4a O 110/16 – Erfindungsübertragungsvertrag

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3135

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 05. Oktober 2021, Az. 4a O 110/16

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 163.614,78 Euro zu zahlen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  4. Tatbestand
  5. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Wertersatz in Folge des Rücktritts von einem Erfindungsübertragungsvertrag in Höhe von 163.614,78 Euro für den Zeitraum 01.01.2009 bis 30.09.2013 in Anspruch.
  6. Unter dem 10.04.2006 schloss der Kläger mit der Beklagten einen „Erfindungsübertragungsvertrag“ ab (vorgelegt in Anlage TGH5), in dem er die in den Patentanmeldungen DE 10 2006 XXX 256 und DE 10 2006 XXX 864 enthaltene Erfindung an die Beklagte veräußerte. Die „Gegenleistung“ ist in § 3 dieses Vertrages geregelt, dessen Abs. 1 auszugsweise wie folgt lautet:
  7. „Der Veräußerer erhält vom Erwerber als Gegenleistung für die Übertragung der Rechte für jede vom Erwerber hergestellte Kerze, die unter mindestens einen Patentanspruch der Schutzrechtsanmeldungen des § 1 beziehungsweise der daraus resultierenden Schutzrechte fällt 0,2 Eurocent pro Kerze. Hierbei sind nur solche Kerzen zu berücksichtigen, die einen Kerzenteller aus feuerfestem Material mit zentraler Vertiefung umfassen, (…). Diese Kerzen werden vom Erwerber zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung unter der Bezeichnung Brand-Schutz-System“ (BSS) beworben.“
    Weiter enthält § 3 in Abs. 4 und 11 Regelungen, welche die Vergabe von Lizenzen an Dritte betreffen. Dort heißt es in Abs. 4:
    „Ebenfalls sind solche unter den Schutz der oben genannten Rechte fallenden Kerzen umfasst, die durch Lizenzvergabe des Erwerbers an Dritte hergestellt werden.“
    Hinsichtlich der weiteren Details wird auf den Erfindungsübertragungsvertrag verwiesen.
    Der Fortbestand des Erfinderübertragungsvertrages vom 10.04.2006 war zwischen den Parteien streitig; das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 12.01.2010 für Recht erkannt, dass der Vertrag ungekündigt fortbesteht (Az. 4a O 300/08; Anlage TGH3). Die hiergegen eingelegte Berufung des hiesigen Klägers wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf mit Urteil vom 03.12.2013 zurückgewiesen (Az. I-20 U 26/10; Anlage TGH4). Im Urteil stellte das Oberlandesgericht Düsseldorf fest, dass der Kläger den Erfindungsübertragungsvertrag nicht mit Verweis auf die – aus seiner Sicht – zu geringen Lizenzgebühren von EUR 0,002 pro BSS-Kerze kündigen könne. Das Urteil ist rechtskräftig.
  8. Nachdem die Beklagte für die Herstellung von Kerzen nach dem 3. Quartal 2013 keine Zahlungen an den Kläger mehr vornahm, trat der Kläger vom Erfindungsübertragungsvertrag mit Erklärung vom 14.02.2015 zurück. Die Wirksamkeit des Rücktritts war zwischen den Parteien streitig, wurde aber von der Kammer mit Urteil vom 31.03.2016 (Az. 4a O 38/14) festgestellt. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wurde vom OLG Düsseldorf mit Urteil vom 08.06.2017 rechtskräftig zurückgewiesen (Az.: I-15 U 48/16).
  9. Der Kläger klagte vor dem Amtsgericht Düsseldorf (Az. 31 C 4842/14) erfolglos auf Zahlung von 1.679,70 Euro für das Jahr 2008 aufgrund einer behaupteten Vereinbarung über die Erhöhung der Vergütung aus dem Erfindungsübertragungsvertrag. Die gegen die Klageabweisung eingelegte Berufung wurde vom Landgericht Düsseldorf (Az. 20 S 149/14) zurückgewiesen.
    In den Jahren 2006 – 2008 produzierte die Beklagte insgesamt XXX BSS-Kerzen. In derselben Zeit produzierte die Beklagte ferner XXX ASS-Kerzen, für die (unstreitig) eine Vergütung von EUR XXX pro Kerze anfallen sollte, insgesamt also X Euro.
  10. Der Kläger (bzw. nach einer Abtretung ein Herr C) erhielt als Vergütung unter dem Erfindungsübertragungsvertrag für 2006 – 2008 von der Beklagten in mehreren Zahlungen vom 16.11.2006 bis zum 29.01.2009 insgesamt 26.215,99 Euro überwiesen.
    Weiterhin wurden auf das gemeinsame Konto von Herrn A, der inzwischen verstorben ist, und dem Kläger 45.000,00 Euro von der polnischen Tochtergesellschaft der Beklagten B (nachfolgend: B) gezahlt (vgl. die als Anlagenkonvolut LR1 vorgelegten Kontoauszüge). Als Verwendungszweck war teilweise „Provision BSS“ angegeben. Herr A und B unterzeichneten als Werkverträge bezeichnete Verträge, deren Wirksamkeit streitig ist (Werkvertrag vom 16.10.2006 vorgelegt als Anlagen TGH 23 und vom 15.01.2007 vorgelegt als Anlage TGH 26).
  11. Die Beklagte produzierte vom 01.01.2009 bis zum 30.09.2019 insgesamt (…) BSS-Kerzen (vgl. Anlagenkonvolut TGH1), vgl. die nachfolgende Tabelle:
    (…)
  12. Unter dem 06.02.2010 schlossen der Kläger und die (…) KG einen als „Kaufvertrag“ bezeichneten Vertrag (Anlage TGH10), dessen Gegenstand nach § 1 des Vertrags der Erfindungsübertragungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten war. Nach § 2 des Kaufvertrags wurde die …. KG „Inhaber der Rechte und Pflichten aus § 1 einschließlich der strittigen Positionen per 1.1.2010“. An der (…)KG war auch Herr A beteiligt.
  13. Mit Vertrag vom 12.02.2010 (Anlage TGH11) trat die (…) KG „Forderungen in Höhe von 45.000,- €“ gegenüber der Beklagten an Herrn XXX C ab.
  14. In seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der (…) KG trat Herr D mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 18.11.2014/12.12.2014 (Anlage TGH14) sämtliche Ansprüche aus dem Erfindungsübertragungsvertrag an Herrn C ab.
  15. Mit Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 30.12.2011 (Anlage TGH13) und vom 01.02.2018 (TGH15) pfändete das Finanzamt X für das Land XXX näher bezeichnete Forderungen des Klägers gegen die Beklagte und ordnete deren Einziehung an. Der Kläger zahlte Anfang 2021 auf die Forderungen des Finanzamtes, die Grundlage der Pfändung waren.
  16. Herr C übertrug mit Vereinbarung von 02.07.2018 sämtliche Rechte bzw. Ansprüche wieder auf den Kläger (Bl. 149 GA).
  17. Der Kläger behauptet, er habe am 19.01.2007 mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Vorstand der Beklagten, der zugleich Geschäftsführer von B war, Herrn E, vereinbart, dass der Kläger statt 0,002 Euro nunmehr 0,006 Euro für jede von der Beklagten hergestellte BSS-Kerze erhalten solle. Grund dafür sei u.a gewesen, dass der Kläger der Beklagten die exklusive Nutzung seiner Erfindung zugesagt habe. Auch habe Herr E so die ausbleibenden Einnahmen kompensieren wollen, die dem Kläger verloren gegangen seien, da die Beklagte keine Unterlizenzen vergeben habe.
  18. Der Kläger behauptet weiter, die Vergütung von 0,006 Euro pro BSS-Kerze habe die Beklagte auch in den Jahren 2007 und 2008 gezahlt, was die Existenz der Erhöhungsabrede belege. Die Beklagte habe für die Jahre 2006 – 2008 bei insgesamt 11.669.925 hergestellten Kerzen 71.215,99 Euro (teilweise auch für ASS-Kerzen) gezahlt. Die in dieser Summe enthaltenen Zahlungen von B über insgesamt 45.000,00 Euro seien tatsächlich nicht für Werkverträge, sondern als Provision für die BSS-Kerzen überwiesen worden. Die Werkverträge dienten alleine dazu, die Provisionszahlungen aus (…) buchhalterisch zu erfassen. Umsatzsteuer sei nie ausgewiesen worden. Herr A habe die Verträge nur aus Gefälligkeit unterschrieben und tatsächlich keinerlei Arbeiten im Rahmen der Werkverträge ausgeführt. Die 45.000,00 Euro habe der Kläger auch vereinnahmt.
  19. Die Existenz der Erhöhungsabrede zeige auch eine in Anlage L8 vorliegende Notiz, die von Herrn E stamme.
  20. Der Kläger beantragt,
  21. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 163.614,78 Euro zu zahlen.
  22. Die Beklagte beantragt,
  23. die Klage abzuweisen.
  24. Die Beklagte ist der Ansicht, dem Klageantrag stünden die Urteile des Landgericht und des OLG Düsseldorf im Verfahren 4a O 300/08 = I-20 U 26/10 entgegen.
  25. Es habe keine Lizenzerhöhungsvereinbarung gegeben. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die handschriftliche Notiz in Anlage L8 von Herrn E stammt.
  26. Ferner habe keine Veranlassung für eine Erhöhung der Vergütung bestanden; die Beklagte war – unstreitig – am 19.01.2007 alleinige Inhaberin der Erfindung..
  27. Schließlich seien in den Jahren 2007/2008 keine Vergütungen auf Grundlage eines Satzes von 0,006 Euro pro Kerze gezahlt worden; die Abrechnung seien stets mit 0,2 Cent pro Kerze erfolgt. Der Kläger berücksichtige die Umsatzsteuer in seinem Zahlenwerk nicht. Berücksichtige man diese, hätte der Kläger für 2006 bis 2008 unter Zugrundelegung von 0,006 Euro insgesamt 58.167,94 Euro erhalten müssen. Die Zahlungen von B seien auf Werkverträge mit Herrn A geleistet worden. Dieser habe auch die Werkleistungen (evtl. durch Erfüllungsgehilfen), welche im Zusammenhang mit der Einführung von BSS bei B sowie Reparaturarbeiten gestanden haben, welche aufgrund des unstreitig im September 2006 erfolgten Brandes im Werk B erforderlich gewesen seien, erbracht. Zudem sei auch der Kläger mehrfach in X gewesen und habe Leistungen erbracht.
    Im Übrigen verhalte sich der Kläger widersprüchlich, wenn dieser nunmehr eine Erhöhung der Vergütung auf 0,006 Euro vortrage, während er etwa in den Verfahren 4a O 38/14, welches den Zeitraum 01.10.2013 bis 30.06.2014 betreffe, (Urteil vorgelegt als Anlage TGH21) und 4a O 84/16, welches den Zeitraum vom 01.07.2014 bis zum 14.02.2015 betreffe,(Urteil vorgelegt als Anlage TGH22), jeweils Wertersatz in Höhe von 0,002 Euro für BSS Kerzen und 0,001 Euro für ASS Kerzen geltend gemacht habe.
  28. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2021 Bezug genommen. Die Kammer hat auf den Beschluss vom 28.09.2021 den Kläger in der mündlichen Verhandlung als Partei vernommen.
  29. Entscheidungsgründe
  30. Die zulässige Klage ist begründet. Insbesondere besteht keine entgegenstehende Rechtskraft (hierzu unter I). Dem Kläger steht ein Anspruch auf Wertersatz in der zuerkannten Höhe zu (hierzu unter II).
  31. I.
    Die Klage ist weder wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils des OLG Düsseldorfs vom 03.12.2013 (I-20 U 26/10; zuvor LG Düsseldorf, 4a O 300/08) unzulässig (hierzu unter 1.), noch besteht eine Bindungswirkung hinsichtlich der Höhe der vereinbarten Vergütung pro BSS-Kerze (hierzu unter 3.).
  32. 1.
    Die Klage ist nicht wegen entgegenstehender Rechtskraft des Urteils des OLG-Urteils vom 03.12.2013, I-20 U 26/10, unzulässig. Die hiesige Klage wäre nur unzulässig, wenn sie denselben Streitgegenstand wie das vorgenannte Urteil betrifft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2019, Vor. § 322 Rn. 20). Dies ist nicht der Fall, auch wenn Parteiidentität besteht: Im Urteil vom 03.12.2013 stellt das OLG Düsseldorf fest, dass der Erfindungsübertragungsvertrag ungekündigt fortbesteht; im hiesigen Verfahren macht der Kläger Wertersatz nach dem mittlerweile wirksam erfolgten Rücktritt dieses Vertrags geltend.
    Es steht der Zulässigkeit der Klage ebenfalls nicht entgegen, dass der Kläger nur Wertersatz für einen Teil der Nutzungen fordert. Aufgrund der zeitlichen Eingrenzung auf Nutzungen in der Zeit vom 01.01.2009 bis zum 30.09.2013 ist der Streitgegenstand hinreichend abgrenzbar.
  33. 2.
    Es besteht ferner keine Bindungswirkung aus dem OLG-Urteil vom 03.12.2013, I-20 U 26/10, hinsichtlich der Höhe der vereinbarten Vergütung pro BSS-Kerze, die Kern des Streits zwischen den Parteien im hiesigen Verfahren ist. Die Reichweite der Bindungswirkung eines Feststellungsurteils ist in erste Linie der Urteilsformel zu entnehmen. Nur wenn diese alleine nicht ausreicht, die Reichweite der Bindungswirkung zu erfassen, sind der Tatbestand und die Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls auch das Parteivorbringen ergänzend heranzuziehen (BGH, GRUR 2008, 933 – Schmiermittel).
  34. Das OLG hat – genau wie die Kammer in der Vorinstanz – nicht über die vereinbarte Höhe der Vergütung pro BSS-Kerze nach dem Erfindungsübertragungsvertrag entschieden. Vielmehr wurde hierin festgestellt, dass die Kündigung des hiesigen Klägers unwirksam war, da die vereinbarte Lizenzhöhe von 0,002 Euro pro BSS-Kerze nicht zu gering ist. Dass es keine Erhöhung der Vergütung gab, wurde nicht festgestellt. Im Tatbestand des OLG-Urteils klingt vielmehr auch die zwischenzeitlich erfolgte Zahlung von 0,006 Euro an. Im Urteil heißt es zum Vortrag des hiesigen Klägers auf S. 3 letzter Abs.:
    „Dass dieses Missverhältnis [der Vergütung] der Klägerin [hiesige Beklagte] bewusst war, zeige neben dem Faktor auch der Umstand, dass die Klägerin für die Jahre 2006 und 2007 über ihr polnisches Werk einen Betrag von 0,6 Cent geleistet habe.“ (Zusätze in eckigen Klammern hinzugefügt).
  35. Auch soweit das OLG Düsseldorf und das LG Düsseldorf im Tatbestand von einer unstreitigen Vergütung von 0,002 Euro ausgegangen ist, folgt hieraus keine Bindungswirkung. Tatsachen, von denen das Gericht als unstreitigem Prozessstoff ausgeht, werden nie rechtskräftig festgestellt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl. 2019, Vor. § 322 Rn. 20).
  36. II.
    Dem Kläger steht ein Anspruch auf Wertersatz aus § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 BGB für die seitens der Beklagten gezogenen Nutzungen in der tenorierten Höhe zu, da nach Überzeugung der Kammer zwischen dem Kläger und der Beklagten unter dem 19.01.2007 eine Vergütungserhöhung auf insgesamt 0,006 Euro pro hergestellter BSS-Kerze vereinbart wurde.
  37. 1.
    Nach dem Rücktritt des Klägers – dessen Wirksamkeit rechtskräftig festgestellt wurde – wandelt sich das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien in ein Rückgewährschuldverhältnis. Da die Beklagte die Benutzungserlaubnis für die Herstellung der Kerzen nicht zurückgewähren kann, ist sie zum Wertersatz verpflichtet (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Hierbei ist nach § 346 Abs. 2 S. 2 BGB die vertraglich vereinbarte Gegenleistung zur Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen.
  38. 2.
    Nach Abschluss der Beweisaufnahme ist die Kammer der Überzeugung, dass die Parteien für den hier gegenständlichen Zeitraum eine Vergütung von 0,006 Euro pro BSS-Kerze vereinbart haben, so dass dieser Betrag bei der Berechnung des Wertersatzes zugrunde zu legen ist.
  39. a)
    Dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger ist insoweit der Beweis einer entsprechenden Vereinbarung gelungen. Zwar konnte der Kläger keine schriftliche Vereinbarung vorlegen. Insbesondere hat das durch den Kläger als Anlage L8 vorgelegte Dokument insoweit eine geringe Aussagekraft. So lässt sich nur erkennen, dass eine Zahl mit „0,06“ multipliziert wird. Unklar bleibt schon, was „0,06“ meint – behauptet sind 0,6 Cent bzw. 0,006 Euro. Weiterhin ist von der Beklagten zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten worden, dass die Notiz von Herrn E stammt.
  40. b)
    Indes ist die Kammer davon überzeugt, dass in den Jahren 2007/2008 neben den insoweit unstreitig durch die Beklagte an den Kläger (bzw. an Herrn C) für BSS und ASS Kerzen gezahlten 26.215,99 Euro weitere 45.000,00 Euro von B an den Kläger auf Anweisung von Herrn E gezahlt wurden, und zwar für BSS Kerzen, die in der Zeit von 2006 bis 2008 hergestellt wurden. Diese Zahlungen belegen nach Auffassung der Kammer eine entsprechende Vergütungsvereinbarung. So widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass über mehrere Monate hinweg eine erhöhte Vergütung gezahlt wird, wenn dies nicht zuvor vereinbart worden ist.
    Dass es sich bei den Zahlungen in Höhe von 45.000,00 Euro auf das gemeinsame Konto A/H um Zahlungen für die BSS-Kerzen handelt und nicht, wie von der Beklagten vorgetragen, um Zahlungen auf seitens Herrn A erbrachte Werkleistungen, steht nach Auffassung der Kammer als Ergebnis der Beweisaufnahme fest.
  41. aa)
    So hat der Kläger persönlich dies in der mündlichen Verhandlung im Rahmen der nach § 448 ZPO durchgeführten Parteivernehmung bekundet. Seine Angaben werden durch die vorgelegten Urkunden gestützt bzw. belegt.
  42. (1)
    Die Parteivernehmung nach § 448 ZPO erfolgte vor dem Hintergrund, dass der nach § 448 ZPO erforderliche Anbeweis durch den Kläger geführt wurde, dieser aber für sich genommen noch nicht ausreichte, um eine Überzeugung der Kammer zu begründen. Insbesondere sind sämtliche Zeugen, die den Vortrag des Klägers stützen könnten, namentlich Herr E und Herr A, zwischenzeitlich verstorben und die vom Kläger vorgelegte vorgeblich von Herrn E stammende Berechnung (Anlage L8) ist aus den genannten Gründen nicht aussagekräftig. Dies gilt auch für die vorgebliche Erklärung des Zeugen A und zwar unabhängig davon, ob diese überhaupt berücksichtigungsfähig ist, da diese der Beklagten nicht vorliegt. So handelt es sich um einen vom Kläger vorformulierten Text, welcher lediglich durch den Zeugen A unterschrieben worden sein soll.
    Für den sogenannten Anfangsbeweis muss die richterliche Gesamtwürdigung eine gewisse, nicht notwendig hohe oder überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der streitigen Behauptung erbringen, das heißt es müssen bereits einige Anhaltspunkte den streitigen Tatsachenvortrag stützen (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl. 2019, § 448 Rn. 4). Vorliegend konnte der Anbeweis dadurch geführt werden, dass auf der Mehrzahl der als Anlagenkonvolut LR-1 vorgelegten Überweisungsträger, insoweit unstreitig, als Verwendungszweck „XXX“ angegeben wurde. Die Kammer hält es insoweit für fernliegend, dass dies auch Werkvertragsleistungen meinen sollte. Hinzu kommt, dass die Beklagte – trotz entsprechendem Hinweises der Kammer vom 27.05.2020 – keinen substantiierten Vortrag dazu erbracht hat, welcher Gestalt die von Herrn A vorgeblich erbrachten Werkleistungen gewesen sein sollen. Insoweit bleibt der Vortrag bei pauschalen Behauptungen. Zudem bestreitet die Beklagte nicht, dass Herr E als Leitungsorgan auch von B solche Zahlungen hätte anweisen können. Weiterhin besteht ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der behaupteten Erhöhungsabrede am 19.01.2007 und dem Eingang der ersten Zahlung aus (…) am 23.01.2007. Die Abweichung zwischen der geschuldeten, zusätzlichen Vergütung bei 0,006 Euro pro BSS-Kerze für die Jahre 2006 bis 2008 und den geleisteten Zahlungen von B stehen dem nach Ansicht der Kammer nicht entgegen. Bei Anwendung von 0,006 Euro pro BSS-Kerze ergibt sich eine zusätzliche Vergütung für 2006 – 2008 von 46.679,71 Euro. Die Zahlungen aus (…) in Höhe von 45.000,00 Euro liegen also jedenfalls in einer vergleichbaren Größe wie der Anspruch des Klägers bei Existenz der Erhöhungsabrede. Tatsächlich lässt sich diese Differenz dadurch erklären, dass es sich um Vorschusszahlungen gehandelt haben könnte. So wurden auch hinsichtlich der Zahlungen von der Beklagten selbst an den Kläger zunächst Abschlagszahlungen erbracht. Erst im zweiten Halbjahr 2008, also nach der letzten Zahlung aus (…) am 03.04.2008 wurden Abrechnungen vorgelegt und es erfolgten exakte Zahlungen (die erste am 03.12.2008). Dass die Differenz tatsächlich größer ist, da Steuern nicht berücksichtigt wurden, kann nicht festgestellt werden. Es ist nicht ersichtlich, ob tatsächlich Steuern gezahlt wurden – unabhängig davon, ob diese überhaupt bei den Zahlungen zu berücksichtigen gewesen wären.
  43. (2)
    Während der Parteivernehmung schildert der Kläger persönlich, dass dieser unter dem 19.01.2007 eine entsprechende Vereinbarung mit dem damaligen Vorstand der Beklagten, Herrn E, abgeschlossen habe. Hintergrund sei gewesen, dass er eine nachträgliche Anpassung seiner Vergütung im Rahmen des Erfindungsübertragungsvertrages habe erreichen wollen, da er ursprünglich davon ausgegangen sei, dass die Beklagte weitere Lizenzen an Dritte hinsichtlich der BSS-Kerzen vergeben werde, Herr E jedoch eine Exklusivität in dem Sinne behalten wollte, dass BSS-Kerzen nur durch die Beklagte hergestellt werden sollten. Er habe daher Herrn E in Aussicht gestellt in dem Sinne zur Konkurrenz abwandern zu wollen, dass er auf die vertraglich vereinbarte Möglichkeit der Lizenzvergabe an Dritte bestanden hätte, wenn es nicht zu einer Erhöhung der ursprünglich vereinbarten 2/10 auf 6/10 kommen werde. Zudem habe er Herrn E in Aussicht gestellt, anderenfalls eine weitere Erfindung – das sog. EBS-System – der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen. Daraufhin habe Herr E einer Erhöhung auf 6/10 zugestimmt und noch am selben Tage eine Überweisung von 10.000,00 Euro als akonto-Zahlung von B auf das Konto „A/H“ angewiesen. Der Betrag sei am 23.01.2007 auf dem Konto eingegangen. Anschließend habe Herr E gesagt, er werde von Herrn J, dem Werksleiter in XXX, Werkverträge auf (…) aufsetzen lassen, die auf Herrn A lauten würden, um so die zusätzlichen Zahlungen in den Büchern unterbringen zu können. Herr E habe gewusst, dass der Kläger eng mit Herrn A befreundet war. Nach Absprache habe der Kläger insgesamt zwei Werkverträge aus (…) erhalten und diese auf (…) verfassten Verträge Herrn A vorgelegt. Am 09.06.2007 habe er, der Kläger, Herrn A aufgesucht und gebeten, diese zu unterzeichnen, was dieser auch getan habe. Weitere Werkverträge als diese zwei hätten weder er noch Herr A vorgelegt bekommen.
    Zu keiner Zeit habe Herr A Gewerke bei der Beklagten bzw. B durchgeführt. Dieser habe vielmehr immer für einen Tuchhandel gearbeitet und sei nie in (…) gewesen. Auch er, der Kläger, habe keine Arbeiten in (…) im Zusammenhang mit BSS durchgeführt, da er 2005 schwer erkrankt gewesen sei und dann nur noch Beratertätigkeiten durchgeführt habe.
    Eine schriftliche Vereinbarung über die Erhöhungsabrede habe es damals nicht gegeben, da diese Vereinbarung kurz vor einer wichtigen Messe abgeschlossen worden sei und sämtliche Beteiligten daher in Stress gewesen seien. Damals habe man sich zudem gut verstanden, insbesondere Herr E und der Kläger, so dass dies auch nicht erforderlich erschien.
    Die Zahlungen seien auf ein gemeinsames Konto erfolgt, da der Kläger sich in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe und daher dieses Konto angelegt worden sei, um einer Kontopfändung zu entgehen.
  44. (3)
    Die Aussage ist nach Anwendung vernehmungstechnischer Erkenntnismethoden als glaubhaft anzusehen, weil sie ausreichende sog. Realkennzeichen für eine wahrheitsgemäße Aussage enthält und sog. Warnsignale für eine unrichtige Aussage fehlen. Die Aussage ist nicht bereits durch objektive Umstände widerlegt. So konnte der Kläger in sich schlüssig und widerspruchsfrei erläutern, wie es dazu kam, dass Herr A die Werkverträge unterzeichnete. Die Aussage des Klägers war detailreich und dieser räumte jeweils ein, wenn er sich nicht mehr richtig zu erinnern vermochte bzw. an einigen Stellen korrigierte er seine Angaben selbständig. Hinzu kommt, dass die Angaben des Klägers an mehreren Stellen durch die vorgelegten Unterlagen gestützt werden. So bekundete der Kläger persönlich etwa, dass dieser auf Basis der Abrede zunächst 10.000,00 Euro, sodann 7.500,00 Euro und nochmal 2.500,00 Euro erhalten habe und dies dann das Jahr 2006 abgedeckt habe. Dies deckt sich mit den als Anlagenkonvolut LR1 vorgelegten Kontoauszügen, wonach am 23.01.2007 10.000,00 Euro, am 11.05.2007 7500,00 Euro und am 05.06.2007 2.500,00 Euro auf das Konto A/H von B eingingen. Auch der enge zeitliche Zusammenhang, den der Kläger schilderte, also insbesondere, dass unmittelbar nach dem Gespräch Herr E die erste Zahlung von 10.000,00 Euro angewiesen haben soll, deckt sich mit dem ersten Datum des Zahlungseingangs vom 23.01.2007 auf dem Konto A/H (Anlagenkonvolut LR1). Schließlich findet sich auf der überwiegenden Anzahl der Überweisungsträger der Verwendungszweck „XXX“, was den Vortrag des Klägers stützt.
    Weiter konnte der Kläger nachvollziehbar schildern, wieso es zu der nachträglichen Abrede kam, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits die Schutzrechte an die Beklagte übertragen worden waren. Der Kläger schilderte insoweit, dass er der Klausel im Erfindungsübertragungsvertrag, welche eine Lizensierung an Dritte betrifft, eine besondere Bedeutung zumaß und insbesondere davon ausging, dass er hierüber Druck ausüben konnte, dass er in Durchsetzung dieser Klausel auch Konkurrenten von den BSS Kerzen hätte profitieren lassen können.
    Der Erfindungsübertragungsvertrag (vorgelegt als Anlage TGH5) enthält in § 3 die Klausel, dass auch solche unter den Schutz der vom Vertrag erfassten Schutzrechte fallenden Kerzen vom Vertrag umfasst sind, die durch Lizenzvergabe des Erwerbers an Dritte hergestellt werden. Der Vertrag steht damit den Ausführungen des Klägers jedenfalls nicht entgegen. Zwar wäre diese Klausel im Falle eines Rechtsstreits nicht geeignet gewesen, die Lizensierung an Dritte durch den Kläger zu erzwingen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sowohl der Kläger als auch möglicherweise Herr E zum damaligen Zeitpunkt eine entsprechende Vorstellung hatten.
    Weiter schilderte der Kläger, dass er eine weitere Erfindung, das EBS-System, damals entwickelt hatte und auch insoweit Herrn E in Aussicht stellte, bei Ablehnung einer Erhöhung, diese der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte bestreitet insoweit nicht die Existenz des EBS-Systems, sondern äußerte insoweit lediglich, dass dieses ein Fiasko gewesen sei und auch der Kläger räumte ein, dass letztlich nur Jahre später ein Konkurrent das EBS-System genutzt habe. Aber auch dies spricht nicht gegen die Angaben des Klägers, da der spätere Misserfolg des EBS-Systems nicht ausschließt, dass Herr E zum Zeitpunkt des vorgeblichen Vertrages ein Interesse daran gehabt haben könnte, zu verhindern, dass das EBS-System der Konkurrenz zur Verfügung gestellt wird.
    Die Schilderung zum Ablauf des Vertragsschlusses fügen sich im Übrigen nachvollziehbar in die vom Kläger geschilderte damalige persönliche Verbundenheit der jeweiligen Protagonisten zueinander ein. Dieser schilderte ein gutes Verhältnis zu Herrn E und erläuterte im Übrigen, dass Herr E damals gewusst habe, dass er in einer engen persönlichen Beziehung zu Herrn A gestanden habe und daher dieser als vermeintlicher Vertragspartner gewählt worden sei.
    Soweit die Beklagte die Widersprüchlichkeit der Ausführungen des Klägers im Hinblick darauf rügt, dass dieser in anderen Zivilverfahren, die ebenfalls den Wertersatz zum Gegenstand hatten, aber andere Zeiträume betrafen, die Erhöhung auf 6/10 nicht geltend gemacht hat, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Dass der Kläger insoweit keine Erhöhungsabrede geltend gemacht hat, mag zum damaligen Zeitpunkt auf prozesstaktischen Gründen beruht haben. Ein zwingender Widerspruch ergibt sich daraus indes nicht.
    Die Kammer hält den Kläger auch für glaubwürdig. Zwar hat dieser – anders als etwa ein neutraler Zeuge – als Partei selbst ein ganz erhebliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits. Insbesondere hat sich der Kläger schon seit Jahren mit diesem Rechtsstreit befasst. Dennoch geht die Kammer davon aus, dass die Schilderungen auf einem eigenen Erleben des Klägers beruhen. So ließ dieser stets Nachfragen zu und konnte diese sehr detailreich, auch im Randbereich beantworten. Wenn er sich nicht erinnern konnte, räumte er dies freimütig ein, so dass die Kammer insgesamt den Eindruck gewann, dass der Kläger persönlich um eine korrekte Widergabe des tatsächlichen Geschehens bemüht war. Schließlich ließen sich seine Angaben auch anhand außerhalb seiner Aussage liegender objektive Umstände nachvollziehen, wie etwa den Überweisungsträgern mit den Überweisungsvorgängen, zu denen sich der Kläger eingelassen hat.
  45. bb)
    Einer mündlichen Erhöhungsabrede steht schließlich auch nicht § 9 des Erfindungsübertragungsvertrages entgegen, wonach Änderungen des Vertrages der Schriftform bedürfen. So erfordert § 9 des Erfindungsübertragungsvertrages für dessen Aufhebung kein Schriftformerfordernis, mithin fehlt es an einem doppelten Schriftformerfordernis. Insoweit ist bei einer bei einer mündlichen Abrede davon auszugehen, dass die Parteien das Schriftformerfordernis insoweit stillschweigend aufgehoben haben (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 80. Aufl. 2021, § 125 Rn. 19 m.w.N.).
  46. 3.
    Der Kläger hat damit einen Anspruch auf Wertersatz in Höhe von 163.614,78 Euro. Streitgegenständlich ist die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 30.09.2013. Unstreitig wurden in dieser Zeit insgesamt 40.903.695 BSS-Kerzen produziert. Bei einer zusätzlichen Vergütung von EUR 0,004 ergibt sich eine geschuldete Vergütung von EUR 163.614,78.
  47. III.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
  48. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
  49. IV.
    Der Streitwert wird auf bis zu EUR 163.614,78 festgesetzt.

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