4 O 279/01 – Rammbohrgerät

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 56

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 1. August 2002, Az. 4 O 279/01

Rechtsmittelinstanz: 2 U 128/02

Das Versäumnisurteil der Kammer vom 6. November 2001 wird aufrechterhalten.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt mit Ausnahme der durch die Anrufung des unzuständigen Verwaltungsgerichts Düsseldorf verursachten Mehrkosten, die der Kläger zu tragen hat.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 511.291,88 Euro vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 6. November 2001 darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Die Sicherheit kann auch durch die unbedingte Bürgschaft einer in Deutschland ansässigen, als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand :

Der Kläger ist Alleinerbe des am 2. September 1994 verstorbenen P1xx J1xxx S1xxxxx. Dieser war Inhaber des auf ihn eingetragenen deutschen Patents 39 09 567 (Klagepatent, Anlage L 1), dessen Anmeldung vom 23. März 1989 am 27. September 1990 offengelegt und dessen Erteilung am 19. August 1993 veröffentlicht wurde. Das Klagepatent betrifft ein Rammbohrgerät. Der im vorliegenden Rechtsstreit vornehmlich interessierende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

„Rammbohrgerät mit einem in einem Gehäuse (1) axial verschiebbaren Schlagkolben (8), dessen Vor- und Rückbewegung durch eine in einen Zylinderraum (9) des Schlagkolbens (8) eingreifende, an einen Versorgungsschlauch (10) mittels eines Führungsrohrs (2) angeschlossene, axial durch eine Feder (7) beaufschlagte Steuerhülse (3) und eine oder mehrere korrespondierende Steueröffnungen (11) im Schlagkolben gesteuert wird, wobei das Führungsrohr (2) zur Umsteuerung von Vorwärtslauf und Rückwärtslauf zwischen zwei in einer am rückwärtigen Ende des Gehäuses angeordneten Führungshülse (5) befindlichen Anschlägen (14, 15) axial verschiebbar in der Stellung für den Vorwärtslauf durch Drehung verriegelbar geführt ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuerhülse (3) durch die Feder (7) in Richtung der Stellung für Vorwärtslauf und durch elastische Mittel (7) auch auf Drehung beaufschlagt ist und das Führungsrohr (7) zusätzliche Drehanschläge (18) zum Ver- und Entriegeln in Axialrichtung aufweist.“

Die nachfolgenden Abbildungen (Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift) veranschaulichen den Erfindungsgegenstand anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels.

Die Beklagte zu 2. vertreibt unter der Bezeichnung „A2xxxx M3xx S3xxx 23xx“ ein von der Beklagten zu 1. hergestelltes Rammbohrgerät (Erdrakete). Die nachfolgende Abbildung (GA 12) zeigt die Einzelteile des Rammbohrgeräts, welches vom Kläger jeweils mit den entsprechenden Bezugszeichen der Klagepatentschrift versehen worden sind.

Der Kläger sieht durch die angegriffene Ausführungsform seine Rechte aus dem Klagepatent als verletzt an. Mit Versäumnisurteil vom 6. November 2001 (GA 59-62) hat die Kammer die Beklagten entsprechend dem Antrag des Klägers zur Unterlassung und Rechnungslegung verurteilt sowie die Feststellung getroffen, dass die Beklagten dem Kläger zur Entschädigung und zum Schadensersatz verpflichtet sind. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tenor des Versäumnisurteils Bezug genommen. egen das Versäumnisurteil haben die Beklagten innerhalb der Einspruchsfrist Einspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt,

das Versäumnisurteil vom 6. November 2001 aufrechtzuerhalten.

Die Beklagten beantragen,

das Versäumnisurteil vom 6. November 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten den Verletzungsvorwurf und machen geltend:

Bei dem angegriffenen Rammbohrgerät sei neben der Feder kein weiteres elastisches Mittel vorhanden, welches die Steuerhülse auf Drehung beaufschlage. Eine Ausführungsform, bei der – wie vorliegend – die Feder sowohl in axialer Richtung als auch in Drehrichtung die Steuerhülse beaufschlage, falle nicht unter das Klagepatent. Als zusätzliches elastisches Mittel komme nach dem Klagepatent etwa die in Unteranspruch 4 genannte elastische Buchse in Betracht. Im Übrigen sei Anspruch 1 des Klagepatents im Erteilungsverfahren entgegen der ursprünglichen Offenbarung unzulässig um das Merkmal „durch elastische Mittel“ erweitert worden, so dass auch die Rechtsbeständigkeit des Klagepatents in Frage stehe.

Der Kläger tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen.

Der Kläger hat ursprünglich Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. Juni 2001 an das erkennende Gericht verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze und der mit ihnen vorgelegten Urkunden und Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe :

Das Versäumnisurteil vom 6. November 2001 ist in vollem Umfang gemäß

§ 343 Satz 1 ZPO aufrechtzuerhalten, weil es mit der aufgrund der Einspruchsverhandlung zu erlassenden Entscheidung übereinstimmt. Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagten machen widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch und sind der Klägerin deshalb im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, Rechnungslegung, Entschädigung und zum Schadensersatz verpflichtet.

I.

Die dem Klagepatent zugrundeliegende Erfindung betrifft ein Rammbohrgerät, mit dem unterirdische Bohrungen zum Verlegen von Leitungen vorgenommen werden können.

Bei einem solchen Gerät wird die Bohrwirkung durch einen sich hin- und herbewegenden Schlagkolben erzeugt, wobei zur Vorwärtsbewegung der Schlagkolben des Rammbohrgeräts stets gegen einen am Kopf des Rammbohrgeräts befindlichen Meißel und zur Rückwärtsbewegung des Rammbohrgeräts (z.B. bei Blindbohrungen) stets gegen den Rumpf des Rammbohrgeräts schlägt. Die Vorwärts- bzw. Rückwärtsbewegung wird dabei von der Position einer Steuerhülse bestimmt. Befindet sich diese in einer vorderen Position, schlägt der Schlagkolben gegen den Meißel und das Rammbohrgerät bewegt sich im Erdreich nach vorne; befindet sich die Hülse in einer hinteren Position, schlägt der Schlagkolben gegen den Rumpf und das Rammbohrgerät bewegt sich im Erdreich nach hinten.

Den Darlegungen der Klagepatentschrift zufolge ist ein derartiges Rammbohrgerät aus der DE 25 37 176 bekannt, bei dem die Steuerhülse zwischen zwei am Rumpf des Rammbohrgerätes angeordneten Anschlägen axial mit Hilfe eines Steuerrohrs verschoben und durch Drehung verriegelt wird. Bei der Umschaltung von Vorwärtslauf auf Rückwärtslauf wird hier die Steuerhülse zunächst durch Drehung des Versorgungsschlauches entriegelt, anschließend wird die Steuerhülse mit Hilfe des auf die Hülse wirkenden Drucks des Druckmedium (z.B. Druckluft) und mit Hilfe einer axial angeordneten Feder von der vorderen Position in die hintere Position gedrückt. Das Umschalten von Rückwärtslauf auf Vorwärtslauf erfolgt durch das Vorschieben der Steuerhülse in die vordere Position mit Hilfe des Versorgungsschlauchs gegen den Widerstand der Feder. Anschließend wird die Steuerhülse durch Drehung des Versorgungsschlauches arretiert.

Als nachteilig an diesem Stand der Technik bezeichnet die Klagepatentschrift es, dass das Umschalten von Rückwärtslauf auf Vorwärtslauf im drucklosen

Zustand erfolgen muss, wodurch Wasser in das Rammbohrgerät eindringen und dieses funktionsuntauglich machen kann. Weiterhin bereiten auch die Reibungskräfte auf den Versorgungsschlauch (insbesondere bei losem Erdreich) Schwierigkeiten, wenn der Versorgungsschlauch zum Umschalten von Rückwärtslauf auf Vorwärtslauf gegen die Federkraft der Feder verschoben werden muss.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, das vorbekannte Rammbohrgerät so zu verbessern, dass ein Umsteuern unter Druck auf einfache Weise ohne zusätzliches Arretieren von fern erfolgen kann. Zur Lösung dieser Aufgabe sieht Patentanspruch 1 die Kombination folgender Merkmale vor:

Rammbohrgerät mit einem in einem Gehäuse axial verschiebbaren Schlagkolben mit folgenden Merkmalen:

a)

Die Vor- und Rückwärtsbewegung des Schlagkolbens wird durch eine Steuerhülse und eine oder mehrere korrespondierende Steueröffnungen gesteuert.

(1)

Die Steuerhülse

(a)

greift in einen Zylinderraum des Schlagkolbens ein;

(b)

ist an einen Versorgungsschlauch mittels eines Führungsrohrs angeschlossen;

(c)

wird axial durch eine Feder beaufschlagt.

(2)

Das Führungsrohr

(a)

ist zur Umsteuerung von Vorwärtslauf und Rückwärtslauf zwischen zwei Anschlägen axial verschiebbar angeordnet;

(b)

die Anschläge befinden sich in einer am rückwärtigen Ende des Gehäuses angeordneten Führungshülse und

(c)

das Führungsrohr ist in der Stellung zu dem Vorwärtslauf durch Drehung verriegelbar geführt.

b)

Die Steuerhülse

(1)

ist durch die Feder in Richtung der Stellung für den Vorwärtslauf beaufschlagt,

(2)

ist durch elastische Mittel auch auf Drehung beaufschlagt.

c)

Das Führungsrohr weist zusätzliche Drehanschläge zum Ver- und Entriegeln in Axialrichtung auf.

Die erfindungsgemäße Anordnung hat zur Folge, dass die Steuerhülse in der Stellung für den Vorwärtslauf zur Gerätespitze hin von der Feder mit Druck beaufschlagt ist. Beim Umschalten von Vorwärts- auf Rückwärtslauf wird die Steuerhülse durch das Druckmedium gegen die Kraftwirkung der Feder nach hinten gedrückt. Zum Umschalten von Rückwärts- auf Vorwärtslauf wird der Druck des Druckmediums (und damit dessen Kraftwirkung) reduziert, wodurch die Steuerhülse durch die Kraft der Feder automatisch in die vordere Position gedrückt wird. Da die Steuerhülse auf Torsion vorgespannt ist und das Führungsrohr Drehanschläge zum Ver- und Entriegeln in Axialrichtung aufweist, wird die Steuerhülse zudem an den Anschlägen automatisch arretiert. Lediglich zur Entriegelung muss die Torsionsvorspannung durch Drehung des Versorgungsschlauchs überwunden werden.

Die erfindungsgemäße Anordnung erlaubt somit die automatische Arretierung der Steuerhülse und die automatische Vor- und Rückbewegung der Steuerhülse und ermöglicht zugleich ein Umsteuern stets unter Druck, so dass das Eindringen von Wasser in das Rammbohrgerät vermieden wird.

II.

Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Dass das angegriffene Rammbohrgerät die Merkmale des Patentanspruchs 1 erfüllt, steht zwischen den Parteien mit Ausnahme des Merkmals b) (2) außer Streit. Der Benutzungstatbestand begegnet hinsichtlich der unstreitigen Merkmale keinen Bedenken. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist aber auch das vorbezeichnete streitige Merkmal verwirklicht, welches verlangt, dass die Steuerhülse durch elastische Mittel auf Drehung beaufschlagt ist.

Bei der angegriffenen Ausführungsform beaufschlagt die Feder die Steuerhülse in Richtung der Gerätespitze, also in axialer Richtung mit Druck. Dies ermöglicht den automatischen Wechsel der Stellung der Steuerhülse vom Vorwärtslauf in den Rückwärtslauf. Nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen der Klägerin steht die Feder aber zugleich unter Torsionsvorspannung, beaufschlagt die Steuerhülse also auch in Drehrichtung mit Druck, so dass Steuerhülse und Führungsrohr in erfindungsgemäßer Weise automatisch an den Drehanschlägen arretiert werden. Dies reicht zur Verwirklichung des Merkmals b) (2) aus.

Der Einwand der Beklagten, neben der Feder müsse ein weiteres elastisches Mittel vorhanden sein, welches die Torsionsvorspannung der Steuerhülse bewirke, findet weder im Anspruchswortlaut noch in der Patentbeschreibung einen Anhaltspunkt. Im Gegenteil: In Spalte 2, Zeilen 23 bis 31 und Spalte 4, Zeilen 32 bis 34 der Patentbeschreibung sowie in Unteranspruch 2 ist ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, durch die Torsionsvorspannung der Feder die automatische Arretierung an den Drehanschlägen zu ermöglichen. Dies bedeutet aus Sicht des Fachmanns aber nichts anderes, als dass auch die Feder als elastisches Mittel zur Drehbeaufschlagung der Steuerhülse verwendet werden kann. Der weit gefaßte Begriff „elastische Mittel“ in Merkmal b) (2) ist dementsprechend funktional zu verstehen und hält dem Fachmann lediglich die Möglichkeit offen, anstelle der Feder auch andere elastische Mittel für die erfindungsgemäße Drehbeaufschlagung der Steuerhülse in Betracht zu ziehen und zu verwenden.

Soweit die Beklagten auf die in Unteranspruch 4 vorgesehene elastische Buchse abstellen, verkennen sie, dass diese nach der Patentbeschreibung (Spalte 2, Zeilen 40 bis 44) lediglich zur zentrischen und klemmfreien Anordnung der Steuerhülse im Zylinderraum bestimmt ist und es sich darüber hinaus nur um ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel handelt.

III.

Mit dem Einwand, das Klagepatent sei im Erteilungsverfahren um das Merkmal „durch elastische Mittel“ unzulässig erweitert worden, können die Beklagten vorliegend nicht gehört werden. Eine Erweiterung kann nur im Rahmen des gesondert geregelten Patentnichtigkeitsverfahrens und nicht auch als rechtshindernder Umstand im Verletzungsrechtsstreit geltend gemacht werden (vgl. BGH, GRUR 1962, 577, 578 – Rosenzüchtung; Benkard/Schäfers, Patentgesetz, 9. Auflage, § 38 Rdnr. 47; Schulte, Patentgesetz, 6. Auflage, § 38 Rdnr. 32).

IV.

Aufgrund des festgestellten Verletzungstatbestandes sind die Beklagten dem Kläger gemäß § 139 Abs. 1 Patentgesetz zur Unterlassung und, da sie zumindest fahrlässig gehandelt haben, gemäß § 139 Abs. 2 Satz 2 Patentgesetz zum Schadensersatz sowie zusätzlich gemäß § 33 Abs. 2 Patentgesetz zur Entschädigung verpflichtet. Die Schadens- und Entschädigungshöhe ist derzeit ungewiß. Der Kläger hatte deshalb ein berechtigtes Interesse daran, dass die Schadensersatzhaftung und die Entschädigungsverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach gemäß § 256 Abs. 1 ZPO festgestellt wird. Damit der Kläger in die Lage versetzt wird, seinen Anspruch auf Schadensersatz zu beziffern, haben die Beklagten im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen (§§ 242, 259 BGB).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO und auf § 17 b Abs. 2 Satz 2 GVG.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Sicherheitsleistung folgen aus §§ 709 Satz 1 und 2, 108 ZPO.

Richter am LG

Dr. K2xxxx Dr. C2xxxxxxxx M2xx

befindet sich in Urlaub

und kann deswegen

nicht unterschreiben

Dr. K2xxxx