Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3087
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 10. Dezember 2020, Az. 4b O 33/19
- I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meldung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit Ordnungshaft tritt, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem Geschäftsführer zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- Rasiervorrichtungen, umfassend eine Basisstruktur und eine Kopfstruktur,
wobei die Kopfstruktur eine Kopfstützstruktur umfasst, die konfiguriert ist, mindestens zwei rotierende Rasierköpfe zu stützen,
wobei die Basisstruktur frei von Stützelementen in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur ist, so dass die Kopfstruktur, wenn mit der Basisstruktur gekoppelt, nicht im Bereich ihres Außenumfangs gestützt ist, und
wobei die Kopfstruktur ein Kopplungselement umfasst, das in einem Mittelbereich der Kopfstruktur in einer Mitte eines im Wesentlichen kreisförmigen Bereichs, der durch eine Drehwelle jedes rotierenden Rasierkopfes begrenzt ist, angeordnet ist, - in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
- wenn die Basisstruktur eine Rückhaltestruktur umfasst, die konfiguriert ist, das Kopplungselement zum Koppeln der Kopfstruktur an die Basisstruktur lösbar zurückzuhalten,
wobei die Kopfstruktur, wenn an die Basisstruktur gekoppelt, im Wesentlichen nur durch eine Rückhaltekraft, die durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement ausgeübt wird, auf der Basisstruktur zurückgehalten wird,
wobei das Kopplungselement ein wellenähnliches Element ist, das vom Mittelbereich der Kopfstruktur hervorragt und an seinem distalen Ende eine schräge Fläche umfasst, die zur Kopfstützstruktur zeigt, und wobei die Rückhaltestruktur umfasst:
– eine Rückhaltevertiefung zum Aufnehmen des Kopplungselements; und
– ein Federelement, das zumindest teilweise in der Rückhaltevertiefung bereitgestellt ist, wobei das Federelement zum Ineinandergreifen mit der schrägen Fläche des Kopplungselements angeordnet ist, so dass das Kopplungselement in der Rückhaltevertiefung zurückhaltbar ist. - II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten und geordneten Aufstellung in elektronisch auswertbarer Form, hinsichtlich der Angaben a) und b) unter Vorlage von Rechnungen, hilfsweise Lieferscheinen, weiter hilfsweise Quittungen, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie die in vorstehender Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 23. Juni 2012 begangen haben, und zwar unter Angabe
a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist. - III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in vorstehender Ziffer I. bezeichneten Handlungen seit dem 23. Juni 2012 entstanden ist und noch entstehen wird.
- IV. Die Beklagten werden verurteilt, die in der vorstehenden Ziffer I. bezeichneten, im Besitz gewerblich handelnder Dritter befindlichen und nach dem 23. Juni 2012 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblich handelnden Dritten, denen durch die Beklagten oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents EP 2 086 XXX B2 = DE 60 2007 XXX 881 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagten zurückzugeben und den Dritten für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird.
- V. Die Beklagten werden verurteilt, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, vorstehend zu Ziffer I. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben (alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher).
- VI. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1) 40 % und die Beklagten zu 2) und 3) jeweils 30 %.
- VII. Das Urteil ist gegen die Beklagte zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000 EUR und gegen die Beklagten zu 2) und 3) jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 750.000 EUR vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents 2 086 XXX B2 (nachfolgend: Klagepatent) in Anspruch.
- Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des Klagepatents, das am 12. November 2007 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 20 November 2006 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 12. Dezember 2018 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Ein gegen die Erteilung des Klagepatents eingeleitetes Einspruchsverfahren wurde vom EPA rechtskräftig abgeschlossen. Das Klagepatent wurde im Zuge dessen im geänderten Umfang aufrechterhalten. Die Beklagten zu 2) und 3) haben beim Bundespatentgericht in Bezug auf das Klagepatent Nichtigkeitsklage erhoben, über die noch nicht entschieden wurde.
- Das in englischer Verfahrenssprache erteilte Klagepatent betrifft einen rotierenden Rasierer mit verbesserter Stützstruktur für Rasierköpfe. Der von der Klägerin geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet in der nunmehr geltenden Fassung:
- „Rasiervorrichtung, umfassend eine Basisstruktur (4) und eine Kopfstruktur (2),
wobei die Kopfstruktur (2) eine Kopfstützstruktur (6) umfasst, die konfiguriert ist, mindestens zwei rotierende Rasierköpfe (30A, 30B, 30C) zu stützen,
wobei die Basisstruktur (4) frei von Stützelementen in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur (2) ist, sodass die Kopfstruktur (2), wenn mit der Basisstruktur gekoppelt, nicht im Bereich ihres Außenumfangs gestützt ist, und
wobei die Kopfstruktur (2) ein Kopplungselement (8) umfasst, das in einem Mittelbereich (2A) der Kopfstruktur (2) in einer Mitte eines im Wesentlichen kreisförmigen Bereichs, der durch eine Drehwelle jedes rotierenden Rasierkopfs (30A, 30B, 30C) begrenzt ist, angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Basisstruktur (4) eine Rückhaltestruktur umfasst, die konfiguriert ist, das Kopplungselement (8) zum Koppeln der Kopfstruktur (2) an die Basisstruktur (4) lösbar zurückzuhalten,
wobei die Kopfstruktur (2), wenn an die Basisstruktur (4) gekoppelt, im Wesentlichen nur durch eine Rückhaltekraft, die durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement (8) ausgeübt wird, auf der Basisstruktur (4) zurückgehalten wird,
wobei das Kopplungselement (8) ein wellenähnliches Element ist, das vom Mittelbereich (2A) der Kopfstruktur (2) hervorragt und bei seinem distalen Ende (20) eine schräge Fläche (12A, 16A) umfasst, die zur Kopfstützstruktur (6) zeigt, und wobei die Rückhaltestruktur umfasst:
– eine Rückhaltevertiefung (18) zum Aufnehmen des Kopplungselements (8); und
– ein Federelement (10, 10A, 10B, 10C, 10D), das zumindest teilweise in der Rückhaltevertiefung (18) bereitgestellt ist, wobei das Federelement (10, 10A, 10B, 10C, 10D) zum Ineinandergreifen mit der schrägen Fläche (12A, 16A) des Kopplungselements (8) angeordnet ist, sodass das Kopplungselement (8) in der Rückhaltevertiefung (18) zurückhaltbar ist. - Die folgenden Zeichnungen stammen aus der Klagepatentschrift und geben eine perspektivische Darstellung eines Rasierapparates entsprechend der vorliegenden Erfindung (Figur 1) und einen Schnitt eines Kopplungselements und einer Rückhaltestruktur gemäß einer Ausführungsform eines Rasierapparates gemäß der Erfindung (Figur 3) wieder.
- Die Beklagte zu 1) betreibt unter der URL „www.C.de“ einen Online-Shop, über den sie unter anderem Rotationsrasierer unter der Bezeichnung „D“ zum Kauf anbietet. Wegen der Einzelheiten des Internetangebots wird auf die Anlage ES 7a Bezug genommen. Zu den Rotationsrasierern der Marke „D“ gehören die Modelle E und F (angegriffene Ausführungsform I) sowie G, H und I (angegriffene Ausführungsform II). Diese wurden von der Beklagten zu 1) unter anderem im Februar und im März 2019 auf eine Bestellung der klägerischen Prozessbevollmächtigten hin geliefert. Wegen der Einzelheiten der Bestellung wird auf die als Anlage ES 2 vorgelegten Rechnungen Bezug genommen.
- Die angegriffene Ausführungsform I wird von der Beklagten zu 2) hergestellt und an die Beklagte zu 1) geliefert. Weiterhin bietet die Beklagte zu 2) die angegriffene Ausführungsform I auf ihrer Internetseite „www.J.com“ an, von dem sich ein Auszug als Anlage ES 7b bei der Akte befindet.
- Die angegriffene Ausführungsform II wird von der Beklagten zu 3) hergestellt und an die Beklagte zu 1) geliefert. Weiterhin bietet die Beklagte zu 3) die angegriffene Ausführungsform II auf ihrer Internetseite „www.XXX.com“ an, von dem sich ein Auszug als Anlage ES 7c bei der Akte befindet.
- Die angegriffenen Ausführungsformen I und II unterscheiden sich in der für den Rechtsstreit maßgeblichen technischen Gestaltung dahingehend, dass auf dem Handteil der angegriffenen Ausführungsform I an der zum Rasierkopf weisenden Seite ein stegförmiger Kranz ausgebildet ist, den die angegriffene Ausführungsform II nicht aufweist. Weiterhin weist der Rasierkopf der angegriffenen Ausführungsform II an seiner für den Eingriff mit dem Federelement des Handteils vorgesehenen Nut anders als die angegriffene Ausführungsform I keine durchgängige schräge Fläche auf; vielmehr schließt sich an einen schrägen Abschnitt ein horizontaler Abschnitt an. Verschiedene Muster der angegriffenen Ausführungsformen befinden sich bei der Akte. Die nachstehenden Abbildungen stammen einschließlich Beschriftungen und Einzeichnungen von der Klägerin (Abbildung 3 bis 6) bzw. der Beklagten zu 2) (Abbildung 1 und 2) und zeigen Details der angegriffenen Ausführungsform I (Abbildung 1 bis 3) und II (Abbildung 4 bis 6).
- Die Klägerin ist der Ansicht, Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform stellten eine Verletzung des Klagepatents dar. Der Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur sei erfindungsgemäß frei von Stützelementen. Soweit bei der angegriffenen Ausführungsform I ein Kranz oder Kragen am Handteil ausgeformt sei, erstrecke sich dieser nicht in den Bereich des äußeren Umfangs der Kopfstruktur. Eine auf den Rasierkopf wirkende äußere Kraft könne auch in diesem Fall die Verbindung zwischen Handteil und Rasierkopf lösen. Bei einer schrägen Fläche im Sinne des Klagepatents handele es sich um eine von der Kopfstützstruktur her gesehen im unteren Bereich des Kopplungselements, also am distalen Ende angeordnete geeignete Oberfläche einer Ausnehmung oder eines Vorsprungs, in welchen das Federelement eingreife bzw. auf dem es im Falle eines Vorsprungs aufliege. Das sei aber bei der angegriffenen Ausführungsform II der Fall, auch wenn sich an die geneigte Fläche ein horizontaler Abschnitt anschließe. Messungen hätten ergeben, dass das Federelement mit dieser geneigten Fläche in Eingriff komme (Anlage ES 8 und 10). Der Durchmesser des Federdrahtes sei bei der angegriffenen Ausführungsform größer als der Spalt im Bereich des horizontalen Flächenabschnitts, so dass das Federelement nicht in diesen Spalt passe. Zudem sei der innere Durchmesser des gesamten Federrings größer als der Abstand zwischen den Nutböden der beiden Aussparungen des Kopplungselements, so dass der Federring auch deshalb an den geneigten Flächen anliege. Im Übrigen werde sich das Klagepatent auch im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen.
- Die Klägerin beantragt,
- – wie erkannt –
- Die Beklagten beantragen,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise den Rechtsstreit bis zur erstinstanzlichen (Beklagte zu 1): rechtskräftigen) Entscheidung über die von den Beklagten zu 2) und 3) erhobene Nichtigkeitsklage auszusetzen.
- Die Beklagten sind der Ansicht, das Klagepatent werde durch die angegriffenen Ausführungsformen nicht verletzt. Bei der angegriffenen Ausführungsform I stelle der am Handteil ausgeformte Kranz ein Stützelement dar, das sich auch im Bereich des Außenumfangs des Rasierkopfes befinde. Damit sei dieser Bereich entgegen der Lehre des Klagepatents nicht frei von Stützelementen. Nach Auffassung der Beklagten zu 1) und 3) diene die schräge Fläche der angegriffenen Ausführungsform II nicht dazu, das Kopplungselement durch die Rückhaltestruktur zurückzuhalten. Ein Ineinandergreifen von Federelement und schräger Fläche sei allenfalls im Falle der Entkopplung denkbar. Dies ergebe sich aus einer aus den Konstruktionsunterlagen abgeleiteten Explosionszeichnung und aus der Bemaßung einer zweidimensionalen Projektion der angegriffenen Ausführungsform II, wie sie in der Herstellung umgesetzt werde (Anlage CBH 3 und 4). Schließlich ergebe sich die Lehre des Klagepatents in naheliegender Weise aus einer Kombination der Entgegenhaltungen NK 7 mit NK 8 oder NK 14 mit NK 11 bzw. NK 7. Die Nichtigkeitsklage werde daher voraussichtlich Erfolg haben.
-
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schrift-
sätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen. - Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist begründet.
- A
Die Klägerin hat gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und 3, 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB. - I.
Die Erfindung nach dem Klagepatent bezieht sich auf einen Rasierapparat umfassend eine Basisstruktur und eine Kopfstruktur, wobei die Kopfstruktur eine Kopfträgerstruktur umfasst, die so ausgeführt ist, dass sie mindestens zwei rotierende Scherköpfe trägt, wobei die Basisstruktur in einem Bereich eines äußeren Umfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen ist, sodass die Kopfstruktur, wenn diese mit der Basisstruktur gekoppelt ist, in dem Bereich ihres äußeren Umfangs nicht getragen wird und wobei die Kopfstruktur ein Kopplungselement umfasst, das in einem zentralen Bereich der Kopfstruktur in einem Mittelpunkt einer im Wesentlichen kreisförmigen Fläche angeordnet ist, die durch eine Rotationswelle jedes rotierenden Scherkopfes begrenzt ist (Abs. [0001]; Absätze oder Bezugsangabe sind solche des Klagepatents in deutscher Übersetzung). - In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass die Druckschriften US 2,XXX,735 und die GB 965,XXX einen Rasierapparat offenbarten umfassend eine Basisstruktur, die als Handhabungsstruktur dient und einen Antrieb zum Antrieb der Rasierköpfe umfasst. Weiterhin umfassten die Rasierapparate eine Kopfstruktur mit mindestens einem Rasierkopf. Die Kopfstruktur und die Basisstruktur seien lösbar verbunden, sodass die Kopfstruktur von der Basisstruktur entfernt werden könne, zum Beispiel zur Reinigung (Abs. [0002]). Diese Rasierapparate seien so ausgebildet, dass die Kopfstruktur so ausgeführt sei, dass sie vom Benutzer gezielt entfernt werden könne. Im Falle eines versehentlichen Falls des Rasierapparats oder dergleichen bleibe die Kopfstruktur im Wesentlichen in Position. Im Falle eines solchen Unfalls könne die auf die Kopfstruktur wirkende Kraft zur Beschädigung der Rasierköpfe und/oder der Kopfstruktur führen (Abs. [0003]).
- Die Patentanmeldung EP 1 616 XXX A2 offenbare eine Rasierklinge mit einem entfernbaren Kopf. Die Rasierklinge habe einen Griff, der eine longitudinale Achse definiere, einen Rasierkopf, der eine Anzahl klingenförmiger Schneidelemente mit gerader Schneidklinge trage, die eine transversale Achse definierten, eine Verbindungseinheit und ein Biasing-Element. Die Verbindungseinheit verbinde den Griff und den Kopf in einem zentralen Bereich des Kopfes, sodass sich der Kopf aufwärts und abwärts über seine transversale Achse drehen könne und sich auch auf den Griff zu und davon weg bewegen könne mit der transversalen Achse rechtwinklig oder schräg zu der longitudinalen Achse. Das Biasing-Element sei separat und entfernt von dem Verbindungselement angeordnet und spanne den Kopf in eine Ruheposition (Abs. [0004]).
- Die Patentanmeldung WO 2006/XXX AI offenbare einen Rasierapparat und eine Kopfstruktur derart, wie sie eingangs erwähnt worden seien. Der bekannte Rasierer sei ein elektrischer Rasierer und umfasse einen Griff und mindestens zwei rotierende Rasierköpfe, die von einem gemeinsamen Antriebsschaft angetrieben würden, der aus dem besagten Griff hervorstehe, und eine Trägerstruktur zum Tragen der besagten Rasierköpfe auf dem Griff. Die Trägerstruktur sei so ausgeführt, dass ein Raum, der auf der einen Seite von den Rasierköpfen und auf der anderen Seite durch den Griff begrenzt werde, zu seiner verbleibenden umlaufenden Seite im Wesentlichen offen sei (Abs. [0005]).
- Vor diesem Hintergrund sieht das Klagepatent die Aufgabe der Erfindung (das technische Problem) darin, eine Kopfstruktur und einen Rasierapparat wie eingangs erwähnt bereitzustellen, bei dem die Kopfstruktur und die Rasierköpfe im Falle einer Überlastkraft vor Beschädigungen geschützt seien.
- Zur Lösung dieser technischen Problems schlägt das Klagepatent eine Rasiervorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Klagepatents vor, die nachstehend in gegliederter Form wiedergegeben sind.
- 1.1 Rasiervorrichtung, umfassend eine Basisstruktur (4) und eine Kopfstruktur (2).
1.2 Die Kopfstruktur (2) umfasst eine Kopfstützstruktur (6), die konfiguriert ist, mindestens zwei rotierende Rasierköpfe (30A, 30B, 30C) zu stützen
1.3 Die Basisstruktur (4) ist frei von Stützelementen in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur (2), sodass die Kopfstruktur (2), wenn mit der Basisstruktur gekoppelt, nicht im Bereich ihres Außenumfangs gestützt ist.
1.4 Die Kopfstruktur (2) umfasst ein Kopplungselement (8), das in einem Mittelbereich (2A) der Kopfstruktur (2) in einer Mitte eines im Wesentlichen kreisförmigen Bereichs, der durch eine Drehwelle jedes rotierenden Rasierkopfs (30A, 30B, 30C) begrenzt ist, angeordnet ist.
1.5 Die Basisstruktur (4) umfasst eine Rückhaltestruktur, die konfiguriert ist, das Kopplungselement (8) zum Koppeln der Kopfstruktur (2) an die Basisstruktur (4) lösbar zurückzuhalten.
1.6 Die Kopfstruktur (2), wenn an die Basisstruktur (4) gekoppelt, wird im Wesentlichen nur durch eine Rückhaltekraft, die durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement (8) ausgeübt wird, auf der Basisstruktur (4) zurückgehalten.
1.7 Das Kopplungselement (8) ist ein wellenähnliches Element, das vom Mittelbereich (2A) der Kopfstruktur (2) hervorragt und bei seinem distalen Ende (20) eine schräge Fläche (12A, 16A) umfasst, die zur Kopfstützstruktur (6) zeigt.
1.8 Die Rückhaltestruktur umfasst:
1.8.1 eine Rückhaltevertiefung (18) zum Aufnehmen des Kopplungselements (8); und
1.8.2 ein Federelement (10, 10A, 10B, 10C, 10D), das zumindest teilweise in der Rückhaltevertiefung (18) bereitgestellt ist,
1.8.3 wobei das Federelement (10, 10A, 10B, 10C, 10D) zum Ineinandergreifen mit der schrägen Fläche (12A, 16A) des Kopplungselements (8) angeordnet ist, sodass das Kopplungselement (8) in der Rückhaltevertiefung (18) zurückhaltbar ist. - II.
Für das Verständnis der technischen Lehre des Klagepatents ist von einer Rasiervorrichtung auszugehen, die eine Basisstruktur und eine Kopfstruktur umfasst (Merkmal 1.1), die wiederum über ein Kopplungselement und eine Rückhaltestruktur lösbar miteinander verbunden sind (Merkmal 1.4 und 1.5). Außer den räumlich-körperlichen Anforderungen an Kopplungselement und Rückhaltestruktur (Merkmal 1.7 und Merkmalsgruppe 1.8) ist für die technische Lehre des Klagepatents maßgebend, dass die Kopfstruktur, wenn sie an die Basisstruktur gekoppelt ist, im Wesentlichen nur durch die Rückhaltestruktur gehalten wird (Merkmal 1.6) und die Basisstruktur auch sonst in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen ist, so dass die Kopfstruktur in diesem Bereich nicht gestützt ist (Merkmal 1.3). - Der Begriff des Stützelements beschreibt eine räumlich-körperliche Gestaltung der Basisstruktur, die die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand stützt oder besser: trägt. Mit dem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur ist im Wesentlichen der sich an den Raum zwischen Basis- und Kopfstruktur nach außen anschließende Bereich gemeint, mithin der Bereich, der sich von der Außenkontur der Kopfstruktur nach außen erstreckt. Dieser Bereich soll frei von Stützelementen sein, das heißt die Kopfstruktur darf in diesem Bereich im gekoppelten Zustand nicht gestützt bzw. gehalten werden, wobei auch die Unterscheidung zwischen Basisstruktur und Kopfstruktur grundsätzlich einen offenen Raum zwischen beiden Vorrichtungsbestandteilen voraussetzt. Allerdings sind Stützelemente in diesem Bereich nicht völlig ausgeschlossen.
- 1.
Das Merkmal 1.3 knüpft für die Anforderung „frei von Stützelementen“ an dem Zustand an, in dem die Kopfstruktur mit der Basisstruktur gekoppelt ist. In diesem Zustand soll die Kopfstruktur nicht in dem Bereich des Außenumfangs gestützt sein. Ausgehend von der Bedeutung des Wortes „stützen“ sind Stützelemente infolgedessen Bauelemente, durch die die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand in ihrer Position gehalten wird. In der maßgeblichen englischen Fassung des Klagepatents ist insofern die Rede von „support elements“, durch die die Kopfstruktur nicht gestützt sein soll („is not supported“). An anderer Stelle hat der Begriff „support“ auch die Bedeutung „tragen“ oder „in Position halten“. Wenn etwa gemäß Merkmal 1.2 die Rasierköpfe von einer Kopfstützstruktur gestützt werden sollen, ist damit die Halterung und Positionierung der Rasierköpfe an der Kopfstruktur umfasst. Dementsprechend wird in der Klagepatentschrift „supported“ wiederholt auch mit „getragen“ übersetzt (vergleiche Abs. [0001] mit Sp. 1 Z. 12 der ES 4 oder Abs. [0025] mit Sp. 6 Z. 46 der ES 4). - Gerade die zuletzt zitierte Textstelle macht deutlich, dass das Klagepatent zwischen dem Verbinden von Kopf- und Basisstruktur einerseits und dem In-Position-Halten der Kopfstruktur im Verhältnis zur Basisstruktur andererseits unterscheidet. Die bloße lösbare Verbindung beschreibt das Patent mit „retain“, das in der deutschen Fassung fast durchweg mit „zurückhalten“ übersetzt wird. Das In-Position-Halten kommt hingegen in dem Begriff „support“ zum Ausdruck. Nur aufgrund dieser Unterscheidung ist es in systematischer Hinsicht überhaupt sinnvoll, wenn das Klagepatent für eine bevorzugte Ausführungsform vorschlägt, dass die Kopfstruktur allein durch das Kopplungselement zurückgehalten und gestützt – besser: in Position gehalten – wird (Sp. 6 Z. 46 f. der ES 4: „the head structure 2 ist solely retained and supported by the coupling element 8“; vgl. auch Abs. [0013] und Unteranspruch 2).
- 2.
Was den „Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur“ („area of an outer circumference“) angeht, in dem die Basisstruktur frei von Stützelementen sein soll, ergibt sich aus dem Wortlaut, dass nicht genau die Linie der Außenkontur, sondern ein Raum gemeint ist, der den Außenumfang der Kopfstruktur umfasst oder sich jedenfalls von diesem aus erstreckt. - Daraus lässt sich jedenfalls folgern, dass mit dem Bereich des Außenumfangs nicht der gesamte Raum zwischen Kopf- und Basisstruktur gemeint sein kann und auch nicht jegliches Stützelement zwischen diesen beiden Bestandteilen der Rasiervorrichtung ausgeschlossen sein soll. Letzteres ergibt sich auch aus der Beschreibung des Klagepatents und dem Unteranspruch 2. Demnach stellt es eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung dar, dass die Kopfstruktur nur durch das Kopplungselement gestützt wird (Abs. [0013] und Unteranspruch 2). Im Umkehrschluss folgt daraus, dass nach der weiter gefassten Lehre des Klagepatentanspruchs Stützelemente zur Stützung der Kopfstruktur neben dem Kopplungselement durchaus zulässig sind.
- Ebenso wenig lässt sich aus dem Klagepatentanspruch ableiten, dass zu dem Bereich des Außenumfangs alles gehört, was nicht zum kreisförmigen Bereich zwischen den Drehwellen der einzelnen Rasierköpfe gehört. Eine solche Vorstellung, dass die Ausdehnung der Kopfstruktur in nur zwei komplementäre Bereiche aufgeteilt ist, lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen, zumal das Klagepatent für die räumliche Anordnung der Drehwellen in Bezug auf die Kopfstruktur überhaupt keine Vorgaben enthält.
- Demnach kann mit dem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur allenfalls der Raum gemeint sein, der sich ausgehend von einer Linie zwischen Außenkontur der Kopfstruktur und Basisstruktur nach außen und geringfügig nach innen in den Raum zwischen Kopf- und Basisstruktur hinein erstreckt – letzteres, weil nicht jegliches Stützelement zwischen Kopf- und Basisstruktur ausgeschlossen ist. In diesem Bereich darf die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand nicht von einem Stützelement in Position gehalten werden.
- 3.
Die technische Funktion von Merkmal 1.3 und dem Ausschluss von Stützelementen im Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur besteht darin, dass die Kopfstruktur, wenn sie mit der Basisstruktur gekoppelt ist, nicht im Bereich des Außenumfangs gestützt sein soll. Dies ergibt sich unmittelbar aus dem Merkmal 1.3 selbst. - Die Beschreibung des Klagepatents führt dazu aus, dass, wenn eine äußere Kraft auf die Kopfstruktur des Rasierapparates wirkt, der Bereich des äußeren Umfangs nicht zum Übertragen der äußeren Kraft auf die Basisstruktur beitragen kann, weil dieser frei von Stützelementen ist (Abs. [0008] und [0009]). Stattdessen wird die Kraft auf das Kopplungselement übertragen, das wiederum einen substantiellen Teil der äußeren Kraft auf die Basisstruktur überträgt (Abs. [0008] und [0009]). Ist die äußere Kraft groß genug, wird das Kopplungselement von der Rückhaltestruktur freigegeben, wodurch eine Überlast, die zu einer Beschädigung des Rasierkopfes oder der Kopfstruktur führen würde, vermieden wird (Abs. [0008] und [0009]).
- Diese Funktion setzt auch voraus, dass die Kopfstruktur nicht durch andere Mechanismen als die Rückhaltestruktur an der Basisstruktur befestigt ist, weshalb Merkmal 1.6 verlangt, dass die Kopfstruktur im Wesentlichen nur durch die Rückhaltekraft, die durch die Rückhaltestruktur auf das Kopplungselement ausgeübt wird, auf der Basisstruktur zurückgehalten wird. Da allerdings nach der Lehre des Klagepatents Stützelemente nicht per se ausgeschlossen sind, kommt es nicht darauf an, jegliche äußere Krafteinwirkung in das Kopplungselement einzuleiten. Vielmehr können äußere Krafteinwirkungen (teilweise) auch in die Kopf- und/oder Basisstruktur eingeleitet werden, etwa über Stützelemente, die die Kopfstruktur außerhalb des Bereichs des Außenumfangs der Kopfstruktur in Position halten.
- 4.
Das Merkmal 1.3 und die mit ihm verbundene Funktion, die Einleitung einer äußeren Kraft in das Kopplungselement zu ermöglichen, lösen – zusammen mit der räumlich-körperlichen Gestaltung von Kopplungselement und Rückhaltestruktur – das im Stand der Technik bestehende technische Problem, dass im Falle eines versehentlichen Falles des Rasierapparates die Kopfstruktur im Wesentlichen in Position bleibt, so dass die auf die Kopfstruktur wirkende Kraft zur Beschädigung der Rasierköpfe und/oder der Kopfstruktur führen kann (Abs. [0003]). Ausdrücklich wird in der Klagepatentschrift darauf hingewiesen, dass bei den aus dem Stand der Technik bekannten Rasierapparaten „die Kopfstruktur in einem Bereich eines äußeren Umfangs von der Basisstruktur gestützt wird. Wenn daher eine Kraft auf die Kopfstruktur wirkt, trägt der Bereich des äußeren Umfangs der Kopfstruktur dazu bei, dass die Kraft auf die Basisstruktur übertragen wird, so dass die auf das Kopplungselement wirkende Kraft begrenzt ist. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Kopfstruktur aufgrund einer hohen externen Kraft von der Basisstruktur freigegeben wird, so dass die Kopfstruktur und die Basisstruktur beschädigt werden können“ (Abs. [0010] und [0011]). - Ausgehend von dieser Textstelle wird deutlich, was der Patentanspruch mit Stützelementen und dem Erfordernis meint, dass die Basisstruktur in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen sein soll (Merkmal 1.3). Die im Stand der Technik bekannten Rasierapparate, an denen das Klagepatent den Nachteil festmacht, dass eine äußere Kraft bei einem Fall zur Beschädigung der Rasierköpfe oder der Kopfstruktur führen kann (Abs. [0003]), haben die nachstehend wiedergegebene Gestalt:
- In beiden Fällen werden die Rasierköpfe – wie es auch das Klagepatent beschreibt – in einem Bereich eines äußeren Umfangs von der Basisstruktur gestützt (Abs. [0010] und [0011]). Sie werden von diesen Stützelementen umfasst und in Position gehalten Dass es sich bei diesen Stützelementen unter Umständen nur um die Halterung einer Scherfolie handelt, ist unbeachtlich, da auch dann der Rasierkopf von außen gestützt wird. Wirkt eine Kraft auf den Rasierkopf bzw. die Kopfstruktur, wird die am äußeren Umfang der Kopfstruktur angreifende Abstützung auf die Basisstruktur übertragen oder von der Kopfstruktur aufgenommen, aber nicht auf ein mittig angeordnetes Kopplungselement abgeleitet mit den im Klagepatent geschilderten möglichen Folgen (Abs. [0003], [0010] und [0011]). Ausgehend vom Stand der Technik ist im Merkmal 1.3 mit einem Stützelement ein die Kopfstruktur in Position haltendes Bauteil gemeint und mit dem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur allenfalls der Raum angesprochen, der sich ausgehend von einer Linie zwischen Außenkontur der Kopfstruktur und Basisstruktur nach außen erstreckt.
- 5.
Soweit die Beklagte zu 2) mit nachgelassenem Schriftsatz vom 16. November 2020 vorträgt, dass die im Klagepatent gewürdigte EP 1 616 XXX A2 einen Nassrasierer zeige, dessen äußere Ränder frei seien, folgt daraus keine andere Bewertung. Der entsprechende Nassrasierer ist nachstehend eingeblendet:
Allerdings kritisiert das Klagepatent an diesem Rasierer abweichend von dem zuvor gewürdigten Stand der Technik (US 2,XXX,735 und GB 965,XXX) nicht, dass der Rasierkopf im Falle eines versehentlichen Falles des Rasierers in Position gehalten werde, so dass die einwirkende Kraft zur Beschädigung des Rasierkopfes führen könne (vgl. Abs. [0003] und [0004]). Soweit im Klagepatent angemerkt wird, dass bei den Rasierapparaten („shaving device“) aus dem Stand der Technik die Kopfstruktur in einem Bereich eines äußeren Umfangs von der Basisstruktur gestützt wird (Abs. [0010] und [0011]), kann nicht davon ausgegangen werden, dass damit alle einleitend in der Klagepatentschrift gewürdigten Rasierer gemeint sind. Hinsichtlich der EP 1 616 XXX A2 spricht das Klagepatent nur von einer Rasierklinge („shaving razor“) mit einem entfernbaren Kopf. Von Rasierapparaten ist nur im Zusammenhang mit dem Offenbarungsgehalt der US 2,XXX,735 und der GB 965,XXX die Rede – und der WO 2006/XXX, die offensichtlich nicht gemeint ist. Ungeachtet dessen scheint die von der Beklagten zu 2) allein eingeblendete Figur 8 der EP 1 616 XXX A2 nicht den Rasierer wiederzugeben, den das Klagepatent beschreibt: In der Figur 8 wird die Verbindungseinheit augenscheinlich durch die Arme (80a, 80b mit 84a, 84b) und das Biasing-Element durch die Arme (82a, 82b mit 88a, 88b) gebildet. Bei dieser Gestaltung werden abweichend von der Darstellung im Klagepatent Griff und Kopf nicht im zentralen Bereich des Kopfes durch die Verbindungseinheit verbunden. Wollte man das Biasing-Element als Stützelement ansehen, da es den Rasierkopf – ganz im Sinne der hier vertretenen Auslegung des Begriffs Stützelement – in eine Ruheposition spannt (Abs. [0004]), befindet es sich aufgrund seiner Lage zwischen den Armen der Verbindungseinheit jedenfalls nicht in einem Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur. Im Übrigen kann für das Verständnis von Merkmal 1.3 mangels weiteren Vortrags nichts aus der EP 1 616 XXX A2 hergeleitet werden. - 6.
Auch die Beschreibung des Klagepatents spricht für das hier vertretene Verständnis von Merkmal 1.3. Denn dieses würdigt den aus der WO 2006/XXX bekannten Rasierapparat dahingehend, dass die Trägerstruktur zum Tragen der Rasierköpfe so ausgeführt ist, „dass ein Raum, der auf der einen Seite von den Rasierköpfen und auf der anderen Seite durch den Griff begrenzt wird, zu seiner verbleibenden umlaufenden Seite im Wesentlichen offen ist“ (Abs. [0005]). Diese Gestaltung, die im Wesentlichen der in Figur 1 des Klagepatents wiedergegebenen Anordnung von Basisstruktur und Kopfstruktur entspricht, wird vom Klagepatent nicht als nachteilig angesehen, sondern ist der Ausgangspunkt für die erfindungsgemäße Lehre. Dabei geht das Klagepatent von einem Raum zwischen den Rasierköpfen und dem Griff aus, der zu seiner verbleibenden umlaufenden Seite – also von dem Raum zwischen Rasierköpfen und Griff nach außen hin – im Wesentlichen offen sein soll. Gemeint ist also mit der umlaufenden Seite der außerhalb von Rasierköpfen und Griff liegende Raum, der im Wesentlichen offen, also frei von Stützelementen sein soll. Das ist der Bereich des Außenumfangs im Sinne von Merkmal 1.3. Ein solches Verständnis mag implizieren, dass auch in unmittelbarer Nähe der Außenkontur der Kopfstruktur im Raum zwischen Rasierköpfen und Griff Stützelemente ausgeschlossen sein sollen, damit überhaupt von einer im Wesentlichen offenen umlaufenden Seite die Rede sein kann. Grundsätzlich sind Stützelemente im Raum zwischen Kopfstruktur und Basisstruktur aber nicht ausgeschlossen. Denn zum einen spricht das Klagepatent mit dem von Stützelementen freien Bereich in erster Linie den Bereich außerhalb des Außenumfangs an und zum anderen soll diese umlaufende Seite nur „im Wesentlichen“ offen sein (vgl. Abs. [0005]). - Gleiches ergibt sich auch aus der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels im Klagepatent. Demnach „sind die Kopfstruktur 2 und die Basisstruktur 4 derart konfiguriert, dass ein Raum, der an einer Seite durch die Kopfstruktur 2 und an ihrer gegenüberliegenden Seite durch die Basisstruktur 4 begrenzt ist, an ihrer verbleibenden umgebenden Seite im Wesentlichen offen“ (Abs. [0025]). Es geht also um den Bereich, der sich vom Raum zwischen Basis- und Kopfstruktur ab der Außenkontur der Kopfstruktur (bzw. in unmittelbarer Nähe dieser Kontur) nach außen anschließt. Dem können die Beklagten nicht mit Erfolg entgegenhalten, die zitierte Textstelle beziehe sich allein auf das in diesem Absatz ebenfalls erwähnte Merkmal 1.6. Denn in Abs. [0025] wird zunächst auf Merkmal 1.3 Bezug genommen, indem ausgeführt wird, dass „die Basisstruktur 4 in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur 2 frei von Stützelementen [ist], so dass die Kopfstruktur 2 im Bereich des Außenumfangs nicht abgestützt ist.“ Soweit es danach heißt, „darüber hinaus wird in der dargestellten Ausführungsform die Kopfstruktur 2 ausschließlich von dem Kopplungselement 8 beibehalten und getragen“ (Abs. [0025]), ist damit Merkmal 1.6 angesprochen; darüber hinaus wird aber auch eine bevorzugte Ausführungsform dargestellt, die das zuvor angesprochene Merkmal 1.3 im Sinne des Unteranspruchs 2 noch enger fasst, weil die Kopfstruktur ausschließlich von dem Kopplungselement gehalten („retained“) und getragen („supported“) wird. Die nachfolgende Beschreibung, wie zu diesem Zweck Kopfstruktur und Basisstruktur konfiguriert sein sollen, bezieht sich daher auch auf das im Absatz [0025] eingangs wiedergegebene Merkmal 1.3. Dass dieser Bereich darüber hinaus frei von weiteren Bauteilen sein soll, die die Kopfstruktur halten (im Sinne von „retained“), ist unschädlich.
- 7)
Soweit in der Beschreibung des Klagepatents wiederholt auf eine Hebelwirkung abgestellt wird, die dafür sorgen soll, dass sich die Kopfstruktur bei einer entsprechenden Krafteinwirkung von der Basisstruktur löst, führt dies zu keiner anderen Auslegung des Klagepatentanspruchs. - In der Beschreibung des Klagepatents wird ausgeführt, dass das Kopplungselement einen substantiellen Teil einer extern einwirkenden Kraft übertragen muss, da die Kopfstruktur im Bereich ihres äußeren Umfangs frei von Stützelementen ist und daher zur Übertragung der externen Kraft auf die Basisstruktur nicht beitragen kann (Abs. [0008] und [0009]). Weiter heißt es: „Da das Kopplungselement zudem in einem zentralen Bereich der Kopfstruktur angeordnet ist, wird der mit der externen Kraft verbundene mechanische Hebel zu einer relativ hohen Kraft führen, die auf das Kopplungselement wirkt“ (Abs. [0008] und [0009]). Ist die Kraft groß genug, gibt das Kopplungselement die Kopfstruktur frei. In der englischen Originalfassung des Klagepatents findet sich an den einschlägigen Textstellen durchweg der Begriff „torque“, der an dieser Stelle zutreffender mit „Drehmoment“ übersetzt werden kann.
- Ein durch die äußere Kraft auf das Kopplungselement wirkendes Drehmoment hat als solches keinen Eingang in den Klagepatentanspruch gefunden. Allerdings beschreiben die Merkmale 1.7 und 1.8.1 eine räumlich-körperliche Gestaltung von Kopf- und Basisstruktur, die im Ergebnis ein in der Beschreibung des Klagepatents erwähntes Drehmoment infolge einer äußeren Krafteinwirkung ermöglichen sollen. Gemäß Merkmal 1.7 handelt es sich bei dem Kopplungselement um ein Schaft-ähnliches Element, das vom Mittelbereich der Kopfstruktur herausragt und gemäß Merkmal 1.8.1 in einer Rückhaltevertiefung der Rückhaltestruktur der Basisstruktur aufgenommen ist. In der Beschreibung des Ausführungsbeispiels heißt es nun zu dieser Anordnung, dass eine auf die Kopfstruktur wirkende äußere Kraft über den zentralen Bereich bzw. Mittelbereich 2A auf das Kopplungselement 8 übertragen wird, was zu einem Drehmoment am distalen Ende des Kopplungselements 8 führt (Abs. [0026]). Es ist also der Umstand, dass das Schaft-ähnliche Kopplungselement in der Rückhaltevertiefung der Rückhaltestruktur aufgenommen ist und die Kopfstruktur gemäß Merkmal 1.6 im Wesentlichen nur durch die Rückhaltekraft dieser Rückhaltestruktur an der Basisstruktur gehalten wird, dass eine auf die Kopfstruktur wirkende äußere Kraft zu einem Drehmoment am distalen Ende des Kopplungselements führt (es sei denn die Kraft trifft unmittelbar axial auf das Schaft-ähnliche Kopplungselement).
- Dass die Einwirkung einer äußeren Kraft auf die Kopfstruktur zu einem Drehmoment am Kopplungselement führt, setzt weiterhin voraus, dass die Kraft nicht von einem anderen Element – etwa einem Stützelement – aufgenommen und in die Kopf- und/oder Basisstruktur geleitet wird. Dies ergibt sich ebenfalls aus der Beschreibung des Klagepatents (Abs. [0008] und [0009]). Die Anordnung des Kopplungselements im zentralen Bereich bzw. im Mittenbereich sorgt darüber hinaus dafür („zudem“ in Abs. [0008], „zusätzlich“ in Abs. [0009], „in addition“ in der englischen Fassung), dass das Drehmoment noch einmal verstärkt wird (Abs. [0008]: „wird zu einer relativ hohen Kraft führen“; vgl. auch Abs. [0009]).
- Dem Klagepatent kann aber nicht entnommen werden, dass jede auf die Kopfstruktur einwirkende äußere Kraft unmittelbar zu einem Drehmoment am distalen Ende des Kopplungselements führen muss. Der Klagepatentanspruch verlangt nicht, dass die Basisstruktur generell frei von Stützelementen ist. Gemäß Merkmal 1.3 soll die Kopfstruktur lediglich im Bereich ihres Außenumfangs nicht abgestützt werden. Zudem sind als Stützelement nur Bauteile zu verstehen, die die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand stützen, also in Position halten. Daher ist nicht ausgeschlossen, dass eine von außen auf die Kopfstruktur einwirkende Kraft nur mittelbar in das Kopplungselement geleitet wird. Im Ergebnis lassen sich den Ausführungen in der Beschreibung des Klagepatents zur Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform – insbesondere zu dem durch die von außen einwirkende Kraft bewirkten Drehmoment im Kopplungselement – keine spezifischen Anforderungen an den Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur und dem Ausschluss etwaiger Stützelemente ableiten. Aufgrund der Vielzahl möglicher Richtungen, aus denen eine Kraft bei einem etwaigen Fall der Rasiervorrichtung auf die Kopfstruktur wirken kann, genügt es, wenn die Kopfstruktur in ihrem äußeren Umfangsbereich nicht abgestützt wird und die Erzeugung eines Drehmoments im Kopplungselement durch eine von außen einwirkende Kraft nicht ausgeschlossen ist.
- III.
Die angegriffenen Ausführungsformen verwirklichen sämtliche Merkmale des Klagepatentanspruchs. - 1.
Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform I ist lediglich die Verwirklichung des Merkmals 1.3 streitig. Aber auch dieses Merkmal weist die angegriffene Ausführungsform auf, da ihre Basisstruktur in einem Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur frei von Stützelementen ist, so dass die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand nicht in dem Bereich des Außenumfang gestützt ist. - Der auf der Basisstruktur ausgebildete Kranz, der das Kopplungselement in einem gewissen Abstand umgibt, kann nicht als ein Stützelement angesehen werden, das im Bereich eines Außenumfangs der Kopfstruktur angeordnet ist. Es fehlt bereits an der für ein Stützelement erforderlichen Funktion, die Kopfstruktur im gekoppelten Zustand in ihrer Position zu stützen. Im gekoppelten Zustand berührt die Kopfstruktur nicht den auf der Basisstruktur ausgeformten Kranz. Auch wenn die Kopfstruktur mit der beim Rasieren üblichen Kraft ausgelenkt wird, bleibt ein geringfügiger Spalt zwischen Kopfstruktur und Kranz.
- Darüber hinaus befindet sich der auf der Basisstruktur ausgebildete Kranz nicht mehr in einem Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur, so dass die Kopfstruktur in dem Bereich nicht gestützt ist. Der Außenumfang der Kopfstruktur hat in einer Draufsicht im weitesten Sinne eine dreieckförmige Kontur mit abgerundeten Ecken. Der Raum, der an einer Seite durch die Kopfstruktur und an ihrer gegenüberliegenden Seite durch die Basisstruktur begrenzt ist, ist an seiner verbleibenden umgebenden Seite im Wesentlichen offen. Denn der auf der Basisstruktur ausgebildete Kranz befindet sich innerhalb des Raumes zwischen Kopf- und Basisstruktur. Das gilt vor allem im Bereich der abgerundeten Ecken der dreieckförmigen Kontur. Von einer gedachten Linie zwischen Kopfstruktur und Basisstruktur in diesem Bereich springt der Kranz deutlich zurück. Aber auch entlang der Längsseiten dieser Kontur erreicht der auf der Basisstruktur ausgeformte Kranz nicht die Linie zwischen der Außenkontur der Kopfstruktur und der Basisstruktur. Da der Kranz auch nicht annähernd die Kopfstruktur berührt, ist der Raum zwischen Kopf- und Basisstruktur nach außen hin offen. Nach alledem kann daher der Bereich des Außenumfangs der Kopfstruktur noch als frei von Stützelementen angesehen werden.
- Dass von außen auf die Kopfstruktur einwirkende Kräfte unter Umständen nicht unmittelbar in das Kopplungselement eingeleitet werden, ist nach zutreffender Auslegung unschädlich. Es mag sein, dass die Kopfstruktur bei einer entsprechenden Kraftrichtung über den auf der Basisstruktur ausgeformten Kranz gehebelt und so das Kopplungselement gelöst wird. Dass dabei Kräfte auch in die Basisstruktur oder die Kopfstruktur geleitet werden, führt nicht aus der Lehre des Klagepatents heraus. Die Klägerin hat jedenfalls vorgetragen, dass es auch Situationen gibt, in denen sich bei einer entsprechenden Krafteiwirkung, wenn die angegriffene Ausführungsfarm fallen gelassen wird, die Kopfstruktur von der Basisstation löst, ohne dass die eine oder die andere Komponente zerstört. Es werden also von außen eingeleiteten Kräfte in das Kopplungselement geleitet und das Kopplungselement ist so konfiguriert, dass es sich bei einer entsprechenden Größe der Kraft löst und die Kopfstruktur freigibt. Dass dies gegebenenfalls nur mittelbar über die Hebelwirkung des Kranzes erfolgt oder nur ein Teil der auf die Kopfstruktur einwirkenden Kräfte aufgenommen wird, ist unbeachtlich.
- 2.
Für die angegriffene Ausführungsform II ist unstreitig, dass sie die Merkmale 1.1 bis 1.6 und 1.8 bis 1.8.2 verwirklicht. Sie weist aber auch die Merkmale 1.7 und 1.8.3 auf. - a)
Das schaftähnliche Kopplungselement der angegriffenen Ausführungsform II umfasst an seinem distalen Ende eine schräge Fläche, die zur Kopfstützstruktur zeigt. Unschädlich ist, dass die schräge Fläche zur Mittelachse des Kopplungselements hin durch eine horizontale Fläche abgelöst wird. Nach der Lehre des Klagepatentsanspruchs muss das Kopplungselement lediglich eine schräge Fläche umfassen (Merkmal 1.7), dies schließt eine – weitere – horizontale Fläche nicht aus. - b)
Weiterhin weist die angegriffene Ausführungsform in ihrer Rückhaltestruktur ein Federelement auf, das mit der schrägen Fläche des Kopplungselements ineinandergreift, so dass das Kopplungselement in der Rückhaltevertiefung zurückgehalten wird (Merkmal 1.8.3). Die Beklagten zu 1) und 3) weisen zutreffend darauf hin, dass im gekoppelten Zustand die Feder an der schrägen Fläche angreifen muss, um bei einer entsprechenden äußeren, auf das Kopplungselement wirkenden Kraft über diese schräge Fläche außer Eingriff gleiten zu können. Das ist bei der angegriffenen Ausführungsform aber der Fall. - Die Klägerin hat Muster der angegriffenen Ausführungsform II zwei Mal vermessen lassen. In beiden Fällen ergaben die Messergebnisse für alle drei Modelle G, L und I der angegriffenen Ausführungsform II, dass der innere Abstand zwischen den gegenüberliegenden Drähten der Feder größer ist als der Durchmesser des schaftähnlichen Kopplungselementes gemessen am Grund der mit den schrägen Flächen versehenen Nut. Das heißt, das Federelement kann schon aufgrund seiner tatsächlichen Maße nicht am Nutgrund anliegen. Darüber hinaus ist der Abstand zwischen den Mittelpunkten der beiden gegenüberliegenden Federdrähte des Federelements größer als der Durchmesser des schaftähnlichen Kopplungselements gemessen an den Punkten, in denen sich an die Schrägfläche die horizontale Fläche anschließt. Damit liegen die Mittelpunkte der Federdrähte aber oberhalb der Schrägfläche, so dass sich im gekoppelten Zustand das Federelement im Eingriff mit der Schrägfläche befinden muss. Schließlich kann das Federelement auch deshalb nicht an am horizontalen Abschnitt der Nut anliegen, weil der Durchmesser des Federdrahtes nach den von der Klägerin vorgelegten Messergebnissen größer ist als die Höhe der Nut. Die Messungen ließ die Klägerin von zwei verschiedenen Unternehmen durchführen, wobei die Durchführung der zweiten Messung auch im Einzelnen erläutert wird.
- Das Bestreiten der Beklagten zu 1) und 3) ist demgegenüber unerheblich, weil es ihm an der dafür notwendigen Substanz mangelt. Die Beklagten zu 1) und 3) haben selbst keine eigenen Messungen durchgeführt. Dies wäre ihnen, auch wenn es sich bei der Beklagten zu 3) lediglich um einen Zwischenhändler und Importeur und bei der Beklagten zu 1) um einen Einzelhändler handelt, jedenfalls nach Erhebung der Klage ohne weiteres möglich gewesen, da sie selbst die angegriffene Ausführungsform II in Händen halten und die Messungen unschwer vornehmen lassen können. Soweit sich die Beklagten zu 1) und 3) für ihre Verteidigung lediglich auf aus den Konstruktionsunterlagen der angegriffenen Ausführungsform II abgeleitete Explosionszeichnungen und Bemaßungen beziehen, genügt dies nicht für ein erhebliches Bestreiten. Selbst wenn die Konstruktionsunterlagen und die davon abgeleiteten Zeichnungen und Bemaßungen zutreffen sollten, lässt sich dem keine zuverlässige Aussage über die tatsächlichen Maße der angegriffenen Ausführungsform II entnehmen. Allein auf diese Maße kommt es aber für die Verletzung des Klagepatents an. Da die Beklagten zu 1) und 3) keine eigenen Messungen vorgenommen haben, greifen auch die Einwände gegen die von dem von der Klägerin beauftragten Unternehmen angewandten Messmethoden nicht durch. Es wird nicht aufgezeigt, ob eine andere Messmethode zuverlässigere Messergebnisse geliefert hätte und dass diese aus der Lehre des Klagepatents herausführen. Mit einer non-liquet-Situation hat all dies entgegen der von der Beklagten zu 3) in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung nichts zu tun, da es bereits an einem erheblichen Bestreiten fehlt.
- IV.
Durch Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform I machen die Beklagten zu 1) und 2) von der Lehre des Klagepatents unberechtigt Gebrauch. Gleiches gilt für die Beklagten zu 1) und 3) hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsform II. Daraus ergeben sich die nachstehenden Rechtsfolgen. - 1.
Die Beklagten sind der Klägerin gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstands ohne Berechtigung erfolgt. - 2.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 139 Abs. 1 und 2 PatG. - Die Beklagten begingen die Patentverletzung schuldhaft. Grundsätzlich wird das Verschulden durch die Rechtswidrigkeit des Verhaltens indiziert. Tatsachen, die gegen ein Verschulden sprechen, haben auch die Beklagten nicht vorgetragen. Selbst wenn es sich bei ihnen lediglich um Zwischen- oder Einzelhändler handelt und die angegriffenen Ausführungsformen im Ausland hergestellt und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden, ist jedenfalls ein fahrlässiger Sorgfaltsverstoß zu bejahen, § XXX6 BGB. So muss der inländische Importeur vor der Aufnahme der erstmaligen Einfuhr eines Produktes prüfen, ob Patentschutz für dieses Erzeugnis besteht. Er darf sich auf Angaben des ausländischen Herstellers nicht verlassen, insbesondere nicht auf die nur pauschale Erklärung, eine Patentverletzung liege nicht vor, sondern muss gegebenenfalls das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen einholen (Benkard/Grabinski/Zülch, PatG 11. Aufl.: § 139 Rn 46). Ähnliches gilt für einen Einzelhändler wie die Beklagte zu 1), zu dessen Vertriebsprogramm eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte gehört, jedenfalls dann, wenn sich mit Rücksicht auf den technischen Gegenstand aufdrängen muss, dass technische Schutzrechte betroffen sein können (Kühnen, Hb. d. Pat.-Verl., 12. Aufl.: Kap D Rn 457), was vorliegend für einen Rasierapparat zu bejahen ist. Dann muss er sich bei seinem Lieferanten oder beim Hersteller danach erkundigen, ob die Schutzrechtsrechtslage fachkundig geprüft wurde (Kühnen a.a.O.). Tatsachen für ein Verhalten, das diesen Sorgfaltsanforderungen entsprochen hätte, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
- Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass der Klägerin als Inhaberin des Klagepatents durch die Patentverletzung ein Schaden entstanden ist. Das für die Zulässigkeit des Feststellungsantrags gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Klägerin derzeit nicht in der Lage ist, den konkreten Schaden zu beziffern und ohne eine rechtskräftige Feststellung der Schadensersatzpflicht die Verjährung von Schadensersatzansprüchen droht.
- 3.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten auch ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ, § 140b Abs. 1 PatG, §§ 242, 259 BGB zu. Der Anspruch auf Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg der angegriffenen Ausführungsform ergibt sich aufgrund der unberechtigten Benutzung des Erfindungsgegenstands unmittelbar aus § 140b Abs. 1 PatG, der Umfang der Auskunftspflicht aus § 140b Abs. 3 PatG. Die weitergehende Auskunftspflicht und die Verpflichtung zur Rechnungslegung folgen aus §§ 242, 259 BGB, damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die Klägerin ist auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. - 4.
Weiterhin hat die Klägerin gegen die Beklagten aufgrund der unberechtigten Benutzung des Klagepatents einen Anspruch auf Vernichtung der angegriffenen Ausführungsformen sowie ihren Rückruf aus den Vertriebswegen gemäß Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 1 und 3 PatG. - B
Eine Aussetzung der Verhandlung ist nicht veranlasst. Nachdem das Einspruchsverfahren rechtskräftig abgeschlossen und das Klagepatent beschränkt aufrechterhalten wurde, lassen die weiteren, von den Beklagten zu 2) und 3) entgegengehaltenen Druckschriften einen Erfolg der Nichtigkeitsklage nicht hinreichend wahrscheinlich erscheinen. - I.
Die Lehre des Klagepatents ist im Stand der Technik nicht durch eine Kombination der WO 2006/XXX A1 (= NK 7) mit der DE 695 XXX 019 (= NK 8) nahegelegt. - Die NK 7 hat, was die Halterung der Scherköpfe angeht, zumindest zwei verschiedene Ausführungsformen einer Rasiervorrichtung zum Gegenstand.
- In der ersten Ausführungsform – beispielsweise dargestellt in der Figur 1 der NK 7 – ist auf dem Rasierkörper 2 eine Schereinheit 3 angeordnet. Die Schereinheit weist einen eine Haarkammer bildenden Halter 6 auf, in dem die Scherköpfe angeordnet sind. Diese Ausführungsform offenbart nicht das Merkmal 1.3, da der Halter 6 unmittelbar auf dem Rasierkörper 2 aufsitzt und die Scherköpfe trägt. Ausdrücklich heißt es in der NK 7, dass der Halter 6 die Scherköpfe 5 stützt und seinerseits mit dem Rasierkörper 2 verbunden ist (S. 3 Z. 23 ff. der NK 7). Details der Befestigung der Scherköpfe am Halter 6 finden sich in der weiteren Beschreibung der NK 7 (vgl. S. 4 Z. 3-15 der NK 7). Diese erste Ausführungsform offenbart auch nicht das Merkmal 1.7 und die Merkmalsgruppe 1.8. Die Beklagten möchten das Kopplungselement in der am ersten Zahnrad 20 zentral ausgebildeten Hülse erkennen, in die ein als Rückhaltestruktur fungierendes Kopplungsmittel 24 in der Form eines Zapfens eingreift, der einen drehasymmetrischen Querschnitt, einen Keil oder Rillen zur drehfesten Verbindung mit der Hülse aufweist. Für das so verstandene Kopplungselement in Form der Hülse ist jedoch keine schräge Fläche offenbart, die zur Kopfstützstruktur zeigt (Merkmal 1.7). Der entgegenstehende Vortrag der Beklagten findet in der NK 7 keinen Anhalt. Vor allem soll die Rückhaltestruktur in Form des Zapfens 24 das Kopplungselement nicht mittels eines an einer schrägen Fläche angreifenden Federelements in axialer Richtung zurückhalten. Offenbart ist allenfalls ein Formschluss in rotatorischer Richtung zwecks Übertragung des Drehmoments der Antriebswelle über Zapfen und Hülse auf das erste Zahnrad. Daher kann die gesamte Schereinheit 6 mit dem Zahnrad 20 vom Rasierkörper 2 mit der Antriebswelle 15 gelöst werden. In der NK 7 wird ausdrücklich beschrieben, dass das Zahnrad 20 am Halter 6 auf einer Spindel 23 befestigt ist (S. 5 Z. 1 f. der NK 7). Von einer Rückhaltekraft wie in Merkmal 1.6 ist keine Rede. Dementsprechend offenbart die NK 7 auch keine Rückhaltevertiefung zum Aufnehmen eines Kopplungselements im Sinne von Merkmal 1.8.1, stattdessen wird der Zapfen 24 in der Hülse aufgenommen. Darüber hinaus offenbart die NK 7 unstreitig nicht die Merkmale 1.8.2 und 1.8.3.
- Die zweite Ausführungsform – beispielsweise dargestellt in der Figur 2 der NK 7, die weitgehend Ähnlichkeit mit der Figur 1 des Klagepatents aufweist – betrifft hingegen eine Rasiervorrichtung, die das Merkmal 1.3 offenbart. Es wird jedoch nicht im Einzelnen offenbart, wie die in den Figuren 3A bis 5 der NK 7 dargestellte Kopfstruktur lösbar mit dem Rasierkörper verbunden ist. Es wird lediglich beschrieben, dass eine Entkopplungsmöglichkeit in der zentralen Halterbasis 106 als Sicherheitsvorkehrung vorgesehen sein kann, die ernsten Schäden an der Rasiervorrichtung vorbeugen könne, indem sie eine Entkopplung der Schereinheit bei hoher äußerer Krafteinwirkung ermöglicht (S. 7 Z. 31 ff. der NK 7). Wie dies im Einzelnen bewerkstelligt werden soll, wird nicht beschrieben, so dass es auch hier an der Offenbarung der Merkmale 1.7 bis 1.8.3 fehlt.
- Die erfindungsgemäße Lehre ergibt sich nicht aus der Kombination der NK 7 mit der NK 8. Einen Anlass, die beiden Entgegenhaltungen zu kombinieren, hätte der Fachmann allenfalls hinsichtlich der zweiten Ausführungsform der NK 7. Die erste Ausführungsform weist eine völlig andere Art der Befestigung der Scherköpfe auf, für die sich die Frage einer lösbaren Befestigung der Kopfstruktur, wie sie für die zweite Ausführungsform vorgeschlagen wird, nicht stellt. Insofern lässt sich auch die Offenbarung von Merkmal 1.3 für das zweite Ausführungsbeispiel nicht auf das erste Ausführungsbeispiel der NK 7 übertragen.
- Allerdings offenbart die NK 8 ebenso wenig wie die NK 7 das Merkmal 1.8.2. Die NK 8 hat einen Haarschneider mit Wegwerfklingeneinheit zum Gegenstand, bei dem eine Klingeneinheit 40 über ein Kugelgelenk mit einem Antriebsende 14 verbunden ist. Das Kugelgelenk wird dabei durch eine Ummantelungs- oder Drehgelenksausbildung 48 gebildet, die eine kugelstumpfförmige oder schüsselartige Kupplungsausbildung 30 aufnimmt. Es wird zwar beschrieben, dass die Drehgelenksausgestaltung 48 mit einer Vorspannkraft versehen ist. Diese wird aber durch die kugel- oder schüsselförmige Kupplungsausbildung 48 selbst bereitgestellt (vgl. S. 9 Z. 1-14 der NK 8). Ein von der Rückhaltevertiefung unterscheidbares Federelement, das in der von diesem Federelement zu unterscheidenden Rückhaltevertiefung bereitgestellt wird, wird hingegen nicht beschrieben (Merkmal 1.8.2).
- II.
Die Lehre des Klagepatents wird im Stand der Technik nicht durch die DE 692 24 XXX T3 (= NK 14) neuheitsschädlich vorweggenommen. Auch in Kombination mit der US 3,844,XXX (= NK 11) ist sie nicht nahegelegt. - 1.
Die NK 14 betrifft einen Trockenrasierapparat, allerdings nicht mit rotierenden Rasierköpfen im Sinne von Merkmal 1.2, sondern mit parallel angeordneten Schereinheiten, die in Schwingungen versetzt werden, wobei eine Vielzahl auf einer Schereinheit parallel angeordneter Schneidklingen eine die Schereinheiten überspannende äußere Schneideinheit in Form einer Scherfolie kontaktiert, wodurch der Schneideffekt erzielt wird. Die NK 14 folgt damit einem gänzlich anderen Konzept als die Lehre des Klagepatents, die von mindestens zwei rotierenden Rasierköpfen ausgeht. Daher fehlt es auch an einer Offenbarung von Merkmal 1.3. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Halterung für die inneren Schneideinheiten 21, 22, 34 nicht isoliert als Kopfstruktur angesehen werden, da die inneren Schneideinheiten nur zusammen mit den äußeren Schneideinheiten 16, 17 und 20 überhaupt eine Schneidwirkung entfalten. Letztere sind aber an einem Rahmen 19 gehaltert, der auf der Basisstruktur lösbar befestigt ist. Es gibt keinen Umfangsbereich der so verstandenen Kopfstruktur, der frei von Stützelemente wäre. Vielmehr ist die Kopfstruktur mit ihrem Außenumfang an der Basis befestigt. Dass der Rahmen 19 wiederum von den inneren Schneideinheiten getrennt ausgebildet ist, ist unbeachtlich. - 2.
Die Lehre des Klagepatents ergibt sich auch nicht in naheliegender Weise aus einer Kombination der NK 14 mit der NK 11. Die NK 11 hat einen Trockenrasierer mit rotierenden Scherköpfen zum Gegenstand, offenbart aber nicht das Merkmal 1.3. Zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Fachmann einen Anlass hatte, die NK 11 mit der NK 14 zu kombinieren, da beide Entgegenhaltungen zwei unterschiedliche Konzepte für Trockenrasierer verfolgen. Allein aus dem Umstand, dass in der NK 14 von zylindrischen Scherköpfen die Rede ist, ergibt sich keine Anregung, nunmehr runde, rotierende Scherköpfe vorzusehen. - III.
Schließlich wird die Lehre des Klagepatents auch nicht durch eine Kombination der NK 14 und der NK 7 nahegelegt. Der Fachmann hat schon keinen Anlass, die beiden Entgegenhaltungen zu kombinieren, weil sie wiederum verschiedenen Scherkonzepten folgen. Insofern gilt nichts anderes als für die Kombination der NK 14 mit der NK 11. - IV.
Weder die nachgelassenen noch die nicht nachgelassenen Schriftsätze rechtfertigen eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. - C
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. - Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.