Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3116
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 04. Mai 2021, Az. 4c O 32/20
- I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu un-terlassen,
- a) ohne Zustimmung der A AG Erntegut der Winterweizensorten „B und „C“ zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu brin-gen oder zu einem der vorstehend genannten Zwecke aufzubewahren, wenn zur Erzeugung des jeweiligen Ernteguts Sortenbestandteile ohne Zu-stimmung der A AG verwendet wurden und diese keine Gelegenheit hatte, ihre Sortenschutzrechte hinsichtlich der Verwendung dieser Sortenbestand-teile geltend zu machen;
b) ohne Zustimmung der D GmbH Erntegut der Winterweizensorte „E“ zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen oder zu einem der vorstehend genannten Zwecke aufzubewahren, wenn zur Erzeugung des Ernteguts Sortenbestandteile ohne Zustimmung der D GmbH verwendet wurden und diese keine Gelegenheit hatte, ihre Sorten-schutzrechte hinsichtlich der Verwendung dieser Sortenbestandteile geltend zu machen;
c) ohne Zustimmung der F GmbH Erntegut der Winterweizensorte „G“ sowie der Wintergerstensorten „H“ und „I“ zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen oder zu einem der vorstehend ge-nannten Zwecke aufzubewahren, wenn zur Erzeugung des jeweiligen Ern-teguts Sortenbestandteile ohne Zustimmung der F GmbH verwendet wur-den und diese keine Gelegenheit hatte, ihre Sortenschutzrechte hinsichtlich der Verwendung dieser Sortenbestandteile geltend zu machen;
d) ohne Zustimmung der J GmbH Erntegut der Winterweizensorten „K“ zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen oder zu einem der vorstehend genannten Zwecke aufzubewahren, wenn zur Erzeugung des Ernteguts Sortenbestandteile ohne Zustimmung der J GmbH verwendet wurden und diese keine Gelegenheit hatte, ihre Sorten-schutzrechte hinsichtlich der Verwendung dieser Sortenbestandteile geltend zu machen;
e) ohne Zustimmung der L GmbH & Co. KG Erntegut der Winterweizensorte „M“ zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen oder zu einem der vorstehend genannten Zwecke aufzubewahren, wenn zur Erzeugung des Ernteguts Sortenbestandteile ohne Zustimmung der L GmbH & Co. KG verwendet wurden und diese keine Gelegenheit hat-te, ihre Sortenschutzrechte hinsichtlich der Verwendung dieser Sortenbe-standteile geltend zu machen;
f) ohne Zustimmung der N, Inh. O, Erntegut der Winterweizensorte „P“ zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder sonst in den Verkehr zu bringen oder zu einem der vorstehend genannten Zwecke aufzubewahren, wenn zur Erzeugung des Ernteguts Sortenbestandteile ohne Zustimmung der N, Inh. O, verwendet wurden und diese keine Gelegenheit hatte, ihre Sortenschutz-rechte hinsichtlich der Verwendung dieser Sortenbestandteile geltend zu machen;
es sei denn die vorgenannten Handlungen mit dem Erntegut der genannten Pflanzensorten
• erfolgen
– im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken (Art. 15 lit. a GemSortV), oder
– zu Versuchszwecken (Art. 15 lit. b GemSortV), oder
– zur Züchtung, Entdeckung und Entwicklung anderer Sorten (Art. 15 lit. c GemSortV); oder
• stellen eine Handlung gemäß Art. 13 Abs. 2, 3 und 4 GemSortV mit ge-mäß Art. 15 lit. c) GemSortV gezüchteten neuen Sorten dar; oder
• stellen eine Handlung dar, deren Verbot gegen Art. 13 Abs. 8, Art. 14 oder Art. 29 GemSortV verstoßen würden; oder
• erstrecken sich auf Material, für das der Sortenschutz erschöpft ist (Art. 16 GemSortV). - II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
- III. Das Urteil ist im Hinblick auf Ziff. I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 100.000,00 und im Hinblick auf Ziff. II gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- IV. Der Streitwert wird auf EUR 100.000,00 festgesetzt.
- Tatbestand
- Die Klägerin macht im Wege der Prozessstandschaft im eigenen Namen Unterlas-sungsansprüche geltend, die der A AG, der D GmbH, der F GmbH, der J GmbH, der L GmbH & Co. KG sowie der Q, Inh. O, als Sortenschutzinhaber bzw. Inhaber von ausschließlichen Nutzungsrechten an den im Tenor gennannten Sorten zustehen.
- Die Beklagte ist ein Handelsunternehmen, das insbesondere auf den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten spezialisiert ist.
- Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit erwarb die Beklagte in den Wirtschaftsjahren XX/XX bis XX/XX von den Landwirten S (XXX), T (XXX) und U (XXX) die aus der nachfolgenden Aufstellung ersichtlichen Mengen an – aus den streitgegenständlichen Sorten gewonnenem – Erntegut in Form von Weizen und Gerste, wobei die Angaben in Dezitonnen (dt) angegeben wurden (vgl. auch Rechnungen der Anlagenkonvolute K 1 bis K 3).
- Die vorgenannten Landwirte S, T und U hatten das für die Erzeugung in ihren Betrie-ben erforderliche Saatgut ihrerseits von den Landwirten V (XXX), W (XXX) und X (XXX) erworben, wobei zwischen den Partei streitig ist, ob das an die Beklagte gelie-ferte Erntegut aus solchem Saatgut erzeugt worden war, für das keine Lizenzgebüh-ren an die Klägerin gezahlt worden war.
- Die Landwirte S, T und U gaben – ebenso wie die Landwirte V, W und X – im Zeit-raum von Juni bis August 2019 mit Blick auf die streitgegenständlichen Sorten straf-bewehrte Unterlassungserklärungen ab (vgl. Anlagenkonvolute K 9 und K 11), nach-dem sie zuvor von einem Außendienstmitarbeiter der Klägerin, Herr Y, kontrolliert worden waren. Wegen des Ergebnisses dieser Kontrollen wird auf die entsprechenden Prüfprotokolle der Anlagenkonvolute K 9 und K 11 Bezug genommen.
- Mit Schreiben vom 4. November 2019 und 5. März 2020 (vgl. Anlagenkonvolut K 4) mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte sie zur Abgabe strafbewehrter Un-terlassungserklärungen auf. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 und 16. April 2020 (vgl. Anlagenkonvolut K 5) zurück.
- Die Klägerin behauptet mit Blick auf die gerügte Aktivlegitimation, dass sie von den Sortenschutzinhabern bzw. den Inhabern der ausschließlichen Nutzungsrechte an den Sortenschutzrechten beauftragt und ermächtigt worden sei, die Rechte gegenüber Dritten geltend zu machen, was auch eine Einzugsermächtigung umfassen würde. Entsprechendes ergebe sich aus den als Anlagenkonvolut K 6 zur Akte gereichten Ermächtigungen. Die vorgenannten Sortenschutzinhaber seien zudem Gesellschafte-rinnen der Klägerin, was sich aus der als Anlage K 7 zur Akte gereichten Gesellschaf-terliste ergebe. Die Berechtigungen der Sortenschutzinhaber ergäben sich schließlich aus den als Anlagen K 8 und K 10 zur Akte gereichten Auszügen aus dem Register des Gemeinschaftlichen Sortenamtes und der Bestätigungen der Einräumung von Nutzungsrechten.
- Dass es sich bei dem an die Beklagte gelieferten streitgegenständlichen Erntegut um solches handele, welches durch die Verwendung von unlizenziertem Saatgut erzeugt wurde, ergebe sich bereits aus den Prüfprotokollen des Außendienstmitarbeiters Y sowie dem Umstand, dass alle Landwirte strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben hätten.
- Sie meint, die Voraussetzungen des auf Erntegut bezogenen Ausschlusstatbestandes des Art. 13 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 2100/94 vom 27. Juli 1994 (nachfolgend: Gem-SortV) seien nicht erfüllt. Soweit dieser zwei kumulativ zu erfüllende Tatbestandsvo-raussetzungen enthalte, fehle es jedenfalls daran, dass die Klägerin vorliegend keine hinreichende Gelegenheit hatte, ihre Rechte an dem Saatgut geltend zu machen. Vielmehr habe sie erst zu einem Zeitpunkt Kenntnis von der Schutzrechtsverletzung erhalten, als das Erntegut von der Beklagten bereits erworben (und weitervertrieben) worden sei. Sowohl der Wortlaut (Gelegenheit hatte) wie auch eine teleologische Be-trachtung der Norm führten dazu, es nicht darauf ankomme, ob der Schutzrechtsin-haber irgendwann auch gegen den Erzeuger des Saatguts vorgehen könne, sondern nur darauf, dass der Schutzrechtsinhaber Gelegenheit habe, gegen den Erzeuger des Saatgut vorzugehen, bevor aus dem Saatgut Erntegut bzw. bevor das rechtswidrig erzeugte Erntegut an den Inanspruchgenommenen geliefert werde. Insoweit unter-scheide die GemSortV zwischen einem Primär- und einem Sekundärschutz sowie primären und sekundären Rechten, wobei der Unterlassungsanspruch ein Sekundär-recht des Art. 94 GemSortV darstelle, während Art. 13 Abs. 3 GemSortV nur auf das Primärrecht auf Gestattung gegen Zahlung einer Lizenzgebühr anzuwenden sei.
- Soweit sich die Beklagte noch auf ein fehlendes Verschulden berufe, spiele dies im Rahmen des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs keine Rolle. Zudem fehle es bei der Beklagten an jeglichem Mechanismus, mit dem sie – ihren Obliegen-heiten folgend – Sortenschutzverletzungen ausschließen könnte.
- Die Klägerin beantragt,
wie erkannt. - Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. - Die Beklagt rügt die Aktivlegitimation der Klägerin, insbesondere bestreitet sie mit Nichtwissen, dass die Klägerin von den jeweiligen Inhabern der Sortenschutzrechte bzw. der ausschließlichen Nutzungsberechtigung zur Geltendmachung der Rechte beauftragt und ermächtigt worden sei, die genannten Personen und Unternehmen in dem relevanten Zeitraum überhaupt Inhaber der Sortenschutzrechte waren und es sich bei dem von ihr erworbenen Erntegut um solches handele, welches aus nicht li-zenziertem Saatgut erzeugt worden sei. Insoweit behauptet sie, ihr sei schon die Sor-tenzugehörigkeit des angelieferten Ernteguts nicht bekannt gewesen und daher habe sie erst Recht auch keine Kenntnis davon gehabt, dass es sich um solches Erntegut gehandelt haben könnte, welches vermeintlich aus nicht lizenziertem Saatgut erzeugt worden sei.
- Mit Blick auf die jährlich von ihr erworbenen Mengen an Erntegut, allein über XXX Tonnen nur Getreide aus über XXX Einzellieferungen, seien die von den Landwirten S, T und U maximal in einem Jahr gelieferten Mengen von gut XXX Tonnen nur sehr gering und daher von der Beklagten auch nicht zu kontrollieren.
- Für den Fall, dass es sich bei dem von ihr erworbenen Erntegut tatsächlich um Ernte-gut aus nicht lizenziertem Saatgut handeln sollte, meint die Beklagte, dass sie sich auf den Ausschlusstatbestand des Art. 13 Abs. 3 GemSortV / § 10 Abs. 1 Nr. 2 SortG berufen könne. Bereits aus der Entstehungshistorie dieser Normen ergebe sich, dass der Sortenschutzinhaber gezwungen werden soll, seine Rechte möglichst frühzeitig geltend zu machen, so dass er gegen den Vertreiber von Erntegut nur dann über-haupt Rechte durchsetzen könne, wenn er keine Kenntnisse über den Erzeuger des Vermehrungsmaterials (Saatgut) habe bzw. seine Rechte diesem gegenüber nicht durchsetzen könne, etwa weil er im schutzfreien Ausland ansässig sei.
- Vorliegend habe die Klägerin sehr wohl Gelegenheit gehabt, ihre Rechte auf einer vorhergehenden Stufe der Lieferkette, hier gegenüber den Landwirten S, T, U sowie V, W und X, geltend zu machen, was sich insbesondere daraus ergebe, dass alle der vorgenannten Landwirte strafbewehrte Unterlassungserklärungen abgegeben hätten und zudem Schadensersatz in Form der Lizenzanalogie gezahlt hätten.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird darüber hinaus auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die zu den Akten ge-reichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.
- I.
Die Klage ist begründet, da der Klägerin die geltend gemachten Unterlassungsan-sprüche aus Art. 94 Abs. 1 lit. a) GemSortV zustehen. - 1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. - Soweit die Beklagte mit der Klageerwiderung zunächst die Ermächtigung der Klägerin zur Geltendmachung der Sortenschutzrechte ihrer Gesellschafter pauschal mit Nicht-wissen in Abrede gestellt hatte, hat die Klägerin mittels Vorlage ihrer Gesellschafterlis-te (Anlage K 7) sowie Vorlage von schriftlichen Ermächtigungen der jeweiligen Be-rechtigten betreffend die streitgegenständliche Sortenschutzrechte und von Auszügen aus dem Register des Gemeinschaftlichen Sortenamtes substantiiert vorgetragen, dass und woraus sie zur Geltendmachung der Unterlassungsansprüche auch im eige-nen Namen berechtigt ist. Diesem Vortrag ist die Beklagte in der Folge auch nicht mehr entgegentreten.
- Soweit die Beklagte zuletzt einzig noch die Berechtigung der Frau Z als Inhaberin ei-nes ausschließlichen Nutzungsrechts an der Winterweizensorte „P“ in Abrede gestellt hat, ergibt sich diese Berechtigung ohne Weiteres aus dem als Anlage K 10 zur Akte gereichten Auszug aus dem Register des Gemeinschaftlichen Sortenamtes.
- 2.
Die Kammer vermochte festzustellen, dass die Beklagte die streitgegenständlichen Sortenschutzrechte gemäß Art. 13 Abs. 2 GemSortV verletzt hat, indem sie das von den Landwirten S, T und U erzeugte und an sie gelieferte Erntegut weiter angeboten und verkauft hat. - Für die Sortenschutzverletzung grundsätzlich darlegungs- und beweisbelastet ist nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen der klagende Schutzrechtsinhaber oder im vorliegenden Fall die Klägerin (vgl. Metzger/Zech, Kommentar zum SortG und zur GemSortV, 1. Auflage 2016, § 37 / Art. 94ff, Rz. 104). Soweit die klagende Partei zur Rechtsverletzung substantiiert vorträgt, kann die beklagte Partei diesen Tatsa-chenvortrag gemäß § 138 Abs. 4 ZPO regelmäßig auch mit Nichtwissen bestreiten, jedenfalls solange diese Tatsachen weder eigene Handlungen betreffen noch Gegen-stand der eigenen Wahrnehmung waren oder sind. Ist ein Bestreiten mit Nichtwissen unzulässig, so richtet sich die Erklärungspflicht der Parteien nach § 138 Abs. 2 ZPO, wonach sich jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklärten hat. Danach ist zu unschlüssigem, d.h. die Rechtsbehauptung nicht stützendem, Tat-sachenvortrag des Gegners in der Regel keine Erklärung geschuldet. Wurden zwar alle zur Begründung des behaupteten Rechts bzw. der erhobenen Einwendung erfor-derlichen Tatsachen vorgetragen, aber nicht näher konkretisiert, so muss sich die Gegenseite zwar hierzu erklären, sie braucht aber ebenfalls keine konkreten Einzel-heiten vorzutragen, sondern kann sich auf einfaches Bestreiten beschränken. Kommt die primär darlegungsbelastete Partei indes ihrer Substantiierungslast nach, so muss der Gegner seinerseits eine substantiierte Sachverhaltsdarstellung abgeben (Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 33. Auflage 2020, § 138, Rz. 8a m.w.N.).
- Gemessen an diesen Grundsätzen durfte die Beklagte den Tatsachenvortrag der Klä-gerin zur Rechtsverletzung nicht allein mit Nichtwissen bestreiten. Soweit die Klägerin behauptet hat, dass die Landwirte V, W und X ohne Zahlung von Lizenzgebühren Saatgut (Vermehrungsmaterial) betreffend die streitgegenständlichen Sorten herge-stellt bzw. vermehrt und dieses Saatgut sodann an die Landwirte S, T und U geliefert hatten, aus dem diese dann – ihrerseits ohne Zahlung von Lizenzgebühren – Erntegut erzeugt haben, welches schließlich an die Beklagte geliefert wurde, so handelt es sich dabei bis zur Lieferung an die Beklagte um solche Vorgänge, die außerhalb ihrer ei-genen Wahrnehmung lagen.
- Vorliegend war indes zu berücksichtigen, dass die Klägerin zum Beleg der von ihr vorgetragenen Verletzungskette sowohl die Prüfprotokolle ihres Außendienstmitarbei-ters Y sowie die von sämtlichen der sechs Landwirten abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärungen vorgelegt hat (Anlagenkonvolute K 9 und K 11), aus denen sich ergibt, dass die Landwirte die von der Klägerin vorgetragenen Sortenschutzver-letzungen begangen haben. Zudem lässt sich den Prüfprotokollen auch entnehmen, dass die Landwirte gegenüber dem Außendienstmitarbeiter Y angegeben haben, das von ihnen ohne Zahlung einer Lizenzgebühr erzeugte Erntegut u.a. auch an die Be-klagte geliefert zu haben.
- Vor dem Hintergrund dieses in sich schlüssigen Vortrags der Klägerin und der sich aus der Vorlage der strafbewehrten Unterlassungserklärungen ergebenen Indizwir-kung für eine Sortenschutzverletzung auf den vorangegangenen Stufen der Lieferket-te hätte es konkreten Gegenvortrags der Beklagten bedurft, wieso es sich bei dem an sie gelieferten Erntegut nicht um das Erntegut gehandelt hat, welches die Landwirte S, T und U aus dem unlizenzierten Saatgut erzeugt haben. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die vorstehend genannten Landwirte im streitge-genständlichen Zeitraum auch noch weiteres Erntegut verkauft haben, welches aus rechtmäßig hergestelltem Erntegut erzeugt wurde und welches dann ggf. an die Be-klagte hätte geliefert werden können. Vielmehr spricht der Umstand, dass sich alle sechs Landwirte sofort den Ansprüchen der Klägerin unterworfen haben, dafür, dass ihre Handlungen rechtswidrig waren. Mangels konkreten Gegenvortrags der Beklagten bedurfte es daher auch keiner weiteren gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung durch die Einvernahme der von der Klägerin angebotenen Zeugen.
- Da vorliegend nur Ansprüche auf Unterlassung geltend gemacht werden, kommt es insbesondere auch nicht darauf an, ob der Beklagten ein Verschulden angelastet wer-den kann (vgl. Metzger/Zech, a.a.O., § 37 / Art. 94ff, Rz. 69)
- 3.
Die Beklagte kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf den Ausschlusstatbestand des Art. 13 Abs. 3 GemSortV berufen, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. - Gemäß Art. 13 Abs. 2 S. 1 GemSortV bedürfen bestimmte enumerativ aufgeführte Handlungen – wie etwa die Erzeugung oder Fortpflanzung (Vermehrung), die Aufbe-reitung zum Zweck der Vermehrung, das Anbieten zum Verkauf und/oder der Verkauf oder sonstiges Inverkehrbringen – in Bezug auf Sortenbestandteile (= Saatgut) oder Erntegut der geschützten Sorte der Zustimmung des Inhabers, wobei dieser nach S. 2 seine Zustimmung von Bedingungen und Einschränkungen – wie die Zahlung einer Lizenzgebühr – abhängig machen kann.
- Nach Art. 13 Abs. 3 GemSortV findet Art 13. Abs. 2 GemSortV auf Erntegut indes nur dann Anwendung, wenn es dadurch gewonnen wurde, dass Sortenbestandteile der geschützten Sorte ohne Zustimmung verwendet wurden, und wenn der Inhaber nicht hinreichend Gelegenheit hatte, sein Recht im Zusammenhang mit den genannten Sor-tenbestandteilen geltend zu machen. Der Ausschlusstatbestand des Abs. 3 statuiert somit zwei kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen, die Gewinnung des Ernteguts ohne Zustimmung des Berechtigten und keine hinreichende Gelegenheit des Inha-bers, sein Recht im Zusammenhang mit den genannten Sortenbestandteilen geltend zu machen.
- Hintergrund dieser Regelungen bzw. der Privilegierung von Erntegut gegenüber Ver-mehrungsmaterial (sog. „Kaskadenprinzip“) stellt die Erwägung des Normgebers dar, dass der Inhaber eines Sortenschutzrechtes seine Rechte möglichst frühzeitig geltend machen soll, er dementsprechend nicht abwarten darf, bis aus dem widerrechtlich erzeugten Vermehrungsmaterial Erntegut wird, welches in größeren Mengen und/oder zu einem höheren Preis verkauft wird, was sich auch auf die Lizenzgebühren aus-wirkt. Insoweit bezweckt der Normgeber auch einen Schutz des Rechtsverkehrs und der (Land-)Wirtschaft, da grundsätzlich vermieden werden soll, dass auf späteren Ebenen einer teils mehrstufigen Produktions- und Lieferkette Unsicherheit über die Rechtmäßigkeit des gehandelten Saat- bzw. Ernteguts besteht.
- Die Parteien streiten vorliegend darum, ob die zweite Voraussetzung der Ausnahme-vorschrift zu Gunsten der Beklagten erfüllt ist, da die Klägerin die vorgenannten Landwirte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen konnte und dies – unstreitig – auch getan hat.
- Entsprechendes vermochte die Kammer indes nicht festzustellen. Denn der Aus-schlusstatbestand des Art. 13 Abs. 3 GemSortV greift – wie die Beklagte meint – nicht schon dann ein, wenn der Sortenschutzinhaber zu irgendeinem Zeitpunkt Gele-genheit hat, gegen den Erzeuger des Saatguts vorzugehen. Vielmehr setzt die Privi-legierung des Vertreibers des Ernteguts voraus, dass der Schutzrechtsinhaber gegen den Erzeuger bzw. Verkäufer des Saat- bzw. Ernteguts auf einer vorherigen Stufe der Lieferkette vorgehen konnte, bevor das Saat- bzw. Erntegut bei dem auf Unterlassung in Anspruch genommenen (späteren) Glied der Lieferkette ankommt, mithin der Schutzrechtsinhaber von der rechtsverletzenden Handlung der Vorstufe Kenntnis hat-te und trotz dieser Kenntnis (bzw. einer grob fahrlässigen Unkenntnis) nicht gegen diese Stufe vorgegangen ist.
- Bereits der Wortlaut der Norm und die gewählte Zeitform (Präteritum: „Gelegenheit hatte“) spricht dafür, dass es auf den Zeitpunkt der rechtsverletzenden Handlung (Vermehrung des Saatguts bzw. Erzeugung des Ernteguts aus Vermehrungsmaterial) ankommt und nicht auf einen späteren Zeitpunkt. Insoweit kommt es nur darauf an, dass der Schutzrechtsinhaber gegen den Sortenschutzverletzer vorgehen konnte und nicht, ob es dies tatsächlich auch getan hat.
- Auch eine teleologische Betrachtung führt zu keinem anderen, die Ansicht der Beklag-ten stützenden Ergebnis. Das Kaskadenprinzip soll primär gewährleisten, dass der Inhaber eines Sortenschutzrechts nicht abwartet, bis das schutzrechtsverletzende Vermehrungsmaterial zu Erntegut geworden ist, welches zu spürbar höheren Preise bzw. in höheren Mengen verkauft wird und daher auf den letzten Stufen einer Ver-triebskette in der Regel die höchsten Lizenzgebühren generiert werden können. Der Schutzrechtsinhaber soll vielmehr gezwungen werden, die ihm grundsätzlich zu-stehenden Lizenzgebühren so früh wie möglich, d.h. möglichst auf der oder den ers-ten Stufen einer Produktions- und Lieferkette, geltend zu machen. In diesem Punkt unterscheidet sich das Sortenschutzrecht maßgeblich von den anderen Gebieten des gewerblichen Rechtsschutzes, die eine entsprechende Privilegierung nachfolgender Stufen einer Produktionskette nicht kennen.
- Daraus folgt, dass der Sortenschutzinhaber – sofern er frühzeitig Kenntnis von der Schutzrechtsverletzung erlangt – in der Regel seinen Unterlassungsanspruch gegen den Erzeuger des Saatguts/Vermehrungsmaterials geltend zu machen hat, jedenfalls soweit dies rechtlich und/oder tatsächlich möglich ist.
- Erlangt er indes – wie im vorliegenden Fall – erst spät Kenntnis von der Schutzrechts-verletzung, so stehen ihm (Unterlassungs-)Ansprüche auf jeder Stufe zu (so i.E. auch Metzger/Zech, a.a.O., § 37 / Art. 94ff, Rz. 72; i.E. wohl auch Leßmann/Würtenberger, Hdb. zum dt. und europ. Sortenschutzrecht, 2. Auflage, Kapitel D., Rz. 180).
- Folgt man indes dem weiten Verständnis der Beklagten, so drohen unangemessene Wertungswidersprüche. Wenn nämlich der Sortenschutzinhaber im Falle einer späten Kenntniserlangung der Rechtsgutverletzung nicht auch vom Verkäufer des Ernteguts Unterlassung verlangen könnte, dann würde ein rechtswidriger Zustand ggf. dauerhaft perpetuiert, da der Verkäufer jedenfalls noch das in seinem Bestand befindliche, rechtswidrig erzeugte Erntegut weiter verkaufen dürfte. Der Händler wäre zudem mangels Unterlassungsverpflichtung auch nicht gehindert, zukünftig weiteres rechts-widrig erzeugtes Erntegut der betroffenen Sorte ein- und weiterzuverkaufen. Es er-schließt sich daher ohne Weiteres, dass dem Sortenschutzinhaber (Unterlassungs-)Ansprüche auf jeder Stufe einer Verwertungskette zustehen müssen, um seine Rechtsposition hinreichend wahren zu können.
- Zudem verblieben nach der Auslegung der Beklagten auch kaum Fälle, in denen der Verkäufer von Erntegut in Anspruch genommen werden könnte. Nur dann, wenn der Schutzrechtsinhaber die Vorstufe(n) in tatsächlicher Hinsicht nicht kennt oder diese ggf. im schutzrechtsfreien Ausland angesiedelt sind und daher aus Rechtsgründen nicht gegen sie vorgegangen werden kann (BGH, GRUR 2006, 575ff. – AA), könnte der Vertreiber des Ernteguts in Anspruch genommen werden. Entgegen der vom Normgeber gewollten Einstufung der Regelung des Art. 13 Abs. 3 GemSortV als Aus-nahmetatbestand, würde die Regelung daher nach dem Verständnis der Beklagten den Regelfall darstellen.
- Soweit die Beklagte zur Stützung ihrer Auslegung auch noch auf die Gesetzeshistorie vom UPOV-Übereinkommen sowie dem SortG Bezug nimmt, ergibt sich daraus auch nichts anderes. So führt der Gesetzesgeber zur Neufassung der mit Art. 13 Gem-SortV korrespondierenden Regelung des § 10 SortG u.a. aus (BT-Drucks. 13/7038, Besonderer Teil zu Nr. 6; Hervorhebungen hinzugefügt):
- „Durch die Neufassung sollen die Möglichkeiten des Züchters zur Gel-tendmachung seiner Rechte an der Sorte verstärkt werden. An dem Grundsatz, daß der Züchter sein Recht hinsichtlich jedes aus einer Vermehrung hervorgehenden Erzeugnisses nur einmal geltend machen kann, wird festgehalten. Um die Ausnutzung von Schutzlücken zu er-schweren, wurde gesetzestechnisch der Weg gewählt, die Wirkungen des Schutzes in § 10 weiter zu fassen und die Begrenzungen des Schutzes im Gegenzug in den §§ 10 a und 10b enumerativ aufzuführen. Inhaltlich entspricht die neue Fassung Artikel 14 des Übereinkom-mens und Artikel 13 der EG-Verordnung.
- […]
- Entsprechend der in Artikel 14 Abs. 2 und 3 des Übereinkommens vor-gegebenen sogenannten „Kaskadenlösung“ ist die Erstreckung des Schutzumfangs auf sonstige Pflanzen oder Pflanzenteile und daraus unmittelbar gewonnene Erzeugnisse nur dann wirksam, wenn der Sor-tenschutzinhaber auf der jeweils vorhergehenden Stufe (dem Vermeh-rungsmaterial oder den sonstigen Pflanzen oder Pflanzenteilen) keine Gelegenheit hatte, sein Recht geltend zu machen. Durch diese Vor-schrift wird der Sortenschutzinhaber veranlaßt, seine Lizenzge-bühren zum frühest möglichen Zeitpunkt, nämlich auf der Stufe des Vermehrungsmaterials, zu erheben. Bei einer Erhebung auf den folgenden Stufen hat der Sortenschutzinhaber den Beweis zu führen, daß es ihm nicht möglich war, auf der jeweils vorhergehenden Stufe das Sortenschutzrecht geltend zu machen.“
- Der deutsche Gesetzgeber bestätigt insoweit die eingangs schon dargestellte Intenti-on des Normgebers, den Rechtsverkehr dadurch zu schützen, dass der Sortenschutz-inhaber die ihm zustehenden Lizenzgebühren auf der ersten Stufe geltend zu machen hat. Die Gesetzesbegründung verhält sich indes aber nicht dazu, ob dies auch für den Unterlassungsanspruch gilt, insbesondere dass durch die Einfügung des Ausschlus-statbestandes für Erntegut ein Unterlassungsanspruch auf späteren Stufen einer Ver-triebskette ausgeschlossen werden soll.
- Für eine weite Auslegung des Ausschlusstatbestandes streitet schließlich auch nicht die von den Parteien in Bezug genommene AA-Entscheidung des BGH (GRUR 2006, 575ff.). Der BGH hat mit Blick auf die Zierpflanze „AA“ in dem ihm vorliegenden Fall entschieden, dass die dortige Beklagte sich nicht auf den Ausschluss der Ansprüche nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SortG berufen konnte, da die Klägerin zuvor keine Gelegenheit hatte, ihre Rechte gegen einen Dritten geltend zu machen, weil die Erzeugung der angegriffenen Pflanze durch ein in Frankreich ansässiges Unternehmen e
- Erfolgt ist, wo kein Sortenschutz bestand. Der Entscheidung des BGH kann indes an keiner Stelle entnommen werden, dass dieser Fall der (rechtlichen) Unmöglichkeit der vorherigen Geltendmachung von Ansprüchen der einzige Anwendungsfall der Privilegierung sein soll.
- Ob und inwieweit die vorstehend dargestellten Grundsätze auch mit Blick auf die ebenfalls aus Art. 94 GemSortV folgenden Schadensersatz- und Lizenzgebührenan-sprüche des Sortenschutzinhabers gelten oder ob er – unabhängig vom Zeitpunkt sei-ner Kenntniserlangung von der Sortenschutzverletzung – Schadensersatz regelmäßig nur von der oder den ersten Stufe(n) einer Vertriebskette erhalten kann, brauchte vor-liegend nicht entschieden zu werden, da streitgegenständlich nur Unterlassungsan-sprüche sind.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.