4b O 31/20 – Brandübungsanlage

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3126

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 15. Juli 2021, Az. 4b O 31/20

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  2. 1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an dem Geschäftsführer ihrer persönlich haftenden Gesellschafterin zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  3. Brandübungsanlagen mit einer Brandkammer und einer in der Brandkammer angeordneten Brandeinheit, die mit einer Gasversorgungseinheit verbindbar ist und einen ersten Auslass für gasförmiges Gas aus der Gasversorgungseinheit aufweist,
  4. in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen,
  5. bei denen die Brandeinheit einen zweiten Auslass für flüssiges Gas aus der Gasversorgungseinheit aufweist und die Brandkammer innerhalb eines vorbestimmten Radius R1 um die Brandeinheit mindestens eine Öffnung in einer Bodenwandung der Brandkammer aufweist, wobei die Öffnung in eine Umgebung außerhalb der Brandkammer führt, so dass austretendes Gas von natürlichem Wind weggetragen werden kann
  6. (Ansprüche 1 und 2),
  7. 2. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in elektronischer Form vollständig darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 28.07.2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
  8. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  9. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  10. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  11. wobei die Beklagte Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Lieferscheine, jeweils in Kopie, vorzulegen hat,
  12. wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen,
  13. 3. der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses in elektronischer Form vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte, die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.06.2016 begangen hat, und zwar unter Angabe
  14. a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
  15. b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
  16. c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen, Angebotsmengen, -zeiten und -preisen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  17. d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Herstellungs- und Verbreitungsauflage, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  18. e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
  19. wobei die Angaben zu lit. e) nur für die Zeit seit dem 28.08.2016 zu machen sind,
  20. wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht-gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, dieser gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten und in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte die durch dessen Einschaltung entstehenden Kosten übernimmt, und ihn ermächtigt, der Klägerin auf Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter nicht-gewerblicher Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Rechnungslegung enthalten ist, wobei (freiwillige) Feuerwehren als gewerbliche Abnehmer gelten;
  21. 4. die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 28.07.2016 im Besitz Dritter befindlichen Erzeugnisse
  22. aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitzt an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 10 2014 016 XXX B4 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird und die erfolgreich zurückgerufenen Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen,
  23. 5. die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/ oder Eigentum der Beklagten befindlichen unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach Wahl der Beklagten an einen von der Klägerin zu bezeichnenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben;
  24. II. Es wird festgestellt,
  25. 1. dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin für die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 12.06.2016 bis zum 28.08.2016 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen,
  26. 2. dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 28.08.2016 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  27. III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  28. IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 1.000.000,- vorläufig vollstreckbar; wobei für die teilweise Vollstreckung des Urteils die folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
  29. Ziff. I.1., I. 4. und I. 5. des Tenors: EUR 750.000,-
  30. Ziff. I. 2. und I. 3. des Tenors: EUR 200.000,-
  31. Ziffer IV. des Tenors: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  32.  Tatbestand
  33. Die Klägerin macht als im Patentregister eingetragene Inhaberin gegen die Beklagte auf die Verletzung des deutschen Patents DE 10 2014 016 XXX B4 (im Folgenden: Klagepatent) gestützte Ansprüche auf Unterlassen, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung einer Entschädigungs- und einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach geltend.
  34. Das Klagepatent mit der Bezeichnung „Brandübungsanlage“ wurde am 06.11.2014 angemeldet. Die Offenlegung der Anmeldung datiert vom 12.05.2016, die Veröffentlichung der Patenterteilung vom 28.07.2016.
  35. Klagepatentanspruch 1 lautet wie folgt:
  36. „Brandübungsanlage (2) mit
    – einer Brandkammer (4) und
    – einer in der Brandkammer (4) angeordneten Brandeinheit (6), die mit einer Gasversorgungseinheit (8) verbindbar ist und einen ersten Auslass (10) für gasförmiges Gas aus der Gasversorgungseinheit (8) aufweist,
    dadurch gekennzeichnet, dass
    – die Brandeinheit (6) einen zweiten Auslass (12) für flüssiges Gas aus der Gasversorgungseinheit (8) aufweist, und
    – die Brandkammer (4) innerhalb eines vorbestimmten Radius (R1) um die Brandeinheit (6) mindestens eine Öffnung (14) in einer Bodenwandung (16) der Brandkammer (4) aufweist.“
  37. Klagepatentanspruch 2 hat folgenden Wortlaut:
  38. „Brandübungsanlage (2) nach dem vorhergehenden Anspruch, dadurch gekennzeichnet, dass die mindestens eine Öffnung (14) in der Bodenwand (16) der Brandkammer (4) in eine Umgebung außerhalb der Brandkammer führt.“
  39. Wegen der weiteren Unteransprüche wird auf die Klagepatentschrift, vorgelegt als Anlage rop1, Bezug genommen.
  40. Nachfolgend werden eine klagepatentgemäße Brandübungsanlage (Figur 1 der Klagepatentschrift, obere Abbildung, verkleinert wiedergegeben) sowie eine schematische Ansicht einer klagepatentgemäßen Brandeinheit (Figur 4 der Klagepatentschrift, untere Abbildung, verkleinert) wiedergegeben:
  41. Das Klagepatent steht in Kraft.
  42. Die Beklagte, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 05.05.2021 ein Insolvenzeröffnungsverfahren eingeleitet worden ist (vgl. Bl. 62 – Bl. 64 GA), nahm Ende 2018/ Anfang 2019 an einem Ausschreibungsverfahren der Feuerwache Alberstadt in Dresden teil. Ausweislich der Ausschreibungsunterlagen (Anlage rop4), auf die wegen ihres genauen Inhalts Bezug genommen wird, wurden Containeranlagen zur Brandübung („Feststoffbrandcontainer“ und „Container für Strahlrohrtraining“) für das Ausbildungszentrum der Feuerwache ausgeschrieben. Neben der Beklagten beteiligten sich an dem Ausschreibungsverfahren auch die Klägerin und ein weiteres, für den Gang des hiesigen Verfahrens, nicht bedeutsames Unternehmen.
  43. Die Beklagte erhielt den Zuschlag und lieferte daraufhin die Brandübungsanlage wie nachfolgend wiedergegeben an die Feuerwache Alberstadt (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform):
  44. .
  45. Das obere Bild zeigt die Brandkammer des angegriffenen Containers, insbesondere die Ausgestaltung der Bodenwandung als Gitterrost, das untere Bild zeigt den angegriffenen Container von außen.
  46. In der Seitenwand des Containers, der auf vier Fundamentpfosten aus Beton aufgebaut ist, ist eine Tür vorgesehen (vgl. Abbildung unten). Der Boden der Container der angegriffenen Ausführungsform ist mit einem Gitterrost abgedeckt (vgl. vorstehende Abbildung oben links). Innerhalb des Containers befindet sich an einer Seitenwand eine Brandeinheit zum Auslösen eines Brandes (vgl. vorstehende Abbildung oben rechts), die mit einer Gasversorgungseinheit verbunden werden kann.
  47. Die Brandeinheit ist mit zwei Auslässen sowie einem zwischen diesen angeordneten Thermosensor ausgestattet. Über einen ersten Auslass tritt gasförmiges Gas in den Containerraum ein. Über die Leitung, die dem zweiten Auslass zugeordnet ist, wird Liquified Petroleum Gas („LPG“), also Flüssiggas, zugeführt. Dabei wird das flüssige Gas bis an die Brandlanze herangeführt und dort – noch in der Brandlanze – unter Verwendung einer Stützflamme in heißes Propangas umgewandelt.
  48. Die Klägerin ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch.
  49. Der angegriffene Container bilde eine Brandkammer im Sinne der Lehre des Klagepatents. In diesem Zusammenhang sei unschädlich, dass der Containerboden – unstreitig – als Gitterrost ausgestaltet sei. Der geschützten Lehre sei auch nicht zu entnehmen, dass der Containerboden „nur“ innerhalb eines vorbestimmten Radius eine Öffnung aufweisen dürfe.
  50. Die Klägerin beantragt,
  51. die Beklagte zu verurteilen,
  52. wie erkannt;
  53. Wegen der in Form von „Insbesondere-Anträgen“ gestellten Anträge wird auf die Klageschrift vom 27.04.2020 (Bl. 3f. GA) verwiesen. Insoweit hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass es sich um „Insbesondere-Anträge“ handelt.
  54. Die Beklagte beantragt,
  55. die Klage abzuweisen.
  56. Die Beklagte ist der Auffassung, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Lehre des Klagepatents nicht.
  57. Da der offene Boden der angegriffenen Ausführungsform – insoweit unstreitig – lediglich mit einem Gitterrost abgedeckt sei, fehle es an einer klagepatentgemäßen Brandkammer. Denn unter einer solchen verstehe der Fachmann – in Abgrenzung zu einer Feuersimulation im Außenbereich – einen geschlossenen Raum. Dies berücksichtigend führe es aus einer Verwirklichung der geschützten Lehre heraus, wenn der gesamte Containerboden – wie unstreitig bei der angegriffenen Ausführungsform – als lediglich mit einem Gitterrost abgedeckte Öffnung ausgestaltet sei. Das Klagepatent lasse eine Öffnung lediglich innerhalb eines vorbestimmten Radius um die Brandeinheit zu.
  58. Auch fehle es bei der angegriffenen Ausführungsform an einem zweiten Auslass für flüssiges Gas aus der Gasversorgungseinheit.
  59. Die geschützte Lehre gehe davon aus, dass flüssiges Gas in Form von Propan aus der Brandlanze zum Erzeugen eines sog. „Flashovers“ austrete. Eine Ausgestaltung – wie sie unstreitig bei der angegriffenen Ausführungsform vorhanden ist –, bei der das Flüssiggas bereits vor dem Austritt aus der Brandlanze umgewandelt werde, sei von dem Schutzbereich des Klagepatents hingegen nicht umfasst.
  60. Die Lehre des Klagepatents sei auch deshalb nicht verwirklicht, weil – insoweit unstreitig – der gesamte Boden offen ist, so dass nicht nur innerhalb eines bestimmten Radius um die Brandeinheit eine Öffnung ausgebildet sei. Durch die Frischluftzufuhr über den gesamten Bodenbereich sei die Fließrichtung immer von unten nach oben zur Decke. Daher könne durch eine Öffnung in der Bodenwandung des angegriffenen Containers auch dann kein flüssiges Gas aus dem Container austreten, wenn flüssiges Gas in den Container gelangen würde.
  61. Entscheidungsgründe
  62. Die zulässige Klage ist auch begründet.
  63. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung einer Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht dem Grunde nach zu, Art. 64 Abs. 1 EPÜ i. V. m. § 33 Abs. 1, § 139 Abs. 1, 2, § 140b, § 140a Abs. 1, 3 PatG, § 242, § 259 BGB zu.
  64. A.
    Das Verfahren ist nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen.
  65. Gem. § 240 Satz 1 ZPO führt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei zur Unterbrechung eines Verfahrens, das die Insolvenzmasse betrifft.
  66. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
  67. Ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts Aachen vom 05.05.2021 ist das Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Beklagten eingeleitet. Dabei handelt es sich um ein der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, auf die § 240 Satz 1 ZPO abstellt, vorgelagertes Verfahrensstadium. In diesem kommt es gem. § 240 Satz 2 ZPO nur dann zur Verfahrensunterbrechung, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
  68. Das ist hier nicht der Fall.
  69. Nach dem Beschluss des Amtsgerichts Aachen ist zwar ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO. Hingegen geht daraus kein allgemeines Verfügungsverbot im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 1. Alt. 1., § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO hervor. Vielmehr besteht danach lediglich ein Zustimmungsvorbehalt im Hinblick auf Verfügungen über Gegenstände aus dem Vermögen der Beklagten. Ein solcher löst die Unterbrechungswirkung nach § 240 Satz 2 ZPO nicht aus.
  70. B.
    Der Klägerin stehen die klageweise geltend gemachten Ansprüche zu.
  71. I.
    Die geschützte Erfindung hat eine Brandübungsanlage mit einer Brandkammer, einer in der Brandkammer angeordneten Brandeinheit, die mit einer Gasversorgungseinheit verbindbar ist, und einen ersten Auslass für gasförmiges Gas zum Gegenstand (Abs. [0001] des Klagepatents; Abschnitte ohne Bezeichnung sind nachfolgend solche des Klagepatents).
  72. Derartige Brandübungsanlagen beschreibt das Klagepatent als im Stand der Technik, beispielsweise aus der DE 692 28 XXX T2, vorbekannt (Abs. [0002]). Sie würden zur Simulation eines Feuers bzw. eines Brandes zum Einsatz gelangen, so dass Feuerwehrleute üben könnten, diesen zu löschen (Abs. [0002]). Insbesondere könnten diese unterschiedliche Techniken wiederholt ausprobieren und die aus ihrer Sicht am sinnvollste Technik verinnerlichen (Abs. [0002]).
  73. Die Brandkammer diene zur Begrenzung eines Raums, in dem ein Brand simuliert werden solle (Abs. [0003]). Dazu könne die Brandkammer, für die beispielsweise ein Container verwendet werden könne, von mehreren Wänden begrenzt sein (Abs. [0003]). Eine solche Brandkammer in Form eines Containers werde beispielsweise in der WO 2013/000019 A1 offenbart (Abs. [0003]). Andere Ausgestaltungen mit zumindest im Wesentlichen feuerfesten Wänden seien alternativ bekannt (Abs. [0003]).
  74. Vorbekannte Brandeinheiten, die als Gas-Brandeinheit ausgestaltet seien, beschreibt das Klagepatent dahingehend als vorteilhaft, als durch diese in der Brandkammer wiederholt vergleichbare Brände hervorgerufen werden könnten, sodass für die Feuerwehrleute vergleichbare Trainingssituationen erzeugt werden könnten (Abs. [0004]). Die Brandeinheit verfüge über einen – von der Patentschrift als erster Auslass bezeichneten – Auslass für Gas, der durch ein Rohr mit einer oder mehreren Öffnungen ausgebildet sein könne (Abs. [0004]). Zur Brandsimulation werde das aus dem ersten Auslass ausströmende Gas entzündet, so dass ein Feuer entstehe. Ein entsprechender Brand könne so auch nach dem Löschen der Flamme erneut verursacht werden, wobei vergleichbare Brandsituationen entstehen würden (Abs. [0004]). Um Gas aus dem ersten Auslass strömen zu lassen, sei die Brandeinheit mit einer stationären oder auch mobilen Gasversorgungseinheit verbindbar (Abs. [0004]).
  75. Das Klagepatent kritisiert den einleitend dargestellten Stand der Technik dahingehend, dass mittels der Verwendung von gasförmigem Gas für eine Brandeinheit nicht alle praxisnahen Brände simuliert werden könnten (Abs. [0005]). Insbesondere könne ein sog. „Flashover“ nicht simuliert werden, das heißt eine Situation, in der es zu einer schlagartigen Vergrößerung der Flamme des Brands komme (Abs. [0005]). Vorteilhaft wäre insoweit grundsätzlich der Einsatz von flüssigem statt gasförmigem Gas, das aus dem ersten Auslass ausströmt, um damit einen Brand zu simulieren. Denn flüssiges Gas weise eine höhere Energiedichte auf, so dass mit diesem größere Flammen simuliert werden könnten (Abs. [0005]). Aus der US 5,374,XXX A sei auch bereits eine Brandübungsanlage bekannt, bei der sowohl gasförmiges als auch flüssiges Gas verwendet werde (Abs. [0005]). Es sei jedoch in der Praxis festgestellt worden, dass die Handhabung von flüssigem Gas mit einer bekannten Brandeinheit dazu führen könne, dass sich flüssiges Gas an dem Boden der Grandkammer sammle und es daraufhin zu einer unkontrollierten Verbrennung des sich sammelnden Gases kommen könne (Abs. [0005]). Darin liege ein sicherheitsrelevanter Nachteil, weil es sich dabei um eine zufällige und zumeist unkontrollierbare Brandsituation handele, die es zu vermeiden gelte (Abs. [0005]).
  76. Vor dem Hintergrund des erörterten Stands der Technik macht es sich das Klagepatent zur Aufgabe (technisches Problem), eine Brandübungsanlage bereit zu stellen, mit der unterschiedliche Brände und insbesondere ein „Flashover“, mittels einer Brandeinheit in einer Brandkammer sicher simulierbar seien, wobei mittels der Brandeinheit Gas verbrannt werde (Abs. [0006]).
  77. Diese Aufgabe wird klagepatentgemäß durch eine Brandübungsanlage entsprechend des Klagepatentanspruchs 1 und 2 mit den folgenden Merkmalen gelöst:
  78. Brandübungsanlage (2) mit
  79. 1. einer Brandkammer (4) und einer in der Brandkammer (4) angeordneten Brandeinheit (6);
  80. 2. die Brandeinheit ist mit einer Gasversorgungseinheit (8) verbindbar und
  81. 2.1 weist einen ersten Auslass (10) für gasförmiges Gas aus der Gasversorgungseinheit (8) und
  82. 2.2 einen zweiten Auslass (12) für flüssiges Gas aus der Gasversorgungseinheit (8) auf;
  83. 3. die Brandkammer (4) weist innerhalb eines vorbestimmten Radius (R1) um die Brandeinheit (6) mindestens eine Öffnung (14) in einer Bodenwandung (16) der Brandkammer (4) auf,
  84. 3.1 die in eine Umgebung außerhalb der Brandkammer führt.
  85. II.
    Die Beklagte verletzt das Klagepatent im Sinne von § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG.
  86. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform jedenfalls angeboten, hergestellt und in den Verkehr gebracht hat, indem sie an dem Ausschreibungsverfahren der Feuerwache Alberstadt teilgenommen und die angegriffene Ausführungsform nach Erhalt des Zuschlags geliefert hat.
  87. Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch die Merkmale des Klagepatentansprüche 1 und 2 unmittelbar wortsinngemäß. Die Verwirklichung der Merkmal 2. und 2.1 ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, weshalb weitere Ausführungen zu diesen unterbleiben. Die angegriffene Ausführungsform macht darüber hinaus auch von den zwischen den Parteien in Streit stehenden Merkmalen 1., 2.2. und 3./ 3.1 Gebrauch.
  88. 1.
    Die angegriffene Ausführungsform ist mit einer klagepatentgemäßen Brandkammer (Teilmerkmal 1) ausgestattet.
  89. a)
    Das Klagepatent verbindet mit dem Begriff der „Brandkammer“ im Sinne des Merkmals 1 einen gegenüber der Außenumgebung umgrenzten Raum, in dem ein Brand simuliert werden kann, ohne dass dieses Raumgebilde von der äußeren Umgebung zwingend vollständig abgegrenzt, im Sinne von isolierend abgeschlossen, ist.
  90. aa)
    Aus Abschnitt [0003] der Beschreibung erfährt der Fachmann, dass die Brandkammer „zur Begrenzung eines Raumes“, in dem ein Brand simuliert werden kann, dient. Damit ist ein Raumgebilde in Bezug genommen, das von der übrigen Umgebung abgrenzbar ist. Die Brandkammer „kann“ – wie Abschnitt [0003] weiter beschreibt – zu diesem Zweck von mehreren Wänden begrenzt sein, wobei beispielhaft ein „Container“ Erwähnung findet. Schon aus diesem, auf den vorbekannten Technikstand bezogenen Passus, geht nicht hervor, dass der Raum gegenüber der Außenumgebung vollständig umschlossen ist. Vielmehr klingt darin an („kann“), dass auch andere Ausgestaltungen möglich sind, die eine Trennung des Raumes zur Außenumgebung realisieren.
  91. Einer Gesamtbetrachtung des hier streitigen Teilmerkmals mit dem Merkmal 3 entnimmt der Fachmann, dass es eines solchen vollständig umschlossenen Raumes gerade auch mit Bezug auf die geschützte Lehre nicht bedarf. Denn das Merkmal 3 sieht vor, dass die Brandkammer in ihrer Bodenwandung „mindestens eine Öffnung aufweist“. Die klagepatentgemäße Lehre lässt eine Verbindung des Raumes „nach draußen“ damit ausdrücklich zu. Sie strebt sie technisch-funktional gerade an, um einen Weg bereitzustellen, durch den etwaiges unverbranntes flüssiges Gas aus der Brandkammer herausströmen und von dem natürlichen Wind weggetragen werden kann (Abs. [0009]). Dieses Verständnis festigt sich aus Sicht des Fachmannes noch bei Berücksichtigung des Unteranspruchs 2, ausweislich derer die Öffnung in eine Umgebung außerhalb der Brandkammer führt, wobei es die Patentschrift als vorzugswürdig beschreibt, dass die Bodenwandung der Brandkammer im Bereich der Öffnung vom Boden beabstandet ist (Abs. [0011]). In der Klagepatentschrift findet zudem Erwähnung, dass der Eintritt von Luft (insbesondere Sauerstoff) über Öffnungen in dem Container erwünscht ist, um das aus den Auslässen austretende Gas zu entzünden (Abs. [0034]).
  92. Die Lehre des Klagepatents ist auch mit Blick auf das Merkmal 3 nicht derart zu verstehen, dass sich in der Bodenwandung lediglich die dort, in dem soeben genannten Merkmal, beschriebene Öffnung befindet. Dagegen steht Figur 2 der Klagepatentschrift. Bei der dort gezeigten Brandübungsanlage befindet sich auch in einem Bereich, der außerhalb des Radius 1 und 2 um die Brandeinheit liegt, ein Gitterrost. Das Merkmal 3 ist danach vielmehr so zu verstehen, dass es jedenfalls eine Öffnung in einer Bodenwandung innerhalb eines vorbestimmten Radius um die Brandeinheit verlangt. Technisch-funktional wird damit umgesetzt, dass etwaiges aus dem zweiten Auslass austretendes flüssiges Gas die Brandkammer möglichst zügig verlassen kann, weil sich die Öffnung in unmittelbarer Nähe der Brandeinheit (vgl. auch Abs. [0031]) befindet. Zur Ausgestaltung der Bodenwandung im Übrigen enthält das Merkmal keine Vorgaben.
  93. bb)
    Soweit die Beklagte geltend macht, der Fachmann verstehe den Begriff der „Brandkammer“ in Abgrenzung zu einer Brandsimulation im „Außenbereich“, hat sie weder in prozessrechtlich erheblicher Art und Weise dargetan, dass eine derartige Differenzierung in dem allgemeinen Fachwissen angelegt ist, noch dass der Fachmann eine solche Unterscheidung zwischen „Brandkammer“ einerseits und „Außenbereich“ andererseits seinem Verständnis von der klagepatentgemäßen Lehre zugrunde legt. Es ist deshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem von der Beklagten behaupteten Verständnis des Fachmannes nicht angezeigt.
  94. Die Kammer vollzieht noch nach, dass der Fachmann grundsätzlich zwischen Brandübungen „im Freien“ und solchen „in Räumen“ trennt, weil die Brandentwicklung jeweils einen anderen Verlauf nimmt und die Löschtechnik einer entsprechenden Anpassung bedarf. Nicht plausibel ist der Kammer jedoch nach dem Beklagtenvorbringen, dass ein zwar umschlossener Raum, der jedoch nicht hermetisch zur Außenumgebung abgedichtet ist, für Löschübungen für Raumbrände ungeeignet ist.
  95. Dagegen, dass die Brandübung im Raum aus der Sicht des Fachmannes einen vollständig umschlossenen Raum ohne Verbindung zur Außenumgebung verlangt, spricht bereits, dass auch die (reale) Brandentwicklung in Räumen durch eine Verbindung „nach draußen“ beeinflusst sein kann – etwa dann, wenn Türen oder Fenster geöffnet sind. Das von der Beklagten behauptete Fachverständnis erscheint der Kammer weiter auch deshalb zweifelhaft, weil die Ausschreibung, auf die die Beklagte die angegriffene Brandübungsanlage angeboten hat, jedenfalls für den „Feststoffbrandcontainer“ unter dem Punkt „Ausbildung für die Aufgabengebiete“ unter anderem die Anforderungen „Darstellung von Raumdurchzündungen“ (Anlage rop4, S. 1, lit. a), 2. Spiegelstrich), „Darstellung vollständiger Brandverlauf vom Entstehungsbrand bis zur Raumdurchzündung kann beobachtet und verstanden werden“ (Anlage rop4, S. 1, lit. a), 3. Spiegelstrich) sowie „Einsatzlehre/ taktische Verhaltensweisen in Brandräumen“ (Anlage rop4, S. 1, lit. a), 6. Spiegelstrich) formuliert. Auch mit Bezug auf den sog. „Container für Strahlrohrtraining“ ist von einem „Brandraum“ die Rede (Anlage rop4, S. 3, u.a.: 2., 4. und 5. Spiegelstrich). Die Beklagte hat auf diese Ausschreibung den Zuschlag erhalten und ging davon aus, die dort beschriebenen Anforderungen für die Brandsimulation in Räumen mit dem angegriffenen Container, dessen Bodenwandung mit einem Gitterrost abgedeckt ist, zu erfüllen. Die Beklagte trägt auch nicht vor, dass das Leistungsprofil für die zu liefernde Brandübungsanlage nachträglich geändert worden sei.
  96. Selbst dann, wenn der Fachmann nach seinem allgemeinen Verständnis – wie von der Beklagten behauptet – davon ausgeht, dass es eines abgedichteten Raumes zur Simulation eines Brandes im Innenraum bedarf, ist nicht erkennbar, dass dieses allgemeine Verständnis auch dem klagepatentgemäßen Begriff der Brandkammer zugrunde zu legen ist. Die Klagepatentschrift bildet insoweit ihr eigenes Lexikon (BGH, GRUR 1999, 909 (911) – Spannschraube), sie lässt – wie bereits unter lit. aa) ausgeführt – eine Öffnung in der Bodenwandung ausdrücklich zu. Bereits dies steht einem Verständnis entgegen, wonach die geschützte Lehre einen vollständig umschlossenen, zur Außenumgebung abgedichteten Raum verlangt.
  97. b)
    Die Verwirklichung des Teilmerkmals 1, wonach die Brandübungsanlage eine „Brandkammer“ aufweist, ergibt sich ohne weiteres aus dem hier vertretenen Auslegungsergebnis.
  98. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der angegriffene Container seitlich und nach oben durch massive Wände begrenzt ist. Dass der Boden des angegriffenen Containers durch ein Gitterrost gebildet wird, das den Raum nicht vollständig zur Außenumgebung abschließt, führt aus der Verletzung nicht heraus. Jedenfalls begrenzt das Gitter den Container nach unten und bildet so den Raum der Brandkammer mit aus – worauf allein es dem Klagepatent ankommt.
  99. Aufgrund des hier vertretenen Auslegungsergebnisses ist auch der Vortrag der Beklagten unerheblich, dass die in der angegriffenen Ausführungsform eingebauten Türen während der Brandsimulation offenstehen.
  100. 2.
    Die angegriffene Ausführungsform verfügt auch – wie von Merkmal 2.2 vorgesehen – über
  101. „einen zweiten Auslass (12) für flüssiges Gas aus der Gasversorgungseinheit (8).“
  102. Das Klagepatent sieht – in Abgrenzung zu einem ersten Auslass – einen zweiten Auslass der Brandeinheit vor. Während der erste Auslass für gasförmiges Gas vorgesehen ist (Merkmal 2.1 und Abs. [0004], Abs. [0008]), ist der zweite Auslass wortlautgemäß „für flüssiges Gas“ (so auch Abs. [0008]). Damit beschreibt das Klagepatent einen zweiten Auslass, über den der Brandkammer flüssiges Gas zugeleitet wird, wobei dies nicht voraussetzt, dass das zugeleitete flüssige Gas in einem flüssigen Zustand aus dem Auslass tritt.
  103. a)
    Mit dem in dem Anspruchswortlaut genannten Begriffspaar „flüssiges Gas“ nimmt das Klagepatent – wie die Klagepatentschrift dem Fachmann zu erkennen gibt – auf einen Gastyp Bezug,
  104. „Der Gassensor ist also vorzugsweise zur Detektion von flüssigem Gas und/ oder dem entsprechenden Gastyp ausgestaltet.“ (Abs. [0018],
  105. der sich gegenüber gasförmigem Gas dadurch abgrenzt, dass er eine höhere Energiedichte aufweist (Abs. [0009]). Dabei begreift die geschützte Lehre das „flüssige Gas“ auch dann noch als solches, wenn dieses seinen Aggregatzustand in einen nicht-flüssigen Zustand ändert,
  106. „Sollte nun mittels des genannten Sensors eine Mindestkonzentration des flüssigen Gases detektiert werden, das gegebenenfalls in die gasförmige Phase übergegangen ist, […].“ (Abs. [0018]).
  107. Technisch-funktional hängt der erfindungswesentlich angestrebte Erfolg, ein gegenüber dem Stand der Technik breiteres Spektrum an Brandsituationen simulieren zu können, unmittelbar mit der höheren Energiedichte des flüssigen Gases zusammen (Abs. [0005]). Bei den durch die Verwendung von flüssigem Gas simulierbaren Brandsituationen hat das Klagepatent insbesondere (beispielhaft) den sog. „Flashover“ vor Augen, wobei es sich um eine Brandsituation handelt, in der es zu einer schlagartigen Vergrößerung der Flamme des Brandes kommt (Abs. [0005], Abs. [0006], Abs. [0016] und Abs. [0028] a. E.).
  108. Ausgehend von den vorherigen Ausführungen verhält sich der Anspruchswortlaut nicht dazu, in welchem Aggregatzustand das flüssige Gas aus dem Auslass tritt. Die darin enthaltene Beschreibung „Auslass für flüssiges Gas“ lässt dies bei einem rein sprachlich-philologischem Verständnis offen.
  109. Soweit in der Beschreibung ausdrücklich lediglich solche Ausgestaltungen genannt sind, bei denen das aus dem zweiten Auslass ausströmende flüssige Gas direkt an dem Auslass entzündet wird (Abs. [0014], Abs. [0017], Abs. [0022] und Abs. [0029]), handelt es sich um bevorzugte Ausführungsformen, die die geschützte Lehre regelmäßig nicht beschränken (BGH, GRUR 2008, 779 (Rn. 34) – Mehrgangnabe). So ist es auch vorliegend. Insbesondere ist weder der Patentschrift noch dem Beklagtenvorbringen zu entnehmen, dass flüssiges Gas seine im Vergleich zu gasförmigem Gas höhere Energiedichte durch das Überführen in den gasförmigen Zustand stets und vollständig verliert. Ausreichend ist insoweit, dass eine im Vergleich zu gasförmigem Gas höhere Energiedichte verbleibt, mittels derer gegenüber der Brandsimulation allein mit gasförmigem Gas mindestens eine weitergehende Brandsituation darstellbar ist.
  110. b)
    Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch das Merkmal 2.2 unmittelbar wortsinngemäß.
  111. Die Brandeinheit des angegriffenen Containers ist mit einem zweiten Auslass ausgestattet. Über eine Gasversorgungseinheit wird diesem Flüssiggas in Form von Propan („LPG“) zugeleitet. Die Tatsache, dass dieses vor Erreichen des Auslasses erhitzt wird, führt aus der Verletzung des Klagepatents nicht heraus. Ein Auslass für flüssiges Gas im klagepatentgemäßen Sinne liegt auch dann vor, wenn das flüssige Gas vor Austritt aus dem Auslass in den gasförmigen Zustand überführt wird.
  112. Dass es bei der angegriffenen Ausführungsform durch die Veränderung des Aggregatzustandes in den gasförmigen Zustand zu einem Energieabfall kommt, durch den – gegenüber der Brandsituation ausschließlich mit gasförmigem Gas – keine weitergehenden Brandsituationen erzeugt werden können, hat die Beklagte nicht hinreichend dargetan.
  113. Die Beklagte hat zunächst vorgetragen, dass es zutreffend sei, dass für einen Flashover bei der angegriffenen Ausführungsform Flüssiggas verwendet werde. Mit diesem Vorbringen lässt sich ihre spätere Behauptung, dass mit der angegriffenen Ausführungsform gar kein Flashover erzeugt werden könne, nicht in Einklang bringen. Die Beklagte setzt auch die beiden widersprüchlichen Aussagen in kein Verhältnis zueinander, insbesondere hat sie auch auf einen entsprechenden Vorhalt in der mündlichen Verhandlung nicht vorgetragen, dass sie eine Richtigstellung ihrer ursprünglichen Aussage beabsichtigt.
  114. Dieses prozessuale Verhalten begegnet umso größeren Bedenken, als die Ausschreibungsunterlagen der Feuerwache Alberstadt – zumindest für den „Container für Strahlrohrtraining“ – die Möglichkeit eines „Flash-Overs“ vorsehen (Anlage rop4, S. 4, 1. Spiegelstrich) und die Beklagte ihre Leistung in Erfüllung dieser Anforderungen aus der Ausschreibung erbracht hat. Dass ihre vertraglichen Pflichten insoweit eine Änderung erfahren haben, hat die Beklagte nicht vorgetragen, sie hat sich auch im Übrigen inhaltlich nicht gegen die vorgelegten Ausschreibungsunterlagen gewandt.
  115. 3.
    Die angegriffene Ausführungsform weist auch innerhalb eines vorbestimmten Radius um die Brandeinheit eine Öffnung in der Bodenwandung – wie von Merkmal 3 vorgesehen – auf, die entsprechend dem Merkmal 3.1 in eine Umgebung außerhalb der Brandkammer führt.
  116. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die gesamte Bodenwandung, mithin auch der Bereich in unmittelbarer Nähe zur Brandeinheit mit einem Gitterrost ausgelegt ist. Dabei handelt es sich – wie Abschnitt [0010] dem Fachmann vor Augen führt – um eine bevorzugte Ausgestaltung einer klagepatentgemäßen Öffnung.
  117. Die Beklagte bringt gegen eine Verletzung allein vor, dass der gesamte Boden der angegriffenen Ausführungsform mit einem Gitterrost versehen, mithin geöffnet, ist. Dieser Einwand ist deckungsgleich mit dem Nichtverletzungsargument des Merkmals 1, weshalb auf die dortigen Ausführungen zur Auslegung und Verletzung, die hier entsprechend gelten, Bezug genommen wird (dazu unter Ziff. 1.). Gegen die Verwirklichung des Merkmals 3.1 bringt die Beklagte im Übrigen nichts vor.
  118. III.
    Aufgrund der festgestellten Rechtsverletzung stehen der Klägerin die begehrten Ansprüche zu.
  119. 1.
    Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung der Erfindung ohne Berechtigung erfolgt.
  120. 2.
    Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
  121. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  122. Zudem sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 139 Abs. 2 PatG erfüllt. Die Beklagte beging die Patentverletzung rechtswidrig und schuldhaft. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.
  123. 3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Rechnungslegung und Auskunft aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
  124. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  125. Soweit die Klägerin in dem Antrag Ziff. I. 3. den Zusatz „wobei (freiwillige) Feuerwehren als gewerbliche Abnehmer gelten“ ergänzt hat, ist dieser gerechtfertigt. Durch den Zusatz nimmt die Klägerin freiwillige Feuerwehren aus dem Wirtschaftsprüfervorbehalt, der im Hinblick auf solche Angaben gilt, die der Beklagte nicht schon nach Maßgabe von § 140b Abs. 1, 3 PatG schuldet, heraus. Gem. § 140b Abs. 1 Nr. 3 PatG hat der Patentverletzer Angaben zu „gewerblichen Abnehmer“ zu machen. Von der Auskunftspflicht ausgenommen sind danach nur solche Abnehmer, die „im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken“ (§ 11 Nr. 1 PatG) handeln (Grabinski/ Zülch, in: Benkard, PatG, 11. Auflage, 2015, § 140b, Rn. 13).
  126. Die Tätigkeit der freiwilligen Feuerwehr bewegt sich bereits außerhalb des privaten Bereichs, weil sie der Erfüllung fremder (teilweise auch öffentlicher) Bedürfnisse dient (zu diesem Abgrenzungskriterium: Scharen, in: Benkard, PatG, 11. Auflage, 2015, § 11, Rn. 3f.).
  127. 4.
    Die Klägerin hat weiterhin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf und Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG.
  128. Tatsachen, aufgrund derer der Rückruf und/ oder die Vernichtung sich als unverhältnismäßig im Sinne von § 140a Abs. 4 PatG darstellen, sind weder vorgetragen noch erkennbar.
  129. IV.
    Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage, soweit die Kosten betroffen sind, in § 709 Satz 1, 2 ZPO und im Übrigen in § 709 Satz 1 ZPO.
  130. V.
    Der Streitwert wird gem. § 51 Abs. 1 GKG auf EUR 1.000.000,- festgesetzt.

 

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