Düsseldorfer Entscheidungen Nr. 3292
Landgericht Düsseldorf
Urteil vom 20. April 2023, Az. 4c O 1/22
- I.
- 1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen Geschäftsführern zu vollstrecken ist, zu unterlassen,
- eine Düsenanordnung für eine Hartbodenreinigungsvorrichtung, Folgendes umfassend: – eine einzige um eine Bürstenachse drehbare Bürste, wobei die besagte Bürste mit flexiblen Bürstenelementen versehen ist, die Spitzenabschnitte zum Berühren der zu reinigenden Fläche aufweisen und die während einer Aufnahmezeit, wenn die Bürstenelemente die Fläche während der Drehung der Bürste berühren, Schmutzpartikel und Flüssigkeit von der Fläche aufnehmen, wobei eine lineare Massendichte einer Vielzahl von Bürstenelementen zumindest an den Spitzenabschnitten kleiner ist, als 150 g pro 10 km, und – ein einziges Rakelelement zum Schieben und Wischen von Schmutzpartikeln und Flüssigkeit über die oder von der zu reinigenden Fläche während der Bewegung der Reinigungsvorrichtung, wobei das besagte Rakelelement im Abstand zur Bürste angebracht ist, und sich im Wesentlichen entlang einer Längsrichtung erstreckt, die im Wesentlichen parallel zur Bürstenachse verläuft, wobei ein Saugbereich innerhalb der Düsenanordnung zwischen dem Rakelelement und der Bürste definiert wird, und – Antriebsmittel, um die Bürste in Drehung zu versetzen, wobei die Antriebsmittel ausgeführt sind, um eine Zentrifugalbeschleunigung an den Spitzenabschnitten zu erzeugen, die im Speziellen während einer Schmutzfreisetzungszeit, wenn die Bürstenelemente die Fläche während der Drehung der Bürste nicht berühren, zumindest 3.000 m/s² beträgt,
- in der Bundesrepublik Deutschland anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen.
- 2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin in einer gesonderten und geordneten Aufstellung in elektronisch auswertbarer Form, hinsichtlich der Angaben a) und b) unter Vorlage von Rechnungen oder Lieferscheinen oder Quittungen, darüber Angaben zu machen, in welchem Umfang sie die in vorstehender Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 3. Juni 2017 begangen hat, und zwar unter Angabe
- a) der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse, sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, im Falle von Internet-Werbung der Domain, den Zugriffszahlen und den Schaltungszeiträumen,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns, - wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht-gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.
- 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, welcher der B, I 52, 56XJ AG, H, Niederlande, seit dem 3. Juni 2017 bis zum 15. November 2021 und welcher der Klägerin seit dem 16. November 2021 durch die in vorstehender Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
- 4. Die Beklagte wird verurteilt,
- a) die in der vorstehenden Ziffer 1. bezeichneten, im Besitz gewerblicher Endabnehmer befindlichen und seit dem 3. Juni 2017 auf den Markt gebrachten Erzeugnisse aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Endabnehmern, denen durch die Beklagte oder mit ihrer Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt wurde, unter Hinweis darauf, dass die Kammer mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des Klagepatents DE 60 2012 032 XXA.4 (deutscher Teil des EP 2 747 XXB) erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zurückzugeben und den gewerblichen Endabnehmern für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe zugesagt wird, und endgültig zu entfernen, indem die Beklagte diese Erzeugnisse wieder an sich nimmt oder die Vernichtung derselben beim jeweiligen Besitzer veranlasst,
- b) die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter Ziffer 1 bezeichneten Erzeugnisse auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben (alternativ an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher).
- II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich Ziffer I.1., und 4. gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 550.000,- Euro, hinsichtlich Ziffer I.2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,- Euro und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. - Tatbestand
- Aus Patentrecht macht die Klägerin gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung, Auskunft/Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung geltend. Darüber hinaus begehrt sie die Feststellung, dass die Beklagte zur Schadensersatzzahlung verpflichtet ist.
- Die Klägerin ist seit dem 16. November 2021 eingetragene und alleinverfügungsberechtigte Inhaberin des Europäischen Patents EP 2 747 XXB B1 (Anlage ES-B3a, deutsche Übersetzung vorgelegt als Anlage ES-B3b; im Folgenden auch: Klagepatent). Angemeldet wurde das Klagepatent in englischer Verfahrenssprache von der K am 17. August 2012 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 23. August 2011 (US-201161526XXC P) und als Anmeldung am 2. Juli 2014 offengelegt. Der Hinweis auf die Erteilung wurde am 3. Mai 2017 bekannt gemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Über die erhobene Nichtigkeitsklage (Az. 5 Ni 13/22) ist noch keine Entscheidung ergangen. Das Klagepatent betrifft eine Reinigungsvorrichtung zum Reinigen einer Oberfläche mit einer Bürste und Rakelelement.
- Anspruch 1 des Klagepatents lautet in englischer Sprache:
- „A nozzle arrangement for a hard floor cleaning device (100), comprising:
– a single rotary brush (12) rotatable about a brush axis (14), said brush (12) being provided with flexible brush elements (16) having tip portions (18) for contacting the surface to be cleaned (20) and picking up dirt particles (22) and liquid (24) from the surface (20) during a pick-up period when the brush elements (16) contact the surface (20) during the rotation of the brush (12), wherein a linear mass density of a plurality of the brush elements (16) is, at least at the tip portions (18), lower than 150 g per 10 km, and – a single squeegee element (3 2) for pushing or wiping dirt particles (22) and liquid (24) across or off the surface to be cleaned (20) during movement of the cleaning device (100), said squeegee element (32) being spaced apart from the brush (12) and extending substantially along a longitudinal direction (48) being substantially parallel to the brush axis (14), wherein a suction area (34) is defined within the nozzle arrangement (10) between the squeegee element (32) and the brush (12), and – a drive means fordriving the brush (12) in rotation, wherein the drive means are adapted to realize a centrifugal acceleration at the tip portions (18) which is, in particular during a dirt release period when the brush elements (16) are free from contact to the surface (20) during rotation of the brush (12), at least 3,000 m/s².“ - Übersetzt hat der Anspruch folgenden Wortlaut:
- „Düsenanordnung für eine Hartbodenreinigungsvorrichtung (100), Folgendes umfassend:
– eine einzige um eine Bürstenachse (14) drehbare Bürste (12), wobei die besagte Bürste (12) mit flexiblen Bürstenelementen (16) versehen ist, die Spitzenabschnitte (18) zum Berühren der zu reinigenden Fläche (20) aufweisen und die während einer Aufnahmezeit, wenn die Bürstenelemente (16) die Fläche (20) während der Drehung der Bürste (12) berühren, Schmutzpartikel (22) und Flüssigkeit (24) von der Fläche (20) aufnehmen, wobei eine lineare Massendichte einer Vielzahl von Bürstenelementen (16) zumindest an den Spitzenabschnitten (18) kleiner ist, als 150 g pro 10 km, und – ein einziges Rakelelement (32) zum Schieben und Wischen von Schmutzpartikeln (22) und Flüssigkeit (24) über die oder von der zu reinigenden Fläche (20) während der Bewegung der Reinigungsvorrichtung (100), wobei das besagte Rakelelement (32) im Abstand zur Bürste (12) angebracht ist, und sich im Wesentlichen entlang einer Längsrichtung (48) erstreckt, die im Wesentlichen parallel zur Bürstenachse (14) verläuft, wobei ein Saugbereich (34) innerhalb der Düsenanordnung (10) zwischen dem Rakelelement (32) und der Bürste (12) definiert wird, und – Antriebsmittel, um die Bürste (12) in Drehung zu versetzen, wobei die Antriebsmittel ausgeführt sind, um eine Zentrifugalbeschleunigung an den Spitzenabschnitten (18) zu erzeugen, die im Speziellen während einer Schmutzfreisetzungszeit, wenn die Bürstenelemente (16) die Fläche (20) während der Drehung der Bürste (12) nicht berühren, zumindest 3.000 m/s² beträgt.“ - Die im Folgenden gezeigten Figuren sind der Klagepatentschrift entnommen und dienen der Veranschaulichung der erfindungsgemäßen Lehre:
- Die Figuren 1 und 2 zeigen einen schematischen Querschnitt einer ersten Ausführungsform einer Düsenanordnung eines Reinigungsgeräts gemäß der erfindungsgemäßen Lehre in einer ersten bzw. in einer zweiten Arbeitsposition. Eine erste Arbeitsposition einer zweiten Ausführungsform wird sodann von der Figur 3 wiedergegeben. In der Figur 4 ist ein schematischer Querschnitt der zweiten Ausführungsform aus der Figur 3 in einer zweiten Arbeitsposition zu sehen. Die Figur 10 zeigt schließlich ein Diagramm, das zur Veranschaulichung des Zusammenhangs zwischen der Zentrifugalbeschleunigung einer Bürste und der Selbstreinigungskapazität einer Bürste dient.
- Die Klägerin ist Teil des weltweit tätigen C-Konzerns, der im Bereich der Elektrotechnik tätig ist.
- Die Beklagte ist ein börsennotierter Hersteller von Haushaltsgeräten mit Sitz in Nassau an der Lahn. Sie vertreibt unter der Dachmarke D insbesondere Reinigungsgeräte, wie beispielsweise Staubsauger, Dampfreiniger oder den hier im Streit stehenden Saugwischer.
- Zum Produktportfolio der Beklagten gehört insbesondere ein Akku-Saugwischer mit der Bezeichnung „E“ (im Folgenden auch: angegriffene Ausführungsform). Die Beklagte betreibt die Website www.D.de, auf welcher sie die angegriffene Ausführungsform bewirbt und auch zum Kauf anbietet (vgl. Anlagen ES 2a, 2b). Hergestellt wird die angegriffene Ausführungsform in China von der F.
- Zwischen den Parteien war unter dem Az. 4c O 60/21 ein paralleles Verletzungsverfahren hinsichtlich des Patents EP 2 747 XXD anhängig, worauf die Kammer die Beklagte mit Urteil vom 10. Januar 2023 antragsgemäß insbesondere zur Unterlassung verurteilt hat. Über die gegen die Kammerentscheidung eingelegte Berufung zum OLG Düsseldorf (Az. I-2 U 36/23) ist bisher nicht entschieden worden.
- Die Klägerin meint, aktivlegitimiert zu sein. Ihr sei das Klagepatent wirksam von der Anmelderin übertragen worden. Nachweis für diesen Vorgang sei der als Anlage ES-A3 zur Akte gereichte Vertrag, welcher nach niederländischem Recht wirksam zustande gekommen sei. Anderes habe die Beklagte jedenfalls nicht aufgezeigt. Die Wirksamkeit des Vertrages sei im Übrigen gutachterlich von einem niederländischen Anwalt bestätigt worden (Anlage ES-B 10).
- Die Klägerin ist des weiteren der Ansicht, dass die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäßen unmittelbaren Gebrauch von der Lehre des Klagepatents mache.
- Die angegriffene Ausführungsform weise nur ein einziges Rakelelement auf. Dieses sei in der Gummilippe zu sehen (auch erstes Rakelelement genannt), welche an der Unterseite der Vorrichtung angebracht sei und abhängig von der Bewegungsrichtung der Vorrichtung nach hinten (vorwärts) oder nach vorne (rückwärts) gebogen werde. Diese Gummilippe stehe von der Gehäuseunterseite hervor und mit dem zu reinigenden Boden in Kontakt und Schmutz oder Flüssigkeiten würden vom Boden gewischt oder geschoben. Das Rakelelement solle zur Beseitigung von Schmutz und Wasser insbesondere zusätzlich zur Bürste beitragen. Es stehe einer Verwirklichung der klagepatentgemäßen Lehre nicht entgegen, wenn die angegriffene Ausführungsform weitere Gummilippen im Inneren ohne Bodenkontakt aufweise. Denn die erfindungsgemäße Lehre sehe zwar nur ein Rakelelement vor; darunter seien aber nicht auch solche Bestandteile der Vorrichtung zu verstehen, die allein mit der Bürste und nicht auch mit der zu reinigenden Oberfläche in Kontakt treten.
- Die angegriffene Ausführungsform weise in einer Schmutzfreisetzungszeit eine Mindestbeschleunigung von 3.000 m/s² auf. Das Klagepatent setze die Zentrifugalbeschleunigung von mindestens 3.000 m/s² nicht für eine absolut bestimmte Dauer voraus. Vielmehr müsse nur während einer zeitlich unbestimmten kürzeren oder längeren Schmutzfreisetzungszeit dieser Wert erreicht werden. Es handele sich um ein dynamisches Gesamtsystem, sodass je nach konkret betrachteter Rotationsposition unterschiedliche Beschleunigungswerte wirken würden. Es sei deshalb erforderlich, aber auch ausreichend, die Mindestbeschleunigung dann vorzusehen, wenn sich die während der vorangegangenen Berührung mit dem Boden nachschleifenden und eingedrückten Bürstenelemente wieder aufrichten, wodurch zusätzliche Beschleunigungskräfte genutzt werden könnten. Dies genüge für eine Selbstreinigung, zumal sich die Bürstenelemente zu dieser Zeit auch besonders nah am Saugeinlass befänden, sodass freigesetzte Schmutz- und Flüssigkeitspartikel direkt aufgenommen werden könnten. Es bestehe kein Bedarf, die Schmutzfreisetzungszeit über einen längeren Zeitraum hinweg vorzusehen, etwa während der gesamten Zeit, in der die Bürstenelemente keinen Bodenkontakt aufweisen würden.
- Hierzu behauptet die Klägerin, dass Messungen an der angegriffenen Ausführungsform Beschleunigungswerte oberhalb des erforderlichen Mindestwertes ermittelt worden seien. Verschiedene mittels Software ausgewertete Videofrequenzen sowie auf den Testdaten beruhende Berechnungen der Klägerin, auch unter Rückgriff gutachterlicher Hilfe, würden zeigen, dass während des Aufrichtens der Bürstenelemente vom Boden Beschleunigungswerte oberhalb der 3.000 m/s² erreicht würden. Auch wenn aus der gesamten Zentrifugalbeschleunigung die radiale Zentrifugalbeschleunigung herausgerechnet würde, könne dieses Ergebnis festgestellt werden. In der Zeit des Aufrichtens der Bürstenelemente vom Boden läge kein einheitlicher Radius vor, sondern es könne aufgrund des dynamischen Vorgangs jeweils nur ein momentaner Radius in den vektoriell darzustellenden Berechnungen angesetzt werden. An der Wertermittlungsmethode der Klägerin bestünden daher keine Bedenken. Sie habe – anders als die Beklagte mit dem Modell eines freischwingenden Balkens – ein Berechnungsmodell gewählt, das dem Verhalten von Bürstenelementen nahekomme. Sie habe außerdem die Validität ihres Versuchsaufbaus überprüft. Die gefundenen Messergebnisse seien auch schlüssig mit den übrigen Messpunkten der einzelnen Spitzenabschnitte. Die vorgelegten graphischen Aufwertungen würden nicht eine gesamte Rotation zeigen, sondern nur einen kleinen Messausschnitt darstellen, was auch eine Gegenüberstellung mit dem größeren Messspektrum zeige. Eine Fehlerquote von ca. 10 % in den Messergebnissen sei nicht zu verhindern gewesen und auf Umrechnungen sowie Ableitungen zurückzuführen. Die Kritik der Beklagten hiergegen verfange nicht, zumal sie für ihre eigenen Berechnungen keinerlei Fehlerquote ausgeworfen habe.
- Der Rechtsstreit sei schließlich auch nicht auszusetzen, weil sich das Klagepatent im Nichtigkeitsverfahren als rechtsbeständig erweisen werde.
- Nachdem die Klägerin hinsichtlich Ziff. II ursprünglich beantragt hat, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die in vorstehender Ziffer I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 7. Juli 2017 entstanden ist und noch entstehen wird und nachdem sie die Klagepatentnummer in Ziff. I.4 a) angepasst hat,
- beantragt sie nunmehr,
- zu erkennen, wie geschehen.
- Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- hilfsweise, den Rechtsstreit bis zu einer erstinstanzlichen Entscheidung des Bundespatentgerichts über die Nichtigkeit des deutschen Teils des Europäischen Patents EP 2 747 XXB auszusetzen.
- Sie ist der Ansicht, dass die Klage unbegründet sei. Die Klägerin sei schon nicht aktivlegitimiert. Der Beklagten sei es mangels Kenntnissen des niederländischen Rechts nicht möglich, den durch die Klägerin zum Nachweis der Übertragung des Klagepatents vorgelegten Vertrag zu überprüfen.
- Zudem scheide eine Verletzung des Klagepatents aus. Es sei in der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls ein zweites Rakelelement, bestehend aus flexiblem Gummi, vorhanden, weshalb die angegriffene Ausführungsform nicht nur das eine einzige beanspruchte Rakelelement aufweise und auch die Lehre des Klagepatents nicht verwirkliche. Das zweite Rakelelement diene dazu, Reinigungsfluid auf einer Oberseite der Bürste zu verteilen und einzumassieren. Dieser Vorgang werde bereits durch als Erhebungen ausgestaltete Reinigungsmittelverteiler im oberen inneren Bereich des Düsengehäuses indiziert; diese würden ebenso als eine Art Rakel fungieren, sodass die angegriffene Ausführungsform drei Rakelelemente aufweise.
- Ferner fehle es in der angegriffenen Ausführungsform an der erforderlichen Mindestzentrifugalbeschleunigung. Das Klagepatent verlange Beschleunigungen von mindestens 3.000 m/s². Dieser Wert sei auf die Schmutzfreisetzungszeit bezogen, welche den gesamten Zeitraum der Rotation, während die Bürstenelemente nicht den Boden berühren, umfasse. Es sei nicht ausreichend, diese Beschleunigung irgendwann einmal während dieser Zeit zu erreichen. So unterscheide das Klagepatent auch nur zwischen der Schmutzfreisetzungszeit und der Schmutzaufnahmeperiode. Andere Perioden würden nicht abgegrenzt, sodass allenfalls während der Schmutzaufnahmeperiode geringere Beschleunigungswerte vorliegen dürften.
- Die Tests der Klägerin könnten eine Verwirklichung des Klagepatents nicht belegen. Der Versuchsaufbau sei schon nicht nachvollziehbar. Durch das seitliche Öffnen der angegriffenen Ausführungsform und das Verschließen mit einer Acrylplatte würden an den Bürstenelementen andere Strömungsverhältnisse als im Normalbetrieb vorherrschen, da die Acrylplatte die Bürste nicht mehr vollständig abdichte. Zudem komme es nur auf die Zentrifugalbeschleunigung, mithin in radialer Richtung der Bürste wirkende Beschleunigung, an und nicht auf absolute Beschleunigungswerte, wie sie die Klägerin in ihren ersten Auswertungen präsentiere. Im Übrigen stelle die Klägerin auch den Messzusammenhang nicht dar, sondern läge nur Peak-Werte vor. Die Unrichtigkeit der Messwerte folge zudem aus den Berechnungen mithilfe der allgemeinen, auch im Klagepatent benannten Formel und der bekannten Drehzahl. Dementsprechend würden auch eigene gutachterliche Auswertungen zu Beschleunigungswerten unterhalb der Mindestschwelle führen (vgl. Anlage CMS-B2). Hierbei sei es zulässig auf das Berechnungsmodell eines freischwingenden Kragbalkens zurückzugreifen; die Klägerin ziehe sich ebenso bloß auf ein abstraktes Berechnungsmodell zurück. Außerdem habe eine weitere Begutachtung der klägerischen Messwerte auch weitere Messfehler aufzeigen können, wie die Anlage CMS-A 10 belege.
- Der Rechtsstreit sei jedenfalls mangels Rechtsbestandes des Klagepatents auszusetzen. Das Klagepatent sei gegenüber der US 2006/0288517 A1 XXE A1 (Anlagenkonvolut CMS-B4; im Folgenden auch: D7) nicht neu. Ausgehend von der WO 2011/0833 XXF A1 (im Folgenden: D1) sei die Lehre des Klagepatents jedenfalls nahegelegt, was sich unter Bezugnahme auf das Fachwissen bzw. die US 2008/0148XXG A1 (im Folgenden: D2) ergebe.
- Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Akte gereichten Schriftstücke nebst Anlagen Bezug genommen.
- Entscheidungsgründe
- A.
Die zulässige Klage ist begründet. - I.
Die Klägerin ist für die hier geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert. - 1.
Für die Sachlegitimation im Verletzungsrechtsstreit ist nicht der Eintrag im Patentregister, sondern die materielle Rechtslage maßgeblich. Soweit Unterlassungsansprüche geltend gemacht werden, hat eine Differenzierung zwischen Registerstand und materieller Rechtslage keine Auswirkungen auf den Inhalt der Klageanträge, da der Unterlassungsanspruch zukunftsgerichtet ist und der Unterlassungsausspruch zudem nicht nur hinsichtlich eines bestimmten Berechtigten gilt, sondern schlechthin (BGH, GRUR 2013, 713 – Fräsverfahren). Etwas anderes gilt aber für die Geltendmachung von Auskunfts-, Rechnungs- und Schadensersatzansprüchen, die Rückwirkung entfalten. Hier ist konkret anzugeben, wem gegenüber die geschuldeten Informationen abzugeben bzw. Schadensersatzleistungen zu erbringen sind. Es kann zu einem Auseinanderfallen von materieller Rechtslage und der Eintragung im Patentregister kommen. Das resultiert daraus, dass die Eintragung im Patentregister grundsätzlich keinen Einfluss auf die materielle Rechtslage hat und sich aus ihr keine unwiderlegliche Vermutungswirkung für die materielle Rechtslage ergibt. - Die Eintragung im Patentregister ist für die Beurteilung der Frage, wer materiell-rechtlich Inhaber des Patents ist, dennoch nicht bedeutungslos. Ihr kommt im Rechtsstreit eine erhebliche Indizwirkung zu. Nach § 30 Abs. 3 PatG darf das Patentamt eine Änderung in der Person des Patentinhabers nur dann im Register vermerken, wenn sie ihm nachgewiesen wird. Der Nachweis muss zwar nicht zwingend durch Vorlage von Urkunden erfolgen, aus denen sich das Rechtsgeschäft oder das sonstige Ereignis, das die Übertragung bewirkt hat, unmittelbar ergibt. Gem. § 28 Abs. 2 DPMAV genügt es vielmehr, wenn der zuvor eingetragene Inhaber den Antrag auf Umschreibung zusammen mit dem Rechtsnachfolger unterschreibt oder wenn der Rechtnachfolger eine Zustimmungserklärung des zuvor eingetragenen Inhabers vorlegt. Auch in diesen Konstellationen spricht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Eintragung des Rechtsübergangs im Patentregister die materielle Rechtslage zuverlässig wiedergibt. Angesichts dessen bedarf es in einem Verletzungsrechtsstreit regelmäßig keines weiteren Vortrags oder Beweisantritts, wenn sich eine Partei auf den aus dem Patentregister ersichtlichen Rechtsstand beruft. Eine Partei, die geltend macht, die materielle Rechtslage weiche vom Registerstand ab, muss vielmehr konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, aus denen sich die Unrichtigkeit ergibt. Welche Anforderungen hierbei zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So wird der Vortrag, ein im Patentregister eingetragener Rechtsübergang habe einige Wochen oder Monate vor dessen Eintragung stattgefunden, in der Regel keiner näheren Substantiierung oder Beweisführung bedürfen. Der Vortrag, der eingetragene Inhaber habe das Patent nicht wirksam oder zu einem anderen Zeitpunkt erworben, erfordert demgegenüber in der Regel nähere Darlegungen dazu, woraus sich die Unwirksamkeit des eingetragenen Rechtsübergangs ergeben soll (BGH, a.a.O.).
- Der Kläger hat mithin für sein Begehren auf Auskunft, Rechnungslegung und Schadensersatz zwei Möglichkeiten: Er kann an den Tag seiner Registereintragung anknüpfen. Das erfordert keinen weiteren Sachvortrag zur materiell-rechtlichen Inhaberschaft. Will der Kläger einen weiteren Zeitraum, nämlich auch einen solchen vor der Registerumschreibung, geltend machen, muss er dazu vortragen, wie er zu dem in seinen Klageanträgen berücksichtigten früheren Zeitpunkt materiell-rechtlicher Inhaber des Klagepatents geworden ist. Liegt dieser Zeitpunkt nur geringfügig (Wochen oder beispielsweise zwei Monate) vor seiner Registrierung, ergibt sich regelmäßig keine weitere Notwendigkeit, Einzelheiten der Rechtsinhaberschaft vorzutragen (Mes, 5. Aufl. 2020, PatG § 30 Rn. 21 mit Verweis auf Kühnen, GRUR 2014, 137). Etwas anderes muss aber dann gelten, wenn eine größere Zeitspanne zwischen dem materiellen Rechtserwerb und der Eintragung in das Patentregister liegt.
- Ein weiteres Problem hinsichtlich der Rechtsübertragung kann sich in den Fällen ergeben, bei denen die Ansprüche aus dem Patent im Zuge einer ausländischen (z.B. gesellschaftsrechtlichen) Transaktion übertragen wurden. Ausgehend von § 293 ZPO vertritt die wesentliche Kommentarliteratur die Ansicht, dass – mangels objektiver Beweislastverteilung – keiner Partei ein Nachteil dadurch erwachsen dürfe, dass sie sich nicht zum ausländischen Recht verhält (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 15. Aufl., Kapitel D., Rn. 267; Geimer in Zöller, Kommentar zur ZPO, 34. Auflage 2022, § 293, Rn. 17; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020; Rn. 51ff.). Daraus folgt, dass von den Beklagten grundsätzlich kein Vortrag zum relevanten ausländischen Recht verlangt werden kann, vielmehr ist es an dem deutschen Verletzungsgericht, sich unter Anwendung des einschlägigen Rechts Gewissheit darüber zu verschaffen, dass der abgetretene Anspruch rechtswirksam übergegangen ist. Insoweit wäre von Amts wegen ggf. ein Rechtsgutachten einzuholen.
- Der BGH hat sich bislang noch nicht einheitlich zur Frage verhalten, in welchem Umfang von den Parteien Vortrag zum ausländischen Recht erwartet werden darf/muss. Während er in seinem Beschluss vom 22. April 2010 (Az. IX ZR 94/08) davon ausgeht, dass „die Anwendung ausländischen Rechts nicht von Amts wegen zu prüfen ist, sondern der Anfechtungsgegner hierfür die Darlegungs- und Beweislast trägt“, vertritt ein anderer Senat in seinem Beschluss vom 30. April 2013 (Az. VII ZB 22/12; zitiert von Kühnen) die Auffassung, dass ausländisches Recht (dort griechisches Recht) von Amts wegen zu ermitteln sei. In zwei Entscheidungen aus dem Jahr 1992 (NJW 1992, 2026ff., Urt. v. 30. April 1992, Az. IX ZR 233/90 und NJW 1992, 3096ff., Urt. v. 4. Juni 1992, Az. IX ZR 149/91) hat der BGH die Ansicht vertreten, dass es von den Umständen des Einzelfalls abhängt, welcher Parteivortrag verlangt werden kann. Haben die Parteien „unschwer Zugang“ zu Erkenntnisquellen einer ausländischen Rechtsordnung, wird man „in der Regel“ erwarten können, dass sie „das ausländische Recht konkret darstellen“.
- Letztgenannter Ansicht schließt sich die Kammer für das hiesige Verfahren an.
- 2.
Die Klägerin hat hinreichend zu ihrem Erwerb des Patents nebst Abtretungen der zugehörigen Ansprüche vorgetragen. Zugunsten der Klägerin greift die Indizwirkung ihrer Eintragung im Patentregister. - Hierzu hat die Klägerin zunächst mit der Klageschrift als Anlage ES-A3 ein Vertragsdokument zu den Akten gereicht, das den maßgeblichen Übertragungsvorgang zwischen ihr und der K nachweisen soll. Soweit die Beklagte hieran dessen Abfassung in englischer Sprache bemängelt hat, ist diese Kritik aufgrund der nunmehr vorliegenden deutschen Übersetzung dieses Dokuments obsolet geworden. Die Übersetzung, deren Richtigkeit die Beklagte nicht in Abrede stellt, lautet auszugsweise wie folgt:
- Aus dieser Regelung ist zu erkennen, dass die Parteien der Vereinbarung eine umfassende Übertragung von Schutzrechten nebst korrespondierender Ansprüche angestrebt haben. Diese Vereinbarung datiert vom 2. September 2021. Aufgrund der bereits Mitte November 2021 erfolgten Eintragung in das Register gilt zugunsten der Klägerin die Indizwirkung und die formelle Lage spricht für die materielle Inhaberschaft der Klägerin.
- Es wäre an der Beklagten gewesen, auf erhebliche Weise Gründe vorzubringen, die das Indiz des Registers erschüttern könnten und die Klägerin zur vollen Darlegung ihrer materiellen Rechtsstellung für vor dem Eintragungszeitpunkt liegende Zeiten verpflichtet hätten.
- Derlei Vortrag wäre der Beklagten auch möglich gewesen. Denn, auch losgelöst von der Frage, ob die Kammer die anwaltliche Stellungnahme aus der Anlage ES A-10 auch ohne deutsche Übersetzung berücksichtigt hätte, hat dieses Dokument der Beklagten offensichtlich Anhaltspunkte für Kriterien einer wirksamen Rechtsübertragung gegeben. So meint die Beklagte, zwischen einer Rechtsgrundlage einer Übertragung einerseits und der förmlichen Übertragung andererseits zu unterscheiden. Auch ohne dass dieses Dokument im Einzelnen dezidiert die Anforderungen an eine Rechtsübertragung nach niederländischem Zivilrecht dargestellt hat, hätte die Beklagte dies als Ausgangspunkt für eine eigene Recherche von etwaigen Formerfordernissen heranziehen können. Mit der Benennung zweier Rechtsvorschriften lagen konkrete Ausgangspunkte vor, um eine eigene Bewertung der Rechtslage vorzunehmen oder zumindest zu initiieren. Insoweit war von der Beklagten für einen erheblichen Gegenvortrag zu erwarten, dass sie an diesen ersichtlichen Fragestellungen anknüpft, um eine Unwirksamkeit der Rechtsübertragung zumindest mit konkreten Verweisen auf die niederländische Rechtsordnung zu behaupten. Der pauschale Verweis auf ein von Amts wegen einzuholendes Rechtsgutachten verfängt daher nicht. Dieses Erfordernis vorbehaltlos auf diejenigen Sachverhaltskonstellationen anzuwenden, in denen zugunsten des Pateninhabers und Klägers die Indizwirkung aus dem Register eingreift, würde die Bedeutung der Indizwirkung überdies leerlaufen lassen. Dafür besteht aber kein Grund, zumal der ober(sten)gerichtlichen Rechtsprechung weder zu entnehmen ist, dass die Indizwirkung überhaupt nur auf inländische Übertragungsvorgänge/-nachweise, noch dass sie nur auf deutsche Patente/Patentanmeldungen anzuwenden wäre. Zu berücksichtigen ist hier zudem, dass die in Streit stehende Rechtsordnung diejenige der Niederlande ist, welche Ähnlichkeiten zu dem deutschen Recht aufweist, was von der Beklagten jedenfalls nicht erheblich in Abrede gestellt worden ist. Der Beklagten als mindestens mittelständisches Unternehmen wäre eine Recherche zu anderem europäischen Recht zumutbar gewesen.
- II.
Das Klagepatent betrifft insbesondere eine Düsenanordnung für eine Reinigungsvorrichtung zum Reinigen einer Fläche (Abs. [0001]). - Abs. [0002] schildert die bekannte Situation so, dass die Reinigung von Hartböden durch Staubsaugen und anschließendes Wischen erfolgt. Das Staubsaugen entfernt den groben Schmutz, während das Wischen die Flecken beseitigt. Es waren diverse Geräte vorbekannt, die mittels harter Bürsten und Saugkraft gearbeitet haben, um Wasser und Schmutz vom Boden zu entfernen. Zudem, vor allem für den Hausgebrauch, gab es Geräte, die mit harten Bürsten und einem Rakelelement ausgestattet waren, welches mithilfe von Unterdruck Schmutzpartikel vom Boden heben sollte. Die Rakelelemente sind üblicherweise als flexible Gummilippe verwirklicht, die an der Unterseite des Reinigungsgeräts angebracht ist und lediglich über die zu reinigende Oberfläche gleitet, wodurch Schmutzpartikel und Flüssigkeit über die zu reinigende Oberfläche geschoben oder von ihr abgewischt werden. Mittels Unterdruck, der in der Regel durch ein Vakuumaggregat erzeugt wird, werden die gesammelten Schmutzpartikel und die Flüssigkeit aufgenommen (Abs. [0003]).
- Aus dem Stand der Technik war beispielsweise aus der EP 0 576 174 A1 eine Rakelvorrichtung für ein Staubsaugersystem vorbekannt. Ebenso lehrte bereits die US 7,665,172 B1 eine Kehrmaschine, welche allerdings keine Unterdruckquelle aufwies und daher nicht in der Lage war, Wasser von dem zu reinigenden Boden aufzusaugen (Abs. [0004]). Ähnlich war es bei dem Staubsauger gemäß der US 4,864,682 A; dieses Gerät verfügte über eine gute Scheuerwirkung bei der Fleckenentfernung vom Boden, allerdings auch nur eine geringe Leistung beim Trocknen des Bodens.
- Weitere vorbekannte Geräte verfügten über ein Doppelrakelelement, wobei die Rakel auf einer Seite der Bürste angeordnet sind. Eine zusätzliche Vakuumquelle erzeugt einen Sog in einem Kanal zwischen der Doppelrakelanordnung, um das Reinigungswasser wieder vom Boden zu entfernen. Abs. [0007] erläutert hierzu allerdings, dass bei solchen Geräten eine Bewegung in Vorwärtsrichtung erforderlich war, um das zur Reinigung aktiv versprühte Wasser wieder vom Boden aufzunehmen.
- Um dieses Problem zu beheben, sahen bekannte Reinigungsgeräte eine Doppelrakeldüse vor, die sowohl bei Vorwärts- als auch bei Rückwärtsbewegung ein gutes Reinigungsergebnis bewirkt. Eine beidseitige Anordnung der Rakel von der Bürste hatte aber die unerwünschte Konsequenz, dass die Düse sperrig wurde. Zudem bestand ein erhöhtes Kratzrisiko für den Boden durch den ständigen Kontakt des Geräts mit dem Boden (vgl. Abs. [0008] und [0009]).
- Dem wollten andere Geräte aus dem Stand der Technik dadurch begegnen, wie das Klagepatent in Abs. [0010] erläutert, dass zwei separate Bürsten vorgesehen waren, die parallel zueinander angeordnet sind.
- Hieran kritisiert das Klagepatent, dass wiederum eine sperrige Bürste mit einer unbefriedigenden Handlungsfreiheit entsteht.
- Das Klagepatent stellt sich daher die Aufgabe, eine Vorrichtung bereitzustellen, die im Vergleich zum Stand der Technik eine verbesserte Reinigungsleistung aufweist und gleichzeitig eine Düse von geringer Größe hat, um einen großen Aktionsspielraum zu garantieren (Abs. [0012]).
- Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Klagepatent daher eine Vorrichtung mit nachfolgenden Merkmalen vor:
- 1.1 Düsenanordnung für eine Hartbodenreinigungsvorrichtung(100), Folgendes umfassend:
- 1.2 eine einzige um eine Bürstenachse (14) drehbare Bürste (12),
- 1.2.1 wobei die besagte Bürste (12) mit flexiblen Bürstenelementen (16) versehen ist,
1.2.2 die Spitzenabschnitte (18) zum Berühren der zu reinigenden Fläche (20) aufweisen
1.2.3 und die während einer Aufnahmezeit, wenn die Bürstenelemente (16) die Fläche (20) während der Drehung der Bürste (12) berühren, Schmutzpartikel (22) und Flüssigkeit (24) von der Fläche aufnehmen,
1.2.4 wobei eine lineare Massendichte einer Vielzahl von Bürstenelementen (16) zumindest an den Spitzenabschnitten (18) kleiner ist als 150 g pro 10 km, und1.3 ein einziges Rakelelement (32) zum Schieben und Wischen von Schmutzpartikeln (22) und Flüssigkeit (24) über die oder von der zu reinigenden Fläche (20) während der Bewegung der Reinigungsvorrichtung (100), - 1.3.1 wobei das besagte Rakelelement (32) im Abstand zur Bürste (12) angebracht ist, und sich im Wesentlichen entlang einer Längsrichtung (48) erstreckt, die im Wesentlichen parallel zur Bürstenachse (14) verläuft,
1.3.2 wobei ein Saugbereich (34) innerhalb der Düsenanordnung (10) zwischen dem Rakelelement (32) und der Bürste (12) definiert wird,1.4 und Antriebsmittel, um die Bürste (12) in Drehung zu versetzen, - 1.4.1 wobei die Antriebsmittel ausgeführt sind, um eine Zentrifugalbeschleunigung an den Spitzenabschnitten (18) zu erzeugen, die im Speziellen während einer Schmutzfreisetzungszeit, wenn die Bürstenelemente (16) die Fläche (20) während der Drehung der Bürste (12) nicht berühren, zumindest 3000 m/s² beträgt.
- III.
Die Parteien streiten zu Recht einzig über das Verständnis der Merkmale 1.3 und 1.4.1. Erörterungen der Kammer zu den übrigen Merkmalen bedarf es daher nicht. - 1.
Das Klagepatent stellt eine Düsenanordnung für eine Reinigungsvorrichtung unter Schutz, welche insbesondere eine um eine Bürstenachse drehbar angeordnete Bürste aufweisen soll (Merkmal 1.2). Bestimmte Anforderungen an die Bürste und deren Bürstenelemente sowie Spitzenabschnitte werden in den Merkmalen 1.2.1 bis 1.2.4 aufgestellt. Nach Merkmal 1.3. soll die Vorrichtung ein einziges Rakelelement beinhalten, welches in den Merkmalen 1.3.1 und 1.3.2 näher erläutert wird. Schließlich sollen Antriebsmittel (Merkmal 1.4) vorgesehen werden, die eine in Merkmal 1.4.1 vorgegebene Zentrifugalbeschleunigung bewirken sollen. - Im Einzelnen beansprucht Merkmal 1.4.1, dass die Antriebsmittel ausgeführt sind, um eine Zentrifugalbeschleunigung an den Spitzenabschnitten (18) zu erzeugen, die im Speziellen während einer Schmutzfreisetzungszeit, wenn die Bürstenelemente (16) die Fläche (20) während der Drehung der Bürste (12) nicht berühren, zumindest 3.000 m/s² beträgt.
- a.
Das Klagepatent versteht unter der Schmutzfreisetzungszeit diejenige Phase während der Bürstenrotation, in der die Bürstenelemente keinen Bodenkontakt aufweisen und zudem eine bestimmte Mindestbeschleunigung anliegt. Typischerweise befinden sich die Spitzenabschnitte der Bürstenelemente zu dieser Zeit innerhalb des Gehäuses, da diese Schmutzfreisetzungszeit zu Selbstreinigungszwecken einer erfindungsgemäßen Vorrichtung vorgesehen und daher eine Nähe der Spitzenabschnitte zum Saugeinlass erforderlich ist. Es ist danach ausreichend, wenn die Mindestbeschleunigung zumindest punktuell als einmaliger Höchstwert festzustellen ist. Dafür kann es genügen, dass die Mindestbeschleunigung nur während der ersten Zeit ohne Bodenkontakt, während die Spitzenabschnitte wieder einen gestreckten Zustand einnehmen gegeben ist. - Bei rein-philologischer Betrachtung gibt einem der Begriff der „Schmutzfreisetzungszeit“ den Hinweis auf eine gewisse Zeitspanne, innerhalb derer sich ein Vorgang realisieren soll. Schmutz soll von den Bürstenelementen freigesetzt werden. Wie diese Zeit innerhalb einer erfindungsgemäßen Vorrichtung zu dimensionieren ist, ergibt sich daraus nicht. Allein der benutzte unbestimmte Artikel „eine“ bzw. im Englischen „a“ ermöglicht auch noch keinen eindeutigen Rückschluss darauf, ob eine kürzere oder längere Dauer als Schmutzfreisetzungszeit für die Umsetzung der technischen Lehre des Klagepatents ausreichend sein könnte. Der Anspruch konkretisiert die Schmutzfreisetzungszeit im Übrigen nur durch die Vorgaben, dass die Bürstenelemente die Fläche während der Drehung der Bürste nicht berühren und dass die Mindestbeschleunigung 3.000m/s² betragen soll. Dies zeigt dem Fachmann, dass die Schmutzfreisetzungszeit einerseits und die Mindestbeschleunigung andererseits miteinander korrelieren. Die Schmutzfreisetzungszeit bietet den technischen Rahmen, innerhalb dessen eine Selbstreinigung der Bürstenelemente überhaupt erfolgen kann.
- Dass für die Schmutzfreisetzungszeit entscheidend ist, dass die Vorrichtung keinen Bodenkontakt hat, wird durch systematische Gesichtspunkte und insbesondere durch Merkmal 1.2.3 bestätigt. Dort erläutert das Klagepatent eine Aufnahmezeit, wenn die Bürstenelemente die Fläche während der Drehung der Bürste berühren. Damit kennt das Klagepatent zwei Zustände einer erfindungsgemäßen Vorrichtung, nämlich einerseits eine Zeit mit Bodenkontakt, und andererseits eine Zeit ohne Bodenkontakt (Merkmal 1.4.1). Während der Aufnahmezeit sollen Schmutzpartikel und Flüssigkeit vom Boden aufgenommen werden. Das Klagepatent stellt diese beiden Zustände einander gegenüber; andere Zustände benennt das Klagepatent für eine erfindungsgemäße Vorrichtung nicht. Die Schmutzfreisetzungszeit wird ausdrücklich dem Zustand ohne Bodenberührung zugewiesen. Jedoch folgt aus dieser grundsätzlichen Unterteilung verschiedener Zustände während der Rotation einer Bürste nicht, dass die Schmutzfreisetzungszeit mit Beschleunigungswerten oberhalb der Mindestbeschleunigung während der gesamten Zeit ohne Bodenkontakt gegeben sein muss.
- Derlei folgt auch nicht aus Merkmal 1.3.2, wo ein Saugbereich zwischen dem Rakelelement und der Bürste definiert wird, in dem Unterdruck vorherrscht, womit gerade die Schmutz- und Wasseraufnahme in den Saugeinlass erreicht werden soll. Dieser Unterdruck besteht nämlich nicht nur solange, bis sich die Spitzenabschnitte aufgerichtet haben, sondern über einen größeren Zeitraum hinweg. Dadurch ist sichergestellt, dass er jedenfalls auch dann anliegt, wenn es in der Vorrichtung zur beanspruchten Mindestbeschleunigung kommt und die gelösten Schmutzpartikel im Inneren der Vorrichtung verbleiben. Es ist daher nicht zwingend, die Schmutzfreisetzungszeit über die gesamte Zeit zu definieren, in der die Bürstenelemente keinen Bodenkontakt aufweisen.
- Unterstützung in dem vorbenannten Verständnis findet der Fachmann in der Klagepatentbeschreibung, welche deutlich macht, dass es während des Betriebs der Vorrichtung eine Zeit gibt, in der die Bürstenelemente keinen Bodenkontakt haben und während dieser Zeit, sofern auch eine Mindestbeschleunigung erreicht ist, eine erfindungsgemäße Schmutzfreisetzungszeit vorliegt.
- Zunächst erläutert Abs. [0019] die Vorgänge in einer erfindungsgemäßen Vorrichtung näher. Es heißt:
- „Während der Drehung der Bürste berühren die Bürstenelemente mit ihren Enden den Boden und nehmen die Schmutzpartikel und die Flüssigkeit vom Boden während einer Aufnahmeperiode auf, in der die Spitzen den Boden berühren. In der Schmutzfreisetzungszeit, in der sich die Bürstenelemente im Inneren eines Düsengehäuses befinden und keinen Kontakt zur Fläche haben, wird die Zentrifugalbeschleunigung der Spitzenabschnitte der Bürstenelemente so hoch, dass die auftretenden Fliehkräfte, die auf die Schmutz- und Flüssigkeitspartikel in den Mikrofaserhaaren wirken, stärker werden als die Haftkräfte […]. Die Schmutz- und Flüssigkeitspartikel werden somit in der Schmutzfreisetzungszeit automatisch freigegeben, wenn die Bürstenelemente während ihrer Drehung im Inneren des Düsengehäuses keinen Kontakt zur Fläche haben. Neben den erwähnten Zentrifugalkräften können weitere Beschleunigungskräfte auftreten, insbesondere Beschleunigungskräfte, die auf eine Verformung der flexiblen Bürstenelemente zurückzuführen sind.“
- Hierin erkennt der Fachmann ein Zusammenspiel von kontaktlosen Bürstenelementen und hohen Fliehkräften, die auf die Spitzenabschnitte einwirken. Diese Faktoren nutzt das Klagepatent, um die Freigabe von Schmutzpartikeln aus den Spitzenabschnitten zu erzielen. Diese Faktoren zeichnen die Schmutzfreisetzungszeit aus. Überdies bestätigt der Abs. [0019], dass das Klagepatent grundsätzlich nur eine Zeit mit Kontakt zur Fläche und eine Zeit ohne Bodenkontakt kennt. Beiden dieser Phasen weist es spezifische Funktionen zu, nämlich einerseits die Aufnahme von Schmutz vom Boden und andererseits die Abgabe der aufgenommenen Partikel innerhalb der Vorrichtung. Für die Abgabe der aufgenommenen Partikel besagt Abs. [0020], dass ab dem Moment, in dem die Bürstenelemente keinen Bodenkontakt mehr haben, der Selbstreinigungsprozess beginnt:
- „Die auftretenden Beschleunigungen an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 sorgen dafür, dass die Schmutzpartikel 22 und Flüssigkeitstropfen 24 automatisch von der Bürste 12 freigegeben werden, wenn die Bürstenelemente während ihrer Drehung den Kontakt zum Boden 20 verlieren. […] wird ein kleiner Teil des Schmutzes und der Flüssigkeit in dem Bereich, in dem die Bürstenelemente den Kontakt mit der Fläche verlieren, auf die Fläche zurückgeschleudert. Dagegen soll das Rakel wirken, indem es diese Partikel unterhalb der Vorrichtung und im Einfluss des Saugbereichs hält.“
- Indes macht die Klagepatentbeschreibung keine Angaben dazu, wann die Schmutzfreisetzungszeit endet bzw. ob sie während der gesamten Zeit ohne Kontakt zum Boden vorliegen soll. Vielmehr wird die Schmutzfreisetzungszeit vom Klagepatent durchgängig als die Zeit erläutert, in der die Bürste keinen Kontakt zum Boden hat, was verdeutlicht, dass es sich dabei um eine Grundvoraussetzung der Schmutzfreisetzungszeit handelt. Die erfindungsgemäße Lehre will eine Mindestbeschleunigung der Bürstenelemente bereitstellen, weil mithilfe der auf die Bürstenelemente einwirkenden Fliehkräfte die Selbstreinigung der Bürste während der Zeit ohne Bodenkontakt erfolgen soll. Denn dies ist in der Drehung der Bürste die Phase, in der keine neuen Schmutz- und Wasserpartikel von der zu reinigenden Oberfläche aufgenommen werden. Dass dieses Ziel einer guten Selbstreinigung nur bei einer bestimmten Dauer der Schmutzfreisetzungszeit erreicht werden könnte, ist der Klagepatentbeschreibung nicht zu entnehmen. Anderes resultiert auch nicht aus den besonderen Beschreibungsstellen auch dort geht das Klagepatent vom vorbezeichneten Verständnis aus.
- So formuliert Abs. [0078]:
- „Die auftretenden Beschleunigungen an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 sorgen dafür, dass die Schmutzpartikel 22 und Flüssigkeitstropfen 24 automatisch von der Bürste 12 freigegeben werden, wenn die Bürstenelemente während ihrer Drehung den Kontakt zum Boden 20 verlieren. Da nicht alle Schmutzpartikel 22 und Flüssigkeitstropfen 34 direkt vom Vakuumaggregat 38 aufgenommen werden können, wird ein kleiner Teil des Schmutzes und der Flüssigkeit in dem Bereich, in dem die Bürstenelemente 16 den Kontakt mit der Fläche 20 verlieren, auf die Fläche 20 zurückgeschleudert.“
- Der Fachmann erkennt, dass auch hier die auftretenden Beschleunigungen nur dann ihre Wirkung entfalten können, wenn die Bürstenelemente schließlich den Kontakt zum Boden verlieren. Dementsprechend sollen ab diesem Zeitpunkt die Fliehkräfte auf die Bürstenelemente einwirken, die Spitzenabschnitte in den ausgestreckten Zustand zwingen und dadurch bzw. dabei Schmutz- und Flüssigkeitspartikel freigeben. Der Abs. [0080] führt insoweit aus:
- „Während sich die Bürste 12 dreht, bewegen sich die Bürstenelemente 16 weiter über die Fläche 20, bis zu dem Moment, in dem der Kontakt schließlich verloren geht. Wenn keine Kontaktsituation mehr besteht, werden die Bürstenelemente 16 unter dem Einfluss der Fliehkräfte, die durch die Drehung der Bürste 12 auf die Bürstenelemente 16 einwirken, in den ursprünglichen, ausgestreckten Zustand gezwungen.“
- In Abs. [0109] heißt es ferner:
- „Es wird darauf hingewiesen, dass der Mindestwert von 3.000 m/sec2 in Bezug auf die Beschleunigung, die an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 während einer gewissen Zeit pro Umdrehung der Bürste 12 vorherrscht, insbesondere während einer gewissen Zeit einer Schmutzfreisetzungszeit, in der kein Kontakt zwischen den Bürstenelementen 16 und der Fläche 20 besteht, durch Ergebnisse von Versuchen gestützt wird, die im Rahmen der vorliegenden Erfindung durchgeführt wurden.“
- Auch in dieser Beschreibungspassage wird wieder anhand der Faktoren Mindestbeschleunigung und fehlendem Kontakt zur Fläche eine Schmutzfreisetzungszeit bestimmt. Ausdrücklich erhält der Fachmann außerdem einen Hinweis, dass es ausreichend ist, dass es überhaupt (einmal) zu dem vorgegebenen Mindestbeschleunigungswert kommt. Denn die Formulierung „während einer gewissen Zeit pro Umdrehung der Bürste […] insbesondere während einer gewissen Zeit einer Schmutzfreisetzungszeit“ (engl.: „some time per revolution […] in particular some time during a dirt release period“) verdeutlicht, dass es nach der Lehre des Klagepatents entscheidend ist, zumindest für eine vom Klagepatent nicht näher definierte Zeitspanne, die Mindestbeschleunigung zu erzielen, um eine Selbstreinigung der Bürste bewerkstelligen zu können. Die Schmutzfreisetzungszeit macht somit eine gewisse Zeit pro Umdrehung aus, innerhalb derer die Mindestbeschleunigung erreicht werden muss, wobei es dem Fachmann freigestellt ist, wann dies der Fall ist.
- Schließlich bekräftigen auch diejenigen Beschreibungsabsätze, die den Saugbereich innerhalb der Vorrichtung erläutern, das aufgefundene Verständnis. Der Unterdruck liegt innerhalb der Vorrichtung insbesondere dann vor, wenn die Partikel von dem Vakuumgerät aufgenommen werden sollen, mithin unmittelbar während bzw. nach dem Aufrichten der Spitzenabschnitte; was nicht ausschließt, dass der Unterdruck selbst über einen längeren Zeitraum vorhanden ist und die Schmutzfreisetzung grundsätzlich auch länger ausgestaltet sein könnte, sofern die Mindestbeschleunigungswerte erreicht werden. Ein Zusammenhang zwischen Unterdruck und auf die Bürste einwirkender Fliehkräfte zur Freigabe der Schmutzpartikel findet sich beispielsweise in Abs. [0022]:
- „[…] Dieser Saugbereich ist ein Unterdruckbereich, der zum Ansaugen von Schmutz- und Flüssigkeitspartikeln genutzt wird, die entweder vom Rakelelement oder von der Bürste aufgesammelt wurden.“
- Abs. [0024] benennt sogar ausdrücklich die Selbstreinigung im Kontext mit dem im Inneren einer erfindungsgemäßen Vorrichtung erzeugten Unterdruck:
- „Durch diesen Unterdruck werden die von der Rakel und der Bürste aufgenommenen Schmutz- und Flüssigkeitspartikel vom Boden aufgenommen und abgesaugt. Die Bürste und das Rakelelement werden daher stets sauber gehalten, so dass keine Gefahr besteht, Schmutz auf der zu reinigenden Fläche zu verteilen. In anderen Worten, dies führt zu einer Art Selbstreinigung der Bürste und der Rakel.“
- Durch technisch-funktionale Betrachtung findet das erläuterte Verständnis ebenfalls Unterstützung. Das Aufbringen einer Mindestbeschleunigung von 3.000 m/s² während des Betriebs der Vorrichtung ist dann dazu geeignet, die Haftkräfte der Partikel an den Spitzenabschnitten zu überwinden, wenn diese keinen Bodenkontakt mehr haben. Auf diese Weise erfolgt eine Selbstreinigung der Bürstenelemente zu einer Zeit, wenn sichergestellt ist, dass jedenfalls der Großteil der gelösten Partikel von der Vorrichtung durch den Unterdruck tatsächlich abgesaugt wird und außerdem keine neuen Partikel von der zu reinigenden Fläche aufgenommen werden können, was eine Selbstreinigung erschweren würde. Es ist technisch-funktional auch nachvollziehbar, dass die Dauer der Schmutzfreisetzungszeit nicht näher bestimmt werden muss. Denn eine solche Vorgabe ist dann nicht erforderlich, wenn jedenfalls die vorausgesetzte Beschleunigung ausreichend groß dimensioniert ist, dass auch schon in einer nur kurzen Zeit, in den Bürstenelementen anhaftende Schmutzpartikel gelöst werden können.
- b.
Unter der Zentrifugalbeschleunigung versteht das Klagepatent die radialen Beschleunigungswerte, denen die Bürstenabschnitte ab dem Verlust des Bodenkontakts ausgesetzt sind, was den zusätzlichen Geschwindigkeitseinfluss aus dem Vorgang des Aufrichtens der Bürstenelemente selbst mit einschließen kann. - Der rein-philologischen Bedeutung nach beschreibt die Zentrifugalbeschleunigung die Fliehkraft bei Dreh- und Kreisbewegungen und von der Rotationsachse der Drehung radial nach außen gerichtet ist. Grundlage dieser Beschleunigung ist damit eine Drehbewegung, ohne dass für spezifische Objekte und deren Rotation zwischen unterschiedlichen einwirkenden Beschleunigungswerten differenziert wird.
- Hinsichtlich der Zentrifugalbeschleunigung der Spitzenabschnitte sind auch dem Anspruch keine näheren Hinweise auf das Verständnis zu entnehmen und insbesondere nicht zum Ursprung der auf die Spitzenabschnitte einwirkenden Beschleunigung. Das eingangs erörterte Verständnis zu der auf die Spitzenabschnitte einwirkenden radialen Zentrifugalbeschleunigung findet aber durch die Klagepatentbeschreibung Unterstützung, da dort konkret das Aufrichten der Bürstenelemente als diejenige Zeit beschrieben wird, in der die beanspruchte Mindestbeschleunigung erreicht wird. Für die Umsetzung der erfindungsgemäßen Lehre ist es ausreichend, wenn jedenfalls dann, wenn beide diejenige Beschleunigung von den Antriebsmitteln und diejenige aus dem Aufrichtvorgang zusammenwirken und die Mindestbeschleunigung von 3.000 m/s² erfüllen. Dann sind die Voraussetzungen für eine gute Selbstreinigung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung gegeben.
- Schon dem Abs. [0043] der allgemeinen Beschreibung ist dazu zu entnehmen:
- „Sobald die Bürstenelemente mit den daran haftenden Schmutzpartikeln und der Flüssigkeit den Kontakt zur Fläche verlieren, werden die Bürstenelemente aufgerichtet, wobei insbesondere die Spitzenabschnitte der Bürstenelemente mit einer relativ hohen Beschleunigung bewegt werden. Dadurch wird die Zentrifugalbeschleunigung an den Spitzenabschnitten der Bürstenelemente erhöht. […] Die Werte der Beschleunigungskräfte werden von verschiedenen Faktoren bestimmt, unter anderem von der Verformung und der linearen Massendichte, wie bereits erwähnt, aber auch von der Geschwindigkeit, mit der die Bürste angetrieben wird.“
- Das Klagepatent erörtert die an den Spitzenabschnitten wirkende Zentrifugalbeschleunigung und stellt diese als erhöht dar, was auf den Aufrichtvorgang der Bürstenelemente bei Verlust des Kontakts zur Fläche zurückzuführen ist. Es erfolgt keine Differenzierung des Ursprungs der Beschleunigungsanteile, ob sie auf den Antriebsmitteln beruhen oder zusätzlich auf dem Aufrichtvorgang. Aus dem Verweis in der besonderen Beschreibung auf die Antriebsmittel folgt nichts anderes. Der Abs. [0059] besagt:
- „Die Antriebsmittel sind vorzugsweise dazu geeignet, an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 eine Zentrifugalbeschleunigung zu erreichen, die insbesondere während einer Schmutzfreisetzungszeit, in der die Bürstenelemente 16 während der Drehung der Bürste 12 keinen Kontakt mit der Fläche 20 haben, mindestens 3.000 m/s² beträgt.“
- Unabhängig davon, dass lediglich eine bevorzugte Ausführungsform der Antriebsmittel dargestellt wird, die für die Ausgestaltung der Antriebsmittel nicht abschließend sein kann, ist auch nur eine Dimensionierung der Antriebsmittel erforderlich, mit der der Mindestwert von 3.000m/s² in der Vorrichtung grundsätzlich erreicht werden kann. Ausgeschlossen ist jedoch nicht, dass daran weitere Beschleunigungskräfte mitwirken, wie sie aus dem Ausstreckvorgang der Spitzenabschnitte resultieren. Für diese gemeinsame Betrachtung der aufkommenden Beschleunigungsanteile spricht ferner Abs. [0080] (Hervorhebungen diesseits):
- „Wenn keine Kontaktsituation mehr besteht, werden die Bürstenelemente 16 unter dem Einfluss der Fliehkräfte, die durch die Drehung der Bürste 12 auf die Bürstenelemente 16 einwirken, in den ursprünglichen, ausgestreckten Zustand gezwungen. Da die Bürstenelemente 16 in dem Moment gebogen sind, in dem der Zwang besteht, wieder den gestreckten Zustand einzunehmen, liegt an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 eine zusätzliche, streckende Beschleunigung vor, wobei die Bürstenelemente 16 aus dem gebogenen Zustand in den gestreckten Zustand schnellen, wobei die Bewegung der Bürstenelemente 16 mit dem Schleudern einer Peitsche vergleichbar ist. Die Beschleunigung an den Spitzenabschnitten 18 zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bürstenelemente 16 nahezu den ausgestreckten Zustand eingenommen haben, erfüllt wiederum die Voraussetzung von mindestens 3.000 m/sec².“
- Hierin wird dem Fachmann veranschaulicht, dass die Voraussetzung der Mindestbeschleunigung während des Aufrichtvorgangs – es wird auf den „nahezu ausgestreckten“ Zustand abgestellt – unter Einbeziehung der zusätzlich einwirkenden Beschleunigung erzielt werden soll.
- Dementsprechend bezeichnet es auch Abs. [0063] als Kern der Erfindung:„[…] durch die Erzeugung einer Zentrifugalbeschleunigung an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 in dem oben genannten Bereich sehr gute Reinigungsergebnisse und Fleckenentfernungseigenschaften [zu erzielen],“
- ohne dass hier die Art der Zentrifugalbeschleunigung näher eingegrenzt würde.
- Mit diesem Verständnis stehen auch die weiteren Beschreibungsabsätze [0113] und [0114], welche sich mit Versuchen zu der erforderlichen Mindestbeschleunigung befassen. Dazu enthält Abs. [0113] nachfolgende Aussage:
- „Aus den oben erläuterten Versuchsergebnissen kann gefolgert werden, dass ein Wert von 3000 m/s² in Bezug auf eine Beschleunigung an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 während einer berührungsfreien Periode ein realistischer Mindestwert ist, was die Selbstreinigungskapazität von Bürstenelementen 16 betrifft, […].“
- Im Vordergrund dieses Versuchs stand mithin das Erzielen einer guten Selbstreinigungskapazität, wobei es zu klären galt, welche Beschleunigung dafür benötigt wird. Der Ursprung der einwirkenden Beschleunigung ist für dieses Ziel unerheblich. Das Erfordernis eines Mindestwertes zumindest zu einer Zeit wird durch den von den Parteien angeführten Abs. [0114] bestätigt, wo es heißt:
- „Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass bei der erfindungsgemäßen Reinigungsvorrichtung 100 die Zentrifugalbeschleunigung kleiner als 3.000 m/s² sein kann. Der Grund dafür ist, dass die Beschleunigung, die an den Spitzenabschnitten 18 der Bürstenelemente 16 auftritt, wenn die Bürstenelemente 16 aufgerichtet werden, höher sein dürfte als die normale Zentrifugalbeschleunigung. Der Versuch zeigt, dass für eine Beschleunigung, die im Versuchsfall die normale Zentrifugalbeschleunigung ist, ein Mindestwert von 3.000 m/s² gilt, wobei es sich um die höhere Beschleunigung handeln kann, die durch das spezifische Verhalten der Bürstenelemente 16 hervorgerufen wird, wenn die Schmutzaufnahmeperiode vorbei ist und in einer realen Reinigungsvorrichtung 100 gemäß der vorliegenden Erfindung Platz zum Aufrichten vorhanden ist, was die Möglichkeit zulässt, dass die normale Zentrifugalbeschleunigung während der anderen Perioden der Drehung (z.B. der Schmutzaufnahmeperiode) niedriger ist.“
- Abs. [0114] stellt dem theoretischen Versuch, wie er von Abs. [0113] adressiert wird, das Praxisverhalten einer erfindungsgemäßem Vorrichtung gegenüber und verlangt aber auch im Einsatz der Vorrichtung eine Beschleunigung von wenigstens 3.000 m/s². Ausdrücklich lässt es das Klagepatent insoweit zu, dass der Mindestwert von 3.000 m/s² die höhere Beschleunigung sein kann, die durch das spezifische Verhalten der Bürstenelemente beim Aufrichten entsteht. Zulässig ist ein Unterschreiten der Mindestbeschleunigung nur z.B. während der Schmutzaufnahmezeit, was mit dem erörterten Anspruchsverständnis in Einklang steht. Denn zum einen ist die Mindestbeschleunigung schon nur für eine Schmutzfreisetzungszeit beansprucht und nicht für die Schmutzaufnahmezeit, und zum anderen erklärt sich dieser Umstand in technischer Hinsicht durch den aufgrund des bestehenden Bodenkontakts erhöhten Widerstand, wodurch zwangsläufig die Beschleunigung gemindert/gebremst wird.
- Diese Beschreibungsstellen geben dem Fachmann den Hinweis, dass die erfindungsgemäße Lehre maßgeblich von dem Erreichen einer Mindestbeschleunigung abhängt. Sobald diese einmal auf die Spitzenabschnitte einwirkt bzw. eingewirkt hat, kann gewährleistet werden, dass gute Reinigungsergebnisse insbesondere auch aufgrund der Selbstreinigungsfunktion umgesetzt werden können. Dass insoweit die Radialbewegung der Bürstenelemente in den Blick genommen wird, zeigt ferner Abs. [0117]:
- „[…] dass ein vollständig ausgestreckter Zustand der Bürstenelemente 16 ein Zustand ist, in dem sich die Bürstenelemente 16 vollständig in einer radialen Richtung in Bezug auf eine Drehachse 14 der Bürste 12 erstrecken, wobei es keinen gebogenen Spitzenabschnitt in den Bürstenelementen 16 gibt.“
- Auch die Figuren des Klagepatents sind mit dem dargestellten Verständnis in Übereinstimmung zu bringen. Die Figur 10 gibt Aufschluss über den Vorteil einer Mindestbeschleunigung. Dort wird eine zunehmende Zentrifugalbeschleunigung (x-Achse) dem Gewicht von Wasser (y-Achse) gegenübergestellt. Zu erkennen ist, dass ab 3.000 m/s² das Gewicht deutlich abnimmt und letztlich bis 21.000 m/s² eine stetige Abnahme des Gewichts zu verzeichnen ist. Diese Abbildung bestätigt mithin den Vorteil, innerhalb der Vorrichtung während der gesamten Schmutzfreisetzungszeit die Mindestbeschleunigung aufrechtzuhalten.
- Überdies bestätigt eine technisch-funktionale Betrachtung das vorstehende Verständnis. Denn eine Mindestbeschleunigung ist erforderlich, um die Haftkraft einzelner Schmutz- und Flüssigkeitspartikel an den Bürstenelementen zu überwinden und sie daraus loszulösen und in den Saugeinlass der Vorrichtung aufzunehmen. Es muss eine Beschleunigung gewählt werden, die eine Selbstreinigung sicherstellt und verlässlich macht, damit jedenfalls der Großteil der Partikel beseitigt wird. Dabei steht es dem Erfindungsgedanken nicht entgegen, wenn wie zu Beginn des Aufrichtvorgangs einzelne Partikel zwar gelöst, aber noch nicht eingesogen werden können, sondern auf den Boden zurückgeschleudert werden. Diesem Umstand trägt nämlich die Ausgestaltung der Vorrichtung im Übrigen durch das Rakelelement Rechnung (vgl. Abs. [0078]). Für die Selbstreinigungskapazität ist auch nicht entscheidend, wann sie initiiert wird, solange feststeht, dass es einen Zeitpunkt ohne Bodenkontakt der Bürstenelemente gibt, in dem die Mindestbeschleunigung wirken kann.
- 2.
Als weiteren Bestandteil in einer erfindungsgemäßen Vorrichtung sieht Merkmal 1.3 ein einziges Rakelelement vor, das sich in einem Abstand zu der Bürste befindet und an der Unterseite des Düsengehäuses an einer Seite der Bürste befestigt ist, an der die Bürstenelemente während der Drehung der Bürste in das Gehäuse münden. - Ein Rakelelement nach dem Klagepatent zeichnet sich dadurch aus, dass es (jedenfalls) bei Benutzung der Vorrichtung in Bodenkontakt steht und über den Boden bewegt/gezogen wird. Eine bestimmte Materialbeschaffenheit ist nicht vorgegeben. Das Rakelelement wirkt an der zweiten Position mit dem Ansaugbereich zusammen, indem es diesen begrenzt und die Aufnahme von Schmutz in das Gerät begünstigt. Außerdem soll nur ein einzelnes dieser Elemente in der erfindungsgemäßen Vorrichtung enthalten sein.
- Der Anspruch grenzt ein Rakelelement inhaltlich nicht näher ein. Dessen Bedeutung kann man sich aber bereits rein-philologisch nähern. Denn ein „Rakel“ ist ein Gerät, das aus Gummi oder Holz bestehen kann, und das eingesetzt wird, um überschüssiges viskoses Material zu entfernen. Damit entspricht die deutsche Übersetzung der englischen Anspruchsfassung, die von „squeegee element“ spricht, wobei „squeegee“ mit Gummischrubber oder Rakel übersetzt werden kann.
- Schon danach ist es die originäre Aufgabe eines Rakels, überschüssiges Material zu entfernen. Dies setzt, wie der Fachmann problemlos erkennt, zwingend voraus, dass es Kontakt mit der Oberfläche, auf welcher das Material aufgebracht wurde, hat, weil andernfalls eine Entfernung von Materialüberschuss nicht möglich ist.
- Dieses Verständnis wird auch durch das Merkmal 1.3 selbst bekräftigt, indem das Rakelelement darauf ausgelegt sein soll, während der Bewegung der Reinigungsvorrichtung Schmutzpartikel und Flüssigkeit über die oder von der zu reinigenden Oberfläche zu schieben oder zu wischen.
- Gleichermaßen unterstützen schon die allgemeinen Beschreibungsstellen des Klagepatents dieses Verständnis und insoweit insbesondere den erforderlichen Bodenkontakt.
- In Abs. [0020] ist formuliert:
- „Da nicht alle Schmutzpartikel und Flüssigkeitstropfen direkt vom Vakuumaggregat aufgenommen werden können, wird ein kleiner Teil des Schmutzes und der Flüssigkeit in dem Bereich, in dem die Bürstenelemente den Kontakt mit der Oberfläche verlieren, auf die Oberfläche zurückgeschleudert. Dieser Effekt des Wiederbespritzens der Oberfläche wird jedoch durch das Rakelelement überwunden, das diese wiederverspritzte Flüssigkeit und den Schmutz auffängt, indem es als eine Art Abstreifer fungiert, so dass die verbleibende Flüssigkeit und der Schmutz dann durch den angelegten Unterdruck aufgenommen werden können. Das Rakelelement sorgt also dafür, dass die Restflüssigkeit und der Schmutz den Ansaugbereich nicht wieder verlassen, ohne vom Vakuumaggregat aufgenommen zu werden. Es verschließt also gewissermaßen den Ansaugbereich für Schmutz und Flüssigkeit auf einer Seite des Düsengehäuses.“
- Besonders Abs. [0020] betont den Nutzen des Rakelelements (Hervorhebungen diesseits):
- „[…] Dieser Effekt des Wiederbespritzens der Fläche wird jedoch durch das Rakelelement überwunden, das diese wiederverspritzte Flüssigkeit und den Schmutz auffängt, indem es als eine Art Abstreifer fungiert, so dass die verbleibende Flüssigkeit und der Schmutz dann durch den angelegten Unterdruck aufgenommen werden können. Das Rakelelement sorgt also dafür, dass die Restflüssigkeit und der Schmutz den Saugbereich nicht wieder verlassen, ohne vom Vakuumaggregat aufgenommen zu werden. Es verschließt also gewissermaßen den Saugbereich für Schmutz und Flüssigkeit auf einer Seite des Düsengehäuses. Durch die gewählte Kombination einer Bürste, die neben Schmutz auch Flüssigkeit aufnehmen kann, mit einem einzelnen Rakelelement zum Schieben oder Wischen von Schmutz und Flüssigkeit über bzw. von der zu reinigenden Fläche, ist es somit möglich, die Fläche sowohl von Schmutzpartikeln als auch von Flüssigkeit nahezu zu befreien. Dies führt zu verbesserten Reinigungseigenschaften und gleichzeitig zu einer Verkleinerung der Düse.“
- Und auch Abs. [0023] formuliert:
- „Die Rakel und die Bürste sind dazu an einer Unterseite des Düsengehäuses angeordnet, die während der Benutzung des Geräts der zu reinigenden Fläche zugewandt ist, und sie ragen zumindest teilweise aus dem Düsengehäuse an dieser Unterseite hervor. Bei der Bewegung des Geräts gleitet das Rakelelement über die zu reinigende Fläche und schiebt oder wischt dabei Schmutzpartikel und Flüssigkeit über oder vom Boden, während die Bürste während ihrer Drehung gleichzeitig Schmutz- und Flüssigkeitspartikel von der Fläche aufnimmt. Auf diese Weise entsteht ein Saugeinlass zwischen der Bürste und dem Rakelelement, das während der Benutzung des Reinigungsgeräts der zu reinigenden Fläche zugewandt ist. Dieser Saugeinlass mündet in den Saugbereich, in dem der oben erwähnte Unterdruck erzeugt wird.“
- Diese Beschreibungsstellen machen dem Fachmann deutlich, dass das Rakelelement Kontakt mit der zu reinigenden Oberfläche benötigt, weil es auf dieser befindliche Schmutzpartikel und Flüssigkeit beseitigen soll. Es wirkt mit dem Saugeinlass zusammen und sorgt für ein verbessertes Aufsaugen der Schmutzpartikel. Anforderungen, dass bei einem einzigen Wisch- oder Schiebevorgang sämtliche Wasser- und Schmutzpartikel vollständig aufgenommen worden sein müssten, ergeben sich daraus nicht. Insbesondere ergibt sich derlei nicht aus der zuvor zitierten Formulierung in Abs. [0020], wonach das Rakelelement dafür sorge (englisch: ensures), dass Restflüssigkeit und Schmutz den Ansaugbereich nicht wieder verlassen. Denn damit verdeutlicht das Klagepatent nur, wie das Rakelelement zur Schmutzbeseitigung beitragen soll. Spezifische Anforderungen an die Effektivität dieses Vorgangs werden nicht aufgestellt.
- Nicht offenbart von der Klagepatentbeschreibung wird im Zusammenhang mit dem Rakelelement, dass auch andere Oberflächen als der jeweils zu reinigende Boden unter der Oberfläche, die abgewischt werden soll, verstanden werden könnten.
- Die im Klagepatent enthaltenen Figuren 1 und 3 unterstützen das erörterte Verständnis, welches für ein erfindungsgemäßes Rakelelement Bodenkontakt verlangt. Unabhängig von der Bewegungsrichtung, in die die Vorrichtung verbracht wird, behält das Rakelelement, ggf. unter Änderung seiner Ausrichtung, Bodenkontakt. Insoweit spricht auch gerade die Darstellung der Figur 1 dafür, nur solche Vorrichtungsteile als erfindungsgemäßes Rakelelement zu begreifen, die Bodenkontakt aufweisen. Denn dort ist mit dem Bezugszeichen 62 ein weiteres Element zu erkennen, ohne Bodenkontakt, sondern allenfalls mit Kontakt zur Bürste. Dass dieses als Rakelelement betrachtet würde, ist jedenfalls nicht ersichtlich.
- Insbesondere technisch-funktionale Gesichtspunkte unterstützen das Verständnis eines Rakelelements mit zwingendem Bodenkontakt. Eine Abwischfunktion über den Boden kann nur bei entsprechender Berührung erfolgen. Durch das Rakelelement sollen Wasser und Schmutz in einem bestimmten Bereich der Vorrichtung – nämlich dem Ansaugbereich – zusammengehalten werden, um von dort in den Saugeinlass aufgenommen werden zu können. Ein nicht am Boden befindliches Rakelelement könnte diese Funktion nicht erfüllen, weil Partikel entweichen und nicht erfolgreich vom Boden in die Vorrichtung gelangen könnten. Nicht erforderlich ist indes auf der anderen Seite, dass direkt bei einem (ersten) Abwischvorgang alle Partikel vollständig aufgenommen wurden. Denn dies hängt individuell von der zu bewältigenden Schmutz-/Wassermenge ab.
- Das Klagepatent setzt mit einem im vorstehenden Sinne verstandenes Rakelelement die Bedeutung von Rakelelementen fort, wie sie im Stand der Technik bekannt waren. Die Bezugnahme der Beklagten auf die Figur 12, um Gegenteiliges darzutun, überzeugt nicht. Bereits eingangs der Klagepatentbeschreibung in Abs. [0003] heißt es:
- „Die Rakelelemente sind üblicherweise als flexible Gummilippe verwirklicht, die an der Unterseite des Reinigungsgeräts angebracht ist und lediglich über die zu reinigende Oberfläche gleitet, wodurch Schmutzpartikel und Flüssigkeit über die zu reinigende Oberfläche geschoben oder von ihr abgewischt werden. Mittels Unterdruck, der in der Regel durch ein Vakuumaggregat erzeugt wird, werden die gesammelten Schmutzpartikel und die Flüssigkeit aufgenommen.“
- Damit wird das auch einer erfindungsgemäßen Vorrichtung zugrunde liegende Prinzip erläutert und das Gleiten über die zu reinigende Oberfläche hervorgehoben. So spricht auch Abs. [0004] von einem „Abzieher“ als Rakelvorrichtung. Insbesondere Abs. [0009] lautet es ausdrücklich:
- „[…] Durch den ständigen Kontakt der Rakel mit dem Boden während der Bewegung des Geräts können solche Doppelrakel eine hohe Kratzbelastung des Bodens erzeugen.“
- Der hier beschriebene Nachteil von Bodenkratzern ist überhaupt nur denkbar, wenn es Bodenkontakt durch das Rakelelement gibt. An dieses grundlegende Prinzip des Rakels knüpft die erfindungsgemäße Lehre des Klagepatents unverändert an. Dies bedeutet indes nicht, dass jegliche vorbekannte Rakelelemente weiterhin Gegenstand der Erfindung wären. Wie etwa im Hinblick auf die Figur 13 zu erkennen ist, kann dies gerade nicht der Fall sein, weil das Klagepatent insbesondere die Anordnung und Anzahl der vorzusehenden Rakelelemente verändern wollte, um eine Verbesserung gegenüber dem Stand der Technik zu erzielen. Im Übrigen weisen auch die Rakelelemente aus der Figur 13 Bodenkontakt auf.
- IV.
Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht unter Berücksichtigung des erläuterten Verständnisses die Lehre des Klagepatents. - Nach dem eigenen Verständnis der Beklagten weist die angegriffene Ausführungsform nachfolgend skizzierten Innenaufbau auf (vgl. Bl. 114 GA, KE S. 18):
- Obwohl es sich bei der Skizze der Beklagten im Wesentlichen um eine Prinzipdarstellung handelt, hat die Kammer nach eigener Anschauung einer angegriffenen Ausführungsform in dem Parallelverfahren (4c O 62/21) erhebliche Bedenken an der Korrektheit dieser Darstellungsweise. Denn insbesondere der Saugauslass ist in der angegriffenen Ausführungsform eher mittig von der Bürste angeordnet und verläuft zunächst horizontal in das Gehäuse der Vorrichtung hinein und nicht derart schräg nach oben wie gezeichnet. Auch ist bei Betrieb der Brüste und dem dritten Rakelelement mindestens ein fingerbreiter Spalt offen.
- Dafür, dass die Prinzipskizze der Beklagten nicht vollständig den realen Aufbau wiedergibt, spricht die Darstellung des Gutachters der Beklagten, der die angegriffene Ausführungsform ihrem inneren Aufbau nach wie folgt darstellen will (Anlage CMS_A9, S. 3):
- Ferner sprechen die Bilder, die den klägerischen Versuchsaufbau dokumentieren, gegen die Darstellung der Beklagten (Replik S. 31, Bl. 163 GA):
- Diese lassen vielmehr einen seitlich angeordneten Saugbereich erkennen (rechts im Bild), wie es auch der Darstellung aus dem Beklagtengutachten entspricht. Die Kammer legt ihrer Würdigung daher aufgrund der größeren Realitätsnähe die Darstellungen der Klägerin zugrunde.
- 1.
Die angegriffene Ausführungsform gebraucht Merkmal 1.4.1. Die Klägerin hat vermocht nachzuweisen, dass es in der angegriffenen Ausführungsform zu einer Zeit, wenn die Bürstenelemente keinen Bodenkontakt aufweisen, zu Beschleunigungswerten von mindestens 3.000 m/s² kommt. - Die Klägerin hat als Anlage ES-B 5 Untersuchungen zur Beschleunigung der Spitzenabschnitte vorgelegt, welche die Gesamtbeschleunigung während des Aufrichtvorgangs der Bürstenelemente darstellen. Als Anlage ES-B7 hat die Klägerin die ermittelten Beschleunigungswerte erneut auswerten lassen und zwar hinsichtlich der radialen Beschleunigung, die aus dem Gesamtwert herausgerechnet wurde. Für beide Ansätze gelangt die Klägerin zwar zu Messwerten, die oberhalb des vom Klagepatent geforderten Mindestbeschleunigungswertes liegen. Für die Frage der Klagepatentverletzung genügen vorliegend jedenfalls schon die Messwerte aus der Anlage ES-B 7, welche ausschließlich radiale Bewegungsanteile der Bürstenelemente berücksichtigen, um eine Verwirklichung der erfindungsgemäßen Lehre nachweisen.
- a.
Der seitens der Klägerin gewählte Versuchsaufbau, um die in der Vorrichtung herrschende Beschleunigung der Spitzenabschnitte zu bestimmen, ist nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden. - aa.
Die Klägerin hat eine angegriffene Ausführungsform im Bereich der Düsenanordnung seitlich aufgeschnitten und eine Acrylglasscheibe davor angebracht. Eine Hochgeschwindigkeitskamera wurde unmittelbar vor der Acrylglasscheibe installiert, um Bilder der sich rotierenden Bürste erfassen zu können. Diese wurden anschließend mit der G-Software, einer führenden Software zur Bewegungsanalyse in Videobildern, ausgewertet. Zuvor mittels eines handelsüblichen Drehzahlmessgeräts wurden die Umdrehungen pro Minute mit ca. 2.660 U/min für den Trockenmodus und 2.553 U/min für den Nassmodus ermittelt. Die untersuchte Bürste wies einen Radius von 24 mm auf. Auch hat die Klägerin die benutzte Software ihrerseits überprüft, um den Aussagegehalt ihrer Messungen zu erhöhen. - Konkret hat die Klägerin in ihrer Analyse die Beschleunigung von 10 verschiedenen Spitzenabschnitten untersucht, sowohl im trockenen wie auch nassen Modus. Es wurden sowohl im nassen als auch im trockenen Modus jeweils 10 Testdurchläufe durchgeführt. Die anschließende Analyse des Bewegungsverhaltens eines Bürstenelements erfolgt durch die G-Software, indem ein bestimmter Punkt sowie dessen Verschiebung in den Bildern verfolgt wird. In den Blick genommen wurde der Verlauf der Beschleunigung ([m/s²], Y-Achse) von Spitzenabschnitten einer Gruppe von Bürstenelementen in Abhängigkeit einer zeitlich ([s], X-Achse) abgebildeten Rotationsbewegung über einen Bewegungsabschnitt. Es wurde jener Abschnitt der Rotationsbewegung der Bürstenelemente erfasst, innerhalb dessen die Aufholbewegung stattfindet.
- bb.
Methodische Mängel an dem Versuchsaufbau, wie von der Beklagten behauptet, vermag die Kammer nicht festzustellen. - Das seitliche Aufschneiden der angegriffenen Ausführungsform und anschließende Einsetzen einer Acrylglasscheibe sind nicht zu beanstanden. Eine mangelnde Abdichtung, welche die Messergebnisse verfälschen könnte, ist den Behauptungen der Beklagten nicht zu entnehmen. Ebenso wenig ergeben sich aus dem Anbringen der Acrylglasscheibe anderweitige Messbeeinträchtigungen oder vollkommen andere Strömungsverhältnisse. Die Kammer vermag aus den Messungen der Klägerin jedenfalls nicht zu erkennen, dass bei den verfolgten Spitzenelementen tatsächlich eine seitliche Auswanderung oder Drehung um 360° erfolgt wäre, die sich nachteilig auf die gemessene Beschleunigung ausgewirkt hätte. Allein, dass das von der Beklagten, auch anhand ihrer eigenen Lichtbilder in der Duplik, aufgezeigte Messrisiko bestehen könnte, ändert aber an der Validität der tatsächlich durchgeführten klägerischen Messungen nichts, weil es sich dort nicht realisiert hat. Jedenfalls hat die Beklagte dies nicht nachweisen können. Ebenso wenig kann die Beklagte mit den Argumenten gehört werden, dass der Messaufbau der Klägerin, wie aus den Videos ersichtlich, mehr als 1 Millimeter zu tief angesetzt gewesen sei und außerdem nicht nur die Spitzen der Bürstenelemente hätten in den Blick genommen werden dürfen, sondern ein größerer Bereich. Die Beklagte hat diese Argumente erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebracht, weshalb – da die Klägerin weiterhin die Richtigkeit der durchgeführten Versuche behauptet – sie schon verspätet und daher zurückzuweisen wären. Im Übrigen hat die Beklagte damit zwar die Unrichtigkeit der Versuchsführung behauptet, aber in der Sache keine technisch fundierte Konsequenz für die erhaltenen Messergebnisse daraus gezogen, sodass die Bedeutung der Messergebnisse selbst bei Berücksichtigung des Bestreitens nicht geschmälert ist.
- Ein geminderter Bedeutungsgehalt der Messergebnisse folgt auch nicht daraus, dass die Messungen der Klägerin an Spitzenabschnitten an Messpunkten im Randbereich der Bürste erfolgt sind, weil die Beklagte nicht dargelegt hat, dass an im Inneren des Düsenkopfes gelegenen Spitzenabschnitten andere Beschleunigungsverhältnisse vorliegen sollten. Dies dürfte auch nicht zutreffend sein, da die Antriebsmittel eine Rotation der gesamten Bürste bewirken und auch bei einer zusätzlichen Beschleunigung grundsätzlich dieselben Kräfte auf die Bürstenelemente einwirken. Tatsächlich sind in den Versuchen der Klägerin auch keine potentiell störenden Einflüsse ausschließlich auf die untersuchten äußeren Bürstenelemente aufgetreten.
- Auch unterliegt die zusätzliche Auswertung der Messergebnisse, wie sie mit der Anlage ES-B7 zur Akte gereicht wurden, zur Ermittlung der radialen Zentrifugalbeschleunigung keinen Bedenken. Die Klägerin hat hierzu ihre Vorgehensweise in nachvollziehbarer Weise erläutert. Grundlage für die – rechnerische – Ermittlung der radialen Beschleunigungskomponente waren die mittels der G-Software erhaltenen Messergebnisse sowie die jeweiligen zweidimensionalen Positionen der Bürstenelemente. Aus diesen Positionen wurden vektorielle Geschwindigkeiten ausgelesen, die Aufschluss über die Geschwindigkeit sowie über die Bewegungsrichtung geben. Anhand dieser Daten hat die Klägerin den momentanen Krümmungsmittelpunkt der Bahn eines Spitzenabschnitts berechnet und sodann den momentanen Radius. Die daraus erhaltenen Daten hat die Klägerin in die auch im Klagepatent benannte allgemeine Formel für die Geschwindigkeitsberechnung eingesetzt.
- Das Bestreiten der Beklagten gegen diese rechnerische Ermittlung der radialen Geschwindigkeit ist nicht erheblich und das Erklären mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) unzulässig. Denn es ist nicht zu erkennen, dass die Beklagte ggf. unter Zuhilfenahme sachkundiger Unterstützung ernsthafte eigene Anstrengungen unternommen hätte, die dezidiert dargelegten Berechnungsschritte der Klägerin nachzuvollziehen. Vielmehr zieht sich die Beklagte auf pauschales Bestreiten zurück, obwohl es zur Überzeugung der Kammer zum Grundwissen eines Fachmanns zählt, dass bei Rotationsbewegungen Krümmungswinkel vorhanden sein können, die regelmäßig anhand von Vektoren dargestellt werden. Weshalb die mittels der G-Software festgestellten Positionen der Bürstenelemente kein tauglicher Ausgangspunkt für die weitere Berechnung sein sollten, ist nicht zu erkennen. Hinzukommt, dass die Klägerin in der Replik bereits schematisch das Krümmungsverhalten von Spitzenabschnitten dargestellt und dazu erläutert hat, dass die unterschiedliche Orientierung während der Rotation durch Vektoren dargestellt wird. Dies ist plausibel. Umso ausführlicher hat die Klägerin ihre Berechnungen im Schriftsatz vom 29. November 2022 dargestellt, in dem sie erneut dezidiert die einzelnen Schritte beschrieben und mit mathematischen Formen untermauert hat. Insbesondere geht sie dabei auf Kritik der Beklagten ein und erläutert das Erfordernis, zwei Positionen zueinander in Bezug zu setzen.
- Im Übrigen offenbart schon das an einem freischwingenden Balken orientierte Berechnungsmodell der Beklagten aus der Anlage CMS-B2, dass die Hinzuziehung von Vektoren eine übliche Vorgehensweise bei der Berechnung von Beschleunigung ist (vgl. z.B. S. 9). Dies kommt so überdies in dem als Anlage CMS-A9 überreichten Sachverständigengutachten zum Ausdruck. Denn dort wird schon auf der ersten Seite zur Zentrifugalbeschleunigung anhand von Vektoren ein Krümmungsmittelpunkt ermittelt, sodass sich das Unverständnis der Beklagten gegenüber dem klägerischen Vortrag umso weniger erschließt. Das technische Gutachten in Anlage CMS-A9 zeigt außerdem, dass auch die Beklagte mittels eines Software-Trackers aufgenommene zweidimensionale Videobilder der angegriffenen Ausführungsform ausgewertet hat (vgl. S.41), was sogar für die Richtigkeit der von der Klägerin gewählten Vorgehensweise spricht.
- b.
Ausgehend von diesem Versuchsaufbau ist die Klägerin zu den folgenden konkreten Messergebnissen gelangt, die für den Versuch M7 dargestellt werden: - In der Graphik dargestellt ist der Abschnitt der Bewegungsbahn des betreffenden Spitzenabschnitts während des Aufrichtvorgangs, nachdem er den Bodenkontakt verloren hat. Die obere Graphik weist die einzelnen detektierten Bewegungspunkte des Spitzenabschnitts aus, während in der unteren Graphik der daraus abgeleitete Beschleunigungsverlauf aufgezeigt wird.
- Obwohl die Klägerin mit dem erläuterten Datensatz 7 auf die Auswertung eines im trockenen Zustand rotierten Bürstenabschnitts Bezug genommen hat, zeigt auch die korrespondierende Auswertung für den Nass-Modus – in welchem es gerade auf die erfindungsgemäßen Selbstreinigungseffekte einer Saugvorrichtung ankommt – Beschleunigungswerte oberhalb des geforderten Mindestwertes (entnommen Anlage ES-B7, S. 31):
- Damit stehen auch weitere graphische Ergebnisse in Einklang, welche belegen, dass die errechneten Zentrifugalbeschleunigungen im Wesentlichen über den geforderten 3.000 m/s² liegen. Exemplarisch wird der auch von der Klägerin in Bezug genommene Test 8 nachfolgend eingeblendet:
- Dieser Datensatz zeigt das Beschleunigungsverhalten eines trockenen Spitzenabschnitts und lässt schon etwa im ersten Drittel des Graphen Messwerte von über 3.000 m/s² erkennen.
- Die seitens der Beklagten angeführte Kritik an den dargestellten Messergebnissen verfängt im Ergebnis nicht.
- Es ist zunächst nicht zu beanstanden, wenn die Klägerin ihre Vorgehensweise validiert, indem sie den starren Bürstenkern in den Blick nimmt und errechnete mit gemessenen Beschleunigungswerten gegenüberstellt. Selbst wenn die Beschleunigung des Bürstenkerns nicht mit derjenigen der Spitzenabschnitte vergleichbar sein mag, lässt dieser Abgleich dennoch eine Aussage über die Zuverlässigkeit der anhand von Messungen ermittelten Beschleunigungswerte zu. Es bedürfte jedenfalls konkreter Anhaltspunkte, dass bei Messungen und Berechnungen von Bürstenabschnitten keine Korrelation mehr gegeben sein sollte. Insoweit ergibt sich auch aus den eigenen Untersuchungen der Beklagten von Seite 41 der Anlage CMS-A9, dass die Benennung einer Referenzgröße grundsätzlich erforderlich ist, wozu von der Beklagten mit dem Bürstenabschlussdeckel ebenfalls ein anderer Vergleichsmaßstab gewählt wurde als die eigentlichen Spitzenabschnitte. Dass die Klägerin ihrerseits eine Referenz für ihre Messwerte festgelegt hat, ist danach plausibel.
- Ferner hat die Klägerin schlüssig erläutert, wie es zu Abweichungen von ca. 10 % bei den ermittelten Werten kommen konnte. Diese Abweichungen sind auf mehrfache Umrechnungen und Ableitungen zurückzuführen und können zudem durch eine Mittelwertbestimmung verringert werden. Hierzu hat die Beklagte in der Duplik schon nicht behauptet, dass 10% eine unübliche Größenordnung für eine Abweichung wären. Für ihre eigenen Vergleichsmessungen hat die Beklagte schon keine gesonderten Abweichungen berechnet. Die Schlussfolgerung, dass eine große Streuung der Beschleunigungswerte über die Zeit zu verzeichnen sei, ist damit nur eine Aussage für die eigens angestellten Versuche, hat indes keine Bedeutung für die klägerischen Versuche. Denn der Messaufbau war jedenfalls hinsichtlich der angewendeten Auswertungssoftware unterschiedlich, woraus sich leicht abweichende Messergebnisse ergeben können.
- Auf weitere Kritik der Beklagten hin hat die Klägerin den Ausschnitt der Messergebnisse 8 in ihrem Schriftsatz von November 2022 in Bezug zu weiteren Messdaten gesetzt (vgl. Bl. 257 GA):
- Die Klägerin hat anhand dieser Graphiken deutlich gemacht, dass sie schriftsätzlich nur auf die rot umrandeten Bereich der Messkurve Bezug genommen hat. Grundsätzlich stehen diese ausgewählten Messwerte aber in einem größeren Kontext. Der nun größere Messausschnitt beginnt mit dem Auftreffen der Bürstenelemente auf dem Boden. Der Graph geht daher in eine Nulllinie über, wenn die Spitzenabschnitte über den Boden schleifen. Die Messungen der Klägerin in der Anlage ES-B7 betreffen mithin insgesamt nur einen Teil der Rotation der Bürste und beziehen sich insbesondere nur auf den Aufrichtvorgang der Bürstenelemente, wenn sie den Kontakt zur zu reinigenden Fläche verlieren. Sie sollen nicht eine ganze Rotation repräsentieren.
- Mit vorstehender Gegenüberstellung hat die Klägerin auf Kritik der Beklagten, geäußert in der Anlage CMS-A10, reagiert. Da die Beklagte selbst aber keinen konkreten schriftsätzlichen Bezug auf diese Anlage genommen und einzelne Kritikpunkte nachvollziehbar herausgestellt hat, bedurfte es seitens der Kammer keiner näheren Auseinandersetzung mit dieser Anlage. Insbesondere in Fallgestaltungen wie der vorliegenden, wo vertiefte physikalische Kenntnisse und Berechnungsmethoden erforderlich sind, um die Funktionsweise einer angegriffenen Ausführungsform nachzuvollziehen, wären detailliertere Erörterungen der Beklagten zu erwarten gewesen. Ein pauschaler Verweis auf gutachterliche bzw. parteieigene technische Feststellungen kann keinen substantiierten Sachvortrag, der von der Kammer zu berücksichtigen wäre, ersetzen.
- c.
Auch die eigenen Ausführungen der Beklagten vermögen die Kammer nicht davon zu überzeugen, dass ausschließlich Beschleunigungswerte unterhalb des Mindestwertes von 3.000 m/s² ermittelt wurden. - Für die als Anlage CMS-B2 in Bezug genommenen ersten Untersuchungen der angegriffenen Ausführungsform fehlen in der Klageerwiderung schon nähere Erläuterungen. Es ist seitens der Beklagten nur ein pauschaler Verweis auf die privatgutachterlichen Ausführungen erfolgt. So verweist die Beklagte lediglich auf „eigene Untersuchungen“, ohne Herangehensweise oder Versuchsaufbau zu schildern. Diese Informationen erschließen sich auch nicht aus der Anlage selbst, da dort komplexe mathematische Berechnungen zusammengefasst werden, ohne deren Grundlagen darzustellen. Derlei Ausführungen werden auch in der Duplik nicht nachgeholt, obwohl dort sogar im Rahmen der Nichtverletzungsdiskussion auf zwei Lichtbilder abgestellt wird, die aus einer vorgenommenen Untersuchung stammen sollen. Wie oder ob eine Auswertung dieser Videobilder erfolgt ist, ist jedoch nicht festzustellen. Stattdessen scheint sich die Beklagte auf eine reine Berechnung der herrschenden Zentrifugalbeschleunigung beschränkt zu haben. Die Beklagte hat sich hier auf eine Berechnungsmethode gestützt, die für freischwingende gedämpfte Kragbalken benutzt wird. Insoweit bestehen nach Ansicht der Kammer keine grundlegenden Bedenken gegen eine rein rechnerische Vorgehensweise, solange das gewählte Berechnungsmodell für die Situation passend ist und deren Besonderheiten in hinreichender Weise berücksichtigt. Daran fehlt es allerdings vorliegend. Es hätte besonderer, für technische Laien eingängiger Erklärungen der Beklagten bedurft, weshalb für ein Berechnungsmodell auf das Verhalten eines freien gedämpft schwingenden Kragbalkens abgestellt werden kann. Ohne Weiteres erschließt sich nämlich nicht, dass aus der Bauphysik stammende Rechnungsmodelle mit der Verhaltensweise von Bürstenelementen in der Düsenanordnung eines Saugwischers vergleichbar sind. Das weitere Argument der Beklagten, auch die Klägerin hätte sich auf Berechnungsmodelle bezogen, die nicht unmittelbar die vorliegende Materie beträfen, kann den Rückgriff auf Rechenformeln der Bauphysik nicht begründen. Denn insoweit sind die Rechenvorgänge der Klägerin nach Überzeugung der Kammer deutlich sachnäher, da sie das Krümmungsverhalten von bestimmten Punkten orientiert an einem Kreis betreffen und damit jedenfalls der geometrischen Form nach schon an eine drehbare Bürste erinnern. Solche Ähnlichkeiten fehlen bei einem freischwingenden Balken.
- Hinzukommt, dass die Beklagte auch die in Anlage CMS-A 9 aufgeführten Berechnungsformeln nicht näher erläutert hat. Ebenso fehlen Darlegungen des Sachverständigen, weshalb er diesen Ausgangspunkt für seine Berechnungen gewählt hat. Angesichts der Komplexität dieser Formeln wäre es für das Verständnis des nicht fachkundig besetzten Verletzungsgerichts zu erwarten gewesen, wenigstens die hinter diesen Rechenschritten stehenden Operationen und jeweils ermittelten Werte ausformuliert darzustellen – wie es auch die Klägerin getan hat. Auf diese Weise könnte zumindest die in den Berechnungsformen zum Ausdruck kommende Vorgehensweise nachvollzogen werden.
- 2.
Die angegriffene Ausführungsform macht Gebrauch von Merkmal 1.3. Sie verfügt nur über ein einziges Rakelelement an der Unterseite, welches Bodenkontakt hat. Soweit die Beklagte auf das zweite oder dritte Rakelelement als weitere erfindungsgemäße Rakelelemente abstellt, weisen diese Vorrichtungsteile unstreitig jeweils keinen Kontakt zum Boden auf. Hinzukommt, dass insbesondere das dritte Rakelelement auch nicht dem Abstreifen von Flüssigkeiten dient, sondern gerade für deren Verteilung auf der Bürste sorgt, worin nicht die Funktion eines erfindungsgemäßen Rakelelements liegt. - Die erst mit der Duplik vorgebrachten gutachterlichen Untersuchungen vermögen vorstehendes Ergebnis nicht zu ändern. Wenn die Beklagte daraus ableiten will, dass das Rakelelement gar nicht zum vollständigen Wassertransport geeignet sei und daher nicht im Sinne eines Abziehelements fungiere, überzeugt dies die Kammer nicht. Die anhand von Lichtbildern dokumentierten und im Gutachten nach Anlage CMS_A9 erläuterten Versuche sind nach Auffassung der Kammer nicht repräsentativ und valide. Sie zeigen nur, dass der testweise am Boden befindliche Wasserfleck nicht bei einem einzigen Hinüberfahren mit der Vorrichtung beseitigt worden ist und nur Teile des Wassers bewegt worden sind. Dabei ist aber schon zu berücksichtigen, dass die Bürste nicht montiert war und somit keine zweite Position (Kontakt zwischen Bürste und Boden) vorlag, deren rückwärtiger Absicherung das Rakelelement mit dient, zumal sich ohne die Bürste auch der Einsaugvorgang anders darstellen wird. Den Versuchen lag nicht die ordnungsgemäße Funktionsweise der angegriffenen Ausführungsform zugrunde.
- Abgesehen davon kommt es auf die inhaltliche Richtigkeit der Behauptung, die angegriffene Ausführungsform könne nicht zuverlässig Flüssigkeit von einer Oberfläche beseitigen, aber auch nicht an. Das Rakelelement muss nämlich nicht den Anforderungen an einen Fensterabzieher genügen, sodass der Gegenüberstellung der angegriffenen Ausführungsform mit einem Abwischer für Fenster keine Bedeutung zukommt. Bei der angegriffenen Ausführungsform steht nicht isoliert die Abziehfunktion im Zentrum. Vielmehr soll diese ergänzend zur Reinigungswirkung der Bürste eingesetzt werden. Der Versuchsaufbau hat daher auch vor diesem Hintergrund nicht einem realen Einsatz der angegriffenen Vorrichtung entsprochen. Eine derartig große Wassermenge wird schon allein deshalb nach Gebrauch der Vorrichtung nicht mehr vorliegen, weil die Bürstenelemente Teile des Wassers aufgenommen und damit vom Boden beseitigt haben werden. Der weiter angestellte Rauchtest kann des Weiteren so verstanden werden, dass das Rakelelement eine hintere Begrenzung/Abdichtung in der angegriffenen Vorrichtung bereitstellt. Denn nach den gutachterlichen Erläuterungen war festzustellen, dass hinter dem Rakelelement strömender Rauch außen an diesem vorbeiströmt und sodann vom Gerät eingesogen wird. Nicht zu erkennen war, dass der Rauch unter dem Rakelelement hindurch geströmt ist. Es bestand mithin eine hinreichende Dichtung zum Boden. Im Übrigen stellt der Gutachter zudem fest, dass die Voraussetzung zum Abziehen (von Wasser) in beide Richtungen, wegen des Umschlagens der Lippe, grundsätzlich gegeben ist (Anlage CMS-A9, S. 8). Dies ist für eine Verwirklichung des Merkmals 1.3 in jedem Falle ausreichend.
- V.
Aufgrund der vorstehenden Ausführungen resultieren die folgenden Rechtsfolgen: - 1.
Da die Beklagte das Klagepatent widerrechtlich benutzt hat, ist sie gemäß Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 1 PatG zur Unterlassung der Benutzungshandlungen verpflichtet. - 2.
Die Beklagte trifft auch ein zumindest fahrlässiges Verschulden. Denn die Beklagte als Fachunternehmen hätte bei Anwendung der von ihr im Geschäftsverkehr zu fordernden Sorgfalt die Benutzung des Klagepatents erkennen und vermeiden können, § 276 BGB. Für die Zeit ab Erteilung des Klagepatents schuldet die Beklagte daher Ersatz des Schadens, welcher zunächst der ursprünglichen Inhaberin und sodann der Klägerin entstanden ist und noch entstehen wird, Art. 64 EPÜ, § 139 Abs. 2 PatG. - Da die genaue Schadensersatzhöhe derzeit noch nicht feststeht, die Klägerin nämlich keine Kenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen durch die Beklagte hat, hat sie ein rechtliches Interesse gemäß § 256 ZPO daran, dass die Schadensersatzpflicht der Beklagten dem Grunde nach festgestellt wird.
- 3.
Um die Klägerin in die Lage zu versetzen, den ihr zustehenden Schadensersatz zu beziffern, ist die Beklagte verpflichtet, im zuerkannten Umfang über ihre Benutzungshandlungen Rechnung zu legen, Art. 64 EPÜ, § 140b PatG i.V.m. § 242 BGB. - 4.
Die Beklagte ist nach Art. 64 EPÜ, § 140a Abs. 1 und 3 PatG in der zuerkannten Weise auch zur Vernichtung und zum Rückruf der das Klagepatent verletzenden Gegenstände verpflichtet. - VI.
Der Rechtsstreit war nicht auszusetzen. Die Kammer vermochte nicht festzustellen, dass die im Wege der Nichtigkeitsklage vorgebrachten Einwände gegen den Rechtsbestand des Klagepatents hinreichend wahrscheinlich erfolgreich verlaufen würden.
Nach Auffassung der Kammern (Mitt. 1988, 91 – Nickel-Chrom-Legierung, BlPMZ 1995, 121 – Hepatitis-C-Virus), die durch das Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 – Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 – Steinknacker) und den Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 284 – Transportfahrzeug; GRUR 2014, 1237 ff. – Kurznachrichten) bestätigt wurde, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung der Nichtigkeitsklage als solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtsstreit auszusetzen, da dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist (§ 58 Abs. 1 PatG). Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen. - Wenn das Klagepatent mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls hat es die Verhandlung des Rechtsstreits nach § 148 ZPO auszusetzen, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Nichtigkeitsklage entschieden ist (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten). Denn eine – vorläufig vollstreckbare – Verpflichtung des Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung sowie Vernichtung patentgemäßer Erzeugnisse ist regelmäßig nicht zu rechtfertigen, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten steht, dass dieser Verurteilung durch die Nichtigerklärung des Klagepatents die Grundlage entzogen werden wird. Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) in Verbindung mit den Grundrechten folgende und damit verfassungsrechtlich verbürgte Justizgewährungsanspruch gebietet, dem Verletzungsbeklagten wirkungsvollen Rechtsschutz zur Verfügung zu stellen, wenn er sich gegen den Angriff aus dem Klagepatent mit einem Gegenangriff gegen den Rechtsbestand dieses Patents zur Wehr setzen will. Dies erfordert nicht nur eine effektive Möglichkeit, diesen Angriff selbst durch eine Klage auf Nichtigerklärung führen zu können auch eine angemessene Berücksichtigung des Umstands, dass in diesem Angriff auch ein – und gegebenenfalls das einzige – Verteidigungsmittel gegen die Inanspruchnahme aus dem Patent liegen kann. Wegen der gesetzlichen Regelung, die für die Ansprüche nach §§ 139 ff. PatG lediglich ein in Kraft stehendes Patent verlangt und für die Beseitigung dieser Rechtsposition nur die in die ausschließliche Zuständigkeit des Patentgerichts fallende Nichtigkeitsklage zur Verfügung stellt, kann der Angriff gegen das Klagepatent anders als in anderen Rechtsordnungen nicht als Einwand im Verletzungsverfahren oder durch Erhebung einer Widerklage auf Nichtigerklärung geführt werden. Dies darf indessen nicht dazu führen, dass diesem Angriff jede Auswirkung auf das Verletzungsverfahren versagt wird. Die Aussetzung des Verletzungsstreits ist vielmehr grundsätzlich, aber auch nur dann geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, GRUR 2014, 1237, 1238 – Kurznachrichten).
- 1.
Die erfindungsgemäße Lehre beruht auf Neuheit. - a.
Eine Entgegenhaltung ist dann neuheitsschädlich, wenn sich die gesamte als Erfindung beanspruchte Lehre des Klagepatents aus dieser Schrift, deren Gesamtinhalt zu ermitteln ist, für den Fachmann am Prioritätstag in einer Weise ergibt, dass ihm die dort vorgestellte technische Lösung unmittelbar und eindeutig sämtliche Merkmale der Erfindung offenbart. Dabei beschränkt sich die technische Lehre der Patentschriften nicht auf den Inhalt der Ansprüche, sondern schließt die gesamte technische Information ein, die ein Durchschnittsfachmann Ansprüchen, Beschreibung und Abbildungen entnehmen kann (vgl. BGH GRUR 2009, 382, 384 – Olanzapin). - b.
Die D7 bezieht sich auf einen Staubsauger. Insbesondere bezieht sich die vorliegende Erfindung auf einen Staubsauger mit einer Nassreinigungsfunktion (Abs. [0001]). Ein Aspekt der vorliegenden Erfindung besteht darin, einen Staubsauger mit einer Nassreinigungsfunktion mit einfacher Struktur bereitzustellen, ohne dass das Herab- und Herauffahren einer Bürste erforderlich ist. - Um die obigen Aspekte zu erreichen, wird ein Staubsauger mit einer Nassreinigungsfunktion bereitgestellt, der einen Hauptkörper, eine Bürstenbaugruppe mit einer Verunreinigungssaugöffnung, die einer Reinigungsfläche zugewandt ist, eine Bürste der Verunreinigungssaugöffnung, die sich in Kontakt mit der Reinigungsfläche dreht, und eine Wasserauslassdüse umfasst, wobei die Verunreinigungssaugöffnung mit dem Hauptkörper in Fluidverbindung steht und ein vorderes und ein hinteres Blockierteil an einer Vorderseite und einer Rückseite der Bürste auf einer Bodenfläche der Bürstenbaugruppe ausgebildet sind, um einen Verunreinigungssaugweg durch eine Reibungskraft gegen die Reinigungsfläche selektiv zu öffnen oder zu blockieren.
- Zur Veranschaulichung der Lehre der D7 wird nachfolgend die Figur 7 wiedergegeben, die eine Seitenansicht der Bürstenanordnung einer erfindungsgemäßen Vorrichtung zeigt:
- aa.
Die D7 offenbart nicht das Merkmal 1.3. Sie weist nicht nur ein einziges Rakelelement auf. - Anders als das vordere Blockierteil hat das hintere Blockierteil sowohl bei einer Vorwärts- als auch bei einer Rückwärtsbewegung Kontakt zur Reinigungsfläche. Nachfolgend eingeblendete Figuren 8 und 9 veranschaulichen das Bewegungsverhalten der ebenen Fläche 53 bzw. der Vorsprungsfläche 54.
- Hierzu führt Abs. [0045] aus:
- „[…] Eine vordere Oberfläche (im Folgenden ebene Oberfläche) 53 der hinteren Blockplatte 52 ist eben, und eine hintere Oberfläche (im Folgenden vorstehende Oberfläche) 54 weist eine Vielzahl von Vorsprüngen 55 auf, die in einem bestimmten Abstand aufeinander folgen. Die Vorsprungsfläche 54 kann die Form einer Zahnstange mit einer Vielzahl von dreieckigen Zähnen annehmen. Die Länge des hinteren Blockbretts 52 kann so eingestellt werden, dass ein unteres Ende 52b des hinteren Blockbretts 52 leicht gegen die Reinigungsfläche 2 drückt, wenn die Bürstenbaugruppe 20 auf der Reinigungsfläche 2 angeordnet ist, wie in FIG. 7 gezeigt. Wenn sich die Bürstenbaugruppe 20 dann vorwärts und rückwärts bewegt, bewegt sich das untere Ende 52b des hinteren Blockteils 50 mit einer Reibungskraft gegen die Reinigungsfläche 2, wodurch das hintere Blockteil 50 in eine Richtung gebogen wird, die der Bewegungsrichtung der Bürstenbaugruppe entgegengesetzt ist. Dementsprechend wird der vordere Endabschnitt der ebenen Fläche 53 (FIG. 8) oder der vordere Endabschnitt der vorstehenden Fläche 54 (FIG. 9) in Abhängigkeit von der Bewegungsrichtung der Bürstenbaugruppe 20 wahlweise gegen die Reinigungsfläche 2 gedrückt.“
- Jedenfalls bei einer Rückwärtsbewegung, wenn der vordere Blockteil zur Reinigungsfläche gedrückt wird, haben somit zwei Elemente der Reinigungsvorrichtung Kontakt zum Boden. Dies ist aber gerade ein Aspekt, den die Lehre des Klagepatents insbesondere zur Vermeidung von Kratzern überwinden wollte.
- Entgegen der Ansicht der Beklagten führt auch die Schwenkbarkeit des vorderen Blockteils nicht zu einer neuheitsschädlichen Vorwegnahme. Denn wie zuvor erläutert, verbleibt mindestens eine Situation, in der beide Blockteile den Boden berühren.
- Hierbei ist auch das weitere Argument der Beklagten, es könne bei Rückbewegung auf ein Aufsaugen verzichtet werden, sodass es vorne keines Rakels bedürfte, nicht zielführend. Auch unterstellt, diese Umgestaltung wäre technisch einfach umzusetzen, handelt es sich um eine Variante der in der D7 gelehrten Vorrichtung, die nicht unmittelbar und eindeutig offenbart ist und somit für die Beurteilung der Neuheit des Klagepatents nicht herangezogen werden kann. Im Übrigen dürfte aber zu fragen sein, wie überhaupt der Ansaugvorgang derart unterteilt werden kann, dass er bei einer rückwärtigen Bewegung unterbrochen wird.
- bb.
Auch Merkmal 1.3.2 wird von der D7 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. - Es liegt kein erfindungsgemäßer Saugbereich vor. Das Merkmal sieht hierzu vor, dass dieser Saugbereich zwischen dem Rakelelement und der Bürste definiert ist. Wie im Rahmen der Verletzungsdiskussion ausgeführt, ist es nach dem Klagepatent zwar möglich, den Saugbereich auch bei einer Vorwärtsbewegung vor die Bürste zu verlagern, indes geht dies über den Anspruchswortlaut für dieses Merkmal hinaus.
- Die D7 sieht einen Staubsauger mit einer Nassreinigungsfunktion vor, dessen Bürste über ein vorderes und ein hinteres Blockierteil an einer Vorderseite und einer Rückseite der Bürste auf einer Bodenfläche der Bürstenbaugruppe verfügt. Dadurch wird ein Verunreinigungssaugweg durch eine Reibungskraft gegen die Reinigungsfläche selektiv geöffnet oder blockiert (Abs. [0012]). Ohne die Blockierung des vorderen oder hinteren Verunreinigungssaugwegs würde eine Vorrichtung gemäß der D7 sowohl bei Vorwärts- als auch bei Rückwärtsbewegungen von jeder Seite der Bürste Schmutz und Wasser ansaugen. Wenn die Bürste selbst schon hinreichend den Saugbereich begrenzen würde, wofür aber Anhaltspunkte in der D7 fehlen und was die erfindungsgemäße Lehre gerade vorschlägt, wäre diese Blockierung nicht erforderlich.
- cc.
Die D7 offenbart unstreitig nicht die Merkmale 1.2.4 und 1.4.1. Anders als die Beklagte meint, liest der Fachmann sie nicht mit. - Zum maßgeblichen Gegenstand einer vorveröffentlichten Patentschrift gehört vielmehr alles, was zwar in den Merkmalen des Patentanspruchs und im Wortlaut der Beschreibung nicht ausdrücklich erwähnt ist, aus der Sicht des Fachmanns jedoch nach seinem allgemeinen Fachwissen selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf. Dazu gehören auch unmittelbar nahe liegende Abwandlungen, die der Fachmann quasi „mitliest“ bzw. „zwischen den Zeilen liest“ (Mes, 5. Aufl. 2020, PatG § 3 Rn. 29). Nicht anders als bei der Ermittlung des Wortsinns eines Patentanspruchs ist der Sinngehalt der Veröffentlichung maßgeblich, also diejenige technische Information, die der fachkundige Leser der jeweiligen Quelle vor dem Hintergrund seines Fachwissens entnimmt. Hierzu gehören auch Abwandlungen und Ergänzungen, die nach dem Gesamtzusammenhang der Schrift für den Fachmann derart naheliegen, dass sie sich ihm bei aufmerksamer, weniger auf die Worte als ihren erkennbaren Sinn achtenden Lektüre ohne Weiteres erschließen, so dass er sie gleichsam mitliest, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Die Berücksichtigung solcher Umstände zielt nicht auf eine Ergänzung der Offenbarung durch das Fachwissen, sondern auf die Erfassung der technischen Information, die der Fachmann durch eine Schrift erhält, in ihrer Gesamtheit (BGH, GRUR 2014, 758 – Proteintrennung).
- Um ein Mitlesen beurteilen zu können, ist es daher erforderlich, Hinweise auf das Fachwissen und die von einem Fachmann als Selbstverständlichkeiten erkannten technischen Umstände zu erhalten. Vorliegend stützt sich die Beklagte auf verschiedene Druckschriften aus dem Stand der Technik, in denen bestimmte Umdrehungsgeschwindigkeiten für Nass-/Trockensauger offenbart werden. Nähere Ausführungen zu einer dieser Druckschriften und zu daraus folgenden allgemeinen Erkenntnissen des Fachmanns sind im vorliegenden Verfahren durch die Beklagte unterblieben. Soweit die Beklagte in der Duplik meint, dass der Fachmann die erfindungsgemäßen Werte aufgrund anderer im Stand der Technik vorbekannter Werte „zumindest nicht ausschließen“ würde, ist dies nicht hinreichend, ein Mitlesen in der D7 zu begründen. Denn dabei handelt es sich um einen aktiven Vorgang, der positiv zu den fehlenden Merkmalen der erfindungsgemäßen Lehre führen muss. Eine Negativabgrenzung ist dafür nicht ausreichend.
- Wie zwischen den Parteien außer Streit steht, spielen in Nass-/Trockensaugern der Bürstendurchmesser, die Anzahl der Umdrehungen und die Beschaffenheit der Bürste zusammen. Die in Merkmal 1.4.1 beanspruchte Zentrifugalbeschleunigung wird sodann rechnerisch aus diesen Parametern abgeleitet. Wann aber für welche Vorrichtung ein bestimmter Durchmesser der Bürste, eine bestimmte Härteeigenschaft der Bürstenelemente und schließlich eine Drehgeschwindigkeit gewählt werden, kommt auch maßgeblich mit auf die Ausgestaltung der Vorrichtung an und kann nicht verallgemeinert werden. Das isolierte Wissen des Fachmanns, dass hohe Geschwindigkeiten im Bereich von 5.000 bis 10.000 U/min benutzt werden könnten, offenbart diese Parameter nicht zugleich für jegliche Ausgestaltung.
- 2.
Das Klagepatent beruht auf erfinderischer Tätigkeit. - a.
Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Um das Begehen eines von den bisher beschrittenen Wegen abweichenden Lösungswegs nicht nur als möglich, sondern dem Fachmann nahegelegt anzusehen, bedarf es – abgesehen von den Fällen, in denen für den Fachmann auf der Hand liegt, was zu tun ist – in der Regel zusätzlicher, über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anregungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe dafür, die Lösung des technischen Problems auf dem Weg der Erfindung zu suchen (BGH, GRUR 2009, 746 – Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; BGH, GRUR 2010, 407 – einteilige Öse). Daraus kann man entnehmen, dass es positive Anregungen im Stand der Technik geben muss, in Richtung des Klagepatents weiter zu denken. Der Fachmann muss auf die Problemstellung kommen, die dem Klagepatent zugrunde liegt und er muss Hinweise bekommen, dass man dieses Problem mit Mitteln des Klagepatents löst. - b.
Soweit die Beklagte meint, jedenfalls aus einer Kombination der D7 mit der D1 sei die erfindungsgemäße Lehre nahegelegt, vermag die Kammer dieser Ansicht nicht beizutreten. Ausgehend von dieser Kombination fehlt es dem Klagepatent deshalb nicht an erfinderischer Tätigkeit, da die Merkmale 1.2.4 und 1.4.1 nicht nahe liegen. - Die Beklagte nimmt auf Seite 6 Zeilen 25 ff. der D1 Bezug:
- „In an advantageous embodiment of the cleaning device according to the invention the brush elements have a Dtex-value of between 0.01 and 50, preferably between 0.1 and 10 and even more preferably between 0.1 and 2.“
- Selbst wenn sich aus dieser isoliert von der Beklagten herausgegriffenen Passage eine lineare Massendichte von Bürstenelementen ergibt, die im beanspruchten Bereich unterhalb von 150 g pro 10 km ergibt, bedeutet dies nicht ohne Weiteres, dass der Fachmann diese Angaben auf die Lehre der D7 übertragen hätte. Entscheidend ist nämlich, dass er eine Anregung in Stand der Technik vorfindet, die ihn dazu veranlasst.
- Die Beklagte hat sich aber darauf beschränkt, die Gattungsgleichheit der Vorrichtungen aus der D7 und der D1 zu behaupten. Dies greift indes zu kurz und genügt nicht, einen hinreichenden Bedarf für Abänderungen an der D7 aufzuzeigen. Die D1 betrifft eine Vorrichtung, um Partikel von einer Oberfläche zu beseitigen, welche Sprühmittel beinhaltet, um Tropfen einer Arbeitsflüssigkeit zu versprühen, insbesondere können hierfür zwei Bürsten miteinander agieren, um in einem Vereinigungsraum Staubpartikel und Wassertröpfchen für einen guten Abtransport des Staubes zu vereinigen (vgl. S. 3, Z. 21 ff.). Es soll eine nur geringe Wassermenge erforderlich sein, um kleine Schmutzpartikel zu befeuchten. Die D1 formuliert auf Seite 2, erster Absatz näher:
- „Dieses Ziel wird bei der erfindungsgemäßen Reinigungsvorrichtung durch eine Reinigungseinheit erreicht, die geeignet ist, zumindest einen Teil der Tröpfchen der Arbeitsflüssigkeit von der Luft abzutrennen, wobei die Sprüheinrichtung eine drehbare Bürste mit flexiblen Bürstenelementen umfasst, wobei die drehbare Bürste im Gebrauch von der Arbeitsflüssigkeit benetzbar ist, während die Bürste mit einer solchen Drehgeschwindigkeit drehbar ist und eine solche Abmessung aufweist, dass im Gebrauch die Tröpfchen der Arbeitsflüssigkeit als ein Tröpfchennebel von den flexiblen Bürstenelementen in einen Koaleszenzraum der Vorrichtung ausgestoßen werden, die vom Einlass aufgenommene verschmutzte Luft vom Koaleszenzraum aufgenommen werden kann, um koaleszierte Partikel aus den von den Bürstenelementen ausgestoßenen Tröpfchen und Partikeln in der verschmutzten Luft zu bilden, wobei die koaleszierten Partikel vom Koaleszenzraum zur Reinigungseinheit befördert werden können, um mindestens einen Teil der koaleszierten Partikel von der Luft abzutrennen.“
- Der Lehre der D1 kommt es darauf an, die Bürstenelemente auf der Bürste dicht aneinander anzusiedeln, um dadurch Wassertropfen in der Bürste halten zu können, bevor durch die Rotationsbewegung Kapillarkräfte auf sie einwirken (vgl. S. 6, Zeilen 2 ff.: With such a distance small droplets of the cleansing fluid can be formed and be held between the brush elements, for example by capillary forces; S. 4 a.E der Übersetzung):
- „In einer vorteilhaften Ausführungsform der erfindungsgemäßen Reinigungsvorrichtung liegt der durchschnittliche Abstand zwischen zwei benachbarten flexiblen Bürstenelementen zwischen 10 und 100, vorzugsweise zwischen 20 und 40 Mikron.
- Bei einem solchen Abstand können sich kleine Tröpfchen der Reinigungsflüssigkeit bilden und zwischen den Bürstenelementen gehalten werden, beispielsweise durch Kapillarkräfte. In einer vorteilhaften Ausführungsform der erfindungsgemäßen Reinigungsvorrichtung haben die Bürstenelemente einen Dtex-Wert zwischen 0,01 und 50, vorzugsweise zwischen 0,1 und 10 und noch bevorzugter zwischen 0,1 und 2.“
- Inwieweit aber ein Fachmann ausgehend von der D7 eine solche Bürste in den Blick nehmen und in eine Vorrichtung nach der D7 – ohne das Erfordernis weiterer Abänderungen einbauen sollte, ist nicht ersichtlich. Es handelt sich um jeweils in sich abgeschlossene (Nass-)Reinigungsvorrichtungen und insbesondere die D7 zeichnet sich dadurch aus, dass sie keine dicht angesiedelten Bürstenelemente aufweist, sondern nur wenige Borstenreihen, die zudem starrer als nach der D1 sind. Dass bei diesen unterschiedlichen Ausgestaltungen der Bürsten, nur der jeweilige Borstenkopf ausgetauscht werden könnte, ohne weitere Veränderungen und Anpassungen an der jeweiligen Vorrichtung vorzunehmen, ist auch nicht zu erkennen.
- Ferner verweist die Beklagte auf Seite 8, 3. Absatz (englische Fassung S. 11, Z. 22 ff.), um das Naheliegen der beanspruchten Mindestbeschleunigung zu belegen:
- „Wenn die Bürste 3, 4 mit einem Durchmesser von 44 mm mit 8000 Umdrehungen pro Minute gedreht wird, kann die Zentripetalbeschleunigung aufgrund der Drehgeschwindigkeit, die auf die Spitzen der Bürstenelemente wirkt, berechnet werden als a =0,5* Dbmsh * ?2 = 0,5 * 0,044 * (2 * pi * 8000/60) 2= 15424 m/sec2.“
- Aus vorstehender Passage ergibt sich, dass in einer Vorrichtung nach der D1 Zentrifugalbeschleunigungen wirken, die oberhalb der Mindestangabe von 3000 m/s² im Klagepatent liegen. Allein der Umstand, dass technisch diese Geschwindigkeit erreicht werden könnte, genügt nicht dafür aus, dass sie so in einer Vorrichtung nach der D7 umgesetzt werden könnte und dort technisch effizient wäre. Vielmehr dürften diese Angaben aus der D1 (Art der Bürste und Beschleunigungswerte) gerade das Zusammenspiel dieser Komponenten veranschaulichen. Sobald demnach einer dieser Parameter in einer Vorrichtung verändert wird, sind auch Abänderungen an dem zweiten Wert erforderlich. Dies wiederum bedeutet aber eine wesentliche Abänderung der offenbarten Vorrichtung, für die kein Anlass zu erkennen ist.
- c.
Ebenso wenig fehlt es der erfindungsgemäßen Lehre ausgehend von der D1 mit der D2 und/oder der D4 an erfinderischer Tätigkeit. - Die Beklagte ist hierzu der Ansicht, dass die D1 schon sämtliche Merkmale des Klagepatents offenbart, abgesehen vom Rakelelement im Sinne des Merkmals 1.3/1.3.1.
- aa.
Ungeachtet der zum Offenbarungsgehalt der D1 zuvor dargestellten Zweifel an der Offenbarung von beanspruchter Massendichte und Zentrifugalbeschleunigung, aufgrund derer die D1 als Ausgangspunkte ohnehin nicht geeignet sein dürfte, hat die Beklagte jedenfalls auch nicht hinreichend substantiiert erläutert, welchen Anlass der Fachmann haben sollte, in einer Vorrichtung nach der D1 – auch mit nur einer Bürste – ein Rakelelement vorzusehen. Dem ausführlichen Vorbringen der Klägerin, weshalb in der Lehre de D1 überhaupt kein Erfordernis für die Abdichtung eines Saugraums besteht, die gerade über ein Rakelelement realisiert werden könnte, ist die Beklagte weder im hiesigen Verletzungsverfahren schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten. - bb.
In der D2, welche Bodenreinigungsgeräte betrifft, die Feuchtigkeit und Flüssigkeitsmengen vom Boden aufnehmen können, dürfte ein Rakelelement offenbart sein, welches auch den erforderlichen Bodenkontakt aufweist. Dies ist in Abs. [0127] unmittelbar und eindeutig offenbart: - „Wie aus den FIGS. 17A-18B ersichtlich ist, leitet das Rührwerk 110 bei seiner Drehung Flüssigkeit und/oder Schmutz von der Oberfläche zur Vorderkante 1708 des Schmutzeinlasses 1602. Die Vorderkante 1708 kann sich oberhalb der Bodenoberfläche befinden und kann Rollen oder andere Stützen enthalten, um sie von der Oberfläche fernzuhalten. Ein Spalt zwischen der Vorderkante 1708 und dem Boden kann dazu beitragen, dass die Vorderkante 1708 bei der Rückwärtsbewegung Schmutz oder Flüssigkeit von den Einlässen 1602, 1604 wegdrückt. Ein engerer Spalt oder Kontakt zwischen der Vorderkante 1708 und dem Boden während der Vorwärtsbewegung kann jedoch dazu beitragen, dass sich Schmutz und Flüssigkeit in den Einlässen 1602, 1604 sammeln. Während in der beispielhaften Ausführungsform ein Spalt vorgesehen ist, kann dieser Spalt in anderen Ausführungsformen entfernt werden, oder der Reinigungskopf 102 kann einen Abstreifer oder andere bewegliche Elemente enthalten, die den Boden in der Nähe des Rührwerks 110 berühren, um Schmutz und Ablagerungen daran zu hindern, unter den Reinigungskopf 102 zu gelangen. Ein solcher Abstreifer oder eine andere Vorrichtung kann während des Vorwärtshubs abgesenkt und während des Rückwärtshubs angehoben werden, falls gewünscht, und kann durch das Umlenkrad 1634 oder einen anderen geeigneten Mechanismus betätigt werden.
- Sofern aber aus der D1 nicht schon die Merkmal 1.2.4 und 1.4.1 herausgelesen werden können, fehlt es daran auch in Gesamtschau mit der D2.
- Denn unabhängig von der Ausgestaltung des Agitators in der D2 und von der Frage, ob dieser durch eine Bürste mit weichen Bürstenelementen ersetzt werden könnte, erscheint fraglich, ob eine anspruchsgemäße Massendichte und Mindestbeschleunigung in naheliegender Weise aus der D2 folgen. Nach Ansicht der Kammer wird der Fachmann in dem von der Beklagten selbst angeführten Abs. [0080] vielmehr von den Werten aus der erfindungsgemäßen Lehre weggeleitet. Dort heißt es nämlich:
- „[0080] Obwohl ein Getriebe 414 nicht erforderlich ist, hat sich herausgestellt, dass typische Elektromotoren 412 mit einer zu hohen Geschwindigkeit für ideale Reinigungsvorgänge mit einigen Arten von Rührwerken arbeiten. In einer beispielhaften Ausführungsform arbeitet der Motor 412 mit mehreren tausend Umdrehungen pro Minute (U/min), und das Getriebe 414 reduziert diese Geschwindigkeit, um das Rührwerk 110 mit etwa 500 U/min anzutreiben. Diese Drehzahlreduzierung hat auch den Vorteil, dass das auf das Rührwerk 110 wirkende Drehmoment erhöht wird. Natürlich kann jedes sinnvolle Untersetzungsverhältnis verwendet werden, um die gewünschte Rührerdrehzahl und/oder das gewünschte Drehmoment zu erreichen, und diese Werte können sich je nach Art der zu reinigenden Oberfläche und der Art des für das Rührwerk 110 verwendeten Materials oder der Struktur ändern.“
- Hier ist eine geringere Drehzahl offenbart, die gerade an die Eigenschaften des Geräts angepasst ist. Das weitere Vorbringen der Beklagten, der Fachmann erkenne aber gleichwohl, dass eine Vorrichtung grundsätzlich mit Umdrehungen von über 3.000/Minute angetrieben werden könnte, überzeugt dagegen nicht, weil es auf das konkrete Zusammenspiel bestimmter Parameter bei einer bestimmten Vorrichtungskonfiguration ankommt. Der schlichte Verweis, dtex-Wert und Beschleunigungen könnten daher jedenfalls mitgelesen werden, entbehrt jeglicher Grundlage und lässt außer Acht, dass unter Umständen Anpassungen an einer bereits vollständigen und funktionstüchtigen Vorrichtung erforderlich würden.
- cc.
Sofern die Beklagte auch weitere Kombinationen geltend machen wollte (z.B. D3, D4, D8, D9, D10), fehlen dazu entgegen der prozessleitenden Verfügung schriftsätzliche Ausführungen. In der mündlichen Verhandlungen wurde diese Kombinationen ebenso wenig erläutert. - B.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO. - Streitwert: 750.000,- Euro