4c O 28/20 – Anteilsübertragung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3129

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 29. Juli 2021, Az. 4c O 28/20

  1. 1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
    Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
    Der Streitwert wird auf EUR 100.000,00 festgesetzt.
  3. Tatbestand
  4. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache eine Verurteilung des Beklagten zur Übertragung/Abtretung sowie Zustimmung zur Umschreibung seiner Anteile an verschiedenen deutschen bzw. ausländischen Patenten und Patentanmeldungen. Hilfsweise begehrte sie die Einräumung einer Mitberechtigung bzw. Zustimmung zur Teilung und Übertragung der Teilanmeldungen.
  5. Die Klägerin ist Mitinhaberin des europäischen Patents EP 2 627 XXX B1 (nachfolgend: EP‘XXX oder Klägerpatent), das ein Schienentransportsystem für die Be- und Entladung einer Flugzeugkombüse unter Schutz stellt. Da die Klägerin über keine eigene Produktionsstätte verfügte, entschloss sie sich im Jahr 2016 die Firma B GmbH aus XXX (nachfolgend nur: C), deren Geschäftsführer der Beklagte sowie Herr D waren, mit der Produktion entsprechender Schienentransportsysteme zu beauftragen. C beschäftigt sich mit der Optimierung von Abläufen in der Airline-Catering-Branche, insbesondere unter Rückgriff auf Automatisierungsfunktionen.
  6. Unter dem 8. bzw. 9. Februar 2016 unterzeichneten die Klägerin und C, vertreten durch ihre beiden Geschäftsführer, den als Anlage MD 1 zur Akte gereichten Produktions-Rahmenvertrag (nachfolgend: Altvertrag), der neben der Produktion eines Prototypen auch die Fertigung einer noch zu bestimmenden Anzahl von Schienentransportsystemen für die Beladung und Entladung von Flugzeugkombüsen vorsah. Der Vertrag enthält in § 4 nachfolgend wiedergegebene Regelung:
  7. „§ 4 Rechte
    Der Auftragnehmer erwirbt an den Ergebnissen des in § 1 beschriebenen Werkes kein Eigentum oder sonstige Rechte. Alle Nutzungs- und Verwertungsrechte sowie Rechte an Weiterentwicklungen an dem erstellten Werk stehen dem Auftraggeber zu.“
  8. Mit E-Mails vom 29. Juli und 23. August 2016 (vgl. Anlagenkonvolut MD 2) übersandte der Geschäftsführer der C, Herr E, Lichtbilder eines teilmotorisierten Testfeldes an die Klägerin, wobei das nachfolgend wiedergegebene Lichtbild der E-Mail vom 23. August 2016 entnommen wurde:
  9. Mit weiterer E-Mail vom 28. November 2016 übersandte Herr E sodann noch verschiedene Konstruktionszeichnungen an die Klägerin, wobei er darauf hinwies, dass es sich dabei um das geistige Eigentum der C handele. Wegen des Inhalts der E-Mails und der Konstruktionszeichnungen wird auf die Anlagenkonvolute MD 2 und MD 3 Bezug genommen.
  10. Unter dem 28. August bzw. 6. September 2017 schlossen die Klägerin und C sodann einen neuen Produktions-Rahmenvertrag ab (vgl. Anlage B 6; nachfolgend: Neuvertrag), der in § 1 folgende Regelung enthält:
  11. „§ 1 Ersetzung des bisherigen Vertrages
    XXX
  12. Zeitgleich unterzeichneten die Klägerin und C noch eine weitere, mit „Übertragung von Schutzrechten“ betitelte Vereinbarung (vgl. Anlage B 7; nachfolgend: Übertragungsvereinbarung). Auszugsweise enthält diese Vereinbarung nachstehende Regelungen:
  13. „Präambel
    „[…] XXX
  14. § 1 Übertragungsangebot
    XXX
  15. Am 24. Oktober 2016 meldeten die beiden Geschäftsführer der C beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Bezeichnung „Schienenmodul mit Schienenabschnitten und mit einem Linearantrieb, Wagen für ein Schienenmodul und Schienentransportsystem“ ein Erfindung zum Patent an, welches schließlich unter der Nummer DE 10 2016 120 XXX B3 erteilt wurde (vgl. Anlage MD 4). Die Erfindung war bzw. ist Gegenstand weiterer ausländischer Patente bzw. Patentanmeldungen, namentlich der US 2019/XXX A1, der US 10,XXX,XXX B2, der CN XXX A, der EP 3 504 XXX A1 sowie der WO 2018/XXX, wobei sämtliche dieser Patente/-anmeldungen die Priorität vom 24. Oktober 2016 in Anspruch nehmen und bei dem US‘XXX – anders als bei den übrigen Schutzrechten – die C und nicht die beiden Geschäftsführer als Inhaber im Register eingetragen ist. Schließlich meldeten die beiden Geschäftsführer der C – ebenfalls unter dem 24. Oktober 2016 – noch ein weiteres Patent in Deutschland an, welches unter dem Aktenzeichen DE 10 2016 XXX 260 geführt wird und die Bezeichnung „Laufschienensystem“ trägt (vgl. Anmeldeschrift vorgelegt als Anlage MD 5).
  16. Die Klägerin meint, die Klage sei zulässig. Die örtliche Zuständigkeit richte sich vorliegend nicht nach der Gerichtsstandklausel des Rahmenvertrages, sondern nach allgemeinen Regeln der Zivilprozessordnung zur örtlichen Zuständigkeit, da der Beklagte nicht als Geschäftsführer der C in Anspruch genommen werde, sondern als Inhaber der Patente bzw. Patentanmeldungen. Maßgebliche Anknüpfung für die Zuständigkeit sei daher der Wohnort des Beklagten, welcher in NRW liege.
  17. Die Klage sei auch begründet. Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr aufgrund des Rahmenvertrages aus dem Jahr 2016, der trotz Abschluss des neuen Rahmenvertrages im Jahr 2017 jedenfalls für alle Vorgänge im Jahr 2016 weiter gelte, alle Nutzungs- und Verwertungsrechte an den erstellten Werken sowie etwaigen Weiterentwicklungen zustünden. Insoweit ließe sich auch aus der zeitgleich zum Neuvertrag abgeschlossenen Übertragungsvereinbarung keine Rechte für die Vergangenheit ableiten, insbesondere könne die Übertragungsvereinbarung kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin für Vorgänge aus dem Jahr 2016 begründen. Im Rahmen des Treuwidrigkeitseinwandes des Beklagten sei zudem zu berücksichtigen, dass er durch seine widerrechtliche Entnahme dafür gesorgt habe, dass die Klägerin der C nichts mehr übertragen könne.
  18. Die ihr von der C übersandten Lichtbilder und Konstruktionszeichnungen betreffend das Testfeld würden zudem erkennen lassen, dass diese Vorrichtung mit den Figuren in den diversen Patentanmeldungen übereinstimmen würde. Auch die produzierten Vorrichtungen entsprächen diesen Zeichnungen. Dabei handele es sich um vereinbarungsgemäße Weiterentwicklungen, die unter den Altvertrag fielen (vgl. Anlagenkonvolut MD 2). Der Beklagte habe hierzu die Klägerin stets über den Arbeitsfortschritt informiert gehalten.
  19. Eigene durch die Klägerin eingereichte Patentanmeldungen befänden sich noch in der Prüfphase, hätten jedoch aufgrund der Anmeldungen durch den Beklagten mangels Neuheit wenig Aussicht auf Erteilung. Für die Vorbereitungen der Anmeldungen seien der Klägerin Kosten durch unzählige Arbeitsstunden entstanden. Der Klägerin sei zudem, so behauptet sie, bereits durch die Offenlegung der Patentanmeldungen ein Schaden entstanden, der sich jedoch derzeit noch nicht beziffern ließe.
  20. Schließlich könne die Klägerin trotz Ablaufs der Zwei-Jahresfrist ihre Ansprüche geltend machen, weil der Beklagte die Patente nicht in gutem Glauben erworben habe.
  21. Nachdem die Klägerin die Klage mit Blick auf die US‘XXX teilweise zurückgenommen hat, beantragt sie noch,
    I. den Beklagten zu verurteilen, die nachstehenden Schutzrechte auf die Klägerin zu übertragen bzw. die Rechte daran abzutreten sowie einer Umschreibung in Höhe seines Anteils an
    1. dem deutschen Patent mit der Bezeichnung „Schienenmodul mit Schienenabschnitten und mit Linearantrieb, Wagen für ein Schienenmodul und Schienentransportsystem“ angemeldet am 24. Oktober 2016, amtliches Aktenzeichen DE 10 2016 120 XXX B3,
    2. der US-amerikanischen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Rail module having rail portions and having linear drive, carriage for a rail module and rail transport system“ angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen US 2019/XXX A1,
    3. der chinesischen Patentanmeldung mit amtlichem Aktenzeichen CN XXX A angemeldet am 24. Oktober 2017,
    4. der europäischen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Rail module having rail portions and having linear drive, carriage for a rail module and rail transport system“ angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen EP 3 504 XXX A1,
    5. der internationalen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Rail module having rail portions and having linear drive, carriage for a rail module and rail transport system“ angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen WO 2018/XXX A1,
    6. der deutschen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Laufschienensystem“ angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen DE 10 2016 XXX XXX A1,
    in dem jeweiligen Patentregister auf die Klägerin zuzustimmen und die zur Umschreibung notwendigen Erklärungen gegenüber den jeweiligen Patentämtern abzugeben;
    II. festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet ist, der der Klägerin durch die unberechtigte Anmeldung der unter Ziff. I. genannten Patentanmeldungen entstanden ist und zukünftig entstehen wird.
  22. Hilfsweise beantragt die Klägerin,
    den Beklagten jeweils bezüglich seines Anteils in Höhe von 50% zu verurteilen,
    1. der Klägerin eine Mitberechtigung an dem deutschen Patent mit der Bezeichnung „Schienenmodul mit Schienenabschnitten und mit Linearantrieb, Wagen für ein Schienenmodul und Schienentransportsystem“ angemeldet am 24. Oktober 2016, amtliches Aktenzeichen DE XXX, einzuräumen,
    2. der Teilung der Anmeldung und Übertragung der Teilanmeldung auf die Klägerin der US-amerikanischen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Rail module having rail portions and having linear drive, carriage for a rail module and rail transport system“, angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen US 2019/XXX A1, zuzustimmen,
    3. der Teilung der Anmeldung und Übertragung der Teilanmeldung auf die Klägerin der chinesischen Patentanmeldung mit amtlichem Aktenzeichen CN XXX A angemeldet am 24. Oktober 2017, zuzustimmen,
    4. der Teilung der Anmeldung und Übertragung der Teilanmeldung auf die Klägerin der europäischen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Rail module having rail portions and having linear drive, carriage for a rail module and rail transport system“ angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen EP 3 504 XXX A, zuzustimmen,
    5. der Teilung der Anmeldung und Übertragung der Teilanmeldung auf die Klägerin der internationalen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Rail module having rail portions and having linear drive, carriage for a rail module and rail transport system“ angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen WO 2018/XXX A1, zuzustimmen,
    6. der Teilung der Anmeldung und Übertragung der Teilanmeldung auf die Klägerin der deutschen Patentanmeldung mit der Bezeichnung „Laufschienensystem“ angemeldet am 24. Oktober 2017, amtliches Aktenzeichen DE 10 2016 XXX XXX A1, zuzustimmen
    sowie der anteiligen Umschreibung in dem jeweiligen Patentregister auf die Klägerin zuzustimmen und die zur Umschreibung notwendigen Erklärungen gegenüber den jeweiligen Patentämtern abzugeben.
  23. Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
  24. Er rügt die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts, da der bzw. die Produktionsrahmenverträge eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung betreffend Frankfurt am Main enthielten.
  25. Der Klägerin stehe zudem kein Anspruch gegen ihn auf (anteilige) Übertragung etwaiger Patente zu. § 4 des Rahmenvertrages aus dem Jahr 2016 könne schon keine materielle Berechtigung zu Gunsten der Klägerin mehr begründen, da dieser Vertrag durch den neuen Vertrag zwischen der Klägerin und C aus dem Jahr 2017 ersatzlos weggefallen sei, der – insoweit unstreitig – eine Regelung wie in § 4 des Altvertrages nicht mehr enthielte. Auch in der Laufzeit des ersten Vertrages vorgenommene Patentanmeldungen könnten nicht aufgrund dessen vindiziert werden. Es sei, so behauptet der Beklagte, der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien gewesen, dass der erste Vertrag keinerlei Wirkung, auch nicht für die Vergangenheit, mehr entfalten sollte. Es liege der Fall einer sog. Novation vor. Dies ließe sich auch daraus ableiten, dass die Klägerin und C noch den weiteren Vertrag der Anlage B 7 unterzeichnet hätten, nach dem alle (Weiter-)Entwicklungen nunmehr der C zustehen sollten. Die Klägerin verhielte sich insoweit auch rechtsmissbräuchlich.
  26. Im Übrigen handele es sich bei den Anmeldungen nicht um Weiterentwicklungen im Sinne des Rahmenvertrages. Vertragsgegenstand sei vielmehr ein System zum Be- und Entladen einer Flugzeugkombüse gewesen, mit Schienentransportsystemen in dem Flugzeug und Hubwagen. Dazu sollten die Schienentransportsysteme Formprofilschienen sowie darauf angeordnete Transportschienen aufweisen. Der Schutzumfang des von der Klägerin eingebrachten EP‘XXX sei dagegen deutlich enger.
  27. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
  28. Entscheidungsgründe
  29. Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
  30. A.
    Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Düsseldorf vorliegend örtlich zuständig.
  31. Unabhängig von der Frage, ob die in § 9 des Altvertrages bzw. § 10 Abs. 3 des Neuvertrages enthaltenen Gerichtsstandsvereinbarungen zulässig im Sinne von § 38 Abs. 1 ZPO sind, vermögen sie für den vorliegenden Rechtsstreit einen ausschließlichen Gerichtsstand in Frankfurt am Main nicht zu begründen. Denn verklagt worden ist weder die C als unmittelbar betroffene Partei der Rahmenverträge, noch der Beklagte in seiner Rolle als Geschäftsführer der C. Die Klägerin nimmt den Beklagten vielmehr als Privatperson in seiner Rolle als Anmelder/Inhaber der streitgegenständlichen Patente bzw. Patentanmeldungen in Anspruch, so dass sich die Zuständigkeit ausschließlich nach allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften richtet. Gemäß § 13 ZPO wird der allgemeine Gerichtsstand einer natürlichen Person durch ihren Wohnsitz bestimmt, der vorliegend für den Beklagten in Essen und damit in NRW liegt. Aufgrund der Zuständigkeitskonzentration ist das Landgericht Düsseldorf für Patentstreitigkeiten, als welche der vorliegende Rechtsstreit zu qualifizieren ist, in NRW ausschließlich zuständig.
  32. B.
    Die Klage ist indes unbegründet, da die Klägerin gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen durchsetzbaren Anspruch auf (anteilige) Übertragung bzw. Abtretung und Umschreibung der streitgegenständlichen Patentanmeldungen bzw. erteilten Patente hat.
  33. 1.
    Gemäß § 8 PatG kann der Berechtigte, dessen Erfindung von einem Nichtberechtigten angemeldet ist, oder der durch widerrechtliche Entnahme Verletzte vom Patentsucher verlangen, dass ihm der Anspruch auf Erteilung des Patents abgetreten wird. Hat die Anmeldung bereits zum Patent geführt, so kann er vom Patentinhaber die Übertragung des Patents verlangen. Einen entsprechenden Anspruch statuiert mit Blick auf europäische Patente bzw. Patentanmeldungen Artikel 2 § 5 Abs. 1 IntPatÜbkG in Verbindung mit Art. 60 EPÜ.
  34. Durch die Übertragung des erteilten Patents bzw. der Abtretung des Anspruchs auf Patenterteilung sowie einer entsprechenden Korrektur der Register (Umschreibung) soll erreicht werden, dass der Erfinder die ihm zukommende Rechtsposition erhält, die durch widerrechtliche Anmeldung und die darauf erfolgte Patenterteilung an einen Nichtberechtigten beeinträchtigt war. Es geht allein um die materielle Inhaberschaft, d. h. um die Zuordnung der Erfindung und nicht um die Frage, ob die Erfindung schutzfähig ist oder nicht. Die Regelung des § 8 PatG knüpft daher an die Zuordnung der Erfindung an. Es muss daher nicht schon zu einem Patent oder auch nur einer Patentanmeldung gekommen sein; maßgeblich ist allein, dass eine Erfindung vorliegt, die dem Berechtigten entzogen wurde. Bei der Bestimmung einer Erfindung ist der gleiche Begriff wie sonst im Patentrecht zu Grunde zu legen, d. h. es genügt jede Anweisung zum technischen Handeln, also zur gezielten Anwendung von Naturkräften zur Erzielung eines unmittelbar darauf beruhenden Erfolgs (vgl. Melullis in Benkard, Kommentar zum Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 8, Rz. 6f. m.w.N.).
  35. Der sog. patentrechtliche Vindikationsanspruch setzt zunächst voraus, dass die den Anspruch geltend machende Partei Berechtigter ist. Berechtigte im Sinne des § 8 sind der Urheber der technischen Handlungsanweisung, d. h. der Erfinder, und sein Rechtsnachfolger (BGH GRUR 82, 95ff. – Pneumatische Einrichtung). Das Gesetz gewährt den Abtretungs- bzw. Übertragungsanspruch dem Erfinder und seinem Rechtsnachfolger als den an der Erfindung sachlich Berechtigten. Nach § 6 haben der Erfinder und damit auch sein Rechtsnachfolger das Recht auf das Patent, das alle Rechte an der und aus der Erfindung einschließt. Mit dieser Verknüpfung wird seine sachliche Berechtigung an allem aus seiner Erfindung Fließenden festgeschrieben, was ihm eine der des Eigentümers vergleichbare Rechtsstellung vermittelt. Rechtsnachfolger ist auch der Erfindungsbesitzer, der sein Recht zum Erfindungsbesitz befugt vom Erfinder herleitet (Melullis/Benkard, a.a.O., § 8, Rz. 11f.).
  36. Anspruchsgegner ist als Nichtberechtigter derjenige, der weder Erfinder noch dessen Rechtsnachfolger ist, selbst wenn er die Erfindung mit Einwilligung des Berechtigten auf seinen Namen zum Patent angemeldet hat (BGH GRUR 82, 95ff. – Pneumatische Einrichtung). Guter Glaube des Erwerbers wird nicht geschützt, er limitiert nur den Anspruch aus § 8 PatG in Bezug auf die Klagefrist (Moufang in Schulte, Kommentar zum Patentgesetz, 10. Auflage 2017, § 8, Rz. 18).
  37. Darüber hinaus setzt der Vindikationsanspruch eine fertige Erfindung auf Seiten des Anspruchstellers und die Wesensgleichheit seiner Erfindung mit dem Gegenstand der herauszugebenden Anmeldung oder des Patents voraus. Wesensgleichheit setzt dabei voraus, dass die angemeldete/patentierte und die entnommene Erfindung übereinstimmen, d.h. sie müssen nach Aufgabe und Lösung übereinstimmen, die objektiv anhand der tatsächlichen Lösung der technischen Probleme zu bestimmen sind (BGH GRUR 81, 186, 187f. – Spinnturbine II). Abänderungen im Rahmen des Fachkönnens, die den Kern der Erfindung unberührt lassen, sind unschädlich, so etwa die konkrete Ausgestaltung eines entnommenen Lösungsprinzips. Alle wesentlichen Merkmale, die die Patentfähigkeit begründen, müssen aber identisch sein (vgl. Moufang/Schulte, a.a.O., § 8, Rz. 47).
  38. 2.
    Die Kammer vermochte zunächst nicht festzustellen, dass es der Klägerin grundsätzlich an der Berechtigung im Sinne des § 8 PatG fehlt.
  39. Grundsätzlich kann sich die Berechtigung des Vindikationsklägers auch daraus ergeben, dass er sein Recht zum Erfindungsbesitz befugt vom Erfinder herleitet. Eine entsprechende Berechtigung der Klägerin ergibt sich vorliegend aus der Regelung des § 4 des Altvertrages, gemäß der der Klägerin „alle Nutzungs- und Verwertungsrechte sowie Rechte an Weiterentwicklungen an dem erstellten Werk“ zustehen sollten. Unterstellt man an dieser Stelle zu Gunsten der Klägerin, dass es sich (jedenfalls) bei der der DE‘XXX zu Grunde liegende Erfindung um eine Weiterentwicklung der von der Klägerin eingebrachten technischen Lehre der EP‘XXX handelt, so bestehen keine hinreichenden Zweifel daran, dass sich die Klägerin mit § 4 auch die Rechte an dieser Weiterentwicklung vorbehalten hat.
  40. Entgegen der Ansicht des Beklagten hat der Altvertrag aus 2016 mit Abschluss des Neuvertrages im Jahr 2017 auch nicht seine Gültigkeit für solche Sachverhalte wie den vorliegenden verloren, die vor Abschluss des Neuvertrages begründet wurden. Entsprechendes folgt insbesondere nicht aus § 1 des Neuvertrages, der davon spricht, dass der Altvertrag (mit Ausnahme der Regelungen betreffend den Prototyp) „vollständig ersetzt werden“ soll und daher der Altvertrag seine Gültigkeit mit Leistung der letzten Unterschrift unter den Neuvertrag verliert. Gemäß §§ 133, 157 BGB sind Verträge der Auslegung zugänglich. Insoweit folgt aus § 1 des Neuvertrages, dass die in dem Neuvertrag getroffenen Vereinbarungen für solche Sachverhalte gelten, die nach der letzten Unterschrift unter den Neuvertrag begründet wurden und die auch nicht den Prototypen betreffen. Aus dem Fehlen einer mit § 4 des Altvertrages vergleichbaren Regelung im Neuvertrag folgt daher, dass der Klägerin für alle Neu- und Weiterentwicklungen unter dem Neuvertrag keine Rechte mehr zustehen sollten. Daraus kann aber – auch auf Grund des Fehlens entsprechender expliziter Regelungen – nicht geschlossen werden, dass dies auch für alle Altfälle vor Gültigkeit des Neuvertrages gelten soll.
  41. Zwar können die Vertragsparteien vor dem Hintergrund der allgemeinen Vertragsfreiheit grundsätzlich auch die Aufhebung eines Schuldverhältnisses derart mit der Begründung eines neuen Schuldverhältnisses verbinden, dass das neue vollständig und auch mit Wirkung für die Vergangenheit an die Stelle des alten tritt (sog. Novation; vgl. Grüneberg in Palandt, Kommentar zum BGB, 80. Auflage 2021, § 311, Rz. 8 m.w.N.). Ob eine Novation oder nur lediglich eine Änderung des Vertrages vorliegt, ist indes eine Auslegungsfrage, wobei eine Novation auf Grund der weitreichenden Folgen nur angenommen werden kann, wenn der auf Novation gerichtete Wille der Parteien deutlich hervortritt (Grüneberg/Palandt, a.a.O.). Die Kammer vermochte einen entsprechend eindeutigen Willen der Vertragsparteien der Rahmenverträge zur Vereinbarung einer Novation nicht festzustellen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der zeitgleich mit dem Neuvertrag abgeschlossenen Übertragungsvereinbarung. Zwar sollen nach deren Präambel „alle Neu- und Weiterentwicklungen, die über die [in diesem Vertrag explizit aufgeführten] Patente [der Klägerin] hinausgehen, der C gehören“. Auch daraus folgt aber nicht, jedenfalls nicht eindeutig, dass dies auch für solche Sachverhalte vor Abschluss des Neuvertrages geltend soll. Vielmehr statuiert § 1 der Übertragungsvereinbarung eine Pflicht der Klägerin zu Überragung „sämtlicher Schutzrechte bzw. Schutzrechtsanmeldungen, die auf die Entwicklungen der C bzw. Entwicklungsmeldungen gem. § 4 Produktionsrahmenvertrag v. 08.02.2016 & 09.02.2016 sowie gem. § 2 Abs. 3 S. 1 des Produktionsrahmenvertrags vom 28.08./06.09.2017 zurückgehen“. Insoweit sind die Parteien selbst davon ausgegangen, dass es Entwicklung gibt bzw. geben kann, die unter § 4 des Altvertrages fallen. Hätten die Vertragsparteien eine Novation angestrebt, so wäre dies Bezugnahme auf den Altvertrag überflüssig.
  42. 3.
    Der Beklagte kann den Ansprüchen der Klägerin vorliegt jedoch mit Erfolg den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 242 BGB entgegenhalten.
  43. Nach dem in § 242 BGB kodifizierten Grundsatz von Treu und Glauben, der auch im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes zu beachten ist, kann die Rechtsausübung im Einzelfall missbräuchlich sein, wenn ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zu Grunde liegt. Ein entsprechendes Eigeninteresse des Rechtssuchenden fehlt insbesondere in Fällen der nutzlosen Rechtsausübung und der Ausübung eines Rechts als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder oder unlauterer Zwecke (Grüneberg/Palandt, a.a.O., § 242, Rz. 50). Ein dieser Kategorie zugehörigen Sonderfall stellen insbesondere die Fälle dar, in denen vom Anspruchsteller eine Leistung gefordert wird, die alsbald zurück zu gewähren ist (sog. dolo agit/facit qui petit quad statim redditurus; Grüneberg/Palandt, a.a.O., § 242, Rz. 52). Denn das Erheben und Verfolgen eines solchen Anspruchs ist nur geeignet, dem Schuldner unnötige Beschwernisse und zusätzliche Insolvenzrisiken aufzubürden, ohne dem Gläubiger legitime Vorteile zu bringen (vgl. Schubert in MüKo, Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 242 BGB, Rz. 462 m.w.N.).
  44. Ein solcher Fall der unzulässigen Rechtsausübung liegt hier vor.
  45. Wie § 1 der Übertragungsvereinbarung (in Verbindung mit der Präambel) entnommen werden kann, sollen nicht nur alle solchen Neu- und Weiterentwicklungen, die ab Gültigkeit des Neuvertrages getätigt wurden, ausschließlich der C zustehen. Vielmehr sollen – auf Grund der expliziten Bezugnahme auf § 4 des Altvertrages – auch solche Weiterentwicklung der C zustehen, die bereits während der Gültigkeit des Altvertrages entstanden sind. Der Klägerin wurde insoweit vertraglich auferlegt, entsprechende Erfindungen zwar im eigenem Namen anzumelden, diese jedoch alsbald – Zug-um-Zug gegen Ausgleich der Anmeldekosten – vollständig auf die C zu übertragen. Es kommt daher – entgegen der Ansicht der Klägerin – nicht darauf an, dass die von ihr behauptete widerrechtliche Entnahme vor Abschluss des Neuvertrages nebst Übertragungsvereinbarung erfolgt ist. Daraus folgt, dass die Klägerin, wenn ihr Vindikationsklage Erfolg hätte, es sich also bei den den streitgegenständlichen Schutzrechten bzw. Schutzrechtsanmeldungen zu Grunde liegenden Erfindungen sämtlich um Weiterentwicklungen im Sinne der Rahmenverträge handeln sollte, die ihr zustehenden Schutzechte unverzüglich wieder an die C zu übertragen hätte. Die Klägerin hätte daher selbst bei Erfolg der Klage keine Vorteile erlangt, die die Rechtsdurchsetzung rechtfertigen könnten. Die Kammer vermochte auch nicht zu erkennen, inwieweit der mit nachgelassenem Schriftsatz vom 9. Juli 2021 vorgebrachte Umstand, dass die Klägerin mangels Inhaberschaft an den streitgegenständlichen Schutzrechten leistungsfrei sei, daran etwas ändern sollte.
  46. Dem dolo-agit-Einwand des Beklagten steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Klägerin die streitgegenständliche Schutzrechte nicht an den Beklagten, sondern an einen Dritten, hier die C, zu übertragen hätte, denn es spielt aus Sicht der Klägerin und des Beklagten keine Rolle, ob die Schutzrechte an den Beklagten oder seine Firma abzugeben sind.
  47. 4.
    Vor dem Hintergrund des Durchgreifens des Treuwidrigkeitseinwandes brauchte nicht mehr entschieden zu werden, ob es sich bei streitgegenständlichen Patenten bzw. Patentanmeldungen um wesensgleiche Erfindungen handelt.
  48. Entsprechendes gilt auch für die auch Einräumung einer Mitberechtigung bzw. Übertragung von Teilanmeldung gerichteten Hilfsanträge der Klägerin.
    C.
    Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 und 709 ZPO.

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