4a O 432/03 – Plasmadüse

Düsseldorfer Entscheidung Nr.:  256

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. Januar 2004, Az. 4a O 432/03

I.

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 6. November 2003 – 4a 0 432 / 03 – wird bestätigt.

II.

Die weiteren Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Tatbestand:

Die Antragstellerin ist mit schriftlicher Erklärung vom 30. Oktober 2003 (Anlage L1) dazu ermächtigt worden, Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des deutschen Patents 198 47 774 (Anlage L2, fortan: Verfügungspatent) gerichtlich geltend zu machen.

Das Verfügungspatent wurde am 16. Oktober 1998 angemeldet. Seine Anmeldung wurde am 4. Mai 2000 offengelegt und seine Erteilung am 17. Oktober 2002 im Patentblatt veröffentlicht.

Das Verfügungspatent steht in Kraft.

Es betrifft eine Vorrichtung zur Plasmabehandlung von stab- und fadenförmigem Material.

Wegen Verletzung des Verfügungspatents nimmt die Antragstellerin die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung in Anspruch.

Der Anspruch 1 des Verfügungspatents hat folgenden Wortlaut:

Vorrichtung zur Behandlung von stab- und fadenförmigem Material (12) mit einer Plasmadüse (10), die ein eine Außenelektrode bildendes Düsenrohr (16) und eine koaxial in dem Düsenrohr angeordnete Innenelektrode (28) aufweist, gekennzeichnet durch einen koaxial in der Innenelektrode (28) ausgebildeten Kanal (30), durch den das Material (12) hindurchführbar ist, und durch ein von außen in die Plasmadüse (10) eintretendes und mindestens bis in den Kanal (30) der Innenelektrode (28) reichendes Führungsrohr (32) für das Material (12).

Zur Erläuterung der Erfindung wird auf die in der Verfügungspatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiele einschließlich der zugehörigen Zeichnungen verwiesen.

Die Antragsgegnerin stellt her und vertreibt als Mitbewerberin der Antragstellerin Korona-Anlagen und Plasmadüsen für die Vorbehandlung von Werkstücken.

Im Zuge dieser Geschäftsbemühungen überreichte sie am 3. September 2003 anlässlich einer Präsentation in den Geschäftsräumen der X1 GmbH, München, unter anderem eine CD-ROM (Anlage L6), deren Hülle mit ihrem Firmennamen versehen war. Auf dem Datenträger sind Filmsequenzen für Vorrichtungen zur Plasmabehandlung gespeichert. Es ist zwischen den Parteien unstreitig – jedenfalls ist die Antragsgegnerin dem diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin nicht spezifiziert entgegengetreten -, dass die Filmsequenz 6 eine Vorrichtung zeigt, die von allen Merkmalen des Verfügungspatents wortsinngemäßen Gebrauch macht.

Die Antragstellerin sieht in dieser von ihr angegriffenen Ausführungsform eine Verletzung des Verfügungspatents.

Nachdem sie am 2. Oktober 2003 vom Inhalt der CD-ROM erstmals erfahren hatte, forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2003 (Anlage L11) zur Abgabe einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung auf. Hierzu setzte sie der Antragsgegnerin eine Frist bis zum 3. November 2003, 12.00 Uhr.

Das Verwarnungsschreiben ging den Geschäftsführern der Antragsgegnerin am Freitag, den 31. Oktober 2003 zu.

Auf die Abmahnung erwiderte die Antragsgegnerin in einem Schreiben vom 3. November 2003 (Anlage L12), in dem sie der Antragstellerin vorhielt, die ihr zur Abgabe der Unterwerfungserklärung gesetzte Frist sei zu kurz bemessen. Sie habe den Gegenstand des Verfügungspatents weder hergestellt, noch angeboten oder verkauft. Dies sei von ihr auch für die Zukunft nicht beabsichtigt. Auf die Verwarnung werde sie bis zum 20. November 2003 antworten. Hierbei behalte sie sich ein sofortiges Anerkenntnis vor.

Gegen einen möglichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung reichte die Antragsgegnerin gleichfalls unter dem 3. November 2003 beim Landgericht Düsseldorf eine Schutzschrift ein.

Auf ein Gesuch der Antragstellerin vom 6. November 2003 ist es der Antragsgegnerin unter dem gleichen Datum – 4a 0 432 / 03 – im Wege der Beschlussverfügung untersagt worden, Vorrichtungen zur Behandlung von stab- oder fadenförmigen Material, die das Verfügungspatent verwirklichen, herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Hierauf hat die Antragsgegnerin unter dem 17. November 2003 gegenüber der Antragstellerin eine Abschlusserklärung abgegeben, nach der sie die einstweilige Verfügung vom 6. November 2003 mit Ausnahme der hierin ausgesprochenen Kostenfolge als endgültige Regelung anerkennt.

Gegen die einstweilige Verfügung hat die Antragsgegnerin am 26. November 2003 Kostenwiderspruch eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr,

den Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin vom 26. November 2003 zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 6. November 2003 im Kostenpunkt zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 6. November 2003 im Kostenpunkt abzuändern und die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Sie macht geltend, es sei ihr nicht zuzumuten gewesen, auf die Verwarnung vom 30. Oktober 2003 innerhalb der dort bezeichneten Frist zu antworten. Für eine gewissenhafte und ordnungsgemäße Überprüfung der vorgeworfenen Patentverletzung sei diese Frist zu kurz bemessen gewesen.

Dass die Antragstellerin gleichwohl bereits am 6. November 2003 den Erlass der einstweiligen Verfügung beantragt habe, könne ihr – der Antragsgegnerin – unter Kostengesichtspunkten nicht angelastet werden.

Die Antragstellerin tritt dem Vorbringen der Antragsgegnerin entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze und der zur Gerichtsakte gereichten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Der nach den §§ 940, 936, 924, 99 Abs. 2 ZPO statthafte Widerspruch ist unbegründet.

Das Gericht hat der Antragsgegnerin in seiner allein im Kostenpunkt angefochtenen Entscheidung vom 6. November 2003 zu Recht aufgegeben, die Kosten des Verfahrens entsprechend dem § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin hiergegen ein, die genannten Kosten seien der Antragstellerin in analoger Anwendung von § 93 ZPO aufzuerlegen, weil sie – die Antragsgegnerin – das vorliegende Verfahren nicht zu verantworten habe.

Nach dem § 93 ZPO fallen die Verfahrenskosten dem Antragsteller zur Last, wenn der Antragsgegner die gegen ihn gerichteten Ansprüche sofort anerkannt und nicht durch sein Verhalten Veranlassung zur Stellung des Verfügungsantrages gegeben hat.

Veranlassung zur Beantragung einstweiliger Verfügungen gibt der Inanspruchgenommene in wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsfällen in der Regel dann, wenn er auf eine Abmahnung nicht oder negativ reagiert hat (BGH, GRUR 1990, 381, 382).

Denn die Abmahnung ist nicht nur auf eine Beseitigung der rechtswidrigen Störung gerichtet, zu welcher der Störer nach dem § 139 Abs. 1 PatG verpflichtet ist. Sie dient auch dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten, einen kostspieligen Rechtsstreit durch die Unterzeichnung einer vertragsstrafenbewehrten Unterlassungserklärung zu vermeiden (BGHZ 52, 393, 399f. -Fotowettbewerb; BGH, GRUR 1973, 384, 385 -Goldene Armbänder; BGH, GRUR 1984, 129, 131 -shop-in-the-shop I; BGH, GRUR 1991, 550 -Zaunlasur; BGH, GRUR 1995, 338, 342 -Kleiderbügel).

Dem Erfordernis liegt die Erfahrung zugrunde, dass der Verletzer wettbewerbsrechtlicher Vorschriften häufig auf eine Abmahnung hin dazu bereit ist, sich zu unterwerfen und ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden. Nicht selten wird sich der Verletzer erst durch die Abmahnung der Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens bewusst. Erst wenn die Unterlassungserklärung verweigert wird, steht fest, dass es der Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe bedarf (Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Auflage, Randziffer 10).

So liegt der Fall hier, in dem sich die Antragsgegnerin nicht dazu bereit gefunden hat, die von der Antragstellerin geforderte Unterwerfungserklärung innerhalb der im Abmahnschreiben vom 30. Oktober 2003 (Anlage L11) bezeichneten Frist abzugeben.

Ohne Erfolg wendet die Antragsgegnerin hiergegen ein, die ihr in der Abmahnung bezeichnete Frist sei unangemessen kurz bemessen gewesen.

In dieser Hinsicht gilt, dass sich die Frage, innerhalb welcher Frist der Berechtigte von dem Inanspruchgenommenen eine Unterwerfungserklärung verlangen kann, nicht einheitlich beantworten lässt. Die Frist ist so zu bemessen, dass sie es dem Verwarnten ermöglicht, den Vorwurf zu überprüfen, die beanstandete Handlung ggf. einzustellen sowie erforderlichenfalls geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Abhängig ist die Frist auch von Art, Dauer und Gefährlichkeit der Verletzungshandlungen. In Ausnahmefällen kann es ausreichen, den Verletzer unter Setzung einer kurzen, lediglich nach Stunden bemessenen Frist mündlich oder auf dem Telekommunikationsweg abzumahnen (insb. bei Messeverstößen, bei denen eine schriftliche Abmahnung häufig dazu führen würde, dass ein anschließendes Beschreiten des Rechtsweges erst nach Messeende möglich wird, vgl. OLG Frankfurt, GRUR 1984, 693; OLG Frankfurt, Das Juristische Büro 1985, 1557; OLG Köln, NJW-RR 1987, 36).

Wird die Frist von dem Berechtigten zu kurz bemessen, hat dies nicht die Unwirksamkeit der Abmahnung zur Folge. Vielmehr wird eine angemessene Frist in Gang gesetzt (BGH, GRUR 1990, 381, 382 -Antwortpflicht des Abgemahnten; OLG München, Mitt. 1994, 28; OLG Köln, WRP 1996, 1214, 1215).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann es dahingestellt bleiben, ob die der Antragsgegnerin in der Abmahnung vom 30. Oktober 2003 für die Abgabe der Unterwerfungserklärung bis zum 3. November 2003, 12.00 Uhr bezeichnete Frist angemessen gewesen ist. Jedenfalls war es der Antragsgegnerin innerhalb der sodann bis zum Eingang des vorliegenden Verfügungsgesuchs vergangenen Zeit möglich und zuzumuten, sich dem Anspruch der Antragstellerin zu unterwerfen und so das vorliegende Verfahren zu vermeiden. Für eine Überprüfung des Patentverletzungsvorwurfes und der hiermit verbundenen Folgen reichte der Antragsgegnerin diese Zeit aus.

Dies folgt daraus, dass sie bereits mit Schriftsatz vom 3. November 2003 (Anlage L12) gegenüber der Antragstellerin zum Patentverletzungsvorwurf inhaltlich Stellung zu nehmen und unter dem gleichen Datum eine Schutzschrift gegen ein mögliches Verfügungsgesuch bei Gericht einzureichen vermochte. Ein zusätzlicher Überprüfungs- und/oder Überlegungsbedarf, den die Antragsgegnerin in Anschluss an diese beiden Schriftsätze im Hinblick auf eine Verletzung des Verfügungspatents noch benötigte, ist nicht einzusehen und von der Antragsgegnerin auch nicht spezifiziert geltend gemacht worden. Tatsächliche oder rechtliche Erwägungen zur Verletzungsfrage, die über den Inhalt der beiden Schriftsätze hinausgehen, hat die Antragsgegnerin nicht dargetan. Auch hat sie nicht erläutert und erst recht nicht glaubhaft gemacht, für welche zusätzlichen Überprüfungen sie die Folgezeit bis zu der am 17. November 2003 erfolgten Abschlusserklärung (Anlage AG1) aufgewandt haben will.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

III.

Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt:

bis zum 25. November 2003: € 250.000,00

sodann: Kosteninteresse.

Dr. R1 R2 R3