4c O 71/22 – Erstattungskosten

Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3293

Landgericht Düsseldorf

Urteil vom 20. April 2023, Az. 4c O 71/22

  1. I. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlich entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 4.623,15 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2022 freizustellen.
  2. II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme derjenigen Kosten, die für die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstanden sind. Diese trägt die Klägerin.
  3. III. Das Urteil ist für die Klägerin in Höhe von 2.171,50 € vorläufig vollstreckbar und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollsteckenden Betrages vorläufig vollstreckbar sowie für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollsteckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
  4. Tatbestand
  5. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten für die Zurückweisung einer Abmahnung.
  6. Der Geschäftsführer der Beklagten forderte die Klägerin mit Schreiben vom 23. Mai 2022 (Anlage K 1) dazu auf, ein Display mit einem von ihr angeblich entwickelten Klappmechanismus, unabhängig von dessen Größe, nicht weiter in den Verkehr zu bringen und dies bis zum 27. Mai 2022 verbindlich schriftlich zu bestätigen. Die von der Klägerin beauftragten Patentanwälte prüften die Vorwürfe und konnten den Klappmechanismus erfassende gewerbliche Schutzrechte nicht feststellen. Mit Schreiben vom 25. Mai 2022 (Anlage K 2) wurden die seitens der Beklagten geltend gemachten Ansprüche zurückgewiesen. Die Beklagte wurde in diesem Schreiben darüber informiert, dass die Verwarnung mangels eines qualifizierten Vortrags unzulässig sei, weil ein mögliches Schutzrecht nur vermutet werden könne. Sie wurde dazu aufgefordert, die für die Abmahnung angefallenen Kosten auf Basis eines Streitwerts von 100.000 € innerhalb einer Frist von 10 Tagen anzuerkennen. Zudem wurden für den Fall, dass die Beklagte den Forderungen nicht fristgemäß nachkommt, weitere rechtliche Schritte auf Basis eines Streitwerts von 250.000 € angekündigt. Die Beklagte hat auf das Schreiben der Patentanwälte nicht reagiert und auch keine Kostenzusage gegeben. Mit Schreiben vom 15. Juni 2022 (Anlage K 5) stellten die Patentanwälte der Klägerin gegenüber der Beklagten fest, dass die Abmahnung auf Grundlage des Patentrechts nicht zurückgenommen wurde. Sie forderten die Beklagte auf, die für die Zurückweisung ihrer Abmahnung auf Grundlage des Patentrechts angefallenen Kosten auf Basis eines Streitwertes von 250.000 € bis 24. Juni 2022 zu erstatten. Die Beklagte hat auf das Schreiben vom 15. Juni 2022 nicht reagiert und auch die geltend gemachten Kosten nicht erstattet.
  7. Die Klägerin hat am 9. August 2022 den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, welcher am 10. August 2022 erlassen und der Beklagten am 12. August 2022 zugestellt wurde. Die Beklagte legte hiergegen am 25. August 2022 Widerspruch ein. Das Verfahren wurde am 7. September 2022 an der Amtsgericht Bad Oeynhausen abgegeben, welches den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin an das zuständige Landgericht Düsseldorf verwies.
  8. Die Kammer wies die Klägerin mit Beschluss vom 13. Januar 2023 darauf hin, dass dann, wenn die Kostenrechnung der mit der Abmahnung beauftragten Anwälte noch nicht beglichen ist, gegen den Abgemahnten nur ein Anspruch auf Befreiung (Freistellung) von der Honorarverbindlichkeit besteht. Ferner wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Abmahnung vom 23. Mai 2023 sachlich nicht gerechtfertigt sei. Weitere Ausführungen erfolgten von Seiten der Beklagten nicht.
  9. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie die Abmahnkosten auf Basis eines Streitwerts von 250.000,00 € ersetzt verlangen könne. Da es an gesetzlichen Bestimmungen mangele, müsse der Streitwert ,,nach billigem“ Ermessen bestimmt werden. Für die Abmahnung auf Unterlassung sei auch in diesem Fall das wirtschaftliche Interesse ausschlaggebend, das der Inhaber der Patentrechte mit seinem Verlangen nach Unterlassung objektiv verfolgt. Das Auftragsvolumen eines einzigen Produktionsauftrages, den die Beklagte mit ihrer Abmahnung verhindern wollte, umfasse ca. 1.000 Displays mit Stückkosten zwischen 160 und 200 €. Bei der Klägerin würden regelmäßig Bestellungen von vergleichbaren Displays in Auftrag gegeben, die solche Auftragsvolumen widerspiegeln und einen Streitwert von 250.000 € mehr als rechtfertigen würden.
    Zudem sei im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens kein Streitwert durch die Klägerin festgesetzt worden. Vielmehr habe sie der Beklagten lediglich angeboten, ihre Kosten für die Zurückweisung der unberechtigten Abmahnung auf einer stark reduzierten Grundlage zu berechnen, unter der Voraussetzung einer Einigung ohne dass gerichtliche Schritte erforderlich würden.
  10. Die Klägerin beantragt, nachdem die Beklagten die Klageforderung insoweit anerkannt hat, als außergerichtliche Rechtsanwaltskosten auf der Basis eines maximalen Gegenstandswerts von 100.000,00 € geltend gemacht werden,
  11. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin in Höhe eines Betrages von 2.451,65 € zzgl. Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 4.623,15 € seit dem 30. Juni 2022 freizustellen.
  12. Die Beklagte beantragt,
  13. die darüber hinaus erhobenen Ansprüche auf Freistellung von Kosten abzuweisen.
  14. Die Beklagte macht geltend, dass der Ersatz der Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe nicht gerechtfertigt sei. Soweit eine Orientierung am Streitwert erfolgt sei, sei dieser mit 250.000,00 € zu hoch angesetzt, da nicht nur Erlöse, sondern primär die sich aus den Aufträgen mit Kunden ergebenen Gewinne zu berücksichtigen seien. Dazu habe die Klägerin keine Angaben gemacht. Inwieweit die Klägerin einen potentiellen Schaden in Folge des von der Beklagten geltend gemachten Unterlassungsanspruchs erlitten hätte, kann dem Schriftsatz der Klägerin vom 07. Februar 2023 nicht entnommen werden.
  15. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Antragsschrift sowie der weiteren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
  16. Entscheidungsgründe
  17. Nach dem § 307 ZPO ist die Beklagte, nachdem sie den geltend gemachten Anspruch teilweise in Höhe von 2.171,50 € anerkannt hat, durch Teilanerkenntnisurteil zu verurteilen.
  18. Der Klägerin steht indes ferner Ersatz der weiteren außergerichtlichen Abmahnkosten in dergeltend gemachten Höhe aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB zu.
  19. Wie die Kammer bereits mit Beschluss vom 13. Januar 2023 ausgeführt hat, ist die Abmahnung der Beklagten vom 23. Mai 2022 (Anlage K 1) unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt sachlich gerechtfertigt. Das Bestehen eines Schutzrechts (Patent- oder Gebrauchsmusterrecht) ist von der Beklagten nicht vorgetragen worden. Es ist auch nicht zu erkennen, dass eine Rechtfertigung auf Grundlage ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes besteht. Tatsachen, die einen entsprechenden Anspruch begründen könnten, sind nicht vorgetragen worden. Der pauschale Verweis auf den von der Klägerin sowie der Beklagten verwendeten Klappmechanismus genügt nicht, um einen entsprechenden Anspruch zu begründen. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Rechtswidrigkeit einer Abmahnung nicht dadurch entfällt, dass die Verwarnung auf eine andere Rechtsgrundlage hätte gestützt werden können (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 15. Aufl. Kap. C Rn. 137 m.w.N.). Nach dem unbestrittenen Vorbringen der Klägerin war die Abmahnung vom 23. Mai 2022 auf eine mögliche Verletzung eines nicht spezifizierten Schutzrechtes gestützt, so dass selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Austausch der Begründung nicht erfolgen könnte. Weiterer Vortrag der Beklagten unterblieb, so dass der Klägerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz bzw. von Freistellung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zusteht.
  20. Die Beklagte vermochte sich nicht mit Erfolg gegen die von der Klägerin in Ansatz gebrachte Höhe von 4.623,15 € zuzüglich Zinsen – abzüglich der anerkannten Kosten in Höhe von 2.171,50 € – zu wenden. Der von der Klägerin in der Abmahnung zugrundegelegte Streitwert in Höhe von 250.000,00 € ist angemessen.
  21. Der Gegenstandswert der Abmahnung wegen Patentverletzung bestimmt sich grundsätzlich nach denselben Regeln, nach denen der Streitwert einer Verletzungsklage zu bemessen ist (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG). Die Wertangabe des Abmahnenden ist dabei vom Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu überprüfen (vgl. Kühnen, Hdb. der Patentverletzung, 15. Aufl. Kap. C Rn. 51).
  22. Grundsätzlich gilt für die Streitwertbemessung das wirtschaftliche Interesse, das der Kläger mit seiner Klage objektiv verfolgt, wobei es auf die Verhältnisse bei Klageeinreichung ankommt, § 40 GKG. Ist Gegenstand des Verfahrens ein Unterlassungsanspruch, ist entscheidend, mit welchen Nachteilen der Kläger bei einer Fortsetzung des beanstandeten Verhaltens rechnen muss. Die Streitwertfestsetzung hat insoweit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Rechtsschutzziel nicht in einer Sanktion für bereits vorliegende, die Wiederholungsgefahr begründende Verstöße besteht, sondern dahin geht, den Kläger vor zukünftigen Verletzungshandlungen zu bewahren. Ausschlaggebend ist daher das wirtschaftliche Interesse an einer Abwehr der mit weiteren Verstößen verbundenen Nachteile.
  23. Der Streitwertangabe des Klägers kommt für die Festsetzung dabei überragendes Gewicht zu, weil die Parteien mit den für die Streitwertbeimessung maßgeblichen Umständen am bestens vertraut sind. Das gilt umso mehr, je weniger die Parteien sich zu Umsätzen und Lizenzsätzen verhalten, die eine rechnerische Ermittlung des Streitwerts erlauben würden. Die Streitwertangabe des Klägers steht daher erst dann zur Disposition, wenn konkret Anhaltspunkte bestehen, dass die Angabe ersichtlich überhöht ist (vgl. Kühnen, a.a.O. Kap. C. Rn. 179).
  24. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der für die Abmahnung angesetzte Streitwert von EUR 250.000,00 gerechtfertigt. Hierbei handelt es sich um den Streitwert, den die Klägerin auch der Abmahnung zugrunde gelegt hat, wenn die Beklagte nicht innerhalb einer näher bezeichneten Frist den Kostenerstattungsanspruch anerkennt. Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass bei der Klägerin regelmäßig Bestellungen von Displays mit Stückkosten zwischen 160 und 200 € bei einem Auftragsvolumen von 1000 Stück eingehen, was die Auftragsbestätigungen der Klägerin aus dem Frühjahr 2022 belegen (vgl. Anlage K 8). Ausweislich der dort genannten Aufträge ergibt sich in Summe allein für diese vier Aufträge ein Nettoumsatz in Höhe von 419.781,- €. Damit wird deutlich, dass der potentielle Schaden der Klägerin in Folge des von der Beklagten geltend gemachten Unterlassungsanspruchs und damit auch das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Abwehr des Angriffs den angenommenen Streitwert ohne weiteres rechtfertigt.
  25. Die Beklagte vermochte demgegenüber nicht mit der gebotenen Konkretheit Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass dieser Streitwert überhöht ist. Konkrete Einwendungen gegen das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 7. Februar 2023 sind nicht erfolgt.
  26. Insofern hat es bei der von der Klägerin angegebenen Streitwertangabe zu verbleiben, so dass die vorgerichtlich entstandenen Abmahnkosten auf Grundlage dieses Streitwerts zu erstatten sind.
  27. Die Klägerin hat gegen die Beklagte darüber hinaus einen Anspruch auf die zugesprochenen Verzugszinsen, §§ 288 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 BGB.
  28. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 281 ZPO. Die Beklagte hat die auf das Teil-Anerkenntnisurteil entfallenen Kosten zu tragen. Es handelt sich um kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO.
  29. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 1, 709 ZPO.
  30. Der Streitwert wird 4.623,15 € festgesetzt.

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