Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3339
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 21. September 2023, Az. 4a O 57/21
- I. Die Beklagte wird verurteilt,
- 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, zu unterlassen,
- Dachzelte, umfassend einen ersten Abdeckungsabschnitt, der ein erstes Plattenelement beinhaltet, das in einer Plattenform vorgesehen ist, einen zweiten Abdeckungsabschnitt, der ein zweites Plattenelement beinhaltet, das in einer Plattenform vorgesehen ist, einen Scharnierverbindungsabschnitt, der den ersten Abdeckungsabschnitt und den zweiten Abdeckungsabschnitt drehbar verbindet, einen wasserdichten Abschnitt, bei dem beide Enden an dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt befestigt sind, und einen Zeltabschnitt, der mit dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt gekoppelt ist,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen
- bei denen der erste Abdeckungsabschnitt oder der zweite Abdeckungsabschnitt so vorgesehen ist, dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeuges montiert ist, wobei das Dachzelt einen Faltmodus aufweist, bei dem der erste Abdeckungsabschnitt und der zweite Abdeckungsabschnitt einander zugewandt angeordnet sind und der Zeltabschnitt in einem Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht ist, und einen Ausfaltmodus, bei dem der Zeltabschnitt durch Drehen des ersten Abdeckungsabschnitts und/oder des zweiten Abdeckungsabschnitts um den Scharnierverbindungsabschnitt bezüglich des anderen entfaltet wird, und bei dem der wasserdichte Abschnitt lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts in dem Faltmodus befestigt ist, um den Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt zu schließen;
- 2. dem Kläger darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 27. Februar 2020 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer;
- b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren;
- c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
- 3. dem Kläger darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 27. März 2020 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnung sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,
- b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
- c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
- d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
- wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt dem Kläger einen von dem Kläger bezeichneten, ihm gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, dem Kläger auf konkrete Anfrage hin mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
- 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer I. 1. bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von dem Kläger zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben.II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 27. März 2020 begangenen Handlungen entstanden ist und entstehen wird.III. Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der Kosten der Streithelferin auferlegt. Die Streithelferin trägt die Kosten der Nebenintervention selbst.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffern I. und II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,00 EUR und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
- Tatbestand
- Der Kläger nimmt die Beklagte wegen unmittelbarer wortsinngemäßer Verletzung des Gebrauchsmusters DE 21 2019 XXX XXX U9 (Anlage K7, nachfolgend: Klagegebrauchsmuster) auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung sowie Schadensersatz dem Grunde nach in Anspruch.
- Der Kläger ist eingetragener Inhaber des Klagegebrauchsmusters, welches am 27. März 2019 angemeldet und am 17. Januar 2020 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland im Register des Deutschen Patent- und Markenamts (nachfolgend: DPMA) eingetragen wurde (vgl. Registerauszug vorgelegt als Anlage K8). Der Hinweis auf die Erteilung des Klagegebrauchsmusters wurde im Patentblatt am 27. Februar 2020 bekannt gemacht. Das Klagegebrauchsmuster betrifft ein „Dachzelt für Fahrzeug“. Es nimmt die Priorität der koreanischen Druckschrift KR 10 2018 XXX XXX vom 12. Juli 2018 in Anspruch.
- Das Klagegebrauchsmuster steht in Kraft. Unter dem 19. November 2021 stellte die Beklagte beim DPMA einen Antrag auf Löschung des Klagegebrauchsmusters (Anlage B1), über den bislang noch nicht entschieden wurde.
- Der geltend gemachte Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters lautet wie folgt:
- „Dachzelt, umfassend:
einen ersten Abdeckungsabschnitt, der ein erstes Plattenelement beinhaltet, das in einer Plattenform vorgesehen ist;
einen zweiten Abdeckungsabschnitt, der ein zweites Plattenelement beinhaltet, das in einer Plattenform vorgesehen ist;
einen Scharnierverbindungsabschnitt, der den ersten Abdeckungsabschnitt und den zweiten Abdeckungsabschnitt drehbar verbindet;
einen wasserdichten Abschnitt, bei dem beide Enden an dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt befestigt sind; und
einen Zeltabschnitt, der mit dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt gekoppelt ist,
wobei der erste Abdeckungsabschnitt und/oder der zweite Abdeckungsabschnitt so vorgesehen ist, dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeugs montiert ist,
wobei das Dachzelt einen Faltmodus aufweist, bei dem der erste Abdeckungsabschnitt und der zweite Abdeckungsabschnitt einander zugewandt angeordnet sind und der Zeltabschnitt in einem Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht ist, und
einen Ausfaltmodus, bei dem der Zeltabschnitt durch Drehen des ersten Abdeckungsabschnitts und/oder des zweiten Abdeckungsabschnitts um den Scharnierverbindungsabschnitt bezüglich des anderen entfaltet wird, und
bei dem der wasserdichte Abschnitt lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts in dem Faltmodus befestigt ist, um den Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt zu schließen.“ - Zur Veranschaulichung der beanspruchten Lehre werden nachfolgend Figuren 1, 2, 3 und 5 des Klagegebrauchsmusters verkleinert eingeblendet:
- Figur 1 zeigt gem. Abs. [0011] und [0017] der Klagegebrauchsmusterschrift eine perspektivische Ansicht eines fest auf einem Fahrzeugdach montierten Dachzeltes gemäß einer Ausführungsform der vorliegenden Erfindung. Der Zeltaufbau, der zu diesem Zustand führt, kann gemäß der Klagegebrauchsmusterschrift durch einen einfachen Ausfaltvorgang erreicht werden. In Figur 1 ist gem. Abs. [0019] der Klagegebrauchsmusterschrift der Ausfaltmodus gezeigt.
- Figuren 2 und 3 – zur besseren Lesbarkeit um 90 Grad gedreht – sind gem. Abs. [0011] der Klagegebrauchsmusterschrift jeweils perspektive Ansichten des Dachzeltes aus Figur 1, nun jedoch in zusammengefaltetem Zustand. Dieser Zustand wird durch Zusammenfalten erreicht. Nach Abs. [0019] der Klagegebrauchsmusterschrift ist z.B. in Figur 2 der Faltmodus des Fahrzeugdachzelts gezeigt.
- Das Fahrzeugdachzelt 10 beinhaltet einen ersten Abdeckungsabschnitt 100, einen zweiten Abdeckungsabschnitt 200 (siehe Fig.1), einen Scharnierverbindungsabschnitt 300 (siehe Fig. 3), einen wasserdichten Abschnitt 400 (siehe Fig.2) und einen Zeltabschnitt 500 (siehe Fig.1), wobei der Scharnierverbindungsabschnitt 300 den ersten Abdeckungsabschnitt 100 drehbar mit dem zweiten Abdeckungsabschnitt 200 verbindet, Abs. [0018] der Klagegebrauchsmusterschrift. Damit eine Form als Zelt – wie in Figur 1 gezeigt – hergestellt werden kann, kann der erste Abdeckungsabschnitt 100 entfaltet und dabei um den Scharnierverbindungsabschnitt 300 gedreht werden, während der zweite Abdeckungsabschnitt 200 fest auf dem Dach des Fahrzeugs 1 montiert ist und so der Zeltabschnitt 500, der durch den ersten Abdeckabschnitt 100 und den zweiten Abdeckabschnitt 200 gelagert ist, aufgeklappt werden kann, Abs. [0019] der Klagegebrauchsmusterschrift. Im Faltmodus, wie gem. Abs. [0019] des Klagegebrauchsmusters in Figur 2 gezeigt, sind der erste Abdeckungsabschnitt 100 und der zweite Abdeckungsabschnitt 200 parallel zueinander angeordnet und der Zeltabschnitt 500 ist in einem Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt 100 und dem zweiten Abdeckungsabschnitt 200 untergebracht, Abs. [0019], [0029] der Klagegebrauchsmusterschrift.
- Figuren 2 und 3 unterscheiden sich dadurch, dass Figur 2 einen wasserdichten Abschnitt 400 aufweist, der in Figur 3 vom Dachzelt von Figur 2 getrennt ist, Abs. [0011] der Klagegebrauchsmusterschrift. Der wasserdichte Abschnitt 400 ist an beiden Enden am ersten Abdeckungsabschnitt 100 und am zweiten Abdeckungsabschnitt 200 befestigt, Abs. [0018] der Klagegebrauchsmusterschrift.
- Figur 5 zeigt gem. Abs. [0011] der Klagegebrauchsmusterschrift einen Teilquerschnitt entlang der Linie B-B‘ von Figur 2. In Figur 5 ist gem. Abs. [0045] der Klagegebrauchsmusterschrift der wasserdichte Abschnitt 400 lösbar am Rand des ersten Abdeckungsabschnitts 100 und des zweiten Abdeckungsabschnitts 200 im Faltmodus befestigt und ist vorgesehen, um einen Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt 100 und dem zweiten Abdeckungsabschnitt 200 zu schließen.
- Der Kläger vertreibt – in Deutschland exklusiv – unter der Bezeichnung „XXX“ Autodachzelte des gleichnamigen koreanischen Herstellers XXX Co. Ltd.. Die XXX Co. Ltd. entwickelte u.a. ein Dachzelt mit sogenannter „XXX“-Technologie, welche durch das Klagegebrauchsmuster geschützt wird und sich dadurch auszeichnet, dass bei einem Dachzelt im geschlossenen Zustand durch eine seitlich umlaufende Abdeckung die Seiten zwischen dem Boden und dem Deckel des Zeltes geschlossen sind.
- Die XXX Co. Ltd. ist Inhaberin eines zum Klagegebrauchsmuster parallelen europäischen Patents EP 3 XXX XXX B1 (Anlage K17, K17a). Das europäische Patent geht ebenfalls, wie auch das Klagegebrauchsmuster, zurück auf die koreanische Priorität von KR 2018XXX XXX vom 12. Juli 2018.
- Die Beklagte ist ein Autohaus, welches auch einen Onlineshop (XXX) für u.a. Fahrzeugzubehör betreibt. Die Beklagte bot im Frühjahr 2021 kurzzeitig in ihrem Internetshop das Dachzelt des Typs „XXX“ (nachfolgend: angegriffene Ausführungsform) an. Sie teilte dem Kläger unwidersprochen mit, sieben Zelte der angegriffenen Ausführungsform eingekauft zu haben. Herstellerin der angegriffenen Ausführungsform ist die chinesische „A Inc.“, deren deutsche Vertriebspartnerin für „XXX“-Produkte die Beklagte ist. Importiert wird die angegriffene Ausführungsform für den europäischen Markt von der Streithelferin, welche der Beklagten die angegriffene Ausführungsform anbot.
- Die „A Inc.“ hat Einspruch gegen das parallele europäische Patent EP 3 XXX XXX B1 der „XXX Co. Ltd.“ – unter Bezugnahme auf identische Entgegenhaltungen wie im Löschungsverfahren gegen das Klagegebrauchsmuster – beim Europäischen Patentamt (nachfolgend: EPA) eingelegt. Das EPA hat unter dem 23. Mai 2023 den dortigen Parteien seine vorläufige Auffassung mitgeteilt, wonach das europäische Patent EP 3 XXX XXX B1 voraussichtlich aufrechterhalten werden soll (Anlage K20).
- Die angegriffene Ausführungsform kann einen zusammengefalteten bzw. zusammengeklappten sowie einen entfalteten Zustand, in welchem sich der zum Aufenthalt zur Verfügung stehende Raum des Zeltes öffnet, aufweisen. Zur Veranschaulichung der angegriffenen Ausführungsform werden nachfolgend verschiedene Abbildungen dieser eingeblendet. Im zusammengeklappten Zustand stellt sich die angegriffene Ausführungsform wie folgt dar, wobei die Beschriftungen jeweils von dem Kläger stammen:
- Die angegriffene Ausführungsform weist am unteren Teil eines von den Parteien übereinstimmend entsprechend den Begrifflichkeiten der Klagegebrauchsmusterschrift als Abdeckungsabschnitt bezeichneten Elements ein eingearbeitetes Gummi auf, das im Normalzustand enger zusammengeführt ist als der Umfang des unteren Plattenelements. Dieses Gummi wird im gefalteten Zustand der Abdeckungsabschnitte über das Plattenelement gezogen, sodass sich der Gummizug unterhalb des Plattenelements befindet. Außerdem sind an mehreren Stellen, ebenfalls am unteren Rand des Abdeckungsabschnitts, kurze Riemen mit Schnallen vorgesehen, die wiederum unterhalb der Bodenplatte befestigt werden. Dies folgt dem Prinzip eines Spannbettlakens für Matratzen, das noch zusätzlich durch Schnallen gesichert ist.
- Die angegriffene Ausführungsform wird wie nachfolgend erkennbar um einen Scharnierabschnitt entfaltet, wobei die Beschriftungen wieder jeweils von dem Kläger stammen:
- Hinsichtlich der Abbildungen der angegriffenen Ausführungsform wird insbesondere auf die von dem Kläger überreichten Ablichtungen in den Anlagen K6 und K21 verwiesen.
- Der Kläger vertritt die Ansicht, die angegriffene Ausführungsform verwirkliche alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagegebrauchsmusters wortsinngemäß und unmittelbar. Das Klagegebrauchsmuster sei zudem rechtsbeständig.
- Das Merkmal, wonach „der erste Abdeckungsabschnitt und/oder der zweite Abdeckungsabschnitt so vorgesehen ist, dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeuges montiert ist,“ sei alleine auf das Dachzelt bezogen. Das Fahrzeug, auf dem es montiert ist, sei nicht Teil des Anspruchs. Der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters sei etwa in Abs. [0019] zu entnehmen, dass genügt, wenn einer der Abdeckungsabschnitte auf dem Dach des Fahrzeuges zu montieren ist. Das Merkmal sei in der geltend gemachten beschränkten Fassung in der angegriffenen Ausführungsform erfüllt, da diese einen ersten und zweiten Abdeckungsabschnitt vorsehe und jedenfalls der erste oder der zweite Abdeckungsabschnitt fest auf dem Dach eines Fahrzeuges montiert werde. Die angegriffene Ausführungsform weise hierzu – wie auf den Ablichtungen in Anlage K21 zu sehen sei – an der ersten Abdeckplatte ein Profil auf, mittels dessen sie über Profilschienen am Träger eines Fahrzeugs installiert werde.
- Das Merkmal, wonach „das Dachzelt einen Faltmodus aufweist, bei dem der erste Abdeckungsabschnitt und der zweite Abdeckungsabschnitt einander zugewandt angeordnet sind und der Zeltabschnitt in einem Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht ist“, sei ebenfalls erfüllt. Gemäß diesem Merkmal soll das anspruchsgemäße Dachzelt einen Faltmodus aufweisen, so dass sich das Merkmal auf das zusammengefaltete bzw. nicht ausgefaltete Dachzelt beziehe. Bei dem „Raum“ gehe es um einen Stauraum, in dem der Zeltabschnitt in noch nicht entfaltetem Modus zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht sei, wie sich aus dem Anspruchswortlaut, der Figur 2 sowie Abs. [0029] und [0019] des Klagegebrauchsmusters ergebe. Bei der angegriffenen Ausführungsform befinde sich ein Zeltabschnitt (E) im zusammengefalteten Zustand ersichtlich im Raum zwischen einem Abdeckungsabschnitt (A) und (B):
- Weiterhin sei das Merkmal, „bei dem der wasserdichte Abschnitt lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts in dem Faltmodus befestigt ist, um den Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt zu schließen“ durch die angegriffene Ausführungsform verwirklicht.
- Auf die Lösbarkeit des wasserdichten Abschnitts vom zweiten Abdeckungsabschnitt komme es dabei nicht an. Diese sei nach dem Wortlaut des vorgenannten Merkmals für die Befestigung des wasserdichten Abschnitts (nur) mit dem ersten Abdeckungsabschnitt vorgesehen. Das Merkmal der Lösbarkeit beziehe sich gerade auf die Befestigung am Rand des ersten Abdeckungsabschnitts. Dies ergebe auch das funktionale Verständnis des Merkmals, denn beim Aufklappen des Zeltes werde nicht der gesamte Abdeckungsabschnitt entfernt, so dass es ausreiche, dass der wasserdichte Abschnitt an einem Rand lösbar sei, um das Dachzelt dann zur Benutzung aufzuklappen. Wesentlich für die Erfindung nach dem Klagegebrauchsmuster sei eine einfache Handhabung. Das Klagegebrauchsmuster setze nicht voraus, dass eine Befestigungseinrichtung auch am unteren Abdeckungsabschnitt vorhanden sei. Das Merkmal sehe lediglich vor, dass eine Befestigung des wasserdichten Abschnittes an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts vorhanden ist, was durch eine Verzurrung mit einem Gummi erzielt werde.
- Das Klagegebrauchsmuster selbst sehe eine Verzurrung als geeignetes Befestigungsmittel vor. So würden Ausführungsbeispiele der Beschreibung etwa einen Reißverschluss in Abs. [0044], einen Klettverschluss in Abs. [0050] und Zugspannung in Abs. [0051] der Klagegebrauchsmusterschrift als Befestigungsmöglichkeiten benennen.
- Bei der Wasserdichtigkeit gehe es darum, den Zeltstoff vor Spritz- und Regenwasser zu schützen, um zu verhindern, dass der Zeltabschnitt zum Beispiel bei der Fahrt nass werde. Dies sei bei herkömmlichen zusammengeklappten Dachzelten gem. Abs. [0008] des Klagegebrauchsmusters durch die Abdeckung mit einer Plane gewährleistet worden. Die Wasserdichtigkeit im Sinne des Klagegebrauchsmusters bedeute nicht, dass das Dachzelt unter Wasser getaucht werden könnte oder dass kein Wasser eindringe. Es gehe bei der wasserdichten Verbindung im Sinne dieses Merkmals auch nicht darum, ob Wasser von unten eintreten könnte. Das wasserdichte Gewebe könne klagegebrauchsmustergemäß nach Abs. [0064] zum Beispiel aus einer Plane hergestellt sein. Entsprechend Abs. [0052] mache der wasserdichte Abschnitt eine im Wesentlichen viereckige Kastenform aus.
- Die angegriffene Ausführungsform erfülle die Voraussetzungen, indem beide Abdeckungsabschnitte ein außen umlaufender wasserdichter Abschnitt („I“), wie in der nachfolgenden, aus Sicht des Klägers beschrifteten, Abbildung sichtbar, umgebe:
- Der wasserdichte Abschnitt sei mit dem ersten (unteren/dachseitigen) Abdeckungsabschnitt lösbar über eine Verzurrung mittels Gummizug und mit dem zweiten (oberen) Abdeckungsabschnitt durch eine Nut-Keder-Verbindung befestigt. Die Verzurrung bewirke gerade, das Zelt im zusammengeklappten Zustand vor Wasser zu schützen, so dass eine hinreichend wasserdichte Verbindung gewährleistet sei. Die Verzurrung der „Folie“ bewirke auch gerade, dass diese nicht flattert und möglicherweise die Sicht des Fahrers beim Fahren behindert, wobei der Kläger auf Abs. [0052] des Klagegebrauchsmusters hinweist. Für die lösbare Befestigung über eine Verzurrung verweist der Kläger auf folgende, von ihm kolorierte und beschriftete, Abbildung der angegriffenen Ausführungsform:
- Die Nut-Keder-Verbindung, mit der der wasserdichte Abschnitt am zweiten (oberen/dachseitigen) Abdeckungsabschnitt befestigt sei, sei – wenngleich es hierauf nicht ankomme – ebenfalls lösbar.
- Der Abschnitt, den der Kläger bei der angegriffenen Ausführungsform mit „I“ kennzeichnet, sei auch klagegebrauchsmustergemäß wasserdicht. Es handele sich bei dem Abschnitt der angegriffenen Ausführungsform um Planenmaterial. Der – nach dem Vortrag des Klägers wasserdichte – Abschnitt der angegriffenen Ausführungsform diene dazu, den darunterliegenden Zeltabschnitt vor Regen- und Spritzwasser zu schützen, was durch den planenartigen Abschnitt „I“ geschehe, der den Bereich zwischen dem Abdeckungsabschnitt 1 und 2 bei der angegriffenen Ausführungsform schließe, wozu die Verzurrung diene.
- Das Klagegebrauchsmuster sei zudem rechtsbeständig. Die von der Beklagten und der Streithelferin entgegengehaltenen Druckschriften US 9 XXX XXX (Anlage N1; nachfolgend: N1) und US 4 XXX XXX (Anlage N2; nachfolgend: N2) stünden dem Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters nicht entgegen, was sich u.a. daran zeige, dass sie in den Erteilungsverfahren paralleler US-, CN- und KR-Patente berücksichtigt worden seien sowie die N1 auch im Erteilungsverfahren des parallelen Europäischen Patents. Das Klagegebrauchsmuster sei neu gegenüber den Lehren der N1 und N2. Insbesondere die Merkmale, die sich mit dem wasserdichten Abschnitt beschäftigten, seien durch die N1 nicht offenbart. Bei der N2 fehle es gegenüber dem Klagegebrauchsmuster bereits an den Merkmalen, welche einen ersten bzw. zweiten Abdeckungsabschnitt, der ein erstes bzw. zweites Plattenelement beinhaltet, das [jeweils] in einer Plattenform vorgesehen ist, lehren. Der Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters sei auch erfinderisch gegenüber N1 und N2.
- Entgegen der Ansicht der Beklagten und der Streithelferin mangele es der Lehre des Klagegebrauchsmusters schließlich auch nicht an Ausführbarkeit. Hinsichtlich der verschiedenen Modi sei sie hinreichend klar. Der Fachmann verstehe, dass das Dachzelt in einem gefalteten Modus und in einem ausgefalteten Modus vorhanden sein könne sowie, dass wenn das Dachzelt sich im Faltmodus befinde, eben der wasserdichte Abschnitt den Raum zwischen den beiden Abdeckungsabschnitten (also im zusammengefalteten Zustand) überbrücke.
- Die Beklagte hat der Streithelferin mit Schriftsatz vom 9. Juli 2021 den Streit verkündet. Die Streitverkündungsschrift wurde ihr am 22. September 2021 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2021, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
- Ursprünglich hat der Kläger Unterlassung hinsichtlich des Vertriebs von Dachzelten beantragt, die uneingeschränkt alle Merkmale des Klagegebrauchsmusteranspruchs 1 ausweisen, d.h. einschließlich des Merkmals, wonach der erste Abdeckungsabschnitt und/oder der zweite Abdeckungsabschnitt so vorgesehen ist, dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeugs montiert ist. Nunmehr macht der Kläger eine dahingehend beschränkte Anspruchsfassung geltend, dass der erste Abdeckungsabschnitt oder der zweite Abdeckungsabschnitt – d.h. lediglich mit Oder- anstatt mit Und-/Oder-Verknüpfung – so vorgesehen sein muss, dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeugs montiert ist.
- Der Kläger beantragt nunmehr,
- wie erkannt.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen;
- den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO i.V.m. § 19 GebrMG bis zu der erstinstanzlichen Entscheidung des DPMA im Löschungsverfahren (Az. 1 2019 XXX XXX.4) auszusetzen.
- Die Streithelferin beantragt ebenfalls,
- die Klage abzuweisen.
- Der Kläger tritt dem Aussetzungsantrag der Beklagten entgegen.
- Die Beklagte und die Streithelferin meinen, eine Verletzung des Klagegebrauchsmusters sei nicht gegeben, weil die angegriffene Ausführungsform einzelne Merkmale des geltend gemachten Anspruchs nicht aufweise. Die Beklagte behauptet zudem, sie habe kein einziges Exemplar der angegriffenen Ausführungsform verkauft oder ausgeliefert. Das Klagegebrauchsmuster sei zudem bereits nicht rechtbeständig. Es werde im anhängigen Löschungsverfahren widerrufen werden.
- Das Merkmal, wonach „der erste Abdeckungsabschnitt und/oder der zweite Abdeckungsabschnitt so vorgesehen ist, dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeuges montiert ist,“ sei nicht verwirklicht, da in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform die feste Montage auf einem Autodach nicht gegeben sei. Die diesbezügliche Auffassung des Klägers widerspreche dem eindeutigen Wortlaut des Merkmals. Das Dachzelt müsse gerade die Eigenschaft aufweisen, dass es fest auf dem Dach eines Fahrzeugs montiert ist. Ansonsten hätte es im Wortlaut heißen müssen, dass der Abdeckungsabschnitt dazu geeignet ist.
- Die Beklagte und die Streithelferin meinen, die Ausführungen der Klägerin zu dem Merkmal, wonach „das Dachzelt einen Faltmodus aufweist, bei dem der erste Abdeckungsabschnitt und der zweite Abdeckungsabschnitt einander zugewandt angeordnet sind und der Zeltabschnitt in einem Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht ist,“ seien nicht nachvollziehbar. Wenn die Klägerin schreibe, bei der angegriffenen Ausführungsform sei „der Zeltabschnitt des ausgefalteten Zeltes in einem Raum zwischen dem ersten und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht“, existiere bei einem ausgefalteten Zelt zwischen den Abdeckungsabschnitten gar kein Raum, weil die Abdeckungsabschnitte in diesem Fall eine einheitliche Fläche darstellen sollten.
- Den Merkmalen, wonach
„das Dachzelt einen Faltmodus aufweist, bei dem der erste Abdeckungsabschnitt und der zweite Abdeckungsabschnitt einander zugewandt angeordnet sind und der Zeltabschnitt in einem Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht ist,
und einen Ausfaltmodus, bei dem der Zeltabschnitt durch Drehen des ersten Abdeckungsabschnitts und/oder des zweiten Abdeckungsabschnitts um den Scharnierverbindungsabschnitt bezüglich des anderen entfaltet wird, und
bei dem der wasserdichte Abschnitt lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts in dem Faltmodus befestigt ist, um den Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt zu schließen“
könne kein eindeutiger Merkmalsinhalt zugeordnet werden. Teils bezögen sie sich auf den „Faltmodus“, teils auf den „Ausfaltmodus“, wobei sie jedoch durch ein „und“ verbunden seien, was zu einem Widerspruch führe, da das „und“ nahelege, dass Vorgänge beschrieben werden, die demselben Modus angehören. Ein Modus setze zudem eine Bewegung oder einen Vorgang voraus, was auch konsistent mit dem Merkmal sei, in welchem beschrieben werde, wie das Zelt aufgeklappt wird, jedoch widersprüchlich zu dem Merkmal, welches sich mit einem Faltmodus befasse, da der Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt im Rahmen eines Faltmodus nicht geschlossen werden könne. Die Verwendung der Termini „Faltmodus“ und „Ausfaltmodus“ sei völlig unklar. Die Begrifflichkeit „Modus“ werde in sich widersprechender Weise benutzt, was gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße. - Weiterhin sei das Merkmal, „bei dem der wasserdichte Abschnitt lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts in dem Faltmodus befestigt ist, um den Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt zu schließen“ nicht verwirklicht. Der Inhalt dieses Merkmals sei bereits unklar, da es nach Auffassung der Beklagten und der Streithelferin eigentlich keinen Modus beschreibe, aber sich wörtlich auf den „Faltmodus“ beziehe.
- Das Merkmal setze zudem klagegebrauchsmustergemäß voraus, dass der wasserdichte Abschnitt lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts befestigt sein müsse. Der eindeutige Wortlaut lasse wenig Raum für Interpretation.
- Die Lösung nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters verspreche absolute Wasserdichtigkeit. Mit der Wasserdichtigkeit könne klagegebrauchsmustergemäß nicht allein die Wasserdichtigkeit des für den Abschnitt verwendeten Gewebes gemeint sein. Hierfür spreche auch, dass die Beschreibung etwa in Abs. [0046] des Klagegebrauchsmusters zwischen einem wasserdichten Gewebe und einem wasserdichten Element differenziere. Die Wasserdichtigkeit des Abschnitts erstrecke sich insbesondere auch auf die besondere Anbringung des Gewebes, wobei die Wasserdichtigkeit dadurch erzielt werden solle, dass der Abschnitt an beiden Rändern der Abdeckungsabschnitte wasserdicht angebracht werden solle. Dass es um die Wasserdichtigkeit der Anbindung des Abschnitts gehe, werde auch aus der Beschreibung in Abs. [0023] des Klagegebrauchsmusters deutlich, der sich mit der Wasserdichtigkeit der Anbindung an die Ränder beschäftige. Zudem stelle eine Stelle irgendwo unterhalb der Platte nicht mehr den klagegebrauchsmustergemäßen Rand des Abdeckungsabschnitts dar.
- Wie sich aus Abs. [0008] des Klagegebrauchsmusters ergebe, komme es auf die Wasserdichtigkeit während der Fahrt an. Daher sei der Fahrtwind von vorne von Bedeutung. Nach der Lehre des Klagegebrauchsmusters sei ein Eindringen von Wasser wegen der Befestigung des wasserdichten Abschnitts an den beiden Rändern der jeweiligen Platte nicht möglich, erst recht nicht bei höheren Fahrtgeschwindigkeiten, wenn der Druck auf den Abschnitt zunehme. Gleichwohl müsse sich der wasserdichte Abschnitt nicht um alle vier Seiten des klagegebrauchsmustergemäßen Dachzeltes ziehen, da es keine Vorgaben zu der Länge des wasserdichten Abschnitts gebe.
- Soweit der Kläger zur Auslegung des wasserdichten Abschnitts im Sinne des zuletzt genannten Merkmals auf Ausführungsbeispiele zur Befestigung verweise, sei dies irreführend, da sich diese gar nicht auf den wasserdichten Abschnitt als solchen und dessen Befestigung bezögen, sondern es gehe dort um ganz besondere Ausführungsformen des wasserdichten Abschnitts. Die von dem Kläger zitierten Ausführungsbeispiele in Abs. [0047], [0050] und [0051] des Klagegebrauchsmusters befassten sich nicht mit der Befestigung des wasserdichten Abschnitts an den Rändern. Im Ausführungsbeispiel nach Abs. [0047] sei der wasserdichte Abschnitt zweigeteilt und werde horizontal durch einen Reißverschluss miteinander verbunden, so dass gar nicht erforderlich sei, den wasserdichten Abschnitt am Rand zu lösen. Bei dem Reißverschluss handele es sich also um eine zusätzliche Verbindung, die das Klagegebrauchsmuster als „Befestigungsstrang 404“ bezeichne. Ebenso befasse sich das Ausführungsbeispiel des Abs. [0050] des Klagegebrauchsmusters damit, wie mögliche noch vorhandene Wassereintrittsstellen, z.B. Spalte, zusätzlich noch gegen Eindringen von Umwelteinflüssen verschlossen werden könnten, indem ein „Verbindungsstellenabdeckungsbefestigungselement 406“, beispielsweise versehen mit einem Klettverschluss, zum Einsatz kommen solle. Schließlich beziehe sich das vom Kläger genannte Ausführungsbeispiel gem. Abs. [0051] des Klagegebrauchsmusters nicht auf eine Verzurrung als Befestigung, sondern es gehe schon von „einem Zustand, in dem das erste wasserdichte Element 410 und das zweite wasserdichte Element 420 am ersten Kastenrand 120 bzw. am zweiten Kastenrand 220 befestigt sind“, d.h. von einer bereits vorhandenen Befestigung aus. Eine Zugspannung, nicht jedoch eine Verzurrung, solle dann klagegebrauchsmustergemäß durch einen zwischen den Rändern liegenden Befestigungsstrang entstehen.
- Die angegriffene Ausführungsform weise am unteren Rand keine Befestigung auf. Sie weise am unteren Ende des Abdeckungsabschnitts ein eingearbeitetes Gummi auf, das im Normalzustand enger zusammengeführt sei als der Umfang des unteren Plattenelements. Dieses Gummi werde dann im gefalteten Zustand der Abdeckungsabschnitte über das Plattenelement gezogen, sodass sich der Gummizug unterhalb des Plattenelements befinde. Außerdem seien an mehreren Stellen, ebenfalls am unteren Rand des Abdeckungsabschnitts kurze Riemen mit Schnallen vorgesehen, die wiederum unterhalb der Bodenplatte befestigt würden. Damit erfolge keinerlei Befestigung am Rand des unteren Abdeckungsabschnitts, weil am Rand keinerlei Befestigungsmöglichkeit vorgesehen sei. Die angegriffene Ausführungsform folge dem Prinzip eines Spannbettlakens für Matratzen, das noch zusätzlich durch Schnallen gesichert sei. Ein dahingehender Ansatz sei seit Jahrzehnten Standard für alle Arten von Abdeckungen, insbesondere auch für Dachzelte. Der Komfort, der mit dem Klagegebrauchsmuster einhergehen solle, werde mit der angegriffenen Ausführungsform nicht erreicht, weil, wie bei einer konventionellen Abdeckung, der untere Rand der Plane erst an allen vier Seiten unter der Bodenplatte positioniert werden müsse, um den Rand dann mittels eines fixierbaren Gummizuges zusammenzuziehen.
- Die angegriffene Ausführungsform unterscheide sich von einer konventionellen Abdeckhaube lediglich dadurch, dass der obere Teil der Haube fehle, weil der wasserdichte Abschnitt unmittelbar an der oberen Platte befestigt sei, die obere Platte also den oberen Teil einer konventionellen Abdeckhaube ersetze. In ihrem unteren Abschluss sei die angegriffene Ausführungsform vollständig mit einer konventionellen Abdeckhaube identisch.
- Die angegriffene Ausführungsform weise sämtliche Nachteile auf, die auch eine konventionelle Abdeckhaube aufweise, als kein fester Abschluss zwischen dem Rand der Bodenplatte und des Abschnitts bestehe. Vielmehr könne bei der Fahrt Wasser zwischen die relativ lose Plane des Abschnitts und die Bodenplatte gelangen, sodass die Feuchtigkeit durch den Fahrtwind an der Unterseite der Platte entlang zum Rand hin und sodann nach oben gedrückt werde. Die Gummizug-Lösung der angegriffenen Ausführungsform gewähre keine absolute Wasserdichtigkeit während der Fahrt. Entgegen der Lehre des Klagegebrauchsmusters bewirke Fahrtwind zudem, dass die Plane leicht zur Fahrtrichtung eingedrückt werde, womit die Plane unterhalb der Bodenplatte zurück zum Rand rutsche und damit zusätzlich Gelegenheit für das Eindringen von Wasser gewähre.
- Da bei der angegriffenen Ausführungsform der Abschnitt oben und unten nicht fest fixiert sei, werde er bei Fahrt auch nicht straff gehalten, sondern bilde mit zunehmender Geschwindigkeit in Fahrtrichtung einen Bauch, was sich negativ auf die Aerodynamik auswirke und dementsprechend – entgegen der Lehre des Klagegebrauchsmusters – einen zusätzlichen Widerstand bedeute. Auch sei der klagegebrauchsmustergemäße Vorteil der Vermittlung eines gepflegten Erscheinungsbildes nicht verwirklicht, da sich die angegriffene Ausführungsform im Bereich des seitlichen Abschnitts nicht von einer herkömmlichen Abdeckhaube unterscheide und bei seitlicher Betrachtung immer eine leicht gekräuselte Fläche bilde.
- Außerdem müsse der Klage schon der Erfolg versagt werden, da das Klagegebrauchsmuster nicht rechtsbeständig sei. Es fehle an Neuheit wie auch an einem erfinderischen Schritt. Sämtliche Merkmale von Anspruch 1 seien bereits durch die Entgegenhaltungen N1 und N2 aus den Jahren 1977 bzw. 2017 vorweggenommen. Insbesondere meint die Streithelferin bezüglich der N1, das spezielle Verbindungselement 106 („special interconnecting member 106“) entspreche dem wasserdichten Abschnitt des Klagegebrauchsmusters. In der N2 seien mit den Halbschalen („half-shells“) u.a. die Merkmale von Klagegebrauchsmusteranspruch 1 offenbart, die einen ersten und einen zweiten Abdeckungsabschnitt beschreiben.
- Am Anmeldetag des Klagegebrauchsmusters sei die hier streitgegenständliche Ausführungsform eines Dachzelts zumindest nicht mehr erfinderisch gewesen, weil sie durch die vorbezeichneten US-Patentschriften für den Durchschnittsfachmann so nahegelegt gewesen sei, dass es jedenfalls keines erfinderischen Schrittes mehr bedurft hätte, um zu der streitgegenständlichen Ausführungsform zu gelangen.
- Die Streithelferin erhebt zudem den Einwand der mangelnden Ausführbarkeit und/oder Klarheit der Lehre des Klagegebrauchsmusters.
- Für die Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2023 verwiesen.
- Entscheidungsgründe
- Die zulässige Klage ist begründet.
- Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht die Lehre des Klagegebrauchsmusters (hierzu unter II.). Dem Kläger stehen gegen die Beklagte wegen ihres Angebots der angegriffenen Ausführungsform die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Vernichtung sowie Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen unmittelbarer Verletzung des Klagegebrauchsmusters gem. §§ 24, 24a, 24b, 11 GebrMG i. V. m. §§ 242, 259 BGB zu (hierzu unter III.).
- Das Verfahren wird nicht nach § 19 GebrMG i.V.m. § 148 ZPO bis zur Entscheidung über das Löschungsverfahren ausgesetzt, da am Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters keine hinreichenden Zweifel bestehen (hierzu unter IV.).
- I.
Soweit der Kläger statt des zunächst eingeklagten Klagegebrauchsmusteranspruchs 1 in seiner eingetragenen Fassung nunmehr noch eine beschränkte Anspruchsfassung (Oder- anstelle von Und-/Oder-Verknüpfung des ersten und zweiten Abdeckungsabschnitts) verfolgt, handelt es sich um eine zulässige Beschränkung des Klageantrags gem. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 15. Auflage 2023, Kap. E Rn. 95). - II.
Die angegriffenen Ausführungsformen machen von der Lehre des Klagegebrauchsmusters unmittelbar wortsinngemäß Gebrauch. - 1.
Das Klagegebrauchsmuster, dessen als Anlage K7 eingereichter Gebrauchsmusterschrift die nachfolgend ohne Quellenangaben zitierten Absätze entstammen, betrifft ein Dachzelt für ein Fahrzeug, vgl. Abs. [0001]. - a)
In seiner einleitenden Beschreibung schildert das Klagegebrauchsmuster, dass Zelte auseinandergebaut und transportiert werden können, Abs. [0002]. Sie werden hauptsächlich für temporäre Lager etwa für Militär-, Erkundungs-, Bergsteiger- und Campingzwecke genutzt. Das Klagegebrauchsmuster führt aus, dass Zelte in Form, Größe und Material variieren und es verschiedene Arten von Zelten hinsichtlich Verwendung und Größe gibt, etwa Zelte für Theater und Zirkus oder für Militär- und Schulcamping gem. Abs. [0003]. Insbesondere Zelte, die für Freizeitaktivitäten wie Bergsteigen, Camping und Reisen genutzt werden, bieten Platz für 5 bis 10 Personen und können gem. Abs. [0004] von einer Person getragen werden. Bei Freizeitzelten gibt es Zelte in verschiedenen vom Klagegebrauchsmuster beschriebenen eckigen oder rundlichen Formen. - b)
Aus Sicht des Klagegebrauchsmusters sind sowohl herkömmliche Zelte, als auch herkömmliche Dachzelte für Fahrzeuge mit Problemen behaftet, vgl. Abs. [0005], [0006], [0008]. - Herkömmliche Zelte sieht das Klagegebrauchsmuster als unpraktisch zu bewegen und schwierig zusammen- und auseinanderzubauen an, wobei Letzteres zu häufigen Defekten der Verbindungsstellen führe, vgl. Abs. [0005]. Das Klagegebrauchsmuster führt aus, dass ein beim Reisen im Fahrzeug verstautes Zelt so sperrig ist, dass es schwierig ist, eine große Anzahl von Vorräten zusammen mit dem Zelt zu verstauen. Unpraktisch ist danach zudem, das Zelt aus dem Fahrzeug zu holen und auf dem Campingplatz aufzubauen. Wegen des Erfordernisses einer ebenen Bodenfläche zum Aufbau ist auch die Standortwahl eingeschränkt.
- Herkömmliche Dachzelte für ein Fahrzeug werden mit einer wasserdichten Plane abgedeckt, um zu verhindern, dass das Zelt im Regen nass wird. Eine solche Plane birgt jedoch aus Sicht des Klagegebrauchsmusters Nachteile, nämlich erstens, dass der Wind während der Fahrt in die wasserdichte Abdeckung eindringt, was die Sicht des Fahrers beeinträchtigen kann, zweitens, dass die wasserdichte Abdeckung während der Fahrt als die Fahrleistung verringernder Widerstand wirken kann und drittens, dass die Plane nicht gut aussieht, Abs. [0008].c)
Das Klagegebrauchsmuster erläutert, dass im Stand der Technik zur Lösung der Probleme herkömmlicher Zelte bereits ein Dachzelt vorgeschlagen wurde. So offenbart das koreanische Patent Nr. XXX XXX ein Dachzelt für Fahrzeuge, das nach Abs. [0007] häufig als Autopension bezeichnet wird, bei der das Zelt auf einem Fahrzeugdach installiert wird, um als mobiles Zuhause genutzt zu werden. Es kann einfach in einem Fahrzeug eingebaut und bedient werden. - d)
Das Klagegebrauchsmuster sieht Bedarf für ein Dachzelt, bei dem der Widerstand während der Fahrt minimiert werden kann, ohne die Sicht des Fahrers während der Fahrt zu stören und bei dem durch ein gepflegtes Erscheinungsbild das Interesse des Verbrauchers geweckt wird, Abs. [0009], [0011]. - 2.
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagegebrauchsmuster in seiner geltend gemachten Fassung ein Erzeugnis in Form eines Dachzelts gemäß seines Anspruchs 1 vor. Dieser lässt sich anhand der folgenden Merkmalsgliederung darstellen: - 1. Das Dachzelt umfasst einen ersten Abdeckungsabschnitt, der ein erstes Plattenelement beinhaltet, das in einer Plattenform vorgesehen ist.
- 2. Das Dachzelt umfasst einen zweiten Abdeckungsabschnitt, der ein zweites Plattenelement beinhaltet, das in einer Plattenform vorgesehen ist.
- 3. Das Dachzelt umfasst einen Scharnierverbindungsabschnitt, der den ersten Abdeckungsabschnitt und den zweiten Abdeckungsabschnitt drehbar verbindet.
- 4. Das Dachzelt umfasst einen wasserdichten Abschnitt, bei dem beide Enden an dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt befestigt sind.
- 5. Das Dachzelt umfasst einen Zeltabschnitt, der mit dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt gekoppelt ist.
- 6. Der erste Abdeckungsabschnitt oder der zweite Abdeckungsabschnitt ist so vorgesehen, dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeuges montiert ist.
- 7. Das Dachzelt weist einen Faltmodus auf, bei dem der erste Abdeckungsabschnitt und der zweite Abdeckungsabschnitt einander zugewandt angeordnet sind und der Zeltabschnitt in einem Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt untergebracht ist.
- 8. Das Dachzelt weist einen Ausfaltmodus auf, bei dem der Zeltabschnitt durch Drehen des ersten Abdeckungsabschnitts und/oder des zweiten Abdeckungsabschnitts um den Scharnierverbindungsabschnitt bezüglich des anderen entfaltet wird.
- 9. Der wasserdichte Abschnitt ist lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts in dem Faltmodus befestigt, um den Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt zu schließen.
- 3.
Vor dem Hintergrund des Streits der Parteien bedürfen von den Merkmalen des geltend gemachten Anspruchs des Klagegebrauchsmusters hinsichtlich der Verletzung die Auslegung der Merkmale 6, 7 und 9 sowie hinsichtlich des Rechtsbestands die Auslegung der Merkmale 1 und 2 der Erörterung. Alle anderen Merkmale des geltend gemachten Anspruchs sind zu Recht zwischen den Parteien unstreitig, so dass es weiterer Ausführungen hierzu nicht bedarf. - a)
Die Merkmale 1 und 2 setzen einen ersten bzw. zweiten Abdeckungsabschnitt voraus, der ein erstes bzw. zweites Plattenelement beinhaltet, das jeweils in einer Plattenform vorgesehen ist. Die Merkmale erfordern, dass der Abdeckungsabschnitt ein Plattenelement beinhaltet. Aus der Formulierung „Element“ versteht der Fachmann, dass es sich dabei um einen von weiteren Elementen abgrenzbaren Ab- bzw. Ausschnitt handelt. - Für das Plattenelement ist zudem räumlich-körperlich vorgegeben, dass dieses eine Plattenform aufweisen, d.h. flach sein, soll. Bei dem Plattenelement handelt es sich demnach bereits nach dem Wortlaut um ein grundsätzlich eigenständiges, flach geformtes Element und nicht um einen nicht-abgrenzbaren Ausschnitt einer abgerundeten Form. Dieses Verständnis wird auch durch die Figuren des Klagegebrauchsmusters gestützt. So sind etwa in Figuren 6 und 7 das erste Plattenelement 110 und das zweite Plattenelement 210 als eigenständige flache Elemente gezeigt:
- Dass der klagegebrauchsmustergemäße erste und zweite Abdeckungsabschnitt nicht lediglich aus einem Element (dem Plattenelement) besteht, ist – neben der gesamten Beschreibung des Klagegebrauchsmusters – ebenfalls den Figuren 6 und 7 zu entnehmen, da die Figuren 6 und 7 jeweils mit dem Bezugskennzeichen 100 für den ersten Abdeckungsabschnitt und 200 für den zweiten Abdeckungsabschnitt überschrieben sind und eine Vielzahl von Elementen zeigen.
- Der klagegebrauchsmustergemäße Abdeckungsabschnitt gemäß Merkmal 1 und 2 ist zudem ein außenliegendes Element bzw. eine Gesamtheit von Elementen. Dies ergibt sich bereits aus den Merkmalen 7 und 9, nach welchen im Faltmodus das Zelt zum Schutz vor Regen und äußeren Einflüssen in einem Raum zwischen den beiden Abdeckungsabschnitten und einem wasserdichten Abschnitt lagert. Die Abdeckungsabschnitte schirmen den Zeltabschnitt sozusagen im Faltmodus nach außen ab.
- b)
Nach Merkmal 6 in der geltend gemachten Fassung muss der erste oder zweite Abdeckungsabschnitt fest auf einem Dach eines Fahrzeugs montiert werden können. Merkmal 6 verlangt nicht eine bereits erfolgte Montage des Dachzelts auf dem Fahrzeugdach. Ausreichend ist eine für die bestimmungsgemäße Nutzung des Dachzelts hinreichend stabile Montage. - Zwar mag der Anspruchswortlaut, wonach einer der Abdeckungsabschnitte „so vorgesehen [ist], dass er fest auf einem Dach eines Fahrzeuges montiert ist“, rein sprachlich auch dahingehend verstanden werden, dass ein klagegebrauchsmustergemäßes Dachzelt bereits auf einem Fahrzeugdach montiert ist. Der Fachmann orientiert sich aber an dem in einer Patent- oder Gebrauchsmusterschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck eines Merkmals, womit der technische Sinn der in der Patent- oder Gebrauchsmusterschrift benutzten Worte und Begriffe – nicht die philologische oder logisch-wissenschaftliche Begriffsbestimmung – entscheidend ist (BGH, GRUR 2002, 515 – Schneidmesser I; BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube). Aus diesem Grunde versteht der Fachmann Merkmal 6 dahingehend, dass es nur die Eignung eines der beiden Abdeckungsabschnitte für eine Befestigung auf einem Fahrzeugdach lehrt. Andernfalls wäre das Fahrzeug Teil des beanspruchten Gegenstands, was das Klagegebrauchsmuster aber gerade nicht lehrt. Zu den Eigenschaften des Fahrzeuges oder dessen Dach werden keinerlei Vorgaben gemacht. Auch die Ausgestaltung der möglichen Verbindung bleibt dem Belieben des Fachmanns überlassen. Dieser entnimmt der Beschreibung des Klagegebrauchsmusters, dass sich das gelehrte Dachzelt diesbezüglich nicht von einem herkömmlichen Dachzelt unterscheidet. Der Klagegebrauchsmusterschrift ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei der „festen“ Montage um eine unwiderrufliche, unlösliche Montage handeln muss. Eine unlösliche Montage ist weder funktional erforderlich, noch erscheint sie vorzugswürdig.
- c)
Das Merkmal 7 ist dahingehend zu verstehen, dass es sich auf den „Faltmodus“ des klagegebrauchsmustergemäßen Dachzelts bezieht, d.h. auf den Zustand, in welchem das grundsätzlich ausfaltbare Dachzelt zusammengefaltet bzw. -geklappt ist. In diesem Zustand befindet sich der Zeltabschnitt in einem hinsichtlich seiner Größe – bis auf die Fähigkeit, den Zeltabschnitt aufnehmen zu können – nicht näher definierten Raum zwischen den sich jeweils gegenüberliegend angeordneten ersten und zweiten Abdeckungsabschnitten. Dieses Verständnis wird gestützt durch die Figur 2 sowie die Absätze [0019] und [0029]. Dass sich – wie die Beklagtenseite ausführt – bei einem ausgefalteten Zelt zwischen den Abdeckungsabschnitten gar kein Raum befinde, weil die Abdeckungsabschnitte in diesem Fall eine einheitliche Fläche darstellen sollen, ist unerheblich, da sich Merkmal 7 eindeutig sowohl nach seinem Wortlaut, als auch nach seiner Funktion nur auf den zusammengefalteten Modus bezieht. - d)
Merkmal 9 lehrt, dass im Zustand des Faltmodus der wasserdichte Abschnitt des Dachzeltes lösbar an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts befestigt ist, um den Raum zwischen dem ersten Abdeckungsabschnitt und dem zweiten Abdeckungsabschnitt zu schließen. Eine absolute Wasserdichtigkeit wird nicht gefordert, sondern vor allem ein Schutz des Zeltes vor Regen. Hinsichtlich der (lösbaren oder nicht lösbaren) Befestigung des wasserdichten Abschnitts muss diese am Rand des Abdeckungsabschnitts erfolgen, wobei dieser nicht räumlich definiert ist und auch den äußeren unteren oder oberen Randbereich einer Abdeckungsplatte umfassen kann. Das Klagegebrauchsmuster fordert, dass die nicht näher festgelegte Art der Befestigung jedenfalls hinreichend stabil ist, um sich bei normaler Benutzung nicht von selbst von der jeweiligen Platte bzw. dem jeweiligen Abdeckungsabschnitt zu lösen und Wasser eindringen zu lassen. Dabei ist ausreichend, wenn der wasserdichte Abschnitt lösbar entweder an dem ersten oder zweiten Abdeckungsabschnitt befestigt ist. - Im Einzelnen:
- aa)
Das Klagegebrauchsmuster bzw. dessen wasserdichter Abschnitt gemäß des Merkmals 9 lehrt keine absolute Wasserdichtigkeit. Das Klagegebrauchsmuster verlangt mit einem wasserdichten Abschnitt ein Bauteil, dessen Material wasserdicht ist und der einen Raum zwischen den Abdeckungsabschnitten umschließen kann. Das Erfordernis eines totalen Ausschlusses des Eindringens jeglicher Feuchtigkeit oder Nässe durch den wasserdichten Abschnitt kann dem Klagegebrauchsmuster, insbesondere mit Blick auf den hier beanspruchten Hauptanspruch 1, nicht entnommen werden. - Bereits aus einer Zusammenschau der Absätze [0008] und [0009] ist zu entnehmen, dass es dem Klagegebrauchsmuster hinsichtlich der Wasserdichtigkeit insbesondere darum geht, zu verhindern, dass das Zelt im Regen nass wird (Abs. [0008]). Denn hinsichtlich der Wasserdichtigkeit ersucht das Klagegebrauchsmuster nicht, sich von herkömmlichen Dachzelten abzugrenzen. Es strebt vielmehr an, die bei herkömmlichen Dachzelten durch eine Plane erreichte Wasserdichtigkeit durch eine Kombination aus zwei plattenförmigen Abdeckungsabschnitten und einem dazwischenliegenden wasserdichten Abschnitt zu ersetzen. Wie sich aus Abs. [0009] ergibt, soll die Lehre des Klagegebrauchsmusters dabei die beschriebenen Probleme einer Plane lösen, nämlich erhöhter Widerstand, Störung der Sicht des Fahrers und ein weniger gepflegtes Erscheinungsbild. Hinsichtlich der Wasserdichtigkeit grenzt sich das Klagegebrauchsmuster hingegen nicht von herkömmlichen Dachzelten ab.
- Auch ist dem Klagegebrauchsmuster, insbesondere in Abs. [0008], nicht zu entnehmen, dass es auf die Wasserdichtigkeit während der Fahrt ankommt. Soweit es in Abs. [0008] heißt „In diesem Fall dringt der Wind während der Fahrt in die wasserdichte Abdeckung […] ein“, bezieht sich der Passus „in diesem Fall“ auf die Verwendung einer Plane als wasserdichte Abdeckung und beschreibt die problematische Eigenschaft dieser, nämlich, dass bei der Fahrt Wind in die Plane eindringt, nicht aber, dass Wasser bei der Fahrt eindringt. Da es dem Klagegebrauchsmuster insbesondere darauf ankommt, dass das Zelt im Regen nicht nass wird (vgl. [0008]), ist insoweit unschädlich, wenn eine gewisse Feuchtigkeit und Nässe von unten eindringen kann. Es steht einer Verwirklichung des Merkmals 9 daher nicht entgegen, wenn im Faltmodus Wasser in den Raum zwischen den Abdeckungsabschnitten eindringen kann. Der Anspruchswortlaut sieht nicht vor, dass der Raum zwischen den Abdeckungsabschnitten wasserdicht umschlossen sein muss, sondern nur, dass er vom wasserdichten Abschnitt umschlossen ist.
- Wie genau der wasserdichte Abschnitt gemäß des Anspruchs 1 ausgestaltet ist, beschreibt das Klagegebrauchsmuster nicht näher, so dass dies dem Fachmann überlassen ist. Soweit das Klagegebrauchsmuster den wasserdichten Abschnitt näher spezifiziert, bezieht sich die jeweilige Beschreibung auf Unteransprüche. Die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs kann jedoch grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs beitragen (vgl. Schulte/Rinken/Kühnen, PatG, 9. Aufl. 2014, § 14 Rn. 26). Unteransprüche lassen regelmäßig – vorbehaltlich rein additiver Elementen – den Schluss zu, dass dasjenige, was in ihnen beschrieben ist, auch unter den Hauptanspruch fällt (BGH, GRUR 2016, 1031 – Wärmetauscher; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.08.2019 – I-15 U 11/18 – S. 29). Vorliegend spricht auch die Beschreibung der Unteransprüche dafür, dass eine absolute Wasserdichtigkeit – insbesondere hinsichtlich der Anbindung des wasserdichten Abschnitts – nicht erforderlich ist. Im Rahmen der Beschreibung der Unteransprüche weist das Klagegebrauchsmuster etwa einem Reißverschluss gem. Abs. [0047] eine wasserdichte Funktion zu. Ebenso kann klagegebrauchsmustergemäß laut Abs. [0050] durch einen Klettverschluss das Eindringen von Wasser verhindert werden. Da ein Reiß- sowie ein Klettverschluss nicht per se absolut wasserdicht sind, so dass jegliches Eindringen von Nässe und Feuchtigkeit verhindert würde, genügt es für die klagegebrauchsmustergemäße Lehre, wenn der wasserdichte Abschnitt einen Schutz vor Regen bildet. Soweit in Abs. [0023] von einer Befestigungsstange 412 die Rede ist, durch welche ein Spalt abgedichtet werden kann, um eine Wasserdichtigkeit wirksam zu erreichen, betrifft dies ebenfalls das Ausführungsbeispiel des Unteranspruchs 2, welcher nicht dazu führen darf, den Schutzumfang des Hauptanspruchs 1 einzuschränken.
- bb)
Wie genau, insbesondere mittels welcher Methode oder Technik, der wasserdichte Abschnitt (lösbar oder nicht lösbar) am Rand eines Abdeckungsabschnitts zu befestigen ist, gibt das Klagegebrauchsmuster nicht vor. Aus den Absätzen [0047], [0050] und [0051], in denen ein Reißverschluss, ein Klettverschluss sowie eine Zugspannung, die auf wasserdichtes Gewebe ausgeübt wird, genannt werden, ergeben sich keine Vorgaben hinsichtlich der Befestigung des wasserdichten Abschnitts am Rand. Zum einen beschreiben die genannten Absätze keine Befestigungen zwischen wasserdichtem Abschnitt und Rand, sondern solche an anderen Stellen, z.B. einen Reißverschluss gem. Abs. [0047] zwischen zwei wasserdichten Elementen innerhalb des wasserdichten Abschnitts selbst. Zum anderen beziehen sich die vorgenannten Absätze auf Unteransprüche des Klagegebrauchsmusters, nämlich die Unteransprüche 2 bis 5, und damit auf Ausführungsbeispiele, denen keine Einschränkung in Bezug auf den Hauptanspruch entnommen werden darf. - Die Ausgestaltung der Befestigung bzw. Verbindung ist daher dem Fachmann überlassen. Dieser erkennt, dass in funktionaler Hinsicht erforderlich ist, dass die Verbindung hinreichend stabil ist, damit der wasserdichte Abschnitt sich bei normaler Belastung – etwa während der Fahrt – nicht von selbst von der jeweiligen Platte bzw. dem jeweiligen Abdeckungsabschnitt löst. Andernfalls könnte ungehindert Wasser bzw. Regen in den Raum, in dem sich der Zeltabschnitt befindet, eindringen, was der wasserdichte Abschnitt und dessen Befestigung gerade verhindern sollen. Eine besonders einfache Handhabung bzw. einen etwaigen Komfort bei der Nutzung / dem Zusammenfalten des Dachzeltes sieht das Klagegebrauchsmuster dabei nicht vor. Als Aufgaben und Vorteile benennt es vielmehr in Absätzen [0009] und [0011] die Minimierung – nicht Eliminierung – von Widerstand während der Fahrt, ohne die Sicht des Fahrers zu stören sowie das Aufweisen eines gepflegten Erscheinungsbildes.
- cc)
Der wasserdichte Abschnitt muss gemäß Merkmal 9 am Rand eines Abdeckungsabschnitts befestigt sein. Dabei definiert das Klagegebrauchsmuster weder den Rand räumlich-körperlich bzw. örtlich näher, noch gibt es vor, ob die Befestigung über den Rand oder einen Randbereich hinausgehen darf oder nicht. Jedoch ist unter „Rand“ nicht nur die äußere Kante des Abdeckungsabschnitts zu verstehen, sondern ist ein darüberhinausgehender Bereich gemeint, da das Klagegebrauchsmuster bereits äußerste Elemente etwa als Kantenrahmen (120) und die „gesamte Kante“ des ersten oder zweiten Plattenelements gem. Abs. [0048] und [0049] benennt. Der Fachmann versteht hieraus, dass es sich bei dem Rand um einen über eine bloße (äußere) Kante hinausgehenden Bereich handelt. Ebenso versteht der Fachmann vor dem Hintergrund der Abgrenzung des Klagegebrauchsmusters zum Stand der Technik, nämlich zu einem herkömmlichen Dachzelt mit Plane, dass nicht das gesamte zusammengefaltete Zelt von einer Plane abgedeckt wird, sondern der wasserdichte Abschnitt nur bis hin zum Rand eines Abdeckungsabschnitts geht. Dabei ist der Schutzbereich des Anspruchs 1 mit Blick auf den „Rand“ auch dann eröffnet, wenn die Befestigung nicht am äußersten Rand im Sinne einer Kante, sondern im vom Fachmann näher zu definierenden Randbereich der Abdeckungsplatte stattfindet. Dies steht auch im Einklang mit der Funktion, den Raum zwischen den Abdeckungsabschnitten vor Nässe und Regen zu schützen. Denn diese Funktion wird auch bzw. gerade erfüllt, wenn es zur Abdichtung zu einer gewissen Überlappung von Abdeckungsabschnitt und wasserdichtem Abschnitt kommt und sich die Befestigung nicht bloß am äußersten Rand befindet. - dd)
Schließlich erfordert das Merkmal nicht, dass der wasserdichte Abschnitt sowohl am Rand des ersten Abdeckungsabschnitts als auch (gleichzeitig) am Rand des zweiten Abdeckungsabschnitts lösbar befestigt ist. Vielmehr genügt es, wenn der Abschnitt lösbar am Rand einer der beiden Abschnitte befestigt ist. - Dem Wortlaut ist zunächst diesbezüglich keine zwingende Vorgabe zu entnehmen. Grundsätzlich möglich ist sowohl eine Lesart, nach der der wasserdichte Abschnitt lösbar am Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts befestigt sein muss als auch eine solche, nach der der wasserdichte Abschnitt lösbar (nur) an einem Rand des ersten Abdeckungsabschnitts und des zweiten Abdeckungsabschnitts befestigt sein braucht.
- Merkmale und Begriffe in der Patentschrift sind grundsätzlich so auszulegen, wie dies angesichts der ihnen nach dem offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen ist (BGH, GRUR 1999, 909 – Spannschraube; BGH, GRUR 2009, 655 – Trägerplatte). Dies gilt umso mehr, wenn der Wortlaut – wie hier – keine eindeutige Auslegung zulässt. Bei der Ermittlung der zugedachten technischen Funktion ist zu fragen, welche objektive Problemstellung dem technischen Schutzrecht zugrunde liegt und wie sie gelöst werden soll. Insbesondere kommt es darauf an, welche – nicht nur bevorzugten, sondern zwingenden – Vorteile mit dem Merkmal erzielt und welche Nachteile des vorbekannten Standes der Technik – nicht nur bevorzugt, sondern zwingend – mit dem Merkmal beseitigt werden sollen (vgl. OLG Düsseldorf, GRUR 2000, 599 – Staubsaugerfilter; OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.07.2014 – 15 U 29/14). Das Verständnis des Fachmanns wird sich dabei entscheidend an dem in der Patentschrift zum Ausdruck gekommenen Zweck eines bestimmten Merkmals orientieren (BGH, GRUR 2001, 232 – Brieflocher; OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.2015 – I-15 U 106/14 – Rn. 273 bei Juris). Nach funktionaler Betrachtung ist das Merkmal 9 hier so auszulegen, dass der wasserdichte Abschnitt zwar an den Rändern beider Abdeckungsabschnitte befestigt werden muss, jedoch nur die Befestigung an einem der beiden Abdeckungsabschnitte lösbar sein muss. Denn es kommt der Lehre des Klagegebrauchsmusters bei der lösbaren Befestigung darauf an, dass von dem Faltmodus des Zeltes, in welchem jenes dann wasserdicht verpackt sein soll, in den Ausfaltmodus gewechselt werden kann und umgekehrt. Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine lösbare Befestigung nur entweder am ersten oder am zweiten Abdeckungsabschnitt besteht.
- Soweit Figur 5 und Abs. [0045] darauf hindeuten, dass die Art der Befestigung am ersten und zweiten Abdeckungsabschnitt gleich ausgestaltet ist, handelt es sich dabei lediglich um ein Ausführungsbeispiel, welches der Anspruch 1 aber nicht zwingend vorgibt. Ausführungsbeispiele dienen grundsätzlich der Beschreibung von Möglichkeiten der Verwirklichung des Erfindungsgedankens. Sie erlauben regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGHZ 160, 204, 210 = GRUR 2004, 1023 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 14, 21 – Ziehmaschinenzugeinheit; BGH, GRUR 2008, 779 Rn. 34 – Mehrgangnabe; BGH, GRUR 2016, 1031 Rn. 23 – Wärmetauscher; BGH, GRUR 2017, 152 Rn. 21 – Zungenbett; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.06.2020 – I-2 U 54/19).
- 4.
Unter Zugrundelegung der vorstehenden Erwägungen zum Verständnis der beanspruchten Lehre handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um ein Dachzelt nach der geltend gemachten beschränkten Fassung von Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters. Die angegriffenen Ausführungsform verwirklicht insbesondere das zwischen den Parteien streitige Merkmal 9. - a)
Zunächst ist Merkmal 6 jedenfalls in der geltend gemachten Fassung verwirklicht, da die angegriffene Ausführungsform einen ersten und zweiten Abdeckungsabschnitt vorsieht und zumindest der erste oder der zweite Abdeckungsabschnitt fest auf dem Dach eines Fahrzeuges montiert werden kann, um dort die Funktion eines Dachzelts zu erfüllen. Zwar behauptet die Beklagte, in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform sei die feste Montage auf einem Autodach nicht gegeben. Dies versteht die Kammer dahingehend, dass die angegriffene Ausführungsform nicht unlöslich fest auf einem Fahrzeug montiert ist, was jedoch für die Verwirklichung von Merkmal 6 auch nicht erforderlich ist. Andernfalls hätte die Beklagtenseite hierzu näher vorzutragen gehabt, da es der Funktion eines Dachzelts entsprechend eine Selbstverständlichkeit darstellt, dass ein solches (lösbar) fest, d.h. für die Benutzung stabil, auf dem Fahrzeugdach montiert wird. Dem durch Ablichtungen der angegriffenen Ausführungsform gestützten und substantiierten Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, wonach die angegriffene Ausführungsform mit einem Profil an einem Träger des Fahrzeugs über Profilschienen montiert wird, ist die Beklagte auch nicht entgegengetreten. - b)
Weiterhin verwirklicht die angegriffenen Ausführungsform das Merkmal 7. Denn bei der angegriffenen Ausführungsform befindet sich der Zeltabschnitt im zusammengefalteten Zustand in dem Raum, der sich in diesem Zustand zwischen den beiden sich gegenüberliegenden Abdeckungsabschnitten, die jeweils dem ersten und zweiten Abdeckungsabschnitt entsprechen, bildet. Die Beklagte hat der Verwirklichung von Merkmal 7 bereits nicht substantiiert widersprochen, sondern lediglich – nach von der Kammer nicht geteilter Ansicht – die Nachvollziehbarkeit der klägerischen Ausführung zu Merkmal 7 bemängelt. - c)
Die angegriffene Ausführungsform macht auch Gebrauch von der Lehre des Merkmals 9. - Die angegriffene Ausführungsform weist im zusammengefalteten Zustand einen Planenabschnitt auf, der sich umlaufend zwischen den beiden sich gegenüberliegenden Platten bzw. Abdeckungsabschnitten befindet. Dieser Abschnitt aus einem Planenmaterial ist am oberen und unteren Abdeckungsabschnitt befestigt. Es stellt eine klagegebrauchsmustergemäße Befestigung dar, wenn diese durch eine Verzurrung mit einem Gummizug nach dem Prinzip eines Spannbettlakens (mit oder ohne zusätzlichen Schnallen) erfolgt. Mindestens am unteren Abdeckungsabschnitt ist der Planenabschnitt lösbar, aber für die bestimmungsgemäße Nutzung des Zeltes im verschlossenen Zustand hinreichend stabil, durch eine Verzurrung mittels Gummizug mit dem Rand des unteren Abdeckungsabschnitts verbunden. Wenngleich es nach der Auslegung der Kammer hierauf nicht entscheidend ankommt, konnte die Kammer sich anhand des in der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Teils der angegriffenen Ausführungsform überdies davon überzeugen, dass die Verbindung zum Planenabschnitt auch am oberen Abdeckungsabschnitt durch den aus der Nut herausziehbaren Keder lösbar ausgestaltet ist. Aus den vorgelegten Abbildungen und Fotos ist zudem erkennbar, dass die lösbare Befestigung im wie oben auszulegenden Randbereich des Abdeckungsabschnitts liegt. Der wasserdichte Abschnitt sowie seine Anbindung an die obere und untere Platte ist auch hinreichend wasserdicht. Dass ein etwaiges Eindringen von Spritzwasser während der Fahrt von unten nicht ausgeschlossen ist, führt nicht aus der Verletzung heraus, da eine absolute Wasserdichtigkeit nicht erforderlich ist. Dass das zwischen den Abdeckungsabschnitten liegende Zelt im zusammengefalteten und mit der Plane verzurrten Zustand nicht vor Regen geschützt wäre, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargetan.
- Nach dem Dafürhalten der Kammer weist die angegriffene Ausführungsform auch die vom Klagegebrauchsmuster genannten Vorzüge auf. Im Vergleich zu einer Plane für herkömmliche Dachzelte weist die angegriffene Ausführungsform statt einer Plane eine obere und untere Platte auf, zwischen der sich ein Abschnitt aus Planenmaterial befindet. Der obere Teil einer herkömmlichen Plane entfällt, da sich dort eine glatt aufliegende Platte befindet. Hierdurch kann der Widerstand bei der Fahrt minimiert werden, indem der Wind über die obere Platte hinweggleiten kann. Dass Widerstand komplett eliminiert wird, ist vom Klagegebrauchsmuster nicht gefordert, so dass unschädlich ist, wenn weiterhin Wind von unten eindringen kann, so dass sich die seitlich anliegende Plane ggfs. aufblähen und sich dies negativ auf die Aerodynamik auswirken kann. Weiterhin kann das Erscheinungsbild durch die oben aufliegende flache Platte gepflegter wirken.
- Dass die angegriffene Ausführungsform etwa weniger Komfort bietet und aufgrund des Gummizugs und der Schnallen komplizierter zu handhaben sei als die Lehre des Klagegebrauchsmusters, führt nicht aus der Verletzung hinaus. Denn eine einfache Handhabung gibt das Klagegebrauchsmuster nicht vor. Soweit es sich bei der angegriffenen Ausführungsform insofern um eine verschlechterte (weil ggfs. komplizierter zu handhabende) Ausführungsform handelt, ist eine solche ebenfalls klagegebrauchsmusterverletzend. Denn wenn eine angegriffene Ausführungsform die Vorteile eines Patents oder Gebrauchsmusters nicht oder nur unvollständig verwirklicht, so ist gleichwohl eine Patent- bzw. Gebrauchsmusterverletzung gegeben, wenn sie sämtliche Merkmale des Patent- bzw. Gebrauchsmusteranspruchs wortsinngemäß erfüllt, sog. verschlechterte Ausführungsform (BGH, GRUR 2006, 131 – Seitenspiegel; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2015 – I-15 U 22/15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.01.2017 – I-2 U 5/13 – S.23 Abs. 2 des Umdrucks; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 8. Aufl. Rz. 122). Dies ist hier, wie erläutert, der Fall.
- d)
Die Verwirklichung der übrigen Merkmale des geltend gemachten Anspruchs durch die angegriffene Ausführungsform steht zwischen den Parteien zu Recht nicht in Streit, so dass weitere Ausführungen entbehrlich sind. - III.
Aufgrund des Anbietens der angegriffenen Ausführungsform über die deutschsprachige Internetseite der Beklagten (XXX) ergeben sich die zuerkannten Rechtsfolgen. Das schutzrechtsverletzende Angebot begründet zudem eine ausreichende Begehungsgefahr für die weiteren Benutzungsformen des Gebrauchens, Einführens und Besitzens (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2007, 259 (262) = InstGE 7, 139 – Thermocycler). - 1.
Gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 i.V.m § 11 Abs. 1 S. 2 GebrMG ist die Beklagte dem Kläger als Gebrauchsmusterinhaber aufgrund der unmittelbaren Gebrauchsmusterverletzung zur Unterlassung verpflichtet, da die Benutzung des Erfindungsgegenstandes ohne Berechtigung erfolgt und eine Wiederholungsgefahr gegeben ist. Zwar hat die Beklagte die angegriffenen Ausführungsformen nur kurzzeitig und in geringer Stückzahl – sie hatte unstreitig nur sieben Stück von der Importeurin erworben – über ihren Onlineshop angeboten. Gleichwohl begründet dies eine Wiederholungsgefahr. Eine solche hätte die Beklagte vorliegend nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausräumen können. - 2.
Die Beklagte ist dem Kläger dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet, § 24 Abs. 2 i.V.m § 11 Abs. 2 GebrMG. Als Fachunternehmen hätte die Beklagte die Patentverletzung bei Anwendung der im Geschäftsverkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest erkennen können, § 276 BGB. - Da überdies durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten die Entstehung eines Schadens möglich ist, der durch die Klägerin aber noch nicht beziffert werden kann, weil sie den Umfang der rechtsverletzenden Benutzungshandlungen ohne ihr Verschulden nicht im Einzelnen kennt, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung anzuerkennen, § 256 ZPO. Insoweit ist unschädlich, dass die Beklagte die angegriffene Ausführungsform nur kurzzeitig in ihrem Internetshop angeboten hat, da die Entstehung eines derzeit noch nicht bezifferbaren Schadens jedenfalls möglich erscheint.
- 3.
Damit der Kläger in die Lage versetzt wird, seinen etwaigen Schadensersatzanspruch zu beziffern, steht ihm gegen die Beklagte ferner ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung im zuerkannten Umfang gem. §§ 24b Abs. 1, 11 GebrMG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu. Der Kläger ist auf die Angaben angewiesen, über die er ohne eigenes Verschulden nicht verfügt; die Beklagte wird durch die von ihr verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Der Umfang der Auskunftspflicht ergibt sich aus §24b Abs.3 GebrMG. - Der Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch ist auch nicht bereits teilweise gem. § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen. Soweit die Beklagte dem Kläger im Vorfeld bereits mitgeteilt hat, dass sie sieben Exemplare der angegriffenen Ausführungsform eingekauft hat, handelt es sich nicht um eine schuldbefreiende Erfüllung, da die geschuldete Auskunftsleistung mit Blick auf Ziffer I.2.c) des Auskunftstenors sowie auf § 24b Abs. 3 Nr. 2 GebrMG jedenfalls nicht vollständig unter Angabe der danach geschuldeten Angaben vorgetragen wurde. Soweit zudem zwischen den Parteien streitig ist, ob die Beklagte Exemplare der angegriffenen Ausführungsform verkauft hat oder nicht, handelt es sich nicht um eine Frage des Bestehens des Auskunftsanspruchs, sondern um eine solche des sich anschließenden Zwangsvollstreckungsverfahrens.
- 4.
Dem Kläger steht auch ein Vernichtungsanspruch nach § 24a Abs. 1 i.V.m. § 11 GebrMG zu. Eine Unverhältnismäßigkeit gem. § 24a Abs. 3 GebrMG hat die Beklagte nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich. - IV.
Die Verhandlung des hiesigen Verletzungsrechtsstreits wird im Rahmen des der Kammer nach §§ 19 S.1 GebrMG, 148 ZPO zustehenden Ermessens nicht ausgesetzt, da hinreichende Zweifel an einem gesicherten Rechtsbestand des Klagegebrauchsmusters nicht bestehen. Das Klagegebrauchsmuster ist zur Überzeugung der Kammer schutzfähig. - 1.
Gemäß §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG wird der Gebrauchsmusterschutz durch die Eintragung (§ 11 GebrMG) nicht begründet, soweit gegen den als Inhaber Eingetragenen für jedermann ein Anspruch auf Löschung besteht. Ein solcher Löschungsanspruch besteht nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 GebrMG dann, wenn der Gegenstand des Gebrauchsmusters nach den §§ 1 bis 3 nicht schutzfähig ist. Nach den §§ 1 bis 3 GebrMG sind solche Erfindungen einem Gebrauchsmusterschutz zugänglich, die neu sind und auf einem erfinderischen Schritt beruhen. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG besteht ein Löschungsanspruch auch dann, wenn der Gegenstand des Gebrauchsmusters über den Inhalt in der Fassung hinausgeht, in der sie ursprünglich eingereicht worden ist. - Sofern das Verletzungsgericht das Klagegebrauchsmuster nicht für zweifelsfrei schutzunfähig hält und den Verletzungsrechtsstreit deshalb bei einem parallelen Löschungsverfahren gemäß § 19 S. 2 GebrMG zwingend aussetzen muss, ist dem Gericht grundsätzlich gemäß § 19 S. 1 GebrMG ein Aussetzungsermessen eröffnet, wenn es Zweifel an der Schutzfähigkeit hat. Diese Zweifel müssen berechtigt sein, nämlich an konkrete Aspekte der Rechtsbestandsprüfung anknüpfen. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Gericht die Schutzunfähigkeit für überwiegend wahrscheinlich hält, denn anders als bei einem Patent ist die Prüfung der Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters nicht gesetzlich dem Patentamt vorbehalten. Die Aussetzung ist daher bereits dann angebracht, wenn die Möglichkeit der Löschung oder Teillöschung nicht fernliegt (Engel, in: Benkard, PatG, Kommentar, 12. Auflage 2023, § 19 GebrMG, Rn. 6). Die Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmusters muss dagegen positiv zur Überzeugung des Verletzungsgerichts feststehen, wenn es aus dem Gebrauchsmuster verurteilen will (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.06.2018 – I-15 W 30/18; Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 15. Auflage 2023, Kap. E Rn. 1043).
- Besteht aber ein erteiltes Patent mit demselben Schutzumfang wie das Klagegebrauchsmuster – wie es hier mit dem EP 3 XXX XXX B1 der XXX Co., Ltd. der Fall ist – so kann von dessen Schutzfähigkeit ausgegangen werden, sofern nicht Löschungsgründe vorgetragen werden, die im Patenterteilungsverfahren nicht berücksichtigt wurden. Auch wenn im Gebrauchsmusterverletzungsverfahren das Trennungsprinzip nicht gilt und das Verletzungsgericht infolgedessen selbständig über die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters zu entscheiden hat (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.07.2019 – I-15 U 46/18 – Rn. 104 bei Juris), ist die Erteilung eines parallelen Schutzrechts durch das Europäische Patentamt ein entscheidender Faktor für die Überzeugungsbildung des Verletzungsgerichts hinsichtlich des Gebrauchsmusters. In der Patenterteilung liegt eine Bewertung einer neutralen, für die Beurteilung des Rechtsbestands fachkundigen Stelle, der ein sehr hohes Gewicht auf für die Frage der Schutzfähigkeit eines parallelen Gebrauchsmusters zukommt. Ist ein paralleles Patent erteilt, so ist auch bei einem Gebrauchsmuster im Rahmen der Aussetzungsentscheidung nach § 19 S. 1 GebrMG der Maßstab wie bei einem erteilten Patent anzuwenden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.06.2018 – I-15 W 30/18). Entsprechend führt die Patenterteilung auch zu der Vermutung des Rechtsbestands bei einem parallelen Gebrauchsmuster. Dies ist vorliegend jedenfalls teilweise der Fall. Der hier maßgebliche Anspruch 1 des Klagegebrauchsmusters ist bis auf die Verortung des – jedoch inhaltsgleichen – Merkmals 4 identisch zu Anspruch 1 des Patents EP 3 XXX XXX B1. Sowohl das Europäische Patent als auch das Klagegebrauchsmuster nehmen dieselbe koreanische Priorität in Anspruch. Jedoch wurde ausweislich der Patentschrift (Anlage K17) nur die hiesige Entgegenhaltung N1 (US 9 XXX XXX) berücksichtigt, jedoch nicht die N2 (US 4 XXX XXX), so dass mit Blick auf N2 berechtigte Zweifel für eine Aussetzung genügen können, aber mit Blick auf N1 überwiegende Zweifel erforderlich sind.
- 2.
Es bestehen keine hinreichenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klagegebrauchsmusters in geltend gemachter Fassung. Die Kammer hat insbesondere keine – nach dem jeweiligen Maßstab – hinreichenden Zweifel an Neuheit und erfinderischem Schritt gegenüber den Entgegenhaltungen N1 und N2. - Soweit die Beklagte über den bereits im Verletzungsverfahren getätigten Vortrag der Beklagten und der Streithelferin hinaus pauschal auf die im Löschungsverfahren ausgetauschten Schriftsätze verwiesen hat, war die Kammer nicht gehalten, diesem Verweis im Einzelnen nachzugehen. Darauf, dass die Angriffe auf den Rechtsbestand konkret im Verletzungsverfahren vorzutragen sind und ein pauschaler Verweis hingegen nicht genügt, hat die Kammer bereits mit der Einleitungsverfügung hingewiesen.
- a)
Es lässt sich von der Kammer nicht prognostizieren, dass das Klagegebrauchsmuster durch die N1 neuheitsschädlich vorwegegenommen ist. Insbesondere vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass ein wasserdichter Abschnitt entsprechend des Merkmals 9 bereits offenbart war. Dies gilt umso mehr als die Druckschrift der N1 bereits bei Erteilung des parallelen Europäischen Patents durch das EPA berücksichtigt wurde. - aa)
Die N1 lehrt ein anpassbares Zeltsystem mit Verbindungselementen für ein Fahrzeugdach. Zur Veranschaulichung der Lehre wird nachfolgend die Figur 1 der N1 eingeblendet: - bb)
Ein klagegebrauchsmustergemäßer wasserdichter Abschnitt ist durch N1 nicht eindeutig gezeigt. Insbesondere fehlt es an einem eindeutigen Hinweis auf eine regenabweisende, wasserdichte und vor Nässe schützende Funktion des etwaigen Abschnitts. Einzig in Betracht als Offenbarung des klagegebrauchsmustergemäßen wasserdichten Abschnitts kommt – auch nach dem Vortrag der Beklagten und der Streithelferin – das spezielle Verbindungselement 106 („special interconnecting member 106“) der N1. Dieses spezielle Verbindungselement kommt in der N1 einzig in Spalte 10, Zeile 13-33 vor: - „In einigen Ausführungsformen kann das Zeltsystem 102 ein spezielles Verbindungselement 106 mit einem Befestigungselement 308 entlang der ersten Längskante 408 und einem zweiten Befestigungselement 308 entlang der zweiten Längskante 412 umfassen. Ein solches spezielles Verbindungselement 106 kann so konfiguriert sein, dass es die Innenseite 252a des ersten Basiselements 108a mit der Innenseite 252b des zweiten Basiselements 108b verbindet. In einigen Ausführungsformen kann das spezielle Verbindungselement 106 als ein Scharnier 208 dienen. In einigen Ausführungsformen kann das spezielle Verbindungselement 106 die Innenseite 252a des ersten Basiselements 108a mit der Innenseite 252b des zweiten Basiselements 108b verbinden, um den Spalt zwischen dem ersten und dem zweiten Basiselement 108 zu schützen, wenn sich das Zelt in einer offenen und/oder einer geschlossenen Position befindet. In solchen Ausführungsformen kann der Verbindungselementkörper 306 des speziellen Verbindungselements 106 aus einem elastischen Material bestehen und/oder breit genug sein, um den Spalt zwischen dem ersten und dem zweiten Basiselement 108 zu überbrücken (z.B. wenn sich das Basissystem 202 in einer geschlossenen Position befindet, wie in FIG. 2B gezeigt ist).“
- Aus dieser Passage kann die Kammer nicht eindeutig erkennen, dass das spezielle Verbindungselement aus wasserdichtem Material gefertigt sein soll oder, dass die Anbindung so gestaltet sein soll, dass eine gewisse Wasserdichtigkeit entsteht. Zwar soll ein Spalt zwischen dem ersten und dem zweiten Basiselement 108 geschützt werden, jedoch ist der Schutz nicht weiter spezifiziert.
- Darüber hinaus ist mit Blick auf Merkmal 9 erforderlich und erfindungswesentlich, dass der wasserdichte Abschnitt jedenfalls an einem Rand einer Abdeckungsplatte lösbar befestigt ist. Eine lösbare Befestigung des wasserdichten Abschnitts an einem Rand eines Abdeckungsabschnitts wird durch N1 gerade nicht offengelegt.
- Zudem kann sich das spezielle Verbindungselement im Hinblick darauf, dass es gemäß der oben zitierten Passage den Spalt zwischen dem ersten und dem zweiten Basiselement 108 schützen kann, wenn sich das Zelt in einer offenen und/oder einer geschlossenen Position befindet, nur an einer von vier Seiten des Dachzeltes im Faltmodus befinden. Denn andernfalls könnte die Verbindung nicht gleichzeitig im geschlossenen als auch im offenen Modus bestehen, ohne dass eine Seite gelöst werden müsste. Durch den klagegebrauchsmustergemäßen wasserdichten Abschnitt und die Abdeckungsabschnitte kann jedoch nach einer Ausführungsform des Klagegebrauchsmusters gem. Abs. [0052] der Zeltabschnitt in einer im Wesentlichen rechteckigen Kastenform verstaut werden. Mit einer Kastenform, welche mit dem (insoweit umlaufenden) wasserdichten Abschnitt gebildet wird, ist jedoch das in der N1 offenbarte, nur an einer Seite befindliche spezielle Verbindungselement 106 nicht vereinbar.
- b)
Dem Klagegebrauchsmuster fehlt es gegenüber N1 auch nicht an einem erfinderischen Schritt. Denn es ist nicht hinreichend dargetan, dass der Fachmann ausgehend von N1 eine Veranlassung hätte, der N1 einen lösbaren, wasserdichten Abschnitt im Sinne der klagegebrauchsmustergemäßen Merkmals 9 hinzuzufügen. - Die Beurteilung des erfinderischen Schrittes ist wie die der erfinderischen Tätigkeit das Ergebnis einer Wertung (BGH, GRUR 2006, 842 – Demonstrationsschrank). Wie im Patentrecht ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGHZ 182, 1 = GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; GRUR 2010, 407 – einteilige Gemüse; GRUR 2012, 378, 379 – Installiereinrichtung II). Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zum Gegenstand der Erfindung gelangt wäre, in einer Weise objektiviert werden, die Rechtssicherheit für den Schutzrechtsinhaber wie für den Wettbewerber gewährleistet (OLG Düsseldorf Urt. v. 3.5.2018 – 2 U 47/17, GRUR-RS 2018, 13140).
- Solche erforderlichen Anlässe, Hinweise oder Anstöße zur Hinzufügung eines klagegebrauchsmustergemäßen wasserdichten Abschnitts sind weder dargetan, noch ersichtlich. Denn N1 lehrt bereits die Verwendung einer vollständigen Abdeckung des ganzen Dachzeltes auch in geschlossenem Zustand. In Spalte 13, Zeilen 55 ff. erörtert die N1, dass das Zeltsystem in einer geschlossenen Position von einer Abdeckung „cover“, z.B. u.a. aus Vinyl, abgedeckt werden kann. Hieraus versteht der Fachmann, dass das Zelt im zusammengefalteten Modus gemäß der N1 insgesamt abgedeckt werden kann und es daher gerade keinen nur zwischen den beiden Abdeckungsabschnitten befindlichen wasserdichten Abschnitt, der mit den Abdeckungsabschnitten (lösbar) zu verbinden wäre, bedarf.
- Auf ein etwaiges, darin liegendes Problem der Unhandlichkeit oder der fehlenden Aerodynamik einer solchen Gesamtabdeckung deutet die N1 nicht hin, so dass der Fachmann sich durch N1 nicht veranlasst sieht, eine etwaige Problemstellung durch Hinzugabe eines wasserdichten Abschnitts zu lösen. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Stoff „Vinyl“, aus welchem das als Gesamtabdeckung verwendete „cover“ laut der N1 bestehen kann, nach dem Wissen des Fachmanns bereits um einen wasserdichten, regenabweisenden Stoff handelt. Dass er sich zu der Erfindung eines (weiteren) wasserdichten Abschnitts entsprechend dem Klagegebrauchsmuster veranlasst gesehen hätte, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Selbst wenn der Fachmann sich jedoch trotz der bereits in N1 offenbarten Abdeckung für das Zelt veranlasst sieht, ein weiteres wasserdichtes Element oder einen wasserdichten Abschnitt einzufügen, besteht jedoch nach dem Dafürhalten der Kammer auf Grundlage der N1 jedenfalls keine Veranlassung, gerade einen klagegebrauchsmustergemäßen lösbaren, wasserdichten Abschnitt einzufügen.
- c)
Weiterhin ist die Kammer der Ansicht, dass das Klagegebrauchsmuster neu gegenüber der N2 ist. Berechtigte Zweifel bestehen insoweit nicht. Denn die Kammer kann insbesondere nicht erkennen, dass die Merkmale 1 und 2 eindeutig in der Druckschrift N2 offenbart wären. - aa)
Auch die N2 lehrt eine Zeltanlage zur Benutzung auf einem Fahrzeugdach. Zur Veranschaulichung der Lehre werden nachfolgend die Figuren 1 und 7 der N2 eingeblendet: - bb)
Einen ersten und zweiten Abdeckungsabschnitt (Merkmale 1 und 2) nach den oben genannten Maßgaben (siehe Ziff. II.3.a) des Urteils) offenbart die N2 nicht. Insbesondere erkennt die Kammer anspruchsgemäße Abdeckungsabschnitte nicht in den Halbschalen bzw. „half shells“, die N2 mit den Bezugszeichen 22 und 24 kennzeichnet. Denn diese versteht der Fachmann nicht als aus mehreren Elementen bestehen Abschnitt, sondern entsprechend Spalte 2, Zeilen 33-37 der N2 und den Figuren 7 und 12 als einzigen zusammenhängenden Körper in Halbschalen-Form mit abgerundeten Enden. Das Äquivalent eines hierin beinhalteten Plattenelements ist dabei nicht erkennbar. - Auch vermag die Kammer dem mit Bezugszeichen 84 gekennzeichneten „steifen Schaumstoff“ („stiff foam material“) keinen Abdeckungsabschnitt gemäß den Merkmalen 1 und 2 entnehmen. Aus den Figuren und 9 und 11 sowie dem von der Streithelferin zitierten Passus „Die flachen Teile der Aluminiumhaut, die in dieser Konfiguration eine verlängerte Plattform bilden, sind zur zusätzlichen Unterstützung mit einem steifen Schaumstoff 84 überzogen, der an den aneinanderstoßenden Enden der jeweiligen Halbschalen endet, um das Zusammenfalten zu ermöglichen (siehe Abb. 11)“ entnimmt der Fachmann eindeutig weder einen Abdeckungsabschnitt, noch ein Plattenelement. Insbesondere entnimmt der Fachmann dem Element mit Bezugszeichen 84 keine außenliegende Funktion. Es handelt sich vielmehr um eine innenliegende unterstützende Schaumstoffschicht.
- cc)
Die Kammer hat darüber hinaus Zweifel an der Vorwegnahme eines wasserdichten Abschnitts gemäß des Merkmals 9. Einen solchen kann die Kammer auch nicht eindeutig und zweifelsfrei der Endplatte 54 entnehmen. Zwar ist der Beschreibung der N2 in Spalte 2, Zeilen 55 ff. (Bl. 105 GA) Folgendes zu entnehmen: - „Die inneren Enden der Halbschalen, d. h. die den äußeren Stirnwänden 38 gegenüberliegenden Enden, sind durch ein Paar Scharniere 46 gelenkig miteinander verbunden, die mit den inneren Enden der Träger 42 der jeweiligen Halbschalen verbunden sind. Es ist zu erkennen, dass, wenn die Halbschalen zusammengeschwenkt werden, um die in FIG. 7 dargestellte Verbindung herzustellen, die auch in FIG. 9 teilweise phantasievoll dargestellt ist, die Endwände 38 zusammenkommen und dass die inneren Enden 48 der Halbschalen, wenn die Halbschalen zusammengefügt sind, den einzigen offenen Bereich des ansonsten geschlossenen, kofferartigen Behälters bilden. Um diesen Bereich zu verschließen, ist die zweite Halbschale 24 mit einem Riegel 50 und die erste Halbschale 22 mit einem Haken 52 versehen, und es wird eine Endplatte 54 verwendet, die an einem Ende eine Schlaufe 56 und am anderen Ende einen Haken 58 aufweist, so dass die Platte um den Haken 52 geschlungen, in eine dicht schließende Position hochgeschwenkt und in dieser Position durch den Riegel 50 verriegelt werden kann, wie in FIG. 9 phantasiert dargestellt.“
- Die Endplatte 54 ist in Figuren 5 und 9 zu sehen:
- Jedoch vermag die Kammer nicht zu erkennen, dass diese zur Seite abschließende Endplatte 54 wasserdicht sowie lösbar im Sinne des Klagegebrauchsmusters ist. Ein Hinweis auf eine etwaige Wasserdichtigkeit lässt sich der N2 nicht eindeutig entnehmen. Der Spalte 2 Zeile 34 der N2 ist zu entnehmen, dass die Haut (34) der Halbschalen aus Aluminium bestehen kann. Zwar versteht der Fachmann, dass es sich bei Aluminium um ein grundsätzlich wasserdichtes Material handelt. Jedoch kann nach der N2 zwar die Haut (34) aus Aluminium bestehen, welche aber nicht mit dem wasserdichten Abschnitt gleichzusetzen ist und welche nachfolgend in Figur 8 mit der Ziffer 34 gekennzeichnet ist:
- Ein Hinweis darauf, dass die sich hiervon unterscheidende Endplatte 54 wasserdicht ausgestaltet sein soll, lässt sich hingegen nicht entnehmen.
- d)
Die Lehre des Klagegebrauchsmusters weist auch gegenüber der N2 einen erfinderischen Schritt auf. Nicht vorgetragen oder erkennbar ist für die Kammer, dass der Fachmann einen Anlass hatte, die Halbschalenelemente der N2 durch Abdeckungsabschnitte mit Plattenelementen zu ersetzen und dann mit einem wasserdichten Planenabschnitt den Raum zwischen den beiden Plattenelementen zu schließen. Denn bei den gemäß der N2 aus Aluminium ausgebildeten und vollständig wie ein Koffer verschließbaren Halbschalen bzw. dem daraus gebildeten Hartschalenzelt ist kein Erfordernis erkennbar, es im zusammengefalteten Zustand (noch weiter) gegen Regen und Nässe zu schützen. - e)
Gegen eine Aussetzung mit Blick auf die Druckschriften N1 und N2 spricht schließlich auch, dass das EPA in seinem Hinweis vom 23. Mai 2023 die N1 sowie die N2 bereits berücksichtigt hat und diese nach vorläufiger Auffassung in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Kammer nicht für neuheitsschädlich oder für nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhend hält. Die nicht mit Technikern besetzte Kammer würde sich mit einer Aussetzung unmittelbar gegen die Einschätzung des EPA im Einspruchsverfahren richten sowie hinsichtlich der N1 auch gegen den Erteilungsakt des EPA. Hierzu sieht sie insbesondere mit Blick auf ihre eigene Prognose keine Veranlassung. - f)
Die Kammer hat schließlich auch keine Zweifel an der Ausführbarkeit der Lehre des Klagegebrauchsmusters. Der Inhalt der Merkmale 7 bis 9 ist hinreichend bestimmt und ausführbar. - Hinsichtlich der Merkmale 7 bis 9, welche sich auf den „Faltmodus“ bzw. „Ausfaltmodus“ beziehen, vermag die Kammer dem Einwand der Beklagten und der Streithelferin nicht zu folgen. Die Kammer ist der Ansicht, dass sich für den Fachmann eindeutig ergibt, dass die Merkmale 7 und 9 den Faltmodus behandeln und Merkmal 8 den Ausfaltmodus. Dabei ist unschädlich, dass die Merkmale 8 und 9 durch ein „und“ verknüpft sind und gleichwohl verschiedene Modi behandeln, da beide Merkmale ausdrücklich den Modus benennen, den sie thematisieren, was der Fachmann auch erkennt. Es handelt sich hierbei allenfalls um eine sprachliche Ungenauigkeit, die für den Fachmann die Ausführbarkeit der technischen Lehre nicht beeinträchtigt. Auch kann die Kammer der Ansicht, die Begrifflichkeit „Modus“ werde in sich widersprechender Weise benutzt, nicht folgen. Zum einen stammt das Wort „modus“ aus dem Lateinischen und kann nicht nur „Vorgang“, sondern auch „Zustand“ bedeuten. Jedenfalls impliziert das Wort „modus“ – weder nach dem Inhalt der Klagegebrauchsmusterschrift, noch nach dem allgemeinen Sprachgebrauch – zwangsläufig eine Bewegung. Zum anderen müssen die gleichen Begriffe, die im Patent- oder Gebrauchsmusteranspruch an verschiedenen Stellen benutzt werden, nicht unbedingt dasselbe besagen, sondern können entsprechend der in jedem einzelnen Zusammenhang gegebenen anderslautenden technischen Funktion auch Unterschiedliches bedeuten (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 15. Aufl. 2023, Kap. A Rn. 73 unten). Entsprechend ist ein Widerspruch in der Verwendung von „Faltmodus“ für den zusammengefalteten Zustand und „Ausfaltmodus“ für den Vorgang des Ausfaltens nicht ersichtlich.V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Umstellung des Klageantrags führt nicht zu einer (teilweisen) Kostenbelastung des Klägers nach den Grundsätzen der Klagerücknahme, da der Kläger seine Klage nicht in Ansehung des Streitwerts ermäßigt hat (vgl. Musielak/Voit/Foerste, 20. Aufl. 2023, ZPO § 269 Rn.11). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S.1, S.2 ZPO. - VI.
Der Streitwert wird auf EUR 150.000,00 festgesetzt.