I-2 U 1/20 – Wechselrichter I

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3324

Oberlandesgericht Düsseldorf

Urteil vom 27. August 2020, I-2 U 1/20

Vorinstanz: 4c O 66/18

  1. I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 12. Dezember 2019 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.
  2. II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
  3. III. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
  4. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin in Bezug auf die Verurteilung zur Unterlassung und zur Vernichtung (landgerichtlicher Tenor Ziff. I.1. und I.4.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000.000,- €, hinsichtlich der Verurteilung zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung (landgerichtlicher Tenor Ziff. I.2. und I.3.) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,- € und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von
    120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
  5. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
  6. V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.500.000,- € festgesetzt.
  7.  Gründe
  8. I.
  9. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verletzung des deutschen Teils des europäischen Patents EP 1 160 XXA B1 (nachfolgend: Klagepatent), dessen eingetragene und allein verfügungsberechtigte Inhaberin sie ist, auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung sowie auf Feststellung der Schadenersatz- und Entschädigungspflicht dem Grunde nach in Anspruch.
  10. Das Klagepatent wurde am 16. März 2005 unter Inanspruchnahme der Priorität zweier deutscher Schriften vom 24. Juni 2004 in deutscher Verfahrenssprache angemeldet. Die Offenlegung der Patentanmeldung erfolgte am 28. Dezember 2005. Der Hinweis auf die Erteilung des Klagepatents wurde am 28. Dezember 2011 veröffentlicht. Das Klagepatent steht in Kraft. Über eine durch die Beklagte am 23. April 2019 erhobene Nichtigkeitsklage hat das Bundespatentgericht bisher nicht entschieden.
  11. Das Klagepatent trägt die Bezeichnung „Wechselrichter mit einem Gehäuse mit Kühlkörper aufweisenden elektrischen und/oder elektronischen Komponenten“. Sein Patentanspruch 1 ist wie folgt gefasst:
  12. „Wechselrichter mit einem Gehäuse (1), mit Kühlkörper (4) aufweisenden elektrischen und/oder elektronischen Komponenten (5), mit mindestens einer Drossel und/oder einem Trafo (5a), die selbst eine hohe Schutzart aufweisen und mit einem Kühlaggregat (2) zur Kühlung der elektrischen und/oder elektronischen Komponenten (5), dadurch gekennzeichnet, dass das Gehäuse (1) mindestens zwei Kammern (7, 8) aufweist, wobei die beiden Kammern (7, 8) durch eine Wand (6) getrennt sind, wobei sich die Komponenten (5) auf der einen Seite der Wand in der einen Kammer (7) befinden und die Kühlkörper (4) auf der anderen Seite der Wand (6) in der anderen Kammer (8) befinden, und wobei sich die mindestens eine Drossel und/oder der Trafo (5a) in der anderen Kammer (8) befinden, wobei die andere Kammer (8) das Kühlaggregat (2) aufweist.“
  13. Die nachstehend verkleinert wiedergegebene Figur 1 ist dem Klagepatent entnommen und erläutert dessen technische Lehre anhand eines bevorzugten Ausführungsbei-spiels.
  14. Figur 1 zeigt ein erfindungsgemäßes Gehäuse, bei dem die beiden Kammern (7, 8) durch eine Trennwand (6) voneinander getrennt werden und wobei sich die empfindlichen elektronischen Bauteile in der vor Umwelteinflüssen geschützten Kammer (7) befinden.
  15. Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen der A -Gruppe, innerhalb derer sie für den Vertrieb in der Bundesrepublik Deutschland zuständig ist. Zu den durch die Beklagte angebotenen und vertriebenen Produkten gehören Wechselrichter der Baureihe B (vgl. Datenblatt der Produktreihe, vorgelegt als Anlage K-B-2), zu der auch Wechselrichter des Typs C und D gehören (im Folgenden: angegriffene Ausführungsformen).
  16. Die Klägerin hat einen Wechselrichter dieser Baureihe (A 16K) untersucht, wobei bei diesem die Drossel als zwei separate Bauteile ausgestaltet war. In dem aktuell von der Beklagten vertriebenen Modell sind die die Drossel bildenden Bauteile in einem Block vergossen, wobei dieser konstruktive Unterschied für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung ist. Nachfolgende, dem Anlagenkonvolut HL 1 entnommenen Fotografien und graphische Darstellungen zeigen einen aktuellen Wechselrichter der Beklagten aus verschiedenen Perspektiven und teils ohne äußeres Gehäuse:
  17. Die Klägerin sieht im Angebot und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Bereits nach dem Anspruchswortlaut sei nicht entscheidend, ob ein erfindungsgemäßes Gehäuse aus zwei oder mehr Kammern bestehe. Maßgeblich sei allein das Vorhandensein einer, die vor Umwelteinflüssen zu schützenden Komponenten aufnehmenden Kammer, sowie mindestens einer weiteren Kammer, in welcher die bereits geschützten Komponenten angeordnet seien. Ebenso ohne Belang sei, ob die Drossel von der Kühlluft beaufschlagt werde. Dem Klagepatent gehe es um den Schutz der elektrischen und/oder elektronischen Komponenten, wofür eine Luftbeaufschlagung der Drossel belanglos sei.
  18. Die Beklagte, die um Klageabweisung, hilfsweise um Aussetzung gebeten hat, hat bereits erstinstanzlich eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt. Die angegriffenen Ausführungsformen bestünden abweichend von der Lehre des Klagepatents aus drei Kammern, wobei sich die Drossel getrennt von den in der zweiten Kammer angeordneten Bauteilen zur Kühlung in einer separaten dritten Kammer befinde. Die zwischen der zweiten und dritten Kammer angeordnete Trennwand sorge in Verbindung mit einem Leitblech dafür, dass die kühle Luft nur in die zweite Kammer geleitet werde. Dadurch komme es nicht nur zu einer räumlich-körperlichen Trennung der Drossel vom Kühlaggregat, sondern auch zu einer im Wesentlichen thermischen Trennung der Kammern. Erfindungsgemäß sei indes erforderlich, dass sich die Drossel in der gleichen Kammer wie der Kühlkörper und das Kühlaggregat befinde, damit alle Bauteile gleichermaßen dem kühlenden Luftstrom ausgesetzt seien. Abgesehen davon handele es sich bei den angegriffenen Wechselrichtern auch nicht um Solche, die von einer Person montiert werden könnten. Die Klägerin vertrete im Nichtigkeitsverfahren die Auffassung, das Klagepatent umfasse nur ein Gehäuse kleinerer Abmessung. Zudem weise die Drossel der angegriffenen Wechselrichter keine hohe Schutzart nach den IP-Schutzklassen IP 44 oder IP 45 auf, die, wie die Klägerin ebenfalls im Nichtigkeitsverfahren vertrete, für das Merkmal der hohen Schutzart zumindest erforderlich sei.
  19. Überdies hat die Beklagte erstinstanzlich mit Blick auf die durch die Klägerin für die Zeit vor dem 1. Januar 2015 geltend gemachten Ansprüche die Einrede der Verjährung erhoben. Der Klägerin seien aufgrund ihrer Stellung als wesentliche Wettbewerberin der Beklagten deren Produkte kurz nach Markteinführung bekannt gewesen. Jedenfalls beruhe eine etwaige Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
  20. Schließlich werde sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren weder als neu noch als erfinderisch erweisen. Im Übrigen beruhe die technische Lehre des Klagepatents auch auf einer unzulässigen Erweiterung.
  21. Mit Urteil vom 12. Dezember 2019 hat das Landgericht Düsseldorf eine unmittelbar wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents bejaht und wie folgt erkannt:
  22. I. Die Beklagte wird verurteilt,
  23. 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft, bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, wo-bei die Ordnungshaft an den gesetzlichen Vertretern der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
  24. Wechselrichter mit einem Gehäuse, mit Kühlkörper aufweisenden elektrischen und/oder elektronischen Komponenten, mit mindestens ei-ner Drossel und/oder einem Trafo, die selbst eine hohe Schutzart auf-weisen und mit einem Kühlaggregat, zur Kühlung der elektrischen und/oder elektronischen Komponenten,
  25. in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,
  26. bei denen das Gehäuse mindestens zwei Kammern aufweist, wobei die beiden Kammern durch eine Wand getrennt sind, wobei sich die Komponenten auf der einen Seite der Wand in der einen Kammer befinden und die Kühlkörper auf der anderen Seite der Wand in der anderen Kammer befinden, und wobei sich die mindestens eine Drossel und/oder der Trafo in der anderen Kammer befinden, wobei die andere Kammer das Kühlaggregat aufweist;
  27. 2. der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Juli 2009 begangen hat, und zwar unter Angabe
  28. a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
  29. b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer sowie der Verkaufsstellen, für die die Erzeugnisse bestimmt waren,
  30. c) der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden,
  31. wobei
  32. – zum Nachweis, der Angaben, die entsprechenden Kaufbelege (nämlich Rechnungen hilfsweise Lieferscheine) in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
  33. 3. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 1. Juli 2009 begangen hat, und zwar unter Angabe:
  34. a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen, sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
  35. b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen,
    -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der gewerblichen Angebotsempfänger,
  36. c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet
  37. d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Geste-hungskosten und des erzielten Gewinns,
  38. wobei
  39. – der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutsch-land ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist,
  40. – die Angaben zu d) nur für die Zeit seit dem 28. Januar 2012 zu ma-chen sind;
  41. 4. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1. bezeichneten Erzeugnisse einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre Kosten herauszugeben.
  42. II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
  43. 1. der Klägerin für die zu Ziffer I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 1. Juli 2009 bis zum 27. Januar 2012 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
  44. 2. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1. bezeichneten, seit dem 28. Januar 2012 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
  45. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
  46. Die angegriffenen Ausführungsformen verfügten über ein klagepatentgemäßes Gehäuse. Dessen Größe stehe im Belieben des Fachmanns. Daher könne die Beklagte dem Verletzungsvorwurf nicht erfolgreich mit dem Hinweis begegnen, das von der Klägerin im Rahmen eines Testkaufs erworbene Gerät weise mit Blick auf seine Abmessungen kein „kleines Gehäuse“ im Sinne des Klagepatents auf.
  47. Des Weiteren verfüge die Drossel der angegriffenen Ausführungsformen selbst über eine hohe Schutzart. Das Wort „selbst“ gebe dem Fachmann einen unmissverständlichen Hinweis darauf, dass der Schutz der Drossel (oder des Trafos) nicht durch die konkrete Einbausituation im Gehäuse des Wechselrichters, d.h. insbesondere nicht durch den Einbau in die besonders geschützte Kammer des Gehäuses, sondern durch anderweitige, auf das Bauteil beschränkte Schutzmaßnahmen, etwa eine eigene Isolierung, erfolgen müsse. Mit der Forderung nach einer „hohen Schutzart“ stelle Patentanspruch 1 klar, dass die den Trafo bzw. die Drossel betreffenden Schutzmaßnahmen einen bestimmten (Wirk-)Umfang haben müssten. Dem Fachmann sei aufgrund seines Fachwissens im Bereich der Konstruktion elektronischer Geräte bewusst, dass Schutzarten oder -klassen üblicherweise nach dem sog. „IP-System“ bestimmt würden. Auch wenn Patentanspruch 1 keine Mindestschutzklasse nach diesem System voraussetze, müsse das Bauteil selbst derart geschützt sein, dass es zumindest dem Luftstrom (und den damit verbundenen Einwirkungen) standhalten könne. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine hohe Schutzart vorliege, greife der Fachmann auf das IP-Schutzklassen-System zurück und berücksichtige jedenfalls die Grundzüge des in diesem System verankerten Schutzumfangs. Diesen durch das Klagepatent aufgestellten Anforderungen würden die angegriffenen Ausführungsformen gerecht. Zwar führe aus dem ansonsten vollflächig aus Metall bestehenden Gehäuse der Drossel eine Vielzahl von Kabeln heraus. Allerdings wiesen die Bohrungen in das Metallgehäuse der Drossel eine Gummilippe bzw. -dichtung auf, die um die Kabel herum angeordnet seien und die Bohrungen abdichteten. Es sei nicht erkennbar, inwieweit durch die mittels Gummilippe abgedichteten Löcher überhaupt Fremdkörper und/oder Spritzwasser eindringen könne, zumal das Innenleben der Drossel vollständig vergossen sei. Darüber hinaus würden die Kabel auch aus der Unterseite des Drosselgehäuses herausgeführt, welche im Einbauzustand am Gehäuse des Wechselrichters aufliege.
  48. Schließlich seien die Komponenten des Wechselrichters auch erfindungsgemäß in zwei Kammern des Gehäuses untergebracht. Das Klagepatent setze ein Gehäuse voraus, welches mindestens aus zwei physisch voneinander getrennten Kammern bestehe, wovon eine zum Schutz der von Haus aus ungeschützten elektrischen und elektronischen Komponenten isoliert bzw. abgedichtet sei, so dass diese Komponenten gegen Staub, Feuchtigkeit und andere, die Lebensdauer der Komponenten negativ beeinflussende Umwelteinwirkungen geschützt würden. Da die vorgenannten Komponenten indes auch gekühlt werden müssten, würden die zugehörigen Kühlkörper auf der anderen Seite der Trennwand angeordnet und könnten dort in der (mindestens einen) zweiten Kammer von Luft umströmt werden. Indes müssten die vorgenannten Komponenten auch gekühlt werden, weshalb die zugehörigen Kühlkörper auf der anderen Seite der Trennwand angeordnet seien. Sie könnten dort in der (mindestens einen) zweiten Kammer von Luft umströmt werden und so für die erforderliche Kühlung sorgen. Da der Trafo und/oder die Drossel nach der klagepatentgemäßen Lehre selbst über einen eigenen Schutz gegen diese Umwelteinwirkungen verfügten (hohe Schutzart), müssten diese Bauteile nicht in der isolierten Kammer untergebracht werden, sondern könnten bzw. müssten in der mindestens einen zweiten ungeschützten Kammer untergebracht werden, wobei die Drossel bzw. der Trafo dabei nicht zwingend in der gleichen Kammer wie der Kühlkörper bzw. das Kühlaggregat angeordnet sein müsse. Ausgehend von diesen Überlegungen wiesen die angegriffenen Ausführungsformen lediglich zwei voneinander physisch getrennte Kammern auf, wobei sich insbesondere die Drossel in der zweiten Kammer befinde. Bei der von der Beklagten als weitere Trennwand angesehenen Kühlrippe handele es sich um keine Trennwand im Sinne des Klagepatents. Sie sei nicht geeignet, zwei Kammern voneinander zu trennen. Vielmehr verbleibe ein verhältnismäßig großer Spalt, so dass lediglich von einer großen (zweiten) Kammer auszugehen sei. Daran ändere sich nichts dadurch, dass im montierten Zustand noch ein Luftleitblech vorhanden sei, welches den Spalt (jedenfalls teilweise) bedecke. Es sei nicht zu erkennen, dass das Luftleitblech geeignet sei, den linken Bereich mit der Drossel von der zweiten Kammer mit den Kühlrippen hermetisch abzutrennen. Eine solche hermetische Trennung habe die Kammer auch im Rahmen des seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Tests nicht festzustellen vermocht.
  49. Da die angegriffenen Ausführungsformen somit unmittelbar wortsinngemäß von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch machten, stünden der Klägerin die streitgegenständlichen Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung sowie Schadensersatz und Entschädigung zu. Die durch die Beklagte lediglich unter pauschalem Verweis auf einen vermeintlichen Verstoß gegen eine allgemeine Marktbeobachtungspflicht bzw. -obliegenheit erhobene Verjährungseinrede greife nicht durch.
  50. Für eine Aussetzung der Verhandlung bestehe kein Anlass. Weder habe die Beklagte schlüssig die Voraussetzungen einer unzulässigen Erweiterung dargelegt noch werde die technische Lehre des Klagepatents durch den durch die Beklagte in Bezug genommenen Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen. Schließlich fehle es auch nicht an einem erfinderischen Schritt.
  51. Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 13. Dezember 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10. Januar 2020 Berufung eingelegt, mit der sie ihr vor dem Landgericht erfolglos gebliebenes Begehren auf Klageabweisung und hilfsweise Aussetzung weiterverfolgt.
  52. Sie wiederholt und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und macht insbesondere geltend:
  53. Das Landgericht lege das Teilmerkmal „hohe Schutzart“ zutreffend dahingehend aus, dass ein Bauteil hoher Schutzart bei funktionaler Betrachtung geeignet sein müsse, einem Luftstrom und den damit verbundenen Einwirkungen (Staub und Feuchtigkeit im Luftstrom) Stand zu halten. Eine hohe Schutzart liege dementsprechend vor, wenn die Drossel bzw. der Trafo unmittelbar im Luftstrom eines Kühlaggregates in einer (z.B. außenbelüfteten) Kammer untergebracht werden könnten. Diese Auslegung liege der Verletzungsprüfung des Landgerichts zu Grunde. Im Rahmen der Erörterung des Rechtsbestandes stelle die Kammer sodann jedoch zusätzliche Anforderungen auf, wenn es um die Offenbarung einer Drossel oder eines Trafos mit hoher Schutzart im Stand der Technik gehe. Abgesehen davon gelange das Landgericht nur deshalb zu einer Verletzung des Klagepatents, weil es hinsichtlich des Teilmerkmals „selbst“ nicht unter seine eigene Auslegung subsumiere. Die bloße Herbeiführung einer hohen Schutzart durch eine bestimmte Einbausituation, etwa durch das Zusammenwirken bzw. die Verbindung der Drossel bzw. des Trafos mit anderen Bestandteilen des Wechselrichters, falle nicht in den Schutzbereich des Klagepatents.
  54. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei es erfindungsgemäß nicht zulässig, die Drossel bzw. den Trafo auch in einer denkbaren, weiteren dritten Kammer getrennt von dem Kühlkörper und dem Kühlaggregat anzuordnen. Nach der durch das Klagepatent unter Schutz gestellten technischen Lehre müssten sich die Drossel bzw. der Trafo zusammen mit dem Kühlkörper und dem Kühlaggregat in der gleichen Kammer des Wechselrichters befinden.
  55. Ausgehend von diesen Überlegungen machten die angegriffenen Ausführungsformen von der technischen Lehre des Klagepatents keinen Gebrauch. Entgegen dem zuvor im Rahmen der Patentauslegung ermittelten Schutzbereich habe das Landgericht zur Begründung der vermeintlich hohen Schutzart der Drossel auf die konkrete Einbausituation in Gestalt des Aufliegens der Drossel mit ihrer Unterseite am Gehäuse abgestellt. Durch diese Verbindung mit dem Gehäuse des Wechselrichters liege eine hohe Schutzart der Drossel vor. Weshalb die Drossel davon ausgehend „selbst“ eine hohe Schutzart aufweisen solle, erschließe sich daraus nicht, wobei eine Solche bei den angegriffenen Ausführungsformen tatsächlich auch nicht vorliege. Eine hohe Schutzart der Drossel selbst sei für die Wechselrichter der Beklagten auch nicht erforderlich. Nur durch die konkrete Einbausituation sei es insbesondere möglich, dass die elektrischen Zuführungen der Drossel in der angegriffenen Ausführungsform gegen Feuchtigkeit geschützt seien. Die Drossel „selbst“ sei demgegenüber weder gegen Staub noch gegen Feuchtigkeit geschützt.
  56. Des Weiteren sei der Raum, in dem sich die Drossel und der Lüfter bei den angegriffenen Ausführungsformen befänden, keine patentgemäße zweite Kammer, sondern ein Kühlkanal mit Öffnungen nach außen. Weil das Landgericht angenommen habe, dass die zweite Kammer vollumfänglich geschlossen sein müsse, sei das Klagepatent nicht verletzt. Der von der Kammer als klagepatentgemäße zweite Kammer angesehene Bereich sei nicht vollumfänglich geschlossen, sondern weise an mindestens zwei Flächen Öffnungen auf, eine erste Öffnung an der Seite des Kühlaggregat (Lufteinlass) und eine Reihe von Öffnungen an der Gehäuserückseite (Luftaustritt). Zudem seien die Drossel und die Kühlaggregate in zwei unterschiedlichen, durch einen Kühlkörper getrennten und sowohl räumlich als auch in einigem Umfang thermisch getrennten Kammern angeordnet.
  57. Schließlich befänden sich die Drossel bzw. der Trafo bei der angegriffenen Ausführungsform auch nicht in einer anderen Kammer als der Kühlkörper und das Kühlaggregat. Zwar seien diese nicht luftdicht voneinander getrennt. Jedoch befinde sich zwischen ihnen ein Luftleitblech, das eine räumliche Trennung bewirke und dafür sorge, dass sich die Drossel nicht unmittelbar im Kühlluftstrom befinde. Ein guter Teil des Luftstroms komme mit der Drossel nicht in Berührung.
  58. Jedenfalls sei der Rechtsstreit aus den bereits erstinstanzlich angeführten Gründen auszusetzen. Ergänzend sei die Beklagte zwischenzeitlich auf eine japanische Schrift (JPH8-274XXB) aufmerksam geworden, in welcher die technische Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich offenbart sei.
  59. Die Beklagte beantragt,
  60. das Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2019 (Az.: 4c O 66/18) abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
  61. hilfsweise:
    den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die anhängige Nichtigkeitsklage der Beklagten gegen den deutschen Teil des Europäischen Patents EP 1 610 452 B1 auszusetzen.
  62. Die Klägerin beantragt,
  63. die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Dezember 2019 zum Aktenzeichen 4c O 66/18 zurückzuweisen.
  64. Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen der Beklagten unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen.
  65. Erfindungsgemäß komme es bei der Bestimmung des Begriffes der „hohen Schutzart“ auf die IP-Schutzart an. Zwar fordere das Klagepatent keine Klassifizierung einer bestimmten IP-Klasse. Zur Bestimmung der hohen Schutzart dienten jedoch gleichwohl die im IP-System standardisierten Eigenschaften. In der Klagepatentbeschreibung würden „vergossene Wickelgüter“ als Beispiele für eine hohe Schutzart aufweisende Bauteile genannt. Bei der Drossel der angegriffenen Ausführungsform handele es sich um ein solches vergossenes Wickelgut. Das Innenleben der Drossel sei vollflächig vergossen, das heißt komplett von Füll-/Gussmasse ausgefüllt. An der damit bestehenden hohen Schutzart der Drossel ändere auch die bei der angegriffenen Ausführungsform zu findenden Gummidichtung nichts.
  66. Soweit die Beklagte weiterhin in Abrede stelle, dass das Gehäuse der angegriffenen Ausführungsformen mindestens zwei Kammern aufweise, führe das Vorbringen der Beklagten nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus. Von einer vollumfänglichen Geschlossenheit der Kammer sei im erstinstanzlichen Urteil keine Rede, sondern davon, dass die Kammern physisch, nämlich durch eine Wand, voneinander getrennt seien. Abgesehen davon ändere das Vorliegen des Lufteintrittsbereichs und der Abluftschlitze bei der zweiten Kammer der angegriffenen Ausführungsformen nichts daran, dass es sich um eine patentgemäße Kammer handele.
  67. Entgegen der Auffassung der Beklagten verfügten die angegriffenen Ausführungsformen auch über zwei Kammern, nämlich die obere Kammer, in der sich die empfindlichen elektrischen und elektronischen Bauteile befänden, und die zweite, untere Kammer, in der die Drossel, die Kühlrippen und der Lüfter angeordnet seien. Die Kühlrippen und das vermeintliche Luftleitblech bewirkten keine Trennung der zweiten Kammer. Es verblieben Übergänge bzw. Spalten zwischen dem Bereich der Kühlrippen und der Drossel. Von einer räumlichen Trennung könne daher nicht gesprochen werden. Darüber hinaus werde die Drossel, wie ein in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung durchgeführter Test gezeigt habe, auch mit dem Kühlluftstrom beaufschlagt.
  68. Für eine Aussetzung der Verhandlung bestehe auch unter Berücksichtigung des nunmehr vorgelegten, weiteren Standes der Technik kein Anlass.
  69. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der von ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
  70. II.
    Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht in dem Angebot und dem Vertrieb der angegriffenen Ausführungsformen in der Bundesrepublik Deutschland eine unmittelbare wortsinngemäße Benutzung des Klagepatents gesehen und die Beklagte wegen unmittelbarer Patentverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie zur Vernichtung verurteilt und die Schadenersatz- und Entschädigungspflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt. Der Klägerin stehen entsprechende Ansprüche aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs. 1 und 2, 140a Abs. 1 und Abs. 3, 140b Abs. 1 und 3 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB i.V.m. Art. II § 1 Abs. 1 S. 1 IntPatÜG zu. Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren bietet für eine abweichende Beurteilung keinen Anlass.
  71. 1.
    Das Klagepatent betrifft einen Wechselrichter, der ein Gehäuse, einen Kühlkörper aufweisende elektrische und/oder elektronische Komponenten, mindestens eine Drossel und/oder einen Trafo sowie ein Kühlaggregat zur Kühlung der elektrischen und/oder elektronischen Komponenten aufweist.
  72. Wie der Fachmann den einleitenden Bemerkungen in der Klagepatentschrift entnimmt, sind Wechselrichter mit einem die elektrischen und/oder elektronischen Komponenten aufnehmenden Gehäuse bekannt. Dabei besitzt das Wechselrichtergehäuse häufig eine Lüftung, durch welche die elektrischen bzw. elektronischen Komponenten gekühlt werden, indem Außenluft in das Gehäuse zugeführt wird (Abs. [0005]).
  73. In der EP 0 900 XXC A1 wird eine Stromversorgungseinheit mit zwei Räumen offenbart, wie sie aus den nachfolgend zu Verständniszwecken eingeblendeten Figuren 1 und 2 ersichtlich ist:
  74. Bei dieser Gestaltung sind sämtliche Wärme entwickelnden Bauteile in einem Raum auf einem Kühlkörper angeordnet. Der Kühlkörper bildet die Wand zu einem Kühlraum und weist auf der dem Kühlraum zugewandten Seite Kühlrippen auf, die durch ein Gebläse gekühlt werden. Die Kühlluft wird aus der Umgebung gezogen (Abs. [0002]).
  75. Aus der DE 200 16 XXD U1 ist, wie die im Folgenden verkleinert wiedergegebenen Figuren 1a und 1b dieser Schrift veranschaulichen, ein Schaltschrank bekannt, der durch eine Montageplatte in zwei Kammern unterteilt ist.
  76. In der einen Kammer sind die Wärme erzeugenden Bauteile untergebracht. Diese stehen mit einem in einer Kühlluftkammer befindlichen Kühlkörper in Verbindung. Ein Gebläse sorgt dafür, dass die vom Kühlkörper erzeugte Warmluft durch die offene Rückseite des Schaltschrankes an die Umgebung abgeführt wird (Abs. [0003]).
  77. Da Wechselrichter nicht nur in, sondern auch außerhalb von Gebäuden angebracht sind, werden durch den Lüfter nicht nur Luft, sondern auch Schmutz, Staub und Feuchtigkeit in das Gehäuse eingeblasen. Derartige Wechselrichter verschmutzen jedoch bereits nach kurzer Zeit im Inneren des Gehäuses stark, was zu Ausfällen führen kann. Auch wird die Kühlleistung durch die Verschmutzung eingeschränkt. Solche Verschmutzungen lassen sich mithilfe von vor den Lüftern angeordneten Filtern vermeiden, die jedoch mit dem Nachteil verbunden sind, dass die Kühlleistung im Falle eines zugesetzten Filters stark eingeschränkt ist (Abs. [0004]).
  78. Vor dem geschilderten Hintergrund liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, einen Wechselrichter bereitzustellen, bei dem die Kühlleistung auch unter ungünstigen äußeren Bedingungen über einen langen Zeitraum im Wesentlichen uneingeschränkt zur Verfügung steht (Abs. [0005]).
  79. Zur Lösung dieser Problemstellung sieht Patentanspruch 1 einen Wechselrichter mit folgenden Merkmalen vor:
  80. 1. Wechselrichter mit
  81. 1.1. einem Gehäuse (1),
  82. 1.2. mindestens einer Drossel und/oder einem Trafo (5a),
  83. 1.3. elektrischen und/oder elektronischen Komponenten (5), die Kühlkörper (4) aufweisen, und
  84. 1.4. einem Kühlaggregat (2) zur Kühlung der elektrischen und/oder elektronischen Komponenten (5).
  85. 2. Drossel und/oder Trafo (5a) weisen selbst eine hohe Schutzart auf.
  86. 3. Das Gehäuse (1) weist mindestens zwei Kammern (7, 8) auf.
  87. 3.1. Die beiden Kammern (7, 8) sind durch eine Wand (6) getrennt.
  88. 4. In der einen Kammer (7) befinden sich die (Kühlkörper (4) aufweisenden) elektrischen und/oder elektronischen Komponenten (5) auf der einen Seite der Wand (6).
  89. 5. In der anderen Kammer (8)
  90. 5.1. befindet sich der Kühlkörper (4) auf der anderen Seite der Wand (6), und
  91. 5.2. befindet sich die mindestens eine Drossel und/oder der Trafo (5a),
  92. 5.3. wobei die andere Kammer (8) das Kühlaggregat (2) aufweist.
  93. 2.
    Zu Recht ist zwischen den Parteien die Verwirklichung der Merkmalsgruppe 1. im Berufungsverfahren nicht umstritten, so dass es insoweit keiner weiteren Ausführungen bedarf. Insbesondere hat die Beklagte in der zweiten Instanz nicht mehr in Abrede gestellt, dass die angegriffenen Ausführungsformen über ein erfindungsgemäßes Gehäuse verfügen. Auf die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird daher Bezug genommen. Entgegen der Auffassung der Beklagten machen die angegriffenen Ausführungsformen auch wortsinngemäß von den übrigen Merkmalen des Patentanspruchs Gebrauch.
  94. a)
    Die Drossel der angegriffenen Ausführungsformen weist wie von Merkmal 2. gefordert selbst eine hohe Schutzart auf.
  95. aa)
    Was erfindungsgemäß unter einer „hohen Schutzart“ zu verstehen sein soll, erläutert das Klagepatent nicht ausdrücklich. Insbesondere fordern weder der Patentanspruch noch die Klagepatentbeschreibung die Zugehörigkeit der Drossel bzw. des Trafos zu einer bestimmten Schutzklasse. Soweit in Sp. 2, Z. 23 der Klagepatentbeschreibung auf die IP-Klasse 65 Bezug genommen wird, erfolgt dies erkennbar beispielhaft („z.B. 65“). Ist ein Bauteil somit entsprechend der IP-Klasse 65 zertifiziert, ist davon auszugehen, dass es sich um ein Solches hoher Schutzart handelt. Damit verbunden ist jedoch weder eine Beschränkung des Schutzbereichs auf diese Schutzklasse noch bedarf es für die Beantwortung der Frage, ob die Drossel bzw. der Trafo selbst eine hohe Schutzart aufweist, zwingend eines Rückgriffs auf bestimmte DIN-Normen, nach welchen die Bauteile hinsichtlich ihrer Schutzausstattung eingeordnet werden können.
  96. Welche Anforderungen an die technische Gestaltung der Drossel bzw. des Trafos zu stellen sind, lässt sich mangels konkreter Vorgaben in der Klagepatentschrift nur unter Berücksichtigung der mit dem Erfordernis einer hohen Schutzart verbundenen technischen Funktion beantworten.
  97. Erfindungsgemäß weist das Gehäuse des Wechselrichters mindestens zwei durch eine Wand getrennte Kammern auf (Merkmalsgruppe 3.). In einer der Kammern befinden sich neben einem Kühlaggregat zur Kühlung der elektrischen und/oder elektronischen Komponenten (Merkmal 1.4.) auch der Trafo bzw. die Drossel. Aufgrund der regelmäßig für die Kühlung erforderlichen Belüftung stellt sich in dieser Kammer das in Abs. [0004] aufgeworfene Problem, dass durch einen gegebenenfalls vorgesehenen Lüfter nicht nur Luft, sondern auch Schmutz, Staub und Feuchtigkeit in das Gehäuse eingeblasen werden. Während Kühlkörper per se sehr unempfindlich bzw. zumindest unempfindlicher gegenüber Schmutz und Feuchtigkeit sind (Sp. 2, Z. 14 – 17) und dementsprechend keines gesonderten Schutzes bedürfen, ist die Anordnung der Drossel bzw. des Trafos in der gekühlten Kammer aufgrund der dort herrschenden Verhältnisse nur möglich, wenn diese vor den dort herrschenden Gefahren, also insbesondere vor Schmutz, Staub und Feuchtigkeit (Sp. 1, Z. 37), geschützt sind. Mit anderen Worten müssen sie eine hohe Schutzart aufweisen, also in einem solchen Umfang gegen die vorgenannten Gefahren geschützt sein, dass ihre Funktion trotz der Anordnung in der gekühlten Kammer auch unter ungünstigen äußeren Bedingungen gewährleistet ist.
  98. Damit ist klar, weshalb es Merkmal 2. nicht genügen lässt, dass die Drossel bzw. der Trafo eine hohe Schutzart aufweist, sondern zusätzlich davon spricht, dass die Drossel bzw. der Trafo „selbst“ eine hohe Schutzart aufweisen soll. Da die (ungekühlte) Kammer, in welcher sich die elektrischen und/oder elektronischen Komponenten befinden, in Ermangelung einer Kühlung von vornherein mit einer geringeren Gefahr für das Eindringen von Schmutz, Staub und Feuchtigkeit verbunden ist, bietet sie von sich aus einen entsprechenden Schutz. Die dort angeordneten Komponenten selbst bedürfen keines besonderen Schutzes. Das gilt erst recht, wenn diese Kammer selbst eine hohe Schutzart aufweist und die elektrischen oder elektronischen Komponenten dadurch vor Verschmutzung und Feuchtigkeit schützt (vgl. Unteranspruch 4; Abs. [0008] und [0012]). Einen derartigen Schutz bietet die andere, Drossel bzw. Trafo aufweisende Kammer nicht. Damit diese Bauteile trotzdem dort gefahrlos angeordnet werden können, müssen sie aus sich heraus, also „selbst“, geschützt sein.
  99. Ausgehend hiervon ist kein Grund ersichtlich, weshalb es, wie von den Parteien teilweise vertreten, darauf ankommen soll, ob die Drossel bzw. der Trafo außerhalb des beanspruchten Wechselrichters, also unabhängig von der Einbausituation, vollumfänglich gegen das Eindringen von Schmutz, Staub oder Feuchtigkeit geschützt sind. Unter Berücksichtigung der gebotenen funktionsorientierten Auslegung ist allein entscheidend, dass die Drossel bzw. der Trafo derart in der auch den Kühlkörper aufweisenden Kammer angeordnet ist, dass ihr hinreichender Schutz vor den vorgenannten äußeren Einflüssen gewährleistet werden kann. Befinden sich Drossel bzw. Trafo an einer Wandseite der Kammer (vgl. Unteranspruch 6), kann somit auch die Wand zu ihrem Schutz beitragen. Auch in einem solchen Fall weisen Drossel bzw. Trafo „selbst“ eine hohe Schutzart auf. Ob ein entsprechender Schutz außerhalb des Wechselrichters besteht, ist demgegenüber ohne Belang. Mit der weiteren technischen Gestaltung der Drossel bzw. des Trafos außerhalb des Wechselrichters beschäftigt sich Patentanspruch 1 nicht; sie liegt außerhalb der Erfindung.
  100. bb)
    Dass die angegriffenen Ausführungsformen ausgehend von einem solchen Verständnis eine hohe Schutzart aufweisen, hat die Beklagte nicht erheblich in Abrede gestellt. Weder führt es aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus, dass die Drossel der angegriffenen Ausführungsformen nicht nach einer bestimmten IP-Klasse zertifiziert wurde, noch muss sie die Anforderungen an eine konkrete IP-Klasse erfüllen. Dem Erfordernis einer hohen Schutzart i.S.v. Merkmal 2 ist vielmehr wie ausgeführt bereits dann Genüge getan, wenn die Drossel unter Berücksichtigung ihrer Einbausituation hinreichend gegen die in der gekühlten Kammer herrschenden äußeren Einflüsse und damit insbesondere gegen Schmutz, Staub und Feuchtigkeit geschützt ist. Dass die Drossel der angegriffenen Ausführungsformen dem nicht gerecht würde, behauptet auch die Beklagte nicht, sondern räumt vielmehr selbst ein (vgl. Berufungsbegründung, S. 18), dass die auf der Rückseite der Drossel zu findenden elektrischen Zuführungen durch die konkrete Einbausituation gegen Feuchtigkeit geschützt sind. Die Drossel weist damit selbst eine hohe Schutzart im Sinne des Klagepatents auf. Ob durch die auf der Rückseite der Drossel angeordnete Gummilippe losgelöst von der konkreten Einbausituation eine hinreiche Abdichtung gegen Fremdkörper oder Spritzwasser erreicht wird, ist für die Beurteilung der Verletzungsfrage ebenso wenig entscheidend wie ein fehlender Schutz der Kabelenden im unverbauten Zustand.
  101. b)
    Das Gehäuse der angegriffenen Ausführungsformen weist auch mindestens zwei Kammern auf (Merkmal 3.).
  102. aa)
    Der Fachmann entnimmt der Merkmalsgruppe 3. hinsichtlich der technischen Gestaltung der Kammern im Wesentlichen drei Vorgaben:
  103. 1. Es muss sich um Kammern des Gehäuses handeln.
  104. 2. Es handelt sich um mindestens zwei Kammern.
  105. 3. Die Kammern sind durch eine Wand getrennt.
  106. Nichts gesagt ist damit zunächst zu der Frage, inwiefern die Kammern allumseitig abgeschlossen sein sollen. Unter Berücksichtigung der den Kammern zugewiesenen Funktionen ist jedoch klar, dass von der genannten Trennung der Kammern durch eine Wand nur dann die Rede sein kann, wenn die betroffenen Kammern mithilfe der Wand derart voneinander getrennt werden, dass es zu keinem Luftmassenaustausch zwischen beiden Kammern kommt. Genauer gesagt muss verhindert werden, dass der in der das Kühlaggregat und die Drossel bzw. den Trafo aufweisenden Kammer vorhandene Luftstrom zur Kühlung der Komponenten in die andere Kammer eindringt. Denn die dort befindlichen elektrischen und/oder elektronischen Komponenten weisen regelmäßig anders als die Drossel bzw. der Trafo selbst keine hohe Schutzart auf und sollen durch ihre Anordnung in einer gesonderten Kammer – auch wenn diese nur nach einer bevorzugten Ausgestaltung eine höhere Schutzart aufweist – vor dem mit dem Kühlluftstrom verbundenen Eindringen von Schmutz, Staub und Feuchtigkeit geschützt werden (Abs. [0006]). Ein solcher Schutz lässt sich nur dann realisieren, wenn der Kühlluftstrom nicht auch in die die elektrischen und/oder elektronischen Komponenten enthaltende Kammer (Merkmal 4.) strömt. Das bedingt zugleich, dass diese, die besonders schutzwürdigen Bauteile enthaltende Kammer auch im Übrigen nach Außen abgeschlossen sein muss. Nur so kann verhindert werden, dass Luft – wenn auch gegebenenfalls nicht zielgerichtet – von außen in diese Kammer strömt und dadurch Schmutz, Staub und Feuchtigkeit hineinträgt.
  107. In Bezug auf die weitere, die Drossel bzw. den Trafo und das Kühlaggregat enthaltende Kammer bedarf es eines solchen Abschlusses nach außen nicht. Im Gegenteil sieht das Klagepatent das Vorhandensein von Lüftungsschlitzen bei dieser Kammer sogar als vorteilhaft an (Unteranspruch 2; Abs. [0007]; [0012]).
  108. Zusammengefasst muss es sich bei der die elektrischen und/oder elektronischen Komponenten aufweisenden Kammer (Merkmale 1.3. und 4.) um einen abgeschlossenen Raum handeln, welcher durch eine Wand derart von der anderen Kammer (Merkmalsgruppe 5.) getrennt ist, dass ein Luftaustausch bzw. eine Luftströmung zwischen beiden Räumen verhindert wird. Im Übrigen muss die andere Kammer weder nach außen noch zu fakultativ vorhandenen weiteren Kammern luftdicht abgetrennt sein. Stets erforderlich ist jedoch gleichwohl, dass es sich um eine „Kammer“, d.h. um einen eigenständigen, umgrenzten und gegenüber anderen Bereichen abgetrennten Bereich des Gehäuses handelt.
  109. bb)
    Davon ausgehend steht es einer Verwirklichung der technischen Lehre des Klagepatents nicht entgegen, dass der durch das Landgericht als zweite Kammer identifizierte Raum an mindestens zwei Flächen Öffnungen für den Luftein- und austritt aufweist. Eine solche Ausgestaltung der die Kühlaggregate und die Drossel bzw. den Trafo aufweisenden Kammer sieht das Klagepatent sogar als bevorzugte Ausführungsform an (vgl. Unteransprüche 2. und 3. sowie Abs. [0007]). Soweit die Beklagte demgegenüber die Verwirklichung von Merkmal 3. (= Merkmal 5. der Merkmalsgliederung des Landgerichts) mit der Begründung in Abrede stellt, die Drossel und die Kühlaggregate befänden sich bei der angegriffenen Ausführungsform in zwei unterschiedlichen, durch eine Kühlrippe getrennten Räumen, betrifft dies die Zuordnung der einzelnen Komponenten zu den einzelnen Bereichen und damit die Merkmalsgruppe 5. Eine Nichtverletzung der Merkmalsgruppe 3. lässt sich damit von vornherein nicht begründen.
  110. c)
    Abgesehen davon sind bei den angegriffenen Ausführungsformen die einzelnen Bauteile auch wie von den Merkmalsgruppen 4. und 5. im Einzelnen gefordert in den Kammern angeordnet.
  111. aa)
    Patentanspruch 1 weist die einzelnen Komponenten jeweils klar einer der beiden Kammern zu. Während sich die mit einem Kühlaggregat zur Kühlung der elektrischen und/oder elektronischen Komponenten ausgestatteten Bauteile auf der einen Seite der Wand in der (ungekühlten) Kammer (7) befinden (Merkmal 4.), enthält die andere Kammer (8) sowohl die Kühlkörper als auch die Drossel bzw. den Trafo und das Kühlaggregat (Merkmalsgruppe 5.). Zwar schließt die Formulierung des Patentanspruchs das Vorhandensein weiterer Kammern nicht aus (vgl. Merkmal 3. „mindestens zwei Kammern“). Das bedeutet jedoch nicht, dass die vorgenannten Bauteile über eine beliebige Anzahl von Kammern verteilt sein dürften. Damit, welche Bauteile sich in diesen weiteren Kammern befinden, beschäftigt sich Patentanspruch 1 nicht. Ob und gegebenenfalls welche Bauteile dort angeordnet werden, ist somit dem Fachmann überlassen. Damit eine Ausführungsform in den Schutzbereich des Klagepatents fällt, ist es gleichwohl zwingend, dass sich dort zwei Kammern identifizieren lassen, die den Vorgaben des Patentanspruchs entsprechen. Es müssen dementsprechend zwei Kammern des Gehäuses vorhanden sein. Während sich in der einen Kammer auf der einen Seite der Wand die einen Kühlkörper aufweisenden elektrischen und/oder elektronischen Komponenten (5) befinden, sind in der anderen Kammer neben den auf der anderen Seite der Wand befindlichen Kühlkörpern mindestens eine Drossel und/oder einen Trafo und das Kühlaggregat angeordnet.
  112. Eine Bestätigung dieser Auslegung erhält der Fachmann aus der allgemeinen Patentbeschreibung, wo es in Abs. [0006] heißt:
  113. „Das Gehäuse des Wechselrichters weist mindestens zwei Kammern auf, wobei die beiden Kammern durch eine Wand zur Aufnahme der verlustbehafteten Komponenten getrennt sind, wobei dann, wenn diese Komponenten Kühlkörper aufweisen, sich die Komponenten auf der einen Seite der Wand in der einen Kammer und die Kühlkörper auf der anderen Seite der Wand in der anderen Kammern befinden und wobei dann, wenn die zu kühlende Komponente, z.B. ein Transformator, eine hohe Schutzart aufweist, sich diese Komponente an der Wandseite in der anderen Kammer befindet, wobei die andere Kammer das Kühlaggregat aufweist, also gekühlt wird. Das heißt, gekühlt wird nur die Kammer des Wechselrichtergehäuses, in der sich die Kühlkörper oder zu kühlende Komponenten hoher Schutzart befinden.“
  114. Beschrieben wird somit exakt eine solche Verteilung der Komponenten auf zwei Kammern, wie sie auch in den Merkmalsgruppen 4. und 5. von Patentanspruch 1 vorgesehen ist. Gleiches gilt für das einzige Ausführungsbeispiel. Auch Figur 1 nebst dazugehöriger Beschreibung zeigt einen Wechselrichter mit einer Verteilung der Komponenten im vorgenannten Sinne (Abs. [0010] und [0012]).
  115. bb)
    Diesen Anforderungen wird die angegriffene Ausführungsform gerecht. Drossel, Kühlkörper und Kühlaggregat befinden sich dort, wie die nachfolgend eingeblendete, S. 18 der Berufungserwiderung entnommene Abbildung verdeutlicht, in einer Kammer:
  116. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Kühlrippe auch unter Einbeziehung des Luftleitblechs um keine, zwei Kammern trennende Wand im Sinne des Klagepatents. Wie die vorstehende Abbildung zeigt, reicht die Kühlrippe nicht bis zur Außenwand, sondern lässt einen deutlichen Spalt zu. Dieser wird zwar teilweise von einem Luftleitblech abgedeckt, so dass zumindest in diesen Bereichen eine geschlossene Wand vorliegen könnte. Jedoch reicht das Luftleitblech nicht entlang der Gesamtlänge der Kammer, so dass ein großer Teil offen bleibt. Folglich eröffnet sich im befestigten Zustand des Wechselrichters ein deutlicher Spalt zwischen dem Bereich, in dem das Kühlaggregat und der Kühlkörper angeordnet sind, und demjenigen, in welchem sich die Drossel befindet. Dieser Spalt ist nicht mit einer klagepatentgemäßen, die Kammer trennenden „Wand“ vereinbar. Es handelt sich somit um eine Kammer im Sinne des Klagepatents, die sowohl die Drossel als auch die Kühlkörper und das Kühlaggregat enthält.
  117. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass sich die Drossel bei einer solchen Gestaltung nicht unmittelbar im Kühlstrom befindet, führt dies aus dem Schutzbereich des Klagepatents nicht heraus. Abgesehen davon, dass die Beklagte selbst davon spricht, dass die aus ihrer Sicht zwei Kammern „in einigem Umfang“ (und damit nicht vollumfänglich) thermisch getrennt sind (vgl. Berufungsbegründung, S. 20, Punkt 2.2), finden sich im Patentanspruch 1 keinerlei Vorgaben zur Verteilung des Kühlstroms in der anderen Kammer. Diese steht somit außerhalb der Erfindung. Patentanspruch 1 verlangt nur, dass die andere Kammer neben den Kühlkörper (4) auch das Kühlaggregat (2) aufweist. Das ist bei den angegriffenen Ausführungsformen der Fall, weshalb diese in den Schutzbereich des Klagepatents fallen.
  118. 3.
    Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung zur Unterlassung, Auskunftserteilung sowie zur Vernichtung und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, zum Schadenersatz verpflichtet ist und der Klägerin, um ihr eine Berechnung ihrer Schadensersatzansprüche zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil ebenso zutreffend dargelegt wie die Entschädigungspflicht der Beklagten. Nachdem die Beklagte diesen Ausführungen, die sich der Senat vollumfänglich zu Eigen macht, im Berufungsverfahren nicht entgegengetreten ist, kann auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts vollumfänglich Bezug genommen werden.
  119. 4.
    Ohne Erfolg hat die Beklagte in Bezug auf Verletzungshandlungen aus der Zeit vor dem 1. Januar 2014 die Einrede der Verjährung erhoben.
  120. Nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 141 S. 1 PatG i.V.m. § 195 BGB verjähren Ansprüche wegen Patentverletzung in drei Jahren; die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Verletzte die anspruchsbegründenden Umstände und die Verantwortlichkeit der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin kannte oder ohne grobe Fahrlässigkeit kennen musste, § 141 S. 1 PatG
    i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB. Das setzt voraus, dass dem Verletzten die relevanten Tatsachen so vollständig und sicher bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind, dass sie einen zwar nicht risikolosen, aber doch einigermaßen aussichtsreichen Erfolg einer Klage versprechen und dem Verletzten daher bei verständiger Würdigung der Sachlage eine Klage zuzumuten ist (vgl. BGH, GRUR 2012, 1279 Rz. 53 – DAS GROSSE RÄTSELHEFT; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.04.2019, Az.: I-2 U 50/17, BeckRS 2019, 25285; OLG Karlsruhe, Urt. v. 09.11.2016, Az.: 6 U 37/15, GRUR-RS 2016, 21121; Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 12. Aufl., Abschn. E, Rz. 724).
  121. Nachdem die Beklagte im Berufungsverfahren auf die Verjährungseinrede nicht zurückgekommen ist, verbleibt es bei den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts: Es hätte der Beklagten oblegen, konkret dazu vorzutragen, wieso ein Dritter in der Position der Klägerin zwingend von den angegriffenen Ausführungsformen hätte Kenntnis nehmen müssen. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen, sondern hat sich lediglich allgemein auf eine (vermeintliche) Marktbeobachtungspflicht der Klägerin berufen.
  122. 5.
    Es besteht kein Anlass, den entscheidungsreifen Verletzungsprozess zumindest bis zur erstinstanzlichen Erledigung des Nichtigkeitsverfahrens auszusetzen, § 148 ZPO.
  123. a)
    Wenn das Klagepatent – wie hier – mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237 Rz. 4 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet es, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff auf den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung bzw. durch Erhebung eines Einspruchs führen zu können, sondern auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent dem erhobenen Einspruch bzw. der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237 Rz. 4 – Kurznachrichten; st. Rspr. des Senats, vgl. Urt. v. 25.10.2018, Az.: I-2 U 30/16, Rz. 213).
  124. b)
    Davon kann vorliegend keine Rede sein. Die durch die Beklagte erhobenen Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents vermögen eine derartige hinreichende Erfolgswahrscheinlichkeit der Nichtigkeitsklage nicht zu begründen.
  125. aa)
    Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Vorwurf der unzulässigen Erweiterung.
  126. (1)
    Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung ist der Gegenstand des erteilten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Der Patentanspruch darf nicht auf einen Gegenstand gerichtet sein, den die ursprüngliche Offenbarung aus Sicht des Fachmanns nicht als zur Erfindung gehörend erkennen lässt (BGH GRUR 2011, 1109, 1111 – Unzulässige Erweiterung eines Patentgegenstandes; BGH, GRUR 2005, 1023, 1024 – Einkaufswagen II; BGH GRUR 2010, 513 – Hubgliedertor II). Für die Beurteilung der Frage, ob der hier allein streitgegenständliche Patentanspruch 1 auf einer unzulässigen Erweiterung beruht, ist daher der durch diesen Patentanspruch definierte Gegenstand mit dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Anmeldung zu vergleichen. Der Inhalt der Anmeldung wird dabei nicht durch den Inhalt der ursprünglichen Ansprüche begrenzt (BGH GRUR 1992, 157 – Frachtcontainer). Vielmehr dürfen alle Gegenstände, die sich einem Fachmann aus der ursprünglichen Anmeldung ohne Weiteres, das heißt unmittelbar und eindeutig (BGH GRUR 2010, 599, 601 – Formteil; BGH GRUR 2010, 910 – Fälschungssicheres Dokument), erschließen, zum Gegenstand eines Patents gemacht werden und stellen daher keine unzulässige Erweiterung dar.
  127. (2)
    Ausgehend hiervon vermag der Einwand der unzulässigen Erweiterung der Nichtigkeitsklage nicht zum Erfolg zu verhelfen.
  128. Bereits in Patentanspruch 1 der ursprünglichen Anmeldung wird klar zwischen „Komponenten (5), die Kühlkörper (4) aufweisen“ und „sich auf der anderen Seite der Wand der einen Kammer (7)“ gegenüber der „zu kühlende[n] elektrische[n] oder elektronische[n] Komponente (5a)“, die „selbst eine hohe Schutzart aufweist und sich „in der anderen Kammer (8) […] befindet“, unterschieden. Weisen die elektrischen oder elektronischen Bauteile einen Kühlkörper auf, befinden sie sich auf der einen Seite der Wand, während sich der Kühlkörper in die andere Kammer erstreckt. Weisen die anderen Komponenten eine hohe Schutzart auf, können sie sich demgegenüber selbst in der anderen (gekühlten) Kammer befinden. Dass es sich zumindest bei einem Trafo um ein Bauteil hoher Schutzart handelt, wird dem Fachmann ausdrücklich in Sp. 1, Z 42 sowie Sp. 2, Z. 39 der Offenlegungsschrift erläutert. Zwar findet sich ein derartiger Hinweis in Bezug auf die Drossel nicht. Nachdem bereits der ursprüngliche Patentanspruch klar zwischen gekühlten, keine hohe Schutzart aufweisenden Komponenten und Solchen, über eine hohe Schutzart verfügenden und in der anderen (gekühlten) Kammer angeordneten Komponenten unterscheidet, fehlt der Auffassung der Beklagten, nach dem ursprünglichen Antrag sollten sämtliche elektrischen Bauteile inklusive der Drossel bzw. des Trafos gekühlt werden, die Grundlage. Dass dem so ist, erschließt sich nicht zuletzt mit Blick auf den letzten Halbsatz des ursprünglichen Anspruchs, wonach die andere Kammer, in der sich auch die Bauteile hoher Schutzart befinden, das Kühlagreggat aufweist, das seinerseits mit den in der anderen Kammer befindlichen elektrischen bzw. elektronischen Bauteilen verbunden sein soll.
  129. bb)
    Die technische Lehre des Klagepatents erweist sich gegenüber dem durch die Beklagte entgegengehaltenen Stand der Technik als neu (Art. 54 EPÜ).
  130. (1)
    Dass die erstmals im Berufungsverfahren vorgelegte JPH8-274XXB (Anlage HLNK 21) die technische Lehre des Klagepatents neuheitsschädlich vorweg nimmt, vermag der Senat nicht festzustellen.
  131. Die Entgegenhaltung offenbart eine Steuerkonsole, in der eine Halbleitervorrichtung untergebracht ist, die unter anderem für eine Umrichtervorrichtung einer Erodierverarbeitungsmaschine eingesetzt wird (Abs. [0001]). Es fehlt damit bereits an der Offenbarung eines Wechselrichters im Sinne des Klagepatents (Merkmal 1.). Während ein Wechselrichter Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt, handelt es sich bei einem Umrichter nach dem allgemeinen Fachwissen um einen Stromrichter, der aus einer Wechselspannung eine in der Frequenz und Amplitude unterschiedliche Wechselspannung generiert (vgl. Wikipedia, Stichwort: „Umrichter“, Stand: 23.07.2020).
  132. In der nachfolgend in der durch die Beklagte kolorierten Fassung eingeblendeten Figur 8 ist ein Gehäuse für einen Umrichter mit einer ersten Kammer (90, blau) und einer zweiten, außenbelüfteten Kammer (91, rot) zu sehen, die durch eine Konsolenplatte (12, rot) voneinander getrennt sind.
  133. Während sich in der ersten Kammer (90) eine Halbleitereinheit (51) für den Umrichter findet, ist in der zweiten Kammer ein Kühlgebläse (57, hellblau) angeordnet, um Außenluft in die zweite Kammer (91) und durch die Kühlrippen (13B und 13, violett) zu blasen (vgl. Abs. [0029] f.). Bei dem darüber hinaus in der außenbelüfteten Kammer befindlichen Bauteil (60, orange) kann es sich ausweislich Abs. [0040] um einen Widerstand oder eine Reaktanz handeln. Da diese Bauteile (60) eine hohe Umweltbeständigkeit aufweisen, kommt es auch bei einer Anordnung im Luftaustauschraum (91) nicht zu einer Beeinträchtigung der Zuverlässigkeit.
  134. Es mag sein, dass die Begriffe „Reaktanz“ und „Widerstand“ eine Vielzahl möglicher elektronischer Bauteile und möglicherweise auch eine Drossel oder einen Trafo umfassen. Voraussetzung für eine neuheitsschädliche Offenbarung wäre jedoch, dass der Fachmann diese Oberbegriffe eindeutig und unmittelbar mit den spezifischen Begriffen assoziiert. Dass dies der Fall wäre, vermag der Senat nicht mit der für eine Aussetzung erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen.
  135. (2)
    Auch die JPH11-234XXE (Anlage HLNK 11) bietet für eine Aussetzung der Verhandlung keinen Anlass.
  136. Die Entgegenhaltung betrifft eine Motorantriebsvorrichtung mit einem Wechselrichter, bei dem die elektrischen Bauteile im Gehäusekörper effizient gekühlt werden können (vgl. Zusammenfassung). Kerngedanke der Schrift ist die Anbringung eines Kühlkörpers an den Wechselrichter, an dem sich in horizontaler Richtung erstreckende Kühlrippen aufreihen, wobei die Kühlrippen so angeordnet sind, dass sie entlang ihrer Ausrichtung von einem Gebläsemotor gekühlt werden können (Abs. [0012]). Um den Wechselrichter sicher vor Wärme zu schützen, ist außerdem eine Trennplatte vorgesehen, die einen Raum zum Montieren des Wechselrichters und einen Raum zum Montieren des Kühlkörpers unterteilt (Abs. [0013]). Wärmeerzeugende Bauteile, bspw. ein Transformator, sind in der Nähe des Kühlkörpers montiert, wobei sie die Blasrichtung nicht überlagern, so dass eine Kühlung des Kühlkörpers gewährleistet ist (Abs. [0014]).
  137. Eine Ausführungsform der Motorantriebsvorrichtung mit einem Transformator (vgl. Bezugszeichen (12)) ist in der nachfolgenden Figur 1 (c) dargestellt:
  138. Wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es an der Offenbarung eines Trafos bzw. einer Drossel, die selbst eine hohe Schutzart aufweisen (Merkmal 2.).
  139. Zwar weist die Entgegenhaltung darauf hin, dass durch die Trennung des Gehäuses mittels einer Trennplatte zwei Räume geschaffen werden, die eine Beschädigung des Wechselrichters durch eindringenden Staub oder Feuchtigkeit verhindern können (Abs. [0021]). Auch sieht die offenbarte Motorantriebsvorrichtung vor, dass der Transformator außerhalb des Wechselrichters und in der Nähe des Kühlkörpers angeordnet sein kann (Abs. [0023] und [0024]). Jedoch fehlt es an einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung, dass der Transformator in Rahmen dieser Ausführungsform selbst von hoher Schutzart ist. Das gilt umso mehr, da die Entgegenhaltung auch einen Hinweis darauf vermissen lässt, dass der Transformator bei unmittelbarer Luftzufuhr im Sinne einer Unempfindlichkeit gegenüber einer möglichen Verschmutzung geschützt ist.
  140. Die durch das Klagepatent geforderte hohe Schutzart des Trafos bzw. der Drossel liest der Fachmann auch nicht mit.
  141. Zwar kann auch dasjenige offenbart sein, was im Patentanspruch und in der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt, aus der Sicht des Fachmanns jedoch für die Ausführung der unter Schutz gestellten Lehre selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, sondern „mitgelesen” wird. Die Einbeziehung von Selbstverständlichem erlaubt jedoch keine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern dient, nicht anders als die Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs, lediglich der vollständigen Ermittlung des Sinngehalts, d.h. derjenigen technischen Information, die der fachkundige Leser der Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt (BGH, GRUR 2009, 382 – Olanzapin; vgl. auch Urt. v. 12.01.2017, Az.: X ZR 20/15, BeckRS 2017, 102809). Im Zusammenhang mit dem „Mitlesen“ geht es somit nicht um die Einbeziehung von Austauschmitteln, sondern darum, die technische Information, die der Fachmann durch eine Schrift erhält, in ihrer Gesamtheit zu erfassen (vgl. Rogge, GRUR 1996, 931, 935). Abwandlungen und Weiterentwicklungen dieser Information gehören ebenso wenig zum Offenbarten wie diejenigen Schlussfolgerungen, die der Fachmann kraft seines Fachwissens aus der erhaltenen technischen Information ziehen mag (Benkard/Melullis, EPÜ, 3. Aufl., Art. 54 Rz. 55; Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 3 Rz. 60).
  142. Davon ausgehend geht es über den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung hinaus, allein aufgrund des Bereitstellens eines durch die Trennplatte getrennten Raums und der damit verbundenen Verhinderung des Eindringens von Staub und Feuchtigkeit eine hohe Schutzart des Trafos mitzulesen. Eine solche Erkenntnis geht über den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung hinaus. Die Schrift kritisiert das Vorhandensein von Staub und Feuchtigkeit und im Speziellen in der Belüftungskammer nicht grundsätzlich, sondern nur als mögliches Problem für Komponenten, etwa auch Wechselrichter, hinter der Trennplatte (vgl. Abs. [0021]). Selbst wenn der Fachmann davon ausgehend Staub und Feuchtigkeit in der Belüftungskammer als nachteilig ansehen würde, versäumt es die Entgegenhaltung zu lehren, wie ein negativer Einfluss durch Staub und Feuchtigkeit auf die Drossel bzw. den Trafo selbst verhindert werden kann. Erfindungsgemäß soll dies dadurch realisiert werden, dass die Drossel bzw. der Trafo selbst eine hohe Schutzart aufweisen. Nicht ausreichend sind demgegenüber sonstige Vorkehrungen in der Belüftungskammer.
  143. (2)
    Schließlich wird die technische Lehre des Klagepatents auch nicht in der CN99216XXF (Anlage HLNK 12) neuheitsschädlich offenbart.
  144. Die Schrift zeigt ein Hochleistungs-Hochfrequenz-Schaltnetzteil mit guter Wärmeableitungs- und Abschirmfunktion, das durch die Verwendung eines bestimmten Kühlkörperdesigns einen kompakten Aufbau und effiziente Wärmeableitung gewährleistet sowie Staubablagerungen und elektromagnetische Strahlung verhindert (vgl. Seite 1, Mitte). Dazu werden Gehäuse, Kühlkörper und Hauptversorgungsstromkreis bereitgestellt, wobei wärmeerzeugende Komponenten in einem Luftkanal (11) angeordnet werden. Dieser Luftkanal wird durch einen Lüfter gekühlt, in dem ferner Kühlkörper angeordnet sind. Des Weiteren wird ein geschlossener Hohlraum (12) bereitgestellt, in dem Induktoren und Transformatoren angeordnet sind. Dadurch wird elektromagnetische Strahlung dieser Komponenten abgeschirmt und eine Staubablagerung verhindert (vgl. Übersetzung, S. 3). Nachfolgend ist die Vorrichtung gemäß Figur 1 dargestellt:
  145. Ähnlich wie bei der HLNK 11 fehlt es auch bei dieser Schrift an einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung eines Trafos oder einer Drossel mit hoher Schutzart. Dieses Merkmal liest der Fachmann auch nicht selbstverständlich mit. Zwar lehrt die Entgegenhaltung dem Fachmann einleitend und damit auf eine grundsätzliche Weise, dass Staubablagerungen auf Komponenten die Zuverlässigkeit des Systems negativ beeinflussen (vgl. S. 1, zweiter Abs.). Jedoch wird eine Staubablagerung einzig durch die Bereitstellung eines geschlossenen Hohlraums verhindert (vgl. S. 3, a. E.). Dementgegen lehrt die Schrift gerade nicht, wie sich Staubablagerungen auf den Komponenten im Lüftungskanal verhindern lassen. Vielmehr zeigt Figur 3 die an die Kühlrippen angelagerten wärmeerzeugenden Komponenten mit in dem Lüftungskanal freiliegenden Kabeln, welche zumindest keinen Rückschluss zulassen, dass die Komponenten von hoher Schutzart sind. Ein Mitlesen der Bereitstellung eines Trafos hoher Schutzart überschreitet davon ausgehend auch bei der HLNK 12 den Offenbarungsgehalt.
  146. cc)
    Eine Aussetzung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) gerechtfertigt.
  147. (1)
    Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf eine Kombination der DE 91 11 XXG (Anlage HLNK 13) mit der EP 1 369 XXH A2 (Anlage HLNK 16) bzw. dem als Anlage HLNK 17 vorgelegten Auszug aus der Zeitschrift „G“ beruft, offenbart keine dieser Schriften Merkmal 2., wonach die Drossel und/oder der Trafo selbst eine hohe Schutzart aufweist.
  148. Die DE `XXG offenbart einen Schaltschrank (1), der durch eine Trennwand (6) in zwei Räume (5, 7) geteilt ist:
  149. Durch Öffnungen im unteren Teil der Rückwand wird durch den Lüfter (11) Kaltluft (12) angesaugt. Die Kaltluft (12) übernimmt die Wärme der Bauelemente, beispielsweise einer Drosselspule (10) und eines Kühlkörpers (8). Die erwärmte Luft (13) verlässt den Raum (5) im oberen Teil der Rückwand. Auf dem Schaltschrank (1) ist ein Kühlaggregat (2) angeordnet, das einen äußeren Luftkreislauf (4) besitzt, der mit dem inneren Luftkreislauf (3) im Raum (7) zusammenwirkt. Der innere Luftkreislauf (3) übernimmt die Verlustwärme von Bauelementen, die einen erhöhten Schutz vor Staub und Wasser erfordern, z.B. elektronische Module (9).
  150. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass die Bauelemente, die einen geringeren Schutz erfordern, bei dieser Gestaltung in einem Raum mit Durchzugbelüftung angeordnet sind, während Bauelemente oder Teile derselben, die einen höheren Schutz vor Staub, Wasser und Berührung erfordern, in einem anderen, diesen Schutz gewährleistenden Raum angeordnet sein sollen (Anlage HLNK 13, S. 2 Mitte). Allein der Hinweis auf die Notwendigkeit eines geringeren Schutzes der in dem Raum mit Durchzugsbelüftung angeordneten Elemente lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass diese Elemente selbst, wie von Merkmal 2. gefordert, eine hohe Schutzart aufweisen. Sie sind lediglich weniger schutzbedürftig als die sich in dem anderen Raum befindlichen Bauteile. Dass sie auf Dauer gegen den über die Lüftung eingeblasenen Staub, den Schmutz und die Feuchtigkeit resistent sind und sich damit die in Abs. [0004] der Klagepatentbeschreibung genannten Probleme nicht mehr stellen, entnimmt der Fachmann der Entgegenhaltung nicht. Derartiges findet sich ebenso wenig in den mit der vorgenannten Schrift kombinierten Anlagen HLNK 16 und HLNK 17.
  151. Vermerk:
    Ggf. sollten wir diesen Punkt beraten. M.E. ist dies ein Grenzfall. Nachdem die Klägerin erstinstanzlich gewonnen hat, ließe sich durchaus auch eine Aussetzung rechtfertigen. Angesichts des dafür im Hinblick auf die Erfindungshöhe sehr strengen Maßstabes lässt es sich aber rechtfertigen, durchzuentscheiden.
  152. (2)
    Vergleichbares gilt im Hinblick auf die durch die Beklagte ebenfalls mit den Entgegenhaltungen HLNK 16 und HLNK 17 kombinierte EP 0 297 XXI A2 (Anl. HLNK 14). Wie deren nachfolgend eingeblendete Figur 1 zeigt, offenbart die Schrift einen Schaltschrank mit zwei Bereichen (1; 2), die durch eine Trennwand (3) staubdicht voneinander getrennt sind.
  153. Während sich in dem der Schutzart IP 54 entsprechenden Bereich (2) empfindliche, elektronische Baugruppen befinden, weist der Bereich (2) die niedrigere Schutzart IP 20 auf. Hier sind die Komponenten mit hoher Verlustleistung untergebracht, die außerdem geringere Anforderungen an die Schutzart stellen. Im Bereich (1) saugt ein Querstromlüfter (4) Außenluft an, die von oben dem Inneren des Bereichs zugeführt wird. Die Luft wird über Luftschlitze (5) angesaugt und streicht laminar an Kühlkörpern (6, 7), die eine hohe Verlustwärme abführen müssen, vorbei. An unteren Luftschlitzen (8) tritt diese durch einen Trafo (9) zusätzlich erwärmte Luft wieder aus dem Schaltschrank aus. Zusätzlich wird die von der Zwischenwand (3) übertragene Wärme aus dem Bereich (2) ebenfalls durch diese Luftzirkulation mit abgeführt. Bei dem hier offenbarten Schaltschrank findet sich somit kein Hinweis auf eine Drossel bzw. einen Trafo, die bzw. der selbst eine hohe Schutzart aufweist. Auch wenn sich in dem eine höhere Schutzart aufweisenden Bereich (2) die empfindlichen elektronischen Baugruppen und damit im Umkehrschluss in dem anderen, luftdurchströmten Bereich weniger sensible Bauteile befinden, lässt dies nicht den zwingenden Schluss zu, dass diese Bauteile selbst eine hohe Schutzart im Sinne des Klagepatents aufweisen, d.h. derart gegen Schmutz, Staub und Feuchtigkeit geschützt sind, dass die in Abs. [0004] genannten Probleme nicht mehr auftreten. Wie ausgeführt fehlt es auch in der HLNK 16 und der HLNK 17 an einer entsprechenden Offenbarung, so dass auch die Kombination der HLNK 14 mit der HLNK 16 bzw. HLNK 17 keine, eine Aussetzung rechtfertigenden Zweifel an der erfinderischen Tätigkeit zu begründen vermag.
  154. III.
  155. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
  156. Die Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
  157. Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, weil die in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen dafür ersichtlich nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine reine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung, mit der der Bundesgerichtshof auch nicht im Interesse einer Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung befasst werden muss (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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