dem ohne Verstoß gegen seine Mandatspflicht entsprechen (BGH, NJW 1986, 2043, 2044; BGH, Urt. v. 17.12.1971, Az.: VI ZR 10/72, BeckRS 1973, 30381041), wobei besondere Nachdrücklichkeit nicht gefordert ist (vgl. BGH, NJW 2016, 3430, 3431; NJW 1994, 3295, 3298, G.Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rz. 93). Eine Wiederholung bereits vorgenommener Belehrungen ist nicht erforderlich (Fahrendorf/Mennemeyer, Die Haftung des Rechtsanwalts, Kapitel 2, Rz. 636). Es ist nicht Aufgabe des Beraters, dem Mandanten grundlegende Entschlüsse in dessen Angelegenheiten abzunehmen (BGH, Beschl. v. 19.07.2012, Az.: IX ZR 179/11, BeckRS 2012, 16840; NJW 2008, 2041; OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss v. 22.09.2020, Az.: 24 U 155/19, BeckRS 2020, 28418, Rz. 26).
  45. 2.
    Diesen Anforderungen hat die Klägerin genüge getan. Anhaltspunkte für eine unzureichende Beratung der Beklagten und eine daraus resultierende Verletzung der Pflichten aus dem Anwaltsvertrag sind nicht ersichtlich.
  46. a)
    Dass der auf den Newsletter gestützte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ex nunc betrachtet nicht von vornherein aussichtslos war, wird bereits daraus deutlich, dass das Landgericht „C“ zunächst eine Beschlussverfügung erlassen hat. Auch wenn diese auf einen Widerspruch der „B“ GmbH hin später aufgehoben wurde, reichten die mit der Antragsschrift präsentierten Fakten der Kammer offenbar aus, um gegen die „B“ GmbH ein Unterlassungsgebot auszusprechen. Für die durch den Beklagten pauschal in den Raum gestellte Behauptung, der Erlass der Beschlussverfügung sei lediglich einer Unachtsamkeit des Gerichts geschuldet, fehlt es an Anhaltspunkten. Insbesondere lässt allein die spätere Aufhebung der einstweiligen Verfügung im Widerspruchsverfahren einen solchen Schluss nicht ohne Weiteres zu, da die Kammer in diesem Verfahrensstadium – anders als bei Erlass der Beschlussverfügung – auch das Vorbringen der Gegenseite zu berücksichtigen hat.
  47. b)
    Ebenso wenig lässt sich der Vorwurf der mangelnden Beratung damit begründen, die Klägerin habe die Beklagte zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen, dass im „„F“-Newsletter“ beinahe alle wesentlichen Merkmale der Erfindung der Beklagten fehlen.
  48. Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens waren keine Ansprüche wegen Patentverletzung, für deren Geltendmachung es eines Abgleichs jedes einzelnen Merkmals des Patentanspruchs mit der angegriffenen Ausführungsform bedarf. Mit ihrem Verfügungsantrag machte die Beklagte vielmehr einen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 3a, 18 UWG unter dem Gesichtspunkt der unbefugten Verwertung von Vorlagen und Vorschriften technischer Art geltend, welche die Beklagte der „B“ GmbH im Rahmen einer Kooperation anvertraut haben soll. In ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wirft die Beklagte der „B“ GmbH vor, ihren Prallzerkleinerer „G“ unter ausdrücklichem Hinweis auf die zentralen Elemente der „H“, wie sie sich aus den durch die Beklagte überlassenen Zeichnungen und technischen Anweisungen ergebe, zu bewerben. Der gesamte, durch die Beklagte gebilligte Verfügungsantrag basiert allein auf einem Abgleich der im Newsletter angegebenen Wirkungen des dort beschriebenen Prallzerkleinerers mit den durch die Beklagte überlassenen Zeichnungen und Vorlagen. Darauf, dass sich aus dem Newsletter nicht alle Merkmale der Erfindung ergeben, kam es für die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrages daher nicht an. Abgesehen davon war dieser Umstand für die Beklagte bei einer einfachen Lektüre des Newsletters ohne Weiteres erkennbar. Immerhin handelt es sich bei ihr um die Inhaberin des aufgrund der Erfindung erteilten Patents.
  49. c)
    Abgesehen davon klärte der sachbearbeitende Rechtsanwalt der Klägerin ausweislich des erstinstanzlichen Urteils den Beklagten nicht nur über kostenrechtliche Fragen auf. Vielmehr gab es nach Eingang der Antwort der „B“ GmbH auf die zuvor ausgesprochene Abmahnung auch ein ausführliches Telefonat zu den weiteren Optionen, eventuellen Unwägbarkeiten und Risiken, wobei der Geschäftsführer der Beklagten allerdings fest entschlossen war, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen begründen könnten, sind nicht ersichtlich, weshalb der Senat diese Tatsachen seiner Entscheidung ebenfalls zugrunde zu legen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ausweislich der durch die Klägerin als Anlage K 4 zur Akte gereichten Antragsschrift wies die „B“ GmbH die Forderung nach der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung mit der Begründung zurück, dass es sich bei dem Prallzerkleinerer „G“ nicht um einen Querstromzerspaner, sondern um eine Eigenentwicklung handele. Dass der Beklagten diese Verteidigungslinie bereits im Vorfeld der Einreichung ihres einstweiligen Verfügungsantrages ebenso bewusst war wie daraus möglicherweise resultierende Schwierigkeiten bei der Glaubhaftmachung des Verletzungstatbestandes, verdeutlicht eine E-Mail ihres Geschäftsführers vom 6. Juni 2018, wo es sinngemäß heißt:
  50. „Es wird lediglich ein Hinweis gegeben, dass im vgl. zu den vorgenannten Verfahren angeblich weniger Unterkorn produziert wird, was aber für das Verfahren unerheblich ist. Dem Newsletter ist nicht zu entnehmen, dass es sich beim Prallzerkleinerer „G“ nicht um einen Querstromzerspaner handelt.“
  51. Die Beklagte hat sich daher in Kenntnis der mit dem Wortlaut des Newsletters verbundenen Risiken bewusst dafür entschieden, die Angelegenheit weiterzuverfolgen. Eines zusätzlichen ausdrücklichen Hinweises auf die fehlende Offenbarung sämtlicher Merkmale der Erfindung im Newsletter bedurfte es daher ebenso wenig wie einer nachdrücklichen Warnung in Bezug auf die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrages.
  52. 3.
    Soweit die Beklagte die Klägerin auch für den dem landgerichtlichen Verfahren nachfolgenden Berufungsrechtszug und die damit einhergehenden Kosten verantwortlich machen will, bleibt dies ebenfalls ohne Erfolg. Insoweit fehlt es selbst dann an der erforderlichen Kausalität, wenn – zugunsten der Beklagten unterstellt – das einstweilige Verfügungsverfahren keinerlei Erfolgsaussichten hatte. Es war an der Beklagten, die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil zur Kenntnis zu nehmen und unter Berücksichtigung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden, ob sie Berufung einlegt. Die zur Beantwortung dieser Frage erforderliche Rechtsberatung oblag nicht der Klägerin, deren Mandatierung die Beklagte bereits im Verlauf der ersten Instanz beendet hatte, sondern ihrem zu diesem Zeitpunkt beauftragten Rechtsanwalt. Die durch die zweite Instanz entstandenen Kosten können der Klägerin daher von vornherein nicht zur Last fallen.
  53. III.
  54. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  55. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
  56. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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