Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 281
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 2. Dezember 2004, Az. 4b O 508/03
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 250.000 EUR vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des u.a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 722 xxx (Klagepatent, Anlage K 2; deutsche Übersetzung, Anlage K 2a), dessen Erteilung am 29. August 2002 veröffentlicht wurde. Gegen die Patenterteilung wurde von dritter Seite Einspruch erhoben, der von der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts mit Entscheidung vom 23. April 2004 (deutsche Übersetzung Anlage B 3.2) zurückgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung ist ein Beschwerdeverfahren anhängig. Das Klagepatent betrifft einen Sicherheitsrasierapparat. Patentanspruch 1 des in englischer Verfahrenssprache abgefassten Klagepatents lautet in deutscher Übersetzung wie folgt:
Klingeneinheit für einen Sicherheitsrasierer, wobei die Einheit folgendes umfasst: Eine Schutzeinrichtung (2), eine Kappe (3) und eine Gruppe von drei Klingen (11, 12, 13) mit parallelen scharfen Kanten, die zwischen der Schutzeinrichtung und der Kappe angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die erste Klinge (11), die die der Schutzeinrichtung am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition von nicht mehr als Null aufweist, wobei die dritte Klinge (13), die die der Kappe am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition mit einem positiven Wert aufweist, und wobei die zweite Klinge eine Exposition aufweist, die nicht kleiner ist als die Exposition der ersten Klinge und nicht größer als die Exposition der dritten Klinge.
Der nebengeordnete Patentanspruch 13 des Klagepatents unterscheidet sich im kennzeichnenden Teil von Patentanspruch 1 durch die Vorgabe eines bestimmten Höchst- und Mindestwertes für die Exposition der ersten und dritten Klinge. Danach darf die erste Klinge eine Exposition mit einem negativen Wert von nicht weniger als -0,2 mm und die dritte Klinge eine Exposition mit einem positiven Wert von nicht mehr als +0,2 mm aufweisen.
Die nachfolgende Abbildung (Fig. 2 der Klagepatentschrift) veranschaulicht den Gegenstand der Erfindung.
Die Beklagte stellt her und vertreibt in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung „XXX“ Klingeneinheiten für Nassrasierer, von denen die Klägerin als Anlage K 6 ein Musterstück zur Akte gereicht hat. Die Klingeneinheit verfügt über vier Klingen, die zwischen einer Schutzeinrichtung und einer mit einem Gleitstreifen versehenen Kappe angeordnet sind.
Die Klägerin sieht durch das Verhalten der Beklagten ihre Rechte aus dem Klagepatent verletzt und nimmt sie deshalb auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadensersatz und Vernichtung in Anspruch.
Die Klägerin verweist zur Darlegung der Klingenexpositionen in der angegriffenen Klingeneinheit auf ihre Messergebnisse gemäß Anlage K 7 und macht geltend: Der technischen Lehre des Klagepatents unterfalle dem Wortsinn nach auch eine Ausführungsform, bei der die Klingeneinheit aus vier zwischen Schutzeinrichtung und Kappe angeordneten Klingen bestehe, sofern – wie bei der angegriffenen Ausführungsform der Fall – eine oder beide mittleren Klingen (die „sekundären“ Klingen) erfindungsgemäß mit der entsprechenden Exposition zwischen der ersten und der letzten („tertiären“) Klinge angeordnet seien. Die Lehre des Klagepatents sei nicht auf die Verwendung von nur drei Klingen beschränkt. Zumindest sei eine Benutzung der patentierten Lehre mit äquivalenten Mitteln gegeben.
Die Klägerin beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
a) Klingeneinheiten für einen Sicherheitsrasierer, wobei die Einheit folgendes umfasst: eine Schutzeinrichtung, eine Kappe und eine Gruppe von drei Klingen mit parallelen scharfen Kanten, die zwischen der Schutzeinrichtung und der Kappe angeordnet sind,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu gebrauchen,
bei denen die erste Klinge, die die der Schutzeinrichtung am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition von nicht mehr als null aufweist, wobei die letzte Klinge, die die der Kappe am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition mit einem positiven Wert aufweist, und wobei eine mittlere Klinge eine Exposition aufweist, die nicht kleiner ist als die Exposition der ersten Klinge und nicht größer als die Exposition der letzten Klinge;
insbesondere wenn die Klingeneinheit vier Klingen umfassen, bei denen die erste Klinge, die die der Schutzeinrichtung am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition von nicht mehr als null aufweist, wobei die letzte Klinge, die die der Kappe am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition mit einem positiven Wert aufweist, und wobei die beiden mittleren Klingen eine Exposition aufweisen, die nicht kleiner ist als die Exposition der ersten Klinge und nicht größer als die Exposition der letzten Klinge;
b) Klingeneinheiten für einen Sicherheitsrasierer, wobei die Einheit folgendes umfasst: Eine Schutzeinrichtung, eine Kappe und vier Klingen mit parallelen scharfen Kanten, die zwischen der Schutzeinrichtung und der Kappe angeordnet sind,
herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu gebrauchen,
bei denen die erste Klinge, die die der Schutzeinrichtung am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition mit einem negativen Wert von nicht weniger als -0,2 mm aufweist, wobei die letzte Klinge, die die der Kappe am nächsten angeordnete Kante definiert, eine Exposition mit einem positiven Wert von nicht mehr als +0,2 mm aufweist, und wobei die beiden mittleren Klingen eine Exposition aufweisen, die nicht kleiner ist als die Exposition der ersten Klinge und nicht größer als die Exposition der vierten Klinge;
2. ihr darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29. September 2002 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Herstellungsmengen und Herstellungszeiten bzw. der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen unter Einschluss von Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen unter Einschluss von Typenbezeichnung sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr, der Klägerin, allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten und seit dem 29. September 2002 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
III. die in ihrem, der Beklagten, unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter I.1. bezeichneten Erzeugnisse zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von der Klägerin zu bestimmenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf Kosten der Beklagten herauszugeben.
Die Beklagte beantragt,
1. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen, bis der United States District Court for the District of Massachusetts über den Antrag der dortigen Beklagten entschieden hat, festzustellen, dass die Vergleichsvereinbarung vom 31. März 1989 zwischen der Klägerin und der W Company auch der Beklagten Schutz vor Klagen aus dem Klagepatent gewährt.
Die Beklagte stellt den Verletzungsvorwurf in Abrede und macht geltend: Eine Gruppe von vier Klingen sei keine Gruppe von drei Klingen oder ein Äquivalent dazu. Die Exposition der letzten (vierten) Klinge sei negativ, da bei Bestimmung der maßgeblichen tangentialen Ebene nicht – wie es die Klägerin jedoch getan habe – auf die Kante der Kappe, sondern (entsprechend der Darstellung in Anlage B 13) auf den die Kappe weitgehend übergreifenden Gleitstreifen abzustellen sei, der die nach dem Klagepatent maßgebliche Hautberührungsoberfläche darstelle. Danach seien gemäß der von ihr vorgelegten Messergebnisse (GA 153) die Expositionen der beiden mittleren Klingen auch größer als die Exposition der letzten Klinge. Die Richtigkeit der Messwerte der Klägerin sei zweifelhaft, weil sie bei der Messung eine der beiden mittleren Klingen nicht berücksichtigt habe, ohne dass ersichtlich wäre, welche dies jeweils sei. Schließlich gelange die Klägerin auch deshalb zu unzutreffenden Ergebnissen, da sie bei der Ermittlung der Klingenexpositionen die acht quer über die Klingen laufenden Sicherheitsdrähte außer Acht gelassen habe. Auch danach ergebe sich richtigerweise eine negative Exposition der letzten (vierten) Klinge.
Zumindest sei der Rechtsstreit bis zum Abschluss des im Aussetzungsantrag bezeichneten Verfahrens auszusetzen, da in jenem Verfahren geklärt werde, ob die Klägerin in dem im Aussetzungsantrag ebenfalls bezeichneten Vergleich u.a. auch gegenüber ihr, der Beklagten, auf die Geltendmachung von Rechten aus dem Klagepatent verzichtet habe.
Die Klägerin tritt dem Vorbringen der Beklagten und dem Aussetzungsantrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadensersatz und Vernichtung nicht zu, da die angegriffene Ausführungsform von der technischen Lehre des Klagepatents weder wortsinngemäß noch mit äquivalenten Mitteln Gebrauch macht.
I.
Das Klagepatent betrifft eine Klingeneinheit für Sicherheitsrasierer mit einer Gruppe von drei Klingen.
Der Klagepatentschrift zufolge sind Klingeneinheiten mit einer Gruppe von drei Klingen zwar vorbekannt gewesen (etwa aus der US-A 4 200 976, Anlage K 3). Auf dem einschlägigen Markt für Sicherheitsrasierer hatten in der Vergangenheit jedoch vor allem Sicherheitsrasierer mit Klingeneinheiten aus zwei Klingen Erfolg. Diese liefern bereits – insbesondere was die Glätte betrifft – ein besseres Rasurergebnis als Rasierer mit Einzelklingen.
Auch wenn eine Klingeneinheit mit vielen Klingen grundsätzlich eine glattere Rasur als eine vergleichbare Klingeneinheit mit weniger Klingen bewirken kann, ist die Erhöhung der Klingenanzahl im Hinblick auf die Gesamtrasurleistung problematisch, da sie sich deutlich nachteilig auf andere maßgebliche Rasurparameter auswirken kann, und zwar in erster Linie auf die beim Rasieren spürbaren Zugkräfte, die nicht als unangenehm empfunden werden sollen. Trotz glatterer Rasur kann die Gesamtleistung einer Klingeneinheit mit vielen Klingen daher im Ergebnis unbrauchbar sein. Hierauf führt die Klagepatentschrift zurück, dass Rasierer mit Klingeneinheiten, die mehr als zwei Klingen aufweisen, sich auf dem Markt gegenüber Klingeneinheiten mit nur zwei Klingen nicht durchsetzen konnten.
Ausgehend von dieser Problemstellung stellt die Klagepatentschrift als Verdienst und Leistung der Erfindung nach dem Klagepatent heraus, eine Lösung gefunden zu haben, bei der die friktionalen Zugkräfte bei der Verwendung einer Klingeneinheit mit drei Klingen auf einem brauchbaren Niveau gehalten werden, während gleichzeitig eine verbesserte Rasureffizienz erreicht wird, was durch eine bestimmte geometrische Exposition der drei Klingen zueinander und zur Schutzeinrichtung sowie zur Kappe bewirkt wird. Patentanspruch 1 enthält diesbezüglich die nachfolgenden Lösungsmerkmale:
Klingeneinheit für einen Sicherheitsrasierer, wobei die Einheit folgendes umfasst:
1. Eine Schutzeinrichtung (2),
2. eine Kappe (3) und
3. eine Gruppe von drei Klingen (11, 12, 13) mit parallelen scharfen Kanten, die zwischen der Schutzeinrichtung (2) und der Kappe angeordnet sind.
4. Die erste Klinge (11), die die der Schutzeinrichtung (2) am nächsten angeordnete Kante definiert, weist eine Exposition von nicht mehr als null auf.
5. Die dritte Klinge (13), die die der Kappe (3) am nächsten angeordnete Kante definiert, weist eine Exposition mit einem positiven Wert auf.
6. Die zweite Klinge (12) weist eine Exposition auf, die nicht kleiner ist als die Exposition der ersten Klinge (11) und nicht größer als die Exposition der dritten Klinge (13).
Der nebengeordnete Patentanspruch 13 grenzt die in den Merkmalen 4 und 5 gemachten Vorgaben dahingehend ein, dass
– die erste Klinge (11) eine Exposition mit einem negativen Wert von nicht weniger als -0,2 mm aufweist und
– die dritte Klinge (13) eine Exposition mit einem positiven Wert von nicht mehr als +0,2 mm aufweist.
Die Klingenexposition definiert die Klagepatentschrift als den senkrechten Abstand bzw. die Höhe der Klingenkante gemessen im Verhältnis zu einer tangentialen Ebene zu den Hautberührungsoberflächen der Elemente der Klingeneinheit, die als nächste vor und hinter der betrachteten Kante angeordnet sind. Danach wird bei der erfindungsgemäßen Klingeneinheit mit drei Klingen die Exposition der ersten bzw. primären Klinge in Bezug auf eine Ebene gemessen, die tangential zu der Schutzeinrichtung und der Kante der zweiten Klinge verläuft, und wird die Exposition der dritten bzw. tertiären Klinge in Bezug auf eine Ebene gemessen, die tangential zur Kante der zweiten Klinge und der Kappe verläuft.
Den weiteren Darlegungen der Klagepatentschrift zufolge neigt die erfindungsgemäße Anordnung dazu, die durch die einzelnen Klingen ausgeführten Arbeiten abzugleichen, da die führende Klinge in einem Rasierer mit einer Mehrzahl von Klingen in der Regel bei der Rasur am meisten beansprucht wird. Die stetig ansteigende Klingenexposition hat sich insoweit als besonders vorteilhaft erwiesen.
II.
Die angegriffene Klingeneinheit macht von der technischen Lehre der Patentsprüche 1 und 13 des Klagepatents keinen Gebrauch. Das bei beiden Patentansprüchen identische Merkmal 3 ist weder wortsinngemäß (nachfolgend unter 1.) noch mit äquivalenten Mitteln (nachfolgend unter 2.) verwirklicht.
1.
Gemäß Merkmal 3 umfasst die erfindungsgemäße, zwischen Schutzeinrichtung und Kappe angeordnete Klingeneinheit eine Gruppe von drei Klingen. Die angegriffene Ausführungsform verfügt zwischen Schutzeinrichtung und Kappe über vier Klingen. Eine wortsinngemäße Verletzung der Patentansprüche 1 und 13 käme daher nur in Betracht, wenn nach der technischen Lehre des Klagepatents dem Vorliegen einer erfindungsgemäßen Dreier-Gruppe nicht entgegen steht, in die Gruppe eine weitere Klinge zu integrieren.
a)
Bereits der Anspruchswortlaut steht einer solchen Betrachtung entgegen. Er legt für den Fachmann unmissverständlich fest, dass die Gruppe drei Klingen aufweisen soll. Die Anordnung von vier Klingen zwischen Schutzeinrichtung und Kappe bildet dementsprechend keine Dreier-Gruppe, wie sie das Klagepatent fordert, sondern eine Vierer-Gruppe von Klingen. Eine vierte, fünfte etc. Klinge könnte für die rechtliche Beurteilung allenfalls dann außer Betracht bleiben, wenn es sich um eine bei der Rasur nicht wirksame Klinge, praktisch ein Placebo, handeln würde. Derartiges macht die Klägerin mit Blick auf die angegriffene Ausführungsform indessen selbst nicht geltend. Unstreitig leisten alle vier Klingen der angegriffenen Klingeneinheit einen Beitrag zur Rasur und lassen alle vier Klingen bei der Rasur Zugkräfte entstehen.
Dass die Angabe „drei Klingen“ nicht als Mindestangabe verstanden werden kann, belegen auch die weiteren Merkmale der Patentansprüche. Die der Schutzeinrichtung am nächsten angeordnete Klinge wird als erste Klinge, die der Kappe am nächsten angeordnete Klinge als dritte und die dazwischen liegende Klinge als zweite Klinge bezeichnet (Merkmale 4 bis 5). Diese mit dem konkreten Standort der Klingen verbundene Zählweise macht bei der Verwendung von mehr als drei Klingen technisch keinen Sinn. Da nach dem Verständnis des Klagepatents die der Kappe am nächsten angeordnete Klinge diejenige mit der höchsten Ordnungszahl (sic.: drei) ist, müsste die betreffende Klinge bei Verwendung einer Vierer-Gruppe von Klingen als die vierte – und eben nicht als die dritte – Klinge bezeichnet werden.
Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass nach dem Anspruchswortlaut die Klingeneinheit eine Gruppe von drei Klingen „umfasst“. Diese Formulierung macht dem Fachmann zwar deutlich, dass die Patentansprüche 1 und 13 keine abschließende Aufzählung enthalten. Ausgesagt ist jedoch lediglich, dass der Sicherheitsrasierer neben der in den Ansprüchen erwähnten Schutzeinrichtung, der Kappe und der dazwischen angeordneten Klingengruppe noch weitere Elemente enthalten kann, z.B. Sicherheitsdrähte, Gleitstreifen und dergleichen. Dies ändert aber nichts daran, dass gemäß Merkmal 3 als zwingende, konstitutive Voraussetzung eine Gruppe von drei Klingen vorhanden sein muss.
b)
Auch im Rahmen einer funktionalen Betrachtung bietet die Klagepatentschrift – abgesehen von rein sprachlichen Erwägungen – keine Grundlage dafür, dass es vor dem Hintergrund von Aufgabe und Lösung der Erfindung nicht darauf ankommt, dass genau drei – und nicht mehr – Klingen verwendet werden, und die Angabe „drei“ für den Fachmann nur eine Mindestanforderung in dem Sinne darstellt, dass die der Kappe am nächsten liegende Klinge zahlenmäßig nicht die dritte Klinge sein muss, sondern dass es ausreicht, wenn es sich um die letzte Klinge einer Gruppe von zumindest drei Klingen handelt.
In sämtlichen Ansprüchen und der gesamten Patentbeschreibung ist ausnahmslos von drei Klingen die Rede. Dabei stellen, anders als die Klägerin offenbar meint, die Bezeichnungen primäre, sekundäre und tertiäre Klinge nur Synonyme für die Begriffe erste, zweite und dritte Klinge dar. Nicht einmal andeutungsweise enthält die Patentbeschreibung einen Hinweis darauf, dass in Abgrenzung zum Stand der Technik lediglich zumindest drei Klingen als (Basis-)Gruppe zwischen Schutzeinrichtung und Kappe angeordnet werden sollen. In der Klagepatentschrift (vgl. Anlage K 2a, S. 1, zweiter Absatz übergreifend auf S. 2) ist in Bezug auf Klingeneinheiten mit „vielen“ Klingen ganz im Gegenteil das Folgende ausgeführt:
In den vergangenen Jahren wurden Sicherheitsrasierer mit Klingeneinheiten mit zwei Klingen in sehr großen Stückzahlen verkauft … . Ferner wurden über die Jahre hinweg zahlreiche schriftliche Vorschläge für Sicherheitsrasierer mit mehreren Klingen unterbreitet. Eine Klingeneinheit mit vielen Klingen kann eine glattere Rasur liefern als eine vergleichbare Klingeneinheit mit nur einer oder zwei Klingen. Die Glätte der erreichten Rasur ist allerdings nur ein Parameter, die Anwender zur Beurteilung der Leistung eines Rasierers verwenden. Das Hinzufügen weiterer Klingen kann sich deutlich nachteilig auf die Merkmale und Eigenschaften der Klingeneinheit auswirken, speziell auf die Zugkräfte, die man spürt, wenn die Klingeneinheit über die Haut geführt wird, was zur Folge hat, dass die Gesamtleistung der Klingeneinheit deutlich schlechter ausfällt, obwohl eine glattere Rasur erreicht werden kann.
Angesichts dieses Offenbarungsgehaltes der Patentschrift sieht der Fachmann das Hinzufügen weiterer Klingen zu einer Klingeneinheit als problematisch an, da jede weitere Klinge sich zusätzlich – insbesondere negativ auf die bei der Rasur spürbaren Zugkräfte – auswirken kann. Grundsätzlich wird er also mangels genauer Voraussicht und Abschätzbarkeit der konkreten Auswirkungen auf die Rasurparameter von einer Erhöhung der Klingenzahl in der Klingengruppe Abstand nehmen.
Endgültig bestärkt wird der Fachmann in dieser Einschätzung durch die sich an den obigen Problemhinweis anschließende Bemerkung der Klagepatentschrift (Anlage K 2a, S. 2, zweiter Absatz), wonach es erst dank der erfindungsgemäß in bestimmter Weise vorgegebenen geometrischen Anordnung bzw. Exposition der drei Klingen gelungen ist, die friktionalen Zugkräfte bei einer Klingeneinheit mit drei Klingen weiter auf einem brauchbaren Niveau zu halten, während gleichzeitig eine verbesserte Rasureffizienz ermöglicht wird. Diese auf eine bestimmte Geometrie von drei Klingen bezogene Aussage lässt sich aus der dem Fachmann durch die Patentschrift vermittelten Sicht nicht auf Klingeneinheiten mit vier oder mehr Klingen erweitern. Zusätzliche Klingen haben – wie die Klagepatentschrift selbst ausführt – zwangsläufig Einfluss auf die Rasurparameter, insbesondere die anfallenden Zugkräfte. Dass infolge der erfindungsgemäßen Exposition von drei Klingen die friktionalen Zugkräfte bei gleichzeitig verbesserter Rasurleistung auf einem „brauchbaren“ Maß auch dann verbleiben, wenn statt der vorgesehenen drei zum Beispiel vier Klingen verwendet werden, lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen. Ganz im Gegenteil: Patentanspruch lehrt in bestimmter Weise die Anordnung und Exposition von drei Klingen, von denen naturgemäß jede einzelne Einfluss auf die Rasurparameter (Zugkräfte, Rasurglätte) hat. Jede weitere Klinge nimmt ebenfalls Einfluss auf die Rasurparameter der Klingeneinheit, ohne dass dem Klagepatent eine Lehre entnommen werden könnte, wie weitere Klingen im Hinblick auf Anordnung und Exposition ausgerichtet sein müssen, um die erfindungsgemäßen Wirkungen zu erzielen. Liegen zwischen erster und letzter Klinge mehr als eine (zweite) Klinge, so ist unklar, welche die erfindungsgemäße zweite Klinge sein soll, zu der die Patentansprüche Angaben zur Exposition machen. Ließe man ausreichen, dass eine von zwei mittleren Klingen eine erfindungsgemäße Exposition zwischen den beiden äußeren Klingen aufweist, so würde eine Anleitung dazu fehlen, wie die weitere Klinge in der Einheit anzuordnen ist, um den erfindungsgemäßen Erfolg herbeizuführen bzw. ihn nicht zu gefährden. Aus Sicht des Fachmanns verbietet es sich von vornherein, einzelne Klingen bei der Beurteilung der Rasurparameter einer Klingeneinheit mit einer Gruppe von Klingen auszublenden. Er wird die Angabe, dass zwischen Schutzeinrichtung und Kappe eine Gruppe von drei Klingen angeordnet ist, vor diesem Hintergrund als Zahlenangabe verstehen, deren Überschreitung nicht unkritisch ist, da der erfindungsgemäße Erfolg ohne Einhaltung dieses Wertes nicht mehr ohne weiteres zu erzielen ist.
Etwas anderes lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht daraus ableiten, dass die Klagepatentschrift (Anlage K 2a, S. 2, letzter Absatz) eine allgemeine Definition zur Bestimmung der Klingenexposition enthält, die prinzipiell auch auf Klingeneinheiten mit mehr als drei Klingen angewandt werden könnte. Die entsprechende Beschreibungsstelle enthält lediglich eine abstrakte Aussage dazu, wie die Klingenexposition geometrisch-mathematisch gemessen werden kann. Mit diesem Inhalt hat der Text keinen schutzbereichserweiternden Gehalt. Überdies wird im folgenden Satz der Patentbeschreibung die zunächst abstrakt gelehrte Messmethode auf die erfindungsgemäße Klingeneinheit „mit drei Klingen“ übertragen und im Einzelnen ausgeführt, welche Bezugspunkte mit Blick auf die vorgesehenen drei Klingen zur Bestimmung der Klingenexposition maßgeblich sind. Auch ändert die abstrakte Umschreibung der Messung der Klingenexposition nichts daran, dass – wie bereits dargelegt – das Einfügen von weiteren Klingen die Rasurparameter (insbesondere im Hinblick auf die wirkenden Zugkräfte negativ) beeinflusst.
2.
Zwischen Schutzeinrichtung und Kappe statt einer erfindungsgemäßen Gruppe von drei Klingen eine Gruppe von vier Klingen anzuordnen, von denen eine mittlere oder beide mittleren Klingen eine Exposition aufweisen, die nicht kleiner als die Exposition der ersten und nicht größer als die Exposition der letzten Klinge ist, stellt auch keine patentrechtlich äquivalente Maßnahme dar. Äquivalent sind solche Ausführungsformen, die vom Wortsinn abweichen, aber objektiv gleichwirkend sind, wenn der Fachmann die abgewandelten Mittel in naheliegender Weise auffinden kann, wobei die Überlegungen, die der Fachmann anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert sein müssen, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine der gegenständlichen Lösung gleichwertige Lösung in Betracht zieht (vgl. BGH WRP 2002, 558, 559 – Schneidmesser I).
Vorliegend fehlt es danach zumindest an der erforderlichen Gleichwertigkeit des Ersatzmittels. Die Patentansprüche 1 und 13 enthalten mit der Vorgabe, eine Gruppe von drei Klingen zu bilden, eine den Schutzbereich beschränkende Zahlenangabe. Steht eine solche Zahlenangabe im Raum, kann Äquivalenz zu bejahen sein, wenn der Fachmann in der Patentbeschreibung erläuternde Angaben zum Sinn und Zweck der Zahlen- oder Maßangabe findet, die ihn darüber belehren, dass die Wirkungen der Erfindung auch außerhalb des beanspruchten Bereichs erreicht werden. Lässt die Patentschrift den Fachmann im Unklaren über den genauen Sinn des in den Anspruch aufgenommenen Zahlenwertes, so muss er mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Zweifel davon ausgehen, dass die patentgemäßen Wirkungen nur bei genauer Einhaltung des Zahlenwertes mit hinreichender Sicherheit erreicht werden können. Bei einer solchen Fallgestaltung ist deshalb ein abweichender Wert bei Orientierung an der beanspruchten Erfindung regelmäßig nicht als gleichwertig auffindbar (vgl. BGH Mitteilungen 2002, 216, 219 – Schneidmesser II). Dasselbe gilt erst recht, wenn die Patentschrift dem Fachmann den Eindruck vermittelt, dass es sich bei der Zahlenangabe des Patentanspruchs um einen kritischen Wert handelt, dessen Überschreitung im Hinblick auf die Erzielung der erfindungsgemäßen Wirkungen problematisch ist.
So liegen die Verhältnisse auch im Entscheidungsfall. Die Klagepatentschrift enthält nicht nur keinen Hinweis darauf, dass die Einhaltung des Zahlenwertes von drei Klingen zur Erreichung des angestrebten Ziels (glattere Rasur ohne problematische Zugkräfte) nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Vielmehr ergibt sich aus der Beschreibung (vgl. oben unter 1), dass mit jeder Erhöhung der Zahl der Klingen in einer Klingeneinheit nachteilige Folgen für die Verwendbarkeit der gesamten Klingeneinheit, speziell im Hinblick auf die wirkenden Zugkräfte, verbunden sein können. Insofern sieht es die Klagepatentschrift in Abgrenzung zum Stand der Technik als problematisch an, von vorbekannten Rasierern mit zwei Klingen zu Rasierern mit drei Klingen zu wechseln, und schreibt es sich die Erfindung als ausdrückliches Verdienst zu, es erreicht zu haben, die Klingenzahl auf drei zu erhöhen, ohne dass die damit einhergehenden, größeren Zugkräfte als unangenehm empfunden werden. Bei dieser Ausgangslage besteht für den Fachmann kein Anlass zu der Annahme, von der erfindungsgemäßen Klingenheit mit drei Klingen könne problemlos zu einer Klingeneinheit mit vier Klingen übergegangen werden. Denn mit der vierten Klinge werden selbstverständlich weiter gesteigerte Zugkräfte wirksam, die beherrscht werden müssen.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Angaben der Klagepatentschrift (vgl. Anlage K 2a, S. 4, zweiter Absatz u. S. 5, dritter Absatz) zu den Vorteilen der erfindungsgemäßen „stetig ansteigenden Klingenexposition“ herleiten. Auch diese Angaben stehen stets im Zusammenhang mit der Funktion einer Klingeneinheit aus drei Klingen. Dass aufgrund der stetig ansteigenden Exposition statt nur drei Klingen vier oder sonst beliebig mehr Klingen in der Klingeneinheit untergebracht werden können, lässt sich dem Klagepatent nicht entnehmen und würde auch in Widerspruch zur explizit in der Patentbeschreibung angesprochenen Problematik stehen, dass jede in eine Klingeneinheit zusätzlich aufgenommene Klinge negativen Einfluss auf die Gesamteigenschaften der Einheit haben kann.
Nur diese Sichtweise lässt sich überdies mit den fachkundigen Ausführungen der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts in ihrer das Klagepatent aufrechterhaltenden Entscheidung vom 23. April 2004 (deutsche Übersetzung Anlage B 3.2) vereinbaren. In der besagten Entscheidung (unter 2.3.15) legt die Einspruchsabteilung (überzeugend) dar, dass aus dem Stand der Technik – insbesondere der Entgegenhaltung D 2 (US-PS 3 660 893, Anlage B 7) – die Lehre einer stetig ansteigenden Klingenexposition für Klingeneinheiten mit zwei Klingen entnommen werden kann, dass es aber auch angesichts des Umstandes, dass die betreffenden Entgegenhaltungen nicht auf Klingeneinheiten mit zwei Klingen beschränkt sind, für den Fachmann nicht naheliegend war, zu der erfindungsgemäßen Klingenexposition für drei Klingen zu gelangen, da dem Fachmann keine Lehre an die Hand gegeben und nahe gelegt wird, wie und mit welcher Exposition er die dritte Klinge anordnen soll (vgl. die Entscheidung auch unter 2.3.16). Eine sogenannte Einbahnstraßensituation (vgl. 2.3.18), die zur erfindungsgemäßen Lehre führt, liegt der Einspruchsabteilung zufolge gerade nicht vor. Konnte der Fachmann von einer steigenden Exposition der Klingen für eine Klingeneinheit mit zwei Klingen nicht naheliegend zu einer stetig ansteigenden Exposition für eine Klingeneinheit mit drei Klingen gelangen, besteht kein Grund zu der Annahme, der Fachmann leite allein aufgrund der Angaben in der Klagepatentschrift zur Exposition der drei Klingen ab, es sei – auch in Ansehung der Zahlenangabe in den Patentansprüchen und entgegen der kritischen Beurteilung des Klagepatents zur Erhöhung der Klingenanzahl in einer Klingeneinheit – eine gleichwertige Maßnahme, statt eine Gruppe von drei Klingen eine Gruppe von vier Klingen vorzusehen, sofern eine oder beide mittleren Klingen eine Exposition aufweisen, die in Bezug auf die beiden äußeren Klingen im für die zweite Klinge patentbeanspruchten Bereich liegt.
III.
Mangels Verletzung des Klagepatents ist nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin mit Wirkung (auch) gegenüber der Beklagten in dem im Aussetzungsantrag bezeichneten Vergleich auf ihre Rechte aus dem Klagepatent verzichtet hat und deshalb eine Aussetzung des Rechtsstreits mit Rücksicht auf das vor dem amerikanischen Gericht anhängige Verfahren geboten sein könnte.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709 Satz 1, 108 ZPO.
Dr. R1 Dr. R2 R3