4 O 157/00 – Spundfass

Düsseldorfer Entscheidung Nr.: 45

Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 14. Februar 2002, Az. 4 O 157/00

I.

Die Beklagten werden verurteilt,

1.

es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,– DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

Spundfässer aus thermoplastischem Kunststoff mit einem im Nahbereich des Oberbodens an der Faßwandung angeordneten umlaufenden Trage- und Transportring und mit wenigstens einem im Randbereich des Oberbodens angeordneten Spundlochstutzen, der in einem Spundlochstutzengehäuse derart eingesenkt ist, dass die Stirnfläche des Spundlochstutzens bündig mit oder geringfügig unterhalb der Außenfläche des Oberbodens abschließt,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen, oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen der Oberboden zusätzlich zum bzw. neben dem Spundlochstutzengehäuse ein im wesentlichen kreisabschnittsförmiges Flächenteil bzw. eine Abschrägung aufweist, die symmetrisch beidseitig zum Spundlochstutzen ausgebildet ist und – in Normalpoisiton des Fasses betrachtet – flach schräg nach innen in den Faßkörper abgeschrägt verlaufend eingezogen ist, wobei die Abschrägung ihre tiefste Stelle auf der Seit des Faßmantels im Nahbereich des Spundlochstutzens aufweist und dort in die tiefer liegende Ebene des Spundlochstutzengehäusebodens bzw. in den Spundlochstutzen einmündet,

wobei Fässer gemäß den Spezifikationen der nachstehenden VCI-Rahmenbedingungen ausgenommen sind:

und zwar selbst dann, wenn deren Gewicht von dem angegebenen Gewichtsbereich abweicht.

2.

Der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen geordneten Verzeichnisses darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 29.01.1994 (auch für die Zeit nach der mündlichen Verhandlung) begangen haben, und zwar unter Angabe

a)

der Herstellungsmengen und –zeiten der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteler, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,

b)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und –preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

d)

der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

e)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns.

II.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter I. 1. bezeichneten, seit dem 29.01.1994 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entsteht.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

IV.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,– DM vorläufig vollstreckbar.

Es bleibt nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch Bürgschaft einer Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse mit dem Sitz in der Europäischen Union zu erbringen.

V.

Streitwert: 500.000,– DM.

Tatbestand :

Die Klägerin, die eingetragene Inhaberin des deutschen Anteils des europäichen Patents 0 515 390 (nachfolgend: Klagepatent) ist, nimmt die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch.

Anfang des Jahres 1990 forderte der Verband der chemischen Industrie (VCI) die auf dem deutschen Markt maßgeblichen Faßhersteller auf, verbresserte restentleerbare Spundfässer zu entwickeln. Es fand sich eine Arbeitsgruppe bestehend aus mehrren Faßherstellern und mehreren Chemiefirmen zusammen, um gemeinsam nach einer Lösung für ein Kunststoff-Spundfaß mit verbessertem Restentleerungsverhalten zu suchen. Für die Chemieindustrie waren in dieser Arbeitsgruppe die Firmen B6xxx, B5xx, H3xxxxx und H2xx und für die Faßhersteller die Firmen K3xxxx-W1xxx, S3xxxx, v2x L1xx und die Klägerin vertreten. Die Arbeitsgruppe entschied sich für den vond er Klägerin unterbreiteten Vorschlag des restentleerbaren Spundfasses, der Gegenstand des Klagepatentes ist, und arbeitete die nachstehend wiedergegebenen „VCI-Rahenbedingungen für das neue L-Ring-Faß Stand: 31. Juli 1990“ aus:

Mit Telefaxschreiben vom 6. August 1990 erklärte die Klägerin unter Bezugnahe auf die VCI-Rahmenbedingungen für das neue L-Ring-Faß Folgendes:

Zu Punkt 11:

Zu Punkt 11 gibt die Firma M1xxxx folgende Erklärung ab:

„M1xxxx wird alle eurpäischen Schutzrechte, die das neue L-Ring-Faß betreffen, den Firmen

K3xxxx

v2x L1xx und

S3xxxx

zugänglich machen, soweit Rechte Dritter hierdurch nicht verletzt werden.

Auf Initiative der Beklagten wurde in einer späteren Besprechung im Hause der o2xxxx AG am 7. August 1996, an der die Unternehmen B5xx AG, B6xxx AG, H3xxxxx AG, M1xxxx W1xxx, S3xxxx W1xxx und v2x L1xx teilnahmen, gemeinsam beschlossen, das L-Ring Faß unabhängig von seinem Gewicht von 8,3 bis 8,6 kg freizustellen. Nachstehend wiedergegeben ist die Gesprächsnotiz vom 8. august 1996 (Anlage B 3).

Zwichen den Beteiligten konnte – wie aus der Ziffer 2 des Gesprächsvermerks zu entnehmen ist – keine Übereinstimmung dahingehend erzielt werden, ob auch das 120 l Ringfaß unter die von der Klägerin gewährte Freistellung falle.

Das Klagepatent wurde von der Klägerin am 21. Dezember 1990 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 15. Februar 1990 angemeldet. Die Veröffentlichung der Patentanmeldung erfolgte am 2. Februar 1992. Die Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung und der Patentschrift erfolgte am 29. Dezember 1993.

Anspruch 1 des Klagepatents lautet wie folgt:

„Spundfässer aus thermoplastischem Kunststoff mit einem im Nahbereich des Oberbodens (12) an der Faßwandung (22) angeordneten umlaufenden Trage- und Transportring (30) und mit wenigstens einem im Randbereich des Oberbodens (12) angeordneten Spundlochstutzen (16), der in einem Spundlochstutzengehäuse (18) derart eingesenkt ist, dass die Stirnfläche des Spundlochstutzens (16) bündig mit oder geringfügig unterhalb der Außenfläche des Oberbodens (12) abschließt,

dadurch gekennzeichnet,

dass der Oberboden (12) zusätzlich zum bzw. neben dem Spundlochstutzengehäuse (18) ein im wesentlichen kreisabschnittsföriges Flächenteil bzw. eine Abschrägung aufweist, die symmetrisch beidseitig zu Spundlochstutzen (16) ausgebildet ist und – in Normalposition des Fasses betrachtet – flach schräg nach innen in den Faßkörper abgeschrägt verlaufend eingezogen ist, wobei die Abschrägung (10) ihre tiefste Stelle auf der Seite des Faßmantels im Nahbereich des Spundlochstutzens (16) aufweist und dort in die tiefer liegende Ebene des Spundlochsutzengehäusebodens (20) bzw. in den Spundlochstutzen (16) einmündet.“

Die nachstehend wiedergegebenen Zeichnungen stamen aus der Klagepatentschrift und zeigen Ausführungsbeispiele des Fasses. Die Figur 1 zeigt ausschnittsweise ein erfindungsgemäßes Faß im Bereich des Spundloches. Die Figur 2 zeigt das in Figur 1 dargestellte Faß in gekippter Restentleerungsposition.

Die Beklagte stellt ein Spundfaß mit einem Fassungsvermögen von 120 Litern her, das, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, die Lehre des Klagepatents wortsinngemäß verwirklicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Herstellung der Spundfässer mit einem Fassungsvermögen von 120 Litern stelle eine Verletzung ihres Klageschutzrechtes dar.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt,

mit nach folgender Ergänzung zu Antrag I. 1.:

„…..und zwar selbst dann, wenn deren Gewicht von dem

angegebenen Gewichtbereich abweicht.“

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, ihnen sei mündlich im Jahre 1997 die lizenzfreie Herstellung und Lieferung sämtlicher Versionen des VCI-Fasses gestattet worden. Am 1. September 1997 sei es im Hause der Beklagten zu einem Gespräch zwischen Herrn Dr. S7xxxxxxx und Herrn P3xx, beide damals Mitarbeiter der Klägerin, und ihrem Geschäftsführer Herrn S3xxxx gekommen. Im Verlauf dieses Gespräches habe Herr Dr. S7xxxxxxx bestätigt, dass die Beklagte für L-Ringfässer gemäß VCI-Rahmenbedingungen generell, das heißt unabhängig von der Füllmenge, also auch für die 120 l Version, keine Lizenz zahlen müsse.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 5. April 2001 (Bl. 41/42 GA.) durch Vernehmung der Zeugen P3xx und Dr. S7xxxxxxx; wegen des genauen Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung vom 17. Mai 2001 (Bl. 59 ff. GA) und vom 14. August 2001 (Bl. 77 ff. GA) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe :

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht aus Art. 64 EPÜ, §§ 9, 14, 139, 140 b PatG und §§ 242, 259 BGB gegen die Beklagten zu, denn die Beklagten machen mit der angegriffenen Ausführungsform ihres Spundfasses schuldhaft von der Lehre des Klagepatentes wortsinngemäß Gebrauch.
I.

Die Erfindung betrifft ein blasgeformtes Spundfass aus thermo-plastischem Kunststoff mit folgenden Merkmalen:
Spundfaß aus thermoplastischem Kunststoff

1.

mit einem im Nahbereich des Oberbodens an der Faßwandung angeordneten umlaufenden Trage- und Transportring und

2.

mit wenigstens einem im Randbereich des Oberbodens angeordneten Spundlochstutzen.

3.

Der Spundlochstutzen ist in einem Spundlochstutzengehäuse derart eingesenkt, dass die Stirnfläche des Spundlochstutzens bündig mit oder geringfügig unterhalb der Außenfläche des Oberbodens abschließt.

4.

Der Oberboden weist zusätzlich zum bzw. neben dem Spundlochstutzengehäuse ein im wesentlichen kreisabschnittsförmiges Flächenteil bzw. eine Abschrägung auf.

5.

Die Abschrägung ist symmetrisch beidseitig zum Spundlochstutzen ausgebildet.

6.

Die Abschrägung ist – in Normalposition des Fasses betrachtet – flach schräg nach innen in den Faßkörer abgeschrägt verlaufend eingezogen.

7.

Die Abschrägung weist ihre tiefste Stelle auf der Seite des Faßmantels im Nahbereich des Spundlochstutzens auf.

8.

Die Abschrägung mündet auf der Seite des Faßmantels im Nahbereich des Spundlochstutzens in die tiefer liegende Ebene des Spundlochsutzengehäusebodens bzw. in den Spundlochstutzen ein.
II.
Die angegriffene Ausführungsform macht von der Lehre des Klagepatentes wortsinngemäß Gebrauch; dies steht zwischen den Parteien außer Streit und begegnet auch keinen Bedenken.

III.

Die Benutzung ist rechtswidrig, da keine Freilizenz zwischen den Parteien vereinbart worden ist.

1.

Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass aufgrund eines Gesprächs am 1.9.1997 zwischen den Parteien eine Freilizenz vereinbart worden ist.

Für die vorgenannte streitige Behauptung haben die Beklagten den Zeugen P3xx zum Beweis angeboten. Innerhalb seiner Aussage hat er die Beauptung der Beklagten, es sei bindend eine Freilizenz von Seiten der Klägerin bzgl. des 120 Liter-Fasses erteilt worden, nicht bestätigt. Er hat vielmehr überzeugend und klar das Gegenteil ausgesagt. So hat er zum Gespräch vom 1.9.1997 bekundet, man habe sich über die Auffassung unterhalten, ob nicht auch kleinere Volumina der L-Ringfässer von der VCI-Freigaberegelung umfaßt seien. Anschließend habe der Zeuge Dr. S7xxxxxxx erklärt (Protokoll vom 14.8.2001, dort Seite 6 unten = Bl. 82 GA.), er werde den Beklagten einen schriftlichen Vorschlag unterbreiten, mit welchem beide Seiten leben könnten. Von einer Einigung hat er nichts berichtet. Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft, da er die Einzelheiten zu den Umständen des Gesprächs hinsichtlich der zeitlichen Dauer und den Gesprächsthemen wiedergeben konnte.

Für die glaubhafte Aussage des Zeugen P3xx spricht auch ihre inhaltliche Übereinstimmung mit dem Inhalt der Aussage des Zeugen Dr. S7xxxxxxx, der ebenfalls nichts von einer bereits beschlossenen Einigung berichtet hat. Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Person bestehen nicht.

Da der Beklagte bereits nicht den Beweis für seine Behauptung geführt hat, kam es nicht mehr darauf an, ob die Aussage des Zeugen Dr. S7xxxxxxx die Kammer überzeugt oder nicht.

2.
Weiterhin kann sich eine Freilizenz nicht aus der Behauptung der Beklagten herleiten lassen, nach einem Gespräch der Parteien am 7.8.1996 auf Veranlassung von namhaften Vertretern der chemischen Industrie, die gewünscht hätten, mit „Patentquerelen“ nicht behelligt zu werden, sei eine Einigung zwischen den Parteien gefunden worden. Dies habe sich darin geäußert, dass die Vertreter der Parteien geäußert hätten, sie fänden eine Eingung im Sinne der chemischen Industrie (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 20.7.2001 (dort Seite 2 = Bl. 76 GA.).

Die Beklagten leiten aus dieser Behauptung her, diese Einigung schließe selbstverständlich auch eine Verletzungsklage aus.
Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer nicht an. Denn diese Behauptung paßt nicht zum Vortrag der Beklagten, über den vorliegend Beweis erhoben worden ist. Weshalb sollte denn noch am 1.9.1997 eine Vereinbarung zwischen den Parteien über eine Freilizenz zustandegkommen sein, obwohl nach dem Vortrag der Beklagte bereits eine Einigung etwa ein Jahr zuvor, also am 7.8.1996, zustandegekommen sein soll? Diesen Widerspruch klären die Beklagten nicht auf.

Zudem folgt aus dem Wortlaut der Gesprächsnotiz vom 8.8.1996 der H3xxxxx AG (Anlage B 3, dort Seite 2 oben), dass die Parteien „keine völlige Übereinstimmung erzielen“ konnten. Bereits hieraus wird deutlich, dass kein Vertrag geschlossen worden ist. Bemerkenswert ist, dass die Notiz von einem Dritten (H3xxxxx AG) stammt und deren Mitarbeiter am Erstellungsdatum (einen Tag später) nicht von einem Vertragsschluss ausgingen; dies spricht zusätzlich gegen die Behauptung der Beklagten, eine Einigung sei vor der Türe erzielt und sodann den weiteren Gesprächsteilnehmern präsentiert worden.

IV.

Da die Beklagten nach allem widerrechtlich von der Lehre des Klagepatents Gebrauch gemacht haben, sind sie der Klägerin zur Unterlassung der Herstellung des Spundfasses mit einem Fassungsvermögen von 120 Litern verpflichtet (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs.1 PatG). Ihnen fällt zumindest ein fahrlässiges Verschulden zu Last, weshalb sie der Klägerin außerdem auf Schadensersatz haften (§ 139 Abs.2 PatG). Da die derzeitige Höhe noch nicht feststeht, besteht ein rechtliches Interesse der Klägerin daran, die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zunächst dem Grunde nach feststellen zu lassen (§ 256 ZPO). Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den Schaden der Höhe nach zu beziffern, haben die Beklagten in der aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang, Rechnung über ihre Benutzungshandlungen zu legen (§ 140 b Abs. 1 PatG, § 242, 259 BGB).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs.1 und 100 IV ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 709 Satz 1 und 108 Abs.1 ZPO.