Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3127
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 15. Juli 2021, Az. 4b O 27/20
- I.
Die Beklagte wird verurteilt, - 1.
es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist, zu unterlassen - eine landwirtschaftliche Maschine, umfassend:
- eine Vielzahl von Drilleinheiten, die jeweils umfassen:
- eine Stützvorrichtung,
eine Saatgutdosiervorrichtung zum Verteilen von Saatgut in einer Drillfurche im Boden, über den sich die landwirtschaftliche Maschine bewegt, - wobei jede Drilleinheit mit einem Strukturelement der landwirtschaftlichen Maschine beweglich verbunden ist und die Saatgutdosiervorrichtung mit der Stützvorrichtung der Drilleinheit fest verbunden ist,
- wobei die Saatgutdosiervorrichtung umfasst:
- ein Saatgutdosierelement, das mittels einer Antriebsvorrichtung angeordnet ist, um Saatgut zu einer Saatgutdosierleitung zu transportieren,
eine Kammer für Saatgut, wobei die Kammer angeordnet ist, um von einem Druckerzeugungselement der landwirtschaftlichen Maschine mit einem Überdruck beaufschlagt zu werden, - wobei das Saatgutdosierelement eine Wand bildet, welche die Kammer begrenzt und Löcher oder Aussparungen aufweist, welche die Kammer mit der Umgebung verbinden, um eine Druckdifferenz zu erzeugen und dadurch Saatgut an den Löchern/Aussparungen des Saatgutdosierelements festzuhalten und zu transportieren, wobei das Saatgutdosierelement eine drehsymmetrische Form um eine Drehachse aufweist, wobei die Löcher/Aussparungen in gleichen Abständen voneinander entlang eines Teilkreises konzentrisch zur Drehachse verteilt sind,
- wobei
- die Saatgutdosierleitung einen Einlass in der Kammer aufweist, wobei ein Luftstrom aus der Saatgutdosiervorrichtung durch die Saatgutdosierleitung durch den Überdruck in der Kammer geschaffen wird;
- der Einlass der Saatgutdosierleitung in einer engen Verbindung mit einem Aufnahmebereich auf einer saatguttragenden Seite des Saatgutdosierelements angeordnet ist;
- die Saatgutdosiervorrichtung eine Druckausgleichseinrichtung aufweist, die auf einer nicht-saatguttragenden Seite in einem Bereich gegenüber dem Aufnahmebereich angeordnet ist und konfiguriert ist, um im Aufnahmebereich die Druckdifferenz über den Löchern/Aussparungen zu beseitigen und dadurch auch die Kraft, die das Saatgut einfängt, wodurch das Saatgut vom Saatgutdosierelement zum Einlass der Saatgutdosierleitung fällt, bis das Saatgut durch den Luftstrom beschleunigt und aus der Kammer durch die Saatgutdosierleitung zur Drillfurche transportiert wird,
- wobei ein zweiter Winkel zwischen der Einlassrichtung der Saatgutdosierleitung, die auf eine Ebene projiziert wird, die tangential zur saatguttragenden Seite des Saatgutdosierelements in der Mitte des Aufnahmebereichs verläuft und einer Linie in der Ebene, wobei die Linie tangential zum Teilkreis verläuft, in einem Intervall zwischen 0° und 30° liegt;
- in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen;
- 2.
der Klägerin in EDV auswertbarer, elektronischer Form Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 25. April 2018 begangen hat, und zwar unter Angabe - a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden; - 3.
der Klägerin Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die unter Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 25. Mai 2018 begangen hat, und zwar unter Vorlage eines mittels EDV auswertbaren, elektronischen, gesonderten Verzeichnisses, insbesondere unter Angabe - a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen unter Einschluss von Produktbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, und -preisen unter Einschluss von Produktbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, und
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei
- der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- zum Nachweis der Angaben zu Buchstabe b) die entsprechenden Einkaufs- und Verkaufsbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in elektronischer Form vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 4.
die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf ihre – der Beklagten – Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben, - wobei der Beklagten gestattet ist, die landwirtschaftliche Maschine, statt sie zu vernichten, in der Form umzugestalten, dass die Saatgutdosiervorrichtung statt mit der Stützvorrichtung der Drilleinheit mit dem Strukturelement der landwirtschaftlichen Maschine über Gelenkarme unmittelbar aber beweglich verbunden ist wie nachstehend abgebildet:
- wobei die Beklagte sämtliche Kosten der Umgestaltung trägt;
- 5.
die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 25. Mai 2018 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse zurückzurufen, indem die Beklagte die gewerblichen Abnehmer unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und unter Angabe des Urteils schriftlich auffordert, die Erzeugnisse zurückzusenden, verbunden mit der verbindlichen Zusage, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und indem die Beklagte die Erzeugnisse wieder an sich nimmt, - wobei der Beklagten gestattet ist, denjenigen Dritten, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, auch anzubieten, anstatt das Erzeugnis gegen Erstattung des Kaufpreises an die Beklagte zurückzugeben, die landwirtschaftliche Maschine in der Form umzugestalten, dass die Saatgutdosiervorrichtung statt mit der Stützvorrichtung der Drilleinheit mit dem Strukturelement der landwirtschaftlichen Maschine über Gelenkarme unmittelbar aber beweglich verbunden ist wie nachstehend abgebildet:
- wobei die Beklagte sämtliche Kosten der Umgestaltung trägt.
- II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr entstanden ist und noch entstehen wird aufgrund der seit dem 25. Mai 2018 begangenen Handlungen gemäß Ziffer I.1. - III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. - IV.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. - V.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 Euro, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden: - für Ziffer I. 1. 4 und 5. des Tenors: 175.000,00 EUR,
für Ziffer I. 2. und 3. des Tenors: 50.000,00 EUR und
für Ziffer IV. des Tenors: 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. - Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 3 172 XXX B 1 (nachfolgend „Klagepatent“, Anlage HE-A 1, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage HE-A 2) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 20. Oktober 2009 unter Inanspruchnahme einer schwedischen Priorität vom 18. November 2008 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 25. April 2018 veröffentlicht. Gegen die Erteilung des Klagepatents wurde Einspruch erhoben, über den noch nicht entschieden ist.
- Das Klagepatent betrifft eine Anordnung einer Saatgutdosiervorrichtung auf einer landwirtschaftlichen Maschine. Der geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet in deutscher Übersetzung:
- „Landwirtschaftliche Maschine, umfassend:
eine Vielzahl von Drilleinheiten (2), die jeweils umfassen:
eine Stützvorrichtung (21),
eine Saatgutdosiervorrichtung (8) zum Verteilen von Saatgut in einer Drillfurche (9a) im Boden (9), über den sich die landwirtschaftliche Maschine (1) bewegt,
wobei jede Drilleinheit (2) mit einem Strukturelement (3) der landwirtschaftlichen Maschine beweglich verbunden ist und die Saatgutdosiervorrichtung (8) mit der Stützvorrichtung (21) der Drilleinheit (2) fest verbunden ist,
wobei die Saatgutdosiervorrichtung (8) umfasst:
ein Saatgutdosierelement (803), das mittels einer Antriebsvorrichtung angeordnet ist, um Saatgut zu einer Saatgutdosierleitung (812) zu transportieren,
eine Kammer (882) für Saatgut (92), wobei die Kammer (882) angeordnet ist, um von einem Druckerzeugungselement (80) der landwirtschaftlichen Maschine mit Überdruck beaufschlagt zu werden,
wobei das Saatgutdosierelement (803) eine Wand bildet, welche die Kammer (882) begrenzt und Löcher (804) oder Aussparungen aufweist, welche die Kammer (882) mit der Umgebung verbinden, um eine Druckdifferenz zu erzeugen und dadurch Saatgut an den Löchern/Aussparungen (804) des Saatgutdosierelements (803) festzuhalten und zu transportieren, wobei das Saatgutdosierelement (803) eine drehsymmetrische Form um eine Drehachse (805) aufweist, wobei die Löcher/Aussparungen (804) in gleichen Abständen voneinander entlang eines Teilkreises (811) konzentrisch zur Drehachse (805) verteilt sind, dadurch gekennzeichnet, dass
die Saatgutdosierleitung (812) einen Einlass (814) in der Kammer (882) aufweist, wobei ein Luftstrom aus der Saatgutdosierleitung (812) durch den Überdruck in der Kammer (882) geschaffen wird;
der Einlass (814) der Saatgutdosierleitung in einer engen Verbindung mit einem Aufnahmebereich (818) auf einer saatguttragenden Seite (803a) des Saatgutdosierelements (803) angeordnet ist;
die Saatgutdosiervorrichtung (8) eine Druckausgleichseinrichtung (808) aufweist, die auf einer nicht-saatguttragenden Seite (803b) in einem Bereich gegenüber dem Aufnahmebereich (818) angeordnet ist und konfiguriert ist, um im Aufnahmebereich (818) die Druckdifferenz über den Löchern/Aussparungen (804) zu beseitigen und dadurch auch die Kraft, die das Saatgut einfängt, wodurch das Saatgut vom Saatgutdosierelement zum Einlass der Saatgutdosierleitung fällt, bis das Saatgut durch den Luftstrom beschleunigt und aus der Kammer (882) durch die Saatgutdosierleitung (812) zur Drillfurche (91) transportiert wird, wobei ein zweiter Winkel (V2) zwischen der Einlassrichtung (821) der Saatgutdosierleitung, die auf eine Ebene (820) projiziert wird, die tangential zur saatguttragenden Seite (803a) des Saatgutdosierelements in der Mitte des Aufnahmebereichs (818) und einer Leitung in der Ebene (820) verläuft, wobei die Leitung tangential zum Teilkreis (811) verläuft und in einem Intervall zwischen 0° und 30° liegt.“ - Wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere wenn“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 2 bis 4 und 7 bis 9 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
- Die nachfolgenden Figuren stammen aus der Klagepatentschrift:
- Figur 5a zeigt einen Schnitt B-B durch die Rotationsachse des Saatgutdosierelements einer ersten Ausführungsform der Saatgutdosiervorrichtung. Figur 6 zeigt einen zur Fahrtrichtung der Einzelkornsähmaschine parallelen, vertikalen Schnitt D-D und Figur 7 einen zur Fahrtrichtung der Legemaschine senkrechten, vertikalen Schnitt E-E einer zweiten Ausführungsform einer in der Drilleinheit umfassten Saatgutdosiervorrichtung.
- Die Beklagte stellt in der Bundesrepublik Deutschland her und vertreibt Technik für die Bereiche Bodenbearbeitung, Aussaat und Pflanzenschutz. Zu den Produkten der Beklagten gehört die Einzelkorn-Sämaschine Azurit 9, die gemäß dem als Anlage HE A 5 vorgelegten deutschsprachigen Katalog der Beklagten in verschiedenen Modellvarianten mit 4, 6 oder 8 Drilleinheiten vertrieben wird (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“). Zudem zeigte die Beklagte diese Einzelkorn-Sämaschine auf der Messe Agritechnica in Hannover im November 2019.
- Die angegriffene Ausführungsform weist eine Saatgutdosiervorrichtung mit einem Saatgutdosierelement und einer Kammer auf wie folgt (entnommen aus Figur 5 der Anlage HE-A 10):
- Die Klägerin ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von den Merkmalen des Klagepatentanspruchs Gebrauch. Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellten daher eine unmittelbare Verletzung des Klagepatents dar.
- Die Saatgutdosiervorrichtung der angegriffenen Ausführungsform verfüge über ein Saatgutdosierelement in Form einer perforierten Trommel, die sich in einer mit Überdruck beaufschlagten Kammer befinde und in der Atmosphärendruck herrsche. Diese Trommel bilde eine Schnittstelle zwischen dem Überdruck in der Kammer und dem Atmosphärendruck, wodurch dem Zweck entsprechend Saatkörner in den Löchern in der Trommel aufgenommen, gehalten und durch die Rotation der Trommel transportiert werden könnten.
- Die angegriffene Ausführungsform verfüge auch über eine Saatgutdosierleitung, die einen Einlass in der Kammer aufweise. Der in der Kammer herrschende Überdruck liege am Einlass des Stutzens als Teil der Saatgutdosierleitung an, so dass die Luft in der Kammer ausschließlich durch die Löcher in der Trommel und die Saatgutdosierleitung entweichen könne. Die seitlich in den Stutzen eingebrachten Schlitze vergrößerten lediglich den Querschnitt für die in die Saatgutdosierleitung einströmende Luft, wodurch die Beschleunigung der Luft in die Saatgutdosierleitung bzw. in den Stutzen – ähnlich einer Düse – gleichmäßiger werde.
- Weiter sei bei der angegriffenen Ausführungsform das Loch, aus dem das Saatkorn freigelassen werde, unmittelbar oberhalb der Öffnung des Stutzens und damit in enger Verbindung mit dem Einlass der Saatgutdosierleitung angeordnet.
- Darüber hinaus werde das Saatgut bei der angegriffenen Ausführungsform – wenn sich die Druckausgleichseinrichtung auf der nicht-saatguttragenden Seite des Saatgutelements über das Durchgangsloch und den Aufnahmebereich der Saatgutdosierleitung schiebe – von dem in der Saatgutdosiervorrichtung vorhandenen Luftstrom erfasst und zum Eingang der Saatgutdosierleitung bewegt. Das Klagepatent verlange dabei keineswegs eine Fallstrecke in dem Sinne, dass das Saatgut aus dem Saatgutdosierelement herabfalle und in dem Einlass der Saatgutdosierleitung lande.
- Der geltend gemachte Rückrufanspruch sei nicht zu weit gefasst. Auch in Deutschland angebotene und ins Ausland verkaufte Verletzungsprodukte unterlägen dem Rückrufanspruch.
- Weiterhin würden allein hohe Kosten nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit des Rückrufs führen. Die Beklagte habe Umstände, die eine Unverhältnismäßigkeit belegen könnten, nicht dargelegt.
- Gleiches sei hinsichtlich des geltend gemachten Vernichtungsanspruchs der Fall. Der pauschale Hinweis auf Ausgestaltungen, die im Stand der Technik bereits bekannt seien, könne einen substantiierten Vortrag nicht ersetzen. Auch ein angeblich bestehendes Wertgefälle begründe eine Unverhältnismäßigkeit des Anspruchs nicht.
- Schließlich werde sich das Klagepatent als rechtsbeständig erweisen.
- Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zu Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Vernichtung, Rückruf und endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen zu verurteilen sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz festzustellen.
- Nachdem die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen hat, beantragt sie nunmehr
- hinsichtlich der Anträge zu I.1., I.2., I.3. und II. zu erkennen wie geschehen
- sowie mit ihren Anträgen zu I.4. und I.5 die Beklagte zu verurteilen,
- die in der Bundesrepublik Deutschland im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder Eigentum der Beklagten befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Erzeugnisse auf ihre – der Beklagten – Kosten zu vernichten oder an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben
- und
- die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 25. Mai 2018 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse zurückzurufen, indem die Beklagten die gewerblichen Abnehmer unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und unter Angabe des Urteils schriftlich auffordern, die Erzeugnisse zurückzusenden, verbunden mit der verbindlichen Zusage, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und indem die Beklagte die Erzeugnisse wieder an sich nimmt.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen
- hilfsweise,
- den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das bei der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts unter dem Aktenzeichen 16 201 395.7 – 1006 -/ 3 172 XXX anhängige Einspruchsverfahren gegen die Aufrechterhaltung des Klagepatents EP 3 172 XXX B 1 auszusetzen
- sowie
- ihr im Unterliegensfall zu gestatten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
- Die Beklagte ist der Auffassung, eine Verletzung des Klagepatents läge nicht vor.
- Die Saatgutdosiervorrichtung der angegriffenen Ausführungsform verfüge über eine umfangsseitig komplett geschlossene Kammer, in der ein Überdruck aufgebaut werde. Im Inneren dieser Kammer rotiere eine separate, perforierte Trommel. Der Überdruck in der komplett geschlossenen Kammer könne durch die Perforation in der Trommel in das Innere der Trommel gelangen und von dort über eine Welle der Trommel nach außen geführt werden. Eine entsprechende Lösung sei aus dem Stand der Technik vorbekannt.
- Ferner werde bei der angegriffenen Ausführungsform der Aufnahmebereich für das Saatgut durch einen Stutzen gebildet, der in der Nähe der Halteausnehmungen des Saatgutdosierelements für das Saatgut eine größere Öffnung und im weiteren Verlauf beidseitig Längsschlitze aufweise. An diesen Stutzen schließe sich – außerhalb der Kammer – die Saatgutdosierleitung an. Sofern die größere Öffnung des Stutzens mithin als Einlass in der Kammer angesehen werde, werde in diesen hinein kein Luftstrom geschaffen, da durch die weiteren beidseitigen Schlitze des Stutzens im gesamten Bereich des Stutzens noch der Überdruck herrsche, der auch in der Kammer anstehe. Solange der Druck dort gleichmäßig vorhanden sei, bilde sich auch kein Luftstrom aus. Dieser Luftstrom entstehe erst weiter unterhalb, wo keine Verbindungen und Öffnungen zur Kammer mehr vorhanden seien.
- Der Einlass – wie ihn die Klägerin interpretieren möchte – sei bei der angegriffenen Ausführungsform eine große obenseitige Öffnung des Stutzens, an den sich die Saatgutdosierleitung anschließe. Diese Öffnung befinde sich ganz überwiegend nicht in einer engen Verbindung mit dem Aufnahmebereich des Saatgutdosierelements. Möchte die Klägerin hingegen erst das untere Ende des Stutzens – dort wo in seinen Seiten keine Luftschlitze mehr vorhanden sind – als Einlass interpretiert wissen, wäre dieser vom Aufnahmebereich des Saatgutdosierelements noch weiter beabstandet.
- Der geltend gemachte Rückrufanspruch sei zu weit gefasst, da er nicht auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sei. Darüber hinaus sei der Rückrufanspruch auch unverhältnismäßig, da sie (die Beklagte) auch die bereits im Markt befindlichen Maschinen abändern könne. Sie verfüge über eine patentfreie Ausweichtechnik, die den Abnehmern der Altmaschinen als kostenlose Umrüstung angeboten werden könne. Diese Ausweichtechnik sehe vor, dass die Saatgutdosiervorrichtung über Parallelogrammschenkel unmittelbar und beweglich mit dem Strukturelement bzw. dem Maschinenrahmen verbunden werde. Die Saatgutdosiervorrichtung bewege sich dabei unabhängig von der Stützvorrichtung der Drilleinheit. Der Bewegungsspielraum werde lediglich durch Puffer begrenzt. Im Betrieb führe die Saatgutdosiervorrichtung gegenüber der Drilleinheit Relativbewegungen aus. Die durch Bodenunebenheiten induzierten Vertikalbewegungen der Drilleinheit würden wegen der Puffer, die eine Federfunktion übernähmen, nur eingeschränkt auf die Saatgutdosiervorrichtung übertragen. Zum Ausgleich der Relativbewegungen sei die Saatgutdosierleitung teleskopierend ausgebildet, wobei ihr längenvariabler Teil durch einen Faltenbalg geschützt sei. Damit befände sich die Ausweichtechnik im gegenüber dem Streitpatent als Anlage BA8 vorgelegten freien Stand der Technik.
- Hinsichtlich dieser Ausweichtechnik habe die Beklagte bereits Umbaukits konfektioniert, mit denen sämtliche hergestellten Modelle der angegriffenen Ausführungsform umgerüstet werden könnten. Dies betreffe sowohl die bis Ende September 2020 hergestellten Maschinen Azurit 9 in einer Ursprungsversion als auch die ab Oktober 2020 gebaut Neuversion der Azurit 9. Es sei der Beklagten nicht zumutbar, ihre Kunden aufzufordern, die streitbefangenen Maschinen zu ihrem Firmensitz transportieren zu lassen, da die Transportkosten in keinem sinnvollen Verhältnis zu den Versandkosten für den Umbau stünden. Da den Kunden der Umbau kostenlos angeboten werde, sei zu erwarten, dass die Kunden von diesem Angebot auch Gebrauch machen würden.
- Ferner würden die Umbaukosten pro Maschine nur einen Bruchteil der Gesamtkosten der angegriffenen Maschine betragen. Für die Ursprungsversion Azurit 9 belaufe sich der Gesamtaufwand für den Umbau auf 6.252,98 Euro, für die Neuversion der Azurit 9 auf 1.543,20 Euro. Der Netto-Werkabgabepreis betrage hingegen durchschnittlich 33.183,00 Euro und zuzüglich Sonderausstattung 46.800,00 Euro.
- Der von der Klägerin geltend gemachte Vernichtungsanspruch sei unverhältnismäßig. Die Saatgutdosiervorrichtung und die Säherzen der angegriffenen Maschinen seien auf unkomplizierte Weise und mit geringem Aufwand gegen andersartig arbeitende oder anders gestaltete Säherzen austauschbar. Zudem mache der Wert der Säherzen nur einen Bruchteil des Wertes einer kompletten Reiheneinheit der angegriffenen Maschinen aus.
- Schließlich werde sich das Klagepatent als nicht rechtsbeständig erweisen. Der Gegenstand des Klagepatents sei unzulässig erweitert und weder neu noch erfinderisch. Dies habe die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts mit ihrem, als Anlage HE-A 11 vorgelegten Vorbescheid vom 24. Februar 2020 bereits mitgeteilt.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.
- A.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte im tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Feststellung der Schadensersatzpflicht sowie Rückruf und Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, §§ 139 Abs. 1 und 2, § 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB, wobei die Klägerin lediglich eine teilweise Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform verlangen kann und der Beklagten zu gestatten ist, statt des Rückrufs den Umbau der angegriffenen Ausführungsform anzubieten. - I.
Das Klagepatent betrifft eine Anordnung einer Saatgutdosiervorrichtung auf einer landwirtschaftlichen Maschine. - Nach der Beschreibung des Klagepatents wird eine landwirtschaftliche Maschine vom Einzelkornsähmaschinentyp üblicherweise von einem Traktor gezogen über den zu besäenden Boden gefahren und umfasst eine Mehrzahl von Drilleinheiten. Diese Drilleinheiten sind in der seitlichen Richtung der Maschine verteilt und jeweils angeordnet, um eine Drillfurche in der Fahrtrichtung der Maschine zu bilden und um mittels einer speziellen Vorrichtung eine Saatreihe in der Drillfurche abzulegen. Dabei ist es wichtig, das Saatgut mit konstantem, gleichmäßigem Abstand abzulegen, um für die Feldfrüchte und die Erne gute Bedingungen zu schaffen. Weiterhin ist es gewünscht, so das Klagepatent, beim Säen eine hohe Bewegungsgeschwindigkeit beibehalten zu können, da dies den Zeitaufwand verringert (Abs. [0002], Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift).
- Die US 4,450,XXX offenbart eine Saatgutvorrichtung für eine Legemaschine mit Drilleinheiten, die jeweils zwei drehbare Scheiben aufweisen, welche zum Bilden einer Drillfurche in entgegengesetzte Richtungen geneigt sind, und die in Bezug auf den Rahmen der Legemaschine vertikal beweglich sind. Die Saatgutdosiervorrichtungen, die jeweils mit einer jeweiligen Drilleinheit fest verbunden sind, sind einzeln angeordnet, um jeweils ein Saatkorn auf die jeweilige Drillfurche zu verteilen. Die Aufnahme des Saatguts auf dem Saatgutdosierelement erfolgt dabei mittels eines Überdrucks auf der Saatgutseite des Saatgutdosierelements. Dieser Überdruck wird durch eine Bürstendichtung sowie eine Trennblechdichtung von dem Bereich getrennt, in dem sich das Saatgut vom Saatgutdosierelement löst, um allein per Schwerkraft durch einen Saatgutschacht in die Drillfurche zu fallen (Abs. [0003]). Als ähnlichen Stand der Technik nennt das Klagepatent die US 3,888,XXX und die US 4,356,XXX.
- An dem genannten Stand der Technik kritisiert das Klagepatent in Absatz [0004], dass bei diesen Lösungen bei relativ hohen Geschwindigkeiten der Maschine nicht selten eine Verteilung des Saatguts in ungleichmäßigen Abständen entlang der Drillfurche erhalten wird. Diese ungleichmäßige Verteilung des Saatguts wird durch den Umstand bewirkt, dass das Saatgut mit einer anfänglichen Geschwindigkeit aus dem Saatgutdosierelement abgegeben wird, um per Schwerkraft in den Saatgutschacht und durch dieselbe Gleitrinne nach unten zur Drillfurche zu Boden zu fallen. Wenn sich das Saatgut vom Saatgutdosierelement löst, verändert sich, so das Klagepatent weiter, die anfängliche Geschwindigkeit des Saatguts in Richtung Boden in Abhängigkeit von den vertikalen Bewegungen der Drilleinheit und dadurch der Saatgutdosiervorrichtung bei der Fahrt über die Unebenheiten des Feldes. Die Veränderung der anfänglichen Geschwindigkeit führt zu einer Veränderung der Transportzeit des Saatguts vom Dosierelement zur Drillfurche.
- Die SE0700XXX (WO 2008/108XXX A 1) zeigt, so das Klagepatent, eine Lösung, bei der durch Verändern der Drehgeschwindigkeit des Saatgutdosierelements in Abhängigkeit von den vertikalen Bewegungen der Saatgutdosiervorrichtung die Veränderung der anfänglichen Geschwindigkeit verringert wird (Abs. [0005]).
- Nach dem Klagepatent ist ein weiterer, die Transportzeit verändernder Faktor, dass manche Saatkörner gegen die Wand des Saatgutschafts prallen, wobei dies einerseits von den vertikalen Bewegungen des Saatgutschachts bei der Fahrt über die Unebenheiten des Feldes und andererseits von einer Veränderung des Fallwinkels des Saatguts im freien Fall hinab in den Saatgutschacht abhängt. Veränderungen der Transportzeit von der Saatgutdosiervorrichtung zur Drillfurche führen zu einer Verteilung des Saatguts in ungleichmäßigen Abständen entlang der Drillfurche (Abs. [0006]).
- Die beschriebenen Probleme mit einer Verteilung des Saatguts in ungleichmäßigen Abständen in der Drillfurche können, so das Klagepatent, bedeuten, dass die Bewegungsgeschwindigkeit beim Säen relativ niedrig gehalten werden muss (Abs. [0007]).
- Vor diesem Hintergrund bezeichnet es das Klagepatent als eine Aufgabe, den Zeitaufwand beim Säen durch eine landwirtschaftliche Maschine vom Einzelkornsähmaschinentyp zu verringern (Abs. [0008]). Eine andere Aufgabe der Erfindung besteht darin, höhere Bewegungsgeschwindigkeiten beim Säen durch eine landwirtschaftliche Maschine vom Einzelkornsähmaschinentyp zu erlauben (Abs. [0009]). Eine weitere Aufgabe der Erfindung besteht darin, eine Positionierung von Saatgut in gleichmäßigen Abständen in der Drillfurche durch eine landwirtschaftliche Maschine vom Einzelkornsähmaschinentyp vorzusehen (Abs. [0010]). Schließlich besteht eine Aufgabe des Klagepatents darin, eine Positionierung von Saatgut in gleichmäßigen Abständen in der Drillfurche durch eine landwirtschaftliche Maschine vom Einzelkornsähmaschinentyp vorzusehen auch bei relativ hohen Geschwindigkeiten der landwirtschaftlichen Maschine (Abs. [0011]).
- Zur Lösung des Problems schlägt das Klagepatent eine landwirtschaftliche Maschine der eingangs genannten Art mit den Merkmalen des Anspruchs 1 vor, die nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben sind:
- 1. Landwirtschaftliche Maschine, umfassend:
- 2. eine Vielzahl von Drilleinheiten (2), die jeweils umfassen:
- 2.1. eine Stützvorrichtung (21)
- 2.2. eine Saatgutdosiervorrichtung (8) zum Verteilen von Saatgut in einer Drillfurche (9a) im Boden (9), über den sich die landwirtschaftliche Maschine (1) bewegt,
- 3 wobei jede Drilleinheit (2) mit dem Strukturelement (3) beweglich verbunden ist und
- 4 die Saatgutdosiervorrichtung (8) mit der Stützvorrichtung (21) der Drilleinheit (2) fest verbunden ist,
- 5. wobei die Saatgutdosiervorrichtung (8) umfasst:
- 5.1. ein Saatgutdosierelement (803), das mittels einer Antriebsvorrichtung angeordnet ist, um Saatgut zu einer Saatgutdosierleitung (812) zu transportieren,
- 5.2. eine Kammer (882) für Saatgut (92), wobei die Kammer (882) angeordnet ist, um von einem Druckerzeugungselement (880) der landwirtschaftlichen Maschine mit einem Überdruck beaufschlagt zu werden,
- 5.3. wobei das Saatgutdosierelement (803) eine Wand bildet, welche die die Kammer (882) begrenzt und
- 5.4 Löcher (804) oder Aussparungen aufweist, welche die Kammer (882) mit der Umgebung verbinden, um eine Druckdifferenz zu erzeugen und dadurch Saatgut an den Löchern/Aussparungen (804) des Saatgutdosierelements (803) festzuhalten und zu transportieren,
- 5.5 wobei das Saatgutdosierelement (803) eine drehsymmetrische Form um eine Drehachse (805) aufweist, wobei die Löcher/Aussparungen (804) in gleichen Abständen voneinander entlang eines Teilkreises (811) konzentrisch zur Drehachse (805) verteilt sind,
- 6. wobei die Saatgutdosierleitung (812) einen Einlass (814) in der Kammer (882) aufweist; wobei ein Luftstrom aus der Saatgutdosiervorrichtung durch die Saatgutdosierleitung (812) durch den Überdruck der Kammer (882) geschaffen wird;
- 7. wobei der Einlass (814) der Saatgutdosierleitung in einer engen Verbindung mit einem Aufnahmebereich (818) auf einer saatguttragenden Seite (803a) des Saatgutdosierelements (803) angeordnet ist;
- 8. wobei die Saatgutdosiervorrichtung (8) eine Druckausgleichseinrichtung (808) aufweist, die auf einer nicht-saatguttragenden Seite (803b) in einem Bereich gegenüber dem Aufnahmebereich (818) angeordnet ist und konfiguriert ist, um im Aufnahmebereich (818) die Druckdifferenz über den Löchern/Aussparungen (804) zu beseitigen und dadurch auch die Kraft, die das Saatgut einfängt,
- 9. wodurch das Saatgut vom Saatgutdosierelement zum Einlass der Saatgutdosierleitung fällt, bis das Saatgut durch den Luftstrom beschleunigt und aus der Kammer (882) durch die Saatgutdosierleitung (812) zur Drillfurche (9a) transportiert wird;
- 10. wobei ein zweiter Winkel (V2) zwischen der Einlassrichtung (821) der Saatgutdosierleitung, die auf eine Ebene (802) projiziert wird, die tangential zur saatguttragenden Seite (803a) des Saatgutdosierelements in der Mitte des Aufnahmebereichs (818) verläuft und einer Linie in der Ebene 8820), wobei die Linie tangential zum Teilkreis (811) verläuft, in einem Intervall zwischen 0° und 30° liegt.
-
II.
Das Klagepatent offenbart nach Anspruch 1 eine landwirtschaftliche Maschine vom Typ einer Einzelkornsämaschine mit einer Vielzahl von Drilleinheiten. Diese Drilleinheiten umfassen jeweils eine Stützvorrichtung und eine Saatgutdosiervorrichtung, wobei die vom Klagepatent geforderte Ausgestaltung dieser Vorrichtung für die Saatgutdosierung zwischen den Parteien in Streit steht. - 1.
Die Saatgutdosiervorrichtung nach Merkmal 5 umfasst ein Saatgutdosierelement (Merkmal 5.1), das das Saatgut zur Saatgutdosierleitung transportieren soll und eine Kammer (Merkmal 5.2), in der sich das Saatgut befindet. Die Kammer und das Saatgutdosierelement sollen dabei in der Saatgutdosiervorrichtung räumlich so angeordnet sein, dass das Saatgut aus der Kammer mittels des Saatgutdosierelements zur Saatgutdosierleitung gelangen kann, wobei das Saatgutdosierelement nach Merkmal 5.3 eine Wand bildet, die die Kammer begrenzt. Diese Wand ist – der beschriebenen räumlich-körperlichen Anordnung folgend – eine Fläche, die vom Saatgutdosierelement gebildet wird und die die Kammer begrenzt. - Der Wortlaut des Klagepatents gibt nicht vor, ob durch diese Wand eine räumliche Begrenzung der Kammer nach außen erfolgen soll. Vielmehr kann das Saatgutdosierelement auch eine Begrenzung der Kammer nach innen in Form einer Innenwand bilden. Denn nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kann eine Wand auch eine Innenwand sein; auch dieser kommt in ihrer Fläche eine Begrenzungsfunktion zu – nämlich die Begrenzung des Raumes nach innen.
- Technisch-funktional betrachtet hat der Fachmann ebenfalls keine Veranlassung, die Wand, die das Saatgutdosierelement bildet, als Außenwand vorzusehen. Saatgutdosiervorrichtungen bestehend aus Saatgutdosierelement und Kammer, wie sie der Klagepatentanspruch in seinem Oberbegriff beschreibt, waren im Stand der Technik grundsätzlich bekannt. In dem umgrenzten Raum der Kammer, die das Saatgut aufnimmt, herrscht dabei Überdruck. Wesentlich ist, dass das Saatgutdosierelement diesen mit Überdruck beaufschlagten Raum – die Kammer – von ihrer Umgebung in der andere, geringere Druckverhältnisse bestehen, abgrenzt. Dadurch, dass das Saatgutdosierelement nach Merkmal 5.4 Löcher bzw. Aussparungen aufweist, die die Kammer mit der außerhalb der Kammer mit der Umgebung und den dort vorherrschenden geringeren Druckverhältnissen verbinden, wird eine Druckdifferenz erzeugt, durch die das Saatgut an den Löchern/Aussparungen des Saatgutdosierelements gehalten wird. Das Saatgutdosierelement transportiert das Saatgut dann zur Saatgutdosierleitung weiter.
- Diese Funktion des Saatgutdosierelements setzt nicht voraus, dass es die Kammer als Außenwand zur Umgebung abgrenzt. Entscheidend ist, dass das Saatgutdosierelement die Kammer zur Umgebung und den dort herrschenden Druckverhältnissen abgrenzt. Dabei muss in der Umgebung – hierauf weist das Klagepatent in der Beschreibung in Absatz [0043] hin – nicht notwendigerweise normaler Umgebungsluftdruck oder Atmosphärendruck vorherrschen, solange der dort herrschende Druck niedriger ist als der in der Kammer bestehende Überdruck. Somit sind auch andere, aus dem Stand der Technik bekannte Gestaltungen, beispielsweise gemäß der US 6, 142,XXX (Anlage BA 6) vom Klagepatentanspruch umfasst.
- 2.
Nach Merkmal 6 weist die Saatgutdosierleitung einen Einlass in der Kammer auf. Der Einlass ist dabei die Stelle der Saatgutdosierleitung, an der das Saatgut vom Saatgutdosierelement kommend in die Leitung eintritt und nach unten zur Drillfurche gelangt, folglich der in Richtung Kammer obere Abschnitt dieser Leitung, durch den ein Raum von der übrigen Saatgutkammer abgegrenzt wird. Ob dieser Raum, mithin die Saatgutdosierleitung, an dieser Stelle vollumfänglich von einer Wandung umgeben ist oder in dieser Wandung Öffnungen oder Schlitze vorhanden sind, ist unbeachtlich, solange das Saatgut ab dem Einlass von der Kammer separiert ist und geführt wird. - Der Fachmann entnimmt dem Wortlaut des Merkmals 6 in Zusammenschau mit dem Merkmal 9 weiterhin, dass der Einlass innerhalb der Saatgutdosiervorrichtung nicht räumlich punktuell zu verorten ist, sondern diesem Einlass im Sinne eines Bereiches eine räumliche Ausdehnung zuzugestehen ist, in dem ein Luftstrom besteht, der aus der Saatgutdosiervorrichtung kommend durch die Saatgutdosierleitung fließt und durch den Überdruck in der Kammer geschaffen wird. Der Fachmann wird daher eine räumlich-körperliche Anordnung derart vorsehen, dass in dem oberen Abschnitt der Saatgutdosierleitung, die den Einlass bildet, Druckausgleichsströmungen zwischen dem Überdruck der Kammer und dem außerhalb der Kammer herrschenden Umgebungsdruck bestehen können. Dem Wort „wobei“ im letzten Teilmerkmal des Merkmals 6 kommt dabei keine abweichende Bedeutung zu dem Begriff „wherein“ zu, der in der englischen Anspruchsfassung verwendet wird. Dies entnimmt der Fachmann auch der Beschreibung des Klagepatents in Abschnitt [0014].
- Auch bei technisch-funktionaler Betrachtung ist nicht zu fordern, dass der Luftstrom bereits an der ersten Wandung des Einlasses gegeben ist. Entscheidend ist vielmehr, dass im Bereich des oberen Abschnitts der Saatgutdosierleitung ein Luftstrom besteht, der das aus dem Saatgutdosierelement in die Saatgutdosierleitung fallende Saatgut in der Saatgutdosierleitung beschleunigt und zur Drillfurche transportiert. Dem Klagepatent geht es somit darum, dass sich das Saatgut aus dem Saatgutdosierelement löst, in Richtung des Einlasses der Saatgutdosierleitung fällt und dann alsbald durch den in der Saatgutdosierleitung herrschenden Luftstrom beschleunigt wird. Ob diese Beschleunigung dabei direkt beim Eintritt in die Saatgutdosierleitung an der ersten Wandung einsetzt oder nach dem Eintritt im oberen Bereich der Saatgutdosierleitung, ist im Hinblick darauf, dass mit der Beschleunigung des Saatguts die nachteiligen Auswirkungen auf die Saatgutablage in der Drillfurche durch die Veränderung der vertikalen Geschwindigkeit der landwirtschaftlichen Maschine vermindert werden sollen, in das Belieben des Fachmanns gestellt.
- 3.
Der Einlass der Saatgutdosierleitung soll nach Merkmal 7 in einer engen Verbindung mit dem Aufnahmebereich für das Saatgut stehen. Dieser Aufnahmebereich ist räumlich-körperlich auf der saatguttragenden Seite des Saatgutdosierelements angeordnet und beschreibt den Bereich, in dem sich das Saatgut von dem Saatgutdosierelement löst. Dieser Bereich befindet sich um die Löcher/Aussparungen des Saatgutdosierelements herum und wird begrenzt durch die Position der auf der nichtsaatguttragenden Seite des Saatgutdosierelements angeordneten Druckausgleichseinrichtung. Denn diese Druckausgleichseinrichtung beseitigt die Druckdifferenz über den Löchern/Aussparungen, so dass sich das Saatgut in diesem Bereich von dem Saatgutdosierelement lösen kann (Merkmal 8). Das Saatgut fällt dann – dies entnimmt der Fachmann dem Merkmal 9 – zum Einlass der Saatgutdosierleitung bis es von dem Luftstrom erfasst und zur Drillfurche transportiert wird. - Mit dem Aufnahmebereich soll der Einlass der Saatgutdosiervorrichtung in einer engen Verbindung stehen, wobei das Merkmal nicht verlangt, dass der Einlass unmittelbar direkt an diesen Aufnahmebereich angrenzt. Der Fachmann kann vielmehr auch eine räumlich-körperliche Anordnung vorsehen, bei der der Einlass zum Aufnahmebereich beabstandet ist, wobei der Abstand so gewählt sein muss, dass das sich aus der Saatgutdosiervorrichtung lösende Saatgut zuverlässig in den Einlass der Saatgutdosierleitung fällt. In keinem Fall ist die enge Verbindung auf eine Anordnung von Einlass und Aufnahmebereich wie in den Figuren des Klagepatents oder gar auf einen Luftspalt beschränkt.
- Dieses Verständnis entnimmt der Fachmann auch den Abschnitten [0014], [0016] und [0018], die Teil der allgemeinen Beschreibung des Klagepatents sind. Durch die Anordnung des Einlasses in enger Verbindung mit dem Aufnahmebereich soll der Fallabstand und dadurch die Fallzeit des Saatguts vom Lösen des Saatguts vom Saatgutdosierelement bis zum Einlass des Saatgutdosierelements minimiert werden. Dabei wird nicht verlangt, dass die Saatgutdosierleitung direkt an dem Saatgutdosierelement anliegt.
- 4.
Nach Merkmal 9 verlangt das Klagepatent schließlich, dass das Saatgut vom Saatgutdosierelement zum Einlass der Saatgutdosierleitung fällt. Mit diesem Merkmal wird die enge Verbindung zwischen dem Aufnahmebereich und dem Einlass der Saatgutdosierleitung realisiert. Löst sich das Saatgut vom Dosierelement, soll es in de Einlass fallen, wobei es eben auch frei fallen kann und nicht unmittelbar vom Luftstrom des Einlasses erfasst werden muss. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen zu den Merkmalen 6 und 7 verwiesen. -
III.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Sie verwirklicht insbesondere die Merkmalsgruppe 5 sowie die Merkmale 6, 7 und 9. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, weshalb sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen - 1.
Die angegriffene Ausführungsform weist eine Saatgutdosiervorrichtung auf, in der sich eine umfangsseitig komplett geschlossene Kammer für das Saatgut befindet und die mit Überdruck beaufschlagt werden kann gemäß Merkmal 5.2. Im Inneren der Kammer rotiert eine separate, perforierte Trommel, die mit dem Umgebungsdruck in Verbindung steht und durch dessen Perforation ein Druckgefälle zwischen der Kammer und dem Inneren der Trommel besteht. Die Druckluft wird von der Kammer durch die Perforation in die Trommel und von dort über eine Welle der Trommel nach außen geführt wird. Diese Trommel ist das Saatgutdosierelement innerhalb der Saatgutvorrichtung gemäß Merkmal 5.1. Da sich die Trommel im Inneren der Kammer für das Saatgut befindet, bildet sie eine räumliche Fläche der Kammer aus, die diese zur Umgebung nach innen begrenzt und somit eine Wand gemäß Merkmal 5.3. Dabei ist es nach der hier vertretenen Auslegung unbeachtlich, dass diese Wand die Kammer nach innen begrenzt. - 2.
Die angegriffene Ausführungsform weist des weiteren einen Stutzen auf, der sich in der Nähe der Halteausnehmungen des Saatgutdosierelements befindet. Dies veranschaulicht die nachfolgende Abbildung (entnommen S. 21 der Klageerwiderung): - Die obere Öffnung des Stutzens weist eine größere Öffnung und im weiteren Verlauf beidseitige Längsschlitze auf, wie die nachfolgende Abbildung zeigt (entnommen S. 22 der Klageerwiderung:
- Die obere Öffnung des Stutzens bildet den Einlass der Saatgutdosierleitung in die Kammer gemäß Merkmal 6, denn das Saatgut kann ab Eintritt in den Stutzen nicht mehr ungehindert in die übrige Kammer gelangen. Bereits an diesem Einlass fließt ein geringer Luftstrom, der das Saatgut im weiteren Verlauf durch die Saatgutdosierleitung transportiert. Dies zeigt das von der Beklagten vorgelegte Strömungsbild (entnommen S. 22 der Klageerwiderung):
- Dass der Stutzen längsseitig Schlitze aufweist, ist nach der hier vertretenen Auslegung unschädlich, da sich diese Längsschlitze vollständig im Bereich der Kammer befinden, ein Luftstrom in den Einlass bereits oberhalb der Schlitze entsteht und dem Einlass im Sinne des Merkmals 6 ohnehin eine gewisse räumliche Ausdehnung auch in die Kammer hinein zuzugestehen ist.
- Dass die obere Öffnung des Stutzens in enger Verbindung mit dem Aufnahmebereich des Saatgutdosierelements der angegriffenen Ausführungsform angeordnet ist (Merkmal 7), ergibt sich aus den als Anlage HE-A 10 vorgelegten Abbildungen und Zeichnungen der angegriffenen Ausführungsform. Da das Saatgut zuverlässig in den Einlass fällt, ist das Merkmal 7 verwirklicht. Eine Nähe enger als ein Luftspalt bedarf es dafür nicht.
- 3.
Schließlich verwirklicht die angegriffene Ausführungsform das Merkmal 9 des geltend gemachten Klagepatentanspruchs. Der Einlass der Saatgutdosierleitung wird bei der angegriffenen Ausführungsform durch den oben bereits dargestellten Stutzen gebildet, in den das Saatgut vom Dosierelement fällt, wo es vom Luftstrom erfasst wird. - IV.
Da die angegriffene Ausführungsform sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs verwirklicht und diese von der Beklagten hergestellt, angeboten und in den Verkehr gebracht wird gemäß § 9 S. 2 Nr. 1 PatG, ohne dass sie dazu berechtigt ist, ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen. - 1.
Die Beklagte ist der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet. - 2.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG. - Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
- Zudem sind die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus § 139 Abs. 2 PatG erfüllt. Die Beklagte beging die Patentverletzung rechtswidrig und schuldhaft. Als Fachunternehmen hätte sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist.
- 3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. -
4.
Die Klägerin hat weiterhin einen Anspruch auf Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 PatG. Das Vernichtungsbegehren ist allerdings nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. - Ist es bei einem Erzeugnis, welches als solches Gegenstand eines Patents oder Gebrauchsmusters ist, möglich, dieses in einem technischen Merkmal so abzuändern bzw. nur ein Teil desselben so zu vernichten, dass es nicht mehr unter den Schutzbereich des Patents oder Gebrauchsmusters fällt und handelt es sich dabei um eine gleichermaßen geeignete Alternative zur Vernichtung, scheidet eine vollständige Vernichtung des Erzeugnisses aus, ohne dass es noch auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ankommt (BeckOK PatR/Rinken, 20. Edition, Stand: 15.04.2021, § 140a PatG, Rz. 29.1). In diesem Fall gebührt dem milderen Mittel regelmäßig Vorrang (Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl.,§ 140a Rz. 8a; Schulte/Voß, Patentgesetz, 11. Aufl., § 140a, Rz. 14). Hierfür muss die Prüfung der gleichermaßen vorhandenen Eignung der Beseitigungsalternative allerdings ergeben, dass auch von dritter Seite nicht durch nachträgliche Manipulationen wieder der patentverletzende Zustand hergestellt und das Objekt alsdann wieder in den Verkehr gebracht wird, ansonsten scheidet eine Verurteilung zur bloß „eingeschränkten Vernichtung“ in aller Regel aus (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 15 Rn. 56 f. – Bodenbelag; OLG Düsseldorf InstGE 7, 139 – Thermocycler; OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. Mai 2018, Az. I-2 U 47/17 Rz. 94, – Trinkbehälter; BeckRS 2018, 13140; BeckOK PatR/Rinken, a.a.O.)
- Diesen Anforderungen wird auch die von der Beklagten aufgezeigte Ausweichtechnik, bei der die Reiheneinheit der Maschinen umgebaut wird, gerecht, so dass es einer vollständigen Vernichtung der angegriffenen Ausführungsform, also der gesamten landwirtschaftlichen Maschine, nicht bedarf.
- a)
Die von der Beklagten dargestellte abgewandelte Ausführungsform ist patentfrei; sie verwirklicht nicht das Merkmal 4. - aa)
Der Klagepatentanspruch verlangt in Merkmal 4 eine feste Verbindung zwischen Saatgutdosiervorrichtung und der Stützvorrichtung der Drilleinheit. Diese Verbindung soll derart statisch sein, dass die Saatgutdosiervorrichtung beim Fahren der Maschine im Verhältnis zur Drilleinheit keine Ausweichbewegungen vollziehen kann. Das Klagepatent bezeichnet diese Verbindung als „fest“ im Gegensatz zu einer beweglichen Verbindung, wie dies in Merkmal 3 zwischen der Drilleinheit und dem Strukturelement der landwirtschaftlichen Maschine vorgesehen ist. - Technisch-funktional bedarf es einer solchen statischen Verbindung, damit sichergestellt ist, dass die Saatgutdosiervorrichtung die Bewegungen der Drilleinheit ausführt, um so das Saatgut gezielt in die Drillfurche einzubringen.
- Eine solche statische Verbindung zwischen Saatgutdosiervorrichtung und Stützvorrichtung entnimmt der Fachmann beispielsweise aus Abschnitt [0033] des Klagepatents, in dem die in Figur 2 gezeigte bevorzugte Ausführungsform beschrieben ist.
- Diesem Verständnis des Klagepatentanspruchs stehen die Abschnitte [0004], [0006], [0012] und [0014] des Klagepatents nicht entgegen. Denn dass die Ausgangsgeschwindigkeit des Saatguts beim Verlassen des Saatgutdosierelements bei der erfindungsgemäßen landwirtschaftlichen Maschine in Abhängigkeit von der Vertikalbewegung der Drilleinheit und damit der Saatgutdosiervorrichtung variiert, ist darin begründet, dass die Stützvorrichtung der Drilleinheit überhaupt in irgendeiner Form mit der Saatgutdosiervorrichtung verbunden ist. Dies sagt im Hinblick auf die in Merkmal 4 geforderte feste Verbindung nichts aus.
- bb)
Durch den vorgesehenen Umbau der Reiheneinheit dahingehend, dass die Saatgutdosiervorrichtung über Gelenkarme bzw. Parallelogrammschenkel unmittelbar beweglich mit dem Strukturelement der Maschine verbunden ist, ist Merkmal 4 nicht verwirklicht. Die vorgesehene Puffer-Federung mag insoweit zwar Relativbewegungen zwischen der Drilleinheit und der Dosiervorrichtung beschränken, schließt diese jedoch nicht aus, so dass es an einer festen Verbindung zwischen Saatgutdosiervorrichtung und Stützvorrichtung der Drilleinheit fehlt. Die Ausweichlösung ist somit geeignet, die angegriffene Ausführungsform in einen – gemessen an der hier geltend gemachten wortsinngemäßen Verletzung – patentfreien Zustand zu versetzen. - Der Einwand der Klägerin die Ausweichlösung sei nicht patentfrei, weil die Stützvorrichtung der Drilleinheit noch immer über Parallelogrammschenkel an dem Strukturelement aufgehängt ist und sich daher wie bei der angegriffenen Ausführungsform in Bezug auf den Rahmen der Sämaschine in vertikaler Richtung bewegt, was aufgrund des Drehpunktes in Form eines Bolzens auch für die Saatgutdosiervorrichtung gilt, greift nicht durch. Denn die Beklagte hat insoweit aufgezeigt, dass die Saatgutdosiervorrichtung am Strukturelement selbst beweglich gelagert ist, so dass es an einer festen Verbindung mit der Stützvorrichtung der Drilleinheit fehlt. Die Parallelogrammschenkel, über die die Saatgutdosiervorrichtung mit der Stützvorrichtung verbunden ist, bewegen sich zwischen den Parallelogrammen, die die Drilleinheit tragen, wobei eine durchgehende Drehachse gerade nicht existiert. Der dort mittig bestehende Bolzen erstreckt sich nicht zu der Stützvorrichtung der Drilleinheit – den Scheibenträgern –, dass die Halterung der Saatgutdosiervorrichtung unabhängig von diesen Scheibenträgern frei schwingen kann.
- b)
Die von der Beklagten gezeigte Ausweichlösung stellt zudem ein milderes, aber gleichwohl noch geeignetes Mittel im Verhältnis zur vollständigen Vernichtung der angegriffenen landwirtschaftlichen Maschine dar. Die Vernichtung nur der betreffenden Bauteile der Reiheneinheit der angegriffenen Ausführungsform beseitigt deren patentverletzenden Zustand unmittelbar und ist kostengünstiger, somit wirtschaftlicher als die Vernichtung der gesamten landwirtschaftlichen Maschine. Denn nach dem Vortrag der Beklagten ist ein Umbau der angegriffenen Maschinen, von denen derzeit 159 Stück ausgeliefert sind, wirtschaftlich wesentlich kostengünstiger als deren vollumfänglicher Rückruf mit anschließender Vernichtung, wodurch Kosten in Höhe von ca. 46.800,00 Euro pro Maschine verursacht werden würden. Für den von der Beklagten aufgezeigten Umbau der angegriffenen Maschinen veranschlagt die Beklagte lediglich bis zu höchstens 6.252,98 Euro pro Maschine. - Soweit die Klägerin einwendet, die angegriffene Ausführungsform könne bei einer bloßen Teilvernichtung wieder in den patentverletzenden Zustand versetzt werden, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung substantiiert erläutert, dass sie die bisher über ihren Ersatzteilkatalog angebotenen Altteile sperren wird und die Händler um Rückgabe dieser Altteile gebeten werden. Damit ist auch ein Rückbau der umgebauten landwirtschaftlichen Maschine nicht mehr möglich. Sie hat zudem substantiiert erläutert, dass für sie vor dem Hintergrund der Vorbescheide im Einspruchsverfahren bis zur mündlichen Verhandlung keine Veranlassung bestand, die angegriffene Ausführungsform umzubauen und ihren Kunden diese Veränderung anzubieten.
- c)
Auf der Rechtsfolgenseite ist der Beklagten zu gestatten, ihren Kunden ersatzweise statt der vollständigen Vernichtung der Erzeugnisse deren teilweise Vernichtung verbunden mit dem Umbau der Reiheneinheit der Erzeugnisse anzubieten. Die Tenorierung orientiert sich an dem Vorschlag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 8. Juni 2021 (dort S. 4 ff.), wobei die Begrifflichkeit an die des Klagepatentanspruchs angepasst wurde. - 5.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückruf der angegriffenen Ausführungsform aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG. Dieser Anspruch besteht jedoch nur im tenorierten Umfang. Ein darüber hinaus gehender Rückruf, wie von der Klägerin beantragt, ist gemäß § 140a Abs. 4 PatG unverhältnismäßig. - a)
Ein Rückruf ist unverhältnismäßig, wenn sein Zweck ebenso effektiv auf andere Weise als durch „vollständigen“ Rückruf des Erzeugnisses gegen Erstattung des Kaufpreises erreicht werden kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. November 2020, Az. I-2 U 63/19, S. 23 – Traxpanel, OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Juli 2018, Az. 15 U 43/15, GRUR-RS 2018, 22632 – Schweineheizung). Verfügt der Verletzer bereits über eine patentfreie Ausweichtechnik, die er seinem Abnehmer im Austausch gegen den Verletzungsgegenstand anbieten kann, so ist daher eine Rücknahme des Verletzungsgegenstandes gegen Erstattung des Kaufpreises unverhältnismäßig, weil mit der Rücknahme gegen patentfreie Ersatzlieferung ein milderes Mittel zur Verfügung steht, mit dem die Störung ebenso sicher und endgültig beseitigt werden kann (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Juli 2018, Az. 15 U 43/15, GRUR-RS 2018, 22632 – Schweineheizung). Auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne kommt es dann nicht mehr an (OLG Düsseldorf, Urt. v. 05.11.2020, I-2 U 63/19). Auch dies setzt allerdings voraus, dass die Störung ebenso sicher und endgültig beseitigt werden kann wie mit einem „vollständigen“ Rückruf des Erzeugnisses gegen Erstattung des Kaufpreises (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Juli 2018, Az. 15 U 43/15, GRUR-RS 2018, 22632 – Schweineheizung; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.07.2019, I-15 U 46/18, Rn. 110 – zitiert nach juris). - b)
Nach dem Vortrag der Beklagten besteht eine Ausweichtechnik, die die Beklagte verwenden kann. Dies hat sie durch die Abbildungen der Ausweichtechnik in Form ihres „Umbaukits“ sowie der Darstellung der erforderlichen Teile gemäß ihres Ersatzteilkatalogs dargelegt. Sie hat mit der Anlage BA 9 für die Ursprungsversion und mit der Anlage BA 10 für die Neuversion der angegriffenen Ausführungsform eine Stückliste mit sämtlichen Teilenummern des Umbaukits vorgelegt. Damit hat die Beklagte hinreichend deutlich gemacht, dass die Entwicklung einer Ausweichtechnik jedenfalls soweit gediehen ist, dass sie als Alternative zum uneingeschränkten Rückruf ohne weiteres in Betracht kommt. Es ist nicht erforderlich, dass die Beklagte Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform oder der ursprünglichen Reiheneinheit einstellt, bevor sie überhaupt durch ein Urteil zum Rückruf verpflichtet ist. Abgesehen davon hat sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass sie die bisher über ihren Ersatzteilkatalog angebotenen Altteile sperren wird und die Händler um Rückgabe dieser Altteile gebeten werden. - Die von der Beklagten dargestellte Ausweichtechnik ist patentfrei. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter IV. 4. a) verwiesen.
- Eine konkrete Gefahr, dass die Reiheneinheiten der Maschinen, die mittels der patentfreien Ausweichtechnik umgerüstet wurden, wieder in ihren ursprünglichen, patentverletzenden Zustand versetzt werden, besteht nicht. Da den Kunden der Beklagten auch nach der Umrüstung voll funktionsfähige Maschinen zur Verfügung stehen, besteht für die Kunden kein Anlass, die nunmehr direkt mit dem Strukturelement der Maschine verbundene Saatgutdosiervorrichtung derart zu manipulieren, insbesondere dieser wieder mit der Stützvorrichtung der Drilleinheit zu verbinden mit der Folge, dass das Merkmal 4 verwirklicht wird. Da nach dem Vortrag der Beklagten die Altteile im Warenwirtschaftssystem gesperrt sind, ist ein Rückbau der umgerüsteten Reiheneinheiten zu patentverletzenden Einheiten grundsätzlich ausgeschlossen. Dass die Altteile noch im Internet im Katalog aufgeführt sind, hat seine Ursache – so die Beklagte – darin, dass bisher aufgrund der Vorbescheide im Einspruchsverfahren keine Notwendigkeit bestand, die Umbaukits tatsächlich anzubieten und die Altteile zu sperren.
- c)
Auf der Rechtsfolgenseite ist der Beklagten zu gestatten, ihren Kunden ersatzweise statt der Rücknahme den Umbau der Erzeugnisse anzubieten. Die Tenorierung orientiert sich an dem Vorschlag der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 8. Juni 2021 (dort S. 4 ff.), wobei die Begrifflichkeit an die des Klagepatentanspruchs angepasst wurde. - Der Rückrufantrag beziehungsweise die entsprechende Tenorierung bedurfte der Einschränkung dahingehend, dass die Beklagte ihren Abnehmern nach deren Wahl die Rückgabe oder der Umbau der patentverletzenden Erzeugnisse anzubieten hat, denn den Abnehmern muss die Möglichkeit gegeben werden, die patentverletzende Ausführungsform zurückzugeben und eine patentgemäße Ausgestaltung aus einer berechtigten Quelle zu erwerben Zugleich muss der Patentinhaber die Gelegenheit erhalten, ggf. seine Produkte in die Vertriebswege zu bringen. Allerdings bleibt es der Beklagten unbenommen, neben dem vollständigen Rückruf der angegriffenen Ausführungsform auch eine patentfreie Ausführungsform anzubieten (LG Düsseldorf, Urteil vom 7. November 2019, Az. 4b O 70/17, LG Düsseldorf, Urteil vom 13. Oktober 2016, Az. 4a O 174/15). Ob die Beklagte die Umgestaltung der Reiheneinheiten bei den Abnehmern vornimmt oder bei sich, ist ohne Bedeutung.
- Im Übrigen bedurfte der Rückrufantrag beziehungsweise die entsprechende Tenorierung keiner ausdrücklichen Einschränkung auf inländische Verletzungshandlungen. Diese Einschränkung ergibt sich bereits aus dem Territorialitätsgrundsatz, dem die bundesdeutschen Verletzungsgerichte unterliegen. Dies schließt den Rückruf von in das Ausland veräußerten Vorrichtungen jedoch nicht aus, weil auch der Export – also die Lieferung vom Inland ins Ausland – ein Inverkehrbringen im Inland im Sinne von § 9 S. 2 Nr. 1 PatG darstellt (Benkard/Scharen, PatG 11. Aufl.: § 9 Rn 1 m.w.Nw.).
-
B.
Für eine Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf die das Klagepatent betreffende Nichtigkeitsklage besteht kein Anlass. - I.
Wenn das Klagepatent – wie hier – im Einspruchsverfahren angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, sofern es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237 Rn. 4 – Kurznachrichten). - Eine solche Wahrscheinlichkeit besteht vorliegend nicht aufgrund der mit den Anlagen HE-A 11 und HE-A 12 vorgelegten Vorbescheide der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 24. Februar 2020 und 4. Dezember 2020.
- Die vorläufige Auffassung der Einspruchsabteilung ist nicht bindend und sie nimmt die spätere Entscheidung auch nicht vorweg. Andererseits ist davon auszugehen, dass der vorläufigen Auffassung bereits eine umfassende und sorgfältige Prüfung zugrunde liegt und die Einspruchsabteilung in einem solchen Bescheid entsprechende Hinweise nicht leichtfertig erteilt (vgl. zum Hinweis des BPatG: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.07.2108 – I-2 U 19/17; zur vorläufigen Auffassung einer Technischen Beschwerdekammer: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.01.2021 – I-2 W 26/20, GRUR-RS 2021, 1830). Vor diesem Hintergrund kann bei einer deutlich geäußerten und sorgfältig begründeten vorläufigen Auffassung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass die bescheidsmäßig dokumentierte Auffassung ihren Niederschlag in der späteren Entscheidung finden wird. Maßgeblich ist also, ob der Vorbescheid eine eindeutige und begründete Position bezieht oder neutral bloß mögliche Erwägungen und Diskussionspunkte in den Raum stellt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.07.2018 – I-2 U 19/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.01.2021 – I-2 W 26/20, GRUR-RS 2021, 1830).
- II.
Bei Anwendung dieser Maßstäbe ist eine Nichtigerklärung des Klagepatents nicht überwiegend wahrscheinlich. - 1.
Zwar weist die Einspruchsabteilung in ihrem jüngsten Vorbescheid darauf hin, dass das Klagepatent infolge einer unzulässigen Erweiterung des Gegenstands des Klagepatentanspruchs 1, Merkmal 9 vernichtet werden könnte. Allerdings lässt sich eine unzulässige Erweiterung ohne Vorlage der Patentanmeldung nicht beurteilen. - Zudem lassen die Hinweise der Einspruchsabteilung nicht klar erkennen, dass eine unzulässige Erweiterung vorliegt, zumal die Einspruchsabteilung diese in ihrem ersten Vorbescheid verneint hatte. Dies zeigt, dass die Einspruchsabteilung durchaus in der Lage ist, ihre Einschätzung zu ändern, so dass es bei dieser, im jüngsten Vorbescheid geäußerten Auffassung nicht verbleiben muss. Die Einspruchsabteilung macht dies in ihrem Vorbescheid auch dadurch deutlich, dass sie darauf hinweist, dass dieser Einspruchsgrund die Aufrechterhaltung des Klagepatents beeinträchtigen könne.
- 2.
Die von der Beklagten als neuheitsschädlich angeführte D 6 (WO 2008/108XXX A 1, Anlage BA 3) wurde im Erteilungsverfahren gewürdigt. Die Einspruchsabteilung hat in der Begründung ihrer Einspruchsentscheidung die Merkmale 6 und 8 als nicht offenbart angesehen. Die Beklagte zeigt nicht auf, dass diese Bewertung durch die Einspruchsabteilung auf unrichtigen Annahmen oder einer nicht mehr vertretbaren Argumentation beruht. Sie stellt lediglich ihre eigene Ansicht dar, wonach in der Figur 3 eine Saatgutdosierleitung mit einem Einlass in die Kammer und einem Aufnahmebereich unmittelbar über dem Einlass der Kammer offenbart wird. Figur 3 zeigt jedoch sehr deutlich, dass die Saatgutdosierleitung direkt an den Bereich „SL“ anschließt, und somit nicht unmittelbar und eindeutig eine enge Verbindung im Sinne des Klagepatents. - 3.
Auch die von der Beklagten als neuheitsschädlich angeführte D 33 (US 4,356,XXX, Anlage BA 2) wurde von der Einspruchsabteilung gewürdigt. Die Einspruchsabteilung ist der Auffassung, dass diese Entgegenhaltung nicht neuheitsschädlich ist. Jedenfalls wird das Merkmal 9 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, wonach ein Luftstrom in der Saatgutdosierleitung besteht, durch den das Saatgut beschleunigt wird. Die Trennkammer in der Kammer für Saatgut spricht gegen eine solche Annahme. Aus dem allgemeinen Hinweis darauf, dass bei Sämaschinen das Saatgut unter Luftdruck durch die Saatgutdosierleitung fallen kann, kann nicht hergeleitet werden, dass dies bei den Ausführungsformen, die in den Figuren 4 und 5 gezeigt sind, der Fall ist. - 4.
Die Kammer kann nicht feststellen, dass die Lehre des Klagepatents wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit aufgrund der Entgegenhaltung D 1 in Verbindung mit der D 33 nahegelegt ist. Jedenfalls lassen sich noch vernünftige Argumente zur Bejahung der Erfindungshöhe finden. - Die Einspruchsabteilung hat in ihrem jüngsten Vorbescheid Zweifel daran geäußert, dass die Erfindung durch die Kombination dieser Entgegenhaltungen nahegelegt ist. Dies begründet die Einspruchsabteilung damit, dass der Fachmann durch den in Spalte 9 ab Zeile 1 beschriebenen Zweck der Drucksperre, die dem Abbau des Luftdrucks in der Saatgutkammer verhindern soll, daran gehindert sein könnte, die Druckausgleichseinrichtung auf der saatguttragenden Seite durch eine Druckausgleichseinrichtung auf der nichtsaatguttragenden Seite zu ersetzen. Die weitere Begründung der Beklagten stellt die Argumentation der Einspruchsabteilung nicht grundlegend in Frage. Weil danach aber das Merkmal 6 nicht offenbart ist, kann jedenfalls hinsichtlich der Kombination der Entgegenhaltung D1 mit der D 33 die erfinderische Tätigkeit nicht verneint werden.
- 5.
Die Lehre des Klagepatents ist schließlich nicht wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit aufgrund der Entgegenhaltung D 6 oder D 33 nahegelegt. Die D 6 wurde bereits im Erteilungsverfahren gewürdigt und dort weder als neuheitsschädlich noch als naheliegend beurteilt. Die Beklagte zeigt auch nicht auf, weshalb der Fachmann ausgehend von der D 6 zur Lehre des Klagepatents gelangen soll. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen unter B.2. verwiesen. Gleiches gilt für die D 33, bei der der Einlass nicht in der Saatgut enthaltenen Kammer angeordnet ist, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter B.3. verwiesen wird. - C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO. Dem von der Beklagten hilfsweise geltend gemachten Vollstreckungsschutzantrag war nicht stattzugeben, da sie die Voraussetzungen des § 712 Abs. 1 ZPO weder dargelegt, noch gemäß § 714 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht hat.
- Der Streitwert wird gemäß §§ 51 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 250.000,00 Euro festgesetzt.