4b O 64/20 – Druckmaterialbehälter 3

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3110

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 29. Juni 2021, Az. 4b O 64/20

  1. I.
    Die Beklagten werden verurteilt,
  2. 1. es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, diese zu vollziehen an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter, zu unterlassen,
  3. einen Druckmaterialbehälter in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, der
  4. a) an einer Druckvorrichtung abnehmbar montiert werden kann, zum Zuführen von Tinte zu einem Druckkopf der Druckvorrichtung,
    b) der Druckmaterialbehälter umfassend:
  5. aa) eine erste Einrichtung;
    bb) eine zweite Einrichtung;
    cc) eine Gruppe von Anschlüssen für eine Verbindung mit den vorrichtungsseitigen Anschlüssen und umfassend eine Vielzahl von ersten Anschlüssen, mindestens einen zweiten Anschluss und mindestens einen dritten Anschluss, wobei:
  6. c) die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden sind und
    d) einen Masseanschluss, einen Leistungsversorgungsanschluss, einen Rücksetzungsanschluss, einen Taktanschluss und einen Datenanschluss aufweisen;
    e) wobei die erste Einrichtung ein Speicher zum Speichern von Information in Bezug auf das Druckmaterial ist, das in dem Druckmaterialbehälter enthalten ist;
    f) der mindestens eine zweite Anschluss mit der zweiten Einrichtung verbunden ist;
    g) der mindestens eine dritte Anschluss der Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem mindestens einen zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss dient; und
    h) sich mindestens ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses in mindestens einer Richtung befindet;
    i) wobei die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung als die erste Einrichtung betrieben wird, und
    j) es mindestens zwei zweite Anschlüsse gibt und
    k) mindestens ein Abschnitt von jedem der ersten Anschlüsse seitlich zwischen den zwei zweiten Anschlüssen angeordnet ist;
  7. 2. den Klägerinnen in EDV-auswertbarer elektronischer Form Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. Oktober 2015 begangen haben, und zwar unter Angabe
  8. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  9. wobei
  10. zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und
  11. von der Beklagten zu 2. die Angaben erst für die seit dem 5. September 2017 begangenen Handlungen zu machen sind;
  12. 3. den Klägerinnen in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1. aufgeführten Handlungen seit dem 3. Oktober 2015 begangen haben, und zwar unter Angabe
  13. a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer,
    b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen, sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns,
  14. wobei
  15. den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt den Klägerinnen einem von diesen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer bzw. bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;
  16. die Aufstellung mit den Daten der Rechnungslegung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist und
  17. von der Beklagten zu 2. die Angaben erst für die seit dem 5. September 2017 begangenen Handlungen zu machen sind.
  18. II.
    Die Beklagte zu 1. wird verurteilt,
  19. 1. die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Gegenstände zu vernichten oder nach Ihrer Wahl an einen von den Klägerinnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1. – Kosten herauszugeben;
    2. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 3. Oktober 2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse zurückzurufen, indem die Beklagte zu 1. die gewerblichen Abnehmer unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und unter Angabe des Urteils schriftlich auffordert, die Erzeugnisse zurückzusenden, verbunden mit der verbindlichen Zusage, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und indem die Beklagten zu 1. die Erzeugnisse wieder an sich nimmt.
  20. III.
    Es wird festgestellt, dass
  21. 1. die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen in Bezug auf die in Ziffer I.1. begangenen Handlungen seit dem 5. September 2017 entstanden ist und noch entstehen wird,
  22. 2. die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch die von der Beklagten zu 1. vom 3. Oktober 2015 bis zum 4. September 2017 bezeichneten Handlungen gemäß Ziffer I.1. entstanden ist und noch entstehen wird.
  23. IV.
    Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerinnen 8.150,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juni 2020 zu zahlen.
  24. V.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  25. VI.
    Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen zu 50% und die Beklagten zu 50%.
  26. VII.
    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerinnen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 250.000,00 Euro und für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden:
  27. Ziff. I.1 und II.: 175.000,00 Euro
    Ziff. I.2 und I.3.: 50.000 Euro
    Ziff. IV. und VI.: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  28. Tatbestand
  29. Die Klägerinnen nehmen die Beklagten wegen Verletzung des Patents DE 10 2006 062 XXX C 5 (nachfolgend „Klagepatent“, Anlage HE 23) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung, Rückruf sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.
  30. Die Klägerin zu 1. ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 21. Dezember 2006 unter Inanspruchnahme zweier japanischer Prioritäten vom 26. Dezember 2005 und 11. August 2006 angemeldet wurde. Das Klagepatent wurde am 3. September 2009 veröffentlicht. Das Klagepatent durchlief ein Einspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und wurde mit Beschluss des Bundespatentgerichts vom 5. Juli 2019 (Anlage HE 22) in beschränktem Umfang aufrechterhalten.
  31. Das Klagepatent betrifft einen Druckmaterialbehälter mit Kurzschlusserfassungsanschluss und Druckvorrichtung. Der geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet:
  32. „Ein Druckmaterialbehälter (100), der an einer Druckvorrichtung (1000) mit einer Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen (410 – 490) abnehmbar montiert werden kann, zum Zuführen von Tinte zu einem Druckkopf der Druckvorrichtung, der Druckmaterialbehälter (100) umfassend:
    eine erste Einrichtung (203);
    eine zweite Einrichtung (104);
    – eine Gruppe von Anschlüssen für eine Verbindung mit den vorrichtungsseitigen Anschlüssen und -umfassend eine Vielzahl von ersten Anschlüssen (220, 230, 260, 270, 280), mindestens einen zweiten Anschluss (250, 290) und mindestens einen dritten Anschluss (210, 240), wobei:
    die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung (203) verbunden sind und einen Masseanschluss (220), einen Leistungsversorgungsanschluss (230), einen Rücksetzungsanschluss (260), einen Taktanschluss (270) und einen Datenanschluss (280) aufweisen; wobei die erste Einrichtung (203) ein Speicher zum Speichern von Information in Bezug auf das Druckmaterial ist, das in dem Druckmaterialbehälter (100) enthalten ist;
    der mindestens eine zweite Anschluss (250, 290) mit der zweiten Einrichtung (104) verbunden ist;
    der mindestens eine dritte Anschluss (210, 240) der Erfassung des Kurzschlusses zwischen dem mindestens einen zweiten Anschluss (250, 290) und dem mindestens einen dritten Anschluss (210, 240) dient; und
    sich mindestens ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses (210, 240) benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses (250, 290) in mindestens einer Richtung befindet;
    wobei die zweite Einrichtung (104) durch eine höhere Spannung als die erste Einrichtung (203) betrieben wird, und
    es mindestens zwei zweite Anschlüsse (250, 290) gibt und mindestens ein Abschnitt von jedem der ersten Anschlüsse (220, 230, 260, 270, 280) seitlich zwischen den zwei zweiten Anschlüssen angeordnet ist.“
  33. Wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere wenn“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüche 8, 10, 11, 19, 24 und 26 wird auf die Klagepatentschrift verwiesen.
  34. Die nachfolgenden Figuren stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen eine Perspektivansicht der Konstruktion der Tintenpatrone betreffend die Ausführungsform der Erfindung (Figur 2) und Diagramme der Konstruktion erfindungsgemäßer Platinen (Figuren 3A-B):
  35. Die Klägerin zu 2. ist eine Tochtergesellschaft und ausschließliche Lizenznehmerin der Klägerin zu 1. Sie ist mit dem Vertrieb von Druckern und Druckerzubehör in Deutschland betraut.
  36. Die Beklagte zu 1. bietet an und vertreibt über ihren eigenen Onlineshop und über die Handelsplattform eBay Tintenpatronen, die zur Verwendung in den Druckern der Klägerinnen geeignet und bestimmt sind. Die Beklagte zu 2. ist Geschäftsführerin der Beklagten zu 1.
  37. Die Klägerinnen führten vor der Kammer bereits unter dem Aktenzeichen 4b O 62/16 ein Klageverfahren gegen Sven Klumpp, der zuletzt unter dem Firmennamen „Tito-Express Sven Klumpp“ Tintenpatronen vertrieb, wegen Verletzung des Patents EP 1 800 XXX B 2 und richteten sich gegen Angebot und Vertrieb von drei Ausführungsformen (angegriffene Ausführungsformen 1, 2 und 3). Mit dem als Anlage HE 4 vorgelegten Urteil vom 10. August 2017 verurteilte die Kammer den dortigen Beklagten antragsgemäß. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Oberlandesgericht Düsseldorf mit dem als Anlage HE 5 vorgelegten Urteil zurück.
  38. Mit der hiesigen Klage wenden sich die Klägerinnen gegen Angebot und Vertrieb der Ausführungsformen 3 und 4. Die Ausführungsform 3 war bereits Gegenstand des Verfahrens 4b O 62/16. Die angegriffene Ausführungsform 4 brachten die Beklagten zwischenzeitlich neu auf den Markt.
  39. Die angegriffene Ausführungsform 3 weist eine mit „A“ markierte Platine auf und umfasst Tintenpatronen mit den Seriennummern XXX, die kompatibel sind mit den Druckern B XXX, sowie mit den Seriennummern XXX, kompatibel mit den Druckern B XXX und mit den Seriennummern XXX, kompatibel zum Drucker B XXX (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform 3“). Die Anschlussanordnung der angegriffenen Ausführungsform 3 ist nachfolgend eingeblendet (entnommen aus der Klageschrift Seite 56):
  40. Die Ausführungsform 4 besitzt eine mit „XXX“ markierte Platine, wie nachfolgend gezeigt (der Klageschrift entnommen auf Seite 60):
  41. Die Tintenpatronen der Ausführungsform 4 haben beispielsweise die Seriennummern XXX (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform 4“). Ein Muster einer schwarzen Tintenpatrone der Seriennummer XXX liegt der Kammer als Anlage HE 25 vor.
  42. Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Mai 2019 (Anlage HE 6) ließen die Klägerinnen die Beklagten mit Fristsetzung zum 21. Juni 2019 hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 3 erfolglos abmahnen. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 4 ließen die Klägerinnen die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Februar 2020 unter Fristsetzung erfolglos abmahnen.
  43. Die Klägerinnen sind der Ansicht, durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen 3 und 4 verletzten die Beklagten das Klagepatent. Eine technische Untersuchung einzelner Exemplare der angegriffenen Ausführungsformen habe gezeigt, dass die angegriffenen Ausführungsformen jeweils einen Chip mit einer Anschlussanordnung besitzen würden. Diese Anschlussanordnungen seien im Allgemeinen ähnlich zueinander und unterschieden sich nur geringfügig.
  44. So sei die angegriffene Ausführungsform 3 an einer Druckervorrichtung anbringbar und umfasse eine Platine, die auf einer äußeren Oberfläche des Druckmaterialbehälters angebracht sei. Auf der hinteren Oberfläche der Platine sei eine erste Einrichtung vorgesehen, die durch ein schwarzes Schutzmaterial bedeckt sei. Entferne man das Schutzmaterial, werde die erste Einrichtung freigelegt. Zusätzlich zur ersten Einrichtung sei eine zweite Einrichtung auf der hinteren Oberfläche der Platine vorgesehen; es handele sich um einen Widerstand. Vorhanden seien weiter dritte Anschlüsse (Anschlüsse B und H, Seite 7 der Anlage HE 20), bei denen es sich um Kurzschlusserfassungsanschlüsse handele. Diese Anschlüsse seien jeweils benachbart zu den zweiten Anschlüssen (Anschlüsse A und I, Seite 7 der Anlage HE 20) angeordnet.
  45. Die angegriffene Ausführungsform 4 sei im Wesentlichen baugleich zur angegriffenen Ausführungsform 3, was sich aus den als Anlage HE 26 vorgelegten Fotografien der technischen Analyse ergebe. Insbesondere seien auch bei dieser Ausführungsform die dritten Anschlüsse (Anschlüsse B und H, Seite 7 der Anlage HE 26) jeweils benachbart zu den zweiten Anschlüssen (Anschlüsse A und I, Seite 7 der Anlage HE 26). Die dünnen Leiterbahnen, die sich ausgehend von den Anschlüssen F und D zu den seitlichen Rändern hin erstreckten, seien objektiv nicht geeignet, als Anschlüsse zu fungieren. Entscheidend sei, dass es durch die Anordnung des dritten Anschlusses in Bezug zum zweiten Anschluss äußerst wahrscheinlich sei, einen Kurzschluss zu einem ersten Anschluss zu erfassen. Dies sei bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall, da die dritten Anschlüsse in räumlicher Nähe zu den zweiten Anschlüssen angeordnet seien. Aufgrund dieser räumlichen Nähe würden Kurzschlüsse, wie sie etwa durch Tintentropfen, Büroklammern oder dergleichen hervorgerufen werden könnten, äußerst zuverlässig durch die dritten Anschlüsse erfasst. Dies gelte auch und insbesondere, wenn sich ein erster Anschluss im Bereich benachbarter zweiter und dritter Anschlüsse befinde.
  46. Die Klägerinnen haben ursprünglich beantragt, die Beklagten zur Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Vernichtung und endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen zu verurteilen sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten festzustellen.
  47. Nachdem die Klägerinnen die Klage hinsichtlich des Entfernungsanspruchs sowie hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung der Schadensersatzpflicht gegen die Beklagte zu 2. für die Zeit vor dem 5. September 2017 teilweise zurückgenommen haben, beantragen sie nunmehr
  48. I. die Beklagten zu verurteilen,
  49. 1. es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, diese zu vollziehen an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertretern, zu unterlassen,
  50. einen Druckmaterialbehälter in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, der
  51. a) an einer Druckvorrichtung abnehmbar montiert werden kann, zum Zuführen von Tinte zu einem Druckkopf der Druckvorrichtung,
    b) der Druckmaterialbehälter umfassend:
    aa) eine erste Einrichtung;
    bb) eine zweite Einrichtung;
    cc) eine Gruppe von Anschlüssen für eine Verbindung mit den vorrichtungsseitigen Anschlüssen und umfassend eine Vielzahl von ersten Anschlüssen, mindestens einen zweiten Anschluss und mindestens einen dritten Anschluss, wobei:
    c) die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden sind und
    d) einen Masseanschluss, einen Leistungsversorgungsanschluss, einen Rücksetzungsanschluss, einen Taktanschluss und einen Datenanschluss aufweisen;
    e) wobei die erste Einrichtung ein Speicher zum Speichern von Information in Bezug auf das Druckmaterial ist, das in dem Druckmaterialbehälter enthalten ist;
    f) der mindestens eine zweite Anschluss mit der zweiten Einrichtung verbunden ist;
    g) der mindestens eine dritte Anschluss der Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem mindestens einen zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss dient; und
    h) sich mindestens ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses in mindestens einer Richtung befindet;
    i) wobei die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung als die erste Einrichtung betrieben wird, und
    j) es mindestens zwei zweite Anschlüsse gibt und
    k) mindestens ein Abschnitt von jedem der ersten Anschlüsse seitlich zwischen den zwei zweiten Anschlüssen angeordnet ist;
  52. 2. den Klägerinnen in elektronischer Form Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagten) die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. Oktober 2015 begangen haben, und zwar unter Angabe
  53. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
    b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
    c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  54. wobei
  55. zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und
  56. von der Beklagten zu 2. alle Angaben erst für die seit dem 5. September 2017 begangenen Handlungen zu machen sind;
  57. 3. den Klägerinnen in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer I.1 aufgeführten Handlungen seit dem 3. Oktober 2015 begangen haben, und zwar unter Angabe
  58. a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer,
    b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,
    c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen, sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
    d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
    e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns,
  59. wobei
  60. den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt den Klägerinnen einem von diesen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer bzw. bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;
  61. die Aufstellung mit den Daten der Rechnungslegung zusätzlich in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln ist und
  62. von der Beklagten zu 2. alle Angaben erst für die seit dem 5. September 2017 begangenen Handlungen zu machen sind;
  63. III. die Beklagte zu 1. zu verurteilen,
    1. die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1 bezeichneten Gegenstände zu vernichten oder nach Ihrer Wahl an einen von den Klägerinnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1. – Kosten herauszugeben;
    2. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 3. Oktober 2015 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse zurückzurufen, indem die Beklagte zu 1 die gewerblichen Abnehmer unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und unter Angabe des Urteils schriftlich auffordert, die Erzeugnisse zurückzusenden, verbunden mit der verbindlichen Zusage, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und indem die Beklagten zu 1. die Erzeugnisse wieder an sich nimmt;
  64. III. festzustellen, dass
  65. 1. die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen in Bezug auf die in Ziffer I.1. begangenen Handlungen seit dem 3. Oktober 2015 entstanden ist und noch entstehen wird,
    2. die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch die von der Beklagten zu 1 vom 3. Oktober 2015 bis zum 4. September 2017 bezeichneten Handlungen gemäß Ziffer I.1. entstanden ist und noch entstehen wird.
  66. IV. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerinnen 17.006,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juni 2020 zu zahlen.
  67. Die Beklagten beantragen,
  68. die Klage abzuweisen.
  69. Die Beklagten sind der Auffassung, eine Verletzung des Klagepatents läge nicht vor. Es fehle an der zweiten Einrichtung, die durch eine höhere Spannung betrieben werde als die erste Einrichtung. Bei den angegriffenen Ausführungsformen sei lediglich ein elektrischer Widerstand vorhanden, der ausschließlich dazu diene, zwischen den beiden für den (nicht vorhandenen) Füllstandssensor vorgesehenen Kontakten eine Verbindung herzustellen. Dies sei zur Herstellung der Kompatibilität erforderlich, da der Drucker bewusst so programmiert sei, dass er nur dann drucke, wenn zwischen den beiden Kontakten eine Verbindung, sei es durch eine (zweite) Einrichtung wie einen Füllstandssensor oder durch eine Verbindung ohne (zweite) Einrichtung bestehe. Der bei den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene Widerstand habe in Bezug auf die Tintenpatronen keine Funktionalität, was sich leicht dadurch demonstrieren ließe, dass man diesen von den Tintenpatronen entfernen und die Verbindung/den Widerstand zwischen den beiden druckerseitigen Kontaktpins im Drucker anordne.
  70. Die in den angegriffenen Ausführungsformen verbauten Widerstände hätten kein Problem damit, wenn an sie dieselbe Spannung angelegt werden würde, wie an die erste Einrichtung, d.h. den Chip.
  71. Schließlich weise die Kontaktanordnung auf der Platine der angegriffenen Ausführungsform 4 einen dritten Abschnitt, der zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses benachbart sei, nicht auf. Denn zwischen dem zweiten und dem dritten Anschluss liege ein erster Anschluss. Bei der angegriffenen Ausführungsform habe ein Kurzschluss zwischen dem Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses und dem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses keine höhere Tendenz aufzutreten als ein Kurzschluss zwischen dem ersten Anschluss und dem zweiten Anschluss, da sich bei dieser angegriffenen Ausführungsform zwischen dem zweiten und dem dritten Anschluss jeweils ein erster Anschluss befinde.
  72. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
  73. Entscheidungsgründe
  74. Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
  75. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten im tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB und Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten gemäß §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 3.
  76. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 4 stehen den Klägerinnen jedoch die geltend gemachten Ansprüche nicht zu.
  77. I.
    Das Klagepatent bezieht sich auf einen Druckmaterialbehälter, der ein Druckmaterial enthält, und eine Platine, die an dem Druckmaterialbehälter montiert ist, und bezieht sich insbesondere auf eine Anordnung für eine Vielzahl von Anschlüssen, die an diesen Komponenten angeordnet sind (Abs. [0001], Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus Klagepatentschrift, Anlage HE 23).
  78. In der Beschreibung des Klagepatents wird einleitend zum Stand der Technik ausgeführt, es sei in den letzten Jahren üblich gewesen, Tintenpatronen, die in Tintenstrahldruckern oder einer anderen Druckvorrichtung verwendet werden, mit einer Einrichtung auszurüsten, z.B. einem Speicher zum Speichern von Informationen in Bezug auf die Tinte. Auch ist an derartigen Tintenpatronen eine andere Einrichtung angeordnet, z.B. eine Hochspannungsschaltung (z.B. ein Resttintenpegelsensor, der ein piezoelektrisches Element verwendet), an die eine höhere Spannung als die Ansteuerspannung des Speichers angelegt wird. In derartigen Fällen, so das Klagepatent weiter, gibt es Beispiele, in denen die Tintenpatrone und die Druckvorrichtung durch Anschlüsse elektrisch verbunden sind. Im Stand der Technik wird daher ein Aufbau vorgeschlagen, um zu verhindern, dass das Informationsspeichermedium kurzgeschlossen und wegen einem Tropfen von Flüssigkeit beschädigt wird, der in den Anschlüssen abgelagert wird, die die Druckvorrichtung mit dem Speichermedium verbinden, mit dem die Tintenpatrone ausgerüstet ist (Abs. [0002]).
  79. Die oben erwähnten Technologien, so das Klagepatent weiter, betrachten jedoch nicht eine Tintenpatrone, die mit einer Vielzahl von Einrichtungen ausgerüstet wurde, z.B. einem Speicher und einer Hochspannungsschaltung, mit Anschlüssen für eine Einrichtung und den Anschlüssen für eine andere Einrichtung. Bei dieser Art einer Patrone gab es das Risiko, dass ein Kurzschluss zwischen dem Anschluss für die eine Einrichtung und dem Anschluss für die andere Einrichtung auftreten könnte, so dass sowohl die Tintenpatrone als auch der mit ihr bestückte Drucker beschädigt werden kann (Abs. [0003]).
  80. Davon ausgehend besteht die dem Klagepatent zugrundeliegende Aufgabe (das technische Problem), ohne dass diese als solche erwähnt wird, darin, einen Druckmaterialbehälter mit einer Vielzahl von Einrichtungen vorzusehen, bei dem Schaden für den Druckmaterialbehälter und die Druckvorrichtung, der durch Kurzschlüsse zwischen den Anschlüssen verursacht wird, verhindert oder reduziert wird.
  81. Zur Lösung schlägt der Klagepatentanspruch 1 einen Druckmaterialbehälter mit folgenden Merkmalen vor:
  82. 1. Druckmaterialbehälter (100), der an einer Druckvorrichtung (1000) abnehmbar montiert werden kann, zum Zuführen von Tinte zu einem Druckkopf der Druckvorrichtung, umfassend:
  83. 2. eine erste Einrichtung;
  84. 3. eine zweite Einrichtung;
  85. 4. eine Gruppe von Anschlüssen für eine Verbindung mit den vorrichtungsseitigen Anschlüssen und umfassend eine Vielzahl von ersten Anschlüssen, mindestens einen zweiten Anschluss und mindestens einen dritten Anschluss, wobei
  86. 5. die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden sind und einen Masseanschluss, einen Leistungsversorgungsanschluss, einen Rücksetzungsanschluss, einen Taktanschluss und einen Datenanschluss aufweisen;
  87. 6. wobei die erste Einrichtung ein Speicher zum Speichern von Information in Bezug auf das Druckmaterial ist, das in dem Druckmaterialbehälter enthalten ist;
  88. 7. der mindestens eine zweite Anschluss mit der zweiten Einrichtung verbunden ist;
  89. 8. der mindestens eine dritte Anschluss der Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem mindesten einen zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss dient; und
  90. 9. sich mindestens ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses in mindestens einer Richtung befindet;
  91. 10. wobei die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung als die erste Einrichtung betrieben wird, und
  92. 11. es mindestens zwei zweite Anschlüsse gibt und mindestens ein Abschnitt von jedem der ersten Anschlüsse seitlich zwischen den zwei zweiten Anschlüssen angeordnet ist.
  93. II.
    Der erfindungsgemäße Druckmaterialbehälter soll mit zwei mit unterschiedlichen elektrischen Spannungen betriebenen Einrichtungen und dazu passenden elektrischen Anschlüssen einen Anschluss dritter Kategorie zur Erfassung von Kurzschlüssen vorsehen, indem die Kontaktabschnitte der genannten Anschlüsse innerhalb der Anschlussgruppe in einer bestimmten Art und Weise räumlich angeordnet werden.
  94. Zwischen den Parteien stehen vorliegend die Merkmale 9 und 10 in Streit, wonach sich mindestens ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses in mindestens einer Richtung befindet und wobei die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung betrieben wird als die erste Einrichtung.
  95. 1.
    Nach Merkmal 9 befindet sich mindestens ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses in mindestens einer Richtung.
  96. a)
    Bei den ersten, zweiten und dritten Anschlüssen im Sinne des Klagepatentanspruchs handelt es sich jeweils um das Ende einer elektrischen Leitung, mit dem diese in Kontakt mit dem vorrichtungsseitigen Anschluss einer anderen elektrischen Leitung kommen kann. Ein solcher Anschluss besteht daher aus leitfähigen Material und ist geeignet, über ihn den elektrischen Kontakt mit einem vorrichtungsseitigen Anschluss herzustellen.
  97. Der Begriff des Anschlusses entspricht insoweit dem allgemeinen fachmännischen Verständnis von einem elektrischen Anschluss. Dieses Verständnis ergibt sich auch aus dem Klagepatentanspruch selbst, wonach die ersten und zweiten Anschlüsse des Druckmaterialbehälters gemäß Merkmal 5 und 7 mit einer ersten und zweiten Einrichtung verbunden sind, die gemäß Merkmal 10 mit einer Spannung betrieben werden, und die ersten bis dritten Anschlüsse gemäß Merkmal 4 der Verbindung mit vorrichtungsseitigen Anschlüssen dienen. Da es sich nach alledem bei der ersten und zweiten Einrichtung um elektrische Einrichtungen handelt, setzt die Verbindung zwischen diesen Einrichtungen und den Anschlüssen eine elektrische Verbindung durch eine elektrische Leitung voraus, deren Endabschnitt den Anschluss für den elektrischen Kontakt mit den vorrichtungsseitigen Anschlüssen bildet.
  98. Die Anschlüsse im Sinne des Klagepatents sind von der elektrischen Leitung zu unterscheiden. Dies ergibt sich mittelbar aus der Beschreibung des Klagepatents, die ebenfalls zwischen dem Anschluss und der elektrischen Leitung differenziert (vgl. Abs. [0093 und Figur 10). Als elektrische Leitung kann in Abgrenzung zum Anschluss jede aus elektrisch leitfähigem Material bestehende Verbindung zwischen einer (elektrischen) Einrichtung und einem Anschluss oder zweiten (elektrischen) Einrichtungen verstanden werden.
  99. b)
    Bei den Abschnitten des mindestens einen zweiten oder dritten Anschlusses handelt es sich um Teilbereiche des Anschlusses, in denen die Anschlüsse mit den vorrichtungsseitigen Anschlüssen in Kontakt kommen. Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Klagepatents, das auch den Begriff der Kontaktabschnitte verwendet. Sie dienen – so das Klagepatent – zum Kontaktieren des entsprechenden vorrichtungsseitigen Anschlusses (vgl. Abs. [0008], [0009], [0034], [0036]).
  100. Da Gegenstand des Klagepatentanspruchs lediglich der Druckmaterialbehälter und nicht die Druckvorrichtung ist und die räumlich-körperliche Anordnung der vorrichtungsseitigen Anschlüsse nicht vorgegeben ist, kann als Abschnitt eines Anschlusses im Sinne des Klagepatentanspruchs jeder (Teil-) Bereich eines Anschlusses angesehen werden, der geeignet ist, als Kontaktstelle für den elektrischen Kontakt mit einem (gedachten) Anschluss einer Druckvorrichtung zu dienen. Ein solcher Abschnitt eines Anschlusses muss nicht notwendigerweise vollflächig ausgebildet sein. Es kann sich beispielsweise auch um einen an seinem unteren Ende erweiterten Abschnitt handeln, wie er etwa in den Figuren 14 und 15 des Klagepatents dargestellt und in der Klagepatentschrift beschrieben ist (Abs. [0086]). Dieser leitungsähnliche Fortsatz stellt keine elektrische Leitung im vorgenannten Sinne dar, weil sie ins Leere läuft und keine elektrische Verbindung mit einem anderen elektrischen Bauteil herstellt.
  101. c)
    Soweit der Klagepatentanspruch mit dem Merkmal 9 anordnet, dass ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses sein soll, wird damit ausgeschlossen, dass sich zwischen den jeweiligen Abschnitten des dritten und zweiten Anschlusses jedenfalls in einer Richtung elektrisch leitfähiges Material eines anderen Anschlusses oder Leiters befindet. Insofern müssen der dritte und der zweite Anschluss an einer Stelle unmittelbar nebeneinander angeordnet sein.
  102. Ein anderes Verständnis, wonach zwischen die Abschnitte von zweitem und drittem Anschluss auch Abschnitte von ersten Anschlüssen treten könnten, hätte zur Folge, dass das Merkmal 9 bedeutungslos würde. Da der erfindungsgemäße Druckmaterialbehälter ohnehin nur erste, zweite und dritte Anschlüsse kennt, wäre bei einem solchen weiten Verständnis jeder zweite Anschluss irgendwie benachbart zu einem dritten Anschluss. Dass durch den Begriff „benachbart“ aber tatsächlich jedes Dazwischentreten eines ersten Anschlusses zwischen den Abschnitt des zweiten und des dritten Anschlusses ausgeschlossen werden soll, ergibt sich schließlich aus der Funktion von Merkmal 9.
  103. Die Funktion der mit dem Merkmal 9 vorgegebenen Anordnung von zweitem und drittem Anschluss besteht darin, dass ein Kurzschluss eher zwischen dem zweiten und dritten Anschluss als zwischen einem ersten und einem zweiten Anschluss auftritt. Dies ergibt sich aus der Beschreibung des Klagepatents, das sich in seinem Absatz [0013] mit dem Merkmal 9 und dem dritten Aspekt der Erfindung auseinandersetzt, wonach sich mindestens ein Abschnitt des mindestens einen dritten Anschluss benachbart zu mindestens einem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses befindet. In der zitierten Textstelle heißt es zu dem Merkmal 9 ausdrücklich: „Als ein Ergebnis hat ein Kurzschluss zwischen dem Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses und dem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses eine größere Tendenz aufzutreten als ein Kurzschluss zwischen dem ersten Anschluss und dem zweiten Anschluss“ (Abs. [0013]). Diese Funktion, dass ein Kurzschluss eher zwischen dem zweiten und dritten Anschluss als zwischen dem ersten und zweiten Anschluss auftritt, kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn sich zwischen den im Merkmal 9 genannten Abschnitten des dritten und zweiten Anschlusses kein leitfähiges Material des ersten Anschlusses befindet. Insofern ist der Begriff „benachbart“ im Merkmal 9 als „unmittelbar benachbart“ zu verstehen. Denn dann ist es wahrscheinlicher, dass ein Tintentropfen oder sonstiger Fremdkörper, wie er etwa in Figur 13 und Figur 14 A bis 14D des Klagepatents dargestellt ist, im Bereich des zweiten Anschlusses auch den benachbarten dritten Anschluss für die Kurzschlusserfassung kontaktiert als einen weiter entfernten ersten Anschluss. Tritt hingegen zwischen die Abschnitte des zweiten und dritten Anschlusses noch ein Abschnitt des ersten Anschlusses, würde jeder Tintentropfen im Bereich des zweiten Anschlusses zunächst zu einem Kurzschluss mit dem ersten Anschluss führen, bevor er auch den Abschnitt des dritten Anschlusses erreicht und der Kurzschluss erfasst würde.
  104. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den weiteren Ausführungen in dem bereits zitierten Absatz [0013]. Dort heißt es: „In dem Fall, dass der Kurzschluss zwischen dem ersten und dem zweiten Anschluss durch einen Tropfen von Tinte oder Fremdmaterial auftritt, ist es entsprechend äußerst wahrscheinlich, dass der Kurzschluss zwischen dem Abschnitt des mindestens einen dritten Anschlusses und dem Abschnitt des mindestens einen zweiten Anschlusses auch auftritt, und als Anomalie erfasst wird“ (Absatz [0013]). Diese Textstelle ist auf die vorherigen beiden Sätze rückbezogen und beleuchtet die Wahrscheinlichkeit für eine Kurzschlussdetektion noch einmal von der anderen Seite, wenn sich nämlich ein Tintentropfen auf dem ersten und zweiten Anschluss befindet. Liegen diese Anschlüsse unmittelbar nebeneinander, ist es alles andere als wahrscheinlich, dass sich der Tintentropfen bis zu einem noch weiter entfernten Abschnitt des dritten Anschlusses erstreckt und der Kurzschluss erfasst wird. Wird aber der Begriff „benachbart“ im Merkmal 9 dahingehend verstanden, dass sich zwischen den beiden Abschnitten von zweitem und drittem Anschluss kein Abschnitt eines ersten Anschlusses befinden darf, liegt zwischen dem ersten und zweiten Anschluss zwangsläufig ein Abschnitt eines dritten Anschlusses, so dass ein Tintentropfen auf dem ersten und zweiten Anschluss zwangsläufig auch den dritten Anschluss kontaktiert und der Kurzschluss detektiert wird.
  105. Auch die Unteransprüche 2 und 7 legen kein anderes Verständnis von Merkmal 9 nahe. Unteranspruch 2 verhält sich konkretisierend zur Orientierung der Anschlüsse und der Platine, insbesondere zum Abstand zwischen den Anschlüssen in Einführrichtung, so dass es sich um eine Konkretisierung des Klagepatentanspruchs 1 handelt, weil dieser die Richtung im Merkmal 9 offen lässt. Ähnliches gilt für den Unteranspruch 7. Während der Klagepatentanspruch mit dem Merkmal 9 die räumliche Anordnung nur in eine (beliebige) Richtung vorgibt, ordnet der Unteranspruch 7 schlechthin und damit für alle Richtungen an, dass der dritte Anschluss dem zweiten Anschluss am nächsten ist.
  106. 2.
    Der Druckmaterialbehälter umfasst weiter eine erste und eine zweite Einrichtung, wobei die zweite Einrichtung nach Merkmal 10 durch eine höhere Spannung als die erste Einrichtung betrieben werden soll.
  107. a)
    Der Klagepatentanspruch gibt nicht vor, welche Funktion die zweite Einrichtung für den Druckmaterialbehälter übernimmt. Vor allem ist die zweite Einrichtung nicht auf einen Sensor zur Bestimmung des Tintenfüllstandes beschränkt. Diese Funktion wird lediglich in den Ausführungsbeispielen des Klagepatents offenbart, die eine weiter gefasste technische Lehre regelmäßig nicht einzuschränken vermögen. So ist es auch hier, denn der Klagepatentanspruch verlangt lediglich eine zweite Einrichtung, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass die zweite Einrichtung für den Druckmaterialbehälter gar keine Funktion übernimmt. Da der Druckmaterialbehälter lediglich geeignet sein muss, mit der Druckvorrichtung in dem vom Anspruch verlangten Umfang zusammenzuwirken, muss es sich bei der zweiten Einrichtung zwar um ein elektrisches Bauelement handeln, an das eine bestimmte Spannung angelegt werden können muss, mit der eine bestimmte Wirkung erzielt werden soll. In welcher Weise eine Wirkung erzielt werden soll und ob diese Wirkung am Druckmaterialbehälter oder an der Druckvorrichtung eintritt, gibt der Klagepatentanspruch nicht vor. Es ist damit dem Fachmann überlassen, welche Funktion er der zweiten Vorrichtung zuordnet und wie er sie in Abhängigkeit davon ausgestaltet. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Erfordernis, dass die Einrichtung „betrieben wird“, da es letztlich nur darauf ankommt, dass die zweite Einrichtung eine höhere Spannung verkraften kann und mit dem durch die angelegte Spannung erzeugten Strom eine Wirkung erzielt wird.
  108. Es ist daher – anders als die Beklagten meinen – nicht erforderlich, dass die zweite Einrichtung nur dann ordnungsgemäß funktioniert, wenn sie mit einer Betriebsspannung betrieben wird, die höher ist als die der ersten Einrichtung. Denn eine solche einschränkende Bedeutung ist dem Wortlaut – wie oben ausgeführt – nicht zu entnehmen. Auch funktional gibt der Klagepatentanspruch nicht vor, dass die zweite Einrichtung dazu dient, unterschiedliche Spannungen an den Druckmaterialbehälter anlegen zu können. Die zweite Einrichtung kann daher auch in einem (passiven) Widerstand bestehen, der ausschließlich dazu dient, zwischen den beiden vorgesehenen Kontakten eine Verbindung und folglich eine Kompatibilität mit den entsprechenden Druckern herzustellen.
  109. Die Beklagten verkennen insoweit, dass für die Auslegung des hiesigen Patentanspruchs zu berücksichtigen ist, dass der Gegenstand der Erfindung ausschließlich ein Druckmaterialbehälter ist und nicht eine Kombination aus einer Druckvorrichtung mit einem solchen Druckmaterialbehälter. Soweit der Klagepatentanspruch daher Merkmale zur Ausgestaltung der Druckvorrichtung enthält (Druckkopf, eine Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen) bzw. Bestandteile des Druckmaterialbehälters im Hinblick auf konstruktive Eigenschaften der Druckvorrichtung definiert, wird damit allenfalls der Funktionszusammenhang zwischen dem Druckmaterialbehälter und einer Druckvorrichtung verdeutlicht mit der Folge, dass der Druckmaterialbehälter lediglich geeignet sein muss, mit einer Druckvorrichtung entsprechend den Vorgaben des Klagepatentanspruchs zusammenzuwirken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Drucker existiert, der den vom Klagepatentanspruch aufgestellten Anforderungen an die Druckvorrichtung entspricht. Es genügt vielmehr, ob ein Drucker technisch und wirtschaftlich sinnvoll denkbar ist, der ein Funktionieren mit dem in Rede stehenden Druckmaterialbehälter erlaubt.
  110. Aus dieser Eigenschaft des Anspruchs als Sachanspruch folgt, dass es für die Anordnung der Bauteile in einem erfindungsgemäßen Druckmaterialbehälter ausreicht, dass ein Betrieb mit höherer Spannung stattfinden kann. Dass sich bei Druckmaterialbehältern im Falle einer Druckervorrichtung mit einheitlich betriebener Spannung das vom Klagepatent beschriebene Problem nicht stellt, mag sein, ist für die Auslegung des Klagepatents jedoch unbeachtlich.
  111. b)
    Die zweite Einrichtung soll nach den Vorgaben des Klagepatentanspruchs mit einer höheren Spannung betrieben werden als die erste Einrichtung. Das Klagepatent verlangt damit nicht, dass die zweite Einrichtung bauartbedingt eine höhere Betriebsspannung erfordert als die erste Einrichtung. Denn damit steht in Zusammenhang, dass die mit der zweiten Einrichtung verbundenen zweiten Anschlüsse so angeordnet sein müssen, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen, die mit der ersten Einrichtung – dem Speicher – verbunden sind. Bereits daraus wird deutlich („extern“; „Spannung angelegt wird“), dass die an den Anschlüssen und damit auch an der zweiten Einrichtung anliegende Spannung druckerseitig vorgegeben wird. Dass die zweite Einrichtung mit einer höheren Spannung als die erste Einrichtung betrieben wird, besagt damit zunächst nur, dass sie verkraften muss, wenn an sie eine höhere Spannung angelegt wird. Da die Anschlussanordnung eines erfindungsgemäßen Druckmaterialbehälters zudem dazu dient, die konkrete Gefahr eines Kurzschlusses zwischen den ersten und zweiten Anschlüssen zu verringern, muss weiterhin hinzukommen, dass in einem (gedachten) Druckbetrieb an der zweiten Einrichtung eine höhere Spannung anliegt als an der ersten Einrichtung. Daraus folgt aber nicht, dass die zweite Einrichtung so gestaltet sein muss, dass sie nur bei einer im Vergleich zur ersten Einrichtung höheren Spannung auch tatsächlich funktioniert. Da die Höhe der angelegten Spannung von der verwendeten Druckvorrichtung abhängt, kann es nicht darauf ankommen, ob die zweite Einrichtung ausschließlich mit einer höheren Spannung als die erste betrieben werden kann oder auch dazu geeignet ist, bei einer niedrigen Spannung betrieben zu werden.
  112. III.
    Die angegriffene Ausführungsform 3 macht von der Lehre des Klagepatents gemäß Anspruch 1 unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Dies ist zwischen den Parteien hinsichtlich der Merkmale 1 bis 9 unstreitig, so dass sich hierzu weitere Ausführungen erübrigen. Die angegriffene Ausführungsform 3 verwirklicht darüber hinaus auch Merkmal 10 des Anspruchs 1.
  113. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 4 liegt eine Verletzung des Klagepatents indes nicht vor.
  114. 1.
    Die angegriffenen Ausführungsform 3 weist erste Anschlüsse (C, D, E, F und G) und zweite Anschlüsse (A und I) auf, von denen ein erster Anschluss vorrichtungsseitig mit einer Halbleiterspeichereinrichtung (EPROM; erste Einrichtung) und ein zweiter Anschluss mit einem Widerstand (zweite Einrichtung) in Kontakt gebracht werden kann (vgl. die Übersicht der Anschlussgruppen und den Schaltplan gemäß Anlage HE 20, Seiten 7 und 8). Während die erste Einrichtung mit einer Spannung von ca. 3 V betrieben wird, bewirkt das Anlegen einer Spannung von ca. 42 V bei der zweiten Einrichtung einen Spannungsabfall. Dies haben die Klägerinnen mit der als Anlage HE 20 vorgelegten technischen Analyse gezeigt (Seiten 14 bis 18 der Anlage HE 20). Damit ist Merkmal 10 des Anspruchs 1 nach dem hier maßgebenden Verständnis erfüllt.
  115. Soweit die Beklagten einwenden, allein der Umstand, dass an den Widerstand ca. 42 V und an den Speicherchip ca. 3 V von außen angelegt werden konnten, sei bedeutungslos, da in dem Merkmal lediglich Betriebsspannungen und nicht an Anschlüsse angelegte Spannungen erwähnt seien und eine Betriebsspannung nur intrinsisch bestimmt werden könne, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Entscheidend ist nach der hier vertretenen Auslegung, dass – wie die Klägerinnen feststellen konnten – zunächst unterschiedliche Spannungen an die erste und die zweite Einrichtung angelegt werden konnten und in diesem Zustand die zweite Einrichtung funktionsfähig ist, insbesondere die Druckvorrichtung mit der angegriffenen Ausführungsform betrieben werden kann.
  116. 2.
    Die angegriffenen Ausführungsform 4 weist erste Anschlüsse (C, D, E, F und G) und zweite Anschlüsse (A und I) auf, von denen ein erster Anschluss vorrichtungsseitig mit einer Halbleiterspeichereinrichtung (EPROM; erste Einrichtung) und ein zweiter Anschluss mit einem Widerstand (zweite Einrichtung) in Kontakt gebracht werden kann (vgl. die Übersicht der Anschlussgruppen und den Schaltplan gemäß Anlage HE 26, Seiten 7 und 8). Während die erste Einrichtung mit einer Spannung von ca. 3 V betrieben wird, bewirkt das Anlegen einer Spannung von ca. 42 V bei der zweiten Einrichtung einen Spannungsabfall. Dies haben die Klägerinnen mit der als Anlage HE 26 vorgelegten technischen Analysen gezeigt. Damit ist Merkmal 10 des Anspruchs 1 nach dem hier maßgebenden Verständnis erfüllt.
  117. Die angegriffene Ausführungsform 4 verwirklicht indes nicht das Merkmal 9 des Anspruchs 1.
  118. Die Anschlüsse auf der Platine der angegriffenen Ausführungsform 4 sind wie folgt angeordnet (vgl. Anlage HE 26 Seite 7):
  119. Zwischen den zweiten Anschlüssen A und I und den dritten Anschlüssen B und H befinden sich jeweils leitfähige Bereiche, die nach der hier vertretenen Auslegung Abschnitte der ersten Anschlüsse F und D sind. Denn die von den ersten Anschlüssen F und D jeweils zum Platinenrand verlaufenden leitfähigen Bereiche sind erweiterte Abschnitte dieser Anschlüsse und nicht lediglich elektrische Verbindungen zwischen zwei Bauteilen auf der Platine. Ihnen kommt auf der Platine unstreitig keine Verbindungsfunktion zu.
  120. Der Einwand der Klägerinnen, diese Abschnitte – von den Klägerinnen als Leiterbahnen bezeichnet – seien äußerst schmal und daher objektiv nicht geeignet, als Anschlüsse zu fungieren, greift nicht durch. Denn diese Abschnitte müssen nicht zwingend vollflächig ausgebildet sein. Auch stellen die Klägerinnen nicht in Abrede, dass die Abschnitte leitfähig sind. Damit können sie grundsätzlich auch als Kontaktstelle für einen korrespondierenden vorrichtungsseitigen Anschluss fungieren.
  121. Soweit die Klägerinnen weiter der Ansicht sind, die Platine sei sehr klein und damit seien auch die Abstände zwischen den leifähigen Abschnitten der jeweiligen Anschlüsse sehr gering mit der Folge, dass es eine gleichermaßen große Möglichkeit gibt, das ein einen Kurzschluss auslösender Fremdkörper nicht nur den Abschnitt des ersten sondern zugleich auch den zweiten und den dritten Anschlusses berührt, führt nach dem hier maßgeblichen Verständnis des Klagepatentanspruchs nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn es kommt nicht darauf an, dass ein Kurzschluss durch einen Fremdkörper – ggf. gleichzeitig – auch an anderer Stelle der Platine ausgelöst werden kann. Die Kurzschlussdetektion soll gerade zwischen dem zweiten und dem dritten Anschluss erfolgen. Durch den erweiterten Abschnitt des ersten Anschlusses zwischen dem zweiten und dem dritten Anschluss besteht hingegen die Gefahr, dass ein Fremdkörper auf dem zweiten Anschluss eher zu einem Kurzschluss mit dem ersten Anschluss und nicht mit dem dritten Anschluss führt.
  122. IV.
    Die festgestellte Patentverletzung rechtfertigt hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 3 die zuerkannten Rechtsfolgen wie folgt:
  123. 1.
    Die Beklagten sind den Klägerinnen zur Unterlassung verpflichtet, § 139 Abs. 1 PatG, da sie zur Benutzung der patentgemäßen Lehre nicht berechtigt sind.
  124. 2.
    Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus § 139 Abs. 1 und 2 PatG.
  125. a)
    Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
  126. b)
    Die Beklagten sind zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft begingen. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist, zumal bereits patentverletzende Erzeugnisse in den Verkehr gebracht wurden.
  127. 3.
    Den Klägerinnen stehen gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu.
  128. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
  129. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerinnen in die Lage versetzt werden, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Dies betrifft auch den tenorierten Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu den Angeboten der Beklagten einschließlich Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger sowie den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zur betriebenen Werbung. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  130. 4.
    Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf Rückruf und Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß § 140a Abs. 1 und 3 PatG. Anhaltspunkte dafür, dass diese Ansprüche vorliegend unverhältnismäßig sind, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
  131. 5.
    Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform 3 in Höhe von insgesamt 8.150,80 € gemäß §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB.
  132. Die Abmahnung liegt regelmäßig im Interesse des Verletzers, weil ihm so ein kostengünstiger und einfacher Weg gewiesen wird, die Verletzung des Patents ohne gerichtliche Inanspruchnahme einzustellen und die gegnerischen Ansprüche zu erfüllen. Bei Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 250.000,00 € (vorgerichtlich wurde für das hiesige und das Parallelverfahren 4b O 64/20 insgesamt ein Gegenstandswert von 1 Mio. € angenommen) und einer 1,8 Gebühr, deren Erforderlichkeit nicht bestritten wird, ergibt sich ein Betrag von 4.055,40 € netto, zuzüglich der Auslagenpauschale in Höhe von 20 € mithin ein Betrag in Höhe von 4.075,40 € netto. Diese Kosten können die Klägerinnen für die Einschaltung eines Rechtsanwalts und eines Patentanwalts jeweils geltend machen und somit insgesamt 8.150,80 € netto.
    V.
    Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs. 3 S. 2 Alt. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
  133. VI.
    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
  134. VII.
    Der Streitwert wird gemäß §§ 51 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 500.000,00 Euro festgesetzt.

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