4a O 68/21 – Aneuploidienachweisverfahren

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3341

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 5. Oktober 2023, Az. 4a O 68/21

  1. I. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen, vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, – ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den Geschäftsführern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  2. 1. ein Inkubatorsystem mit Zeitraffer-Mikroskop, welches geeignet ist zur Verwendung in einem Verfahren zum Nachweis von Aneuploidie in einem menschlichen Embryo, umfassend
    das Züchten eines menschlichen Embryos in vitro unter zur Embryoentwicklung geeigneten Bedingungen; Messen von einem oder mehreren Zell-Parametern, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus:
    der Dauer der ersten Zytokinese,
    dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2; und
    dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3 des menschlichen Embryos durch Zeitraffermikroskopie
    zum Erreichen einer Zell-Parametermessung; und Anwenden der Zell-Parametermessung zum Bestimmen, ob der menschliche Embryo aneuploid ist,
  3. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, ohne beim Angebot und/oder der Lieferung ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass das Inkubatorsystem mit Zeitraffer-Mikroskop nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Patentinhaberin des europäischen Patents EP 2 XXX XXX zum Bestimmen von Aneuploidie in menschlichen Embryonen durch Messung und Anwendung der Zellparameter der Dauer der ersten Zytokinese, des Zeitintervalls zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2 oder des Zeitintervalls zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3 des menschlichen Embryos, verwendet werden darf;
  4. 2. eine Software zur Auswertung von mittels eines Zeitraffer-Mikroskops gemessenen Zellparametern, welche geeignet ist zur Verwendung in einem Verfahren zum Nachweis von Aneuploidie in einem menschlichen Embryo, umfassend
  5. das Züchten eines menschlichen Embryos in vitro unter zur Embryoentwicklung geeigneten Bedingungen; Messen von einem oder mehreren Zell-Parametern, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus:
    der Dauer der ersten Zytokinese,
    dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2; und
    dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3 des menschlichen Embryos durch Zeitraffermikroskopie
    zum Erreichen einer Zell-Parametermessung; und Anwenden der Zell-Parametermessung zum Bestimmen, ob der menschliche Embryo aneuploid ist,
  6. Abnehmern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzubieten und/oder an solche zu liefern, ohne beim Angebot und/oder der Lieferung ausdrücklich und unübersehbar darauf hinzuweisen, dass die Software zur Auswertung von mittels eines Zeitraffer-Mikroskops gemessenen Zellparametern nicht ohne Zustimmung der Klägerin als Patentinhaberin des europäischen Patents EP 2 XXX XXX zum Bestimmen von Aneuploidie in menschlichen Embryonen verwendet werden darf, sofern die gemessenen Zellparameter die Dauer der ersten Zytokinese, das Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2 oder das Zeitintervall zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3 umfassen.
  7. II. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie, die Beklagten, die zu Ziffer I.1. und I.2. bezeichneten Handlungen seit dem 11. Oktober 2017 begangen haben und zwar unter Angabe
  8. 1. der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  9. 2. der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  10. 3. der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden;
  11. wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine, höchst hilfsweise Zollpapiere) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  12. III. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin darüber in einer mittels EDV auswertbaren elektronischen Form Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie, die Beklagten, die unter Ziffer I.1. und I.2. bezeichneten Handlungen seit dem 11. November 2017 begangen haben, und zwar unter Angabe
  13. 1. der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer
  14. 2. der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen einschließlich der Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  15. 3. der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
  16. 4. der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns;
  17. wobei
  18. – es den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
  19. IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in Ziffer I.1. und I.2. bezeichneten, seit dem 11. November 2017 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  20. V. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  21. VI. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten zu 80% und der Klägerin zu 20% auferlegt.
  22. VII. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000.000 EUR vorläufig vollstreckbar. Daneben ist der Anspruch auf Unterlassung gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000.000 EUR. Der Anspruch auf Rechnungslegung und der Anspruch auf Auskunft sind jeweils gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.500.000 EUR. Die Kostenentscheidung ist für beide Parteien gesondert vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
  23. Tatbestand
  24. Die Klägerin nimmt die Beklagten aus dem deutschen Teil des EP 2 XXX XXX B1 (nachfolgend: Klagepatent, vorgelegt mit Übersetzung in Anlage K 1 bzw. K 1a) wegen behaupteter mittelbarer wortsinngemäßer Patentverletzung auf Unterlassung, Auskunft und Rechnungslegung sowie Feststellung der Verpflichtung zum Leisten von Schadensersatz in Anspruch.
  25. Das Klagepatent mit dem Titel „XXX“ wurde am 23.02.2012 unter Inanspruchnahme der Prioritätsdaten 23.02.2011 der US XXX P und 21.09.2011 der US XXXP in englischer Verfahrenssprache angemeldet. Das Europäische Patentamt veröffentlichte am 11.10.2017 den Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents. Die eingetragene Inhaberin des Klagepatents war das „XXX” (nachfolgend: „die ehemalige Patentinhaberin“ oder „XXX“). Jedenfalls seit dem 04.05.2023 ist die Klägerin als Patentinhaberin eingetragen (Anlage K 76).
  26. Das Klagepatent steht in Kraft.
  27. Der geltend gemachte Patentanspruch 1 lautet in der englischen Verfahrenssprache des Klagepatents wie folgt:
  28. „A method of detecting aneuploidy in a human embryo comprising:
  29. (a) culturing a human embryo in vitro under conditions suitable for embryo development;
    (b) measuring one or more cellular parameters selected from the group consisting of
  30. (i) the duration of the first cytokinesis;
    (ii) the time interval between cytokinesis 1 and cytokinesis 2; and
    (iii) the time interval between cytokinesis 2 and cytokinesis 3 of said human embryo by time-lapse microscopy to arrive at a cellular parameter measurement; and
  31. (c) employing said cellular parameter measurement to determine if said human embryo is aneuploid.“
  32. In der eingetragenen deutschen Übersetzung lautet Anspruch 1 wie folgt:
  33. „Verfahren zum Nachweis von Aneuploidie in einem menschlichen Embryo, umfassend:
  34. (a) Züchten eines menschlichen Embryos in vitro unter zur Embryoentwicklung geeigneten Bedingungen;
    (b) Messen von einem oder mehreren Zell-Parametern, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus
  35. (i) der Dauer der ersten Zytokinese;
    (ii) dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2; und
    (iii) dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3 des menschlichen Embryos durch Zeitraffermikroskopie zum Erreichen einer Zell-Parametermessung; und
  36. (c) Anwenden der Zell-Parametermessung zum Bestimmen, ob der menschliche Embryo aneuploid ist.“
  37. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend Figur 5 des Klagepatents (in deutscher Übersetzung nach Anlage K 1a) verkleinert eingeblendet, die nach Abs. [0018] der Beschreibung des Klagepatents Zeitintervalle zwischen den Stadien zeigt, die für die klagepatentgemäßen Bewertungen verwendet werden können. Hierzu gehören die Dauer der ersten Zytokinese, das Zeitintervall zwischen erster und zweiter Teilung (gemessen als das Zeitintervall zwischen der Auflösung der Zytokinese 1 und dem Beginn der Zytokinese 2) und das Zeitintervall zwischen zweiter und dritter Mitose (gemessen als das Zeitintervall zwischen der Initiierung der Zytokinese 2 und der Initiierung der Zytokinese 3):
  38. Die Klägerin ist ein Unternehmen im Bereich der Reproduktionsmedizin mit Sitz im XXX und gehört zum A-Konzern.
  39. Bei der Beklagten zu 1) handelt es sich um ein in der Reproduktionsmedizin und der In-Vitro Fertilisation von menschlichen Embryos (IVF) tätiges Unternehmen mit Sitz in XXX. Die Beklagte zu 2) ist deren deutsche Niederlassung.
  40. Der Konzern der Beklagten bietet ein in verschiedenen Varianten erhältliches Inkubatorsystem „XXX“ (mit den Varianten „XXX+“, „XXX XXX“ und „XXX XXX“) an (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform I). Für nähere Informationen zur Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform I wird auf die in den Anlagen K 5 – K 11 vorgelegten Unterlagen verwiesen. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend aus dem Ausdruck von der Internetseite der Beklagten zu 1) (Anlage K 5) die nachfolgende Abbildung (von S. 18 KL = Bl. 184 GA) eingeblendet:
  41. In der angegriffenen Ausführungsform I (XXX-Inkubator) werden befruchtete Eizellen kultiviert. Die angegriffene Ausführungsform I verfügt ferner über eine integrierte mikroskopische Spezialkamera und einen Computerprozessor. Die integrierte mikroskopische Kamera fertigt alle 10 Minuten sieben bis acht Bilder von jeder befruchteten Eizelle von unterschiedlichen Schichten des Embryos an. Die angegriffene Ausführungsform I bietet also die Möglichkeit, „XXX“-Aufnahmen der inkubierten Embryonen zu erstellen und „live“ zu betrachten.
  42. Üblicherweise wird zusammen mit dem „XXX“ Inkubatorsystem (angegriffene Ausführungsform I) eine Software namens „XXX“ ausgeliefert (angegriffene Ausführungsform II).
  43. Mittels der angegriffenen Ausführungsform II (XXX) kann ein Benutzer über die Funktion „XXX“ die angefertigten Videos der dynamischen Entwicklung einzelner Embryos im Zeitraffer ansehen. Über die Funktion „XXX“ kann die eigentliche Auswertung, Analyse und Auswahl der geeignetsten Embryos erfolgen. Der XXX ermittelt mit dieser Funktion den Zeitpunkt bestimmter morphokinetischer Ereignisse. Dabei kann der Benutzer „XXX“ nach vom Benutzer definierten Kriterien erstellen. Zu den vordefinierten Variablen gehören unter anderem die Zeitpunkte der Zellteilungen in zwei Zellen (t2), in drei Zellen (t3), in vier Zellen (t4) etc. Der jeweilige Benutzer kann weiterhin die Anknüpfungspunkte für die Bildaufnahmen definieren, wie z.B. das erste Erscheinen der Teilungsfurche oder aber die Zeitpunkte der Bildaufnahmen, in denen erstmals eine deutliche Trennung der Zellmembranen zu beobachten ist.
  44. Bei der angegriffenen Ausführungsform II können die jeweils durch den Nutzer eigenständig annotierten, vordefinierten Parameter unter Anwendung eines „Models“ entweder rein informatorisch hinsichtlich der zeitlichen und morphologischen Entwicklung des Embryos dargestellt werden oder – durch Festlegung bestimmter Beurteilungskriterien durch den Nutzer – zu einem „Score“ führen, welcher letztlich eine Bewertung der Entwicklungsfähigkeit des Embryos darstellt. Sämtliche Modelle müssen dabei vom Nutzer selbst definiert werden.
  45. In der Grundversion der XXX-Software muss der Nutzer eigenständig eine Annotation der morphologischen Ereignisse vornehmen, also selbst entscheiden, ob ein Ereignis (wie eine Zellteilung) eingetreten ist. Daneben ist es gegen Aufpreis möglich, eine „XXX“-Funktion zu erwerben. Hierbei besteht die Möglichkeit, dass mit Hilfe eines bestimmten „XXX“ die Annotation der morphologischen Ereignisse, etwa t2 oder t3, durch die Software automatisch vorgenommen wird. Das „Confidence Level“ entspricht einer durch die Software mit Hilfe künstlicher Intelligenz ermittelten Grades an Wahrscheinlichkeit, dass der durch die Bilderkennung getroffene Annotations-Vorschlag richtig ist. Sobald bei der „XXX“-Funktionalität die Annotation als solches abgeschlossen ist, erfolgt die weitere Bedienung der Software im Übrigen mit Blick auf die für das hiesige Verfahren relevanten Aspekte genauso wie bei der „normalen“ XXX-Software ohne „XXX“-Funktionalität.
  46. Über die bei der angegriffenen Ausführungsform II – sowohl bei der „Standard XXX“ als auch bei der „XXX“ – vorhandene Funktion „XXX“ kann dem Benutzer ein Teilungsdiagramm angezeigt werden. Der Benutzer kann die chronologische Entwicklung des Embryos mittels eines Drehknopfs ansehen und auf die Zeitpunkte von Zellteilungen etc. scrollen.
  47. Schließlich bieten die Beklagten eine Software namens „XXX“ an (angegriffene Ausführungsform III), bei der es sich um eine Plug-in Lösung für die XXX-Software (angegriffene Ausführungsform II) handelt. Die angegriffene Ausführungsform III stellt basierend auf den mit Hilfe der angegriffenen Ausführungsformen I und II gewonnen Daten ein Entscheidungstool hinsichtlich bestimmter Embryos dar. Bei Einsatz der angegriffenen Ausführungsform III verwendet der Nutzer kein eigenes Modell. Die angegriffene Ausführungsform III findet Anwendung, wenn bei „Compare & Select“ XXX ausgewählt wird. Sie ist in zwei Versionen (XXX und XXX) als Entscheidungshilfe für Embryonen an Tag 3 bzw. Tag 5 erhältlich. Grundlage für das „XXX“ Tool sind klinische, morphokinetische Daten von mehreren tausend künstlich befruchteten Embryos, von denen bekannt ist, ob deren Implantation nach einer Einpflanzung an Tag 3 bzw. 5 nach der Befruchtung zu einer erfolgreichen Schwangerschaft und/oder zu der Geburt eines gesunden Kindes geführt haben. Die für das Entwicklungsmuster relevanten Variablen und Zeitintervalle entsprechen dabei den vordefinierten Variablen bzw. Zeitintervallen der angegriffenen Ausführungsform II.
  48. Die angegriffenen Ausführungsformen werden auf den englisch-sprachigen Internetseiten www.XXX.com dargestellt. Auf diesen Internetseiten werden unter „Contact Us“, unter „Germany“ sowohl die Kontaktdaten der Beklagten zu 1) (als Head Office) auch der Beklagten zu 2) aufgeführt (vgl. Anlage K 55). Auf diesen Internetseiten sind auch Kliniken in Deutschland genannt, die eine Behandlung mit den angegriffenen Ausführungsformen anbieten. So bietet das Kinderwunschzentrum XXX eine Behandlung mittels eines „XXX-Inkubator“ an (angegriffene Ausführungsform I).
  49. Die Klägerin trägt vor, die Beklagten verletzten durch den Vertrieb aller angegriffenen Ausführungsformen mittelbar das Klagepatent.
  50. Die Klägerin behauptet, die ehemalige Patentinhaberin habe ihr das Klagepatent mit „Patent Assignment Agreement“ vom 06.04.2023 (Anlage K 75) übertragen. Zudem habe die ehemalige Patentinhaberin ihr damit sämtliche Ansprüche und Rechte auf Schadensersatz, die sich aus einer früheren Verletzung der übertragenen Patente ergeben haben und/oder ergeben abgetreten. In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin die Anlage K 75 im Original vorgelegt. Diese wurde von der Kammer und den Parteien in Augenschein genommen.
  51. Die Klägerin behauptet, Frau B habe mit Erklärung vom 18.05.2023 (Anlage K 78) bestätigt, das „Patent Assignment Agreement“ am 06.04.2023 unterzeichnet zu haben. Herr C habe mit Erklärung vom 19.05.2023 (Anlage K 80) bestätigt, das „Patent Assignment Agreement“ am 06.04.2023 unterzeichnet zu haben. Herr D habe mit Erklärung vom 19.05.2023 (Anlage K 80) bestätigt, das „Patent Assignment Agreement“ am 12.04.2023 unterzeichnet zu haben. Die Unterschriften auf dem „Patent Assignement Agreement“ stimmten auch offenkundig mit den Unterschriften auf den als Kopien den jeweiligen Erklärungen beigefügten Personalausweisen überein.
  52. Aus dem als Anlage K 73 vorgelegten Auszug aus dem Schweizer Handelsregister ergebe sich, dass Herr C und Herr D gemeinsam zur Vertretung der Klägerin berechtigt seien. Frau B sei mit „Delegation of Signature Authority“ vom 04.07.2018 (Anlage K 72) von Vice Provost E zum Abschluss von Verträgen und Transaktionen betreffend das Management und die Lizensierung von Patenten ermächtigt worden.
  53. Jedenfalls sei das „Patent Assignment Agreement“ durch den Umschreibungsantrag der ehemaligen Patentinhaberin vom 14.04.2023 (Anlage K 83) bestätigt worden.
  54. Die Beklagte zu 1) sei passivlegitimiert, da sie nach außen gegenüber (potentiellen) Kunden in Deutschland als Ansprechpartnerin auftrete. Aus den rechtlichen Hinweisen zur Webseite www.XXX.com werde ferner deutlich, dass die Beklagte zu 1) als Konzernmutter für den Inhalt der Webseite verantwortlich zeichne. Die Verwendung der englischen Sprache sei für die Angebote in Deutschland ausreichend.
  55. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei der Patentanspruch nicht insofern abschließend, dass nur die im Anspruch genannten Zeiträume zur Bestimmung von Aneuploidie herangezogen werden sollten. Die Abs. [0103] f. der Klagepatentbeschreibung zeigten, dass auch 4 oder mehr Zellparameter Verwendung finden könnten.
  56. Die Klägerin trägt vor, die Beklagten verletzten Patentanspruch 1 des Klagepatents mittelbar, indem sie die angegriffenen Ausführungsformen I – III in Deutschland Nichtberechtigten zur Benutzung in Deutschland anböten und lieferten. Die angegriffenen Ausführungsformen stellten wesentliche Mittel für das klagepatentgemäße Verfahren dar. Auch die übrigen Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung lägen vor. Die angegriffenen Ausführungsformen seien zur Verwendung des vom Klagepatent geschützten Verfahrens geeignet.
  57. Die Klägerin meint, für die geltend gemachte mittelbare Patentverletzung sei maßgeblich, dass die angegriffenen Ausführungsformen zur Durchführung des patentierten Verfahrens objektiv geeignet seien und sich dabei auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Es sei gerade nicht notwendig, dass sämtliche patentierten Merkmale durch die jeweils angegriffene Ausführungsform selbst verwirklicht würden.
  58. Weiterhin ist die Klägerin der Ansicht, für die Frage der mittelbaren Patentverletzung komme es gerade nicht darauf an, ob die Software der angegriffenen Ausführungsformen selbstständig und unmittelbar die Parameter ermittelt und auf dieser Grundlage bestimme, ob ein Embryo aneuploid ist, sondern ob sie ein objektiv geeignetes Mittel darstelle, das patentgemäße Verfahren durchzuführen. Der Benutzer könne bei den angegriffenen Ausführungsformen die Anknüpfungspunkte der zu bestimmenden Parameter frei definieren und dabei auch die vom Klagepatent vorgesehenen Parameter einstellen.
  59. Sowohl mit Hilfe des XXXs (angegriffene Ausführungsform I) als auch der XXX-Software (angegriffene Ausführungsform II) und des zusätzlichen Plug-Ins XXX bzw. XXX (angegriffene Ausführungsform III) ließen sich die anspruchsgemäßen Zellparameter messen. Dies sei möglich durch die manuelle Berechnung der Zeitintervalle unter Verwendung der automatisch annotierten Zeitpunkte der Zellteilungsereignisse t2, t3, t4 sowie des Auftretens der ersten Teilungsfurche, oder – mittels der Funktion „XXX“ – durch die automatische Berechnung der Zeitintervalle zwischen Zytokinese 1 und 2 (t3-t2) und zwischen Zytokinese 2 und 3 (t4-t3).
  60. Unabhängig von der Definition der Annotationsstrategie könne der Benutzer bei den angegriffenen Ausführungsformen I und II jedenfalls in den von den einzelnen Embryonen generierten Videos manuell vor- oder zurückspulen und den Entwicklungsstatus des jeweiligen Embryos zu einem bestimmten Zeitpunkt ab Befruchtung bestimmen. Die für die Berechnung der Zeitintervalle gemäß des Klagepatents relevanten Zeitpunkte – nämlich das Auftreten der ersten Teilungsfurche (Beginn der ersten Zellteilung) sowie der Abschluss der ersten, zweiten und dritten Zellteilung (t2, t3 und t4) – könnten mithilfe des XXX Systems und der zugehörigen XXX-Software ohne weiteres gemessen bzw. „annotiert“ werden, im Falle der Zeitpunkte t2, t3 und t4 sogar automatisch durch die Software selbst.
  61. Bei beiden Softwareversionen der angegriffene Ausführungsform II (Standard und XXX) sei eine Messung der Zellparameter möglich und auch vorgesehen. Die Klägerin ist der Auffassung, dass es bei der XXX für den Benutzer die Möglichkeit gebe, die Funktionsweise der Annotation durch die Software zu verändern. Aus dem Benutzerhandbuch zur XXX ergäben sich auch die Variablen zur Zellteilung t2, t3 und t4.
  62. Bei der angegriffenen Ausführungsform II könne ein Benutzer mittels der Funktion „XXX“ die patentierten Zellparameter messen. Dies gelte sowohl für die Software-Version „Standard Annotation“ als auch die Version „XXX“.
  63. Entgegen der Darstellung der Beklagten sei es auch möglich, neue Variable zu importieren, indem man den Kundensupport kontaktiere und solche Variablen erstellen lasse.
  64. Auch könnten bei der angegriffenen Ausführungsform II Modelle mit benutzerdefinierten Ausdrücken durch die Verknüpfung mehrere vordefinierter Zeitvariablen erstellt werden.
  65. Dass es sich bei der angegriffenen Ausführungsform I bei den für das Klagepatent relevanten Variablen nicht um vordefinierte Auswahloption handele, sei für die Frage der mittelbaren Patentverletzung irrelevant, denn die Software sei für die Ermittlung dieses Zellparameters jedenfalls objektiv geeignet.
  66. Auch bei der angegriffenen Ausführungsform III (XXX und XXX) könnten Modelle mit benutzerdefinierten Ausdrücken durch die Verknüpfung mehrere vordefinierter Zeitvariablen erstellt werden. Bei der von der angegriffenen Ausführungsform III getroffenen Bewertung der Embryos fließe jedenfalls auch der im Anspruch genannte Zellparameter „Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2“ in die Bewertung ein. Denn die angegriffene Ausführungsform III ermittele das Vorliegen einer direkten Teilung von einer zu drei Zellen („direct cleavage“), von der ausgegangen wird, wenn der Zeitraum, in denen der Embryo zwei Zellen aufweist, geringer als 5 Stunden ist. Hierzu müsse stets das klagepatentgemäße Zeitintervall t3-t2 (Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2“) bestimmt werden. Anhand des konkret ermittelten Scores könne der behandelnde Arzt anschließend bestimmen, ob ein Embryo aneuploid ist. Eine niedrige Score als Ergebnis bei der angegriffenen Ausführungsform III zeige dem behandelnden Arzt eine hohe Wahrscheinlichkeit für Aneuploidie bei dem jeweiligen Embryo an.
  67. Die mithilfe der angegriffenen Ausführungsformen gemessenen Zellparameter könnten zur Bestimmung einer möglichen Aneuploidie des Embryos herangezogen werden. Dies werde nicht zuletzt durch die zahlreichen Fachartikel belegt, die die Nutzung der patentierten Zellparameter zur Bestimmung von Aneuploidie – größtenteils sogar unter Benutzung der angegriffenen Ausführungsformen selbst – beschrieben. So seien in den Studien von XXXet al. (Anlage K 27) und von XXXet al. die angegriffenen Ausführungsformen I und II bereits tatsächlich für die Durchführung des klagepatengemäßen Verfahrens genutzt worden. Auch die angegriffene Ausführungsform III sei bereits dazu verwendet worden, das anspruchsgemäße Verfahren durchzuführen. Die Beklagten wiesen in einem Blog-Eintrag (Anlage K 27) auf ihrer Internetseite auch auf den Artikel von XXXhin, was die Verwendungsbestimmung der Abnehmer sowie die Kenntnis der Beklagten hiervon belege. Da die Beklagten im Blog-Eintrag auf Fachartikel verwiesen, die wiederum fast alle den vorgenannten Artikel von XXXet al. (dem Erfinder des Klagepatents) zitierten, müssten sie damit rechnen, dass ihre Abnehmer die Verletzungsformen dazu nutzten, um ebenfalls das patentierte Verfahren durchzuführen.
  68. Auch der Artikel von XXX et al. (Anlage K 68) belege den Einsatz der angegriffenen Ausführungsformen I und II für die Durchführung des klagepatentgemäßen Verfahrens.
  69. Die mittelbare Patentverletzung demonstriere weiterhin ein Textbuch von XXX et al. (Anlage K 67) „XXX“. Dieses erlaube Rückschlüsse auf die Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen, konkret in den Kliniken der F-Gruppe. Der in den genannten Zentren verwendete Algorithmus verwende als Selektionskriterien für die Bewertung eines Embryos die Zeitintervalle zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2 (cc2 = t3-t2) sowie zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3 (s2 = t4-t3). Die mittels der Software automatisch gemessenen Werte der Zeitintervalle „s2“ und „cc2“ würden im Rahmen des benutzerdefinierten Algorithmus „XXX“ (benannt nach den Mediziner Dr. XXX der F-Gruppe) von der XXX Software verwendet, um automatisiert den entsprechenden „Score“ des Embryos zu berechnen. Die standardmäßige Verwendung der patentierten Zellparameter durch einen ihrer bedeutendsten Kunden (F-Gruppe) müsse sich den Beklagten nach der Lebenserfahrung aufdrängen, insbesondere vor dem Hintergrund der engen Verbindungen der Beklagten mit den führenden IVF-Medizinern, allen voran Dr. XXX.
  70. Auch die subjektiven Voraussetzungen der mittelbaren Patentverletzung seien erfüllt. Die Beklagten seien sich der Möglichkeit der Nutzung der patentierten Zellparameter zur Bestimmung von Aneuploidie bewusst. Neben zahlreichen Verweisen auf entsprechende Fachartikel auf ihrer Webseite (im Blog-Eintrag nach Anlage K 27) wiesen die Beklagten in einem eigenen Blogeintrag auf ihrer Webseite explizit auf die Nutzung der XXX-Technologie zur Identifizierung von Aneuploidie hin, sodass sich ihnen die Benutzung des XXX-Systems und der XXX-Software zur Messung der patentierten Zeitintervalle und deren Verwendung zur Bestimmung von Aneuploidie aufdrängen musste.
  71. Die Ausführungen der Beklagtenseite könnten kein Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 PatG begründen. Die Beklagtenseite habe gleich in mehrfacher Hinsicht deren Voraussetzungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
  72. Die Beklagten könnten sich wegen der strengen Betriebsbezogenheit des Vorbenutzungsrechts nicht auf Handlungen der „XXX“ berufen, für die nicht vorgetragen sei, dass es sich bei ihr und der Beklagten zu 1) um denselben „Betrieb“ im Sinne von § 12 PatG handele. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) komme ein Vorbenutzungsrecht nicht in Betracht, da eine bloße Konzernverbundenheit jedenfalls nicht ausreiche.
  73. Des Weiteren fehle jeglicher substantiierte Vortrag seitens der Beklagten, inwieweit sie im Prioritätszeitpunkt im Besitz der patentierten Erfindung und nicht bloß von Zeitraffertechnologie im Allgemeinen gewesen sind. Die Beklagtenseite trage nicht vor, inwieweit sie Erfindungsbesitz der patentierten Zellparameter gehabt habe. Der bloße Besitz von Zeitraffertechnologie als solcher reiche gerade nicht für eine Vorbenutzung aus.
  74. Schließlich scheitere ein Vorbenutzungsrecht daran, dass im Zeitraum der angeblichen Vorbenutzungen in den Jahren 2008-2009 die Verletzungsformen „XXX XXX“ und „XXX“ nach dem eigenen Vortrag der Beklagtenseite noch gar nicht verfügbar gewesen seien. Insoweit handele es sich daher um Weiterentwicklungen der angeblichen ursprünglichen Vorbenutzung, die die Patentverletzung vertiefen und daher nicht von einem etwaigen Vorbenutzungsrecht gedeckt sein könnten.
  75. Ebenso fehle es an einer Gewerblichkeit der Vorbenutzung, denn die Beklagtenseite habe weder substantiiert dargelegt, dass es sich bei den Kongressen um gewerbliche Veranstaltungen handelte, noch, dass die angeblich deutschen Teilnehmer aus gewerblichen Gründen anwesend gewesen seien bzw. mit ihr Kontakt aufgenommen hätten. Darüber hinaus fehle es auch am Inlandsbezug der angeblichen Vorbenutzungen.
  76. Auch wenn die angegriffenen Ausführungsformen klagepatentfrei verwendet werden könnten, sei hier ein Schlechthinverbot gerechtfertigt. Ein bloßer Warnhinweis wäre hier nicht ausreichend, da sich die Abnehmer an die in der Fachliteratur vorgesehenen Empfehlungen halten würden und den Warnhinweis damit ignorierten. Weiterhin sei es problemlos möglich, die angegriffenen Ausführungsformen so umzugestalten, dass keine Klagepatentverletzung mehr möglich wäre.
  77. Die Klägerin beantragt,
  78. zu erkennen wie geschehen,
    wobei sie ursprünglich im Hauptantrag eine Verurteilung der Beklagten wegen mittelbarer Verletzung mit Erlass eines Schlechthinverbots beantragt hat.
  79. Die Beklagten beantragen,
  80. die Klage abzuweisen;
  81. hilfsweise
    den Beklagten zu gestatten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung, die auch in Form einer Bankbürgschaft erbracht werden kann, ohne Rücksicht auf eine Sicherheitsleistung der Klägerin abzuwenden.
  82. Die Beklagten meinen, die Klägerin sei jedenfalls für die geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung sowie auf Feststellung der Schadensersatzplicht dem Grunde nach nicht aktivlegitimiert.
  83. Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass Frau  B und Herr  C am selben Tag (nämlich am 06.04.2023) das „Patent Assignment Agreement“ eigenhändig unterschrieben hätten. Der angebliche Übertragungsvertrag enthalte keinen Hinweis auf den Ort des Vertragsschlusses. Frau  B wohne und arbeitet laut dem als Anlage K 78 vorgelegten Bestätigungsschreiben (angeblich) in den Vereinigte Staaten,  C wohne und arbeitete (angeblich) in der Schweiz. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, warum beide den vermeintlichen Übertragungsvertrag am selben Tag unterschrieben hätten. Bemerkenswert sei auch, dass die Unterschriften von Herrn  D und Herrn  C zeitlich auseinanderfielen, obwohl beide angeblich nur gemeinsam zur Unterschrift berechtigt seien.
  84. Die Beklagten bestreiten zudem die Echtheit der Unterschriften mit Nichtwissen. Die Unterschriften von Frau  B, Herrn  C und Herrn  D auf dem „Patent Assignment Agreement“ wichen von den Unterschriften auf den in Kopie vorgelegten Ausweisdokumenten ab.
  85. Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass eine Zahlung stattgefunden habe und dass ein Zusammenhang zwischen dem Zahlungsbeleg und dem angeblichen Übertragungsvertrag bestehe.
  86. Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass Frau  B die ehemalige Patentinhaberin wirksam vertreten habe. Sie bestreiten zudem, dass Herr  C und Herr  D vertretungsbefugt gewesen seien. Der vorgelegte Handelsregisterauszug datiere auf den 21.05.2023 und lasse somit keine Rückschlüsse auf die Vertretungsverhältnisse am 06.04.2023 bzw. 12.04.2023 zu.
  87. Die Ausführungen der Klägerin zu einer Genehmigung des angeblichen Übertragungsvertrages seien unsubstantiiert. Auf die Genehmigung sei US-Recht anzuwenden. Die Klägerin habe lediglich pauschal und ohne entsprechenden Nachweis behauptet, dass es sowohl in den USA als auch der Schweiz eine dem § 177 Abs. 1 BGB entsprechende Vorschrift gäbe. Selbst bei Anwendbarkeit deutschen Rechts sei der Vortrag zur Genehmigung des angeblichen Übertragungsvertrages unsubstantiiert. Die Klägerin habe keine konkreten Umstände vorgetragen, die auf eine hinreichend konkrete Genehmigungserklärung des jeweils Vertretenen durch die vertretungsberechtigte Person schließen ließen. Sämtliche vorgetragenen Handlungen, nämlich die Zahlung des Betrages an die ehemalige Patentinhaberin und der Umschreibungsantrag, seien von der Klägerin vorgenommen worden. Der bloßen Entgegennahme der angeblichen Zahlung durch die ehemalige Patentinhaberin komme kein Erklärungswert zu.
  88. Es fehle jedenfalls an einer Passivlegitimation der Beklagten zu 1). Verantwortliche für die Internetseite in Anlage K 17 sei die XXX  AB, nicht die Beklagte zu 1). Die Beklagte zu 1) sei nicht deswegen haftbar, weil sie die Holdinggesellschaft der Beklagten zu 2) sei. Dass die Beklagte zu 1) an verschiedenen Stellen der Website als Teil der „XXX Group“ genannt werde, begründe keine Verantwortlichkeit für die Angebote der angegriffenen Ausführungsformen. Es handele sich nur um einen vorsorglichen Hinweis auf den urheberrechtlichen Schutz der Webseite eines Unternehmens der XXX Gruppe. Erst recht folge aus den Pressemitteilungen keine Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1).
  89. Die vermeintliche Erfindung des Klagepatents liege nicht in der Anwendung der „XXX“-Technologie mit den sich hierdurch bietenden Möglichkeiten, sondern darin, spezifische Zellparameter festzulegen, um eine Aneuploidie nachzuweisen. Die klagepatentgemäßen Zellparameter, die einzeln oder gemeinsam gemessen werden könnten, ergäben sich aus dem Patentanspruch. Der Anspruch sei insofern abschließend, als nur die drei im Anspruch genannten Parameter zur Bestimmung der Aneuploidie herangezogen werden dürften.
  90. Es liege keine mittelbare Verletzung von Anspruch 1 des Klagepatents vor. Die Klägerin könne nicht darlegen, dass die Beklagten mit den angegriffenen Ausführungsformen Mittel im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG anbieten und/oder liefern, welche objektiv dazu geeignet und seitens der Abnehmer der Beklagten dazu bestimmt sind, für die Benutzung des klagepatentgemäßen Verfahrens nach Anspruch 1 verwendet zu werden.
  91. Die angegriffene Ausführungsform I ermögliche keine unmittelbare Annotation (d.h. das Bestimmen der Zeitpunkte einzelner Ereignisse bestimmter Parameter), welche für die Embryonenentwicklung von Relevanz sein könnten. Der Benutzer könne lediglich die Zeitrafferaufnahmen abspielen und händisch vor- und zurückspulen. Dabei handele es sich nicht um ein anspruchsgemäßes Messen von Zeitdauern bzw. Zeitintervallen, d.h. der spezifischen vom Klagepatent vorgesehenen Zellparameter. Die angegriffene Ausführungsform I könne eine Aneuploidie nicht bestimmen, sondern nur die Datengrundlage für die angegriffene Ausführungsform II liefern. Die Beklagten meinen, bei der Bejahung des Verletzungsvorwurfs, würden Angebot und Lieferung eines jeden Geräts, welches entsprechende Zeitrafferaufnahmen anzeigt, eine mittelbare Patentverletzung darstellen.
  92. Auch die XXX-Software (angegriffene Ausführungsform II) besitze keine objektive Eignung zur Verwirklichung der Lehre des Klagepatents. Mit der angegriffenen Ausführungsform II ließen sich die anspruchsgemäßen Zellparameter nicht messen. Ferner könnte auf dieser Grundlage nicht bestimmt werden, ob der Embryo aneuploid sei. Der Benutzer könne bei der angegriffenen Ausführungsform II nur selbst zu berechnende Zeitintervalle eingeben, nicht aber die anspruchsgemäßen Zeitintervalle messen. Es könnten nur bestimmte morphologische Ereignisse annotiert werden.
  93. Das Teilungsdiagramm im Menü „XXX“, die Anzeige der Blastomerenaktivität sowie das Teilungsdiagramm in der Version „Standard XXX“ änderten nichts daran, dass der Benutzer lediglich mittels einen Drehknopfes das Zeitraffervideo vor- und zurückspielen könne.
  94. Es seien auch nie vom Kundendienst auf einen Benutzerwunsch die Variablen „Teilungsfurche“, cc2 oder s2 generiert worden. Hierbei hätte es sich auch um keine gültigen Variablen gehandelt, da es sich um Zeitintervalle handelt und nur Zeitpunkte annotiert werden können.
  95. Die anspruchsgemäßen Zeiträume/Zeitintervalle ließen sich auch mit XXX nicht messen. Entgegen dem Vortrag der Klägerin könnten dem XXX-Modell (angegriffene Ausführungsform III) keine weiteren Parameter hinzugefügt werden.
  96. Eine Verwendung der Zellparametermessung, um zu bestimmen, ob der Embryo aneuploid ist, habe die Klägerin nicht dargelegt. Dies bestimmten allenfalls der Arzt oder das Klinikpersonal. Die Nicht-Einnistung des Embryos sei nicht mit einer Aneuploidie gleichzusetzen.
  97. Die direkte Zellteilung („direct cleavage“) sei kein verlässlicher Hinweis auf Aneuploidie. Hierauf dürfte es aber auch nicht ankommen, da die direkte Zellteilung nicht als Zellparameter zum Bestimmen von Aneuploidie im Anspruch genannt sei.
  98. Selbst wenn man die von der Klägerin vorgelegten Publikationen berücksichtige, fehle es weiterhin an der Verwirklichung des letzten Verfahrensschrittes, da nicht nur die drei vom Klagepatent spezifizierten Zellparameter verwendet würden.
  99. Jedenfalls leisteten die angegriffenen Ausführungsformen zur Bestimmung der Aneuploidie keinen funktionell relevanten Beitrag und bezögen sich mithin nicht auf ein wesentliches Mittel der vermeintlichen Erfindung. Die den Kern der Erfindung ausmachenden Zellparameter könne der Benutzer allenfalls händisch ermitteln.
  100. Die in den Verfahrensschritten 1 und 2 beschriebenen Verfahrensschritte – das Messen bestimmter Zellparameter – seien solche, die in ihrer Allgemeinheit bei der Nutzung der vorbekannten XXX-Technologie (= Zeitraffermikroskopie) verwendet werden könnten. Diese sei von den Beklagten entwickelt worden und werde vom Klagepatent nicht beansprucht, sondern vorausgesetzt.
  101. Schließlich fehle es an der erforderlichen Verwendungsbestimmung sowie dem subjektiven Element der mittelbaren Patentverletzung. Die konkrete Festlegung und Abstimmung der von der angegriffenen Ausführungsform I verwendeten Faktoren – einzeln und in der Gesamtschau – obliege jeder einzelnen Klinik und werde von der Beklagten nicht vorgegeben. Die Beklagten empfählen (vgl. Anlage B 2) im Rahmen der Annotation von Zellteilungsereignissen den Zeitpunkt als – beispielsweise – „t2“ zu annotieren, in dem die klare Teilung der zwei Zellen durch das Vorliegen zweier getrennter Zellmembranen erkennbar sei. Die Nutzer würden von den Beklagten davon abgehalten, im Rahmen der Annotation andere Zeitpunkte als „t2“ festzulegen. Es könnten nur Zeitpunkte, keine Zeitintervalle von der angegriffenen Ausführungsform II annotiert werden.
  102. Hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen I und II fehle es an der objektiven Eignung zur Durchführung des klagepatentgemäßen Verfahrens. Die klagepatentgemäß definierten Zeiträume würden von diesen nicht gemessen und hiervon ausgehend auch nicht die Aneuploidie des Embryos bestimmt. Für die konkret patentgeschützte Berechnung dieser Zeitintervalle gebe es für den Nutzer in der angegriffenen Ausführungsform II keine vordefinierte Auswahloption. Ein Zeitintervall könne nur als Nutzerdefinierter Ausdruck („XXX“) definiert werden. Selbst ein Nutzer, der sich entgegen der XXXempfehlungen der Beklagten dazu entscheide, den Beginn einer Zellteilung zu annotieren, sei nicht in der Lage, darüber hinaus noch die jeweilige Auflösung dieser Zellteilung zu annotieren und mithin mangels „Endpunktes“ nicht in der Lage, die klagepatentgemäßen Parameter zu ermitteln. Ferner gebe es in der angegriffenen Ausführungsform II kein vordefiniertes Modell, mit dem ein Nutzer einen solchen Parameter zur Bestimmung der Aneuploidie der inkubierten Embryonen nutzen könnte.
  103. Auch bei der angegriffenen Ausführungsform II (XXX-Software) mit „XXX“-Funktionalität sei keine objektive Eignung zur Anwendung des klagepatentgemäßen Verfahrens gegeben. Da bei der „XXX“ ein Algorithmus mittels künstlicher Intelligenz auf Grundlage der „XXX“-Bildaufnahmen selbstständig ermittele, wann ein zu annotierendes Ereignis eingetreten sei, gebe es für den Nutzer keine Möglichkeit, diese grundsätzliche Funktionsweise der Annotation durch die Software zu verändern. Die jeweilige Klinik könne bei der „XXX“-Funktionalität nicht eigenhändig festlegen, welches Ereignis als Parameter annotiert werden soll, sondern lediglich bestimmen, welche Parameter aus der Vielzahl an möglichen Parametern durch die Software annotiert werden sollen.
  104. Bei der angegriffenen Ausführungsform III (XXX) spielten die klagepatentgemäßen Parameter für das XXX-Modell keine Rolle; Nutzer würden von deren Verwendung aktiv abgehalten. Insbesondere gebe es keine Möglichkeit für die Nutzer, das XXX -Modell dahingehend zu verändern, dass dieses auch nur einen klagepatentgemäßen Parameter ermittele und/oder berücksichtigte. Dies gelte auch für das XXX -Modell. Die „Score“ nach Anlagen K 17 und K 18 ginge mit keinem Wort auf die Frage nach einer etwaigen Aneuploidie bzw. Euploidie ein.
  105. Da die in Anlage K 25 enthaltene Definition der „direct cleavage“ nicht deckungsgleich mit dem im XXX -Algorithmus berücksichtigten Zeitintervall sei, könne aus der bloßen Verwendung des Begriffs der „direct cleavage“ nicht abgeleitet werden, dass XXX den klagepatentgemäßen Parameter cc2 berücksichtigen würde. Auch in dem Artikel von XXX et al. (2019) (Anlage K 26) finde sich hierzu nichts.
  106. Die XXX-Technologie sei keinesfalls dazu geeignet, die Präimplantationsdiagnostik zur Bestimmung von Aneuploidie zu ersetzen.
  107. Ferner fehle es auch an der erforderlichen Verwendungsbestimmung der Abnehmer hinsichtlich der Verwendung der klagepatentgemäßen Lehre durch die angegriffenen Ausführungsformen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass die angegriffenen Ausführungsformen – unterstellt, sie wären dazu objektiv überhaupt in der Lage – von den Abnehmern der Beklagten dazu verwendet würden, die klagepatentgemäße Lehre zu verwirklichen. Die klagepatentgemäßen Parameter hätten sich in wissenschaftlichen Untersuchungen und in der klinischen Praxiserfahrung als nicht oder nur wenig hilfreich erwiesen. Weiterhin gebe die Beklagte keine Hinweise an ihre Abnehmer, die klagepatentgemäßen Parameter anzuwenden. Das informierte Fachpublikum verstehe den Verweis auf die „References“ nicht als eindeutigen Hinweis darauf, die in diesen Artikeln dargelegten Parameter unmittelbar einzusetzen. Den XXX-Artikel (Anlage K 3) – der gerade nicht aussage, dass nur ein Zeitwert für die Bestimmung der Aneuploidie ausreiche – werde von den Beklagten auch nicht selbst in Bezug genommen, sondern nur als Reference in von ihnen angegebenen Artikeln zitiert. Die Beklagten blieben eines Nachweises schuldig, dass Ärzte und/oder Klinikpersonal die anspruchsgemäßen Parameter als aussagekräftig einstuften. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass die Abnehmer der angegriffenen Ausführungsformen diese zur Verwirklichung der patentgemäßen Merkmale verwenden würden. Im Artikel von XXX et al. (Anlage K 3) würden angegriffene Ausführungsformen nicht erwähnt.
  108. Die Beklagten bestreiten, dass es für den Fachmann offensichtlich ist, dass eine direkte Zellteilung ein Hinweis auf eine Aneuploidie sei. Weiterhin seien die klagepatentgemäßen Parameter auch nicht mit einer „direct cleavage“ gleichzusetzen.
  109. Aus dem Benutzerhandbuch „XXX-XXX“ (Anlage K 61) ergebe sich nicht, dass XXX zur Bestimmung der Aneuploidie verwendet werde. Dies ergebe sich auch nicht aus der nachträglichen Untersuchung durch XXX et al. (Anlage K 31). Ebenso sei die Studie von XXX et al. (Anlage K 28) retrospektiv und könne daher kein Bestimmen zeigen.
  110. Schließlich habe die Klägerin auch den erforderlichen Nachweis hinsichtlich des für § 10 PatG erforderlichen subjektiven Elements der Beklagten nicht erbracht. Die Beklagten hätten weder die erforderliche Kenntnis, noch sei die Verwendung für diese offensichtlich.
  111. Sollte allein die Möglichkeit, mit den angegriffenen Ausführungsformen bestimmte morphologische und morphokinetische Eigenschaften der Embryonen – insbesondere Zellteilungen – anhand von erstellten Bildern im „XXX“-Verfahren zu annotieren, für eine mittelbare Patentverletzung ausreichen, stünde den Beklagten in diesem Fall ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 Abs. 1 S. 1 PatG zu. Dieses beruhe auf dem Erfindungsbesitz und den Veranstaltungen der Rechtsvorgängerin G AS. Mit den von der G entwickelten und vertriebenen Vorgängermodellen des XXX sowie der jeweils zugehörigen Software sei es bereits möglich gewesen, bestimmte morphologische und morphokinetische Eigenschaften der Embryonen – insbesondere Zellteilungen – anhand von erstellten Bildern im „XXX“-Verfahren zu annotieren; etwa mittels der 2008 auf einem Anual Meeting der XXX („XXX“) gezeigten Software „XXX oder auf dem „1XXX“ 2009 der XXX (“XXX“) in XXX. Weiterhin sei der weiter entwickelte „XXX-D“ mit der Software „XXX“ (v.0.9.17) im Jahre 2009 auf dem 25. jährlichen Treffen der XXX („XXX“) in XXX ausgestellt worden. Schließlich sei der XXX mitsamt XXX-Software 2010 auf dem 66. jährlichen Treffen der XXX ausgestellt worden.
  112. Auch sei es 2010 zu ersten Auslieferungen von XXX-Geräten mitsamt XXX-Software in Deutschland gekommen, etwa an das IVF-Zentrum der Uni-Frauenklinik XXX. Weiterhin seien angegriffene Ausführungsformen der Uniklinik XXX angeboten worden.
  113. Schließlich sei jedenfalls die seitens der Klägerin beantragte unbedingte Unterlassungsverfügung nicht gerechtfertigt. Die angegriffenen Ausführungsformen könnten patentfrei genutzt werden.
  114. Angaben zu den hergestellten Erzeugnissen seien schon deshalb nicht geschuldet, da die Beklagten die angegriffenen Ausführungsformen nicht in Deutschland herstellten.
  115. Das Gericht hat den Parteien und den Prozessbevollmächtigten von Amts wegen gestattet, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen über den von der Justiz des Landes NRW zur Verfügung gestellten Virtuellen Meetingraum (VMR) vorzunehmen. Davon hat Herr Dr. XXX, XXX-Gruppe, auf Seiten der Klägerin Gebrauch gemacht.
  116. Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
  117. Entscheidungsgründe
  118. Die zulässige Klage ist teilweise – namentlich hinsichtlich der angegriffenen Ausführungsformen I und II – im Hilfsantrag begründet, im Übrigen indes unbegründet. Die Beklagten verletzen das Klagepatent aufgrund des Angebots und/oder Vertriebs der angegriffenen Ausführungsformen mittelbar (§ 10 PatG). Dies gilt aber nicht für die angegriffene Ausführungsform III (XXX).
  119. I.
    Die Klägerin ist hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Ansprüche aktivlegitimiert.
  120. Die Aktivlegitimation ergibt sich nicht ohne Weiteres bereits aus der mittlerweile erfolgten Eintragung der Klägerin als Patentinhaberin im Patentregister. Für die Sachlegitimation ist nicht die Eintragung im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage maßgeblich (BGH, GRUR 2013, 713, 716 – Fräsverfahren). Die Eintragung im Patentregister hat keinen Einfluss auf die materielle Rechtslage (BGH, GRUR 2013, 713, 716 – Fräsverfahren mit Verweis auf: Benkard/Schäfers, PatG, 10. Aufl., § 139 PatG Rn. 8; Busse/Brandt, PatG, 7. Aufl., § 30 Rn. 32; Rogge, GRUR 1985, 734; Rauch, GRUR 2001, 588 [590]). Sie wirkt weder rechtsbegründend noch rechtsvernichtend (BGH, GRUR 2013, 713, 716 – Fräsverfahren, mit Verweis auf: BGHZ 6, 172 [177] = GRUR 1952, 564 [566] – Wäschepresse). Ihre Legitimationswirkung ist beschränkt auf die Befugnis zur Führung von Rechtsstreitigkeiten aus dem Patent (BGH, GRUR 2013, 713, 716 – Fräsverfahren mit Verweis auf: BGHZ 72, 236 [239 f.] = GRUR 1979, 145 [146] – Aufwärmvorrichtung). Jedoch ist die Eintragung im Patentregister für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, dennoch nicht bedeutungslos. Ihr kommt im Rechtsstreit eine erhebliche Indizwirkung zu (GRUR 2013, 713, 716 – Fräsverfahren). Eine Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche vom Registerstand ab, muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Welche Anforderungen hierbei zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So wird der Vortrag, ein im Patentregister eingetragener Rechtsübergang habe einige Wochen oder Monate vor dessen Eintragung stattgefunden, in der Regel keiner näheren Substantiierung oder Beweisführung bedürfen. Der Vortrag, der eingetragene Inhaber habe das Patent nicht wirksam oder zu einem anderen Zeitpunkt erworben, erfordert demgegenüber in der Regel nähere Darlegungen dazu, woraus sich die Unwirksamkeit des eingetragenen Rechtsübergangs ergeben soll (GRUR 2013, 713, 716 – Fräsverfahren).
  121. Die Klägerin hat unter Vorlage des „Patent Assignment Agreement“ (Anlage K 75) vom 06.04.2023 im Original vorgetragen, dass die ursprüngliche Patentinhaberin der Klägerin das Klagepatent und auch sämtliche Ansprüche und Rechte auf Schadensersatz, die sich aus einer früheren Verletzung des Klagepatents ergeben haben und/oder ergeben werden, abgetreten hat.
  122. Gemessen an den oben dargelegten Maßstäben, haben die Beklagten die Umstände, aus denen sich die Aktivlegitimation der Klägerin ergibt, weder hinreichend noch erfolgreich mit Nichtwissen bestritten. Auch angesichts zulässigen Bestreitens mit Nichtwissen hat das Gericht nach freier Überzeugung darüber zu befinden, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet, wobei es den gesamten Inhalt der Verhandlungen und das Ergebnis einer etwaigen Beweisaufnahme zu berücksichtigen hat. Aus der Formulierung „etwaigen“ folgt hierbei, dass der erforderliche Beweis im Einzelfall auch ohne eine förmliche Beweisaufnahme nach Maßgabe der §§ 371 ff. ZPO als geführt angesehen werden kann. Die gerichtliche Überzeugungsbildung kann sich folglich allein auf die Schlüssigkeit des Sachvortrages einer Partei und/oder auf deren Prozessverhalten und/oder das des Gegners stützen. Im Streitfall ist die Kammer nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen der Parteien davon überzeugt, dass die die Klägerin begünstigenden Rechtsübertragungen stattgefunden haben (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2017, Az. I-2 U 39/16). Im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist die Kammer überzeugt, dass die Klägerin berechtigt ist.
  123. 1.
    Die Kammer hat nach Inaugenscheinnahme des im Verhandlungstermin im Original vorgelegten „Patent Assignment Agreement“ (Anlage K 75) keine Zweifel daran, dass es sich bei den Unterschriften auf diesem um Originalunterschriften handelt. Ebenso hat die Kammer keine Zweifel daran, dass es sich jeweils um die Unterschriften von Frau B, Herrn D und Herrn C handelt.
  124. Die Unterschrift von Herrn C stimmt offenbar mit seinen Unterschriften auf der Genehmigungsvereinbarung (Anlage K 36) und dem Assumption Agreement (Anlage K 35) überein. Nachfolgend werden die Unterschriften von Herrn C unter der Genehmigungsvereinbarung (links) und dem Assumption Agreement (rechts) eingeblendet:
  125. Diese stimmen offenbar mit der nachfolgend eingeblendeten Unterschrift auf dem „Patent Assignment Agreement“ überein.
  126. Zudem hat die Klägerin Erklärungen von Frau B vom 18.05.2023 (Anlage K 78), von Herrn D vom 19.05.2023 (Anlage K 79) und von Herrn C vom 19.05.2023 (Anlage K 80) vorgelegt, in denen die Unterzeichner jeweils bestätigen, das „Patent Assignment Agreement“ unterzeichnet zu haben. Zum Vergleich der Unterschriften sind jeweils die Personalausweise in Kopie beigefügt. Die Klägerin hat als Anlage K 81 eine Gegenüberstellung der Unterschriften unter den Erklärungen, dem „Patent Assignment Agreement“ und von den Personalausweisen tabellarisch gegenübergestellt. Diese Tabelle wird nachfolgend eingeblendet.
  127. Offenbar stimmen die Unterschriften von Frau B unter dem Übertragungsvertrag und ihrer Erklärung vom 18.05.2023 überein. Unerheblich ist, dass ihre Unterschrift auf ihrem Führerschein von den anderen beiden Unterschriften abweicht. Die Klägerin hat plausibel vorgetragen, dass die Unterschrift auf dem Führerschein bereits aus dem Jahr 2017 stammt. Der Kammer ist bewusst, dass sich Unterschriften im Laufe der Jahre verändern können.
  128. Die Unterschriften von Herrn D unter dem Übertragungsvertrag, seiner Erklärung vom 19.05.2023 und auf seinem Personalausweis stimmen ebenfalls offenbar überein.
  129. 2.
    Die fehlende Datierung der Unterschriften steht der Wirksamkeit des Übertragungsvertrages nicht entgegen. Zwar richtet sich das Effektive Date gem. Abschnitt 4 nach dem Datum der letzten Unterschrift, doch ist hierfür lediglich das tatsächliche Datum der letzten Unterschrift, nicht jedoch deren Datierung, maßgeblich. Da beide Seiten unterzeichnet haben, ist der Übertragungsvertrag jedenfalls zustande gekommen. Die Unterzeichner haben zudem bestätigt, dass sie das „Patent Assignment Agreement“ an folgenden Daten unterschrieben haben: Frau B am 06.04.2023, Herr C am 06.04.2023 und Herr D am 12.04.2023 (Anlagen K 78-K 80).
  130. Die Angaben von Frau B und Herrn C in ihren Erklärungen (Anlagen K 78 – K 80) zu den Daten ihrer Unterschriften und ihren Wohn- und Arbeitsorten begründen auch keine Zweifel an der Echtheit der Unterschriften. Es ist nicht ersichtlich, warum Frau B und Herr C nicht am selben Tag, nämlich am 06.04.2023, den Übertragungsvertrag unterzeichnet haben können. Dass Herr C ausweislich seiner Angaben in der Schweiz lebt und arbeitet und Frau B ausweislich ihrer Angaben in den USA lebt und arbeitet, bedeutet offenkundig nicht, dass sich beide stets nur in der Schweiz bzw. in den USA aufhalten. Im Hinblick auf die offenbare Übereinstimmung der Unterschriften unter dem Übertragungsvertrag mit Vergleichsunterschriften von Frau B und Herrn C und der Erklärungen von Frau B und Herrn C, dass sie den Übertragungsvertrag unterzeichnet haben, vermag der nicht aus dem Vertrag hervorgehende Ort der Unterzeichnung, der offenkundig jedenfalls für einen Unterzeichnenden von seinem (üblichen) Wohn- und Arbeitsort abweicht, keine Zweifel an der Echtheit der Unterschriften zu begründen.
  131. Zweifel an der Echtheit der Unterschriften ergeben sich auch nicht daraus, dass Herr C und Herr D nicht am selben Tag unterzeichnet haben. Zwar waren sie ausweislich des Auszugs aus dem Schweizer Handelsregister (Anlage K 86) nur gemeinsam zur Vertretung der Klägerin berechtigt, doch bedeutet dies nicht, dass sie zur selben Zeit unterzeichnen müssen.
  132. 3.
    Die Beklagten vermochten auch keine Umstände aufzuzeigen, die Zweifel an der Vertretungsbefugnis der Unterzeichner des Übertragungsvertrages begründen.
  133. a)
    Aus dem Auszug aus dem Schweizer Handelsregister vom 21.05.2023 ergibt sich, dass Herr C für die „Kollektivunterschrift zu 2“ berechtigt ist und Herr D eine „kollektive Vollmacht zu 2“ innehat. Daraus ergibt sich, dass Herr C und Herr D gemeinsam zur Vertretung der Klägerin berechtigt sind. Zweifel an ihrer Vertretungsbefugnis ergeben sich nicht daraus, dass der Auszug aus dem Schweizer Handelsregister vom 21.05.2023 und somit ca. eineinhalb Monate nach der Unterzeichnung des Übertragungsvertrages datiert. Die Beklagten haben keinerlei Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass sich die Vertretungsverhältnisse bei der Klägerin zwischenzeitlich verändert haben. Dagegen spricht vielmehr, dass Herr C bereits ausweislich eines bereits mit der Replik vom 17.11.2021 eingereichten Auszugs aus dem Schweizer Handelsregister (Anlage K 53) zur „Kollektivunterschrift zu zweit“ berechtigt war und Herr D eine „Kollektive Vollmacht zu zweit“ innehatte.
  134. b)
    Zur Überzeugung der Kammer steht fest, dass Frau B die Position des „Associate Vice Provost“ und „Executive Director, Office of Technology Licensing“ bei der ehemaligen Patentinhaberin bekleidet. Dies ergibt sich aus der Website der ehemaligen Patentinhaberin (Anlage K 84). Mit „Delegation of Signature Authority“ vom 04.07.2018 (Anhang B zur Anlage K 85) wurde Frau XXX vom Vice Provost E zum Abschluss von Verträgen und Transaktionen betreffend die Verwaltung und die Lizenzierung von Patenten ermächtigt. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Beklagten, dass der Verkauf und die Übertragung von Patenten nicht von der Befugnis zur Verwaltung von Patenten erfasst sei, nicht an. Aus der „Delegation of Signature Authority“ ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Verwaltung („management“) von Patenten dahingehen beschränkt sein soll, dass der Verkauf und die Übertragung davon ausgenommen sind.
  135. II.
    Das Klagepatent, dessen deutscher Übersetzung (Anlage K 1a) die nachfolgend ohne Quellenangabe zitierten Absätze entstammen, betrifft insbesondere die Bildgebung und Bewertung menschlicher Embryonen zu dem Zweck der Erkennung von Aneuploidie.
  136. 1.
    Der Begriff „Aneuploidie“ bezeichnet eine Art der Chromosomenanomalie, die durch eine abnormale Chromosomenzahl charakterisiert ist. Bei aneuploiden Embryonen können ein oder mehrere Chromosomen fehlen oder und/oder zusätzlich vorhanden sein (Abs. [0047]). „Aneuploid“ ist der Gegenbegriff zur „euploid“, der sich auf die normale Zahl von 23 Chromosenpaaren bezieht (Abs. [0048]). Ein Beispiel einer Aneuploidie, bei der drei Kopien von einem bestimmen Chromosom vorhanden sind, ist eine „Trisomie“, wobei auch andere Formen der Aneuplodie existieren (Abs. [0051]).
  137. In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagepatent die Bedeutung und Verbreitung der In-vitro-Fertilisation (IVF) bei der Kinderwunschbehandlung (Abs. [0002]). Durch IVF-Zyklen entsteht jährlich eine große Zahl von Embryonen, häufig mit unterschiedlichem und unzureichend definiertem Potenzial für eine erfolgreiche Implantation und Entwicklung bis zum normalen Geburtstermin. Dabei betrug die durchschnittliche Lebendgeburtsrate pro Zyklus nach einer IVF Berichten zufolge nur 30 %. Obwohl die mögliche(n) Ursache(n) für eine misslungene IVF wahrscheinlich vielfältig sind, wird vermutet, dass Chromosomenanomalien, oder Aneuploidie, zu den nominellen IVF-Erfolgs- und Lebendgeburtsraten beitragen (Abs. [0002]). Aneuploidie kommt in 50–70 % der menschlichen Embryonen im Furchungsstadium – also den ersten Zellteilungen (Abs. [0038] ff.] – vor. Allerdings scheinen aneuploide Embryonen unter herkömmlichen IVF-Bewertungsverfahren häufig normal und für die Übertragung geeignet (Abs. [0003]). Das derzeit am häufigsten verwendete Verfahren zur Diagnose von Aneuploidie ist das genetische Präimplantationsscreening (PGS) von biopsierten Blastomeren an Tag 3. Dieses Verfahren ist für den Embryo invasiv, wird beeinträchtigt durch Mosaizismus und wird nur bei einem geringen Anteil der assistierten Reproduktionspatienten angewendet (Abs. [0003]). „Mosaizismus“ bezeichnet eine Zellpopulation mit unterschiedlichem Chromosomengehalt (Abs. [0054]). Bei alternativen Ansätzen zur Aneuploidieuntersuchung wird vermutet, dass diese mit zusätzlichen potenziellen Risiken verbunden sind, die die Unversehrtheit der Embryonen stören (Abs. [0003]).
  138. Das Verständnis von der allgemeinen Entwicklung von Embryonen ist nach dem Stand der Technik begrenzt, da biologische Studien an menschlichen Embryonen nach wie vor schwierig sind und häufig von der Forschungsfinanzierung ausgeschlossen werden. Trotz der Unterschiede zwischen menschlichen Embryonen und denen anderer Spezien basiert daher die Mehrheit der Studien über die Entwicklung von Embryonen vor der Implantation auf Modellorganismen (d.h. anderen Spezien), die sich schwer auf die Entwicklung menschlicher Embryonen übertragen lassen (Abs. [0004]).
  139. Das Klagepatent schildert weiter, dass in jüngerer Zeit Zeitrafferbildgebungsanalysen eingeführt wurden, um die Entwicklung menschlicher Embryonen zu überwachen und ihre potenzielle Lebensfähigkeit zu bewerten (Abs. [0005]). Abgesehen von der Möglichkeit eines nichtinvasiven Ansatzes zur Bewertung der frühen Entwicklung von Embryonen und zur Vermeidung weiterer Beschränkungen wie Mosaizismus, kann die Erkennung und Messung von dynamischen Bildgebungsparametern in menschlichen Embryonen für alle IVF-Patienten zugänglich sein. In diesen Studien wurden Entwicklungsereignisse wie die Befruchtung, Furchung, Blastozystenbildung und das Schlüpfen des Embryos analysiert und mit herkömmlichen morphologischen Kriterien der IVF an Tag 3 korreliert. Es wurden jedoch keine Bildgebungsparameter mit der Blastozystenbildung oder Schwangerschaftsergebnissen korreliert. Weitere Verfahren betrachteten den Beginn der ersten Furchung als Indikator, um die Lebensfähigkeit menschlicher Embryonen vorauszusagen. Diese Verfahren erkennen jedoch nicht die Bedeutung der Dauer der Zytokinese oder der Zeitintervalle zwischen den frühen Teilungen an (Abs. [0005]).
  140. Weitere im Stand der Technik bekannte Verfahren (WO/2007/XXX) verwendeten ebenfalls die Zeitrafferbildgebung zur Messung von Zeitpunkt und Umfang der Zellteilungen während der frühen Entwicklung von Embryonen. Diese Verfahren offenbaren jedoch nur eine einfache, allgemeine Methode für die Zeitrafferbildgebung boviner Embryonen, die sich im Hinblick auf das Entwicklungspotenzial, das morphologische Verhalten und epigenetische Programme sowie die die Übertragung umgebenden Zeitpunktparameter erheblich von menschlichen Embryonen unterscheiden (Abs. [0006]). Es werden jedoch keine spezifischen Bildgebungsparameter oder Zeitintervalle offenbart, die eine Prognose über die Lebensfähigkeit menschlicher Embryonen zulassen würden (Abs. [0006]).
  141. In jüngerer Zeit wurde die Zeitrafferbildgebung angewendet, um die Entwicklung menschlicher Embryonen während der ersten 24 Stunden nach der Befruchtung zu beobachten, wobei festgestellt wurde, dass die Synchronie der Nuklei nach der ersten Teilung mit den Schwangerschaftsergebnissen korrelierte. Allerdings schlussfolgerte diese Arbeit, dass die erste Furchung kein bedeutender Prognoseparameter sei, was früheren Studien widerspricht (Abs. [0007]).
  142. Schließlich haben keine Studien die Bildgebungsparameter durch Korrelation mit den molekularen Programmen oder der chromosomalen Zusammensetzung der Embryonen validiert. Verfahren zur Bewertung menschlicher Embryonen sind somit in mehrfacher Hinsicht mangelhaft und können durch die vorliegenden Verfahren verbessert werden, die neuartige Anwendungen der Zeitraffermikroskopie, Bildanalysen und die Korrelation der Bildgebungsparameter mit molekularen Profilen und chromosomaler Zusammensetzung einbeziehen (Abs. [0008]).
  143. Das Klagepatent macht keine Angaben zu seiner Aufgabenstellung. Ausgehend von dem erörterten Stand der Technik lässt sich als technisches Problem des Klagepatents ansehen, ein Verfahren zur Bewertung menschlicher Embryonen bereitzustellen, das die geschilderten Probleme überwindet.
  144. 2.
    Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent in Anspruch 1 ein Verfahren zum Nachweis von Aneuploidie in einem menschlichen Embryo vor, das in Form einer Merkmalsgliederung wie folgt dargestellt werden kann:
  145. 1.
    Verfahren zum Nachweis von Aneuploidie in einem menschlichen Embryo, umfassend:
  146. 1.1 Züchten eines menschlichen Embryos in vitro unter zur Embryoentwicklung geeigneten Bedingungen;
  147. 1.2 Messen von einem oder mehreren Zellparametern, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus
  148. 1.2.1 der Dauer der ersten Zytokinese;
  149. 1.2.2 dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2; und
  150. 1.2.3 dem Zeitintervall zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3
  151. des menschlichen Embryos durch Zeitraffermikroskopie zum Erreichen einer Zellparametermessung; und
  152. 1.3 Anwenden der Zellparametermessung zum Bestimmen, ob der menschliche Embryo aneuploid ist.
  153. 3.
    Das Klagepatent basiert auf der Erkenntnis, dass die Bildgebungsparameter für bestimmte Zellzyklen durch die Korrelation des Verhaltens von Bildaufnahmen mit der chromosomalen Zusammensetzung der bildlich erfassten Embryonen nicht nur die Lebensfähigkeit von Embryonen prognostizieren, sondern auch Aneuploidie, einschließlich einfachen und komplexen Mosaizismen, Monosomien und Trisomien in menschlichen Embryonen (Abs. [0008]).
  154. Vor diesem Hintergrund schützt der Patentanspruch ein Verfahren zum Nachweis einer Aneuploidie – also einer abnormalen Chromosomenzahl – in einem menschlichen Embryo. Im ersten Verfahrensschritt wird der zu untersuchende, menschliche Embryo in vitro gezüchtet. Anschließend werden hieran durch Zeitraffermikroskopie einer oder mehrere Zellparameter gemessen, wobei Zell-Parameter regelmäßig morphologische Ereignisse sind (Abs. [0069]). Schließlich wird im dritten Verfahrensschritt die Zell-Parametermessung dazu genutzt, um zu bestimmen, ob der menschliche Embryo aneuploid ist. Dabei kann der gemessene Zellparameter entweder alleine oder in Kombination mit anderen Indikatoren zu Bestimmung von Aneuploidie verwendet werden (Abs. [0110]).
  155. a)
    Für die Zell-Parametermessung im zweiten Verfahrensschritt (Merkmal 1.2) sieht das Klagepatent drei verschiedene zu messende Parameter vor, die jeweils an die erste, zweite und/oder dritte Zytokinese anknüpfen. Zytokinese definiert das Klagepatent in Abs. [0041] wie folgt:
  156. „Mit „Zytokinese“ oder „Zellteilung“ ist die Phase der Mitose gemeint, in der sich eine Zelle teilt. Mit anderen Worten handelt es sich um das Stadium der Mitose, in dem das aufgeteilte Kernmaterial einer Zelle und ihr zytoplasmatisches Material aufgeteilt werden, um zwei Tochterzellen hervorzubringen. Der Zeitraum der Zytokinese ist identifizierbar als der Zeitraum bzw. das Zeitintervall zwischen der ersten Beobachtung einer Abschnürung einer Zellmembran (eine „Spaltfurche“) und der Auflösung dieses Abschnürungsereignisses, d. h. der Entstehung von zwei Tochterzellen. Der Beginn der Spaltfurche kann visuell als der Punkt festgestellt werden, an dem die Krümmung der Zellmembran von konvex (nach außen gewölbt) zu konkav (nach innen gewölbt mit einer Delle oder Eindellung) wechselt.“
  157. Dabei bezieht sich die erste Zytokinese („Zytokinese 1“) auf das erste Zellteilungsereignis nach der Befruchtung, also die Teilung eines befruchteten Oozyten, aus dem zwei Tochterzellen hervorgehen (Abs. [0041]). Die „zweite Zytokinese“ („Zytokinese 2“) und „dritte Zytokinese“ („Zytokinese 3“) sind das zweite und dritte bei einem Embryo beobachtete Zellteilungsereignis, bei denen sich die beiden Tochterzellen des Oozyten in insgesamt vier Enkelzellen aufspalten (Abs. [0043] f.). Konkret spalten sich die „führende Tochterzelle“ (Tochterzelle A) in der zweiten Zytokinese und anschließend die „nachfolgende Tochterzelle“ (Tochterzelle B) in der dritten Zytokinese (Abs. [0043] f.) auf.
  158. Nach Abs. [0069] kann das Zeitintervall zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2 – an das Merkmal 2.2 anknüpft – definiert werden als „das Intervall zwischen dem Beginn von Zytokinese 1 und dem Beginn von Zytokinese 2, das Intervall zwischen der Auflösung von Zytokinese 1 und der Auflösung von Zytokinese 2, das Intervall zwischen dem Beginn von Zytokinese 1 und der Auflösung von Zytokinese 2; oder das Intervall zwischen der Auflösung von Zytokinese 1 und dem Beginn von Zytokinese 2“. Entsprechendes gilt nach Abs. [0069] auch für das Zeitintervall zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3, also den von Merkmal 1.2.3 in Bezug genommenen Zellparameter.
  159. Zur Veranschaulichung wird nachfolgend (erneut) Figur 5 des Klagepatents eingeblendet, die nach Abs. [0018] ein Diagramm darstellt, das die Zeitintervalle zwischen den Stadien zeigt – namentlich: die Dauer der ersten Zytokinese, dem Zeitintervall zwischen erster und zweiter Teilung (gemessen als das Zeitintervall zwischen der Auflösung der Zytokinese 1 und dem Beginn der Zytokinese 2) und dem Zeitintervall zwischen zweiter und dritter Mitose (gemessen als das Zeitintervall zwischen der Initiierung der Zytokinese 2 und der Initiierung der Zytokinese 3).
  160. Der Fachmann entnimmt dem Wortlaut des Merkmals 2, dass die im Anspruch benannten Zellparameter nicht abschließend sind und es somit nicht aus dem Verfahren herausführt, wenn weitere – nicht explizit im Anspruch genannte – Zellparameter gemessen werden. Der Wortlaut des Merkmals „zum Erreichen einer Zellparametermessung“ lässt in Zusammenhang mit Merkmal 1, wonach ein Verfahren zum Nachweis von Aneuploidie genannt ist, welches die genannten Verfahrensschritte „umfasst“, weitere Zellparametermessungen zu und schließt diese nicht aus.
  161. In Absatz [0073] erkennt der Fachmann, dass die Messung manuell oder automatisch vorgenommen werden kann. Erfasst vom Anspruch dürfte daher sowohl eine händische Messung mittels Durchsicht der im Zeitraffermikroskopie entstandenen Bilder durch einen Menschen als auch die automatische Messung z.B. mittels einer entsprechenden Bildanalysesoftware sein.
  162. b)
    Im dritten Verfahrensschritt (Merkmal 3) soll die Zell-Parametermessung zur Bestimmung angewendet werden, ob der menschliche Embryo aneuploid ist („Anwenden der Zellparamtermessung“). Der Fachmann entnimmt dem Wortlaut und der Systematik des Anspruchs, aufgrund des Rückbezugs („Anwenden der Zell-Parametermessung“), dass jedenfalls auch die in Merkmal 2 genannten Zellparameter
    zur Bestimmung, ob der menschliche Embryo aneuploid ist, angewendet werden. Dies setzt voraus, dass jedenfalls einer der in Merkmal 2 offenbarten Zellparameter (Dauer der ersten Zytokinese, Zeitintervall zwischen Zytokinse 1 und Zytokinese 2, Zeitintervall zwischen Zytokinese 2 und Zytokinese 3) angewendet wird.
  163. Wie Abs. [0110] der Klagepatentbeschreibung verdeutlicht, kann („bei einigen Ausführungsformen“) im Rahmen der Erfindung die Zell-Parametermessung unmittelbar zur Bestimmung des Aneuploidie-Status oder der Chromosomen-Zählung verwendet werden („used directly to determine“), so dass diese Bestimmung alleine auf der Zellparametermessung und dem sich daraus ergebenden absoluten Wert beruht. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht aus Abs. [0110] nicht hervor, dass die Zellparametermessung nur als ein Indikator für die Aneuploidie verwendet wird. „Indicative“ [0110] lässt sich nicht in diesem Sinne verstehen, da es vielmehr beispielshaft eine Ausführungsform beschreibt, bei der der Aneuploidie-Status unmittelbar aus der Zellparametermessung folgt.
  164. Allerdings ist das klagepatentgemäße Verfahren nicht auf die in Abs. [0110] beschriebene Vorgehensweise beschränkt, die wie ausgeführt nur ein Ausführungsbeispiel darstellt. Der Anspruch schließt bei der Verwendung der Zell-Parametermessung zur Aneuploidie-Bestimmung nicht aus, dass noch andere Faktoren hierfür Berücksichtigung finden können. Der Original-Wortlaut „employ“ kann auch mit „verwenden/einsetzen“ übersetzt werden. Diese Begriffe lassen bereits ein weiteres Verständnis zu. So dürfte es sich bei der in Absatz [110] geschilderten Ausführungsform, bei welcher der Aneuploidie-Status unmittelbar aus der Zell-Parametermessung folgt, lediglich um ein Ausführungsbeispiel handeln. Das Ausführungsbeispiel in Absatz [0110] referiert ausdrücklich auf „einige“ Ausführungsformen, also nicht alle. Aus der sonstigen Beschreibung dürfte sich ergeben, dass auch vier oder mehr Zell-Parameter gemessen werden können (vgl. Abs. [103] f.). Der Fachmann entnimmt dem Rückbezug auf Merkmal 1.2, dass auch im dritten Verfahrensschritt (Merkmal 1.3) neben jedenfalls einem klagepatentgemäßen Zellparameter weitere Zellparameter zur Bestimmung angewendet werden können, ob der menschliche Embryo aneuploid ist. Insofern wird der Fachmann sich nicht abgehalten sehen, auch andere Parameter berücksichtigen zu können, solange er auch die Anspruchsgemäßen berücksichtigt. Jedoch dürfte der Anspruch voraussetzen, dass einer der in Merkmal 1.2 offenbarten Zellparameter maßgeblich bei der Entscheidung ist, ob der menschliche Embryo aneuploid ist.
  165. III.
    Die Beklagten verletzen das Klagepatent mittelbar durch das Anbieten und Liefern der angegriffenen Ausführungsformen I und II.
  166. Nach § 10 Abs. 1 PatG ist es jedem Dritten verboten, im Inland nicht zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigten Personen Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen, zur Benutzung der Erfindung im Inland anzubieten oder zu liefern, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Dies gilt nicht, wenn die Zustimmung des Patentinhabers vorliegt.
  167. 1.
    Bei den angegriffenen Ausführungsformen I und II handelt es sich jeweils um Mittel im Sinne des § 10 PatG.
  168. a)
    Das Mittel muss sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen. Ein Mittel bezieht sich dann auf ein „wesentliches Element“ der Erfindung, wenn es wortsinngemäß oder äquivalent ein oder mehrere Merkmale des jeweiligen Patentanspruchs erfüllt (BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; BGH, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug; BeckOK PatR/Ensthaler, 23. Ed. 15.1.2022, PatG § 10 Rn. 5). Ob die erforderliche Eignung des Mittels vorliegt, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden, beurteilt sich nach der objektiven Beschaffenheit des Gegenstands, der angeboten oder geliefert werden soll oder worden ist (BGH GRUR 2005, 848, 850 – Antriebsscheibenaufzug; BGH, GRUR 2015, 467 Rn. 34 – Audiosignalcodierung; Benkard PatG/Scharen, 11. Aufl. 2015, PatG § 10 Rn. 5). Da der Patentanspruch maßgeblich dafür ist, welcher Gegenstand durch das Patent geschützt ist, sind regelmäßig alle im Patentanspruch benannten Merkmale wesentliche Elemente der Erfindung im Sinne des § 10 Abs. 1 PatG (vgl. BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler), soweit sie nicht ausnahmsweise zum Leistungsergebnis nichts beitragen (vgl. BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem).
  169. Eine im Verfahrensanspruch genannte Vorrichtung, die zur Ausführung des Verfahrens verwendet wird, bezieht sich regelmäßig auf ein wesentliches Element der Erfindung (vgl. BGH, GRUR 2007, 773 – Rohrschweißverfahren). Etwas anderes gilt nur für Mittel, die zwar bei der Benutzung der Erfindung verwendet werden können, zur Verwirklichung der geschützten Lehre jedoch nichts beitragen. Leistet ein Mittel dagegen einen solchen Beitrag, kommt es grundsätzlich nicht darauf an, mit welchem Merkmal oder welchen Merkmalen des Patentanspruchs es zusammenwirkt (BGH, GRUR 2015, 467 Rn. 58 – Audiosignalcodierung; BGH, GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung; BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem). Deshalb ist grundsätzlich unerheblich, ob das Merkmal, mit dem das Mittel zusammenwirkt, durch den Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt ist oder ob es den „Kern“ der Erfindung betrifft (BGH, GRUR 2015, 467 Rn. 58 – Audiosignalcodierung; BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem; BGH, GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler).
  170. Nicht von § 10 PatG erfasst sind aber Mittel, die lediglich den Gegenstand oder Ausgangspunkt eines geschützten Verfahrens betreffen. Für die mittelbare Verletzung eines Patents, das ein Verfahren zum Decodieren von Daten betrifft, reicht es deshalb nicht aus, einen Datenträger anzubieten oder zu liefern, der zur Decodierung geeignete Daten enthält. Ein Decodierverfahren ist ohne das Einlegen eines Datenträgers in ein hierzu vorgesehenes Abspielgerät weder unvollständig noch funktionsuntauglich; es fehlt dann lediglich an Bedarf und Anlass für den Ablauf des Verfahrens (BGH, GRUR 2015, 467 Rn. 87 – Audiosignalcodierung; BGH, GRUR 2012, 1230 – MPEG-2-Videosignalcodierung).
  171. Weiterhin bezieht sich ein Mittel nicht auf ein wesentliches Element der Erfindung, wenn es zwar bei der Benutzung eingesetzt werden kann, aber von völlig untergeordneter Bedeutung ist (BGH, GRUR 2007, 769 – Pipettensystem) und zur Verwirklichung der geschützten Lehre nichts beiträgt (BGH, GRUR 2015, 467 Rn. 95 m.w.N. – Audiosignalcodierung).
  172. Das Mittel muss grundsätzlich so ausgebildet sein, dass eine unmittelbare Benutzung der geschützten Lehre mit allen ihren Merkmalen durch die Abnehmer möglich ist (BGH, GRUR 1992, 40 – Beheizbarer Atemluftschlauch; BGH, GRUR 2005, 848 – Antriebsscheibenaufzug). Das bedeutet (nur), dass die Abnehmer mit den angegriffenen Ausführungsformen in der Lage seien müssen, alle Verfahrensschritte durchzuführen. Die angegriffenen Ausführungsformen müssen für die mittelbare Verletzung gerade nicht unmittelbar alle Verfahrensschritte selbst durchführen können.
  173. b)
    Nach diesen Maßgaben handelt es sich bei den angegriffenen Ausführungsformen I und II jeweils um Mittel, die sich auf ein wesentliches Element des klagepatentgemäßen Verfahrens beziehen. Dagegen sind die Plug-Ins XXX und XXX (angegriffene Ausführungsformen III) keine Mittel im Sinne von § 10 PatG.
  174. aa)
    Die angegriffene Ausführungsform I „XXX“ (einschließlich der Varianten „XXX“, „XXX XXX“ und „XXX“) ist für die Durchführung des patentgemäßen Verfahrens – jedenfalls von Teilen dieses Verfahrens – geeignet.
  175. Bei der angegriffenen Ausführungsform I handelt es sich um ein Inkubatorsystem, mit dem Abnehmer unstreitig Merkmal 1.1 – also das Züchten eines menschlichen Embryos in vitro unter zur Embryoentwicklung geeigneten Bedingungen – durchführen können. Ohne das Heranziehen der Embryonen wäre die Durchführung des Verfahrens unmöglich.
  176. Zudem wird mit Hilfe der angegriffenen Ausführungsform I auch Merkmal 1.2 verwirklicht werden. Die angegriffene Ausführungsform I ist mit einer integrierten mikroskopischen Spezialkamera und einem Computerprozessor ausgestattet, mit deren Hilfe die Entwicklung der Embryonen nach der Befruchtung überwacht werden kann (vgl. Anlage K 10; „XXX“). Es handelt sich unstreitig um ein im Klagepatentanspruch erwähntes Zeitraffermikroskop im Sinne der Merkmalsgruppe 1.2. Über die Zeitstempel der Bilder können die Zeitpunkte der Zellteilungen erfasst werden, was wiederum die Berechnung von Zeitintervallen nach Merkmal 1.2 ermöglicht. Der Benutzer der angegriffenen Ausführungsform I kann am integrierten Bildschirm der angegriffenen Ausführungsform I ablesen, zu welchen Zeitpunkt ein bestimmtes Zellereignis beginnt oder endet bzw. wie lange es dauert. Die mittelbare Verletzung setzt gerade nicht voraus, dass die Zellparameter durch die angegriffenen Ausführungsformen automatisiert berechnet werden. Dass die Abnehmer zwischen den Bildern vor- und zurückspulen müssen und die Zellparameter händisch berechnen müssen, spricht nicht gegen eine Eignung zur Durchführung des klagepatentgemäßen Verfahrens.
  177. Zwar macht die angegriffene Ausführungsform I keinen Gebrauch von Merkmal 1.3. Aber wie gesehen ist dies nicht erforderlich, sondern es reicht aus, dass ein Benutzer mit der angegriffenen Ausführungsform I das Merkmal 1.3 verwirklichen kann, indem er auf Basis der gemessenen Zellparameter die Bestimmung vornehmen kann, ob der Embryo aneuploid ist.
  178. bb)
    Die angegriffene Ausführungsform II ist – sofern sie auf einer angegriffenen Ausführungsform I aufgespielt ist – zur Messung der in Merkmalsgruppe 1.2 genannten Zeitintervalle geeignet. Damit stellt die Software ebenso wie die angegriffene Ausführungsform I ein wesentliches Mittel zur Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre dar.
  179. Der objektiven Eignung steht nicht entgegen, dass es an einer vordefinierten Einstellung hierfür fehlt. Es ist unstreitig möglich, dass ein Benutzer die klagepatentgemäßen Zeitintervalle ermitteln kann, etwa im Wege der „XXX“ (Nutzerdefinierter Ausdruck). Die Anknüpfungspunkte (morphologischen Ereignisse) für die in den Merkmalen 1.2.2 und 1.2.3 genannten Zeitintervalle (t2, t3 und t4) können dabei verwendet werden.
  180. Ob dies tatsächlich vorgenommen wird, ist eine Frage der nachfolgend behandelten Verwendungsbestimmung. Gleiches gilt für den Umstand, dass es nicht möglich ist, solche vom Benutzer definierten Zeitintervalle in einem Modell zu verwenden (in dem nur vordefinierte Parameter verwendet werden können). Auch dies steht der objektiven Eignung der angegriffenen Ausführungsformen I und II zur Verwendung im klagepatentgemäßen Verfahren nicht per se entgegen.
  181. Die Eignung, bei der Durchführung von Merkmal 2 mitzuwirken, besteht sowohl bei der Standard XXX als auch der XXX, da mit Hilfe von beiden Funktionen die klagepatentgemäßen Zellparameter gemessen werden können. Allerdings können in der XXX die morphologischen Ereignisse (t2, t3, t4) automatisch und damit leichter erfasst werden.
  182. Das Bestimmen der für die klagepatentgemäße Lehre relevanten Zeitpunkte – aus denen dann die Zeitintervalle berechnet werden können – wird bei der angegriffenen Ausführungsform II in der Standard XXX etwa über einen Graphen, der die Blastomerenaktivität zeigt oder das Teilungsdiagramm, wie es bereits in der Funktion „XXX“ enthalten ist, für den Benutzer vereinfacht. Dies gilt auch für die XXX. Weiterhin gehören zu den in der XXX vordefinierten Zellparametern unter anderem die Zellteilungen t2, t3 und t4 (vgl. Anlage K 60, S. 19).
  183. Im Hinblick auf Merkmal 3 gilt das oben zur angegriffenen Ausführungsform I Gesagte entsprechend.
  184. cc)
    Die angegriffenen Ausführungsformen III (XXX und XXX) sind – isoliert betrachtet – keine Mittel, die sich auf ein wesentliches Element der Erfindung des Klagepatents beziehen. Sie sind lediglich in Form des Plug-Ins geeignet, das klagepatentgemäße Verfahren zu verwirklichen, dann jedoch als Bestandteil der angegriffenen Ausführungsform II.
  185. Die angegriffenen Ausführungsformen III leisten einen Beitrag zur Durchführung weder von Merkmalsgruppe 1.2 noch von Merkmal 1.3. Die Modelle XXX und ermöglichen nicht die Bestimmung, ob ein Embryo aneuploid ist auf Basis der in Merkmalsgruppe 1.2 aufgeführten Zellparametern. Die angegriffene Ausführungsform III dient als Entscheidungshilfe, welche Embryos verwendet werden sollen. Hierzu wird eine Bewertung (Score) von 1 – 9,9 errechnet, die aber keinen ausreichenden Schluss auf eine Aneuploidie des Embryos bietet.
  186. So dürfte sich eine Verwendung der Variablen cc2 nach MM 2 nicht feststellen lassen. Die Klägerin hat zunächst geltend gemacht, in den Algorithmus der angegriffenen Ausführungsformen III finde auch die Variable cc2 Eingang, die dem zweiten Zellzyklus entspricht (t3-t2). Daraufhin haben die Beklagten konkret vorgetragen, dass weder die Dauer der ersten Zytokinese noch die Zeitintervalle zwischen den Zellteilungsereignissen t2 und t3 („cc2“ bzw. t3-t2) bzw. t3 und t4 („s2“ bzw. t4-t3) ermittelt bzw. für die Beurteilung der Embryonen herangezogen wird. Diesem Vortrag ist die Klägerin nicht mehr konkret entgegen getreten.
  187. Auch soweit sich die Klägerin auf die Ermittlung, ob bei dem Embryo eine „direct cleavage“ stattgefunden hat, bezieht, leistet die angegriffene Ausführungsform III keinen Beitrag zur Lehre des Klagepatents. Von einer direkten Teilung von einer zu drei Zellen („direct cleavage“) wird von den angegriffenen Ausführungsformen III ausgegangen, wenn der Zeitraum, in denen der Embryo zwei Zellen aufweist, geringer als 5 Stunden ist. Zur Bestimmung des Eintritts einer „direct cleavage“ muss insoweit stets das Zeitintervall t3-t2 bestimmt werden. Die Bestimmung von t3-t2 mag zwar Merkmal 1.2.2 entsprechen, allerdings kann damit nicht das klagepatentgemäße Verfahren ausgeführt werden. Ferner ist nicht ersichtlich, dass die Bestimmung von t3-t2 dem Benutzer überhaupt offenbart wird, sondern sie führt zu einem XXX = 1. Diese kann darin begründet sein, dass eine Aneuploidie vorliegt, dies dürfte aber nicht zwingend sein. Wie die Beklagten dargelegt haben, kann eine direct cleavage auch oftmals ohne Aneuploidie vorliegen. Umgekehrt kann nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten von einer guten XXX oder schlechten XXX kein Schluss auf eine Aneuploidie (vgl. Anlage K 31) gezogen werden.
  188. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen kann dahinstehen, ob die Nutzer auch eigene Modelle mit der angegriffenen Ausführungsform III nutzen können, die ggf. die Bewertung des Embryos auch anhand der klagepatentgemäßen Parameter vorsehen. Selbst dann würde die angegriffene Ausführungsform III isoliert betrachtet kein wesentliches Mittel der Erfindung darstellen.
  189. Auch aus dem Aufsatz von XXX et al. (Anlage K 31) ergibt sich eine Eignung der angegriffenen Ausführungsform III für die Durchführung des klagepatentgemäßen Verfahrens nicht. Zwar wird hierin eine angegriffene Ausführungsform III verwendet. Die Studie kommt allgemein zum Ergebnis, dass die Euploidie-Rate je nach XXX (1,0 – 5,9 vs. 6,0 – 9,9) variiert, wobei es sich um retrospektive Betrachtung handelt. Dies belegt aber nicht, dass maßgeblich mit Hilfe eines der klagepatentgemäßen Zellparameter eine Bestimmung erfolgt ist, ob ein Embryo aneuploid ist. Eine Verwirklichung von Merkmal 1.3 des Klagepatents ist hieraus nicht ersichtlich. Insbesondere würde auch dies nicht dazu führen, dass die angegriffene Ausführungsform III isoliert betrachtet ein wesentliches Mittel der Erfindung darstellt.
  190. 2.
    Die Beklagten bieten die angegriffenen Ausführungsformen I und II für das Inland an und liefern diese hierhin. Auch die geplante Verwendung der angegriffenen Ausführungsformen findet im Inland statt.
    Dies gilt auch für die Beklagte zu 1), für die jedenfalls ein Anbieten festgestellt werden kann.
  191. a)
    Ein nach § 10 PatG untersagtes Anbieten ist nicht nur eine dem Herstellen, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen oder Besitzen vorausgehende Vorbereitungshandlung, sondern eine eigenständige Benutzungsart neben diesen Handlungen, die selbstständig zu beurteilen ist (vgl. BGH, GRUR 2003, 1031, 1032 – Kupplung für optische Geräte; BGH, GRUR 2006, 927, 928 – Kunststoffbügel; BGH, GRUR 2007, 221, 222 – Simvastatin). Der Begriff des Anbietens umfasst jede im Inland begangene Handlung, die nach ihrem objektiven Erklärungswert den Gegenstand der Nachfrage in äußerlich wahrnehmbarer Weise zum Erwerb der Verfügungsgewalt bereitstellt (BGH, GRUR 2008, 927 – Kunststoffbügel; Senat, Urteil vom 22.03.2019 – I-2 U 31/16 – Rn. 290 bei Juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.10.2016 – I-2 U 19/16 – Rn. 97 bei Juris). Ein Mittel hierzu ist auch die bloße Bewerbung eines Produkts im Internet, da dies bereits dazu bestimmt und geeignet ist, Interesse an dem beworbenen Gegenstand zu wecken und diesen betreffende Geschäftsabschlüsse zu ermöglichen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259, 261 – Thermocycler). Es kommt dagegen für eine Patentverletzung nicht darauf an, ob das Angebot Erfolg hat, es also nachfolgend zu einem Inverkehrbringen kommt (OLG Düsseldorf, GRUR 2004, 417, 418 – Cholesterinspiegelsenker; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2021 – I-2 W 7/21).
  192. Für ein Anbieten müssen nicht alle Merkmale des Patents in der Werbung offenbart sein, wenn bei objektiver Betrachtung der im Streitfall tatsächlich gegebenen Umstände davon ausgegangen werden muss, dass das dargestellte Erzeugnis dem Gegenstand des Patents entspricht (BGH, GRUR 2003, 1031 – Kupplung für optische Geräte). Es kommt darauf an, ob die patentgemäße Gestaltung aus dem Vorliegen von sonstigen objektiven Umständen zuverlässig geschlossen werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2021 – I-2 W 7/21). Ein wesentlicher Gesichtspunkt hierbei ist die Sicht der angesprochenen Kreise über den unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu ermittelnden objektiven Erklärungswert der Werbung (vgl. BGH, GRUR 2005, 665 – Radschützer).
  193. Ein Internetangebot stellt nicht schon deshalb ein inländisches Angebot dar, weil die betreffende Internetseite im Inland aufgerufen werden kann (vgl. BGH, GRUR 2005, 431 – Hotel Maritime (zum Kennzeichenrecht)). Notwendig ist vielmehr ein sich aufgrund einer Gesamtabwägung ergebender wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.08.2021 – I-2 W 7/21; Landgericht Düsseldorf, InstGE 3, 54; Benkard PatG/Scharen, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 11).
  194. b)
    Nach diesen Maßgaben bietet die Beklagte zu 1) angegriffene Ausführungsformen für Deutschland an.
  195. Auf den Internetseiten www.XXX.com werden die angegriffenen Ausführungsformen werbend dargestellt (vgl. Anlagenkonvolut K 19). Zwischen den Parteien steht nicht in Streit, dass dies Angebotshandlungen sind, die trotz Verwendung der englischen Sprache auch in Deutschland verstanden werden. Für Deutschland werden auch explizit Ansprechpartner genannt, darunter die Beklagte zu 2).
  196. Die Beklagte zu 1) ist – neben der Beklagten zu 2), für die ein Anbieten nicht in Abrede gestellt wurde – für diese Angebote verantwortlich. Dass es sich bei ihr um eine Holding-Gesellschaft handelt, schließt ein Anbieten für sich genommen nicht aus, da dies keinen Vertrieb voraussetzt. Vielmehr zeigt die Pressemitteilung in Anlage K 57, für welche sich die Beklagte zu 1) verantwortlich zeichnet, einen konkreten Produktbezug. Hierin wird das „XXX“-System werbend beschrieben. Daneben findet sich auch der Hinweis, dass XXX unter anderem in Deutschland tätig ist. Dem steht nicht entgegen, dass die Pressemitteilung an potentielle Investoren gerichtet ist, da die Pressemitteilung für jeden zugänglich ist.
  197. Vor diesem Hintergrund kann man eine Angebotshandlung für Deutschland dem in Anlage K 55 vorgelegten Auszug einer Internetseite entnehmen, wenngleich die Inhaberin der Internetseite www.XXX.com nicht die Beklagte zu 1), sondern die XXX  AB ist. Hier wird unter Contact für „Germany“ – neben der Beklagte zu 2) – auch die XXX AB (publ) (Beklagte zu 1)) mit schwedischen Kontaktdaten als Head Office genannt. Auch wenn die Beklagte zu 2) damit möglicherweise primär für Deutschland zuständig ist, wird ein Besucher der Seite dieser entnehmen, dass er sich aus Deutschland auch an die Beklagte zu 1) wenden kann. Dafür spricht, dass für die Beklagte zu 2) nur eine persönliche E-Mail-Adresse angegeben wird (XXX@XXX.com), während die allgemeine Adresse info@XXX.com bei der Beklagten zu 1) aufgeführt ist. Damit wird für den Nutzer der Seite suggeriert, dass die Beklagte zu 1) für die Produkte auf der Internetseite auch für Anfragen aus Deutschland heraus zuständig ist.
  198. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus der Copyright Notice zugunsten der Beklagten zu 1) auf den Internetseiten für sich genommen eine Angebotshandlung folgt, weil die Beklagte zu 1) damit die Verantwortung für die gesamte Internetseite übernimmt, was auch für die angegriffenen Ausführungsformen gilt. Jedenfalls ist dies in der Zusammenschau mit dem zuvor Gesagten ein weiteres Indiz dafür, dass die Beklagte zu 1) angegriffene Ausführungsformen auch für Deutschland anbietet oder jedenfalls am Anbieten mitwirkt, was für eine patentrechtliche Verantwortung ausreicht.
  199. 3.
    Für die angegriffenen Ausführungsformen I und II geht die Kammer von dem Vorliegen einer Verwendungsbestimmung aus.
  200. a)
    Die Verwendungsbestimmung spiegelt den erkennbaren Handlungswillen des Belieferten wider, der das ihm bereitgestellte Verfahren so zusammenfügen und herrichten wollen muss, dass es patentverletzend angewendet werden kann. Genügend ist hierfür, dass bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Liefernden die hinreichend sichere Erwartung besteht, dass der Abnehmer das angebote-ne/gelieferte Mittel zum patentverletzenden Gebrauch verwenden wird. Ist das Mittel hingegen – wie hier – sowohl patentgemäß als auch patentfrei einsetzbar, kann ohne weitere Anhaltspunkte nicht von der Offensichtlichkeit der Verwendungsbestimmung ausgegangen werden (vgl. BGH, GRUR 2005, 848 ff. – Antriebsscheibenaufzug). Da der Wille des Abnehmers als innere Tatsache nur schwer festzustellen ist, kann der Kläger dazu im Rahmen der Offensichtlichkeit auf objektive Indizien und Erfahrungen des täglichen Lebens zurückgreifen (vgl. BGH, GRUR 2005, 848 ff. – Antriebsscheibenaufzug; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2016, 97, 104). Von Bedeutung sind dabei das Maß der Eignung des Mittels für den patentgemäßen Gebrauch, die übliche Verwendung und Anwendungshinweise des Liefernden.
  201. b)
    In der Gesamtschau besteht bei den angegriffenen Ausführungsformen I und II eine solche Bestimmung zur Verwendung im klagepatentgemäßen Verfahren.
  202. aa)
    Der von der Klägerin angeführte Blog-Eintrag auf den Internetseiten des Beklagtenkonzerns (vorgelegt in Anlage K 27) kann für sich genommen nicht mit einer aufgezeigten Verwendungsmöglichkeit in einer Gebrauchsanweisung gleichgesetzt werden. Jedoch ist Gegenstand des Blogs auch, dass der Zeitraffer zur Klassifizierung des wahrscheinlichen Ploidiestatus des Embryos – wenn auch nicht allein – eingesetzt werden kann. Diese Aussage wird durch die im Folgenden näher dargestellten in Bezug genommenen Paper und Studienveröffentlichungen belegt, etwa den Veröffentlichungen von XXX et al. und XXX et al., wonach das Messen des Parameters cc2 (MM 2.2) als aussagekräftig für die Unterschiede zwischen chromosomal normalen und abnormen Embryonen gehalten wird. Andererseits bilden die in Bezug genommenen Paper und Studienveröffentlichungen ein durchaus differenziertes Bild ab. Es finden sich auch Referenzen, etwa eine im Folgenden näher dargestellte Studie von XXX et al., die keinen signifikanten Zusammenhang zwischen den Zellparametern und dem Ploidiestatus feststellt.
  203. bb)
    Aus den im Blog aufgeführten Papern und Studienveröffentlichungen sowie aus weiteren der Fachöffentlichkeit bekannten Veröffentlichungen ergibt sich ein differenziertes Bild, da teilweise ein signifikanter Zusammenhang zwischen den klagepatentgemäßen Zellparametern und dem Ploidiestatus von Embryonen angenommen wird, während andere Veröffentlichungen den Zusammengang anzweifeln oder ihm keine hohe Aussagekraft beimessen.
  204. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Abnehmern der angegriffenen Ausführungsformen I und II jedenfalls nahezu ausschließlich um hochspezialisierte Kliniken und Arztpraxen handeln dürfte, die vor der Anschaffung eines teuren Geräts ihre Fachärzte in entsprechenden Gremien zu Rate ziehen und insofern über das Meinungsspektrum im Bilde sind. Auch wenn die Bestimmung der anspruchsgemäßen Zellparameter nicht ausnahmslos als eine verlässliche Indikation dafür angesehen wird, dass ein menschlicher Embryo aneuploid ist, erscheint diese dennoch als ein (weiterer) Mosaikstein, der für den Nachweis von Aneuploidie eben auch herangezogen werden kann. Angesichts der hohen Sensibilität und Schwierigkeit, gesunde und lebensfähige Embryonen für die Fertilisationsmedizin zu erzeugen, erscheint es lebensnah, dass bei dem Einsatz der angegriffene Ausführungsformen möglichst alle Informationen eingeholt und Messungen durchgeführt werden, um dem Arzt die Entscheidung für oder gegen den Embryo so sicher wie möglich zu gestalten.
  205. Aus objektiver Sicht der Beklagten, der das Meinungsbild bekannt ist (dazu unter 4.), besteht eine hinreichend sichere Erwartung dafür, dass die Kliniken die angegriffenen Ausführungsformen I und II zum klagepatentgemäßen Gebrauch einsetzen. Es kommt nicht darauf an, dass dies nicht den Großteil der Fälle ausmachen dürfte.
  206. Im Einzelnen:
  207. (1.)
    Der Artikel von XXX et al. (Anlage K 28) ist als „Reference“ im Blog-Eintrag der Beklagten genannt (Anlagen K 27) und stellt eine Studie vor, in der mit Hilfe der angegriffenen Ausführungsformen I und II unter anderem das Zeitintervall „cc2“ berechnet wurde, was dem Zeitraum zwischen Zytokinese 1 und Zytokinese 2 und damit dem Zellparameter nach Merkmal 1.2.2 entspricht. Die Studie stellt einen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Zellparameter cc2 und chromosomal normalen und abnormen Embryonen her.
  208. Einer Verwendungsbestimmung steht nicht entgegen, dass die Studienbeteiligten selbst cc2 (= das Zeitintervall zwischen Zytokinese I und Zytokinese II) berechnet haben oder, dass andere, nicht klagepatentgemäße Parameter als aussagekräftiger bewertet wurden, da dies nach der hiesigen Auslegung nicht aus dem klagepatentgemäßen Verfahren herausführt.
  209. (2.)
    In der dem Artikel von XXX et al. (Anlage K 29) zugrundeliegenden Studie, auf die ebenfalls im Blog hingewiesen wird, wurden ebenfalls die angegriffenen Ausführungsformen I und II der Rechtsvorgängerin (XXX) der Beklagten verwendet, wobei ein überprüftes „Entwicklungsparameter“ cc2 (= Merkmal 1.2.2) war. Die Autoren schließen, dass sich bei chromosomal normalen und chromosomal abnormen Embryoenen die Dauer von cc2 signifikant unterscheidet. Aus dem Artikel geht deutlich hervor, dass bereits dieser Zellparameter alleine ein deutlicher Indikator für Aneuploidie ist, wenngleich die Bestimmung des Ploidiestatus unter Verwendung mehrerer Parameter näherliegt. Wie oben dargestellt führt die Nutzung weiterer – nicht klagepatentgemäßer – Zellparameter zur Bestimmung des Ploidiestatus von Embryonen nach der Auslegung der Kammer nicht aus dem klagepatentgemäßen Verfahren heraus.
  210. (3.)
    Die Bedeutung der klagepatentgemäßen Zellparameter cc2 (t3-t2 = Merkmal 1.2.2) und s2 (t4-t3 = Merkmal 1.2.3) ergibt sich insbesondere aus dem dokumentieren Vorgehen der Kliniken der F-Gruppe. In dem Lehrbuch „XXX“ von XXX et al. (Anlage K 67) wird die typische Vorgehensweise der Benutzung des XXX Systems in den Kliniken der F-Gruppe beschrieben. In diesen Kliniken – von denen keine in Deutschland liegt – werden die angegriffenen Ausführungsformen I und II zusammen mit einem Embryonenbewertungs-Algorithmus von XXX et al. (2013, XXX) verwendet. Der Algorithmus wurde entwickelt, um die Implantation von Embryonen vorherzusagen.
  211. Als „selection criteria“ in diesem Algorithmus werden cc2 (t3-t2 = Merkmal 1.2.2) und s2 (t4-t3 = Merkmal 1.2.3) genannt (S. 516 Anlage K 67). Zur Veranschaulichung wird nachfolgend die von der Klägerin markierte Figur eingeblendet:
  212. Diese beiden klagepatentgemäßen Zellparameter werden auch – neben t5 – als zwei von drei „Selection criteria“ aufgeführt, so dass ihnen ein maßgeblicher Einfluss bei der Auswahl des Embryos zukommt. Im dem Algorithmus der F-Gruppe werden diese Parameter auch automatisiert berechnet. Unerheblich ist, dass – wie die Beklagten einwenden – auch weitere Parameter herangezogen werden.
  213. Die Kammer verkennt nicht, dass der Algorithmus von XXX et al. zur Vorhersage der Implantationswahrscheinlichkeit von Embryonen entwickelt wurde, die gerade nicht mit dem Ploidiestatus gleichzustellen ist. Allerdings ergibt sich aus der Inbezugnahme der oben dargestellten Studie von XXX et al. im Lehrbuch von XXX et al. (S. 515 der Anlage K 67), dass jedenfalls die Verwendung des Zellparameters cc2 der Bestimmung des Ploidiestatus dient. Dass der Endpunkt der weiteren Betrachtung die Implantationswahrscheinlichkeit ist, führt nicht aus der Verwendung des klagepatentgemäßen Verfahrens heraus. Es genügt hierfür, dass das klagepatentgemäße Zellparameter gemessen und zum Bestimmen, ob der menschliche Embryo aneuploid ist, angewendet wird.
  214. (4.)
    Auch der Artikel von XXX et al. (2019) („XXX“, Anlage K 68) kommt zu dem Schluss „Es gab einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen euploider und aneuploider Entwicklung im Hinblick auf den Parameter CC2.“ Weiterhin meinen die Autoren, dass die Parameter cc2 und s2 „- in Kombination mit den PGS Testresultaten bei der Vorhersage des Ploidie-Status – hilfreich sein können“. Gegen die Kenntnis der Fachkreise spricht nicht, dass der Artikel lediglich als Poster im AAG Conference and CRB Symposium 2019 (S. 2 Anlage B 35) aufgeführt wurde.
  215. (5.)
    Der Artikel von XXX et al. (2022) (Anlage K 77) nennt in Tabelle 3 unter anderem die bereits oben diskutierten Studien von XXX  et al. (2012) und XXXet al. (2015) sowie eine Studie von XXXet al. (2018), die jeweils klagepatentgemäße Zellparameter als prädiktiv für die Euploidie eines Embryos identifiziert haben. Die Tabelle dürfte jedoch lediglich einer Darstellung des Meinungsstandes darstellen. Die Bedeutung von Zellparametern für die Bestimmung des Ploidiestatus wird zwar nicht abgelehnt, jedoch relativiert. So heißt es auf S. 228 der Anlage K 77, dass der euploide Vorhersagealgorithmus mit umfassender Berücksichtigung von morphokinetischen Parametern, dem Alter der Patienten und dem durch Präimplantationsdiagnostik bestimmten Ploidiestatus die Vorhersageeffizienz und -genauigkeit verbessere.
  216. (6.)
    In dem Beitrag von XXXet al. „XXX“ (Anlage K 32) wird eine direkte Teilung („direct cleavage“) unter Verwendung der angegriffenen Ausführungsform I untersucht. Weiterhin wird ein Zusammenhang zwischen „direct cleavage“ und der Aneuploidie-Rate hergestellt.
  217. (7.)
    In einem Artikel von XXX et al. (2013) (Anlage B5) konnte hingegen kein signifikanter Bezug zwischen einem klagepatentgemäßen Zellparameter und dem Ploidie-Status des Embryos festgestellt werden, weshalb die Autoren ein anderes Modell vorschlagen.
  218. (8.)
    Nach einem Artikel von XXX et. al. (2020) (Anlage B 32) konnte einer groß angelegten Kohorten-Studie von XXX et al. (2015) zufolge kein Zusammenhang zwischen frühen (bis zum 8-Zell-Stadium) morphokinetischen Werten und Aneuploidie festgestellt werden (S. 80 Anlage B 32).
  219. (9.)
    Der im Lehrbuch „XXX“ von XXX et al. (2019) (Anlage K 67) abgedruckte Fachaufsatz von XXX et al. (Anlage B 37) verneint einen signifikanten Zusammenhang zwischen den klagepatentgemäßen Zellparametern und dem Ploidiestatus von Embryonen. Darin heißt es, dass die vorhandenen Daten im Hinblick auf die Fähigkeit von TLM und der morphologischen Analyse, zwischen euploiden und aneuploiden Embryonen zu unterscheiden, widersprüchlich sei (S. 238 Anlage B 37). Mehrere groß angelegte Studien, in denen zwischen 152 und 454 Embryonen untersucht worden seien, hätten keine signifikanten Unterschiede zwischen verschiedenen morphologischen Parametern in Bezug auf euploide und aneuploide Embryonen gefunden (S. 238 Anlage B 37). Zwar habe eine Studie von XXX et al. 2012 herausgefunden, dass abnormale morphologische Parameter mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Aneuploidie einhergingen, doch seien folgende Studien dahingehend widersprüchlich, dass manche davon ausgingen, aneuploide Embryonen entwickelten sich schneller, während andere von einer langsameren Entwicklung im Vergleich zu euploiden Embryonen ausgingen (S. 239 Anlage B 37).
  220. Nicht von Bedeutung für die Frage der Verwendungsbestimmung ist, dass dargestellt wird, dass eine Studie von XXX et al., die einen Zusammenhang zwischen der Zeit bis zum Beginn der Blastulation und der Bildung der vollständigen Blastozyste und der Implantationswahrscheinlichkeit von Embryonen hergestellt hat, in weiteren Studien nicht bestätigt werden konnte (S. 239 Anlage B 37), da die verwendeten Zellparameter nicht im klagepatentgemäßen Verfahren verwendet werden.
  221. Der Artikel führt auch nicht dazu, dass sich aus dem Artikel von XXXet al. (s.o. unter III.2.b)bb)) keine Verwendungsbestimmung ergibt. Zwar wird dargestellt, dass nur 1/3 der Embryonen, die die drei optimalen morphokinetischen Meilensteine zeigten, euploid gewesen seien, sodass es für unwahrscheinlich gehalten werde, dass durch diese spezifische Methode das PGT-A Modell ersetzt werde; zumal es zwei weiteren Forscherteams nicht gelungen sei, in ihren eigenen Kliniken retrospektiv signifikante Unterschiede zwischen den vier durch dieses Modell definierten Kategorien festzustellen, doch dürfte es sich dabei um einen Einzelmeinung halten. Insbesondere im Hinblick auf das im selben Handbuch dokumentierte Vorgehen der Kliniken der F-Gruppe dürfte den Fachkreisen bekannt sein, dass den klagepatentgemäßen Zell-Parametern in der Praxis Bedeutung bei der Beurteilung von Embryonen zukommt.
  222. (10.)
    Der von den Beklagten vorgelegte Artikel von XXX et al. (2022) (Anlage B 38) steht einer Verwendungsbestimmung nicht entgegen. Vielmehr wird in diesem einleitend festgestellt, dass Aneuploidie einer der wesentlichen Faktoren für das Scheitern von IVF und für Fehlgeburten sei und dass TLS in manchen Kliniken mit dem Ziel, die Embryonenqualität unter Beachtung der Morphologie zu bestimmen, verwendet werde (S. 2 Anlage B 38). Der Artikel untersucht Studien, die zum Zusammenhang zwischen Morphologie und Aneuploidität durchgeführt wurden. Unter anderem wurden die Studien von XXXet al., XXX et al., XXXet al., XXXet al. und XXX et al. untersucht. Der Artikel kommt zwar zu dem Ergebnis, dass XXX-Verfahren nicht zur Diagnose von Aneuploidität geeignet seien (S. 26 Anlage B 38), doch ist nicht davon auszugehen, dass aufgrund eines einzelnen Artikels die zuvor in Kliniken durchgeführten Verfahren nicht mehr verwendet werden.
  223. 4.
    Die vorstehend dargestellte Verwendungsbestimmung ist auch offensichtlich für die Beklagten. Die Referenzierung von XXX(Anlage K 28) im Blog-Eintrag (Anlage K 27) belegt die Kenntnis dieses Artikels. Im Übrigen kann allgemein davon ausgegangen werden, dass den Beklagten die Fachliteratur im Gebiet der angegriffenen Ausführungsformen bekannt ist, insbesondere soweit diese in Studien verwendet wurden.
  224. Für die Kenntnis spricht auch, dass die Beklagten mit Dr. XXX, dem Urheber des gleichnamigen Algorithmus, der in den F-Fachkliniken Anwendung findet (vgl. Anlage K 67), bei der Entwicklung der angegriffenen Ausführungsformen zusammengearbeitet haben. Wie oben dargestellt berücksichtigt der Algorithmus das klagepatentgemäße Zellparameter cc2 (Merkmal 2.2) zur Bestimmung des Ploidiestatus des Embryos.
  225. IV.
    Den Beklagten steht kein Vorbenutzungsrecht zu.
  226. 1.
    Nach § 12 Abs. 1 S. 1 PatG tritt die Wirkung des Patents gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung (bzw. dem Prioritätszeitpunkt) bereits im Inland die Erfindung in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte.
  227. Mit dieser Einschränkung will das Gesetz aus Billigkeitsgründen einen vorhandenen oder in vorbereitenden Veranstaltungen bereits angelegten gewerblichen Besitzstand des Vorbenutzers schützen und damit die unbillige Zerstörung in rechtlich unbedenklicher Weise geschaffener Werte verhindern. Auf der Grundlage eines erst zu einem späteren Zeitpunkt entstandenen oder in rechtlich relevanter Weise angelegten Ausschließlichkeitsrechts soll der Patentinhaber denjenigen nicht von der Benutzung der Erfindung ausschließen können, der die geschützte technische Lehre bereits vorher benutzt oder konkrete Anstalten für eine solche Benutzung getroffen hat (BGH, GRUR 2019, 1171, 1173 Rn. 26 f. – Schutzverkleidung; BGH, GRUR 2010, 47 Rn. 16 – Füllstoff; OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.06.2021 – I-2 U 116/05).
  228. Das Vorbenutzungsrecht setzt voraus, dass der Vorbenutzungsberechtigte einerseits im Prioritätszeitpunkt bereits selbstständigen Erfindungsbesitz hatte, andererseits, dass er diesen im Inland betätigt hat oder zumindest Veranstaltungen zu einer alsbaldigen Aufnahme der Benutzung des Erfindungsgegenstandes getroffen hat. Daneben sind redlicher Erfindungsbesitz und, soweit nur Veranstaltungen getroffen sind, Benutzungswille erforderlich (Keukenschrijver in: Busse/Keukenschrijver, PatG, 9. Aufl. 2020, § 12 Rn. 7).
  229. Der für § 12 PatG erforderliche Erfindungsbesitz ist gegeben, wenn die sich aus Aufgabe und Lösung ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist (BGH, Urteil vom 12.06.2012 – X ZR 132/09 = BeckRS 2012, 15086 Rn. 18 – Desmopressin; BGH, GRUR 2010, 47, 48 Rn. 17 – Füllstoff). Die Benutzung muss von der Erkenntnis getragen sein, die es jederzeit möglich macht, die technische Lehre wiederholbar auszuführen, so dass es auch gerechtfertigt ist, daran eine Besitzstand vermittelnde Rechtsposition anzuknüpfen. Hingegen ist es nicht erforderlich, dass der Handelnde über die Erkenntnis der gesicherten Ausführbarkeit der Erfindung hinausgehendes Wissen um vorteilhafte Wirkungen der Erfindung hat. Denn der Erfindungsbesitz kann nicht von Voraussetzungen abhängig gemacht werden, die nicht Teil der technischen Lehre geworden sind, so wie diese im Patentanspruch definiert worden ist (BGH, Urteil vom 12.06.2012 – X ZR 132/09 = BeckRS 2012, 15086 Rn. 18 m.w.N. – Desmopressin).
  230. Für die Voraussetzungen des Vorbenutzungsrechts ist derjenige darlegungs- und beweisbelastet, der sich darauf beruft – hier also die Beklagten, wobei an den Nachweis eines Vorbenutzungsrechts strenge Anforderungen zu stellen sind (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.01.2007 – Az. I-2 U 65/05 – Rn. 85 bei Juris).
  231. 2.
    Für eine Benutzung im Sinne von § 12 PatG reicht die mittelbare Benutzung aus (BeckOK PatR/Ensthaler, 23. Ed. 15.1.2022, PatG § 12 Rn. 6 m.W.N.). Dies gilt beim Anbieten oder Liefern von Gegenständen zu einer später in einem Verwendungspatent geschützten Verwendung oder beim Anbieten oder Liefern eines Stoffes zum Gebrauch bei einem später geschützten Verfahren, (BGH GRUR 1964, 496, 497 – Formsand II). Ein Vorbenutzungsrecht entsteht jedoch aber auch insoweit nur, wenn der Anbieter oder Lieferant im Besitz der Erfindung gewesen ist (BGH GRUR 1964, 496, 497 – Formsand II; Benkard PatG/Scharen, 11. Aufl. 2015, PatG § 12 Rn. 11). Die bloße Benutzung des Mittels (oder eine entsprechende Benutzungsabsicht) rechtfertigt nicht die Belieferung Dritter nach Patenterteilung, wenn nicht der Vorbenutzer vor dem Prioritätstag bereits die Benutzung des Mittels im Rahmen des Patentanspruchs durch Lieferung an Dritte zielgerichtet ermöglicht oder eine solche Lieferung für die patentgemäße Benutzung zumindest in Erwägung gezogen hatte (von Falck, GRUR 2021, 181, 183). Es gibt also kein „absolutes“ Weiterbenutzungsrecht für das Mittel, soweit es nicht Gegenstand von Handlungen nach § 12 PatG (von Falck, GRUR 2021, 181, 183).
  232. 3.
    Ein Vorbenutzungsrecht der Beklagten setzt also voraus, dass sie nicht nur die angegriffenen Ausführungsformen (oder deren Vorgängerversionen) vertrieben haben, sondern auch, dass sie damit auch die übrigen Voraussetzungen des § 10 PatG erfüllt haben – also insbesondere eine Verwendungsbestimmung zur Nutzung der klagepatentgemäßen Lehre bestanden haben muss. Damit können die Beklagten ein Vorbenutzungsrecht nicht alleine damit begründen, dass sie unverändert die angegriffenen Ausführungsformen bzw. in den relevanten Punkten baugleiche Produkte bereits vor dem Prioritätszeitpunkt angeboten und geliefert haben. Dies bedeutet noch keinen Erfindungsbesitz, der die Kenntnis des gesamten klagepatentgemäßen Verfahrens voraussetzt, also insbesondere die Verwendung der gemessenen Zellparameter zur Bestimmung der Aneuploidie.
  233. Haben die Beklagten die angegriffenen Ausführungsformen oder entsprechende Vorgängerprodukte dagegen beispielsweise ohne Verwendungsbestimmung zum Durchführen des klagepatentgemäßen Verfahrens geliefert, sondern nur alleine für nicht patentgemäße Zwecke, kann ihnen kein Vorbenutzungsrecht zustehen.
  234. Dies führt auch nicht zu unbilligen Ergebnissen, denn die Beklagten können ihre Produkte wie vor dem Prioritätszeitpunkt vertreiben, müssen aber nunmehr sicherstellen, dass keine unmittelbare Patentverletzung droht.
  235. 4.
    Vor diesen Hintergrund haben die Beklagten hier kein Vorbenutzungsrecht schlüssig dargetan. Sie haben nur darauf verwiesen, dass die XXX– auf deren Benutzungshandlungen sie sich für das Vorbenutzungsrecht berufen – Vorgängermodelle der angegriffenen Ausführungsformen vertrieben habe, mit denen bestimmte morphologische und morphokinetische Eigenschaften der Embryonen – insbesondere Zellteilungen – anhand von erstellten Bildern im „XXX“-Verfahren annotiert werden konnten. Dies genügt jedoch nicht für die Begründung des Erfindungsbesitzes.
  236. Insofern besteht auch kein Widerspruch zu den Ausführungen der Klägerin zur Verletzung. Die mittelbare Patentverletzung wird noch nicht dadurch begründet, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Eignung besitzen, Zellteilungen zu annotieren. Entscheidend für die Annahme einer mittelbaren Patentverletzung ist die Verwendungsbestimmung zur Nutzung des klagepatentgemäßen Verfahrens. Eine solche haben die Beklagten aber in Bezug auf die behaupteten Vorbenutzungshandlungen nicht vorgetragen.
  237. V.
    Aus den vorstehend festgestellten Patentverletzungen folgen die zuerkannten Rechtsfolgen.
  238. 1.
    Die Beklagten sind der Klägerin gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung verpflichtet.
  239. Es besteht jedoch kein Anspruch der Klägerin auf ein uneingeschränktes Verbot des Anbietens und Lieferns.
  240. a)
    Ein solches Schlechthinverbot ist regelmäßig zu erlassen, wenn das streitgegenständliche Mittel nur patentverletzend einsetzbar ist. Dagegen kommt ein Schlechthinverbot grundsätzlich nicht in Betracht, wenn das angebotene bzw. gelieferte Mittel im Sinne von § 10 PatG technisch und wirtschaftlich sinnvoll auch patentfrei gebraucht werden kann. Welche Vorsorgemaßnahmen der Anbieter oder Lieferant eines Mittels, das sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet werden kann, zu treffen hat, bestimmt sich nach Abwägung aller Umstände im Einzelfall. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, andererseits den Vertrieb des Mittels zum patentfreien Gebrauch nicht in unzumutbarer Weise behindern dürfen (BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat m.w.N.). Als im Vergleich zum Schlechthinverbot mildere Maßnahmen zur Verhinderung von Patentverletzungen sind insbesondere Warnhinweise oder – subsidiär, falls ein Warnhinweis nicht ausreicht – der Abschluss von Unterlassungsverpflichtungs-Vereinbarungen (ggf. mit Strafbewehrung) mit Abnehmern vorranging zu prüfen (vgl. BGH, GRUR 2007, 679, 685 – Haubenstretchautomat).
  241. b)
    Die angegriffenen Ausführungsformen lassen sich unstreitig auch für wirtschaftlich relevante, patentfreie Zwecke einsetzen, wie auch die Klägerin einräumt. Die patentverletzende Verwendung ist auch nicht zwangsläufig, oder die überwiegende Art der Nutzung der angegriffenen Ausführungsformen, sondern im Gegenteil nur aufgrund weiterer, selbstständiger Handlungen der Benutzer überhaupt erst möglich.
  242. c)
    Ein Schlechthinverbot kann allerdings auch bei einer patentfreien Nutzungsmöglichkeit gerechtfertigt sein, wenn die Nutzung des Gegenstands überhaupt nicht auf eine Ausgestaltung nach dem Klagepatent angewiesen ist und der Gegenstand ohne Weiteres derart abgeändert werden kann, dass er den Vorgaben des Patents nicht mehr entspricht, aber seine Eignung zur patentfreien Verwendung dennoch nicht einbüßt (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012 – Az. I-2 U 137/10 – Rn. 83 bei Juris; LG Düsseldorf, InstGE 5, 173 – Wandverkleidung).
  243. d)
    Von einer solchen Abänderbarkeit der angegriffenen Ausführungsformen I und II ist vorliegend nicht auszugehen. Es steht zur Darlegungslast des verletzten Schutzrechtsinhabers, die Umstände vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass das Mittel ohne Weiteres patentfrei umgestaltet werden kann und deshalb ein Schlechthin-Verbot gerechtfertigt ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.03.2012 – Az. I-2 U 137/10 – Rn. 84 bei Juris).
  244. Die Klägerin hat vorgetragen, die Bestimmung der klagepatentgemäßen Zellparameter mithilfe der angegriffenen Ausführungsformen I und II könne durch eine Softwareänderung verhindert werden. Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Der Nutzer könne die Zellteilungsereignisse händisch bestimmen, welches nicht durch eine Softwareänderung zu verhindern sei. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, wie eine händische Bestimmung der Zellteilungsereignisse und eine anschließende ebenfalls händisch vorgenommene Berechnung der klagepatentgemäßen Zellparameter durch eine Softwareänderung verhindert werden kann. Dies ist auch nicht ersichtlich. Die Beklagten sind dem Vortrag der Klägerin entgegengetreten, die Berechnung der klagepatentgemäßen Zellparameter könne dadurch verhindert werden, dass die Software auf eine entsprechende Zeichenkette hin durchsucht werden könne, die gesperrt werde. Es ist auch nicht nachvollziehbar, inwiefern dadurch eine händische Berechnung der klagepatentgemäßen Zellparameter, die gerade nicht aus der mittelbaren Verletzung herausführt, verhindert werden kann.
  245. e)
    Es ist nur ein eingeschränktes Verbot gerechtfertigt, das sicherstellt, dass einerseits der wirtschaftliche Verkehr mit dem angegriffenen Gegenstand außerhalb des Schutzrechtes unbeeinträchtigt bleibt und andererseits der unmittelbar patentverletzende Gebrauch durch den Abnehmer mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen wird (BGH, Urteil vom 04.05.2004 – X ZR 48/03 = GRUR 2004, 758 – Flügelradzähler; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. A Rn. 627). Vorliegend ist der tenorierte Warnhinweis geeignet und auch ausreichend, um die Abnehmer, bei denen es sich jedenfalls nahezu ausschließlich um hochspezialisierte Fachkliniken und Arztpraxen handelt, die in der Lage sind, den Warnhinweis zu verstehen und umzusetzen, an der klagepatentverletzenden Nutzung der angegriffenen Ausführungsformen I und II zu hindern.
  246. 2.
    Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB.
  247. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass es zu unmittelbaren Patentverletzungen gekommen ist und der Klägerin damit durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.
  248. 3.
    Der Klägerin steht gegen die Beklagten zudem ein Anspruch auf Rechnungslegung aus Art. 64 EPÜ i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Die Klägerin ist zur Berechnung ihres Schadensersatzanspruchs auf die tenorierten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, und die Beklagten werden durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet.
  249. 4.
    Schließlich steht der Klägerin aufgrund der Patentverletzung ein Anspruch auf Auskunft aus Art. 64 EPÜ i.Vm. § 140b Abs. 1 PatG zu. Der Umfang des Auskunftsanspruchs ergibt sich aus § 140b Abs. 3 PatG. Eine Unverhältnismäßigkeit der Auskunftserteilung nach § 140b Abs. 4 PatG ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
  250. VI.
    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
  251. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO. Auf Antrag der Klägerin waren Teilsicherheiten für die vorläufige Vollstreckung der einzelnen Ansprüche festzusetzen, § 108 ZPO.
  252. Der hilfsweise Antrag der Beklagten auf Einräumung einer Abwendungsbefugnis (§ 712 ZPO) war zurückzuweisen. Die Beklagten haben weder dargetan, noch – wie von § 714 Abs. 2 ZPO vorgeschrieben – glaubhaft gemacht, dass die Vollstreckung der geltend gemachten Ansprüche ihnen einen nicht zu ersetzenden Nachteil (§ 712 Abs. 1 S. 1 ZPO) bringen würde.
  253. VII.
    Der Streitwert wird auf EUR 10.000.000 festgesetzt.
  254. Der Streitwert war nach Ansicht der Kammer auf 10.000.000 EUR deutlich zu erhöhen. Die Streitwertangabe der Klägerin von 500.000 EUR erscheint weit untersetzt, da das tatsächliche wirtschaftliche Interesse der Klägerin wesentlich höher einzuschätzen ist.
  255. Das Klagepatent hat noch eine lange (mögliche) Restlaufzeit bis zum 23.02.2033. Es lässt sich ein hoher Angriffsfaktor auf Seiten der Beklagten feststellen. Die Beklagte ist auf dem inländischen Markt aktiv und veräußert die nach Angaben der Parteien sehr kostspieligen angegriffenen Ausführungsformen an Fachkliniken und Arztpraxen. Es ist zu erwarten, dass sie durch ihre Tätigkeit auf dem deutschen Markt hohe Gewinne erzielt.

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