4a O 116/19 – Steinplattenbodenbelag

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3123

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 03. August 2021, Az. 4a O 116/19

  1. I.
    Die Klage wird abgewiesen.
  2. II.
    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
  3. III.
    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  4. Tatbestand
  5. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen Verletzung des Klagepatents EP 2 345 XXX B1 (Anlage K 1; nachfolgend: Klagepatent), dessen Inhaber Herr A ist, in Anspruch.
  6. Das Klagepatent betrifft unter anderem einen Bodenbelag mit integralen Steinplatten.
  7. Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch 1 lautet wie folgt:
  8. „Bodenbelag bestehend aus:
  9. – wenigstens einer Steinplatte (1, 2), die auf der Oberfläche des Bodenbelages angeordnet ist, wobei unter einer Steinplatte (1, 2) sowohl eine keramische Platte, eine aus Steinmehl hergestellte Platte oder eine Steinmehl bzw. Steingranulat enthaltende Platte, als auch eine kalibrierte Natursteinplatte, also ein Naturstein, der vorher auf eine definierte Dicke gebracht wurde, zu verstehen ist, und
  10. – einer aus einem thermoplastischen Material und Kork bestehenden Tragschicht (3), die die Unterseite (8) der wenigstens einen Steinplatte (1, 2) benetzt und mit der wenigstens einen Steinplatte (1, 2) eine feste Verbindung hat.“
  11. Das Klagepatent wurde am 13. Januar 2011 angemeldet und nimmt eine Priorität vom 15. Januar 2010 in Anspruch. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des Klagepatents erfolgte am 19. Dezember 2018. Das Klagepatent steht in Kraft. Gegen das Klagepatent hat die Beklagte zu 1) unter dem 8. August 2019 Einspruch beim Europäischen Patentamt eingelegt (vgl. Anlagenkonvolut B 4), über den bislang noch nicht entschieden wurde. Die Beklagte zu 3) ist dem Verfahren beigetreten (vgl. Anlagenkonvolut KR B2).
  12. Die Beklagten zu 1), 2) und 3) stellen her, bieten an und vertreiben Bodenbeläge, unter anderem einen als Trockenverlegesystem bezeichneten Belag unter der Produktbezeichnung „B“ (geschrieben „XXX nachfolgend: angegriffene Ausführungsform). Der Beklagte zu 4) ist Organ der Beklagten zu 1) und Geschäftsführer der Beklagten zu 2).
  13. Die angegriffene Ausführungsform besteht aus einer keramischen Platte/Fliese und einer Korkschicht. Zwischen Fliese und Kork ist ein adhesives Material angeordnet, das die Plattenunterseite und Korkoberseite miteinander verbindet. Es wird insoweit auf das von der Klägerin zur Akte gereichte Muster der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 15) Bezug genommen.
  14. Die Beklagten zu 1) bis 3) geben einen Prospekt (Anlage K 5) heraus, in dem die angegriffene Ausführungsform näher beschrieben wird. Ferner findet sich auch auf der Internetseite www.C.de (vgl. Anlage K 7) ein Hinweis auf die angegriffene Ausführungsform sowie ein Verweis auf die Webseite „B-Website“.
  15. Die Klägerin behauptet, dass sie ausschließliche Lizenznehmerin des Klagepatents und berechtigt sei, die Rechte aus dem Klagepatent geltend zu machen.
  16. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 Gebrauch. Das Klagepatent schließe insbesondere nicht aus, dass die Trageschicht noch aus weiteren Bestandteilen außer thermoplastischem Material und Kork bestehe. Sofern das im Klagepatent beschriebene Verfahren davon ausgehe, dass durch Erhitzung und Pressen der thermoplastischen Schicht mit Kork und den Steinplatten diese miteinander verbunden werden, betreffe dies nur eine besondere Ausführungsform zumal das Verfahren hier nicht streitgegenständlich sei.
  17. Die Klägerin ist weiter der Auffassung, dass es sich bei dem in der angegriffenen Ausführungsform zum Einsatz kommenden Kleber um thermoplastisches Material handele. Der bei der angegriffenen Ausführungsform verwendete Kleber, der die Korkbahn mit der Steinplatte verbinde, weise thermoplastisches Material auf. Dies belegten die als Anlagen K 8 und K 9 vorgelegten Privatgutachten von Dr. D vom 29. April 2020 und 29. Juni 2020. Die Korkschicht habe sich bei Erhitzung über 100 Grad leicht lösen lassen, wobei der Kleber Fäden gezogen habe. Dies spreche für die Verwendung von Thermoplasten in dem eingesetzten Kleber. Zum gleichen Ergebnis sei der Privatgutachter bei der Durchführung einer FT-IR-Infrarotspektroskopie gekommen. Das der Klägerin seitens der Beklagten außergerichtlich übermittelte Gutachten (Anlage K 10) widerlege die Verletzung nicht, weil das dort identifizierte Polyurethan sowohl duroplastisch als auch thermoplastisch sein könne. Dass die Tragschicht bei der angegriffenen Ausführungsform sich als eine Multilayer-Schicht darstelle, bei welcher Kleber den Kork einbetteten, führe nicht aus der Verletzung des Klagepatents heraus.
  18. Die in der Werbebroschüre dargestellte angegriffene Ausführungsform stelle jedenfalls ein Anbieten dar, welches das Klagepatent verletze, da es dort eindeutig heiße, dass die Korkschicht rückseitig „aufgesintert“ sei.
  19. Die Klägerin beantragt,
  20. I.
    die Beklagten zu verurteilen,
  21. 1.
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu € 250.000,00, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
  22. zu unterlassen,
  23. einen Bodenbelag bestehend aus: wenigstens einer Steinplatte, die auf der Oberfläche des Bodenbelages angeordnet ist, wobei unter einer Steinplatte sowohl eine keramische Platte, eine aus Steinmehl hergestellte Platte oder eine Steinmehl bzw. Steingranulat enthaltende Platte, als auch eine kalibrierte Natursteinplatte, also ein Naturstein, der vorher auf eine definierte Dicke gebracht wurde, zu verstehen ist, und einer aus einem thermoplastischen Material und Kork bestehenden Tragschicht, die die Unterseite der wenigstens einen Steinplatte benetzt und mit der wenigstens einen Steinplatte eine feste Verbindung hat
  24. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
  25. 2.
    der Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziff. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 19. Januar 2019 begangen haben, und zwar unter Angabe
  26. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren
    c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  27. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  28. 3.
    der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 20. August 2011 begangen haben, und zwar unter Angabe:
  29. a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
  30. b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
  31. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, und -preisen und Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  32. d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  33. e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  34. wobei
  35. – von dem Beklagten zu 4) sämtliche Angaben und von allen Beklagten die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 19. Januar 2019 zu machen sind,
    – den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
  36. 4.
    nur die Beklagten zu 1) bis 3): Die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1) bis 3) – Kosten herauszugeben;
  37. 5.
    nur die Beklagten zu 1. bis 3.: die unter Ziff. 1 bezeichneten, seit dem 19. Januar 2019 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des LG Düsseldorf vom …) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen;
  38. II.
    festzustellen,
  39. 1.
    dass die Beklagten zu 1) bis 3) verpflichtet sind, der Klägerin für die in Ziff. I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 20. August 2011 bis zum 18. Januar 2019 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu bezahlen,
  40. 2.
    dass die Beklagten zu 1) bis 4) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden Schaden zu ersetzen, der ihr und Herrn A durch die zu Ziff. I. 1. bezeichneten, seit dem 19. Januar 2019 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  41. Die Beklagten beantragen,
  42. die Klage abzuweisen,
  43. hilfsweise, das Verfahren bis zur Entscheidung über den gegen das Klagepatent anhängigen Einspruch auszusetzen.
  44. Die Beklagten erklären sich mit Nichtwissen dazu, dass die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin aktiv legitimiert sei.
  45. Das Klagepatent verlange, dass die Tragschicht aus thermoplastischem Material und Kork die Steinplatte benetze also unmittelbar in Kontakt trete, wodurch die adhäsiven Eigenschaften des thermoplastischen Materials genutzt werden. In der Herstellung des anspruchsgemäßen Bodenbelags werde das thermoplastische Material angeschmolzen und durch das gleichzeitige Verpressen binde das Material einerseits die Korkpartikel zu einer Bahnenware und andererseits komme es zu einer festen Verbindung der Steinplatte mit dem thermoplastischen Material. Die Tragschicht weise zudem große Mengen von thermoplastischem Material auf, weil es bei ausreichendem Druck in die Fugen zwischen den Steinplatten hereingepresst werde.
  46. Die angegriffene Ausführungsform verfüge über eine Schicht aus thermoplastischem Material und Kork, die aber nicht als Verbindungsstoff zur Steinplatte diene. Das thermoplastische Material diene nur dem Zusammenhalt der Korkpartikel, damit eine so verbundene Korkbahn als Halbzeug vorbereitet und in einfacher Weise verarbeitet werden könne. An der Klebewirkung sei das thermoplastische Material nicht beteiligt. Vielmehr werde diese durch den Einsatz einer Klebstoffschicht mit der Steinplatte verbunden. Zunächst werde die Tragschicht aus Korkgranulat und thermoplastischem Bindemittel erhitzt und auf einer Doppelbandpresse verpresst und zuschneidbar verarbeitet. Nach Abkühlung werde die Korkbahn in einer Abwickeleinheit platziert und durch eine Leimauftragsmaschine geführt, wobei ein duroplatischer Haftvermittler auf Polyurethan-Basis auf der Oberseite der Korkbahn aufgeklebt werde. Dies geschehe ohne erneute Erhitzung.
  47. Daher werde die Unterseite der Steinplatte der angegriffenen Ausführungsform nicht mit der Schicht aus thermoplastischem Material und Kork benetzt, sie stünden nicht in Kontakt. Eine duroplastische Schicht ohne Kork werde dazwischengeschaltet. Entgegen der Aussage im Werbeprospekt (Anlage K 5) werde die Korkschicht nicht aufgesintert. Der Sintervorgang würde den Kork zerstören. Aktuell werde diese Formulierung in der Werbung auch nicht mehr verwendet. Die Korkschicht sei mit einer dicken Schicht duroplastischen Klebers auf die Steinplatte aufgeklebt.
  48. Der eingesetzte Kleber sei chemisch vernetzt, dies schließe ein Aufschmelzen oder Umformen nach dem Aushärten aus. Demgegenüber seien Thermoplasten reversibel verformbar. Thermoplastisches Material finde sich in der Kork-Trageschicht, was auch die Ergebnisse der klägerischen Privatgutachten erkläre. Die Tragschicht ziehe Fäden und lasse sich daher von der Steinplatte abziehen.
  49. Im Übrigen werde sich das Klagepatent nicht als rechtsbeständig erweisen. Wolle man die in der angegriffenen Ausführungsform verwendete Klebeschicht mit einem weiten Verständnis des Anspruchs als Trageschicht verstehen, welche die Unterseite der Steinplatte benetze und die mit der Steinplatte eine feste Verbindung aufweise, so sei das Klagepatent durch das Gebrauchsmuster DE 298 05 XXX (Anlage B5/KR B4) sowie die Entgegenhaltung WO 2008/XXX A1 (Anlage KR B5) neuheitsschädlich getroffen. Zudem sei das Klagepatent unzulässig erweitert, da eine Kombination von Kork und thermoplastischem Material in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart sei. Auch die Erfindungshöhe sei angesichts der Kombination der Schriften DE 74 07 XXX (Anlage KR B 6) und DE 24 49 XXX (Anlage KR B 7) fraglich.
  50. Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzu-halten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon haben die Prozessbevollmächtigten Gebrauch gemacht.
  51. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2021 Bezug genommen.
  52. Entscheidungsgründe
  53. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
  54. A.
    Die Klägerin hat keine Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf, Vernichtung, sowie Entschädigung und Schadensersatz dem Grunde nach gemäß Art II § 1 Abs. 1 IntPatÜG, Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1, 140a Abs. 1, 3, 140b 1, 3 PatG, §§ 242, 259 BGB gegen die Beklagten. Die Kammer kann keine Verletzung des Klagepatents feststellen.
  55. I.
    Die Klägerin hat ihre Aktivlegitimation durch die Vorlage des Lizenz- und Kooperationsvertrages vom 10. Dezember 2018 (Anlage K 12) und der Vereinbarung vom 9. Dezember 2019 (Anlage K 13) dargelegt. Nachdem die Klägerin den Inhalt der geschwärzten Passagen in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, sind die Beklagten dem nicht mehr weiter entgegengetreten. Ob hierin ein Zugeständnis im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO zu sehen ist, kann im Ergebnis offenbleiben, da es vorliegend an einer Verletzung des Klagepatents mangelt.
  56. II.
    Das Klagepatent betrifft einen Bodenbelag, der aus wenigstens einer Steinplatte und einer an der Unterseite angeschmolzenen Tragschicht besteht, sowie ein Herstellungsverfahren für diesen Belag.
  57. Das Klagepatent führt zunächst aus, dass eine Vielzahl von Bodenbelägen bekannt sind, die aus schmelzbaren Ausgangsmaterialien bestehen. Diese Ausgangsmaterialien liegen als Granulat, sog. Flakes oder auch als Pulver vor. Teilweise werden diesen Materialien andersfarbige Partikel beigemischt, damit ein Muster an der Oberfläche des Bodenbelags entsteht. Teilweise werden auch die Oberflächen der Bodenbeläge mit einer Prägeoberfläche versehen, damit ein gewünschtes Design möglich wird.
  58. Die Herstellung von Bodenbelägen oder ähnlichen Bahnen und die hierzu verwendeten Maschinen sind beispielsweise aus den Schriften DE 197 51 XXX C2 und DE 10 2007 XXX XXX A1 bekannt. Bei dem Herstellungsprozess werden die thermoplastisch verformbaren Ausgangsmaterialien auf ein unteres, umlaufendes Band gestreut. Im weiteren Produktionsablauf drückt auch ein oberes, umlaufendes Band auf das Ausgangsmaterial. In dem Spalt zwischen den Bändern werden die Ausgangsmaterialien mittels einer Heizung angewärmt oder angeschmolzen und miteinander verpresst. Das Pressen erfolgt über paarweise beidseits der Bänder angeordnete Pressplatten oder aus Presswalzen. Zum Schluss erfolgt eine Kühlung der so entstandenen Bahn, die dann entweder plattenförmig abgelängt oder aufgerollt wird.
  59. Das Klagepatent erläutert weiter, dass vielfach Bodenbeläge gewünscht sind, die aus Steinplatten bestehen. Bei diesen Platten handelt es sich um Fliesen (keramische Platten) und/oder Natursteine. Sie werden im Mörtelbett verlegt. Das Klagepatent kritisiert, dass die Verlegung sehr zeit- und kostenaufwendig ist. Nachteilig ist zudem, dass derartige Steinböden als fußkalt empfunden werden. Bei ihrer Entfernung entsteht zudem ein erheblicher Aufwand an Kosten und Schmutz.
  60. Das Klagepatent erörtert im Weiteren eine Vielzahl an Steinfußböden mit verschiedenen Steinbelägen, unter anderem einen flexiblen Bodenbelag aus der DE 20 2006 XXX XXX U1 (Anlage K 3) mit einer mehrlagigen Natursteinoberfläche, der an der Unterseite seiner Schiefer- oder Quarzitlage ein flexibles, zugfähiges Trägerschichtmaterial aufweist. Dieser Bodenbelag ist allerdings nur auf einem Untergrund verklebbar. Ferner sind verschiedenste Arten der Zusammensetzung von Steinplatten vorbekannt, so z.B. aus der DE 39 40 XXX A1 eine leichtgewichtige Verbundplatte mit Oberflächen aus Naturstein, wobei die 7mm starke Natursteinplatte durch Auftragen eines Haftmittels, eines Klebstoffes sowie einer Haftbrücke vorbehandelt wird. Nach Aushärtung der Haftbrücke der Trägerplatte sowie einer Polyesterschicht auf der Natursteinplatte erfolgt ein Verbund der beiden Werkstoffe mittels Klebstoff. Ferner sind Bodenbeläge mit einer Trägerschicht aus Kunststoff aus der DE 199 XXX A1, Keramikplatten mit magnetischem Aufbau (WO 2008/XXX A1) oder Keramikplatten, die eine elektrische leitfähige Haftbrückenschicht und eine darin eingebettete keramische Platteneinlage (DE 197 24 XXX A1) umfassen, bekannt. Das Klagepatent nennt in den Absätzen [0011] bis [0015] (nachfolgend sind Absätze ohne Quellenangabe solche des Klagepatents) diverse andere Platten und Verlegesysteme.
  61. Das Klagepatent formuliert vor diesem Hintergrund die Aufgabe, einen Bodenbelag bereit zu stellen, der das Design von Steinplatten ermöglicht, ohne dass die zuvor genannten Nachteile auftreten, also insbesondere das Verlegen der Steinplatten in einem Mörtelbett nicht mehr notwendig ist, der mit dem Verlegen verbundene Zeit- und Kostenaufwand reduziert ist, die Steinplatten nicht mehr als fußkalt empfunden werden und deren Entfernung nicht mehr nur mit erheblichem Aufwand an Kosten und mit Schmutz verbunden ist.
  62. Diese Aufgabe wird durch den Bodenbelag mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gelöst.
  63. 1.
    Bodenbelag
  64. 1.1. Der Bodenbelag besteht aus wenigstens einer Steinplatte (1, 2).
    1.1.1. Die Steinplatte ist auf der Oberfläche des Bodenbelages angeordnet.
    1.1.2. Unter einer Steinplatte (1, 2) ist sowohl
    • eine keramische Platte,
    • eine aus Steinmehl hergestellte Platte
    oder
    • eine Steinmehl bzw. Steingranulat
    enthaltende Platte,
    • als auch eine kalibrierte Naturstein-
    platte, also ein Naturstein, der vorher auf eine definierte Dicke gebracht wurde,
    zu verstehen.
    1.2. Der Bodenbelag besteht aus einer aus einem thermoplastischen Material und Kork bestehenden Tragschicht (3).
    1.2.1. Die Tragschicht benetzt die Unterseite (8) der wenigstens einen Steinplatte (1, 2) und hat mit der wenigstens einen Steinplatte (1, 2) eine feste Verbindung.
  65. III.
  66. Die Kammer kann nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1.2. und 1.2.1 verwirklicht.
  67. 1.
    Die Tragschicht besteht ausweislich des Merkmals 1.2. ausschließlich aus einem thermoplastischen Material und einer Korkschicht. Gemäß Merkmal 1.2.1 benetzt die so aufgebaute Tragschicht die Unterseite der wenigstens einen Steinplatte und hat mit der wenigstens einen Steinplatte eine feste Verbindung.
  68. a)
    Sofern die Klägerin einwendet, dass die Tragschicht durchaus aus mehreren Materialien als aus dem thermoplastischem Material und Kork bestehen darf, so vermag die Kammer das weder dem Merkmal 1.2. noch dem restlichen Anspruch 1 zu entnehmen.
  69. Merkmal 1.2 beschreibt die Ausgestaltung der Tragschicht, die aus einem thermoplastischen Material und Kork besteht. Der Fachmann entnimmt dem Wortlaut, dass die Tragschicht daneben keine anderen Bestandteile aufweist. Es sind weder andere thermoplastische Materialien noch eine separate, zusätzliche Klebstoffschicht neben der Tragschicht vorgesehen. Die Kammer sieht sich hier in einer Linie mit dem EPA, nach dem die Beschreibung des Klagepatents nirgends eine Klebstoffschicht erwähnt, welche Tragschicht und Steinplatte miteinander verbindet (vgl. Anlage B 6, S. 5).
  70. Auch Absatz [0027] kann hierfür nicht ins Feld geführt werden, weil an dieser Stelle gerade nicht von der Tragschicht, sondern allgemein dem Untergrund der Steinplatte die Rede ist. Beansprucht ist in Anspruch 1 indes eine bestimmte Tragschicht, die aus den zwei Bestandteilen Kork und „einem“ thermoplastischen Material besteht. Schließlich sieht sich der Fachmann in diesem Verständnis auch durch den Unteranspruch 4 bestätigt. Dort wird ausdrücklich zwischen dem thermoplastischen Material (3), das Bestandteil der Tragschicht auf der Unterseite der Steinplatte ist, und dem thermoplastischen Material (9), das die Flanken der Steinplatten benetzt, unterschieden. Der Unterschied liegt in den verschiedenen Zusammensetzungen der thermoplastischen Materialien. Das Klagepatent spricht daher ausdrücklich an, wenn anders zusammengesetztes thermoplastisches Material als das in Anspruch 1 genannte Verwendung findet.
  71. b)
    Nach Anspruch 1 benetzt die so ausgestaltete Tragschicht die Steinplatte und hat mit ihr eine feste Verbindung.
  72. Das Wort „Benetzen“ charakterisiert die Art des Kontaktes der Tragschicht mit der Unterseite der Steinplatte in Merkmal 1.2.1 näher. Rein philologisch bedeutet der Wortlaut, dass die Tragschicht die Unterseite der Steinplatte „nass macht“ bzw. „befeuchtet“. Dies mutet zunächst ungewöhnlich an, da der Anspruch zugleich verdeutlicht, dass die Tragschicht mit der Steinplatte eine feste Verbindung hat. Der Fachmann wird daher nicht bei dieser Betrachtung stehen bleiben, sondern sich der Beschreibung der Klagepatentschrift zuwenden, um zu erfahren, welche Bedeutung dem Begriff „Benetzen“ im Kontext des Anspruchs zukommt.
  73. Dort wird er in der allgemeinen Beschreibung des Absatzes [0020] gewahr, der zentral das Wesen der Erfindung benennt: Danach soll u.a. die wenigstens eine Steinplatte integral mit der aus thermoplastischem Material und Kork bestehenden Tragschicht sein. Integral ist gleichbedeutend mit der anspruchsgemäßen festen Verbindung. Insofern sollen beide Bauteile, Steinplatte und Tragschicht, den Bodenbelag als ein gemeinsames Ganzes bilden. In Absatz [0021] findet der Fachmann Ausführungen dazu, wie diese Verbindung zustande kommt. Durch Erhitzen und Pressen der thermoplastischen Schicht mit Kork und den Steinplatten wird nicht nur das thermoplastische Material angeschmolzen, sondern das thermoplastische Material mit Kork benetzt auch die Unterseite der Steinplatten, wodurch das thermoplastische Material mit Kork und die wenigstens eine Steinplatte fest miteinander verbunden werden. Hieraus wird deutlich, dass die Tragschicht, die aus Kork und dem thermoplastischen Material besteht, derart weich wird (anschmilzt), dass sie die Steinplatte benetzen sprich mit sich selbst befeuchten kann und dadurch die feste Verbindung entsteht. Der Fachmann erkennt, dass die Aushärtung des thermoplastischen Materials bei oder nach dem Pressvorgang dazu führt, dass die Tragschicht integraler Bestandteil der Steinplatte und umgekehrt wird. Es wird ebenfalls deutlich, dass die Tragschicht insgesamt die Unterseite der Platte benetzt, also nicht nur eine vereinzelte Verbindung von entweder Kork oder thermoplastischem Material besteht. Der Anspruch greift mit „benetzen“ letztlich den Vorgang auf, der funktional dazu führt, dass die Tragschicht mit der Steinplatte eine feste Verbindung aufweist. Sofern die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten hat, den Begriff des Benetzens verwende das Klagepatent in Abgrenzung zu einem vollflächigen Verkleben und lasse die Bereitstellung eines Verbindungsgitters genügen, lässt sich ein solches Verständnis dem Klagepatent indes an keiner Stelle entnehmen.
  74. Im Gesamtzusammenhang mit der Beschreibung entnimmt der Fachmann daher dem Merkmal 1.2, dass die Tragschicht die Steinplatte an der Unterseite benetzen muss und dann – nach Aushärtung der Tragschicht – mit der Steinplatte fest verbunden ist.
  75. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den Ausführungen in Absatz [0020] nicht nur um ein Ausführungsbeispiel, sondern die Erfindung wird dort allgemein beschrieben. Ferner betrifft Absatz [0020] auch nicht ausschließlich das hier nicht geltend gemachte Herstellungsverfahren, sondern erläutert wie die feste (integrale) Verbindung zwischen Steinplatte und Tragschicht zustande kommt. Der Vorrichtungsanspruch hat diesen Vorgang explizit in Merkmal 1.2 aufgenommen, in dem er auf ein Benetzen der Unterseite der Steinplatte abstellt. Auch in Absatz [0001], der die Erfindung eingangs kurz allgemein beschreibt, ist die Rede davon, dass sie einen Bodenbelag betrifft, der aus wenigstens einer Steinplatte und einer an der Unterseite angeschmolzenen Tragschicht besteht. Alle Ausführungsbeispiele zeigen die feste Verbindung der beiden Bauteile des Bodenbelags als eine bündige Anlage der Tragschicht 3 an die Steinplatte 1, 2. Anders als im Stand der Technik, in dem die Verbindung von Trägerplatte und Steinplatte mittels einer Klebstoffschicht bereits bekannt war (vgl. Absatz [0007]), stellen Tragschicht und Steinplatte durch das Benetzen eine Einheit dar, die ohne eine Zwischenschicht auskommt.
  76. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform verletzt Merkmale 1.2. und 1.2.1 des Klagepatents nicht.
  77. a)
    Spätestens seit der mündlichen Verhandlung ist unstreitig, dass die angegriffene Ausführungsform einen mehrschichtigen Aufbau hat, in dem die Tragschicht nicht nur aus einem thermoplastischen Material und Kork besteht (Merkmal 1.2). Vielmehr wird bei der angegriffenen Ausführungsform Korkgranulat und angeschmolzenes thermoplastisches Material in Form von Polyvinylacetat miteinander zu einer Schicht verpresst. Dies wird durch die Parteigutachten von Dr. D vom 29. Juni 2020 (Anlage K 9) bestätigt, in dem er ausführt, dass die Korkschicht stark mit Polyvinylacetat vermischt ist, wobei er den Herstellungsprozess der Korkplatten als mögliche Ursache hierfür ansieht (Anlage K 9, S. 11, Ziffer 4.2.1). Das adhesive thermoplastische Material bindet das Korkgranulat in dieser Schicht. Zu dem gleichen Ergebnis kommt die von den Beklagten außergerichtlich vorgelegte Laboruntersuchung vom 31. März 2020 der Herren Benz und Baumgärtner (Anlage K 10, Ziffer 4), wonach in der Korkschicht die für Polyvinylacetat-Copolymer typischen Banden nachgewiesen wurden. Daneben wird noch ein zusätzlicher Kleber verwendet, der aus mehreren Komponenten besteht, laut des Parteigutachtens vom 29. Juni 2020 unter anderem aus Polyester und Polyurethan (vgl. Anlage K 9, S. 11, Ziffer 4.2.2), und mittels dessen die Korkschicht mit der Steinplatte bzw. der keramischen Fliese verbunden wird. Auch die Laboruntersuchung vom 31. März 2020 (Anlage K 10, Ziffer 4) hat in der Kleberschicht die typischen Banden von Polyurethan nachgewiesen.
  78. Wie die Klägerin zu Recht vorgetragen hat, handelt es sich hierbei um eine Multilayer-Schicht, in denen die Korkschicht von zwei Klebern eingebettet ist. Der Kork wird einmal umgeben von aufgeschmolzenem thermoplastischen Material, das sich mit dem Kork beim Pressen verbunden hat, und einmal durch den ausgehärteten PUR-Kleber, der auf die verpresste Korkschicht aufgetragen wird. Insofern kann dahinstehen, ob es sich bei dem Polyurethan ausschließlich um einen Thermoplasten oder auch um einen Duroplasten handeln kann. Denn jedenfalls weist die angegriffene Ausführungsform einen zusätzlichen PUR-Kleber in der Tragschicht auf, der sich von dem Polyvinylacetat als thermoplastisches Material unterscheidet und verwirklicht daher nicht Merkmal 1.2. des Klagepatents.
  79. b)
    Weiter wird die keramische Fliese nicht mit der Tragschicht im Sinne des Merkmal 1.2.1 benetzt, weil nicht allein das thermoplastische Material in der Korkschicht eine feste Verbindung mit der Unterseite der Fliese schafft, sondern es hierfür der Verwendung des zusätzlichen PUR-Klebers bedarf. Die Beklagten haben vorgetragen, dass die Korkbahn im ausgehärteten Zustand mit dem Kleber versehen und dann mit der Steinplatte verbunden wird. Der beanspruchte Vorgang des Benetzens findet daher nicht statt, sondern die Platte und die Tragschicht werden miteinander verklebt. Die Aushärtung des einen thermoplastischen Materials (Polyvinlyacetat) führt nicht zu einer Integration der Tragschicht in die Fliese. Bei der angegriffenen Ausführungsform führt der Klebevorgang mit einem anderen thermoplastischen Material (PUR) zu der Verbindung von Fliese und Korkschicht.
  80. c)
    Sofern die Klägerin in dem Werbeprospekt ein Anbieten der angegriffenen Ausführungsform in klagepatentgemäßer Weise erkennen möchte, vermag die Kammer dem aus zwei Gründen nicht beizutreten.
  81. aa)
    Selbst wenn man der Aussage, die angegriffene Ausführungsform verfüge über eine rückseitig aufgesinterte 2,5 mm starke Korkschicht (Anlage K 5, S. 5), das Merkmal 1.2.1 entnehmen wollte, so kann die Kammer wie gesehen gerade nicht feststellen, dass die angegriffene Ausführungsform entsprechend der Werbeaussage über dieses Anspruchsmerkmal verfügt.
  82. bb)
    Abgesehen davon spricht der objektive Erklärungswert dieser Aussage auch nicht für ein Vorliegen des Merkmal 1.2.1. Es kommt bei objektiver Betrachtung auf die feststellbaren Gegebenheiten, also darauf an, ob dem Angebot nach seinem Inhalt ein Erzeugnis zu Grunde liegt, das dem Gegenstand des Patents entspricht (vgl. BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer). Dass die Korkschicht aufgesintert wird, lässt keinen Rückschluss darüber zu, ob die Korkschicht zusätzlich aus thermoplastischem Material besteht. Die Beklagten haben unwidersprochen vorgetragen, dass Kork selbst nicht sinterbar ist. Abzustellen ist hier in erster Linie auf die angesprochenen Verkehrskreise. Dass diese bei dem Begriff „Aufsintern“ gleichsam erkennen, dass die Korkschicht nicht nur aus Kork, sondern konkret aus Thermoplasten – und keinen anderem sinterbaren Material in gegebenenfalls einer anderen weder benannten noch grafisch dargestellten Schicht – bestehen soll, ist mangels weiterer Erläuterung in dem Werbeprospekt nicht ersichtlich.
  83. B.
    Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
  84. Der Streitwert wird auf EUR 200.000,00 festgesetzt.

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