Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3372
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. März 2024, Az. 4c O 7/23
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,
a) mehrschichtige Trägerelemente für die Herstellung von Werbematerialien
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
umfassend
a) eine Folie mit einer Oberfläche, welche eine Rautiefe von mindestens 10 µm aufweist,
b) eine nicht-elastische Schicht und
c) eine Haftvermittlerschicht,
wobei auf die Oberfläche eine Farbschicht zur Ausgestaltung eines Werbemotivs aufgebracht ist;
und/oder
b) mehrschichtige Trägerelemente für die Herstellung von Werbematerialien
in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder zu liefern,
die zum Aufbringen einer Farbschicht zur Ausgestaltung eines Werbemotivs geeignet sind,
umfassend
a) eine Folie mit einer Oberfläche, welche eine Rautiefe von mindestens 10 µm aufweist,
b) eine nicht-elastische Schicht und
c) eine Haftvermittlerschicht;
2. dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2020 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
wobei
zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3. dem Kläger darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 1. Januar 2020 begangen hat, und zwar unter Angabe:
a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt dem Kläger einem von dem Kläger zu bezeichnenden, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, dem Kläger auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 1. Januar 2020 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer I.1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 400.000,00 EUR, hinsichtlich Ziffer I.2 und I.3 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR sowie hinsichtlich Ziffer III. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. - Tatbestand
- Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach aus behaupteter unmittelbarer und mittelbarer Patentverletzung in Anspruch (EP 1 677 XXA B1).
- Der Kläger ist eingetragener Inhaber des europäischen Patents EP 1 677 XXA B1 (Anlage K 8, im Folgenden „Klagepatent“). Das Klagepatent wurde am 02. November 2004 angemeldet und nimmt eine Priorität vom 31. Oktober 2003 in Anspruch. Die Anmeldung wurde am 12. Juli 2006 und der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents am 2. September 2009 veröffentlicht. Das Klagepatent steht mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft.
- Die B AG, eine in der Schweiz ansässige Zulieferin der Beklagten, hat gegen das Klagepatent Nichtigkeitsklage erhoben (Az. 3 Ni 27/19 (EP) beim Bundespatentgericht, Urteil vom 28. Juli 2021 (Anlage K 9)). Der Bundesgerichtshof hat letztinstanzlich mit Urteil vom 12. Dezember 2023 (Az. X ZR 127/21) das Klagepatent eingeschränkt aufrechterhalten.
- Das Klagepatent betrifft ein Trägerelement für die Herstellung von Werbematerialien. Anspruch 1 des Klagepatents lautet in der maßgeblichen Fassung, die er durch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 12. Dezember 2023 erfahren hat:
-
„Mehrschichtiges Trägerelement für die Herstellung von Werbematerialien umfassend
a) eine Folie (1) mit einer Oberfläche (2), welche eine Rautiefe von mindestens 10 µm aufweist,
b) eine nicht-elastische Schicht (3) und
c) eine Haftvermittlerschicht (4),
wobei auf die Oberfläche (2) eine Farbschicht (6) zur Ausgestaltung eines Werbemotivs aufgebracht ist.“ - Folgende Figur ist der Klagepatentschrift zur Veranschaulichung der erfindungsgemäßen Lehre entnommen:
- Die Figur zeigt ein mehrschichtiges Trägerelement gemäß der erfindungsgemäßen Lehre. Auf die Oberfläche (1) der Folie (2) (Bezugszeichen in der Klagepatentschrift vertauscht, siehe Abs. [0037]) ist eine Farbe (6) aufgebracht. Bei dieser Farbe kann es sich um die Ausgestaltung eines beliebigen Werbemotivs handeln. Die Folie (2) ist ihrerseits auf die nicht-elastische Schicht (3) aufgetragen. Zur Haftung an den gewünschten Untergründen ist auf die Schicht (3) wiederum eine Haftvermittlerschicht (4) aufgebracht. Die Haftvermittlerschicht (4) wird vor der Anwendung des erfindungsgemäßen mehrschichtigen Trägerelements mittels eines Trägermaterials (5) geschützt. Vor dem Auftrag des mehrschichtigen Trägerelements wird dieses Trägermaterial (5) abgezogen.
- Beide Parteien sind im Markt für Trägerelemente, auf denen Farben unter anderem für die Herstellung von Werbematerialien aufgebracht werden können oder aufgebracht sind, tätig. Ein wichtiger Markt sind sogenannte Asphaltklebefolien, die für einen gewissen Zeitraum (bis zu mehreren Wochen) auf Asphalt- oder Pflasteruntergründen aufgeklebt werden und gegebenenfalls bedruckt sind, beispielsweise mit Werbemotiven oder Hinweistexten.
- Der Kläger vertreibt derartige Asphaltklebefolien unter der Bezeichnung „C“ und bewirbt diese z. B. auf seiner Internetseite www.C.de.
- Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite www.igepa.de Asphaltklebefolien unter der Bezeichnung „D“ (nachfolgend „angegriffene Ausführungsform“) an. Diese Asphaltklebefolien bezieht die Beklagte von der B AG mit Sitz in der Schweiz. Diese stellt die angegriffene Ausführungsform in unbedrucktem Zustand her, in welchem die Beklagte diese auch in diesem Zustand an ihre Endkunden vertreibt. Die Endkunden der Beklagten versehen die angegriffene Ausführungsform dann entsprechend ihrem jeweiligen Bedarf mit Werbemotiven oder Aufschriften. Das Bedrucken gerade mit Werbemotiven stellt das Hauptanwendungsgebiet der angegriffenen Ausführungsform dar. Der Beklagten ist dabei bewusst, dass ihre Kunden die nach dem 31. Dezember 2019 erworbenen angegriffenen Ausführungsformen mit Werbemotiven bedruckt haben.
- Zwischen dem Kläger und der Rechtsvorgängerin der B AG, der EAG, bestand ein Lizenzvertrag hinsichtlich der Nutzung der Lehre des Klagepatents, welcher mit Ablauf des 31. Dezember 2019 auslief. Der Kläger hat die Beklagte mit E-Mail vom 14. November 2019 (Anlage K 7a) auf die nicht mehr bestehende Lizensierung hingewiesen.
- Der Kläger hat die angegriffene Ausführungsform mikroskopisch von der F. GmbH untersuchen lassen (Untersuchungsbericht vom 04. Oktober 2021 als Anlage K 15).
- Dieser Untersuchung entstammt folgende Abbildung:
- (Untersuchungsbericht vom 04. Oktober 2021 (Anlage K 15), S. 6, Hervorhebungen durch das vom Kläger beauftragte Analyseunternehmen)
- Die angegriffene Ausführungsform weist dabei folgende Schichtdicken auf (entsprechend der obigen Abbildung, von rechts nach links):
-
Weiße Papierschutzfolie ca. 150 µm
Klebeschicht ca. 25 µm
Aluminiumschicht ca. 90 µm
Weiße Polymerschicht (Kunststoff) mit Glaskugeln zwischen 25 und 200 µm - Die stark variierende Dicke der weißen Polymerschicht ist dabei davon abhängig, ob an der entsprechenden Stelle eine Glaskugel eingelagert ist oder nicht.
- Zudem hat die Zulieferin der Beklagten die angegriffene Ausführungsform von dem Institut für Kunststofftechnik der Universität Stuttgart untersuchen lassen (Gutachten Anlage K 17).
- Nachfolgende Darstellungen entstammen dieser zweiten Untersuchung.
- Bei Draufsicht auf die angegriffene Ausführungsform sind die weiße Polymerschicht sowie die eingebrachten Glaskugeln erkennbar:
- (Untersuchungsbericht vom 02. November 2021 (Anlage K 17), S. 5; Anmerkungen durch die Universität Stuttgart)
- Der mehrschichtige Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist in nachfolgender Querschnittsansicht ersichtlich:
- (Untersuchungsbericht vom 02. November 2021 (Anlage K 17), S. 7, Anmerkungen durch die Universität Stuttgart)
- Die Untersuchung der Universität Stuttgart umfasst auch die Bestimmung der Rauigkeit.
- Diese ist auf nachfolgender Messdarstellung ersichtlich:
- (Untersuchungsbericht vom 02. November 2021 (Anlage K 17), S. 14, Anmerkungen durch die Universität Stuttgart)
- Die Rauheit der Oberfläche bei der Deckschicht unter Einbeziehung der Glaskugeln beträgt deutlich mehr als 10 µm (ersichtlich anhand der Farbcodierung). Für die Einzelheiten der Oberflächenmessung wird auf den Untersuchungsbericht vom 02. November 2021 (Anlage K 17), Seiten 14 ff., verwiesen.
- Der Kläger ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform mache von der Lehre des Klagepatents – auch vor dem Hintergrund der vom Bundesgerichtshof erfolgten Neufassung des Anspruchs – sowohl unmittelbar als auch mittelbar wortsinngemäß Gebrauch. Als Folie im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre sei auch eine nicht selbsttragende Beschichtung zu verstehen. Auf die Fähigkeit, selbsttragend zu sein, komme es der erfindungsgemäßen Lehre nicht an. Eine unmittelbare Verwirklichung durch die Beklagte hindere nicht, dass diese die angegriffene Ausführungsform nur unbedruckt vertreibe. Denn die Bedruckung mit Werbemotiven durch die Abnehmer der Klägerin sei ihr zuzurechnen.
- Der Kläger beantragt,
- zu erkennen, wie geschehen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Die Beklagte ist der Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die Lehre des Klagepatents weder mittelbar noch unmittelbar. Als Folie im Sinne der erfindungsgemäßen Lehre komme nur ein selbsttragendes Produkt in Betracht. Diese Eigenschaft sei ein wesentliches Charakteristikum von Folien und grenze diese von bloßen Beschichtungen ab, die ohne Substrat nicht in der Lage seien, sich selbst zu tragen. Dieses Verständnis ergebe sich aus dem vom Klagepatent in Bezug genommenen Stand der Technik sowie aus dem allgemeinen Verständnis des Fachmanns.
- Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. Februar 2024 verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist begründet.
- Sie ist insbesondere auch im Umfang der zuletzt gestellten Anträge zulässig. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2024 hat der Kläger kumulativ zur unmittelbaren eine mittelbare Patentverletzung geltend gemacht. Dies stellt eine nachträgliche objektive Klagehäufung dar (da unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen, vgl. Kühnen, Hbd. d. Patentverletzung, 16. Aufl. 2024, Kap. A Rn. 591), die vorliegend zulässig, insbesondere auch sachdienlich, ist, §§ 260, 263 ZPO.
- I.
- Das Klagepatent betrifft ein Trägerelement für die Herstellung von Werbematerialien.
- Herkömmliche Werbematerialien umfassten gedruckte Papierbahnen und Folien, welche an entsprechenden Werbewänden festgelegt würden. Dabei sei das Erreichen und Beibehalten einer sicheren Verbindung zwischen dem bedruckten Papier und der als Untergrund benutzten Plakatwand wichtig, was im Allgemeinen nur dann zu erreichen sei, wenn die als Untergrund benutzte Plakatwand dem unmittelbaren Zugriff von Passanten entzogen sei oder ein solcher nur mit bewusster Zerstörungsabsicht erfolgen könne. Dies bedinge die Aufstellung von als Untergrund benutzten Plakatwänden an entsprechend geschützten Orten. Im Stand der Technik sei indes bereits vorgeschlagen worden, besondere Werbematerialien einzusetzen, welche auch auf frei zugänglichen Untergrundbereichen wie etwa Straßen oder Wegen aufgebracht werden könnten. Dabei sei mit Blick auf den unvermeidlichen und unerwünschten Abrieb des Werbemotivs vorgeschlagen worden, Werbematerialien mit einer Laminatstruktur einzusetzen, bei denen das Werbemotiv von einer Schutzschicht abgedeckt sei. Dies sei allerdings mit hohen Kosten verbunden (Abs. [0002]).
- Aus der europäischen Patentschrift 0 569 XXB B1 (Anlage K 11; im Folgenden „EP XXB“) sei ein selbstklebendes Oberflächenbelagmaterial bekannt, die Möglichkeit der Aufbringung auf Untergrundbereiche wie Wege oder Straßen und die damit einhergehenden Probleme würden jedoch nicht angesprochen (Abs. [0003]). Die DE 4 129 XXC A1 (Anlage K 12; im Folgenden „DE XXC“) beschreibe folienförmige Wechseldekorelemente, welche jedoch für die Schaufensteraußengestaltung ausgelegt seien (Abs. [0004]).
- Vor diesem Hintergrund stellt sich das Klagepatent die Aufgabe (Abs. [0005]) Trägerelemente für die Herstellung von Werbematerialien bereitzustellen, welche auf Untergründe wie Straßen, Wege und dergleichen aufbringbar sind. Dabei sollen die Trägerelemente sowohl eine hohe Abriebbeständigkeit des Werbemotivs gewährleisten wie auch unter den üblichen Umwelteinflüssen, insbesondere Temperaturbedingungen, haltbar und zudem ohne Beschädigung des Untergrunds wieder abziehbar sein.
-
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
1. Mehrschichtiges Trägerelement
1.1 für die Herstellung von Werbematerialien umfassend
2 a) eine Folie (1)
2.1 mit einer Oberfläche (2), welche eine Rautiefe von mindestens 10 µm aufweist,
3 b) eine nicht-elastische Schicht (3) und
4 c) eine Haftvermittlerschicht (4),
5 wobei auf die Oberfläche (2) eine Farbschicht (6) zur Ausgestaltung eines Werbemotivs aufgebracht ist. - II.
- Zwischen den Parteien ist ausschließlich die Bedeutung des Merkmals 2 streitig.
- Das mehrschichtige Trägerelement (Merkmal 1) umfasst gemäß Merkmal 2 unter anderem eine Folie (1). Folien im Sinne der klagepatentgemäßen Lehre sind dabei nicht lediglich selbsttragende Schichten. Auch wenn der vom Klagepatent in Bezug genommene Stand der Technik selbsttragende Folien beschreibt, sind dem Klagepatent keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes Verständnis zu entnehmen. Im Einzelnen:
- Das Klagepatent selbst verwendet den Begriff der Folie zwar vielfach, macht jedoch zu dessen näherem Verständnis keine konkreten Angaben.
- Der in Bezug genommene Stand der Technik verwendet den Begriff der Folie implizit lediglich für selbsttragende Elemente, ohne jedoch insoweit eine ausdrückliche Definition vorzunehmen. So verweist das Klagepatent auf ein aus der EP XXB bekanntes selbstklebendes dekoratives Oberflächenbelag-Laminat in Folienform, welches unter anderem einen Harzfilm umfasst. Die EP XXB unterscheidet zwischen Harzfilm und Harzfolie, wobei ersterer sich nicht selbst trägt. Weiter verweist das Klagepatent auf die DE XXC, welche folienförmige Wechseldekorelemente beschreibt. Für beide Druckschriften ergibt sich aus dem jeweiligen Verwendungszweck der als folienförmig beschriebenen Materialien, dass diese selbsttragend sein müssen. In Abs. [0008] wird weiter auf die EP 0 617 XXD M1 Bezug genommen, welche sich mit der Herstellung selbsttragender Folien beschäftigt.
- Trotz dieses in Bezug genommenen Standes der Technik ist dem Klagepatent die Beschränkung des Begriffes Folie auf lediglich selbsttragende Folien nicht zu entnehmen und auch folienartige nicht selbsttragende Beschichtungen sind als anspruchsgemäß zu erachten.
- Merkmale eines Patentanspruchs müssen aus der Patentschrift, die insoweit ihr eigenes Lexikon darstellt, selbst heraus ausgelegt werden (BGH, GRUR 2005, 754 – werkstoffeinstückig). Ein vom allgemeinen oder fachmännischen Sprachgebrauch abweichendes Begriffsverständnis kommt dabei nicht nur dann in Betracht, wenn der Beschreibungstext durch eine explizite Definition deutlich macht, dass ein bestimmter Begriff des Patentanspruchs in einem bestimmten, vom Üblichen abweichenden Sinne verstanden wird (OLG Düsseldorf, GRUR-RS 2011, 26945 Rz. 16 – Wärmedämmelement). Die Divergenz zum allgemeinen Sprachgebrauch kann sich für den mit der Patentschrift befassten Durchschnittsfachmann auch aus dem gebotenen funktionsorientierten Verständnis der Anspruchsmerkmale ergeben, wie sie grundsätzlich angebracht ist, nämlich dadurch, dass Merkmale und Begriffe eines Patentanspruchs innerhalb des durch die gebrauchten Worte als solche gezogenen Rahmens so zu deuten sind, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH GRUR 2009, 655 – Trägerplatte; OLG Düsseldorf aaO, Rz. 16 – Wärmedämmelement). Dies gilt nicht nur dann, wenn das Klagepatent von einem zum Prioritätszeitpunkt allgemein herrschenden Fachverständnis, sondern ebenso, wenn das Klagepatent von einem in dem in Bezug genommenen Stand der Technik implizit verwendeten Fachverständnis terminologisch abweicht. Denn zwar hat der in Bezug genommene Stand der Technik ohne Zweifel indizielle Bedeutung im Rahmen der Auslegung (vgl. BGH GRUR 2007, 410, 414 Rz. 25 – Kettenradanordnung; GRUR 2022, 1049, 1050, Rn. 15 – Fahrerlose Transporteinrichtung). Indessen kann auch insoweit die durch den offenbarten Erfindungsgedanken zugedachte technische Funktion ein anderes Begriffsverständnis nahelegen.
- Gemessen an diesem Maßstab ist der Begriff der Folie nach der klagepatentgemäßen Lehre nicht auf selbsttragende Folien zu beschränken. Vielmehr sind auch nicht selbsttragende Folien – Beschichtungen nach der Terminologie der Beklagten – Folien im Sinne des Klagepatents.
- Das Klagepatent verbindet mit der Verwendung einer Folie als oberste Schicht des mehrschichtigen Trägerelements verschiedene technische Vorteile. So sorgt die Verwendung einer Folienoberfläche mit einer gewissen Rautiefe für eine trittfeste und rutschsichere Oberfläche (Abs. [0010]).
- Es heißt in Abs. [0012]:
- „Damit eignet sich die Folie ganz besonders für das abriebfeste Aufbringen von weiteren Schichten, insbesondere von Farbschichten. Denn die Rauhigkeit der Oberfläche bewirkt eine Verzahnung der Oberfläche mit derjeweiligen Farbschicht, so daß die Festigkeit und damit die Abriebfestigkeit der Farbe entscheidend erhöht wird. Abgesehen davon kommt es überraschenderweise zu einer Erhöhung der Farbbrillanz.“
- Es wird also durch eine entsprechend raue Folie eine besondere Eignung der Oberfläche für das besonders abriebfeste Aufbringen von weiteren Schichten, insbesondere Farbschichten, geschaffen.
- Weiter erörtert Abs. [0014] die vorteilhaften Eigenschaften einer klagepatentgemäßen Folie:
- „Die beschriebenen Folien a) ermöglichen insbesondere infolge ihrer Rauhigkeit und Oberflächenenergie sowie ihrer inherent vorhandenen Polarität und ihres molekularen Aufbaus eine intensive Verbindung mit aufgebrachten Farben. Dadurch läßt sich eine Beständigkeit insbesondere gegen Feuchtigkeit, Licht, Temperatur, Chemikalien und chemische Einflüsse erreichen. Diese Eigenschaften werden ohne zusätzliche kostenverursachende Behandlung der Oberfläche der Folie erreicht. Im Einzelfall können die oben beschriebenen Eigenschaften durch eine nachträgliche Korona-Behandlung oder durch eine Grundierung erreicht werden.“
- Die klagepatentgemäße Lehre verbindet damit mit den verschiedenen Eigenschaften der Folie, insbesondere ihrer Rauigkeit, Oberflächenenergie, der inherent vorhandenen Polarität und des molekularen Aufbaus verschiedene Vorteile. Die Vorteilhaftigkeit der Rauheit und Polarität der Oberfläche der Folie für die Aufbringung von Farben wird erneut in Abs. [0027] hervorgehoben.
- Weiter soll das Trägerelement in seiner Gesamtheit beim Ablösen vom Untergrund nicht einreißen (vgl. Abs. [0025], Abs. [0043]). Eine Abtrennung der verschiedenen Schichten des mehrschichtigen Trägerelements sieht die klagepatentgemäße Lehre nicht vor. Eine gesonderte oder selbstständige Verwendung der Folie ist von der klagepatentgemäßen Lehre ebenfalls nicht vorgesehen. Vielmehr wird die Folie stets als Teil des mehrschichtigen Trägerelements, also insbesondere in Verbindung mit einer nicht-elastischen Schicht, angesprochen. Die Folie ist dabei auf eine nicht-elastische Schicht aufgebracht, Abs. [0015]. Die nicht-elastische Schicht beeinflusst ihrerseits entscheidend die Kontur des mehrschichtigen Trägerelements, denn sie sorgt dafür, dass bei Unebenheiten des Untergrunds, auf welchen das Trägerelement aufgebracht wird, der Gesamtverbund des Trägerelements sich dem Untergrund anpasst und in dieser angepassten Ausgestaltung verbleibt, Abs. [0015]. Damit wird der Fachmann der nicht-elastischen Schicht einen maßgeblichen Anteil der Tragfähigkeit des mehrschichtigen Trägerelements beimessen.
- Wenn sich das Klagepatent also vor diesem technischen Hintergrund auf die Eigenschaft der obersten Schicht als Folie (in Abgrenzung zum andernorts verwendeten Begriff der Schicht) festlegt, so geschieht dies vor dem Hintergrund der geschilderten positiven Eigenschaften der Folie und ihrer entsprechend ausgestalteten Oberfläche. Keine Rolle spielt hingegen die Frage, ob die oberste Schicht, die Folie, sich selbst tragen kann. Die Beschränkung auf ausschließlich selbsttragende Folien hätte vielmehr vor dem Hintergrund, dass das Klagepatent stets auf das mehrschichtige Trägerelement, das auch eine nicht-elastische Schicht beinhaltet, als Verbundmaterial abstellt, keinerlei technischen Sinn. Zu einem solchen Verständnis zwingt auch die deutsche (Verfahrens-) Sprache nicht. Denn auch aus entsprechenden Materialien bestehende Beschichtungen können sprachlich ohne weiteres als Folien bezeichnet werden. Vor dem Hintergrund der klagepatentgemäßen Lehre wird allein eine solche weite Bedeutung des Begriffs dem gebotenen funktionsorientierten Verständnis gerecht.
- Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass das Klagepatent ausdrücklich zwischen einer Folie und sonstigen Schichten des Trägerelements differenziert. Denn allein erstere wird als Folie und nicht als Schicht beschrieben. Der Begriff der Folie ist also nicht deckungsgleich mit dem einer Schicht. Vor dem Hintergrund der zahlreichen vom Klagepatent als vorteilhaft beschriebenen Eigenschaften einer entsprechenden Folie gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die klagepatentgemäße Lehre diese Differenzierung anhand der Eigenschaft der Folie als selbsttragend vornimmt.
- Ebenso wenig behilflich ist die vom Privatsachverständigen der Beklagten Prof. Dr. Ing. G vorgelegte Stellungnahme zur üblichen Terminologischen Differenzierung zwischen Beschichtungen, Folien und Platten (Anlage KAP 3). Dabei kann offen bleiben, ob der tatsächliche Sprachgebrauch in der Fachwelt wie in der Stellungnahme geschildert zwischen Folien und Beschichtungen differenziert. Denn die Begrifflichkeiten der klagepatentgemäßen Lehre folgen, wie bereits dargestellt, anderen Grundsätzen.
-
III.
Die angegriffene Ausführungsform in unbedruckter Form macht mit Ausnahme des Merkmals 5 Gebrauch von der Lehre des Klagepatents. Durch die bestimmungsgemäße Bedruckung der angegriffenen Ausführungsform durch die Abnehmer der Klägerin mit Werbemotiven verwirklicht die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale der Lehre des Klagepatents. -
1.
Der Aufbau der angegriffenen Ausführungsform ist unstreitig und nachfolgend als Schnittdarstellung wiedergegeben: - (Untersuchungsbericht vom 04. Oktober 2021 (Anlage K 15), S. 6, Hervorhebungen durch das vom Kläger beauftragte Analyseunternehmen)
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2.
Die angegriffene Ausführungsform macht Gebrauch von Merkmal 2. Über die Eigenschaft als selbsttragend hinaus steht die Folieneigenschaft der oberen Schicht nicht zwischen den Parteien im Streit. -
3.
Die angegriffene Ausführungsform macht auch Gebrauch von den Merkmalen 1., 1.1, 2.1, 3. und 4. - Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um ein mehrschichtiges Trägerelement für die Herstellung von Werbematerialien (Merkmal 1., 1.1). Die links in der Abbildung ersichtliche Schicht weist an ihrer von der nicht-elastischen Schicht abgewandten Oberfläche unter Berücksichtigung der eingebrachten Glaskugeln eine Rautiefe von mehr als 10 µm auf (Merkmal 2.1), wie sich aus dem Untersuchungsbericht der Universität Stuttgart ergibt und überdies zwischen den Parteien unstreitig ist. Die Aluminiumschicht der angegriffenen Ausführungsform ist eine nicht-elastische Schicht (Merkmal 3). Die an die Aluminiumschicht angrenzende Klebeschicht stellt eine Haftvermittlerschicht dar (Merkmal 4).
-
4.
In unbedrucktem Zustand mangelt es an der Verwirklichung von Merkmal 5 durch die angegriffene Ausführungsform. - Soweit die Abnehmer der Beklagten die angegriffene Ausführungsform mit Werbemotiven bedrucken, erfolgt diese Bedruckung bestimmungsgemäß auf der Oberfäche der Folie, welche eine entsprechende Rautiefe aufweist. Damit verwirklicht die angegriffene Ausführungsform nach der Bedruckung mit einem Werbemotiv auch Merkmal 5 und somit sämtliche Merkmale der klagepatentgemäßen Lehre.
-
5.
Damit kann eine unmittelbare Patentverletzung durch die Beklagte festgestellt werden, § 9 PatG. - Es ist anerkennt, dass bei einem Kombinationspatent eine Verletzungshandlung im Regelfall nur vorliegt, wenn die Gesamtkombination geliefert wird. Wer nur einzelne Komponenten einer Gesamtvorrichtung liefert und damit nicht alle Anspruchsmerkmale verwirklicht, kann hingegen grundsätzlich nur wegen mittelbarer Patentverletzung haftbar sein, weil andernfalls die gesetzliche Regelung des § 10 PatG umgangen werden würde und weil eine Unterkombination nicht geschützt ist (BGH, GRUR 2007, 1059 – Zerfallszeitmessgerät; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.2.2014 – 2 U 93/12, BeckRS 2014, 05736 – Folientransfermaschine; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung , 16. Aufl., Kap. A Rn. 158 f., jew. mwN).
- Gleichwohl kommt bei einem Kombinationspatent ausnahmsweise eine unmittelbare Patentverletzung in Betracht, wenn erst die Zutat eines Dritten die patentgeschützte Kombination ergibt. Das setzt allerdings voraus, dass bei der Lieferung eines Teils einer Gesamtvorrichtung das angebotene oder gelieferte Teil bereits alle wesentlichen Merkmale des geschützten Erfindungsgedankens aufweist und es zu seiner Vollendung allenfalls noch der Hinzufügung selbstverständlicher Zutaten bedarf, die für die im Patent unter Schutz gestellte technische Lehre unbedeutend sind, weil sich in ihnen die eigentliche Erfindung nicht verkörpert hat (für das PatG 1968: BGH, GRUR 1977, 250 – Kunststoffhohlprofil; BGH, GRUR 1982, 165 – Rigg; für das aktuelle PatG 1981: OLG Düsseldorf, InstGE 13, 78 – Lungenfunktionsmessgerät, mwN auch zur Gegenansicht; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.2.2014 – 2 U 93/12, BeckRS 2014, 05736 – Folientransfermaschine).
- Dies ergibt sich bei einer wertenden Betrachtung des Sachverhalts unter Zurechnungsgesichtspunkten: Würde ein Dritter die fehlende Zutat liefern, so läge eine gemeinsam begangene unmittelbare Patentverletzung vor. Damit wertungsgemäß vergleichbar ist es jedoch, wenn sich der Abnehmer bereits im Besitz der fehlenden (Allerwelts)Zutat befindet oder er sich diese im Anschluss an die fragliche Lieferung mit Sicherheit besorgen wird, um sie mit dem gelieferten Gegenstand zur patentgeschützten Gesamtvorrichtung zu kombinieren. Der Handelnde macht sich dann mit seiner Lieferung die Vor- oder Nacharbeit seines Abnehmers bewusst zu Eigen, was es rechtfertigt, ihm diese Vor- oder Nacharbeit so zuzurechnen, als hätte er die Zutat selbst mitgeliefert (OLG Düsseldorf, InstGE 13, 78 – Lungenfunktionsmessgerät). Das gilt ebenso, wenn ein letzter Herstellungsakt zwar vom Abnehmer vollzogen, er dabei aber als Werkzeug von dem Liefernden gesteuert wird, indem er ihm zB entsprechende Anweisungen und Hilfsmittel an die Hand gibt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.2.2011 – 2 U 102/09, BeckRS 2011, 08368). Aus den vorstehenden Erwägungen ergeben sich gleichzeitig die Grenzen, unter denen dem Liefernden ergänzende Maßnahmen des Abnehmers zur Herstellung einer patentgeschützten Gesamtvorrichtung als unmittelbare Patentverletzung zurechenbar sein können: Es muss sich um eine für den Erfindungsgedanken nebensächliche Zutat handeln und der Abnehmer muss sie der Vorrichtung selbstverständlich und mit Sicherheit hinzufügen.
- Entsprechendes kann vorliegend festgestellt werden. Die Bedruckung an sich stellt für die Erfindung eine nebensächliche Zutat dar, vielmehr kommt es der klagepatentgemäßen Lehre auf die Beschaffenheit der bedruckbaren obersten Schicht an. Auch ist eine Bedruckung durch die Abnehmer mit Sicherheit zu erwarten.
- IV.
- Auch die weiteren Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung sind gegeben, § 10 PatG i. V.m. Art. 64 EPÜ.
- Die Beklagte hat die unbedruckte angegriffene Ausführungsform ihren nicht zur Benutzung der Erfindung berechtigten Abnehmern gegenüber beworben und geliefert. Da die Beklagte ihre Produkte auch im Inland an inländische Abnehmer anbietet, die damit auf dem deutschen Markt tätig werden, ist der für § 10 PatG erforderliche doppelte Inlandsbezug gegeben.
- Die angegriffene Ausführungsform stellt auch ein Mittel im Sinne des § 10 PatG dar, welches sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht. Die unbedruckte angegriffene Ausführungsform stellt als mehrschichtiges Trägerelement ein geeignetes Mittel dar. Diese ist auch dafür geeignet und gedacht, unter anderem mit Werbemotiven bedruckt zu werden. Dies geschieht, wie zwischen den Parteien auch unstreitig ist, durch das Aufbringen einer Farbschicht auf die Oberfläche des mehrschichtigen Trägerelements. Diese Farbschicht kann, neben anderen Dingen, zur Ausgestaltung eines Werbemotivs verwendet werden. Im Übrigen verwirklicht die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale der klagepatentgemäßen Lehre mit Ausnahme von Merkmal 5. Damit bezieht sich die angegriffene Ausführungsform auf ein wesentliches Element der Erfindung.
- Es ist auch aufgrund der Umstände offensichtlich, dass die angegriffene Ausführungsform dazu geeignet und bestimmt ist, jedenfalls von einem Teil ihrer Abnehmer für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden.
- So ergibt sich aus dem von der Herstellerin erstellten Datenblatt der angegriffenen Ausführungsform (Anlage K 3) als eine mögliche Anwendung die Darstellung einer Automarke auf dem Straßenbelag wie nachfolgend gezeigt.
- Beide Darstellungen haben werbenden Charakter und stellen damit eine Verwirklichung auch des Merkmals 5 dar. Zudem legen die im Datenblatt genannten Anwendungsbeispiele wie Fußgängerzonen oder Autohäuser und Ausstellungsräume eine Verwendung der angegriffenen Ausführungsform für die Benutzung der Erfindung nahe. Es ist auch offensichtlich, dass ein Produkt für die in einem vom Hersteller herausgegebenen Datenblatt angegebenen Nutzungsmöglichkeiten geeignet und auch bestimmt ist. Zudem kennt die Beklagte die Eignung und Bestimmung der angegriffenen Ausführungsform zur Bedruckung mit Werbemotiven.
- V.
- Aufgrund der Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre durch die angegriffene Ausführungsform bestehen die folgenden Rechtsfolgen.
- Die Beklagte schuldet Unterlassung, §§ 139 Abs. 1, 9 S. 1, S. 2 Nr. 1, 10 PatG i. V.m. Art. 64 EPÜ. Durch die festgestellten Patentverletzungen besteht die tatsächliche Vermutung (vgl. Schulte/Voß, PatG, 11. Aufl. 2022, § 139 Rn. 54) einer Begehung der im Tenor genannten Begehungsformen, die vorliegend nicht erschüttert ist. Es ist nicht vorgetragen, dass eine patentfreie Verwendungsmöglichkeit in Betracht kommt, so dass auch mit Blick auf eine mittelbare Patentverletzung ein Schlechthinverbot auszusprechen war (zur Darlegungslast insoweit OLG Düsseldorf GRUR-RS 2022, 1513 Rn. 21; Kühnen, Hdb. d. Patentverletzung, 16. Aufl. 2024, Kap. A Rn. 646 BeckOK PatR/Voß, 30. Ed. 15.10.2023, PatG Vor §§ 139–142b Rn. 129).
- Die Beklagte trifft ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagte als Fachunternehmen bzw. deren Geschäftsführer hätten bei Anwendung der von ihnen im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Der Kläger hat die Beklagte auch mit E-Mail vom 14. November 2019 (Anlage K7a) auf die Kündigung des Lizenzvertrags mit der B AG hingewiesen.
- Für die Zeit ab Wegfall der Lizenz schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher dem Kläger entstanden ist und noch entstehen wird, § 139 Abs. 2 PatG i. V.m. Art. 64 EPÜ.
- Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, der Kläger nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagten hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
- Um den Kläger in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, §§ 140b PatG, 259, 242 BGB i. V.m. Art. 64 EPÜ.
- VI.
- Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
- Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt, § 51 Abs. 1 GKG.
