Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3109
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 29. Juni 2021, Az. 4b O 36/20
- I.
Die Beklagten werden verurteilt, - es bei Meldung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollstrecken ist, zu unterlassen:
- Druckmaterialbehälter in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, der
- a) an einer Druckvorrichtung mit einem Druckkopf und einer Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen abnehmbar angebracht werden kann, wobei der Druckmaterialbehälter umfasst:
- b) eine erste Einrichtung, die ein Speicher ist und
- c) eine Anschlussgruppe, die eine Vielzahl von ersten Anschlüssen umfassend einen Masseanschluss, einen Leistungsversorgungsanschluss, einen Rücksetzungsanschluss, einen Taktanschluss und einen Datenanschluss enthält, wobei die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen ersten Kontaktabschnitt (cp) zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält;
- d) eine zweite Einrichtung; und
- e) eine Vielzahl von zweiten Anschlüssen und mindestens einen dritten Anschluss in der Anschlussgruppe, wobei:
- f) die Vielzahl von zweiten Anschlüssen mit der zweiten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen zweiten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält,
- g) die Vielzahl von zweiten Anschlüssen so angeordnet ist, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen, wobei die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung betrieben wird als die erste Einrichtung,
- h) der mindestens eine dritte Anschluss ist ein Kurzschluss-Erfassungsanschluss zur Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss und enthält einen dritten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Kurzschluss-Erfassungsanschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen,
- i) die zweiten Kontaktabschnitte mit einem Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine erste Zeile bilden,
- j) die zweiten Kontaktabschnitte jeweils an jedem Ende der ersten Zeile angeordnet sind, und
- k) der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt und der verbleibende Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine zweite Zeile bilden, und
- l) der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt an einem der zwei Enden der zweiten Zeile angeordnet ist.
- II.
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, - 1. den Klägerinnen in EDV auswertbarer, elektronischer Form Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang Herr A vom 15. August 2009 bis zum 13. Juli 2015 und die Beklagte zu 1. seit dem 14. Juli 2015 die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden; - wobei
- zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und
- 2. den Klägerinnen in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang Herr A vom 15. August 2009 bis zum 13. Juli 2015 und die Beklagte zu 1. seit dem 14. Juli 2015 die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen begangen haben, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen, sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns, - wobei
- – der Beklagten zu 1. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt den Klägerinnen einem von diesen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer bzw. bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;
- – die Daten der Rechnungslegung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln sind;
- 3. die in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer I.1. bezeichneten Gegenstände zu vernichten oder nach Ihrer Wahl an einen von den Klägerinnen zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten zu 1. – Kosten herauszugeben;
- 4. die unter Ziffer I.1. bezeichneten, vom 15. August 2009 bis zum 13. Juli 2015 von Herrn A und seit dem 14. Juli 2015 von der Beklagten zu 1. in Verkehr gebrachten Erzeugnisse zurückzurufen, indem die Beklagte zu 1. die gewerblichen Abnehmer unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten, patentverletzenden Zustand der Sache und unter Angabe des Urteils schriftlich auffordert, die Erzeugnisse zurückzusenden, verbunden mit der verbindlichen Zusage, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und indem die Beklagte zu 1. die Erzeugnisse wieder an sich nimmt.
- III.
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, - 1. den Klägerinnen in EDV auswertbarer, elektronischer Form Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie (die Beklagte zu 2.) seit dem 5. September 2017 die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden; - wobei
- zum Nachweis der Angaben entsprechende Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen und
- 2. den Klägerinnen in einem geordneten Verzeichnis darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte zu 2.) seit dem 5. September 2017 die zu Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten, Lieferpreisen, sowie der Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten, Angebotspreisen, sowie Typenbezeichnungen und der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungs- und Vertriebskosten und des erzielten Gewinns, - wobei
- – der Beklagten zu 2. vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften ihrer nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt den Klägerinnen einem von diesen zu bezeichnenden, ihnen gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, den Klägerinnen auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer bzw. bestimmter Angebotsempfänger in der Rechnung enthalten ist;
- – die Daten der Rechnungslegung in einer mittels EDV auswertbaren, elektronischen Form zu übermitteln sind.
- IV.
Es wird festgestellt, dass - 1. die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen in Bezug auf die in Ziffer I.1. begangenen Handlungen seit dem 5. September 2017 entstanden ist und noch entstehen wird,
- 2. die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, den Klägerinnen allen Schaden zu ersetzen, der diesen durch die von Herrn A vom 15. August 2009 bis zum 13. Juli 2015 und von der Beklagten zu 1. vom 14. Juli 2015 bis zum 4. September 2017 begangenen Handlungen gemäß Ziffer I.1. entstanden ist und noch entstehen wird.
- V.
Die Beklagten werden verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerinnen 11.606,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2020 zu zahlen. - VI.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. - VII.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten. -
VIII.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,00 Euro, wobei für die Vollstreckung der einzelnen titulierten Ansprüche folgende Teilsicherheiten festgesetzt werden: - Ziff. I., II.3. und II.4.: 350.000,00 Euro
Ziff. II.1. und II.2. sowie III. 1. und III.2.: 100.000 Euro
Ziff. V. und VI.: 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. - Tatbestand
- Die Klägerinnen nehmen die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 800 XXX B 2 (nachfolgend „Klagepatent“, Anlage HE 13, in deutscher Übersetzung vorgelegt als Anlage HE 14) auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Anspruch.
- Die Klägerin zu 1. ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 22. Dezember 2006 unter Inanspruchnahme zweier japanischer Prioritäten vom 26. Dezember 2005 und 11. August 2006 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 15. Juli 2009 veröffentlicht. Auf einen Einspruch wurde das Klagepatent mit Beschluss der Einspruchsabteilung des Europäischen Patent- und Markenamtes vom 3. November 2011 in beschränktem Umfang aufrechterhalten. Diesen Beschluss bestätigte die Beschwerdekammer weitgehend mit dem als Anlage HE 12 vorgelegten Beschluss vom 27. September 2013. Auf den Beschränkungsantrag der Klägerin zu 1. beschränkte das Deutsche Patent- und Markenamt das Klagepatent mit dem als Anlage HE 15 vorgelegten Beschluss vom 29. September 2017.
- Eine von dritter Seite gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage wurde am 4. April 2019 zurückgenommen.
- Das Klagepatent betrifft einen Tintenbehälter und eine darauf montierte Platine. Der von den Klägerinnen geltend gemachte beschränkte Patentanspruch 1 lautet in deutscher Übersetzung:
- „Druckmaterialbehälter (100), der an einer Druckvorrichtung (1000) mit einem Druckkopf (5) und einer Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen abnehmbar angebracht werden kann, wobei der Druckmaterialbehälter umfasst:
eine erste Einrichtung (203) und eine Anschlussgruppe, die eine Vielzahl von ersten Anschlüssen (220, 230, 260, 270, 280) enthält, wobei die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen ersten Kontaktabschnitt (cp) zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält und wobei die erste Einrichtung ein Speicher ist;
dadurch gekennzeichnet dass er des Weiteren umfasst:
eine zweite Einrichtung (104); und eine Vielzahl von zweiten Anschlüssen (250, 290) und mindestens einen dritten Anschluss (210, 240) in der Anschlussgruppe, wobei: die Vielzahl von zweiten Anschlüssen mit der zweiten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen zweiten Kontaktanschluss zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält, die Vielzahl von zweiten Anschlüssen so angeordnet ist, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen, die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung betrieben wird als die erste Einrichtung, der mindestens eine dritte Anschluss ein Kurzschluss-Detektionsanschluss ist, der der Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss dient und einen dritten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Kurzschluss-Detektionsanschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält, die zweiten Kontaktabschnitte mit einem Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet ist, dass sie eine erste Zeile bilden, die zweiten Kontaktabschnitte jeweils an jedem Ende der ersten Zeile angeordnet sind, und der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt und der verbleibenden Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine zweite Zeile bilden, und der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt an einem der zwei Enden der zweiten Zeile angeordnet ist.“ - Wegen des Wortlauts der in Form von „insbesondere wenn“-Anträgen geltend gemachten Unteransprüchen 2 bis 5, 7 bis 11, 13, 14 und 27 wird auf die geänderte Klagepatentschrift (Anlage HE 14) verwiesen.
- Die nachfolgenden Figuren stammen aus der Klagepatentschrift und zeigen einen Druckmaterialbehälter nach der Erfindung (Figur 2) und Beispiele von Diagrammen von Anschlussgruppen erfindungsgemäßer Platinen (Fig. 3A):
- Die Klägerin zu 2. ist eine Tochtergesellschaft und ausschließliche Lizenznehmerin der Klägerin zu 1. Sie ist mit dem Vertrieb von Druckern und Druckerzubehör in Deutschland betraut.
- Die Beklagte zu 1. bietet an und vertreibt über ihren eigenen Onlineshop und über die Handelsplattform eBay Tintenpatronen, die zur Verwendung in den Druckern der Klägerinnen geeignet und bestimmt sind. Die Beklagte zu 1. wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 11. Mai 2015 gegründet und firmierte bis zum 28. August 2017 unter B, A GmbH. Geschäftsführer war bis zum 28. August 2017 Herr A. Seit dem 5. September 2017 ist die Beklagte zu 2. Geschäftsführerin der Beklagten zu 1.
- Die Klägerinnen führten vor der Kammer unter dem Aktenzeichen 4b O 62/16 ein Klageverfahren gegen Herrn A wegen Verletzung des Klagepatents. Bis zur Gründung der Beklagten zu 1. trat Herr A unter „A e.K., handelnd unter B“ im geschäftlichen Verkehr auf. Gegenstand seiner Geschäftstätigkeit war unter anderem der Handel mit Tintenpatronen, die er unter der Marke „B“ auch über das Internet vertrieb. Die Beklagte zu 1. ist in den gleichen Räumlichkeiten, unter der gleichen Geschäftsadresse und mit den gleichen Kontaktdaten (Telefon, Fax und Internetadresse) tätig wie zuvor Herr A.
- Mit dem vor der Kammer geführten Klageverfahren griffen die Klägerinnen drei Ausführungsformen der von Herrn A vertriebenen Tintenpatronen an. Mit dem als Anlage HE 4 vorgelegten Urteil vom 10. August 2017 verurteilte die Kammer Herrn A antragsgemäß. Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Oberlandesgericht Düsseldorf mit dem als Anlage HE 5 vorgelegten Urteil zurück.
- Mit der hiesigen Klage wenden sich die Klägerinnen gegen Angebot und Vertrieb der Ausführungsform 3, die bereits Gegenstand des Verfahrens 4b O 62/16 war. Die Ausführungsform 3 weist eine mit „V 2“ markierte Platine auf und umfasst Tintenpatronen mit den Seriennummern XXX, XXX, XXX, XXX, die kompatibel sind mit den Druckern C XXX, XXX, XXX, XXX, sowie mit den Seriennummern XXX, XXX, und XXX, kompatibel mit den Druckern C XXX, XXX und mit den Seriennummern E-2291, kompatibel zum Drucker C XXX (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform 3“). Die Anschlussanordnung ist nachfolgend eingeblendet (entnommen aus der Klageschrift Seite 21):
- Mit anwaltlichem Schreiben vom 23. Mai 2019 (Anlage HE 6) ließen die Klägerinnen die Beklagten mit Fristsetzung bis zum 21. Juni 2019 erfolglos abmahnen. Zwischenzeitlich brachten die Beklagten Tintenpatronen mit erneut abgewandelten Platinen auf den Markt, die als weitere Ausführungsform (Ausführungsform 4) Gegenstand des Parallelverfahrens der Kammer mit dem Aktenzeichen 4b O 64/20 sind.
- Die Klägerinnen sind der Ansicht, durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform 3 verletzten die Beklagten das Klagepatent. Dies habe sich aus der technischen Untersuchung einzelner Exemplare der angegriffenen Ausführungsform ergeben. Die angegriffene Ausführungsform weise neben einer ersten Einrichtung eine zweite Einrichtung auf, die sich auf der hinteren Oberfläche der Platine befinde. Bei dieser zweiten Einrichtung handele es sich um einen Widerstand. Insoweit lege das Klagepatent nicht fest, welchen Zweck die zweite Einrichtung haben soll; entscheidend sei, dass sie als solche vorhanden sei.
- Ferner habe die Beklagte zu 1. den Geschäftsbetrieb des Herrn A übernommen und sei daher auch für die von ihm seit dem 15. August 2009 begangenen Handlungen, die bereits im Verfahren 4b O 62/16 rechtskräftig festgestellt worden sind, verantwortlich.
- Die Klägerinnen haben ursprünglich beantragt, die Beklagten zu Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Vernichtung und endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen zu verurteilen sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten festzustellen, unter anderem die Beklagte zu 2) für von ihr seit dem 15. August 2019 begangene Handlungen.
- Nachdem die Klägerinnen die Klage hinsichtlich des Antrags auf Entfernung aus den Vertriebswegen und hinsichtlich der Beklagten zu 2) für vor dem 5. September 2017 begangene Handlungen zurückgenommen haben, beantragen sie nunmehr
- hinsichtlich der Anträge zu I. bis IV. zu erkennen wie geschehen,
- sowie mit ihrem Antrag zu V. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerinnen 17.006,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2020 zu zahlen.
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagten sind der Auffassung, eine Verletzung des Klagepatents läge nicht vor. Es fehle der angegriffenen Ausführungsform an der zweiten Einrichtung, die durch eine höhere Spannung betrieben werde als die erste Einrichtung. Bei der angegriffenen Ausführungsform sei lediglich ein elektrischer Widerstand vorhanden, der ausschließlich dazu diene, zwischen den beiden für den (nicht vorhandenen) Füllstandssensor vorgesehenen Kontakten eine Verbindung herzustellen. Dies sei zur Herstellung der Kompatibilität erforderlich, da der Drucker bewusst so programmiert sei, dass er nur dann drucke, wenn zwischen den beiden Kontakten eine Verbindung, sei es durch eine (zweite) Einrichtung wie einen Füllstandssensor oder durch eine Verbindung ohne (zweite) Einrichtung bestehe. Der bei den angegriffenen Ausführungsformen vorhandene Widerstand habe in Bezug auf die Tintenpatronen keine Funktionalität, was sich leicht dadurch demonstrieren ließe, dass man diesen von den Tintenpatronen entfernen und die Verbindung/den Widerstand zwischen den beiden druckerseitigen Kontaktpins im Drucker anordne.
- Die in der angegriffenen Ausführungsform verbauten Widerstände hätten kein Problem damit, wenn an sie dieselbe Spannung angelegt würde wie an die erste Einrichtung, d.h. den Chip.
- Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die Klage ist zulässig. - Die Kammer ist an einer Sachentscheidung nicht durch die Entscheidung vom 17. Juni 2016 (Az. 4b O 62/16), die das hiesige Klagepatent zum Gegenstand hatte, gehindert. Beklagter in diesem Vorprozess war Herr A in seiner Eigenschaft als Einzelkaufmann. Demgegenüber machen die Klägerinnen vorliegend Ansprüche gegen die Beklagte zu 1. als juristische Person und die Beklagte zu 2. als Geschäftsführerin geltend, die weder Parteien des Vorverfahrens waren noch Rechtsnachfolger des Herrn A sind. Eine Haftung der Beklagten kommt daher allenfalls neben Herrn A in Betracht. Über die im hiesigen Verfahren geltend gemachten Ansprüche ist demnach noch nicht entschieden.
- B.
Die Klage ist weit überwiegend begründet. - Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten im tenorierten Umfang Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Vernichtung und Rückruf sowie Schadensersatz dem Grunde nach aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG, §§ 242, 259 BGB. Der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten gemäß §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB ist jedoch nur aus einem Gegenstandswert von 500.000,00 Euro begründet.
- I.
Die Klägerinnen sind anspruchsberechtigt; die Klägerin zu 1. als Patentinhaberin und die Beklagte zu 2. als ausschließliche Lizenznehmerin der Beklagten zu 1. - II.
Das Klagepatent bezieht sich auf einen Druckmaterialbehälter, der ein Druckmaterial enthält, und eine Platine, die an dem Druckmaterialbehälter montiert ist, und bezieht sich insbesondere auf eine Anordnung für eine Vielzahl von Anschlüssen, die an diesen Komponenten angeordnet sind (Abs. [0001], Textstellen ohne Bezugsangabe stammen aus der Klagepatentschrift, Anlage HE 14). - In der Beschreibung des Klagepatents wird einleitend zum Stand der Technik ausgeführt, es sei in den letzten Jahren üblich gewesen, Tintenpatronen mit einer oder mehreren zusätzlichen Einrichtungen auszurüsten; solche Einrichtungen können etwa ein Speicher für tintenbezogene Informationen und eine Hochspannungsschaltung sein, an die eine höhere Spannung als die Ansteuerspannung des Speichers angelegt wird. Insoweit wird als Beispiel ein Resttintenpegelsensor genannt, der ein piezoelektrisches Element verwendet (Abs. [0002]).
- Im Stand der Technik gab es bereits Beispiele, in denen die Tintenpatronen und die Druckvorrichtung durch Anschlüsse elektrisch verbunden wurden und Maßnahmen vorgesehen waren, um zu verhindern, dass der Speicher – etwa wegen eines an den Anschlüssen anhaftenden Tintentropfens – kurzgeschlossen und beschädigt wird. Allerdings handelte es sich dabei nicht um Lösungen, bei denen die Tintenpatronen mit einer Vielzahl von Einrichtungen ausgerüstet sind, z.B. mit einem Speicher und einer Hochspannungsschaltung und mit Anschlüssen für beide Einrichtungen. Bei Patronen dieser Art besteht das Risiko, dass ein Kurzschluss zwischen einem Anschluss für eine Einrichtung und dem Anschluss für die andere Einrichtung eintritt, so dass sowohl die Tintenpatrone als auch der mit ihr bestückte Drucker beschädigt werden kann (Abs. [0003]).
- Das Klagepatent erwähnt in diesem Zusammenhang die EP 1 219 XXX, die eine Schaltungsplatine für eine Tintenpatrone offenbart, bei der ein kreisförmiger Prüfanschluss an dem oberen Ende vorgesehen ist und weitere Anschlüsse in zwei Zeilen darunter angeordnet sind. Masseanschlüsse sind an den jeweiligen Enden der unteren Zeilen vorgesehen (Abs. [0003]).
- Davon ausgehend besteht die dem Klagepatent zugrundeliegende Aufgabe (das technische Problem), ohne dass diese als solche erwähnt wird, darin, einen Druckmaterialbehälter mit einer Vielzahl von Einrichtungen vorzusehen, bei dem Schaden für den Druckmaterialbehälter und die Druckvorrichtung, der durch Kurzschlüsse zwischen den Anschlüssen verursacht wird, verhindert oder reduziert wird.
- Zur Lösung schlägt der Klagepatentanspruch 1 in beschränkter Fassung einen Druckmaterialbehälter mit folgenden Merkmalen vor:
- P1 Druckmaterialbehälter (100), der an einer Druckvorrichtung (1000) mit einem Druckkopf (5) und einer Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen abnehmbar angebracht werden kann, wobei der Druckmaterialbehälter umfasst:
- P2 eine erste Einrichtung (203), die ein Speicher ist, und
- P3 eine Anschlussgruppe, die eine Vielzahl von ersten Anschlüssen (220, 230, 260, 270, 280) enthält, wobei die Vielzahl von ersten Anschlüssen mit der ersten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen ersten Kontaktabschnitt (cp) zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält,
- wobei der Druckmaterialbehälter des Weiteren umfasst:
- P4 eine zweite Einrichtung (104); und
- P5 eine Vielzahl von zweiten Anschlüssen (250, 290) und mindestens einen dritten Anschluss (210, 240) in der Anschlussgruppe, wobei
- P6 die Vielzahl von zweiten Anschlüssen mit der zweiten Einrichtung verbunden ist und jeweils einen zweiten Kontaktanschluss zum Kontaktieren eines entsprechenden Anschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält:
- P7 die Vielzahl von zweiten Anschlüssen so angeordnet ist, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen, wobei die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung betrieben wird als die erste Einrichtung,
- P8 der mindestens eine dritte Anschluss ein Kurzschluss-Detektionsanschluss ist, der der Erfassung eines Kurzschlusses zwischen dem zweiten Anschluss und dem mindestens einen dritten Anschluss dient und einen dritten Kontaktabschnitt zum Kontaktieren eines entsprechenden Kurzschluss-Detektionsanschlusses unter der Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen enthält,
- P9 die zweiten Kontaktabschnitte mit einem Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine erste Zeile bilden,
- P10 die zweiten Kontaktabschnitte jeweils an jedem Ende der ersten Zeile angeordnet sind, und
- P11 der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt und der verbleibende Teil der Vielzahl der ersten Kontaktabschnitte so angeordnet sind, dass sie eine zweite Zeile bilden, und
- P12 der mindestens eine dritte Kontaktabschnitt an einem der zwei Enden der zweiten Zeile angeordnet ist.
-
III.
Der erfindungsgemäße Druckmaterialbehälter soll mit zwei mit unterschiedlichen elektrischen Spannungen betriebenen Einrichtungen und dazu passenden elektrischen Anschlüssen einen Anschluss dritter Kategorie zur Erfassung von Kurzschlüssen vorsehen, indem die Kontaktabschnitte der genannten Anschlüsse innerhalb der Anschlussgruppe in einer bestimmten Art und Weise räumlich angeordnet werden. Zwischen den Parteien steht vorliegend allein das Merkmal P7 in Streit, wonach die Vielzahl von zweiten Anschlüssen so angeordnet sein soll, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen und die zweite Einrichtung durch eine höhere Spannung betrieben wird als die erste Einrichtung. - 1.
Ein erfindungsgemäßer Druckmaterialbehälter sieht neben einer ersten Einrichtung eine zweite Einrichtung vor. Welche Funktion die zweite Einrichtung für den Druckmaterialbehälter übernimmt, gibt der Klagepatentanspruch nicht vor. Vor allem ist die zweite Einrichtung nicht auf einen Sensor zur Bestimmung des Tintenfüllstandes beschränkt. Dies hat Kammer hat in ihrem Urteil vom 10. August 2017 (Anlage HE 4) bereits festgestellt. Die Kammer macht sich daher die dortigen Ausführungen ab Seite 17 zu Eigen. - Es ist daher – anders als die Beklagten meinen – nicht erforderlich, dass die zweite Einrichtung ausschließlich dann ordnungsgemäß funktionieren können muss, wenn die zweite Einrichtung mit ihrer Betriebsspannung betrieben wird, die höher sein muss als die Betriebsspannung der ersten Einrichtung. Denn eine solche einschränkende Bedeutung ist dem Wortlaut – wie oben ausgeführt – nicht zu entnehmen. Auch funktional gibt der Klagepatentanspruch nicht vor, dass die zweite Einrichtung dazu dient, unterschiedliche Spannungen an den Druckmaterialbehälter anlegen zu können. Die zweite Einrichtung kann daher auch in einem (passiven) Widerstand bestehen, der ausschließlich dazu dient, zwischen den beiden vorgesehenen Kontakten eine Verbindung und folglich eine Kompatibilität mit den entsprechenden Druckern herzustellen.
- Denn für die Auslegung des hiesigen Patentanspruchs ist zu berücksichtigen, dass der Gegenstand der Erfindung ausschließlich ein Druckmaterialbehälter ist und nicht eine Kombination aus einer Druckvorrichtung mit einem solchen Druckmaterialbehälter. Soweit der Klagepatentanspruch daher Merkmale zur Ausgestaltung der Druckvorrichtung enthält (Druckkopf, eine Vielzahl von vorrichtungsseitigen Anschlüssen) bzw. Bestandteile des Druckmaterialbehälters im Hinblick auf konstruktive Eigenschaften der Druckvorrichtung definiert, wird damit allenfalls der Funktionszusammenhang zwischen dem Druckmaterialbehälter und einer Druckvorrichtung verdeutlicht mit der Folge, dass der Druckmaterialbehälter lediglich geeignet sein muss, mit einer Druckvorrichtung entsprechend den Vorgaben des Klagepatentanspruchs zusammenzuwirken. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Drucker existiert, der den vom Klagepatentanspruch aufgestellten Anforderungen an die Druckvorrichtung entspricht. Es genügt vielmehr, ob ein Drucker technisch und wirtschaftlich sinnvoll denkbar ist, der ein Funktionieren mit dem in Rede stehenden Druckmaterialbehälter erlaubt (Urteil der Kammer, Anlage HE 4, Seite 16 oben).
- Aus dieser Eigenschaft des Anspruchs als Sachanspruch folgt, dass es für die Anordnung der Bauteile in einem erfindungsgemäßen Druckmaterialbehälter ausreicht, dass ein Betrieb mit höherer Spannung stattfinden kann (vgl. Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 3. Mai 2018, Anlage HE 5, Seite 14). Dass sich bei Druckmaterialbehältern im Falle einer Druckervorrichtung mit einheitlich betriebener Spannung das vom Klagepatent beschriebene Problem nicht stellt, mag sein, ist für die Auslegung des Klagepatents jedoch unbeachtlich.
-
2.
Die zweite Einrichtung soll nach den Vorgaben des Klagepatentanspruchs mit einer höheren Spannung betrieben werden als die erste Einrichtung. Mit diesem Merkmal verlangt das Klagepatent nicht, dass die zweite Einrichtung bauartbedingt eine höhere Betriebsspannung erfordert als die erste Einrichtung. Denn damit steht in Zusammenhang, dass die mit der zweiten Einrichtung verbundenen zweiten Anschlüsse so angeordnet sein müssen, dass an sie extern eine höhere Spannung angelegt wird als an die Vielzahl von ersten Anschlüssen (Merkmal 5.3), die mit der ersten Einrichtung – dem Speicher – verbunden sind. Bereits daraus wird deutlich („extern“; „Spannung angelegt wird“), dass die an den Anschlüssen und damit auch an der zweiten Einrichtung anliegende Spannung druckerseitig vorgegeben wird. Dass die zweite Einrichtung mit einer höheren Spannung als die erste Einrichtung betrieben wird, besagt damit zunächst nur, dass sie verkraften muss, wenn an sie eine höhere Spannung angelegt wird. Da die Anschlussanordnung eines erfindungsgemäßen Druckmaterialbehälters zudem dazu dient, die konkrete Gefahr eines Kurzschlusses zwischen den ersten und zweiten Anschlüssen zu verringern, muss weiterhin hinzukommen, dass in einem (gedachten) Druckbetrieb an der zweiten Einrichtung eine höhere Spannung anliegt als an der ersten Einrichtung. Daraus folgt aber nicht, dass die zweite Einrichtung so gestaltet sein muss, dass sie nur bei einer im Vergleich zur ersten Einrichtung höheren Spannung auch tatsächlich funktioniert. Da die Höhe der angelegten Spannung von der verwendeten Druckvorrichtung abhängt, kann es nicht darauf ankommen, ob die zweite Einrichtung ausschließlich mit einer höheren Spannung als die erste betrieben werden kann oder auch dazu geeignet ist, bei einer niedrigen Spannung betrieben zu werden (vgl. Urteil der Kammer, Anlage HE 4, Seite 16). - Folglich ist Merkmal P 7, anders als die Beklagten meinen, nicht dahingehend auszulegen, dass der Betrieb der zweiten Einrichtung eine höhere Betriebsspannung erfordert. Soweit die Beklagten für ein solches Verständnis des Merkmals P 7 auf die als Anlage HE27/27a vorgelegte Einspruchsentscheidung des EPA verweisen, ergibt sich aus diesen, als sachverständige Äußerung zu wertenden Ausführungen nicht, dass das Klagepatent in Merkmal P 7 nur die Betriebsspannung der zweiten Einrichtung in Bezug nimmt. Das Europäische Patentamt sieht zwar eine Betriebsspannung („operation voltage“) als offenbart an (vgl. Anlage HE 27, Seite 11), verhält sich jedoch nicht dazu, ob Merkmal P 7 in diesem Sinne einschränkend auszulegen ist. Aus der Einspruchsentscheidung des Europäischen Patentamts geht ferner nicht hervor, dass die Betriebsspannung der zweiten Einrichtung höher sein muss als die der ersten Einrichtung. Das EPA sieht insoweit die an die Anschlüsse angelegten unterschiedlichen Spannungen nur im Zusammenhang mit den beiden, mit unterschiedlicher Spannung arbeitenden vorrichtungsseitigen Einrichtungen als offenbart an. Dies schließt dann aber nicht aus, dass die zweite Einrichtung auch eine niedrigere Betriebsspannung aufweisen kann, solange die Einrichtung selbst auch bei einer höheren Spannung betrieben werden kann. Die Kammer schließt sich insoweit den Ausführungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seinem Urteil (Anlage HE 5, Seite 14) an, wonach sich der Fachmann darüber im Klaren ist, dass die Spannung, die an der einen oder anderen Einrichtung anliegt, in aller Regel durch die Druckvorrichtung bestimmt wird und es daher nicht darauf ankommen kann, ob die zweite Einrichtung ausschließlich mit einer höheren Spannung als die erste betrieben werden kann oder auch dazu geeignet ist, bei einer niedrigen Spannung betrieben zu werden und somit auch bei dieser Spannung tatsächlich funktionsfähig ist.
- III.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentanspruchs 1 wortsinngemäß Gebrauch. Sie verwirklicht insbesondere das Merkmal P7. Die Verwirklichung der übrigen Merkmale ist zwischen den Parteien zu Recht unstreitig, weshalb sich weitere Ausführungen hierzu erübrigen. - Die angegriffene Ausführungsform weist mit dem Widerstand eine zweite Einrichtung auf. Die zweite Einrichtung ist mit zweiten Anschlüssen verbunden. Während die erste Einrichtung eine Halbleiterspeichereinrichtung ist und mit einer Spannung von ca. 3 V betrieben wird, bewirkt das Anlegen einer Spannung von ca. 42 V bei der zweiten Einrichtung einen Spannungsabfall. Dies haben die Klägerinnen mit einem Mess-Experiment gezeigt.
- Soweit die Beklagten einwenden, allein der Umstand, dass an den Widerstand ca. 42 V und an den Speicherchip ca. 3 V von außen angelegt werden konnten, sei bedeutungslos, da in dem Merkmal lediglich Betriebsspannungen und nicht an Anschlüsse angelegte Spannungen erwähnt seien und eine Betriebsspannung nur intrinsisch bestimmt werden könne, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn auf die konkret in dem Druckmaterialbehälter gemessene Betriebsspannung kommt es nicht an. Entscheidend ist nach der hier vertretenen Auslegung, dass – wie die Klägerinnen feststellen konnten –zunächst unterschiedliche Spannungen an die erste und die zweite Einrichtung angelegt werden konnten und in diesem Zustand die zweite Einrichtung funktionsfähig ist, insbesondere die Druckvorrichtung mit der angegriffenen Ausführungsform betrieben werden kann.
- IV.
Die festgestellte Patentverletzung rechtfertigt die zuerkannten Rechtsfolgen wie folgt: - 1.
Die Beklagten sind den Klägerinnen zur Unterlassung verpflichtet, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG, da sie zur Benutzung der patentgemäßen Lehre nicht berechtigt sind. - 2.
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG. - a)
Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerinnen derzeit nicht in der Lage sind, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht. - b)
Die Beklagte zu 1. haftet dem Grunde nach sowohl für die durch sie begangenen als auch für die durch Herrn A als Einzelkaufmann in der Zeit vom 15. August 2009 bis zum 13. Juli 2015 begangenen Verletzungshandlungen, denn sie hat auch für diese Verletzungshandlungen einzustehen. - aa)
Ob die Beklagte zu 1. für die durch Herrn A begangenen Verletzungshandlungen haftet, weil das Einzelunternehmen des Herrn A im Wege der Ausgliederung (§ 152 ff. UmwG) oder der Vermögensübertragung (§ 174 ff. UmwG) auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist, kann vorliegend dahinstehen. Zu einer möglichen Ausgliederung des von Herrn A betriebenen Unternehmens oder von Teilen desselben zur Aufnahme in die Beklagte zu 1. oder deren Neugründung fehlt es an entsprechendem Sachvortrag der Parteien. - bb)
Jedenfalls haftet die Beklagte zu 1. für die von Herrn A begangenen Verletzungshandlungen im Wege der Firmenfortführung (§ 25 Abs. 1. S. 1 HGB). Danach haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des bisherigen Inhabers. - (1)
§ 25 Abs. 1 HGB setzt das Bestehen eines Handelsgeschäfts voraus, das unter einer Firma im Sinne der § 17 ff. HGB betrieben wurde. Das ist hier der Fall, da Herr A das Unternehmen als eingetragener Kaufmann unter der Firma „A e.K., handelnd unter B“ führte. Durch die Eintragung im Handelsregister galt der Gewerbebetrieb von Herrn A gemäß § 2 S. 1 HGB als Handelsgewerbe. - (2)
Das von Herrn A betriebene Handelsgeschäft wurde von der Beklagten zu 1. erworben im Sinne von § 25 Abs. 1 HGB. - Maßgebend ist dafür, dass das Handelsgeschäft tatsächlich weitergeführt wird; unerheblich ist, ob und ggf. welche Vereinbarungen der alte und der neue Inhaber getroffen haben. Entscheidend ist allein die durch die Firmenfortführung nach außen dokumentierte Kontinuität (MüKo/Thiessen, HGB 5. Aufl.: § 25 Rn 42 m.w.Nw.).
- Im Streitfall ist der Unternehmensgegenstand der Beklagten zu 1. gegenüber dem Einzelunternehmen des Herrn A gleich geblieben. Auch die Anschrift, unter der das Unternehmen geführt wird, hat sich nicht geändert. Ebenso sind die Kontaktdaten wie Telefon und Telefax identisch. Schließlich verwendet die Beklagte zu 1. für den Internetshop sogar dieselbe Internetadresse. Aufgrund dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 1. das zuvor von Herrn A geführte Handelsgeschäft fortführt, zumal der erste Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Herr A selbst war. Soweit die Beklagten vortragen, die Beklagte zu 1. habe den Geschäftsbetrieb von Herrn A nicht übernommen, ist dieses einfache Bestreiten unerheblich. Die Beklagte setzen sich nicht mit den Tatsachen auseinander, die für die Fortführung des Geschäftsbetriebs sprechen. Dass es sich bei der Beklagten zu 1. um eine GmbH handelt, in die der Gewerbebetrieb eingebracht wurde bzw. von der er fortgeführt wurde, ist unbeachtlich (vgl. MüKo/Thiessen, a.a.O. Rn 56).
- (3)
Die Beklagte zu 1. hat als Erwerber die Firma „A e.K., handelnd unter B“ fortgeführt. - Ob die Firma im Sinne des § 25 HGB fortgeführt wird, richtet sich nach dem Auftreten des Erwerbers am Markt. Es ist nicht die Erklärung gegenüber dem Registergericht maßgeblich, sondern welche Bezeichnung der Unternehmer für sein Auftreten am Markt gewählt hat und firmenmäßig führt. Dabei ist eine Fortführung der alten Firma bei unveränderter Weiterbenutzung unproblematisch gegeben (Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Auflage 2020, § 25 Rn. 51). Änderungen im Erscheinungsbild der Firma sind unschädlich, wenn die Firmenkontinuität und damit eine ausreichend tragfähige Verbindungslinie zum Veräußerer erhalten bleibt. Dafür ist die Verkehrsanschauung maßgeblich, weshalb es nicht auf wort- oder buchstabengetreue Übereinstimmung ankommt, sondern darauf, dass der Kern der alten und der neuen Firma einander gleichen. Es genügt, dass der prägende Teil der alten Firma in der neuen beibehalten wird (MüKo/Thiessen, a.a.O. Rn 61).
- Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte zu 1. die Firma fortgeführt, auch wenn sie anfangs unter „B, A GmbH“ firmierte. Nicht nur der kennzeichnende Teil „B“ wurde weiter verwendet, auch der Name des vorherigen Inhabers, der Gegenstand der Firma war, wird weiterhin genannt. Damit ist der Kern der alten und der neuen Firma identisch. Dass die Beklagte zu 1. den Rechtsformzusatz „GmbH“ führt, schadet ebenfalls nicht. Derartige Gesellschafts- und Rechtsformzusätze schließen eine Firmenfortführung nicht aus (MüKo/Thiessen, a.a.O. Rn 61 m.w.N.).
- cc)
Die Beklagte zu 1. ist den Klägerinnen hinsichtlich der von ihr ab dem 13. Juli 2015 begangenen Verletzungshandlungen verpflichtet, weil sie die Patentverletzung schuldhaft beging. Als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. Gleiches gilt für die vor dem 13. Juli 2015 von Herrn A begangenen Verletzungshandlungen. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass den Klägerinnen durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist, zumal bereits patentverletzende Erzeugnisse in den Verkehr gebracht wurden. - c)
Die Beklagte zu 2. haftet als Geschäftsführerin der Beklagten zu 1. für die seit dem 5. September 2017 begangenen Verletzungshandlungen. - Im Gefolge einer Patentverletzung haftet neben der Gesellschaft auch deren gesetzlicher Vertreter auf Unterlassung und Schadensersatz jedenfalls dann, wenn der gesetzliche Vertreter von den Verletzungshandlungen Kenntnis hatte und sie nicht verhindert hat (BGH, 2003, 1031 (1033) – Kupplung für optische Geräte; BGH GRUR 2012,1145 Rn. 36 – Pelikan) oder wenn er sie aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH, 2016, 257, 264 – Glasfasern II m.w.Nw.).
- Eine solche Garantenstellung der Beklagten zu 2. ist vorliegend zu bejahen. Denn kraft seiner Verantwortung für die Organisation und Leitung des Geschäftsbetriebs und der damit verbundenen Gefahr, dass dieser so eingerichtet wird, dass die Produktion oder Vertriebstätigkeit des Unternehmens die fortlaufende Verletzung technischer Schutzrechte Dritter zur Folge hat, ist der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft grundsätzlich gehalten, die gebotenen Überprüfungen zu veranlassen oder den Geschäftsbetrieb so zu organisieren, dass die Erfüllung dieser Pflicht durch dafür verantwortliche Mitarbeiter gewährleistet ist. Er muss insbesondere dafür sorgen, dass grundlegende Entscheidungen über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft nicht ohne seine Zustimmung erfolgen und dass die mit Entwicklung, Herstellung und Vertrieb betrauten Mitarbeiter der Gesellschaft die gebotenen Vorkehrungen treffen, um eine Verletzung fremder Patente zu vermeiden (BGH, GRUR 2016, 257, 264 – Glasfasern II). Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
- 3.
Den Klägerinnen steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. - Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG.
- Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerinnen in die Lage versetzt werden, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Dies betrifft auch den tenorierten Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zu den Angeboten der Beklagten einschließlich Namen und Anschriften der jeweiligen Angebotsempfänger sowie den Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung zur betriebenen Werbung. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
- 4.
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf Rückruf und Vernichtung der patentverletzenden Erzeugnisse aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG. Anhaltspunkte dafür, dass diese Ansprüche vorliegend unverhältnismäßig sind, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. - 5.
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform in Höhe von insgesamt 11.606,80 € gemäß §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB. - Die Abmahnung liegt regelmäßig im Interesse des Verletzers, weil ihm so ein kostengünstiger und einfacher Weg gewiesen wird, die Verletzung des Patents ohne gerichtliche Inanspruchnahme einzustellen und die gegnerischen Ansprüche zu erfüllen. Bei Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 500.000,00 € (vorgerichtlich wurde für das hiesige und das Parallelverfahren 4b O 64/20 insgesamt ein Gegenstandswert von 1 Mio. € angenommen) und einer 1,8 Gebühr, deren Erforderlichkeit nicht bestritten wird, ergibt sich ein Betrag von 5.783,40 € netto, zuzüglich der Auslagenpauschale in Höhe von 20 € mithin ein Betrag in Höhe von 5.803,40 € netto. Diese Kosten können die Klägerinnen für die Einschaltung eines Rechtsanwalts und eines Patentanwalts jeweils geltend machen und somit insgesamt 11.606,80 € netto.
- C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 269 Abs. 3 S. 2 Alt. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. - D.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1 und S. 2 ZPO. -
E.
Der Streitwert wird gemäß §§ 51 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 3 GKG auf 500.000,00 Euro festgesetzt.