4a O 117/18 – Mehrzweck-Trägervorrichtung

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3086

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 19. Januar 2021, Az. 4a O 117/18

  1. I.
    Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monate,
  2. zu unterlassen,
  3. Mehrzweck-Trägervorrichtungen zum Zusammenhalten, Transportieren, Handhaben und/oder Lagern von flachen Teilen aus leicht verformbarem Material, insbesondere von Kleidungsstückpaaren, mit einem einteiligen, im Wesentlichen flachen Trageelement aus elastischem Kunststoff, das zwei längliche, gleichgerichtete äußere Halteabschnitte sowie einen mittleren Halteabschnitt aufweist, wobei die einander zugekehrten Kanten der äußeren Halteabschnitte und des mittleren Halteabschnitts jeweils einen Schlitz bilden, zur klemmenden Aufnahme mindestens eines flachen Teils in beiden Schlitzen, wobei die Halteabschnitte an einem Ende über einen quer verlaufenden Verbindungssteg miteinander verbunden sind und an dem dem Steg gegenüberliegenden Ende voneinander getrennt sind, wodurch sich die länglichen Schlitze bis zu den Enden der Halteabschnitte erstrecken, und Kanten der Schlitze nahe den offenen Enden einen länglichen Einschnitt bilden, bei denen die Kanten der Engquerschnitte einen Abstand voneinander haben und die Achsen beider Engquerschnitte in Richtung des Verbindungsstegs konvergieren und gegenüber dem übrigen Verlauf des zugehörigen Schlitzes eine geänderte Richtung aufweisen, der mittlere Halteabschnitt zur Bildung der Engquerschnitte in seiner Breite zum offenen Ende der Schlitze allmählich größer wird und die Schlitze zu den Engquerschnitten hin sich keilförmig verengen,
  4. insbesondere wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind, wobei es auf die konkrete Farbgebung nicht ankommt:
  5. ohne Zustimmung der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland im Ge-schäftsverkehr anzubieten, in den Geschäftsverkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen.
  6. II.
    Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2. als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1. verpflichtet ist, den Klägern sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die vorstehend unter Ziff. I bezeichneten Handlungen ab dem 23. Dezember 2005 entstanden ist und künftig noch entstehen wird, der Beklagte zu 2. jedoch nur für den Zeitraum bis zum 2. Mai 2019.
  7. III.
    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Klägern Auskunft zu erteilen über den Umfang der vorstehend unter Ziff. I bezeichneten Handlungen ab dem 23. Dezember 2005, der Beklagte zu 2. jedoch nur für den Zeitraum bis zum 2. Mai 2019.
  8. IV.
    Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von € 1.531,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2019 zu zahlen.
  9. V.
    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  10. VI.
    Die Kosten des Rechtsstreits werden den Kläger zu 10 % und den Beklagten zu 90% auferlegt.
  11. VII.
    Das Urteil ist für die Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 25.000,00.
  12. Für die Beklagten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 115% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  13. Tatbestand
  14. Die Kläger sind Inhaber des europäischen Patents EP 1 431 XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent; Anlage K2) und nehmen die Beklagten wegen Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung des Schadensersatzanspruchs sowie Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. Hilfsweise machen sie Ansprüche gestützt auf das Designrecht geltend.
  15. Das Klagepatent wurde am 15. Dezember 2003 unter Inanspruchnahme der Prioritäten DE XXX vom 20. Dezember 2002 und DE XXX vom 31. März 2003 angemeldet. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 23. November 2005 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft.
  16. Das Klagepatent betrifft eine Mehrzweck-Trägervorrichtung zum Zusammenhalten, Transportieren und Handhaben von flachen Teilen. Anspruch 1 lautet wie folgt:
  17. „Mehrzweck-Trägervorrichtungen zum Zusammenhalten, Transportieren, Handhaben und/oder Lagern von flachen Teilen aus leicht verformbarem Material, insbesondere von Kleidungsstückpaaren, mit einem einteiligen, im Wesentlichen flachen Trageelement (100) aus elastischem Kunststoff, das zwei längliche, gleichgerichtete äußere Halteabschnitte (102, 104) sowie einen mittleren Halteabschnitt (106) aufweist, wobei die einander zugekehrten Kanten der äußeren Halteabschnitte (102, 104) und des mittleren Halteabschnitts (106) jeweils einen Schlitz bilden, zur klemmenden Aufnahme mindestens eines flachen Teils in beiden Schlitzen (110, 112), wobei die Halteabschnitte (102, 104, 106) an einem Ende über einen quer verlaufenden Verbindungssteg (108) miteinander verbunden sind und an dem dem Steg gegenüberliegenden Ende voneinander getrennt sind, wodurch sich die länglichen Schlitze (110, 112) bis zu den Enden der Halteabschnitte (102, 104, 106) erstrecken, und Kanten der Schlitze (110, 112) nahe den offenen Enden einen länglichen Engquerschnitt (126, 128) bilden,
  18. dadurch gekennzeichnet, dass
  19. die Kanten (118, 122, 120, 124) der Engquerschnitte (126, 128) einen Abstand voneinander haben und die Achsen beider Engquerschnitte (126, 128) in Richtung des Verbindungsstegs (108) konvergieren und gegenüber dem übrigen Verlauf des zugehörigen Schlitzes eine geänderte Richtung aufweisen, der mittlere Halteabschnitt (106) zur Bildung der Engquerschnitte (126, 128) in seiner Breite zum offenen Ende der Schlitze (110, 112) allmählich größer wird und die Schlitze (110, 112) zu den Engquerschnitten (126, 128) hin sich keilförmig verengen.“
  20. Die Beklagte zu 1) bot an und vertrieb über die Internetplattform „A“ Sockenklammern (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform; Anlagen K 7, 8), welche alle Merkmale des Klagepatents verwirklichen. Die Kläger ließen die angegriffene Ausführungsform bei einem Testkauf im Februar 2018 erwerben. Der Beklagte zu 2) war Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Der Prozessbevollmächtigte der Kläger mahnte die Beklagten mit Schreiben vom 17. Mai 2018 (Anlage K 12) ab, wobei er das Schreiben per E-Mail vom 18. Mai 2018 (Anlage K 12) an die auf der Rechnung der Beklagten angegebenen E-Mail-Adresse (Anlage K 8) versandte.
  21. Die Kläger bestreiten mit Nichtwissen, dass der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer ausgeschieden sei und dass zuvor Herr B den Vertrieb geleitet habe.
  22. Die Kläger behaupten weiter, dass sich bereits aus der Anlage K 10 ergebe, dass bis zum 24. Oktober 2018 die angegriffene Ausführungsform weiterhin angeboten worden sei.
  23. Die Kammer hat am 16. Oktober 2020 ein Teil-Anerkenntnisurteil mit folgendem Tenor in der Hauptsache erlassen:
  24. „I.
    Die Beklagte zu 1. wird verurteilt,
  25. 1.
    es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten,
  26. zu unterlassen,
  27. Mehrzweck-Trägervorrichtungen zum Zusammenhalten, Transportieren, Handhaben und/oder Lagern von flachen Teilen aus leicht verformbarem Material, insbesondere von Kleidungsstückpaaren, mit einem einteiligen, im Wesentlichen flachen Trageelement aus elastischem Kunststoff, das zwei längliche, gleichgerichtete äußere Halteabschnitte sowie einen mittleren Halteabschnitt aufweist, wobei die einander zugekehrten Kanten der äußeren Halteabschnitte und des mittleren Halteabschnitts jeweils einen Schlitz bilden, zur klemmenden Aufnahme mindestens eines flachen Teils in beiden Schlitzen, wobei die Halteabschnitte an einem Ende über einen quer verlaufenden Verbindungssteg miteinander verbunden sind und an dem dem Steg gegenüberliegenden Ende voneinander getrennt sind, wodurch sich die länglichen Schlitze bis zu den Enden der Halteabschnitte erstrecken, und Kanten der Schlitze nahe den offenen Enden einen länglichen Einschnitt bilden, bei denen die Kanten der Engquerschnitte einen Abstand voneinander haben und die Achsen beider Engquerschnitte in Richtung des Verbindungsstegs konvergieren und gegenüber dem übrigen Verlauf des zugehörigen Schlitzes eine geänderte Richtung aufweisen, der mittlere Halteabschnitt zur Bildung der Engquerschnitte in seiner Breite zum offenen Ende der Schlitze allmählich größer wird und die Schlitze zu den Engquerschnitten hin sich keilförmig verengen,
  28. insbesondere wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind, wobei es auf die konkrete Farbgebung nicht ankommt:
  29. ohne Zustimmung der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsverkehr anzubieten, in den Geschäftsverkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen.
  30. II.
    Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, den Klägern sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die vorstehend unter Ziff. I bezeichneten Handlungen ab dem 23.12.2005 entstanden ist und künftig noch entstehen wird. […]“
  31. Die Kläger beantragen weiterhin,
  32. 1.
    den Beklagten zu 2) zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monate,
  33. zu unterlassen,
  34. Mehrzweck-Trägervorrichtungen zum Zusammenhalten, Transportieren, Handhaben und/oder Lagern von flachen Teilen aus leicht verformbarem Material, insbesondere von Kleidungsstückpaaren, mit einem einteiligen, im Wesentlichen flachen Trageelement aus elastischem Kunststoff, das zwei längliche, gleichgerichtete äußere Halteabschnitte sowie einen mittleren Halteabschnitt aufweist, wobei die einander zugekehrten Kanten der äußeren Halteabschnitte und des mittleren Halteabschnitts jeweils einen Schlitz bilden, zur klemmenden Aufnahme mindestens eines flachen Teils in beiden Schlitzen, wobei die Halteabschnitte an einem Ende über einen quer verlaufenden Verbindungssteg miteinander verbunden sind und an dem dem Steg gegenüberliegenden Ende voneinander getrennt sind, wodurch sich die länglichen Schlitze bis zu den Enden der Halteabschnitte erstrecken, und Kanten der Schlitze nahe den offenen Enden einen länglichen Einschnitt bilden, bei denen die Kanten der Engquerschnitte einen Abstand voneinander haben und die Achsen beider Engquerschnitte in Richtung des Verbindungsstegs konvergieren und gegenüber dem übrigen Verlauf des zugehörigen Schlitzes eine geänderte Richtung aufweisen, der mittlere Halteabschnitt zur Bildung der Engquerschnitte in seiner Breite zum offenen Ende der Schlitze allmählich größer wird und die Schlitze zu den Engquerschnitten hin sich keilförmig verengen,
  35. insbesondere wenn diese wie nachfolgend abgebildet gestaltet sind, wobei es auf die konkrete Farbgebung nicht ankommt:
  36. ohne Zustimmung der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland im Ge-schäftsverkehr anzubieten, in den Geschäftsverkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen;
  37. II.
    festzustellen, dass der Beklagte zu 2. als Gesamtschuldner mit der Beklagten zu 1. verpflichtet ist, den Klägern sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihnen durch die vorstehend unter Ziff. I bezeichneten Handlungen ab dem 23. Dezember 2005 entstanden ist und künftig noch entstehen wird;
  38. III.
    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Klägern Auskunft zu erteilen über den Umfang der vorstehend unter Ziff. I bezeichneten Handlungen ab dem 23. Dezember 2005;
  39. IV.
    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger vorgerichtliche Abmahnkosten in Höhe von € 1.531,90 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
  40. hilfsweise zu Ziffer II,
    festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern dasjenige herauszugeben, was sie durch die im Klageantrag zu Ziff. I bezeichneten Handlungen ab dem 23. Dezember 2005 erlangt haben und künftig noch erlangen werden,
  41. hilfsweise,
  42. die Beklagten wie unter Ziffer I-IV zu verurteilen, jedoch gestützt auf die Designrechte der Kläger.
  43. Die Beklagten beantragen,
  44. die Klage abzuweisen.
  45. Die Beklagten behaupten, Herr B – nicht der Beklagte zu 2) – habe die Geschäfte durchgeführt und habe zwischenzeitlich auch die Geschäftsführung der Beklagten übernommen (Anlage: Kopie der Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 9. Mai 2019).
  46. Die Beklagten behaupten, die angegriffene Ausführungsform sei seit dem Sommer 2018 ausverkauft und werde seitdem nicht mehr angeboten. Die Beklagte zu 1) habe etwa X Sets á X Stück zum Einzelpreis von € X brutto vertrieben, wobei der Gesamtumsatz bei € X gelegen habe. Es seien X Artikel mit einem Nettoumsatz von € X verkauft worden. Die restlichen X Einheiten seien wegen Fehlerhaftigkeit vernichtet worden. Angesichts dessen sei der Streitwert überhöht.
  47. Die Beklagten behaupten, eine vorgerichtliche Abmahnung hätten sie nicht erhalten. Zudem seien die außergerichtlichen anwaltlichen Kosten bezahlt worden.
  48. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen Bezug genommen.
  49. Entscheidungsgründe
  50. Die Klage ist zulässig und weit überwiegend begründet.
  51. Die Kläger haben auch gegen den Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung, hingegen sind die Auskunfts- und Schadensersatzanspruch nur bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Beklagte zu 2) die Geschäftsführung innehatte, gegeben. Ferner kann die Klägerin die vorgerichtlichen Abmahnkosten von beiden Beklagten ersetzt verlangen.
  52. I.
    Die Klägerin hat auch gegen den Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Unterlassung, Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG.
  53. Die Verletzung des Klagepatents ist zwischen den Parteien ebenso unstreitig wie die Benutzungshandlungen des Anbietens und Inverkehrbringens. Sofern die Beklagten vorgetragen habe, schon zur Zeiten der Bestellung des Beklagten zu 2) sei Herr B für den Vertrieb zuständig gewesen, führt dies nicht dazu, dass der Unterlassungsanspruch entfällt. Der Beklagte zu 2) hat aufgrund seiner Stellung im Unternehmen dafür zur Sorgen, dass Patentrechte Dritter respektiert werden und selbst wenn er den Vertrieb delegiert hat, muss er darlegen, welche konkreten organisatorischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine Schutzrechtsverletzung zu verhindern (vgl. BGH, GRUR 2016, 257 – Glasfasern II). Hierzu ist nichts vorgetragen. Auch wenn die Beklagten substantiiert und plausibel dargetan haben, dass der Beklagte zu 2) von seinem Amt abberufen wurde, ändert dies nichts an den gegen ihn gerichteten Unterlassungsanspruch, weil die aus den bereits begangenen Verletzungshandlungen resultierende Wiederholungsgefahr dadurch nicht entfällt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2017, Az.: I-2 U 39/16).
  54. II.
    Ferner haben die Kläger auch einen Anspruch auf Feststellung der Schadensersatzpflicht nach Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG bis zum 2. Mai 2019 gegen den Beklagten zu 2).
  55. Der Beklagte zu 2) hätte die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Jeder Gewerbetreibende hat sich vor Aufnahme des Vertriebs etwaiger entgegenstehender gewerblicher Schutzrechte zu vergewissern, so dass aus dem Vorliegen einer rechtswidrigen Benutzung des Klagepatents grundsätzlich auf das Verschulden im Sinne von Fahrlässigkeit geschlossen werden kann. Auch wenn die Beklagte zu 1) die angegriffene Ausführungsform über den Vertriebler C erworben hat, stellt dies den Beklagten zu 2) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer nicht davon frei, die Schutzrechtslage prüfen zu müssen. Dass dies im Vorfeld durch den Vertriebler geschehen sei und die Beklagten Anlass gehabt hätten, durch entsprechende konkrete Vereinbarungen etc., von einer Prüfung berechtigterweise absehen zu können, tragen auch die Beklagten nicht vor.
  56. Allerdings ist die Schadenersatzhaftung des Beklagten zu 2) auf diejenigen Zeiträume zu beschränken, während der er als Geschäftsführer in verantwortlicher Position bei den Beklagten zu 1) tätig gewesen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2017, Az.: I-2 U 39/16). Insofern haben die Beklagten unter Vorlage einer Kopie der beglaubigten Abschrift vom 9. Mai 2019 der notariellen Urkunde vom 2. Mai 2019 substantiiert dargelegt, dass Herr B am 2. Mai 2019 Alleingesellschafter der Beklagten zu 1) und damit auch deren Geschäftsführer geworden ist. Auch wenn es sich bei der Kopie der beglaubigten Abschrift der notariellen Urkunde nicht um eine öffentliche Urkunde mit der Beweiskraft nach § 415 ZPO handelt, so ist die Abschrift ein gewichtiges Indiz dafür, dass der Vortrag des Geschäftsführerwechsels zutreffend ist. Trotz des zulässigen Bestreitens der Kläger mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO, kann die Kammer nach § 286 ZPO den Geschäftsführerwechsel seiner Entscheidung zugrunde legen, wenn sie im Rahmen im Rahmen der freien Beweiswürdigung überzeugt ist. § 286 Abs. 1 ZPO ordnet insoweit an, dass das Gericht nach freier Überzeugung darüber zu befinden hat, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet, wobei es den gesamten Inhalt der Verhandlungen und das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu berücksichtigen hat. Aus der Formulierung „etwaigen“ folgt hierbei, dass der erforderliche Beweis im Einzelfall auch ohne eine förmliche Beweisaufnahme nach Maßgabe der §§ 371 ff. ZPO als geführt angesehen werden kann. Die gerichtliche Überzeugungsbildung kann sich folglich allein auf die Schlüssigkeit des Sachvortrages einer Partei und/oder auf deren Prozessverhalten und/oder das des Gegners stützen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2017, Az.: I-2 U 39/16). Im Streitfall ist die Kammer davon überzeugt, dass der Wechsel vollzogen wurde. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es sich bei der Kopie um eine Fälschung handelt. Dies haben auch die Kläger nicht behauptet, sondern sich im Wesentlichen dagegen gewandt, dass Herr B zuvor für den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform verantwortlich gewesen sein soll.
  57. III.
    Ferner besteht auch ein Anspruch auf Auskunft (Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 140 b Abs. 1, 3 PatG) aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands gegen beide Beklagte, gegen den Beklagten zu 2) indes wiederum nur bis zum 2. Mai 2019.
  58. Der Anspruch auf Auskunft ist auch noch nicht vollständig erfüllt worden. Sofern die Beklagten auf die bereits erteilte Auskunft verweisen, haben die Kläger durch Vorlage des Internetangebots vom 24. Oktober 2018 (Anlage K 10) dargelegt, dass es auch nach dem Sommer 2018 Benutzungshandlungen seitens der Beklagten zu 1) gegeben hat. In dem wiederholten Verweis auf den Netto-Gesamtumsatz liegt jedoch nicht zugleich eine Null-Auskunft im Hinblick darauf, dass dem genannten Angebot keine Vertriebstätigkeiten mehr gefolgt sind.
  59. Auch hier ist der Auskunftsanspruch gegen den Beklagten zu 2) allerdings bis zum 2. Mai 2019 beschränkt. Insofern wird auf die Ausführungen unter Ziffer II. verwiesen.
  60. IV.
    Den Klägern stehen gegen die Beklagten darüber hinaus ein Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Kosten des Abmahnschreibens (Anlage K 12) in Höhe von € 1.531,90 aus Art. 64 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG zu.
  61. Die Klägerin hat schlüssig den Zugang des Abmahnschreibens an die im Geschäftsverkehr seitens der Beklagten verwendeten E-Mail-Adresse dargetan. Anhaltspunkte für eine Fehlermeldung oder sonstige Unregelmäßigkeiten sind keine ersichtlich. Die Beklagten haben sodann widersprüchlich vorgetragen, indem sie zunächst pauschal behaupteten, die Abmahnung nicht erhalten zu haben und sodann vorbrachten, die außergerichtlichen Kosten seien bereits bezahlt, um zuguterletzt auf den bisherigen Vortrag, sie hätten ein Abmahnschreiben nicht erhalten, zu verweisen. Allein der Umstand, offenbar zwischenzeitlich bereit gewesen zu sein, die vorgerichtlichen Kosten zu begleichen, lässt das Vorbringen zum fehlenden Erhalt des Schreibens unglaubwürdig erscheinen. Zudem haben die Beklagten weder einen Zeugen für den Vortrag, besagte E-Mail hätten sie an dem Tag nicht erhalten, benannt, noch beispielsweise eine Übersicht der am 18. Mai 2018 erhaltenen E-Mails in ihrem Postfach oder ähnliches beigebracht.
  62. Auch die Höhe der Abmahnkosten ist nicht zu beanstanden. Der diesem Rechtsstreit zugrunde liegende Streitwert ist in Höhe von € 50.000,00 angemessen. Orientiert am klägerischen Interesse und der bislang beauskunfteten Benutzungshandlungen ist ein solcher Streitwert für ein Patentverletzungsverfahren nicht übersetzt. Die Kammer kann die Berechtigung der Abmahnung – die sich auch noch auf das Designrecht stützte – nur für die Klagepatentverletzung feststellen.
  63. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
  64. V.
    Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene, nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 11. Januar 2021 bietet keinen Anlass zur Wiederöffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a, 156 ZPO).
  65. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
  66. VI.
    Der Streitwert wird auf € 50.000,00 festgesetzt. Aus den unter Ziffer IV. genannten Gründen erscheint der Streitwert nicht übersetzt.

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