4a O 153/02 – Entfernung von Schmelzverunreinigungen (Arbeitnehmererf.)

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 82

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 8. August 2002, Az. 4a O 153/02

I.

Die Antragsgegnerin wird verurteilt, die auf der Grundlage des Vertrages über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT) vom 19. Juni 1970 beim Europäischen Patentamt als Anmeldeamt am 14. März 2000 unter Inanspruchnahme der Priorität aus der deutschen Patentanmeldung 199 18 766.5 vom 24. April 1999 zum Patent angemeldete und beim Europäischen Patentamt unter dem Aktenzeichen PCT/EP 00/03122 geführte Diensterfindung für die Tschechische Republik freizugeben.

II.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 30 % der Antragsgegnerin, zu 70 % dem Antragsteller auferlegt.

Tatbestand:

Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin auf Freigabe seiner Rechte aus dem Deutschen Patent DE 199 18 766 C2 für die Tschechische Republik in Anspruch.

Der Antragsteller war mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1994 als Geschäftsführer für den technischen Sektor und den Vertriebssektor bei der Antragsgegnerin tätig. Bezüglich der näheren Ausgestaltung des Dienstvertrages wird auf die zu der Gerichtsakte gereichte Ablichtung des Vertrages (Anlage K 1) Bezug genommen. Eine Eintragung der Geschäftsführerbestellung in das Handelsregister erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2000 kündigte der Antragsteller den Anstellungsvertrag mit Wirkung zum 30. Juni 2001.

Im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Antragsgegnerin entwickelte der Antragsteller ein Verfahren zur Entfernung von Verunreinigungen aus Schmelzen von Metallen und Legierungen, welches Gegenstand des deutschen Patentes DE 199 18 766 C2 (Anlage 1) ist. Eingetragene Patentinhaberin ist die Antragsgegnerin, Erfinder der Antragsteller. Die Parteien vereinbarten, dass die Antragsgegnerin die Erfindung in Anspruch nehme. Mit Schreiben vom 11. November 1998 (Anlage 2) teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller folgendes mit:

„Aufgrund unserer mündlichen Absprachen vom 26. Oktober 1998 sowie der entsprechenden Anwendung des ArbNErfG entsteht ihr Vergütungsanspruch mit wirksamer Inanspruchnahme der Erfindung durch A3xxx.

Die vorgenannten Regelungen gelten nur, soweit Ihre Erfindung als patentfähige Erfindung dem sachlichen Anwendungsbereich des ArbNErfG unterliegt.“

Auf den weiteren Wortlaut des Schreibens wird ausdrücklich Bezug genommen (Anlage 2). Unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 11. November 1998 bestätigte der Antragsteller mit Schreiben vom 22. Dezember 1998 die mündlich vereinbarten Provisionssätze. Auf den Inhalt des Schreibens wird verwiesen (Anlage 3).

Unter dem 14. März 2000 reichte die Antragsgegnerin bei dem Europäischen Patentamt die internationale Patentanmeldung mit der Priorität der Deutschen Patentanmeldung ein, Aktenzeichen PCT/EP 00/03122. Die Veröffentlichung erfolgte am 2. November 2000. Nach dem internationalen Prüfbericht bestanden Bedenken gegen die Neuheit in 13 von 14 Anmeldeländern. Die Antragsgegnerin hat daraufhin das Anmeldeverfahren fallen lassen. Mit Schreiben vom 4. Januar 2002 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin auf, ihm mitzuteilen, in welchen Ländern eine Schutzrechtsanmeldung nicht erfolgen soll und bat um Freigabe der entsprechenden Rechte für die jeweiligen Länder; eine Erwiderung blieb aus. Durch Schreiben vom 2. April 2002 (Anlage 10) teilte der tschechische Patentanwalt M1xxxx dem Antragsteller mit, dass er noch bis Ende August 2002 das nationale Verfahren vor dem tschechischen Patentamt einleiten könne, sofern er nachweise, dass die Antragsgegnerin ihm die Rechte an dem tschechischen Patent übertragen habe.

Der Antragsteller vertritt die Ansicht, dass die Antragsgegnerin verpflichtet sei, ihm die nach § 14 Abs. 2 Arbeitnehmererfindungsgesetzes (ArbEG) erforderlichen Freigabeerklärungen zu geben.

Nachdem der Antragsteller ursprünglich die Freigabe für die Länder Tschechische Republik, Slowakei, Jugoslawien, Polen und Ungarn begehrt hat, beantragt er nunmehr,

zu erkennen, wie geschehen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, dass mangels Anwendbarkeit des Arbeitnehmererfindungsgesetzes eine Freigabeerklärung nicht notwendig sei. Der Antragsteller habe die Erfindung im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit gemacht. Eine anderweitige Einbeziehung der Regelungen des ArbEG sei nicht erfolgt.

Des weiteren liege kein Verfügungsgrund vor, da eine Erschwerung bzw. Vereitelung seiner Rechte nicht in Gefahr sei. Bereits unter dem 9. April 2002 habe die Antragsgegnerin dem Antragsteller mitgeteilt, dass er nicht gehindert sei als Erfinder Anmeldungen zu tätigen. Es bestünde auch kein Schutz mehr durch die PCT-Anmeldung für die beantragten Länder, so dass dem Antragsteller keine Rechte mehr übertragen werden könnten.

Der Antragsteller ist diesem Vorbringen entgegen getreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen überreichten Anlage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist im Hinblick auf die Freigabeerklärung für die Tschechische Republik begründet.

I.

Der Antragsteller hat nach § 14 Abs. 2 ArbEG einen Anspruch auf Freigabe der Rechte für die Tschechische Republik aus dem Patent.

Das ArbEG ist trotz der ursprünglichen Bestellung des Antragstellers als Geschäftsführer für den technischen Bereich und den Vertrieb bei der Antragsgegnerin anwendbar. Zwar findet das ArbEG auf gesetzliche Vertreter von juristischen Personen keine Anwendung. Die Parteien haben die Bestimmungen des ArbEG jedoch durch vertragliche Vereinbarung einbezogen, so dass die Frage, ob für den Ausschluss des ArbEG der Abschluss des Dienstvertrages oder die Eintragung in das Handelsregister maßgeblich ist, für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ist.

Eine Vereinbarung, mit welcher die Bestimmungen des ArbEG einbezogen werden sollen, kann ausdrücklich oder stillschweigend geschlossen werden (vgl. Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindungsgesetz, 3. Aufl. § 1 Rdnr. 93 m.w.N.; Gaul, GmbHR 1982, 101, 104). Insoweit werden materielle Bestimmungen wie § 14 Abs. 2 ArbEG zum Bestandteil der Vereinbarung.

Eine solche Vereinbarung über die Einbeziehung der Vorschriften des ArbEG ist vorliegend durch das ein solches Angebot beinhaltende Schreiben der Antragsgegnerin vom 11. November 1998 und die konkludente Annahme des Antragstellers mit Schreiben vom 22. Dezember 1998, in dem auf das Schreiben vom 11. November 1998 Bezug genommen wird, getroffen wurde (Anlagen 2 und 3). Indem die Antragsgegnerin in dem Schreiben vom 11. November 1998 ausdrücklich auf mündliche Absprachen vom 26. Oktober 1998 sowie eine entsprechende Anwendung des ArbEG hinweist, hat sie deutlich gemacht, dass die Vorschriften desselben trotz der Stellung des Antragstellers als Geschäftsführer zur Anwendung gelangen sollen. Durch die Bezugnahme auf dieses Schreiben hat der Antragsteller dann das Angebot angenommen.

Wenn es in dem Schreiben vom 11. November 1998 heißt, dass die „vorgenannten Regelungen“ nur gelten, soweit die Erfindung des Antragstellers als patentfähige Erfindung dem sachlichen Anwendungsbereich des ArbEG unterliegt, bezieht sich dies nicht auf Unsicherheiten hinsichtlich der Eigenschaft des Antragstellers als Arbeitnehmer, sondern auf Unsicherheiten hinsichtlich der Patentfähigkeit der Erfindung. Die im vorhergehenden Satz vereinbarte Einbeziehung der Vorschriften des ArbEG wird hierdurch nicht wieder in Frage gestellt.

§ 14 ArbEG gewährt dem Arbeitnehmer einen schuldrechtlichen und gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Freigabe der Diensterfindung für solche Auslandsstaaten, in denen der Arbeitgeber keine Schutzrechte erwerben will. Der Anspruch auf Auslandsfreigabe soll dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Verwertungschance bieten. Die Antragsgegnerin hat deutlich gemacht, dass sie keine Schutzrechte für das Ausland mehr erwerben will. Nach Eingang des vorläufigen Prüfungsberichts der PCT-Anmeldung mit dem Ergebnis, dass keine Neuheit der Erfindung in 13 von 14 Anmeldestaaten vorliegt, hat sie von weiteren Anmeldungen und auch der PCT-Anmeldung Abstand genommen, so dass dem Antragsteller ein Freigaberecht zusteht. Ob die Erfindung in den einzelnen Staaten patentfähig ist, ist unerheblich, da es für einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 ArbEG nicht darauf ankommt, ob Zweifel an der Schutzfähigkeit bestehen (Bartenbach/Volz, a.a.O., § 13 Rdnr. 14).

§ 14 Abs. 2 ArbEG kommt auch trotz Ausscheidens des Antragstellers aus dem Dienstverhältnis bei der Antragsgegnerin weiterhin zur Anwendung, da nach § 26 ArbEG die Rechte und Pflichten durch Auflösung des Arbeitsverhältnisses – hier des Dienstvertrages – nicht berührt werden. Der Anspruch auf Auslandsfreigabe steht auch einem ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu (Bartenbach/Volz, a.a.O., § 14 Rdnr. 22).

Die Antragsgegnerin hat entgegen ihrer Ansicht ihre Verpflichtung zur Erklärung der Freigabe bisher noch nicht erfüllt. Das Schreiben der Antragsgegnerin vom 9. April 2002 (Anlage K 5), mit welchem sie erklärte, dass der Antragsgegner als Erfinder des Verfahrens zur Entfernung von Verunreinigungen aus Schmelzen von Metallen oder Legierungen berechtigt sei, Anmeldungen zu tätigen, stellt keine Erfüllung dar. Die Erklärung genügt nicht den Anforderungen an eine Freigabeerklärung, die bei den nationalen Patentämtern vorgelegt werden kann. Eine Freigabeerklärung ist zwar formlos. Aus der Erklärung muss sich jedoch unzweideutig ergeben, dass der Arbeitgeber nicht beabsichtige, der Inlandsanmeldung entsprechende Auslandanmeldungen einzureichen (Bartenbach/Volz, a.a.O., § 14 Rdnr. 24 und 26). Aus dem vorgenannten Schreiben folgt für einen Außenstehenden eine solche Freigabe nicht, da die Antragsgegnerin zwar einerseits einräumt, dass der Antragsteller zur Anmeldung berechtigt sei, andererseits auf ein Vermarktungsverbot verweist, was mit dem Inhalt und dem Umfang eines Schutzrechtes, welches dem Erfinder zustehen soll, nicht vereinbar ist. Die Antragsgegnerin ist insoweit zur Klarstellung verpflichtet.

II.

Es besteht bezüglich der Freigabe der Rechte für die Tschechische Republik auch ein Verfügungsgrund. Die Geltendmachung des Freigabeanspruches im einstweiligen Verfügungsverfahren erscheint notwendig, um wesentliche Nachteile von dem Antragsteller abzuwenden (§ 940 ZPO).

Im Regelfall darf die Abgabe einer Willenserklärung nicht durch eine einstweilige Verfügung angeordnet werden, da die Erklärung nach § 894 ZPO erst bei Rechtskraft der Entscheidung im Hauptsacheverfahren als abgegeben gilt. Zudem sollen einstweilige Verfügungen die Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen. Das schließt allerdings nicht aus, im Einzelfall eine einstweilige Verfügung zuzulassen, wenn dadurch die Interessen des Antragsgegners, die gegenüber den Interessen des Antragstellers abzuwägen sind, nicht unzumutbar beeinträchtigt werden und eine Zurückweisung des Antrages einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. OLG Köln NJW-RR 1997, 59 f.). Die Fiktionswirkung des § 894 ZPO tritt dann bereits bei Erlass der einstweiligen Verfügung ein.

Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn einerseits hat der Antragsteller bezüglich seines Begehrens auf Abgabe einer Freigabeerklärung für die Tschechische Republik durch Vorlage eines Schreiben des tschechischen Patentanwaltes M1xxxx vom 2. April 2002 (Anlage 10) glaubhaft gemacht, dass eine baldige gerichtliche Entscheidung erforderlich ist, um zu verhindern, dass der Antragsteller seine Rechte aus der PCT-Anmeldung gegenüber dem Tschechischen Patentamt als Bestimmungsamt verliert. Das Erteilungsverfahren vor dem Tschechischen Patentamt kann durch eine entsprechende Erklärung trotz abgelaufener Fristen noch in Gang gesetzt werden, wenn eine entsprechende Freigabeerklärung bis August 2002 vorliegt. Eine Zurückweisung des Antrages käme auch einer Rechtsverweigerung gleich. Zudem werden durch die Verurteilung zur Abgabe einer solchen Freigabeerklärung im Verfügungsverfahren die Interessen der Antragsgegnerin nicht unzumutbar beeinträchtigt. Sie hat durch ihr Verhalten deutlich gemacht, dass sie die PCT-Anmeldung in der Tschechischen Republik nicht weiter verfolgen will.

Es liegen auch keine Umstände vor, welche die Dringlichkeit im zeitlichen Sinne entfallen ließen. Der Antragsteller wurde zwar bereits mit Schreiben vom 4. März 2002 in Kenntnis gesetzt, dass die Antragsgegnerin die erforderlichen Handlungen zur Einleitung der regionalen Phase vor dem Europäischen Patentamt im Hinblick auf die PCT-Anmeldung nicht vorgenommen hat. Dass gleichwohl eine Anmeldung in der Tschechischen Republik noch möglich war, ist ihm erst mit dem Schreiben des tschechischen Patentanwaltes M1xxxx vom 2. April 2002 mitgeteilt worden. Am 10. Mai 2002 hat der Antragsteller den Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung eingereicht, was noch ausreichend ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 269 ZPO.

Der Streitwert beträgt

· bis zum 17. Juli 2002: 10.000,- €

· danach: 2.000,- €

Dr. G2xxxxxxx
Vors. Richter am Landgericht

N1xxxxx

ist urlaubsbedingt an der Unterschriftsleistung gehindert.

Dr. G2xxxxxxx
V1xxxxx